FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGCER

lfndenr: 
91
5. August 1863

Geliebter Freund!

Dein letztes Schreiben habe ich mit Freuden gelesen. Die Mitteilung Deiner Büro-Geheimnisse habe ich Dir gerne er­lassen, da ich durch eine andere Mitteilung dafür reichlich entschädigt wurde. Hoffen wir, daß der in Schruns ange­fangene Roman zu einer glücklichen Lösung komme, Dein Freund wünscht dies von ganzem Herzen. Dieser herzliche Glückwunsch ist die Antwort auf das in dem letzten Schreiben mir Mitgeteilte - für heute. Später werden wir hoffentlich wieder Gelegenheit haben, davon zu reden. Heute aber sei so gut und verlasse Dein Schruns auf eine Viertelstunde und komm zu Deinem Freund in sein Zimmer. Da laß uns wieder einmal nach Herzens-Drang und -Lust eins plaudern!

Eigenlob stinkt, sagt ein Sprichwort, ich möchte nun fragen, wie es riecht, wenn man zwar selbst sich nicht lobt, aber giftböse wird, wenn andere tadeln? - Ich habe die Gewohn­heit, herzhaft zu sagen: das bin ich und das kann ich, werde ich von andern dann herabgesetzt, so macht mir das auch kein Kopfweh. Doch zur Sache.

Mein, und wenn auch unbedeutender, Ruf als Dichter hat mir bereits zwei nicht ganz unbedeutende Bekanntschaften ver­schafft. Nämlich die des Professor Dr. Hildebrand in Leipzig und Professor Kapf von St. Gallen, beide sind, wie sie ver­sichern, Mitarbeiter mehrerer Zeitungen. Zufällig war gerade ein Korrekturbogen meines Nümmamüller von Lindau ge­kommen, als sie mich besuchten. Auf ihr Bitten las ich ihnen denselben vor, und ich hatte mich eines lebhaften Beifalles zu erfreuen. Kapf versprach mir, er werde mein Werkchen in einem Literaturblatt besprechen, und von ihm darf ich ein günstiges Urteil erwarten. Wenn man auch nicht gerade stolz ist, so tut einem doch ein aufmunterndes anerkennendes Wort wohl und ich habe mich mit neuer Freude wieder an den Freimaurer gemacht, der nun bereits 29 Bogen füllt, er dürfte also beinahe halb fertig sein und das beste ist, ich fühle es, daß ich ihn vollenden kann, woran ich sonst oft fast zweifelte, mit meinen Aufgaben wachsen auch meine Kräfte.

Schoppernau, den 8. August 1863

Geliebter Freund!

Dein letztes Schreiben habe ich erhalten und mit Freuden gelesen. Als Dein aufrichtiger Freund kann ich nicht unter­lassen, Dir zu Deiner „Geschichte" einen glücklichen Aus­gang zu wünschen, denn schon als Romanschreiber weiß ich ganz gut, wie viele Mühe einem die glückliche Lösung einer recht schön angefangenen Geschichte machen kann, und auch im wirklichen Leben hat man Exempel von Beispielen. Dein Bruder Pius zum Beispiel ist auch der unfreiwillige Held einer Tragödie geworden, die für ihn ein Trauerspiel, für mich ein Schauspiel und für die Philister und Philisterinnen Schop­pernaus ein Lustspiel zu werden scheint. Höre und - staune! Als Joh. Jakob Albrecht starb, sagte seine Witwe: Wenigstens ein halbes Jahr lang werde sie keinem Mann mehr nach­sinnen, und das sagte die trauernde Witwe mit - einem Strom von Tränen. Nun, das halbe Jahr ist vorüber, ob sie Wort gehalten, weiß Gott, wenn - er sich um so etwas kümmert, nun auf einmal erzählt das Margrethle der staunenden Welt: Der und der und dieser und jener und noch einige hätten mich grausam gern! Denn eine Plaudertasche ist das Mar­grethle, wie es - dem Kronenwirt dessen Schwager aus­genommen - keine ärgere gibt, so weit man warm kocht. Nun neulich zeigt das Margrethle einen Liebesbrief von ­Mails Schnidar beiläufig folgenden Inhalts: „Schon als Du noch ledig warst, bist Du mir die liebste ge­wesen, oft war ich bei Dir, auch als Du schon verlobt und versprochen gewesen bist, nun ist es vielleicht doch noch - Gottes Wille, daß wir zusammen kommen." (Nun fragt er in aller Form, ob es ihn nicht heiraten möchte. Dann zum Schluß:) „Wenn Du willst, so tu es mir zu wissen und sonst verbrenn diesen Brief, auf jeden Fall wirst Du von diesem Brief niemand etwas sagen." - Man sieht's!, sagt der Wälder. Aber Verschwiegenheit! Das war von so einem Margrethle doch zu viel verlangt. Wenn Du dem Schneider schreibst, so lache ihn aus, doch nur so, daß es die andern nicht merken. Dieses Margrethle macht jetzt überhaupt (und seine Verehrer insbesonders) so merkwürdige Streiche, daß ich später davon eine Dorfgeschichte unter dem Titel „Die Witwen-Geier" schreiben werde, doch für jetzt habe ich mit dem Freimaurer noch Arbeit genug, derselbe ist jetzt beiläufig zur Hälfte voll­endet. Jetzt habe ich nur wenig Zeit zum Schreiben, das Wetter ist immer schön, ja viel zu schön, und da gibt es immer wieder Arbeit in Feld und Wald. Dies zur Entschul­digung, daß auch mein Brief an Dich, den ich schon vor mehr als einer Woche anfing, immer noch nicht fertig ist.

Daß auch Herr Willam (Assams Josef) von Wien gekommen ist und bis Mitte September im Bregenzerwald bleibt (beim Bruggmüller in Egg), wirst Du wohl schon wissen, er war auch bei mir, erzählte mir, daß er von mir als Dichter gehört habe, lobte mein Streben und versicherte mich, daß ich Herrn Josef Bergmann, Kustos in Wien, durch Übersendung eines Exemplars der ersten Arbeit eine große Freude machen könnte.

Willam war vor etwa einem Monat bei mir, und nun habe ich von ihm einen Brief erhalten, beiläufig folgenden Inhalts: „Kustos Bergmann in Wien beabsichtigt die Herausgabe eines ziemlich umfangreichen Werkes über Vorarlberg, seine Ge­schichte, Sprache, Sitten u.d.gl. herauszugeben und hat mich (Willam) beauftragt, ihm Mitarbeiter zu suchen. Da ich Sie (nämlich mich) nun für hiezu besonders befähigt halte, so übersende ich sein Programm und ersuche Sie, an der Arbeit teilzunehmen." u.s.w.

Nun habe ich bereits zu arbeiten angefangen, sammle Idio­tica, ordne sie alphabetisch, füge eigentümliche Reden und Sitten bei und - finde diese Arbeit sehr angenehm, ich arbeite genau nach der mir gegebenen Vorschrift - aber für wen? -. Was werde ich davon haben, wenn ich meine Arbeit, die sehr genau und gründlich werden wird, Herrn Bergmann zu benützen gebe? Was habe ich davon? Ich meine mit dieser Frage nicht nur das Honorar, etwas anderes macht mir weit mehr Bedenken. Was ich für Herrn Bergmann mache, ist, fürchte ich, für mich verloren, und wenn ich das, was ich jetzt für ihn arbeite, später auch für mich in einem meiner Werke benützen wollte, so müßte ich ja ein Nachschreiber sein, denn wer glaubte es, daß ich nur mein Eigentum benütze. Ich bitte Dich, mir über diese Bedenken Deine Meinung mit­zuteilen. Die Arbeit mache ich nun jedenfalls, die Frage ist nur noch: für wen, für was? Mein Dichter-Ruf oder eigentlich Lärm hat mir schon mehrere interessante Bekanntschaften verschafft, z. B. die des Professors Kapf von St. Gallen und des Professors Hildebrand von Leipzig. Da beide Literaten sind, unterhielten wir uns sehr gut; es war gerade ein Korrek­turbogen von Lindau da, ich las ihnen denselben vor, und ich will die Wahrheit sagen - ich erhielt von ihnen und ihrer Begleitung großen Beifall.

Schon früher schrieb ich Dir, glaube ich, von meinem Wunsch, ein Vermittler zwischen Gotthelf und Auerbach zu werden, Du kannst Dir daher meine Freude denken, als einer dieser Herren sagte: Die Erzählungsart zeugt von großem Dichter­talent und scheint die glückliche Mitte zwischen Gotthelf und Auerbach einzuhalten! - Natürlich wußten die Herren nichts von meinem stillen Wunsch. Hr. Kapf versprach, mein Werk in öffentlichen Blättern zu besprechen und mir zuweilen zu schreiben. Nenne mich nicht stolz, daß ich das alles Dir so erzähle, wem sollte ich sonst Freud und Leid mitteilen als meinem besten Freund? Man lebt erst recht, wenn man auch mit andren lebt, also sei und verbleibe es bei uns, jetzt und allezeit, Amen.

Einen Tag, nachdem mein letztes Schreiben an Dich abge­gangen war, ist auf Krumbach bei den Deinigen die Klauen­seuche ausgebrochen, doch soll es ganz gnädig abgelaufen sein, und jetzt ist schon wieder alles besser, auch sonst kommt die Seuche immer weiter. Den größern Teil der Hinterwälder­alpen hat sie schon heimgesucht und kommt, bei dieser furchtbaren Hitze, immer weiter.

Hr. Elmenreich, der mir recht lieb wurde, ist am nämlichen Tag abgereist, an welchem die Ludmilla gekommen ist. Isabell war im Bad, ist aber wieder heimgekommen. Seit Eorgotag ist man bei Leouosa ungemein freundlich gegen mich, ich weiß wohl warum; und das ist genug. Den Liebig habe ich richtig erhalten und dieses nur im letzten Schreiben zu erwähnen vergessen. Müllerles Tunile, der Auer Geiger, ist an einem Schlagfluß gestorben.

Mein Wible ist gesund und wohl, es ist eben am Aufräumen und singt dazu, es wird aber nicht mehr lange gehen bis es wieder ins Gado muß, hoffentlich wird alles gut gehen, und ich werde Dir nächstens mitteilen, daß ich entweder ein Mikle oder ein Kaspale erhalten habe. Auch Dein Onkel, Gruebar Anton, ist gestorben, sonstige Neuigkeiten, die inter­essant, weiß ich keine, obschon heuer ungewöhnlich viel passiert. Jochum ist jetzt in Lustenau bei einem Studier­kameraden. Er läßt Dich grüßen.

Pfarrer Feßler in Schnepfau ist sehr beliebt, weil er „so bürisch ischt". Lebe wohl  und schreibe  bald  Deinem aufrichtigen  Freund

Franz Michel Felder

Außerordentliche Beilage

16. August 1863

Neuestes.

Gestern wurde ich, bald nachdem ich meinen Brief an Dich geschrieben hatte, von Herren, Isabell Simma und Fräulein Ludmilla mit einem Besuch beehrt, und erfuhr von erstge­nannter Person die nicht uninteressante Neuigkeit, daß Du einen Hochzeiter geben werdest, sage man. - . „Wieder einmal", antwortete ich. „Hast noch nichts davon gehört?"

„Wohl" sagte ich. (Das war auch wirklich so, ich hatte einige Tage vorher so etwas gehört, nur wußte ich nicht, ob das das alte Geschwätz sei oder ein neues, denn ich hörte nicht, mit wem, „man sage es nicht" hieß es.) Nun, die Isabell S. wußte und sagte es und noch mehr, doch nichts von Interesse, den Umstand ausgenommen, Du werdest uns bald einmal besuchen. Ist das wahr? Es würde gewiß niemanden herzlicher freuen als Deinen Freund

Franz M. Felder.

S'Wible, J. S., Ludmilla, Doktor und alles läßt Dich grüßen.

Keine