VON G.G. WITTSTEIN AUS MÜNCHEN

lfndenr: 
596
5. September 1868

Hochgeehrtester Herr!

Nachdem nun meine Reise durch den Bregenzer Wald, einen Theil Tyrols und des bayerischen Hochgebirges zu Ende geführt ist, gestatten Sie, daß ich mich Ihnen auch brieflich vorstelle und für das freundliche Entgegenkommen, was ich bei Ihnen gefunden, meinen verbindlichsten Dankabstatte. Jeseltenerdie Fällesind, wo ein Mann aus dem Volke sich lediglich durch eigene Kraft über das gewöhnliche Niveau emporarbeitet und sich darin durch heimliche und offene Angriffe finsterer Parteien nicht beirren läßt, um so mehr verdient ein Solcher die Hochachtung und Anerkennung von Seite seiner Mitmenschen. Betrachten Sie daher in diesem Sinne meine Wenigkeit, und seyen Sie versichert, daß mir nichts angenehmer seyn wird, als, mit Ihnen in steter geistiger Verbindung zu bleiben. Als kleinen und schwachen Beweis meiner Aufrichtigkeit bitte ich Sie, die beiden einliegenden Photographien entgegen zu nehmen; das jüngere Bild ist das meines 22jährigen Sohnes, unseres einzigen Kindes, der sich der Mathematik gewidmet hat und im Oktober die Universität Berlin beziehen wird. Gern hätte ich Ihnen auch die Photographie meiner Frau gesendet; allein dieselbe ist beim Künst­ler total mißrathen. Um so mehr würde es mich aber freuen, wenn ich Ihnen meine Frau einmal persönlich vorstellen könnte; ich bitte daher recht inständigst, uns, wenn Sie wieder München berühren sollten, ja nicht vorbeizugehen, denn wir Alle würden uns durch Ihren Besuch erfreuet und geehrt fühlen.

Ihre bis jetzt erschienenen Schriften werden wir im Laufe des kommenden Winters zum Gegenstande gründlicher Lektüre machen, und dadurch erst recht in den Geist Ihrer schriftstel­lerischen Produkte einzudringen suchen.

Für heute schließend, bitte ich Sie also nochmals um die Fortdauer unserer angeknüpften Bekanntschaft, ja um Erweiterung und Befe­stigung derselben, und zeichne

mit aller Hochschätzung

ergebenst

G. C. Wittstein.

Keine