Felderbriefe

  • 6. April 1870

    Herrn Franz M. Felder Schoppernau.

    Wir beabsichtigen in Kürze ein Monatsheft für Poesie (Gedichte und Dramen) erscheinen zu lassen zum Besten der Schiller­stiftung, und ersuchen Sie ergebenst uns durch Einsendung von Beiträgen beehren zu wollen.

    Hochachtungsvoll!

    Die Redaction der „Dichterklänge aus Süd und Nord"

    A. H. Walffers.

    Redaktion der
    Breslau
    Franz Michael Felder
  • 1. November 1869

    Lieber Felder

    Wenn ich die Umstände gehörig erwogen hätte, so hätte ich eigentlich „Geehrter Herr" schreiben sollen - aber die Thatsache ist die daß ich keine formelle Anrede gebrauchen will, wenn ich den Leuten gerne Etwas Freundliches sagen möchte. - Ich bin Ihnen zwar eine Fremde, eine gänzlich Unbekannte, während Sie mir jedoch lange kein Fremder mehr sind; denn ich habe vor eini­gen Jahren den Ihre eigentümliche Lebensgeschichte betreffenden Aufsatz in der Gartenlaube gelesen, und welchen Eindruck mir derselbe hervorgebracht, beweist vielleicht der einfache Umstand, daß ich damals schon die Absicht gefaßt habe Ihnen zu schreiben und ich dieser Absicht dritthalb Jahre hindurch treu geblieben bin, obgleich ich kein Wort mehr von Ihnen gehört habe und auch jetzt nicht weiß, ob und wo Sie mein Schreiben eigentlich antreffen wird. So lebhaft begleitete mich der Wunsch, daß ich ungeachtet dessen trotz aller äußeren Veranlassungen zur Ausführung meiner lang gehegten Absicht schreite. Doch nein, so ganz ohne äußere Veranlassung eigentlich nicht, wenigstens nicht von meiner Seite. Denn vor dritthalb Jahren, war ich eben noch nichts, als eine Art Schicksalgenossin, jetzt aber seit ich die Lauf­bahn einer Schriftstellerin betreten habe, mache ich ein bischen Ansprüche auf Collegialität. - Wenn ich damals gesagt haben würde, daß ich den Drang fühle, als Schriftstellerin zu wirken, würde man mich einfach ausgelacht haben, und gesagt: „wie kann das sein, ein Bauernmädchen, das bis zu achzehn Jahren im Feld gearbeitet, im Sommer geharkt, gemäht, geschnitten, im Herbst und Winter gedroschen und gesponnen hat, ein Mädchen mit so dicken rothen Backen und einem so anspruchlosen Äußeren? O nein, eine Schriftstellerin, wie sie sein sollte muß ganz anders aussehen, blaß und mager und interessant." - Aber Gott sei Dank, daß ich in diesem Sinn so uninteressant bin, denn nur meinen dicken, rothen Backen, das heist meiner außer­gewöhnlichen Körperstärke und Gesundheit habe ich es zu dan­ken, daß ich im Kampf mit dem Schicksal, mit meinen Verhältnissen nicht zu Grunde gegangen bin. - Ja lieber Felder, ich habe in Ihrem eigentümlichen Bildungsgang ein eigenes Stück Lebensgeschichte gefunden und Ihre Geschichte deßhalb wie kein Anderer verstanden. Und bedenken Sie, daß ein Mädchen in ähnlichen Verhältnissen noch weit unglücklicher sein muß, als ein Mann, denn sie hat außer den Standesvorurtheilen auch noch die Geschlechtsvorurtheile zu bekämpfen. Ein junger Bauern­knabe, der nach geistiger Vervollkommnung strebt, findet immer­hin noch mehr Sympathien, als ein Bauernmädchen, deren Eltern nicht zu den Bemitteltsten gehören und die außerdem auch kein besonders einnehmendes Äußeres hat. Ein unglückliches Kind ist zu ernst und schweigend, und ein Kindergesicht, daß so wenig von kindlicher Heiterkeit zeigt, ist altern Leuten gewöhnlich unangenehm. - Aber ich habe sie bekämpft, diese Vorurtheile und Antipathien, das ist die Hauptsache, aber wie ich sie be kämpft habe, das weiß nur Gott der Allwissende, vielleicht habe ich später noch Gelegenheit, ihnen meine Lebensgeschichte im Einzelnen mitzutheilen. Jetzt muß ich mich nur auf die äußersten Umrisse beschränken. Der Drang nach Bildung war so verzeh­rend mächtig in mir, daß ich schon im zarten Kindesalter den Tod gewünscht habe. Die Liebe zu meinen Angehörigen hat auch mich gerettet besonders zu meiner alten armen Mutter, deren Natur ich geerbt habe, und die deßhalb unglücklich ist, wie auch ich es geworden sein würde, wenn ich mir nicht auf eigene Hand den Weg aus dem Landleben heraus gebahnt haben würde. Außerdem ist mir ein Selbstvertrauen zu Theil geworden, daß in seinen ersten Äußerungen nichts weniger als Waghalsigkeit und Tollkühnheit scheinen mußte. Aber es war ja auch Tollkühnheit, an den unüberwindlich scheinenden Schranken meiner Verhält­nisse zu rütteln und auf Befreiung zu denken, aber ich habe daran gerüttelt, mit eiserner Faust, mit dem Muthe der Verzweiflung und Gott sei Dank, sie sind gefallen, und ich habe sie überstiegen. Gott hatte mir schon in frühester Jugend die Gabe der Dichtkunst verliehen und meine Erzeugnisse haben endlich die Aufmerk­samkeit der gebildeten Welt erregt, in so weit nämlich, um meine Eltern durch mächtige Vorstellungen zu veranlassen, etwas auf meine Ausbildung zu verwenden; als dies geschah, war ich zwar schon achzehn Jahre alt, doch Gott sei Dank, noch war es nicht zu spät. Jetzt bin ich bald 24 Jahre alt und so wunderbar hat mich Gott geleitet, daß ich schon vor zwei Jahren die Prüfung einer Lehrerin an Instituten und höheren Töchterschulen zu machen und seither auch Gelegenheit gefunden habe Reisen nach England, Frankreich und Italien zu machen und mich somit in den modernen Sprachen zu vervollkommnen. So kam es nun daß ich außer meiner Muttersprache auch der englischen, französi­schen und theils auch der italienischen Sprache mächtig bin. Wer mich jetzt sieht und kennen lernt (als Sprachlehrerin) ahnt natür­lich nichts davon, daß ich vor kaum fünf Jahren noch die Kühe gemolken und die Schweine gefüttert habe. Meine Erlebnisse und Fortschritte während dieser Zeit sind auch so ungewöhnlicher Art, daß meine frühern Bekannten der unumstößlichen Ansicht sind, daß ich in allen meinen Unternehmungen unbegreifliches Glück habe; freilich von meinen stillen Erfolglosigkeiten Kämpfen, Ent­behrungen, immer wieder zu Boden geschmettert und immer wieder sich von Neuem ermannender Thatkraft wissen Sie Nichts. Genug, die Welt bekommt erst Vertrauen zu uns, wenn sie unse­re Erfolge sieht, wie theuer aber einem solchen zum Kampf gebo­renen Menschenkinde die schwer errungenen Erfolge zu stehen kommen, das kümmert sie Nichts. Bei Gott ich habe schon so viele Erfahrungen gemacht, daß ich oft nicht begreifen kann, warum ich noch keine Runzeln habe, denn alt genug komme ich mir vor. Seit letztem Frühjahr nun gelang es mir einige schriftstel­lerische Versuche zu Druck zu bringen und das ist eigentlich die äußere Veranlassung, die meinem Briefe an Sie zu Grunde liegt; denn was wären alle meine eigenthümlichen Erlebnisse gewesen, wenn ich keinen Erfolg gehabt hätte? Nicht das Talent ist es dem die Menschen ihre Anerkennung zollen, nur der Erfolg. Die Ahnung also, daß ich einst Schriftstellerin werden müsse, hat schon in frühester Kindheit in mir geschlummert und dieses Vor­gefühl ist in späteren Jahren die Triebfeder geworden, die mich antrieb, ohne alle äußere Veranlassung oder Unterstützung den Gedanken an die Möglichkeit meiner Ausbildung zu fassen. Und Gott sei Dank für die Gnade des Erfolgs denn im anderen Falle wäre ich für mein ganzes Leben ein Opfer der quälendsten Selbsvorwürfe geworden, denn die Lücke, die ich durch meine Entfernung in meiner Familie gerissen hatte, war nicht unbedeutend, ja sage es mit Stolz, daß ich eine tüchtige Feldarbeiterin war und meinem Vater einen Knecht ersparte. - So viel bis jetzt zu meiner Identification. Demnächst soll eine meiner Novellen in der badischen Landeszeitung erscheinen und werde ich mich mir dann erlauben, Ihnen Einiges unter Kreuzband zuzusenden. Meinestheils bitte ich Sie um Einiges Ihrer eigenen Arbeiten, wenn Sie einige Exemplare davon vorräthig haben sollten; denn ich brauche Ihnen nicht erst zu sagen, wie sehr ich mich dafür interessiere. Um Ihre Dorfgeschichten beneide ich Sie wirklich, denn ich fühle leider daß ich niemals im Stande sein werde, Dorfgeschichten zu schreiben, trotzdem man mich von allen Seiten dazu aufmuntert. Die Leute glauben eben, und nicht mit Unrecht, daß ich die ländlichen Verhältnisse ja am besten kennen müsse. Aber gerade deßhalb, weil ich Sie so gründlich kenne, fehlt mir alle Begeisterung, sie zu idealisiren. Ich habe so unend­lich auf dem Lande gelitten, daß ich jetzt die grössten Anstren­gungen zum Selbstvergessen machen muß, wenn ich überhaupt zum Arbeiten fähig sein will. Sobald ich mich in jene Verhältnisse wieder hineindenke, fühle ich mich so traurig und niedergeschla­gen, daß gar nicht daran zu denken ist, meine früheren Erfah­rungen vom Dorfleben novellistisch zu verwerthen; freilich liegt dies auch großentheil in Familienverhältnissen. So kommt es nun, daß die Stoffe meiner Novellen hauptsächlich nur aus dem Städteleben gegriffen sind. - Der Charakter meiner Landsleute bietet eigentlich so wenig Orginelles und Ursprüngliches, er ist ein Gemisch aus allemannischen, pfälzischen und fränkischen Elementen und meine Landsleute selbst (O[ben] Aschaffenburg, Untfen] Mosbach, Bahnstrecke Heidelberg - Würzburg) sind so schrecklich aufgeklärt daß man lange suchen müßte, um irgend Etwas Erfreuliches bei ihnen zu finden. Es ist der moderne Materialismus dem sie beinahe Alle huldigen und die Resultate desselben sind recht traurig. Ich möchte so gerne einmal die Bauern Ihres Landes kennen lernen, denn ihrer Schilderung in der Gartenlaube zufolge müssen sie von den übrigen sehr verschie­den sein. Aber Felder, wenn die Landsleute unter Aufklärung nichts Anderers verstehen, als ihre Religiosität, dann weiß ich wirklich nicht, was schließlich für sie am besten ist. Ich weiß aber, wie traurig es ist, ohne eine religiöse Weltanschauung das Dasein ertragen zu müssen, denn so unwahrscheinlich es auch lauten mag, so ist es doch leider nur zu wahr, daß ich schon als zehnjähriges Kind weder an einen Gott, noch an eine Vorsehung, Unsterblichkeit, oder sonst Etwas glaubte, ja man hatte mich gelehrt den Glauben an diese Dinge eben so sehr wie den Glauben an Hexen und Gespenster zu verachten, und eine Religion, die fähig ist einen dreißig jährigen Krieg heraufzube­schwören schien mir als das Verabscheuungswürdigste, das man sich außer den Hexenprocessen noch denken kann. Und daß sich trotz dieser Grundlage in späteren Jahren ohne alle äußere Einwirkung die religiöse Überzeugung von Innen heraus bei mir Bahn gebrochen, ist eben ein Zeichen, daß die Religion dem Menschen angeboren und nicht anerzogen wird wie uns die Freireligiösen oder besser die Religionslosen gerne glauben machen möchten. -

    Ich möchte Ihnen noch so Vieles sagen, wenn ich nicht schließlich fürchten müßte, Ihre Geduld zu sehr zu ermüden. Und wenn ich den langen Brief abgesandt habe, bin ich noch in Sorge, ob er auch wirklich an seine Adresse gelangt ist? Wenn dem so ist, so ersuche ich Sie um die Freundlichkeit, mich vom Empfange dieses Schreibens sofort zu benachrichtigen, nur mit wenigen Zeilen wenn Sie nämlich vorderhand noch keine Zeit haben sollten, mir jetzt schon einen größren Brief über Ihre jetzi­gen Arbeiten und sonstigen Verhältnisse zu schreiben. Sie werden ja im Laufe des Winters hiezu schon ein bischen Zeit erübrigen können. Sie würden mir eine herzliche Freude damit bereiten. Nun Gott befohlen lieber Felder, und wenn Sie mir eine Antwort schreiben, so reden Sie mich, bitte, nicht mit „Verehrtes Fräulein" an, wenn Sie sonst keine weniger formelle Anrede finden, so las­sen Sie die Titel lieber ganz bei Seite. Nicht wahr, Sie nehmen mir meine Offenherzigkeit nicht übel. Bitte sagen Sie Ihrer lieben Frau einen herzlichen Gruß von dem Bauernmädchen aus dem Odenwalde und daß ich eine innige Zuneigung zu ihr hege, weil sie fähig war, ihren Gatten zu verstehen und sein Streben zu wür­digen und ihm Kraft und Stütze zu werden. Gewiß, sie muß ein seltenes Weib sein, denn wohl weiß ich, wie schwer es ist, unter den Landleuten für das Streben nach Bildung und Vervollkomm­nung ein Verständniss zu finden.

    Empfangen auch Sie meine Grüße, lieber Felder, und wenn ich Ihnen vielleicht irgendwie einmal von Nutzen sein kann so thun Sie mirs offen zu wissen; ich erlaube mir Sie darauf aufmerksam zu machen, daß ich mich seit fünf Jahren hauptsächlich mit der Sprachwissenschaft beschäftige, und da Sie selbst vielleicht wenig Gelegenheit und Anregung zu solchen Studien gehabt haben dürften, so wäre es vielleicht nicht unwahrscheinlich, daß Sie in diesem Sinne vielleicht manchmal einigen Rathes bedürften. Sie dürfen mich nicht mißverstehen, denn nur die innigste Theil­nahme allein veranlaßt mich, hier diesen Punkt zu berühren. Jetzt leben Sie wohl und erinnern Sie sich zuweilen

    Ihrer aufrichtig ergebenen

    Auguste Bender

    Plöckstrasse 35

    bei Herrn Dr. Otto

    August Bender
    Heidelberg
    Franz Michael Felder
    1
  • 18. August 1869

    Liebes gutes Mindle!

    Noch in der ersten Aufregung der Freude über Dein liebes durch Uhrenmacher erhaltene Schreiben, setze ich mich an den Schreibtisch, um es zu beantworten. Zwar weiß ich von Neuigkeiten, u. Intreßanten Vorfällen nicht viel zu berichten, doch wird Dir jegliches, u. unbedeutende aus der Heimath lieb sein. Mich durchfuhr es wie Elecktretzität, als ich nur Deine Schriftziige erblickte. Also wohlerhalten durch die u. in der neuen Welt, im Eldorado Deutschlands angekommen. Erholung Ruhe wünschend, all die Empfangenen Eindrücke, u. Bilder zu ordnen, zurechtzulegen, um das Stündlich Täglich neue, nicht eines durch das andere verwischen zu lassen. Es ist für Dich die gegenwärtige, wenn nicht eine immer ange­nehme, so doch eine überaus reiche Zeit, eine Zeit des sam­melns der Erkenntniß des Begreifens. Lebensgenuß, „Lebens"­werth will ich es nennen. Ich meine Deine gemachten und währenden Erfahrungen, natürlich von Deinem Standpunkte aus, die angenehme Thätigkeit der Sinne, dieses ahnen u. blicken in die Vorwelt und Mitwelt, das wirken u. Schaffen so vieler edler Geister, dazu die herrlichen, fremden Menschen Städte, die Sitten u. Gewohnheiten, dieses alles zu sehn u. empfinden, mein ich nur, dieses allein, ist werth gelebt zu haben, weit mehr als 30tausend Gulden erschachern, für Krö­sus u. mithin als brafer rechter Mann zu gelten. O wie gönne ich Dir die Lust diesen reichen Genuß, u. wie dank ich dem lieben guten Hildebrand, daß er Dich auf den Parnaß geführt hat. Hier haben wir schönes Wetter heiße Tage, die uns eigens zum Streue Kratzen u. Heuen gemacht scheinen, den vielen Touristen aber, unser Ländchen, u. unsere Berge lieb­licher erscheinen lassen. Von einigen hatten auch wir die Ehre besucht zu werden. Frau Bergmann sammt Tochter fuhr den 9. Aug. eigens von Schwarzenberg hieher, mit freundlichem Gruß, u. 2 Büchern zu freundlichem Andenken von ihrem Mann, der wie er im Begleitschreiben sagt, seine Lunge scho­nen müsse, damit sie noch ein paar Jahre ihre Dienste thue. Ferner schreibt er, erlaube ich mir Ihnen anzuzeigen, daß ich den Betrag für das Exemplar der mir zugedachten Sonderlinge in der Braumüllerschen Hofbuchhandlung auf meine Rech­nung setzen ließ, u. somit dasselbe nicht auf Ihre Rechnung kommen darf. Nach meiner Rückkehr soll meine „Landes­kunde Vorarlberg" unter die Presse kommen. Dies das we­sentlichste des Briefes. Ich war in der Eagad als die Frauen hier waren. Sie hätten mich gern gesehen, wie sie sagten, war mir auch leid, war mir ebenfalls so gewesen, weil sie aber keine Zeit zum warten ich keine zum Kommen hatte, so werden wir Wahrscheinlich geschiedene Leute bleiben. Der Post wegen war man letzte Woche in Bezau, ich konnte aber biesher nicht bestimmtes erfahren, als daß einer der Bewerber Michel Willam, in Au ein Gropper sei. Ich gedenke aber heute mit dem ungeschlossenen Briefe in der Tasche nach Au, war­scheinlich nach Schnepfau zum Galli, einen Spaziergang zu machen, sollte ich bei dieser Veranlassung näheres über dies od. sonst etwas bemerkenswerthes erfahren, will ichs dem Briefe anschließen. Der Doktor geht täglich zum Heuar Bäßle hinauf weil sie zimlich krank ist, einer der Fremden Buschlo­macher ist gestorben; auch der Säger vom Ritter ist tod, nahe daheim gefunden worden.

    Zum großen Leidweßen des Pfarrers u. seiner Getreuen kam der zur Predigt letzten Sonntag erwartete Bischof nicht nach Schoppernau, u. alle Vorbereitungen, wovon die, daß Pfarrer u. Köchin eine ganze Stunde am Bett, wo er schlafen sollte herzurichten, die winzigste war, waren umsonst, nicht einmal der Sekretär liß sich erbeten, davon Gebrauch zu machen. Von der Predigt eines Bischofs hätten sich die Leute etwas versprochen, nicht so aber Oberhausers Kaspar, der schaden­froh war über das mißlunge[ne] Projeckt, weil wie er gehört habe auch der Bischof über Lesen u. Zeitgeist referire, u. er dieses alles nicht noch einmal als Orackel gesagt wünsche. Wir alle gesund u. wohl an Dich denkend, von Dir redend, wünschen Dir ferner alles liebe u. Gute, edle u. schöne, grüße uns die Hildibrandische Famile, alle die auch an uns denken nach uns fragen. Sei unsertwegen ohne Sorgen, wir arbeiten mit Lust und Willen, mit frohem Muth, u. der schönen Hoff­nung Dich einst wieder in unserer Mitte zu haben, Erzählend von all den Herrlichkeiten der schönen Welt. Bis dahin bleib ich Dein treues Wible

    Anna Katharina

    Ich als Muter

    Ich Grüße euch Herzlich u. wann ihr ein Genusleben haben so eilen nicht so stark nach Haus damit ihr wider in Schop­pernau ein fröllich Leben haben.

    Anna Katharina Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 23. April 1869

    Sehr geehrter Herr Felder!

    Weil ich mir wohl vorstellen kann, welche Freude Ihnen beiliegen­der Brief bereiten wird, nehme ich keinen Anstand Ihnen denselben zu senden.

    Er kommt von jener edlen, gebildeten Frau, von welcher ich Ihnen schon 2mal Briefe sandte, die sich für Sie in Wien sehr warm verwendete.

    Ich bin ganz glücklich darüber, die Aufmerksamkeit dieser vortreff­lichen herrlichen Frau auf Sie gelenkt zu haben, die dann in ihren Kreisen weiter für Sie wirkte.

    Ich will Sie nicht weiter ermüden und theile mit sehr vielen sehr vielen!!! Menschenden Wunsch, möchten Sie doch recht bald und vollkommen gesund werden. Ich grüsse Sie bestens und herzlichst

    Ihr theilnehmender aufrichtig

    ergebener

    L. Kofier

    BEILAGE: VON ANTONIE SEDLACZEK AUS WIEN AN  LUDWIG KOFLER IN  DORNBIRN

    Lieber Herr Kofier!

    Ganz erschüttert lasen wir in der Zeitung von dem Unglück was den armen Felder getroffen und nun kam heute ihr Brief-der unglückli­che Mann wie sehr bedauern wir ihn alle! - Von der Schillerstiftung bekommt er gewiß 100 Thl ein Hr Bergmann der ihn kennt hat es ihn so geschrieben hat er denn den Brief nicht erhalten? - Nun hab ich eine große Bitte an Sie - bis das Geld kommt kann der kranke vielleicht so manches benötigen bitte wollen Sie ihn diese 30 f welche ich schicke auf eine zarte Weise übergeben und dazu unser aller besten Grüsse und innigste Theilnahme. Vieleicht kann ich Ihnen noch etwas später mittheilen was Hr Scheyrer für ihn beabsichtigt.

    Ihre Briefe machen mir immer Vergnügen da ich ihre Anschauung der jetzigen Zustände ganz theile. Die Loose bitte ich mir nur Oktober wieder zu schicken Auslagen haben wir gar keine gehabt. Warum zahlen Sie das ganze Speisepulver gleich?- Ihre Schwester schrieb so eben daß sie krank war aber jetzt wieder gesund; ich kann mir denken wie sehr Sie sich freuen Ihre lieben braven Altern bei sich zu sehen - ich hab sie auch alle so lieb! Bitte grüßen Sie Ihre liebe Frau und Kinderln auf das Beste von uns allen Viktor war wieder ganz elend ist aber jetzt wieder auf Wili geht es besser.

    tausend Grüsse

    von Ihrer ergebenen

    Antonie Sedlaczek

    Ludwig Kofler
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 19. April 1869

    Geehrter Herr!

    Obwohl ich Ihnen persönlich unbekannt bin, erlaube ich mirdoch, mich mit einer Frage und Bitte an Sie zu wenden. In Ihrem so anziehenden Buche „Sonderlinge" erwähnen Sie kurz die in den deutschen Alpen überall übliche Segnung der Alpen und es wurde dadurch aufs Neue die Lust an diesem Gegenstande, der mich längst beschäftigt hatte, angeregt. Als ich im September u. October vorigen Jahres im Bregenzer Wald zubrachte hoffte ich auf das Vergnügen Ihrer Bekanntschaft um Ihnen allerlei Fragen in diesen Dingen vorzulegen und vor allem einen Mann kennen zu lernen der Land u. Leute seiner Umgebung so scharf beobachtet u. treffend zu schildern weiß. Sie hätten geehrter Herr einem Berufs­genossen in die Hände gearbeitet, denn was Sie als Dichter geben, das suche ich als Maler zu erreichen, seit Jahren sind Land u. Leute des deutschen Gebirges mein Feld. Aber als ich in Schopernau ankam (eines Sonntags) hörte ich, Ihre Frau sei gefährlich krank und bald darauf sah ich Sie mit Ihrem Bruder eilig zum Doctor gehen. Obgleich ich nachher wiederholt in Au war erreichte ich Sie doch nicht, einmal glaube ich, waren Sie verreist, ein anders mal mußte ich schnell umkehren, kurz, es sollte nicht sein, ich war wol 10 Wochen im Wald, meist in Egg u. doch sollte sich mein Wunsch nicht erfüllen und darum muß ich Ihnen nun mitdiesen Zeilen lästig fallen.

    Würden Sie wol die Güte haben, mir in wenigen Zeilen anzugeben, wann durchschnittlich die Segnung der Alpen vorgenommen wird und von welchem, durch eine eindrucksvolle schöne Umgebung ausgezeichneten Orte im Wald, man diese schöne Sitte an Ort u. Stelle beobachten könnte? Ich gedenke danach meine Reise einzu­richten und eigens zu dem Zweck in den Wald zu kommen; denn was ich malen soll muß ich zuvor sehen. Packt es mich, so mache ich gleich Studien u. nehme die Sache in Angriff, andernfalls begnüge ich mich auch vorläufig mit dem Eindruck, derdann sicher nachwirkt, denn was man Jahre lang in sich herumgetragen, das schafft sich ganz von selber eine Form, in der es auch andre anmuthet und erbaut.

    Letzten Winter habe ich Ihr „Arm und Reich" gelesen mit dem Genüsse, ja mit noch größerm wie die Sonderlinge, denn inzwi­schen hatte ich den Wald u. die Wälder auch etwas kennen gelernt. Sie schreiben doch fort in dieser Art? Ich freue mich auf das nächste Werk, vor allem aber Sie, so Gott will, im Frühsommer selbst zu sehen. Im Voraus versichere ich Sie meiner Dankbarkeit u. mit der festen Hoffnung daß Sie meine Bitte erfüllen. So zeichne ich Ihr

    hochachtungsvoll ergebener

    W. Riefstahl

    Hirschstraße No 7.

    N. B. Ich würde in Au wohnen im Rössle, wenn es also dort einen Platz mit schöner Aussicht gäbe wo benediziert wird so wäre das doppelt erwünscht.

    W. R.

    Wilhelm Heinrich Riefenstahl
    Karlsruhe
    Franz Michael Felder
  • 15. April 1869

    Herrn Fr. Michael Felder in Schoppernau

    Die Mitglieder der Vereinssennerei Platz in Bezau haben in der Generalversammlung vom 12 Dzbr 1868 beschlossen: Ihnen ihre Anerkennung u. Dankbarkeit auszusprechen, für die Verdienste die Sie sich um den Bregenzerwald, durch Einführung des Gedankens der Bildung eines Käseproduzenten Vereins er­worben.

    Indem die übereinstimmende Überzeugung dahin ging, daß ohne Ihr unermüdetes Wirken, kein Käsehandlungs-Verein bestehen würde, bin ich beauftragt, Ihnen mitfolgende Uhr als ein Zeichen unserer Dankbarkeit im Namen der Vereinssennerei Platz zu übergeben, welchen Auftrage ich mich hiemit entledige.

    Bartholomä Meusburger Geschäftsführer

    Bartholomä Meusbruger
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 14. April 1869

    Herr F. M. Felder in Schoppernau

    empfangen von der

    M. Rieger'schen Buch-, Kunst-, Musikalitäten- & Papierhandlung

    (Joh. Thom Stettner)

    zur Fortsetzung

    1      Gartenlaube 69 N 13/15

    1       Hempel Bibliothek Lfg 111/113 a 9 fl     —27

    1       Einbanddecke zu Hempel

    N 24        — 14 Zur gut Abgabe 3 Beischlüsse

     

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 11. April 1869

    Lieber Freund,

    Ich darf Dich doch nicht länger ohne Nachricht lassen, daß Dein Leben 1. Band diese Woche aus Bludenz richtig bei mir eingegangen ist; Dein Schwager hatte es übrigens bei mir angemeldet, sodaß ich zugleich die Freude hatte, von ihm einmal etwas an mich gerichtet zu sehen, ich werd ihm auch ein paar Zeilen schreiben.

    Lesen kann ich freilich an Deinem neuesten opus nur Abends, weil ich bis über die Ohren in den Vorbereitungen zu meinen Vorlesungen stecke, die nächstens beginnen; auch hab ich nur einige Abende frei. So bin ich erst bis ins fünfte Capitel, ich habe es zum Theil in der Familie, unter Karls Anwesenheit, gelesen. Wir sind aber sehr zufrieden damit, es wirkt auf mich sehr angenehm und spannend zugleich. Es ist ein sehr hübscher, epischer Grundton drin, mit einer dahinter­liegenden zuversichtlichen Heiterkeit, wie ich sie noch in keinem Deiner Werke so gefunden habe. Dabei erzeugt das Heranwachsen dieses eigenartigen Geistes eine angenehme, erwartungsvolle Spannung, daß ichs am liebsten in einem Zuge durchlesen möchte. Im Stil find ich den lange ge­wünschten Fortschritt von den Nachwirkungen des Wieland­schen Stils zu wirksamer Einfachheit, die Dir doch im Spre­chen so zu Gebote steht.

    Hirzeln hab ichs auch schon gesagt, er war freudig überrascht davon, sagte aber sonst nichts weiter von etwaigem Druck, Du kennst ja seine diplomatische Art. Ich habe natürlich auch nichts davon gesagt. Wünschest Dus jetzt gleich gedruckt? Ich fände es schon auch passend.

    Die Geschichte vom Siegfried ist freilich in dieser mehr schön­geistigen Fassung für eine wissenschaftliche Zeitschrift nicht recht passend, oder vielmehr ich fürchte, Zacher oder Bartsch, wenn ichs ihnen einschickte, würden diese Fassung zu belle­tristisch finden. Kannst Du Dich nicht noch mehr einzelner Züge erinnern? oder sie noch erfragen? Dann würd ich Dich bitten, mir die Sache in einfachstem Erzählerton noch einmal aufzusetzen, oder doch jene Züge zu ergänzen. Mitgetheilt für unsere wissenschaftlichen Kreise muß die Sache jedenfalls werden.

    Im Eingang Deiner Geschichte hätte ich übrigens eine kurze Schilderung von der Lage Schoppernaus gewünscht wie vu,, den Verhältnissen Eures Ländchens überhaupt, daß der Leser mit einem deutlichen Gefühl von der Entlegenheit und Ver­stecktheit Deiner Heimat an Dein eigenes Werden herange­kommen wäre. Das wäre wol noch nachzuholen. Denn diese Entlegenheit von den Welthändeln und Weltdingen, wie sie dann in der Erzählung von 1848 zu Tage kommt, ist uns hier zu Lande und eigentlich übeiall sich vorzustellen unmöglich. Auch die Einfachheit Eurer Verhältnisse, wie ich sie zu meiner Überraschung auch nach dem was ich schon wußte, bei Euch fand, hätte ich eingehender gezeichnet und z. B. da, wo von Euren Kinderspielen die Rede ist, genauer von deren Einfach­heit geredet, und daß Ihr z.B. keinen Spielball kennt und keine Bleisoldaten, eigentlich auch keine Bilderbücher. Das alles zieht die Leser außerordentlich an, und es hat zugleich Sitten- und culturgeschichtlichen Werth, und aufs Culturge­schichtliche ist gegenwärtig der Sinn gerichtet und wirds im mer mehr. Das alles wäre auch durchaus nicht ohne Bezug auf Dich; denn diese ganz außerordentliche Einfachheit Eures Lebens macht es begreiflicher, wie Dein arbeitsbedürftiger Geist mit den Gegenständen Deiner Heimat bald fertig sein mußte und nun früher als sonst geschehen wäre in die Tiefe und Weite strebte. Auch daß Eure Mundart gar nicht vor­kommt und so wenig von Euren treffenden Redensarten, thut mir leid, das hälfe mit den Hintergrund Deines Denkens zeichnen. Vielleicht ließe sich dergleichen kurzweg in einem Vorwort nachholen, in dem auch die ernste Veranlassung anzugeben wäre, die Dich so früh zur Schilderung Deines Lebens bewogen hat. Und da würde ich auch mit vorbringen, daß Dir über die Einfachheit und Eigenheit Eures Weltdaseins eigentlich erst in der Welt draußen so zu sagen die Augen aufgegangen sind.

    Doch genug der Ratschläge. Die vorgeschlagenen Titel ge­fallen mir eigentlich alle beide, ich wüßte nicht entschieden zu wählen. Doch das wird sich finden, in solchen Dingen hat Hirzel einen guten Blick. -

    Also eine namhafte Summe steht Dir von Wien in Aussicht? Nun Gott gebe es, ich würde jubeln, wenns erst richtig wäre. Wegen der Phisharmonika hab ich mich nun an Thieme ge­wendet, der hat glücklich einen Musikalienhändler zum Freunde, und so hoffe ich in meinem nächsten Briefe die gewünschte Auskunft geben zu können. Sie muß doch aber auch im Pierer zu finden sein, den Du von Flügeln hast, hast Du da schon nachgesehen?

    Ich schicke Dir einen Brief aus Danzig mit, aus dem fernsten Nordosten, der auch von Dir beiläufig handelt. Dr Menge ist Professor an der dortigen Realschule, treuer Anhänger und Stofflieferer für Grimms Wörterbuch und eine der rein­sten Seelen die ich kenne, mit kindlich tiefer Wärme für alles Schöne und Gute.

    Nun leb wol für dießmal, grüß mir Deine gute Mutter und die Mariann und alle die sich meiner erinnern, ich grüße Dich

    Dein Rud. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 10. April 1869

    Geehrter Hr Felder!

    Von Ihrem Unwohlsein in Kenntniß gesetzt, u. den herzlichsten Antheil nehmend, erlauben wir uns, da wir Ihnen keine persönli­chen Dienste thun können, beigelegte 5 fl als ein Zeichen der Achtung zu senden, u. bitten es nicht zu verschmähen. Wie würden wir uns freuen wenn wir bald wieder ein gemüthliches Stündchen mit einander verblaudern könnten. Vertrauen Sie auf den Ib. Gott, dem wir Ihre teure Gesundheit in unserm täglichen Gebete anempfehlen. Herzlich grüßt Sie die Ib. Mutter u. Schwester u. mit Achtung

    M. Anna Feuerstein.

    Maria Anna Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 10. April 1869

    Verehrter u. geliebter Herr u. Freund!

    Die Zeit enteilt mir immer viel zu schnell u ich habe es leider noch nie dazu gebracht, stets säubern Tisch zu machen; derselbe ist vielmehr um dessentwillen, was jeder Tag mit sich bringt, von alten Restanzen immer in bedenklichem Maße belegt. Im verflossenen Herbst u. Winter war es die große, schwere Angelegenheit der Überschwemmten, welche mich als Vice-Präsidenten des eidge­nössischen Central-Hülfskomite sehr stark in Anspruch nahm u. jede vom Berufe frei gelassene Zeit unerbittlich für sich forderte. Zum Allgemeinen kommt immer noch das Private u. Individuelle hinzu: meine l. Frau erkrankte vor 6 Wochen schwer u. ich brachte Tage u. Nächte an ihrem Lager. -Jetzt sind 3 1/2 Millionen Franken Hülfsgelder-den Grundsätzen nach-vertheilt u. die liebe Frau ist wieder gesund u. die Ostern ist vorüber u. Ihr I. Brief vom 20 April fordert sehr freundlich,-in meinen Ohren u. in meinem Gewissen: sehr kategorisch - Antwort; hier ist sie endlich. Entschuldigen Sie meine Saumseligkeit!

    „Reich u. Arm" - Ihr geschätzter Hrr. Verleger sandte mir's sogleich beim Erscheinen. Ich verschlang es schnell, das erste Mal vielleicht zu schnell. Ihnen u. ihm (Verfasser u. Verleger) gegenüber fühlte ich die Verpflichtung, das Buch unserm Publikum zu empfehlen. Lieber Felder! Diese Verpflichtung lag mir etwas schwer auf dem Herzen - Licht= u. Schattenseiten liegen da bei= u. ineinander. Feinste psychologische Entwicklung - aber für das große Publikum zu fein, zu nergelnd, zu düftelnd. Es geht zu wenig ab Fleck, zu wenig vorwärts. Es ist zu viel Secierung mit schärfstem psychologi­schem Instrumente, zu viel Wäldler=Grübelei, zu große Tiefe; u. für das allgemeine, große Publikum zu wenig Fortschritt. That, Fleisch u. Blut, zuwenig — Oberflächlichkeit. Auf diesen Pfaden gehend werden Sie den schönen Preis: das Verständniß u. die Anerkennung eines kleinen, aristokratisch = auserwählten Kreises gewinnen; aber nicht, was Sie doch wollen, auf die Massen wirken. Verzeihen Sie mir diese, aller Complimente baare, nackte Freimü­thigkeit; sie ist ganz intim. Dem lieben Publikus gegenüber redet man insofern anders, als man ihm die Lichtseiten hervorhebt u. das Zuviel des Lichtes, was als Zuviel dann Schatten wird, nur leise andeutet. Ein Recensent, der mit seinem Namen, u. daher mit seiner Person für ein Buch einsteht, hat eine schwere Aufgabe u. eine nicht leichte Verantwortlichkeit. Es sind auf diesen meinen Namen hin in Zürich vielleicht ca 20 Exemplare gekauft worden ­als Gabe auf den Weihnachtstisch. Von Mehrern habe ich nachher gehört: es sei ein für Erholungsstunden etwas zu schwere, zu strenge Arbeit, das Buch zu lesen. Nur die Gebildetesten haltenden vollen u. reinen Genuß. Sonderbar! Das Bäuerlein aus dem Walde setzt der fashionablen Welt eine Weise vor, welche zu fein präpariert ist, um von der Mehrzahl ganz goutiert zu werden. Und doch versteh' ich das Räthsel: es kommt her von des Bäuerleins nergelnder Sinnigkeit, tiefer Innigkeit, vorherrschender Concentra­tion auf das Innerste. Aber, aber-Sie müssen auch auf die Welt da draußen Rücksicht nehmen, auf die Welt, welcher das Lesen eines Romans Erholung, Ausruhen von der Arbeit ist; u. nicht wieder selbst eine Arbeit. Indem ich jetzt wieder meine Recension über­lese, die mich um der mir auferlegten diplomatischen (nämlich zwischen Lob u. Tadel zart vermittelnden) Haltung willen v;e/ Kopfzerbrechens kostete; finde ich, sie sei so ziemlich ordentlich gerathen. Dabei muß ich mich freilich noch spät bei Ihnen entschuldigen, daß ich mich am Schluße derselben bis an die äußerste Grenze der Diskretion u. fast gar ins Gebiet des Indiskreten gewagt habe, - durch Publikation der das Scheiden Ihrer I. Frau betreffenden Stellen aus Ihrem werthen Briefe. Aber ich dachte einerseits: der Schriftsteller u. mit ihm auch seine „bessere Hälfte" gehört viel mehr dem Volke, dem Publikum, als ein anderer Mensch u. andererseits lag mir daran, bei der Anzeige Ihres dritten Werkes schon einiges Interesse, einige Spannung zu erwecken für Ihrviertes, worauf ja der Schluß meiner Recension sichtlich abzielt. Und dieß vierte Werk hätten wir nun also Ihrem letzten werthen Briefe gemäß hoffentlich bald zu erwarten. Sie sind sehr fleißig gewesen den Winter über: ich begreife es, daß Sie die Wehmuth u. den Schmerz des Verlassenseins gern in der süßesten Arbeit lebendiger Erinnerung u. Rekonstruktion Ihres Werdens erstickten. Daß Sie da einen ersten Band abschließen, wo Sie es thun, u. es der Zukunft überlassen, wann ein zweiter Band komme, finde ich ganz passend. Sehr wunder nimmt mich, ob Sie mit Sal. Hirzel wegen Verlags auch dieses Werkes schon eingetreten u. im Reinen seien. Ohne Zweifel kommt es ihm etwas zu rasch nach Reich u. Arm; u. ist wohl Letzteres noch nicht ganz von ihm abgesetzt u. verdaut. Dennoch hoffe ich, er werde Ihnen u. Sie ihm womöglich treu­bleiben.

    Ich habe auch vielen Grund zu vermuthen, daß das letzte von den bisherigen Ihr allerbestes Opus sein werde. Der Nümmamüller in der Naivität seines Werdens ist doch gewissermaßen das Frische­ste, was Sie geschrieben. Die Sonderlinge führen uns in die Kämpfe des Autors hinein u. fesseln uns hauptsächlich durch das persönliehe Interesse am Autor selbst, sie sind subjektiv. In Arm u. reich abstrahiert der nun völlig herausgeborne Autor von sich selbst u. ist völlig objektiv; aber fast zu objektiv sich versenkend in das geheimste u. innerste Werden seiner Gestalten. In der Autobiogra­phie erwarte ich beide Elemente in harmonischer u. schöner Durchdringung: das subjektiv=pathetische, weil's der Autor ist, um den es sich handelt; u. das objektiv=ruhige, weil's der nun in sich fest u. stark gewordene, seinen Stoff klar beherrschende Bildner seiner eigenen Gestalt ist, der uns dieselbe vorführt. - Ich denke, Sie bedürfen meiner Hülfe hinsichtlich des Verlags in keiner Weise. Freund Hildebrand hat hier die stärkere Hand als ich. Sollte ich aber Ihnen irgendwie auch noch behülflich sein müssen, so kennen Sie zum Voraus meine Bereitwilligkeit. ­Sehr angenehm hat mich die Schilderung Ihres Bezauers=Ausru­hen u. Bezauer=Arbeitens berührt. Die Stiftung des Lesevereins als eines Anti=Casino ist gewiß ein sehr verdienstliches u. sehr notwendiges Werk.

    Hingegen tief ergriffen haben mich einige zwar von Ihnen wie mit Gewalt unterdrückte u. doch hervorbrechende Seufzer hinsichtlich der Kargheit oder Knappheit der Mittel für die äußere Existenz. Es ist durch Erwägung dieser Seufzer mir mit größerer Klarheit ein Gedanke wiedergekommen, der schon im vorigen Jahre sich mir aufdrängen wollte: Sie sollten irgend eine, wenn auch noch so bescheidene, doch feste Existenz haben; u. Ihre Landsleute u. Freunde sollten Opfer nicht scheuen, Ihnen eine solche zu schaf­fen, z. B. auf dem Gebiete der Schule. Es sollte im Walde, z. B. in Bezau irgend ein Institut oder eine Schule für etwas höher gehen­den Volksunterricht, nach Art unserer Sekundärschulen errichtet u. Sie zum Rektor oder Dirigenten mit dem Unterrichte in deutscher Sprache, Aufsatzlehre, Geschichte etc. berufen werden. Oder wenn das nicht möglich ist, sollten Ihnen die Freunde im Lande irgendwie sonst eine, ob auch bescheiden, doch fix honorierte Stellung verschaffen, z. B. durch Errichtung einer Ersparniß= u. Vorschußkasse u. Erwählung Ihrer Person zum honorierten Verwal­ter derselben. Ein Literaten=Leben in Wien oder sonstwo in der Welt draußen ist ein sehr prekäres, namentlich im Hinblick auf Ihre Kinder u. deren Erziehung geradezu abzurathendes Unternehmen. Das Literaten leben in der Heimath, im Walde ist besser, als jenes es wäre; aber weder zur äußern noch zur innern Existenz ganz genügend. Eine Verbindung von Beiden in der Heimath: die Verbindung einer nicht allzubeschwerten praktischen Stellung mit Ausfüllung der Mußezeit durch literarische Produktionen wäre weitaus das Zuträglichste sowohl in äußerer als auch innerer, geistiger Beziehung. Führen Sie das, als den Rath eines auswärti­gen, aber um nichts weniger intimen Freundes Ihren heimischen Freunden im Stillen zu Gemüthe. - Der Uhrenmacher hat im Herbste mit seinem Besuche uns sehr erfreut, aber auch dadurch für Sie hin erschreckt, daß er uns seinen Plan, nach Alberschwende hinauszuziehn, mittheilte. Für sich hat er gewiß wohlgethan; aber Sie haben einen ebenbürtigen Freund, oder wenigstens den Umgang mit ihm verloren. Wir begreifen u. theilen Ihr Gefühl des Isolirtseins. - Mögen Ihnen diese flüchtigen Zeilen den Beweis leisten, daß trotz scheinbarer Saumseligkeit u. Nachläßigkeit wir doch mit innigster Theilnahme Ihrer gedenken. Grüßen Sie uns Ihre Mutter u. Ihr Kinderschäärchen. Lassen Sie mich nicht so lange auf Antwort warten, wie ich Sie warten ließ. Ihrem fortdauernden, mir so hochschätzbaren Wohlwollen empfiehlt sich angelegentlichst Ihr

    H Hirzel, Diakon; nebst Gattinn u. Schwägerinn.

    An Salomon Hirzel schickte ich die Recension von Reich u. Arm sogleich nach ihrem Erscheinen.

    Heinrich Hirzel
    Zürich
    Franz Michael Felder
  • 10. April 1869

    Verehrter Freund!

    Der Josef lächelte daß ich mir nicht wollte von ihm das Vergnügen rauben lassen, beiliegendes mir übergebenes Geld 40 fl selbst an Sie zu senden. Es sind Beweise aufrichtiger Theilnahme von meiner Mamma u. den Familien Bayer/:Byr:/ Froschauer, Begg u. Kaiser von Bregenz. Ich werde schon vorläufig bei meiner Mutter u. meiner Freundin der Frau Rittmeister Bayer, durch deren Verwendung bei ihren Eltern, Verwandten u. Bekannten ich dieses Geld erhielt, Ihren Dank abstatten. Wir sind immer im Geiste an Ihrem Krankenbett, u. fühlen nun auch das Unerträgliche der Langsamkeit Ihrer Post. Wie sehr würden wir uns freuen Sie bald wieder bei uns zu haben! Alles Schöne von Josef an Herrn Adjunkt Moosbrugger, u. herzliche

    Grüße von ihm u. mir an Sie u. Ihre gute Mutter.

    Mit dem herzlichen Wunsche recht baldiger Genesung

    Ihre aufrichtige Freundin Margaretha Feuerstein.

    Margareta Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 6. April 1869

    Lieber Freund!

    Mein Befinden hat sich seit deinem erfreulichen Besuche doch bedeutend gebessert. Der Sonntag war noch schlecht, die Nacht noch schlechter. Gestern begann mir das Athmen leichter zu werden; ich mußte auch nicht mehr so unmenschlich hoch unterm Kopfe haben - immer drei bis fünf Kissen übereinander - wie vorher. Jetzt hat sich auch der Husten so ziemlich gelöst u. das mir so widerwärtige sang u. klanglose Geräusch beginnt zu ver­stummen.

    So standen die Sachen, als dein Brief ankam. Nach deßen Lesung wollte ich noch auf den Besuch Dünsers warten um dir dann auch seine Meinung mittheilen zu können.

    Dünser ist eben fort. Er versicherte, daß er mit Vergnügen einen ändern Arzt beiziehen würde, wenn er das nur noch so nothwendig als die letzte Woche fände. Es sei aber die Krankheit ganz sicher überstanden - soviel kenne er, - u. wenn sich nichts Unberechen­bares einstelle, so sei ich, wenn auch langsam, auf Besserung. Sobald etwas fehle, ein Zustand sich nicht in gewünschter Weise hebeu.d.gl., werde er Herrn Dr. Greber sofort einladen. Jetzt wäre das wahrlich überflüssig. Ich ließ mich um so eher von dem anfangs gefaßten Entschluß abbringen, weil Dünsern ein Wohlbehagen in mir, wie ich's lang nicht mehr empfand, dagegen reden half. Ich möchte dieses Gefühl fast Dankbarkeit nennen gegen den, der mir jedenfalls aus dem Ärgsten herausgeholfen zu haben scheint. Übermorgen durch die Post wirst du Weiteres erfahren. Sollte es irgendwie schlimm gehen, so wird Dünser gleich an Greber schreiben. Ich würde ihn allenfals dazu zwingen. Grüße mir alle Bekannten besonders deine Frau, u. vergesset nicht eueren wieder ein wenig hoffnungsstärkeren, sonst aber unendlich schwachen, dürren

    Freund F. Michael Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 6. April 1869

    Lieber Freund!

    Juhei! freigesprochen! so möchte ich dir heute, nach dem ich deinen Brief gelesen auch jubelnd zurufen, denn ich habe offen gesagt doch große Besorgniß für dich gehabt, obwohl ich eigentlich persönlich deinen Zustand nichtfür gefährlich ansah so machte mir doch das Reden der Leute bange. Dein Brief ist eben noch rechtzeitig angekommen, sonst hätte ich an  Schwager Moosbrugger  nach   Bludenz  einen  etwas scharf gefärbten Brief geschrieben, so, daß er jedenfalls wahrscheinlich schnell heruntergekommen wäre. Ich bin mit deinem Entschluß vollkommen einverstanden, u. hoffe daß deine Besserung recht schnell vor sich gehe, u. du mich wieder recht bald besuchen werdest. Inzwischen freut es mich wenn du mirfleißigeinige Worte dicktirst. Ich sehe durch dieselben dein ganzes Befinden deutlich vor mir oder ich fühle es; ich glaube ich könnte dir zimmlich genau sagen wievielmal der Puls pr Minute während des Diktirens geschlagen. Die Fliegenden Blätter kann ich dir erst bis in ein par Tagen schicken, da sie noch beim Doktor in Egg sind. Vor der Hand sende ich dir hier die Leuchtkugeln. Du wirst dich nicht ärgern über den hie u. da etwas bedenklichen Inhalt, u. das Mägdle soll dieselben halt beileibe nicht lesen. Also gute Besserung u. viele Grüße von der Margreth, Karl und Deinem Freund Josef Feuerstein Felder von Alberschwende war heute hier und erzählte die inperti­nenten Witze u. Grobheiten, die er bei dir gemacht er meinte aber du habest alles als pure Freundschaft sehr wohlgefällig aufgenom­men, als ihr kennt euch noch nicht! er ist übrigens dir doch ungemein anhänglich und wollte morgen zum Dr. Waibel um ihm dein  Befinden  mitzutheilen,  ich werde ihm aber heute noch schreiben.

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 5. April 1869

    Lieber Freund!

    Auf meiner Rückreise gestern Nacht dachte [ich] über die von dir gemachte Aeußerung: daß du zu Dr. Greber schon Zutrauen hättest, daß du aber noch einige Tage zuwarten wollest nach, u. es schien mir dieser Entschluß doch einigermassen unzweckmäßig. Dr. Greber würde es jedenfalls freuen, wenn du ihm das Zutrauen schenkst, u. du sagtest früher immer selbst, wenn man jemandem Gelegenheit geben könne uns eine Gefälligkeit zu erweisen, so solle man es thun, dadurch mache man sich die Leute verbindlich. Nun aber warum noch ein paar Tage zögern, das Fieber ist jedenfalls stark, könnte vielleicht hiziger Natur, kurz anderen Charackters sein als Chirurg Dünser meint kurz Zwei verstehen mehr als Einer, u. einen Freundesdienst soll man nicht zurück­weisen.

    Entschließe dich also kurz dem Dr. Dünser mitzutheilen daß du den Dr. Greber beigezogen wünschest, derselbe wird gleich kommen, u. ich werde ihm schon sagen daß er mit Dr. Dünser freundschaft­lich u. entgegenkommend verhandle u. berathe. Schreibe oder Dicktire mir sogleich wieder einige Worte, schicke mir den Brief aber durch einen extra Bothen nicht durch die lumpige Post.

    Ich habe Eile der Both will gehen, viele Grüße von der Margreth u. mir.

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 2. April 1869

    Lieber Freund!

    Mein Gesundheitszustand hat sich bisher nicht gebeßert, er gleicht wohl schon einem Krankheitszustand, wie du schon daraus siehst, daß ich eine fremde Hand an dich schreiben lassen muß. Ich liege im engen dumpfen Gado, hustend, frierend, schwitzend, raisonirend u. dann wieder schwach zum Versinken. Es soll mir an der Lunge fehlen, u. das Dökterle will mich in kurzer Zeit wieder herstellen. Das ist gut, denn das Kranksein behagt Keinem, am wenigsten aber dem, dem schon gesund so viel fehlt und dem Unthätigkeit Verzweiflung wird.

    Ich habe übrigens ziemlich guten Appetit, kann ungeduldig sein u. glaube daher durchaus nicht, daß ich jetzt hier in diesem Loche den Geist aufgeben werde. Habt also keine Sorgen um mich. Dein Bericht über die Versammlung vom letzten Montag war mir sehr interessant. Ob ich bei der nächsten Versammlung sein werde, ist mehr als zweifelhaft. Da müßt ihr euch schon anderweitig decken u. abwarten ob mir überhaupt das Glück eurer Gesellschaft so bald wieder gegönnt ist. Die erwähnte Sennerei f. d. Verein ist nun gesichert.

    So - und jetzt habe ich recht genug dictirt. Es steckt nichts mehr in meinem wirbeligen Kopf, als ein Gruß an Deine Frau, u. das Gefühl, daß ich in Hunger u. Kummer, in Noth und Tod verbleibe

    Dein treuer Freund Franz Michael Felder

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 1. April 1869

    Lieber Franzmichel!

    Mit großen bedauern höre ich, daß Du unwohl Seiest. Habe nichts zu erleichterung Deiner leiden, als einwenig Gerstenschleim, zur Erleichterung deß Husten, wünsche ganz guten erfolg, eine baldige genesung, recht strake Auferstehung wünscht Dir Deine gut gemeinte Freundin

    Maria Anna Simma.

    Diese Hosen gehören dem Jakob.

    Maria Anna Simma
    Au
    Franz Michael Felder
  • 1. April 1869

    Lieber Freund!

    Mein letzter Brief war überhaupt mein letzter, seitdem liege ich im Gado lungenkrank darnieder.

    Herr Dr. Dünser machte mir den Antrag, Herrn Dr. Greber in Bezau beizuziehen, wenn ich nicht immer Besserung spürte trotz zunehmender Schwäche, so würde ich von demselben Gebrauch gemacht haben.

    Mache Dir also keine Sorgen und hoffe das Beste. Wenn Du Dr. Hildebrand die Biographie schickst, so melde ihm mein Unwohlsein, von dem er natürlich nichts weiß. Grüße an die Deinigen. Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. April 1869

    Lieber Freund!

    Ich habe dich vergeblich am Sonntag erwartet u. mußte aus deinem Ausbleiben schließen daß dein Unwohlsein noch nicht gehoben sei, ich hoffe jedoch, daß sich seitdem die Sache gebessert. Die Versammlung am Montag war gegenüber der im Lamm etwas mat indem Pr. Elsensohn den prahlerischen Ankündigungen die er gemacht durchaus nicht entsprach; er ist kein Redner u. wird auch nie einer werden. Über den Inhalt der Rede selbst kannst du näheres erfahren von Kurat Herzog in Rehmen, derzufälliger Weise im Garns logirte.

    Dr. Greber kam zu spät, konnte weil er keine Vorbereitungen über vorzunehmende Experimente gemacht, seinen in letzter Versamm­lung begonnenen Vortrag nicht fortsetzender hatte nämlich vor über die Schallbewegung einen Vortrag zu halten:/ sondern trug die Lehre vom Globus vor. Bei der nächsten Versammlung mußt du uns wieder herausreißen das heißt eine tüchtige Rede halten, ich kündige es dir jetzt schon an. Damit du dich darnach zu halten weißt.

    Es ist sehr daran gelegen, daß der Eindruck der Ersten Versammlun­gen ein guter sei, deßwegen müssen wir uns besonders in erster Zeit zusammen nehmen.

    Es wäre ganz erwünscht wenn du Moosbrugger oder einen ändern tüchtigen Redner bestimmen könntest, bei Gelegenheit einen Vortrag zu halten.

    Approbos Peter Greber hat mir gesagt, daß ihr in Schalzbach eine Vereinssennerei zu errichten bemüht seid, die aber etwas klein werde.

    Daran ist das erste Jahr nichts gelegen, den Preis den die ändern bezahlt bekommen bringet ihr doch leicht heraus und es kann gar nicht fehlen der Milchkäufler muß mit der Zeit gegen die Vereins­sennerei unterliegen; deßwegen rüstig ans Werk.

    Ich habe nicht mehr Zeit weiter zu schreiben, lebe wohl es grüßt dich

    dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 30. März 1869

    Dem Vororte des Verwaltungsrathes der deutschen Schiller=Stif­tung!

    Indem ich den unterfertigten Quittungsbogen übersende, erlaube ich mir ein warmes tiefgefühltes Wort des Dankes beizufügen. Seit längerer Zeit auch körperl ich leidend, hatte ich es noch gestern fast für unmöglich gehalten, einige Zeilen zu schreiben. Heut aber kann ich es, denn Freude ist die beste Medicin, und ich muß schreiben um auszusprechen, daß der Beschluß des Verwaltungs­rathes mich mit neuem Muth erfüllt und mit der Hoffnung, daß es meinem Fleiß und guten Willen nun, da ich doch einmal auf­athmen kann, gelingen werde, sich das fernere gütige Wohlwollen des Vorstandes auch ferner zu erhalten

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 27. März 1869

    Lieber Freund!

    Ich kann heute nicht so viel schreiben als ich wünschte, denn mich plagt wieder, was noch jedes Jahr um diese Zeit sich einzustellen pflegte. Ich bin unwohl, hoffe aber, daß es nicht bös werde.

    Daß es Dir kaum interessant sein werde, einen Menschen durch Gedanken und Empfindungen, ohne bestimmtes Ziel erziehen zu sehen, habe ich erwartet. Ich hoffte aber, daß Du mit den Volks- und Landschaftsschilderungen recht zufrieden sein werdest.  Daß  Ihr mit der Familienidee andere Kerle geworden seid, mir in manchem überlegen, habe ich schon in der Biographie betont, und könnte man da mit mir zu­frieden sein.

    Gegen die Anschauung, ob die Salzbacherstegkatastrophe durch die Vorsehung eigens herbeigeführt sei, hab ich mich mehrfach verwahrt und wäre schlecht zufrieden mit Schreiber und Korrekturleserin, wenn sich's nicht finden sollte. Tragisch war die Geschichte erst durch die Haltung der Bauern, welche allerlei Ideen bei meinem Anblick, aber keinen Gedanken hatten. Einige z. B. hielten mich für einen Tannberger usw. Ich habe die Geschichte, wie noch manches, so schonend als möglich gegeben.

    Doch ich fühle mich durchaus nicht zum Schreiben fähig. Der Kopf ist nicht so klar, als er bei einem gedankenblassen Menschen sein sollte, und meine Hand zittert. Wenn ich wieder gesund werde, komme ich hinauf, aber nicht, um eine Verteidigungsrede zu halten. Ich hoffe nämlich, Du werdest mir zugeben müssen, daß alle Ideen aus dem Gedanken, Wort (Logos) oder aus Eindrücken entstanden sind. Gestehst Du das zu, so sind wir eins, sonst streiten wir, daß es klepft. Dein Urteil über meine Arbeit war übrigens viel günstiger, als ich erwartete, und es hat mich recht gefreut. Ich wußte, Du hieltest den Stoff für zu unbedeutend, ich aber bedurfte dieser Selbstschau.

    Nannis Lieblingsausdruck war: „Ich hab schwer dran köpfen müssen und hab lang mit aller Mühe kein Gedänkelein funden." Nun weiß ich nicht, wie da die vorgeschlagene Veränderung paßt, besser klingen würde sie. Mach also, was Du willst. Allmacht der Idee ist jedenfalls besser. Ich weiß nicht, wie bald wir über das Werk reden können. Hilde­brand erwartet es mit größter Ungeduld. Sei also so gut, ihm das Manuskript zu schicken. Professor Dr. Hildebrand, Leipzig, Windmühlenstraße 29. Nun aber bin ich müde, da muß es anders werden, bevor Ihr mich auf den Hals bekämt. Mit herzlichem Gruß und in Erwartung gelegentlicher Antwort Dein Freund         F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. März 1869

    Lieber Felder!

    Karl ist glücklich von Schoppernau angekommen u. sein Geldbrief hinten nach. Durch denselben habe ich leider dein Unwohlsein erfahren. Heute ging Karl zu Dr. Greber und erstattete ihm Bericht über dein Befinden. Er findet die Sache sehr ungefährlich, meint es sei nur ein Magencatarr gab ihm die Pulfer die hier mitfolgen, u. läßt dich grüßen, du sollest nur herauskommen, dich aber recht warm anziehen u. besonders den Hals gut schützen, dann schade es dir nichts - „gar nichts".

    Nach meiner Ansicht mußt du deinen Zustand selbst beurtheilen u. dich hiernach richten, freuen würde es uns schon wenn du kämest. Hr. Elsensohn hat zu seinem Vortrage das Thema der Geschichte des Bregenzerwaldes gewählt.

    Wie ich erfahren haben die Kapuziner bei Weißgärbers Bücherun­tersuchung gehalten, u. haben gefunden, daß das Lesen von guten Büchern Legenden etc. viel besser wäre, sind aber abgewiesen worden.

    Wie ich Gelegenheit habe zu bemerken, werden die Agitationen gegen den Leseverein beginnen.

    Wir lesen jetzt dein Schwarzokaspale u. ich habe dich u. deine Selbstbiografie durch dasselbe wieder näher kennen gelernt. Dein Erstlingswerk gefällt mir übrigens ganz gut, und wird namentlich bei jenen, die das Leben des Bregenzerwälders gerne auch im Bilde wiedersehen mit Freude gelesen werden. Mit vielen Grüßen

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 25. März 1869

    Sehr geehrter Herr!

    Es gereicht uns zur aufrichtigen Freude, Ihnen mittheilen zu können, daß der Verwaltungsrath der deutschen Schillerstiftung den Beschluß gefaßt hat, Ihnen einen einmaligen Unterstützungs­beitrag von 150 Thalern zuzuerkennen.

    Sie können versichert sein, daß der Vorstand der Schillerstiftung der ferneren Entwicklung Ihres achtbaren Talentes, Ihres wackeren und tüchtigen Strebens mit wärmsten Antheile folgen und nie erman­geln wird, Ihre erfolggekrönten Bemühungen nach dem Maßstabe thatsächlicher Möglichkeit zu unterstützen. Wollen Sie gefälligst beiliegendes Quittungs-Formulare unterfertigt zurücksenden, worauf Ihnen der obgenannte Betrag sofort zur Verfügung steht. Mit vorzüglicher Hochachtung

    der Vorort

    der deutschen Schillerstiftung: E Fr Münchhausen

    Vorort der Deutschen Schillerstifung
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 24. März 1869

    Verehrter Herr Felder!

    Beantwortend Ihr geehrtes Schreiben vom 16. [ert.] erlauben wir uns, Ihnen hierdurch ergebenst anzuzeigen, daß wir Ihnen die Deutsche Volksbibliothek Dritte Reihe 118 Lieferungen statt ä 12 p - ä 9 p in einem ganz neuen Exemplar liefern wollen. Wir machen diese billige Offerte ausnahmsweise nur Ihnen, da gerade die Dritte Reihe jetzt die werthvollste ist. Dieselbe enthält u. A. Herder's Werke z. schön. Liter., Humboldt's Reise i. d. Aeq.­Geg., Auerbach's Dorfgeschichten, Barfüßele, Schatzkästlein & Neues Leben, Riehl' Land & Leute, Gesellschaft, Familie, Cultur­studien & Culturhistor. Novellen, Tegner's Frithjofssage, J. v. Mül­ler's 24 Bücher allgem. Geschichten etc. - welche Werke beinahe sämmtlich in dieser billigen Ausgabe vergriffen sind. Für Ihre gütige Empfehlung beim Leseverein in Bezau und Bestel­lung für denselben danken wir Ihnen freundlichst. Wir haben sofort Gotthelf's Schriften verschrieben und werden dieselben baldigst mit möglichstem Rabatt an den Leseverein senden. Uebrigens gewähren wir dem Leseverein gerne wie ändern von uns versorgten Bibliotheken, Rabatt, der sich nach der Grosse der Abnahme richtet. Indem wir uns Ihnen bestens empfehlen, zeichnen wir

    Hochachtungsvoll MRieger'sche Buchhdlg

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 21. März 1869

    Lieber Freund!

    Den Brief vom 3. und die Sendung vom 14. d. Ms. habe ich erhalten. Habe auch alles aufmerksam durchgelesen. Bei Lesung der letzten Kapitel der Biographie kam ich aus der ruhigen Beschauung des schönen künstlerischen Gebildes und konnte heftiger Rührung nicht mehr Meister werden. Nach­dem ich derselben einen reichlichen Tribut gespendet, über den wohl niemand erstaunter war als mein Bart, der die Zeit einer Sündflut gekommen wähnen mußte, will ich nun bei wiedererobertem Objektivismus die Gedanken niederschrei­ben, die sich sofort einstellten. -

    Die Erzählung bildet ein einheitliches, volles Ganzes und wäre um jede Zeile schade, die man streichen wollte. Eines fließt aus dem ändern, und ist das Frühere die Bedingung des Spä­tem. Die Sprache ist in merkwürdig hohem Grade seelisch und reißt den hingebenden Leser mit Gewalt in all die Leiden und Freuden des Sprechenden. Diese Meisterschaft der Sprache und des Satzbaues ist in Deinen frühern Werken noch nicht vorhanden. Der Ton, der das Ganze durchzieht, ist ein elegischer. Trotz der milden und versöhnlichen Stim­mung wird doch den meisten Lesern diese gewaltig sich hin­ziehende Seelenmarter peinlich sein. Es ist dies die Marter des „Gedankens", der sich selbst genügen will. Für denkende Erzieher sind wahre Schätze in dem Werk. Merkwürdig sind die Notizen aus dem Tagebuch vom Jahre 1859 und geben viel zu denken. Die Krisis, die die Versöhnung herbeiführt, ist furchtbar, und macht es ihre Eigenart, daß sie nämlich eine rein elementare ist, begreiflich, daß die Versöhnung eigent­lich nur in der Welt des Gedankens und des Gemütes vor sich geht. Hier ist der Punkt, wo unsere Anschauungen über Natur, Seele und Geist oder, um konzentrierter zu reden, über „Gedanken" und „Idee" auseinandergehen. Daß Du in Deiner Jugend auf Deine Gedanken- und Gefühlswelt gedrängt wurdest, lag in den Umständen, und hast Dich tapfer, ja heldenmäßig gehalten. In unserer Familie regierte nie das „Gedankenmäßige", sondern vorherrschend die Idee. Ideen sind in der Welt, die weder von unserm Denk- noch von unserm Gefühls- noch überhaupt von unserm Daseins­apparat erzeugt werden, sondern einfach da sind und uns unmittelbar packen. Solche Ideen sind die Idee des Schönen, des Guten, des Wahren, der Tugend, der Freiheit, die spe­zifisch christlichen Ideen und in unserem Fall die Idee der christlich-germanischen Familie. Bei uns werden die meisten Menschen vorherrschend durch Ideen geleitet, bei den sog. Liberalen vorherrschend durch Gedanken, das Richtige wäre die vernünftige Durchdringung beider. Bei den Weisen sind die Gedanken ideenvoll und die Ideen gedankenvoll. Unser Vater war ein frommer, kräftiger Germane, die Mutter von demselben Stoff, und beiden erwuchs die entsprechende Nachkommenschaft. Über alle kam die Macht des christlich­germanischen Wesens, die alle beherrschte und als Familien­geist - Familienidee - verband. Diese Macht lag in keinem väterlichen oder mütterlichen Gedanken und war nicht das Erzeugnis der verschiedenen menschlichen Organismen, die die Familie ausmachten, und doch war sie da und die Bild­nerin und Leiterin des Ganzen. Ich hieß und heiße sie „Idee", und ich und alle ändern Familienglieder können bei all unsern Gedanken- und Gemütsoperationen von dieser Idee nicht absehen, die einmal mit uns verwachsen ist. Wie es uns mit dieser Idee geht, geht es uns und der übrigen Menschheit mit den ändern oben beispielsweise angeführten Ideen. Sie sind einmal unsere Regentinnen, wenn wir von der Vernunft und von unsern Kräften und Fähigkeiten den richtigen Gebrauch machen. - Dies ist beiläufig mein Stand­punkt, und Du wirst finden, daß er von Deinem differiert. Ich möchte aber durchaus nicht beantragen, daß Du an Deiner Arbeit etwas ändern solltest, lediglich zwei Worte möchte ich geändert wissen. Wo Du sagst, die Nanni sei durch saure „Gedanken"arbeit eins mit sich und der Welt geworden, möchte ich sagen, durch saure „Seelen"arbeit, und am Schlüs­se des 19. Kapitels möchte ich statt: Allmacht „des Gedan­kens" setzen Allmacht „der Ideen". - Wenn mir irgend ein Verdienst gebühren sollte, ist es lediglich das, daß ich der Fa­milienidee treu blieb, - ein Umstand, der mich vor morali­schem und physischem Bankrott rettete. - Von hier aus ergibt sich auch meine Antwort auf das, was Du im Brief vom 3. d. Ms. darüber sagst, daß Du das Ideal unserer Sitten schaffen wollest, daß Du zeigen möchtest den Liebhaber, den Gatten, den Vater, die Geliebte, das Weib. Mir kommt vor, Du steckest noch zu stark im Individualismus, in den kleinen Idealen. Wäre die christlich-germanische Familie nicht ein schönerer Stoff, aus dem all diese kleinen Ideale heraus­wachsen und dem allein sie möglich sind. In unserer Zeit handelt es sich um die Restaurierung der Familie, um der täglich mehr um sich greifenden Zerbröckelung und Atomi­sierung der Gesellschaft einen Damm entgegen zu setzen. Um die Familie ziehen sich die weitern Kreise bis hinauf zum Staat, wie wir schon im Ruf und in der Klarstellung an­deuteten. Was Liebhaber, Gatte, Vater, Geliebte und Weib im Bregenzerwald Gutes und Ideales haben, danken sie der christlich-germanischen Familienidee, und ließe sich sicher schön und erhebend ausführen, wie diese Menschen im Kampfe mit den atomisierten Gesellschaftsmenschen siegen und kraft ihrer idealeren Richtung das Recht der Herrschaft und Normierung unserer Verhältnisse erkämpfen, um so das Schlechte und Verworrene in unsern Sitten und Gebräuchen zu verdrängen. -

    Doch ich fürchte zu ermüden und wollte eigentlich nur wenige Gedanken über die eingangs erwähnten Schriftwerke hersetzen. - Ich bin im Herzen erfreut, wenn ich aus Deinem baldigen Ankommen ersehe, daß ich die Bedingung, die Du mir gestellt hast, erfüllt und Dich nicht verletzt habe. Ich habe einmal meine Ideen und muß ihnen bei jeder Gelegenheit treu zu sein suchen, schon aus Dankbarkeit für das unsäglich viele Gute, das mir durch sie zukam. -

    Wenn Du herkommst, rate ich Dir vor allem, das Werk von Byr ,Anno Neun und Dreizehn' zu lesen. Das wäre ein herr­licher Stoff, den ein vaterländischer Dichter dramatisch zu bearbeiten nicht unterlassen sollte. - Das Weitere mündlich. In baldiger, sehnlicher Erwartung Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 18. März 1869

    Liebster Freund!

    Es hat mich recht gefreut, endlich wieder einmal einen Brief von Dir zu Gesichte zu bekommen. Hätte ich nicht jeden Tag die Entscheidung von Wien erwartet, so würde ich nicht so lange geschwiegen haben. Leider kann ich noch immer nichts Bestimmtes melden. In Wien soll mir eine namhafte Summe bestimmt worden sein; nun aber habe dann ein Zweigverein gegen mich geltend gemacht, daß ich ja noch kein Drama schrieb. Bergmann sagt, daß das von vielen Unterstützten gesagt werden könnte. Er nennt das nur eine kleine Verzöge­rung und hofft in Kurzem Erfreuliches berichten zu können. Bergmann und auch andere mir weniger Bekannte aus Wien schrieben mir schon von der günstigen Aufnahme, die Reich und Arm dort findet. Eine Dame schrieb an Apotheker Koff­ler in Dornbirn, daß Halm u Grillparzer für das Buch und seinen Verfasser thätig seien, Georg Scherer in Stuttgart hat mir eine Besprechung in der A. allgemeinen Zeitung verspro­chen, wenn nur Hirzel so gut wäre, ihm ein Exemplar zu schicken. Dr G Seh Langestrasse No. 4 Stuttgart. Unsere Landsblätter haben bereits Besprechungen des Buchs gebracht, die Landeszeitung von R. Bir, die Feldkirchnerin von Elsensohn. Beide sind sehr günstig, ohne jedoch aufs Einzelne einzugehen, und ich wüßte Dir nicht viel daraus zu schreiben. Heinrich Hirzels Besprechung, von der Du schreibst, hab ich noch gar nicht gesehen. Ich hoffe doch, daß er sie mir zukommen lasse.

    Die holländischen Bände hab ich erhalten und mehr darin gelesen als Du wol glauben wirst. Es ist ja fast alles deutsch und mir macht es ein eigenes Vergnügen, meine Gedanken in diesem Kleide zu sehen. Du solltest uns einmal an dem Holländisch herumkauen sehen wie am Häring dem ich noch ein treues Andenken bewahre. Mit der Bevölkerung lebe ich im schönsten Frieden. Der Kampf, den ich und Rüscher hatten, tobt im ganzen Vorarlberg, nur der Bregenzerwald ist ziem­lich ruhig und ich gewinne mehr und mehr Freundschaft und Liebe. In Bezau bin ich wie daheim und halte mich häufig dort auf. Daß ich nicht müssig bin, wirst Du mir glauben. Besonders thätig bin ich für den dortigen Leseverein und die Landesbibliothek. Ich wurde mit Feurstein und Dr. Greber und noch Zweien zur Leitung gewählt. Vor 14 Tagen hielt ich die erste längere Rede über das Lesen, besonders über die Art, sg. schöne Werke mit Nutzen zu genießen. Ich fand ge­nug Beifall und sogar der Doktortitel wurde mir beigelegt. Auch in anderer Weise suchte ich fürs Gemeinwohl thätig zu sein. In Bezau könnte man gleich aufs ganze Ländchen wir­ken und ich möchte schon dort sein. Jetzt brauche ich Un­ruhe, Leben und das stille Schoppernau hat zuweilen für mich fast etwas Schauerliches. Ich habe mir schon zuweilen die Kämpfe und Aufregungen des letzten Winters gewünscht um mir selber darin zu entfliehen. Nur im Streben fürs Gemein­wohl finde ich Erholung und wenn ich davon ausruhen will, setze ich mich wieder an den Schreibtisch und erzähle „aus meinem Leben" oder „meine Dorfgeschichte". Welcher Titel gefiele dir wohl besser? Ich muß jetzt nämlich schon an den Titel denken, denn der erste Band, mit meiner Verehelichung abschließend ist fertig. Einstweilen denke ich auch nicht mehr weiter zu arbeiten. Die Abschrift besorgte ein von Feurstein gedungener Schreiber. Letzten Montag schickte ich die Arbeit, 79 Bogen, an meinen Schwager in Bludenz. Er wird sie bald durchgesehen haben und dann sollst Du sie erhalten. Ich bin begierig, was Du zum Ganzen sagst und ob Du es zur Ver­öffentlichung geeignet findest. Ich bin hierüber noch durch­aus nicht eins mit mir selbst. Wer seine Erlebnisse und die Wirkungen derselben dem Volke geben will, der sollte doch wahr sein oder gar nicht schreiben. Ich bin diesem Grund­satze rücksichtslos treu geblieben. Doch heute keine Vorrede, ich werde später eine Eigene zu dem Buche schreiben wenn einmal dessen Veröffentlichung beschlossen sein sollte. Also für jetzt nichts mehr hievon.

    Wir haben endlich noch ein Bischen Schnee bekommen, so daß wenigstens noch die allernötigste Winterarbeit mit vieler Mühe und Gefahr verrichtet werden kann. Ich selbst quäle mich selten mit solchen Arbeiten, obwol ich die Taglöhner schwer aufbringe. Ich hoffte bisher, meine Einnahmen wür­den sich einmal verbessern. Nothwendig wärs. Doch ich will nicht klagen.

    Vielleicht ist dir lieb, die Photografie von Au, den Schauplatz von Reich und Arm zu erhalten. Ich schicke sie Dir mit der Bitte, unser Thal ja im Andenken zu behalten. Du bist hier keineswegs vergessen. Feurstein, seine Frau, Dr Greber, die Rößlewirthin, der Schreiner und noch viele lassen Dich grü­ßen. Kurat Herzog bittet recht sehr endlich um Auskunft. Grüße mir Deine Frau, die Kinder, Emmi Hedwig Rudolf u Hugo, den Klub und wer sich etwa sonst noch um mich kümmert.

    Schreibe auch gelegenheitlich wieder ein paar Zeilen an Deinen einsamen eingeschneiten Freund

    F M Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 16. März 1869

    Lieber Freund!

    Es hat etwas Tröstliches für mich, daß du meine Liederlich = und Vergeßlichkeit in ihrem negativen Ausdruck vielleicht als Genie­streich bezeichnest. Diese Nachsicht thut wohl, macht mich aber doch nicht so kühn, daß es mir gleichgültig wird, wie ich eine Arbeit in fremde Hände übergebe. Leider fand ich am Montag keine Zeit u. keine Gedanken mehr für den Schluß meines Aufrufs. Es ist euch wohl ein Leichtes, ihn beizufügen und mir bleibt die Beschä­mung dich herzlich darum bitten zu müssen. Hätte ich die Arbeit hier, so wollte ich sie gern vollenden, so aber, da sie mir nicht mehr ganz im Gedächtniß ist, wage ich nur einen Vorschlag zu bringen. Höre!:

    „Ein Rundschreiben des Herrn u s w Grafen von Belrup[t] nennt es eine heilige Pflicht jedes freien Staatsbürgers u s w Ich hoffe daß jeder Bregenzerwälder die Wichtigkeit der Sache einsehe und in seinen Kreisen für eine so zahlreiche Betheiligung wirke, wie sie unseres Landes würdig und seinen Interessen gemäß ist.

    Bizau den N N."

    Heim gekommen bin ich glücklich und mein Befinden hat sich wenigstens nicht verschlimmert. In Au traf ich geistliche Gesell­schaft und erlebte interessantes. Hier soll es vielen öd gewesen sein ohne mich. Gestern hab ich wieder gefederfuxet. Meine Tage spinnen sich nun wieder ruhig und gleichmäßig ab. Mit herzlichem Gruß an Margreth und euch alle dein Freund

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 14. März 1869

    Lieber Freund!

    Seit dem Abgange meines letzten Briefes an Dich bin ich fast immer hier, wo ich mich mehr und mehr daheim fühle. Ich bin nicht müßig, doch werde ich ein anderes Mal mehr von meinen Taten erzählen. Heute will ich nicht von Wollen und Handeln, sondern von Schreiben und Sandeln reden. Der erste Band meiner Selbstbiographie ist fertig. Du erhältst ihn mit der Bitte, ihn aufmerksam durchzulesen, gefundene Schreibfehler zu verbessern und mir sobald als möglich Dein Urteil über das Ganze zukommen zu lassen. Du wirst das Ganze mit viel - ja vielleicht nur mit zu vieler Liebe und Hingebung ausgearbeitet finden. Vergiß nicht, in welcher schweren Zeit es entstand und [wie es] mir zum festen Punkte war, an dem ich mich zu halten suchte. Wenn Du das Werk gelesen und mir darüber geschrieben hast, komme ich hinauf, und dann können wir über die Ver­öffentlichung und sonst noch über vieles sprechen. Im hiesigen Leseverein hab ich vorletzten Sonntag eine größere Rede gehalten. Ich sprach über die Art, wie jedes Buch, besonders schöne Werke mit bleibendem Nutzen zu lesen seien, und erntete genug Beifall. Hier ist nun ein Punkt geschaffen, von dem aus man aufs Ganze wirken kann. Möch­test nicht auch Du einer der Unsern sein und einmal eine Rede halten?

    Wir müssen noch von der Sache sprechen. Jetzt sind wir für [die] Errichtung eines landwirtschaftlichen Zweigvereins tätig und tragen schon den Gedanken an eine kleine Versuchsstation in uns herum. Ich habe soeben einen Aufruf ausgearbeitet, den Du in Briefform erhalten sollst. Ich muß schließen, denn ich will heute noch heim.

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund                                                          F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Kaspar Moosbrugger
  • 14. März 1869

    Lieber Freund,

    Mein Schreiben an Dich hat sich immer von Sonntag zu Sonn­tag verschoben, aber nun sind mir denn doch zu viele Wo­chen daraus geworden, daß ich nichts von Dir gehört habe. Von Zeit zu Zeit findet man in der Neuen Freien Presse einen Brief aus Vorarlberg, aber da ist immer nur von dem vorde­ren Lande die Rede, nicht von Schoppernau, Au u. dgl. Also wie geht es Dir? Ist denn in Wien die Entscheidung ge­schehen wegen Deiner Eingabe an den Schillerverein? Es sollte ja wol schon im Januar sein, und nun schreiben wir März. Sollte man Dich abfällig beschieden haben? Was macht Euer öffentliches Leben? Es muß Dir doch eigen sein, wenn Du an die gährenden Zustände und an die Gefahren des vorigen Winters denkst. Was Du von den Erfolgen Deiner Vereinsbestrebungen schreibst, freut mich außerordentlich, auch daß Ihr an Gründung einer Landesbibliothek denkt. Wie stehts mit der Biographie? Neulich hab ich schon davon gedruckt gelesen, in Diak. Hirzels Besprechung von Reich und Arm, die mir Dr. S. Hirzel zu lesen gab und die mich lebhaft gefreut hat; beherzige doch ja auch den Wink wegen Deines Stils, den er so wahrhaft geistreich zu begründen wußte. Könnte man nicht eine Probe Deines Lebens einmal nach Sachsen geschickt bekommen? Die Geschichte vom Sieg­fried und auch die vom alten Hildebrand bist Du mir eigent­lich förmlich schuldig in Folge gethaner Versprechen, und ich möchte sie gern, natürlich unter Deinem Namen, zum Abdruck bringen. „Versprechen und halten Steht fein Jungen und Alten" sagte meine Mutter.

    Uns hier geht es im Ganzen gut. Meine Emmy wird nun con­firmirt und verläßt die Schule, nächsten Sonntag ist der Tag. Dafür kommt Hedwig nun in die Schule, ich aber komme jetzt endlich aus der Schule, um nach Ostern meine Vor­lesungen zu beginnen. Ich hab übrigens schon mehrmals den Professor zu schmecken Gelegenheit gehabt, z. B. als vor einigen Wochen unser König zum Besuch in Leipzig war. Da fand unter anderm eine Assemblee im königl. Palais statt, zu der auch die Universitätsprofessoren geladen waren. Da war ich denn auch dabei - den Glanz hättest Du sehen sol­len - und hatte denn auch die Ehre, Sr. Maj. vorgestellt zu werden. Ich schätze unsern König sehr hoch und freute mich denn auch über diese Gelegenheit, ihn persönlich kennen zu lernen.

    In unserm Club gehts lebendig und lustig fort, wir schlie­ßen uns wirklich immer enger aneinander. Lippold und Hü­gel und Döring sind nun Dr. phil. geworden, Lippold denkt an eine wissenschaftliche Reise nach Paris, wenn auch erst für nächsten Winter. Vorgestern haben wir im Schützenhause unser zweites Stiftungsfest begangen, wozu wieder die Jugend alle Anstrengungen gemacht hatte. Auch dießmal Thea­ter zur Eröffnung, man spielte Doctor Faust als Puppenspiel, ich wollte Du wärst dabei gewesen, um die Wirkung dieses auch in dieser volksmäßigen Gestalt überaus großartigen Stoffes mit zu haben. Reuter als Faust, Lippold als Mephi­stopheles, Hügel als Kasperle, fünf Andere als Teufel; Lippold und Hügel waren vortrefflich, theilweis geradezu bedeutend. Nachher folgte eine Tafel mit zwanzig Gedecken, mit Sprü­chen und Gesang und Ernst und Lust. Auch Deiner als aus­wärtigen Mitglieds ward nicht vergessen, Jungmann brachte ein Hoch auf Dich aus. Übrigens waren, wie voriges Mal, Damen dabei, ein sonst im Club unerhörter Anblick, wenn man so sagen kann. Erst früh um drei schloß ich unsern Thor­weg auf.

    Hast Du denn nun Deine vier Exemplare der holländ. Sonder­linge erhalten? Ich wollte eigentlich an Grottendiek schreiben, um ihm für die Liebe und Sorgfalt, mit der er es gemacht hat, Dank und Anerkennung auszusprechen; ich thu es wol auch noch. Wie mir Hirzel sagt, hat er auch Reich und Arm in Aushängebogen zugeschickt erhalten, um es frisch zu über­setzen.

    Mit dem milden, schneelosen Winter habt Ihr wol eure Noth gehabt? Da könnt Ihr doch kein Heu und Holz von den Ber­gen holen. Aber Du holst doch wol überhaupt selbst keins mehr herunter, nichtwahr? Bei uns ist übrigens im März plötz­lich noch Kälte und Schnee eingebrochen, nachdem wir im Februar schon den beginnenden Frühling hatten. Des Herrn Curats Wunsch wegen der Phisharmonika kann ich leider immer noch nicht erfüllen, der Lippold ist ein saumseliger Mensch und etwas unstät in seinen Gedanken. Grüß mir die Deinigen aufs herzlichste, auch Deine gute Mutter, an die ich eignerweise beim Schreiben nicht mehr dachte seit ich selbst keine Mutter mehr habe. Dich aber grüßen die Meinigen bestens, auch der Club, wie ich, der Dir das Beste wünscht,

    Dein Rud. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 13. März 1869

    Verehrtester Herr Bergmann!

    Ich danke Ihnen herzlich für Ihre 2 Briefe, die mir schon als Beweis Ihrer herzlichen Theilnahme wichtig und werth wären. Dieselben eröffnen mir aber auch die Aussicht, daß mir doch einmal etwas herausgeholfen werde aus der Tiefe, in die ich mich augenblicklich gedrückt fühle. Schon diese Hoffnung ist mir Wohlthat, ohne sie sähe ich mich im Dunkeln und müßten bald auch meine Arbeiten von dem angekränkelt werden, was jetzt an meinem Herzen nagt. Es ist gut, wenn mir hülfreiche Hände sich entgegenstrecken. Aber nach dem Inhalt Ihrer werthen Briefe darf ich ganz bestimmt hoffen, daß mir denn doch endlich einige Erleichterung werde, die ich so dringend bedarf. Ich weiß nämlich ziemlich bestimmt, daß auch erzählende Schriftsteller sich der Unterstützung des Vereins zu erfreuen haben.

    Im verflossenen Halbjahr seit dem Tode meiner lieben Frau wars mir bange, vorwärts zu blicken in die Zukunft. Lieber wollte ich in der Beschäftigung mit der Vergangenheit meine Kräfte wieder zu gewinnen suchen. Ich machte mich daher an die Ausarbeitung meiner Selbstbiografie die mir ein wahrer Trost ward, indem ich da recht deutlich sah, wie mir oft auch die ausgesuchtesten Hinder­nisse wieder Wohlthat geworden sind. Sie dürfen aber nicht glauben daß etwa diese Arbeit nur meiner Selbstbespiegelungs­sucht diene; vielmehr war ich bemüht in meiner „Geschichte" ein treues Bild der Heimat zu geben, deren Zustände sich in meinem Leben spiegeln. Der erste Band wird dieser Tage fertig. Er schließt mit meiner Verehlichung ab.

    Vorläufig denke ich diese Arbeit nicht weiter zu führen. Ich möchte lieber eine kleine Abhandlung „Über Spruch und Brauch" schrei­ben. Ich glaube, beide zusammen müßten ein treues Bild des geschilderten Stammes geben. Aus den Sitten und Redensarten meiner Heimat müßte sich das Gesellschaftsideal herausschälen lassen, den Bregenzerwälder wie man ihn als Sohn, Liebhaber und Gatten will. Ich möchte Ihre Meinung über diesen Plan mir gern erbitten.

    Auch trage ich den Plan zu einer größeren Erzählung in mir herum. Wenn ich nur frei von den allerquälendsten Sorgen daran arbeiten könnte! Sie geben mir die Zuversicht, daß das doch noch einmal wird. Ich danke Ihnen herzlich für alles was Sie meinetwegen thun und verbleibe herzlich grüßend

    Hochachtungsvoll

    Ihr

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef von Bergmann
  • 8. März 1869

    Geehrter Herr

    Sie haben es gewiß mit Freuden begrüßt daß unsere hohe Regierung sich mit so vieler Theilnahme landwirtschaftlichen Fragen zuwen­det und in der Hebung des Ackerbaues und der Alpen Wirtschaft eine ihrer wichtigsten Aufgaben sieht. Noch werden die Natur­kräfte, die auch dem Landwirthe dienstbar sind, von den wenigsten so ausgenützt und beherrscht wie es zum Wohle der Gesellschaft und des Einzelnen zu wünschen wäre. Es dürfte auch noch lange beim Alten bleiben wenn nicht die besten Kräfte sich zusammen­thun, um durch Wort und That jedem die Vortheile zu zeigen, welche ein landwirthschaftlicher Betrieb gewährt, welcher mit ausdauerndem Fleiß auch richtige Erkenntniß der hier waltenden Naturgesetze verbindet.

    Die hohe Regierung hat, dieses erkennend, landwirtschaftliche Vereine nach Kräften zu unterstützen, ihre gemeinnützigen Zwecke zu fördern gesucht. Sie sieht in diesen Körperschaften die Vermittler zwischen Theorie und Praxis welche die Arbeit der Wissenschaft, wo diese vortheilhaftes an den Tag fördert, zum Gemeingut machen können und will ihrer Thätigkeit mit zu Gebothe stehenden Mitteln förderlich sein.

    Auch in Vorarlberg ist durch das Zusammenwirken einsichtiger auf das allgemeine Wohl bedachter Männer schon vor Jahren ein landwirtschaftlicher Verein entstanden. Im Bregenzerwalde war leider bisher die Theilnahme noch keine so große, wie sie die Wichtigkeit des Vereins für das rein auf Landwirthschaft angewie­sene Aachthal erwarten und wünschen ließ. Der Grund hiefür ist doch wohl weniger ein Verkennen der Nützlichkeit des Vereins, oder die Neigung, ruhig beim alten zu bleiben während andere rüstig auf neueröffneten Bahnen vorwärts schreiten, sondern die Erwägung, daß die von uns betriebene Milchwirtschaft neben ändern Zweigen des Vereins nicht jene Beachtung und Pflege findet, welche sie uns zu verdienen scheint.

    Kann aber das anders werden, wenn wir uns zurückziehen? Gewiß nicht und was an obigem Einwürfe gegründet sein mag, haben wir einzig unserer Haltung dem Vereine gegenüber zuzuschreiben. Einem Schweigenden ist nicht zu helfen und in unserer Stellung verharrend würden wir, würde die Alpenwirthschaft bald beinahe leer ausgehen bei allem, was vom Vereine zur Förderung der Landwirthschaft gewonnen wird.

    Freilich kann in einem Lande, wo so viele Zweige der Landwirth­schaft blühen, wie in Vorarlberg, sich die Aufmerksamkeit des Vereins nicht etwa nur Einem derselben zuwenden. Daher sollten in einzelnen Landestheilen Zweigvereine errichtet werden, in denen die eigenen Angelegenheiten besprochen, Anträge und Forderungen gestellt werden können.

    Ein Erlaß unseres hohen Ackerbauministeriums an den vorarlberger Landwirthschaftsverein fordert uns unter Zusicherung hoher Unter­stützung hiezu auf indem es dort u. A. heißt: Bezirks- Zweig und Filialvereine oder überhaupt lokale Gesell­schaften für Landwirthschaft werden daher nur in so ferne an den von dem Ministerium zu gewährenden Subventionen Antheil neh­men können, als sie mit der Hauptgesellschaft des Landes in einer solchen Verbindung stehen, daß diese Letztern an den Erstem wirksame Glieder oder Abzweigungen oder Organe besitzt und im Nahmen aller mit dem Ministerium verhandelt.

    Franz Michael Felder
    Bezau
  • 3. März 1869

    Lieber Herr Landsmann!

    Meinen neulichen, vor etwa 4 Wochen geschriebenen Brief, der Ihre Angelegenheit betraf, haben Sie wohl sicherlich erhalten. Ich hoffte täglich die günstige Erledigung zu hören, leider aber diese auf ein paar Wochen hinausgeschoben. Es hat nämlich in einem Zweigvereine der Schillerstiftung nur eine Stimme, wie ich gestern erfahren mußte, gegen diese Betheilung Einsprache gemacht, weil diese Betheilung nur für dramatische Dichter bestimmt sei u. Sie nicht diesen beigezählt werden können. Nun sind aber gerade im außerösterreich. Deutschland schon mehrere nichtdramatische Dichter aus der Schillerstiftung bedacht worden, somit fällt die Ursache Ihrer Ausschließung weg. Es geht deshalb diese Angele­genheit nochmals an die auswärtigen Zweigvereine, was aber zu Ihrem Frommen nur eine Verzögerung u. durchaus keinen Aus­schluß zur Folge hat. So wird mir von einem ganz verläßlichen Manne versichert.

    Da nun die Tage länger werden, wird es mir altem Manne, der beim Lampen- oder Kerzenlicht weder lesen noch schreiben kann, wieder gegönnt, die eine oder andere Parthie vorarlb. Geschichte die noch im Dunkeln liegt, auszuarbeiten, besond. wichtig ist mir alles Mundartliche. Die Tagesstunden von 9-2 Uhr gehören dem Amte bis ich in Pension trete-u. dann dürften die vielgebrauchten mir ihren Dienst versagen.

    In der Hoffnung Ihnen die günstigste Nachricht bald ertheilen zu können, verbleibe ich in vollster Hochachtung

    Ihr aufrichtiger

    Jos. v. Bergmann

    kk. Director

    III. Rennweg N. 6.

    Ihr „Reich u. Arm" werde ich morgen der Tochter des vormaligen Ministers v. Schmerling, nunmehrigen Präsidentendesobersten kk. Gerichtshofes zur Lecture zusenden. Womit sind Sie dermals beschäftigt?

    Josef von Bergmann
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 3. März 1869

    Lieber Freund!

    Es ist ein altes Sprichwort: der Fleißige findet zu allem Zeit der Faule kommt immer zu spät. Diesem Sprichwort habe ich schon öfter nachgedacht und darin immer meine Verurtheilung gefunden. Auf der ändern Seite heißt es Selbsterkenntniß ist der erste Schritt zur Beßerung; nun diesen ersten Schritt hätte ich gemacht, aber mit dem zweiten komme ich nicht recht zu Stande. Es geht mir wie einem Träumenden der sich von Räubern verfolgt glaubt, u. ungeachtet aller Bemühungen seine Füße nicht vorwärts bringt. Von Albinger habe ich erfahren das du am nächsten Sonntag den 7. März herauskommen wirst. Es istdieß auch dringend nothwen­dig, wenn wir bei der Versammlung nicht in die Enge kommen wollen. Denn wie du weißt ist Hr. Bezirksförster aus dem Vereine ausgetreten u. Dr. Greber hat mir gestern gesagt er wisse nicht ob er mit seiner Rede zu Stande komme, da er einige Druckschriften die er in derselben als Belege etc. benützen will von der Buchhandlung noch nicht erhalten habe.

    Wir erwarten die Schoppernauerbibliothek recht bald, da man nun lesen wollte u. die Unterhaltungsschriften noch nicht da sind, u. wir wegen Mangel an Büchern in Verlegenheit sind. Schick uns auch außerdem 1 Exemplar Sonderlinge, Schwarzo­kaspale u. Reich u. Arm, wenn du herauskommst werde ich dich bezahlen.

    Felder konnte ich nicht anders dienen als dadurch, daß ich ihm ein Schreiben an Brettauers Erben in Hohenems gab, worin ich densel­ben seine Vermögensverhältnisse mittheilte, was für Erfolg er gehabt ist mir unbekannt. Wie mir Albinger gesagt, wirst du dießmal ein par Tage in Bezau bleiben, was mich sehr freut, da wir dann wieder mit einander „bludora" können. Mit vielen Grüßen von der Margareth u. mir

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 3. März 1869

    Lieber Freund!

    Ich danke Dir herzlich für Dein wertes Schreiben. Du hast Deine Worte gesprochen, die in meiner Seele nachklangen.

    Meine Selbstbiographie wird in wenigen Tagen fertig. Auch die Abschrift ist von Albinger in Bezau bis auf wenige Bogen besorgt. Ich schließe mit meiner Verehelichung ab. Der Tod meiner Nanni wird gar nicht erwähnt. Du siehst Nanni lebend, schaffend, singend, Du hörst ihre Ansichten über Menschen und Zustände und ihre Gedichte. Die Kapitel, die von ihr erzählen, sind die heitersten. Sonst hat das Buch manches Trübe, weil sich alle heimatlichen Zustände in meinem Leben widerspiegeln und dort mit ihren Wirkungen umso schärfer hervortreten, wo ich selber noch nicht recht fest war. Ich habe mich durch diese Selbst- und Umschau von vielem befreit. Auch ungemein anregend war sie. Manche neue Seite unseres Gesellschaftslebens hat sich mir gezeigt, manches war mir klar, und ich legte es zurück, da ich es dort nicht gehörig ausführen konnte. Ich habe mich strenger Wahrheit beflissen. Ich schone niemand, aber ich übe die Gerechtigkeit in liebe­voller Weise, das heißt mit dem Hinweis aufs Allgemeine und auf das Überlieferte. Noch bin ich nicht eins mit mir, ob ich die Arbeit veröffentlichen soll. Feurstein nennt sie rücksichts­los mein bestes Werk. Das finde ich nun gerade nicht, aber ich glaube doch, daß es trotz seiner Einfachheit manches Schöne und Gute in den 25 Kapiteln bringe. Die Schilderung meiner Knabenzeit, meiner Spiele, der ersten Schuljahre ist sehr breit. Ich kam dabei auf einen ganz eigenen Gedanken, der mir immer lieber wurde und mich nicht mehr ruhen läßt. Ich muß ihn Dir schon mitteilen, obwohl ich's eigentlich nur durch sofortige Ausführung ganz könnte. Daß der Bregenzerwälder durch die Sitte, den Brauch erzogen wird, ist klar, und er hat da nichts vor ändern Bauern voraus als - gerade die Eigentümlichkeit unserer Sitten oder doch vieler derselben. Nun frage ich mich: Wozu wollen diese ihn machen? Mein Senn in den Sonderlingen tritt als ein Ideal auf; aber wie ist er geworden. Ich möchte das Ideal unserer Sitten schaffen: Möchte zeigen den Liebhaber, den Gatten, den Vater, die Geliebte, das Weib. Alle unsere Bräuche greifen in die Entwicklung des Einzelnen ein, sogar das Fen­sterlen und Hineinreden, der Visis [?] (Bettler), das Ge­störtwerden auf dem Strich. Man hat mich ersucht, im Lese­verein in Bezau eine Rede zu halten, ich möchte versuchs­weise über dieses Thema sprechen. Ich habe auch Lust, es gründlich zu bearbeiten. Sowohl die erzählende als die wissenschaftliche Form - letztere natürlich nicht zu streng gehalten, müßte sich dazu eignen und ich glaube, daß mir das Volk und die Gelehrten dafür dankbar wären, besonders da diese Arbeit immer schwerer und für einen Spätem ganz unmöglich wird. Ich möchte hören, ob Du mich verstehst und was Du dazu sagst. Die Selbstbiographie solltest Du doch lesen, da ich mit Dir sowohl über Einzelnes als über die Veröffentlichung des Ganzen sprechen möchte. Mir ist nun die Aufgabe geworden, J. Feldkirchers Gedichte herauszugeben. Wie ich eben erfahre, will mir die Familie die Handschriften gern unentgeltlich benützen lassen, wenn die­selben ins Volk kommen sollen.

    Buchhändler O. Janke [?] in Berlin hat mich um Übersen­dung der Liebeszeichen gebeten, weil er sie in der bei ihm erscheinenden „Roman-Zeitung" abdrucken will. Mir fiele da ein hübsches Honorar ab.

    Entschuldige, daß ich so viel von mir selbst melde. Jeder redet gern von seinem Tun, ich kann es hier nicht und habe alles allein. Es war so schön, als ich alles mit dem Wible gemein hatte. Es war wirklich meine Ehhälfte und fühlte sich sogar mit mir leidend glücklich. Sie hatte teil an allem meinem Schaffen und war doch weniger blaustrumpfig als manche, die nie aus dem Kaffeesatz herausgezogen wird. Feurstein will meine Gedichte in der Mundart sammeln und herausgeben, um im kleinen zu versuchen, ob mir nicht der Selbstverlag vorteilhaft wäre, zu dem er mir die nötige Unter­stützung anbietet. Ich habe schon mehrmals zu diesem Zweck gearbeitet, und es liegen einige gemütliche Gedichte vor, die ich Dir einmal sende.

    Ich arbeite überhaupt sehr fleißig und suche mich in jeder Form auszudrücken. Bereits denke ich wieder an ein größeres Werk, in dem Du sehen dürftest, daß ich mich auch den Zeitfragen nicht verschloß, doch das steht noch im Weiten. Im Fasching war Elsensohn in Bezau, machte den Großen und zog mit seiner Braut herum. Die Titel fangen auch bei uns zu gelten an. Die Kasinos scheinen schlechte Geschäfte zu machen.

    Nächstens werde ich Dir die Statuten unseres Lesevereins in Bezau und die Leseordnung schicken. Die Geistlichen sind bereits dagegen. Der Pfarrer von Bizau, Vonbank, war der erste. Im Fasching ging's absonderlich lustig zu, ich habe viel gesehen und wenig genossen.

    Das Mötele jammert, meine Magd müsse heim. Ich könne ja Deine Isabell anstellen, da sie im März doch gehe. Ich glaube das nicht und wünsche es nicht. Übrigens macht mich das Gerücht bereits zu einem Hochzeiter mit dem Mädchen, daneben tauchen aber auch drei andere Mädchengestalten auf, größer und voller [?], aber unter ihnen gefiele mir Mariann doch am besten. Will gern sehen, ob sie mir den Sommer bleiben darf oder heim zur Mutter muß, um dort ­Magd zu sein.

    Das Mädchen ist mir - offen gesagt - recht lieb. Es tut den Kindern Gutes, kommt mit der Mutter ordentlich aus und hat auch Verständnis für das, was es mir vorliest. Wir beide sind wie Bruder und Schwester, aber oft drückt mich sein un- sicheres Wesen, dann sag ich mir schaudernd: So wird ein

    Stiefkind!

    Lebe wohl und schreibe bald.

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein einsamer Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 28. Februar 1869

    Vielgeehrter Freund!

    Ihr werthes Schreiben vom 1 Februar ds. Monats habe ich sammt dem halben Lehrlohn 30 fl sage dreißig Gulden richtig an dem­selben Tage noch erhalten.

    Ihre Frage wie es wäre, wenn Ihr Mündung Soldat werden müßte, während der Lehrzeit, bin ich wircklich nicht im Stande dieselbe ausführlich zu beantworten. Was mich anbetrift, so gebe ich mich der Hoffnung hin, wenn er das Unglück haben sollte, Ihren Wünschen u. Anforderungen dann gewiß entsprechen zu können. Ich glaube es ist jetzt schwer darüber zu bestimmen, weil wir nicht wissen, in welchem Jahre er das ungünstige Los ziehen könnte; denn auf diese Umstände würden wir Rücksicht nehmen müs­sen.

    Mit Zufriedenheit kann ich Ihnen melden, daß er die ersten Handgriffe ziemlich leicht auffaßt.

    Die Genossenschaffts-Blätter, Schriften über Vorschuß u. Kredit­vereine u. die sämmtlichen Jahresberichte von 1859-1865 über Genossenschaftswesen von Schulze-Delitsch habe ich bereits erhalten; die Innung der Zukunft sind aber die Genossenschaffts­Blätter.

    Sie sagten in Ihrem Briefe bezüglich Lasalle: „Sie würden ein anderes Urtheil über ihn gewinnen, als in den von der Kapitalmacht getragenen Zeitungen". Ich habe über denselben gar kein Urtheil, denn ich kenne ihn nur dem Namen nach; es wäre mit sehr erwünscht, denselben neben Schulze-Delitsch lesen zu können; u. bitte Sie daher freundlichst mir einiges zu bezeichnen u. wie ich dahin gelangen könnte.

    Ferner hab ich noch die freudige Mittheilung zu machen, daß die Bürgermeisterwahl unter Seufzen u. Wehklagen einer gewissen Partei vor sich gegangen u. unser braver thatkräftiger Dr. Waibel als Bürgermeister gewählt worden.

    Leider habe ich zu wenig Zeit, um Ihnen über die interessante Wahl mehr mitzutheilen, da ich zu starck vom Turnverein in Anspruch genommen bin mit der Leitung u. Organisirung eines Schau­turnens. Es wird wahrscheinlich Mitte Aprill abgehalten werden, u. es würde uns sehr freuen, wenn Sie Sich an dem gewiß „schönen" Feste einfinden würden.

    In der Hoffnung einer baldigen Antwort grüßt Sie vielmal herzlich

    Ihr

    ergebenster Freund Joh. G. Luger

    Johann Georg Luger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 27. Februar 1869

    Lieber Freund!

    Ich möchte Dir dießmal einen ziemlich langen Brief zukommen lassen, aber ein Unwohlsein, wie es fast jedes Jahr um diese Zeit sich einstellt, dürfte mich früher ermüden lassen. Anfangen aber will ich doch und sehen wie es geht. Dein Urtheil über meine letzte Arbeit, die Dir besser gefällt als ihr Held, habe ich mit Interesse gelesen. Ich habe schon in meiner Arbeit bedauert und bedaure mit Dir nochmahls, daß ich eigentlich nach dem Tode des Vaters und bis zum Schluß des ersten Theiles allein stand mit meinen Gedan­ken und nur durch kleine Erlebnisse geistig bereichert wurde. Der Segen eines warmen Famillienlebens ist auch schmerzlich genug gelebt, besonders in den letzten Kapiteln wo ich mehr mit den Deinen verkehrte. Ich könnte manche Stelle dafür anführen, kürzere und längere. So glaube ich euch gerecht geworden zu sein, mir aber war ich gerecht, indem ich mich auch gab wie ich war, als Gesichts und Gedankenmenschen. Ich halte so eine Schilderung dieser Richtung, wie die Richtung selbst, wenigstens für berechti­get, hielte ich sie aber für unberechtigt so würde ich darum doch meine Vergangenheit meine Vergangenheit nennen müssen. Daß ich mich besonders hoch stellte, kann man wohl nicht sagen, ich zeigte vielmehr zuweilen recht anschaulich, wie der Gedanke bettelarm wurde, und ich mich an Greifbares halten mußte, z. B. wo ich als Bischer nach Lindau reiste.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. Februar 1869

    Lieber Freund!

    Ich danke Dir für Deine Glückwünsche. - Ich bin voll Teil­nahme bei den Leiden, die Deiner Seele aus dem Gefühl der Vereinsamung noch immer erwachsen. Offener Blick auf das harmonische Weltganze, unbedingte Unterwerfung unter den Willen jenes Herrn, dem Welt und Völker sich fügen, freier Verzicht auf Aktivität der Seele, der das Einströmen göttlicher Kräfte ermöglicht /: Bereitlegung der Seele für Gnaden Gottes :/ dürften wohl Mittel sein, Dir das Gefühl des Verwachsenseins mit Gott und seinen Getreuen zu geben, neben welchem jenes Leidensgefühl nicht mehr Platz hat. Menschliche Teilnahme, die Du bei allen Gebildeten unsers Volkes finden wirst und findest, ist etwas, ist viel und kann Dir zeitweilig gute Dienste tun, entscheidend und glück­bringend ist aber nur die Teilnahme des Einen, durch den wir sind und ohne den wir nicht bestehen können. Als man dem Sokrates sagte, er solle für Vermögen seiner Kinder sorgen, erwiderte er, der die Xanthippe zum Weib hatte, ent­weder wandeln sie die Wege des Vaters, dann brauchen sie kein Vermögen, oder sie wandeln andere Wege, dann sollen sie sich auf ihren Wegen forthelfen. - /: Dem Sinn nach zitiert :/ Diese Predigt, die wohl, wie ich wünsche, über­flüssig und nicht am Platz ist, soll meinen Standpunkt dartun gegenüber einigen Stellen Deines werten letzten Briefes, worin ein freundschaftlicher Tadel meiner Haltung enthalten ist. Mögest Du hieraus auch entnehmen, daß das, was ich über den Hamm'schen Brief sagte, nicht als „Verübelung Deiner Freude am Erfolg" zu deuten ist. ­Was Du von dem Denkmal für Dein Wible in Deiner Bio­graphie sagst, erzeugt in mir eine Scheu, diese Biographie im Manuskript zu lesen, die Blutsverwandtschaft und das Familiengefühl werden Ursache sein. Es ist mir daher lieber, wenn Du das Werk nicht schickst. Ob Du es veröffentlichst oder nicht, ist lediglich Deine Sache. In jedem Fall soll es als Erzeugnis des deutschen Volks- und Kunstlebens objektiv gegeben und erfaßt werden. Objektiv gegeben wird es sein, objektive Erfassung ist eher möglich, wenn das Werk vom öffentlichen Markt kommt. -

    Zu der Sendung von Holland und den Nachrichten von Wien wünsche ich Glück. -

    Die Augusta ist nun wieder fort von uns, nachdem sie mir bereits Sorgen gemacht, sie stiftete mit ihrem emanzipierten Wesen noch viel Unheil in meiner Familie. Die Theres hatte wegen ihres Antagonismus in der Kindbett viel zu leiden, ist nun aber wieder ganz gut. Jetzt hätte ich für Dich wieder Bett und Platz, und können die Kinder bald ins Freie, weshalb ich in der angenehmen Lage bin, Dich zum baldigen und beliebig langen Besuch einzuladen, ohne daß mir die Furcht kommt, ich könne nicht entsprechenden Aufenthalt gewähren. Wenn Du etwa das interessante Montafon näher kennen lernen wolltest, kann ich auch gute Wohnung und Pflege bei meinem Schwager oder der Schwägerin verbürgen. ­Daß die Isabell von uns fort will, davon weiß ich nichts. Wenn Dir das Mötele die Mariann nicht lassen will, so appelliere einfach an letztere, die wohl über sich selbst, ohne das Mötele oder ihren Vater verletzen zu müssen, verfügen kann. Wenn das Mötele meint, es komme zu kurz, sage ihm, es soll sich an mich wenden, ich wolle es entschädigen. ­Ich habe vor längerer Zeit an meinen Bruder Jakob und den Schröcker Wirt in wichtigeren Tannberger Gemeindesachen geschrieben und weiß nicht, ob die Briefe bei den schlechten Postverhältnissen abgegeben worden, frage gelegentlich nach und schreibe dann, ob ja oder nein. -

    Im 4. Heft d. Js. der Historisch-politischen Blätter ist ein Dr. Delff anläßlich einer Besprechung des Philosophenkon­gresses in Prag mit originellen, kräftigen Gedanken aufge­treten, die es verdienen, beherzigt zu werden, und nament­lich uns Österreichern und Katholiken von großem Wert sein können.

    Hier nichts Neues und alles gesund.

    Schreibe bald wieder oder komme bald.

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund                                                   K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 26. Februar 1869

    Geehrter Herr Felder,

    Sie haben mir durch Ihren freundlichen Brief am 29 Januar, Ihr Bild und das Sonnett, das Sie im ersten Schmerz über den schweren Verlust, der Sie betroffen, niederschrieben, eine große, unerwar­tete Freude gemacht. Ich würde Ihnen meinen Dank dafür schon früher ausgesprochen haben, wenn Ihr Brief nicht erst nach Frei­burg im Breisgau zu meiner lieben Schwester, Frau von Woringen, gewandert wäre, deren freundlichste Grüße ich Ihnen, wie ich das jetzt kann, mit zu übersenden wünschte. Auch sie hat, wie ich, mit aufrichtiger herzlicher Theilnahme gehört, daß Sie bei der Aus­arbeitung Ihrer Selbstbiographie in der Sie uns auch ein Bild der Vorzüge und Schattenseiten Ihrer schönen Heimath vorführen wollen, Ihre beste Kraft wiedergefunden haben. Das hatte ich erwartet, als ich Ihnen gerade zu dieser Arbeit rieth, auf die ich mich doppelt freue, seit ich Sie persönlich kennen lernte, den Wald u. seine Bewohner aus eigener Anschauung lieb gewann. Lassen Sie uns nicht zu lange drauf warten.

    In meiner Jugend habe ich einmal mit Vergnügen Klingers „Welt­mann u. Dichter" gelesen. So verschieden die dort geschilderten Charactere u. Verhältnisse auch von den unserigen sein mögen, bin ich durch die erfreuliche Begegnung mit Ihnen doch unwillkürlich wieder an den Gegensatz erinnert. Wie dort, ist auch hier der Weltmann, wenn ich mich so nennen darf, derjenige, der am meisten bei der Begegnung gewinnt. So groß u. schön auch manche Aufgaben sein mögen, welche das practische Leben in Staat und Gemeinde auch mir oftmals gestellt haben, u. so vielen Grund ich auch haben mag, dankbar auf manchen guten Erfolg meiner Thätigkeit zurückzublicken, habe ich doch oft u. schmerz­lich dabei empfunden, wie leer meistens das Gemüth bei solcher Thätigkeit ausgeht, denn in unserer realistischen Zeit wird der Gefühlspolitiker sein Ziel entweder nicht erreichen oder darüber hinausschießen. Selbst der eigentliche Staatsmann, dessen Be­deutung wesentlich davon abhängt, daß seine Natur eine glück­liche Mischung von Verstand u. Herz in sich vereinige, daß er bei scharfsinniger Durchdringung des einzelnen Gegenstandes des Glaubens an das Ideale nicht entbehre u. gewissermaßen mit Seherblick über die nächstliegenden Verhältnisse u. die Gegenwart hinauszuschauen verstehe, wird diesen Mangel oft empfinden, wenn er nicht das Glück hat, sich von Zeit zu Zeit ganz aus dem gewohnten Wirkungskreise herausreißen, sich im Genuß der ewig jugendlichen Natur u. im Umgang mit Männern erfrischen zu können, denen es vergönnt war, sich unberührt von dem zu halten, was wir die große Welt nennen. Die schönen Herbsttage im Bregenzer Wald u. die Begegnung mit dem Dichter des Waldes, den gerade damals ein tiefer Schmerz niederdrückte, so wie das längere Zusammensein mit meiner lieben Schwester, die auch zu diesen begünstigten Naturen gehört, waren für mich eine solche Zeit geistiger Erfrischung, u. ich denke deshalb auch heute noch gerne daran zurück. Seitdem habe ich wieder manchen Tag in ernsten Verhandlungen, manche halbe Nacht an meinem Schreib­tisch u. hinter meinen Acten zugebracht, stehe jetzt im Begriff, von Neuem meinen Sitz im Reichstage des Norddeutschen Bundes u. demnächst im Zollparlament einzunehmen, wo selbst für solche Erinnerungen wenig Muße übrig bleibt. Aber ich halte an der Hoffnung fest, daß der Herbst mir neue Tage solcher Erfrischung bringen wird, daß auch wir uns noch wieder begegnen werden. Bleiben Sie, bitte, Ihres freundlichen Versprechens eingedenk, wenn Sie wieder einmal nach Leipzig gehen, auch hierher zu kommen und mich zu besuchen. Es würde mir das eine große, aufrichtige Freude sein. Seien Sie herzlich gegrüßt von

    Ihrem ergebensten R. Schieiden.

    Rudolf Schleiden
    Altona
    Franz Michael Felder
  • 25. Februar 1869

    Lieber Freund!

    Also Seppel will gehen - für immer von hier weg und ich soll ihm noch fort helfen. Er möchte von dir die Unterschrift zu einem Wechsel und glaubt, daß er sie durch einige Zeilen von mir eher gewinne. Du würdest jedenfalls durch seinen Grundbesitz gedeckt, und es scheint auch noch die Schwester einstehen zu wollen. Du kennst Seppels Verhältnisse schon aus meinen Mittheilungen und wirst nichts zu wagen fürchten. Ich wollte dich freilich lieber um etwas anderes bitten, als was mir ihn für immer nimmt! aber seine Lage wäre schon eine schlimme, wenn ihm nicht geholfen würde, weil schon alles von der Sache weiß. Du kannst ihm vielleicht helfen und in diesem Fall bitte ich dich es zuthun. Er glaubt nun einmal daß dieser Handel zu seinem Vortheil sei.

    Ich bitte dich mir gelegenheitlich zu schreiben, wie du dich mit Seppel abgefunden. Ich hoffe daß geschieht was für ihn das Beste, und ihm einen häuslichen Herd giebt.-------

    Es grüßt dich

    dein Freund

    F M Felder

    im Rößle Abends 10 Uhr

     

    Franz Michael Felder
    Au
    Josef Feuerstein
  • 24. Februar 1869

    Lieber Freund!

    Das Sammeln der noch ausgeliehenen Bücher für den Leseverein hat bereits begonnen. Bis ersten März hoffe ich das Meiste bei­sammen zu haben und werde dann die erste Gelegenheit zur Uebersendung benützen. Jetzt leide ich an Kopfweh, doch nicht so, daß es mich am Arbeiten hindert. Ich zweifle aber, ob ich bei der nächsten Versammlung erscheinen werde, wenn dieselbe noch in diesem Monat oder in nächster Woche abgehalten wird. Den von dir ausgesprochenen Erwartungen des Ausschusses könnte ich jetzt ohnehin nicht entsprechen. Ich war in letzter Zeit zuviel mit Lebenserinnerungen beschäftigt um ernstlich an Anderes zu denken. Ich liege in der Selbstbiografie bereits im Wasser beim Salzbachersteg u. muß diese Woche wohl dort liegen bleiben, weil der Abschreiber da ist u. früheres mit mir ins Reine bringt. Ich hätte gern etwas über das Befinden deiner Frau erfahren um die ich recht besorgt war. Da du nichts erwähntest glaube ich das Beste annehmen zu können.

    Ich kam nach unserem Abschied glücklich über den Berg. Die Gesellschaft war mir nicht ganz uninteressant u. ich bin ihr zu dankbar um dir schwarz auf weiß eine Schilderung derselben zu geben wie ichs müßte, wenn ich einmal den Anfang machte. Wie diese Leute vorsichtig sind u. vor lauter Vorsicht zu nichts kommen.

    Scharttenlos ist euer Schwert noch, Weil ihr feig zum Schwerte grifft nie.

    Willst du diesen Vers von Platen verstehen und das folgende lesen so sehe nach im zweiten Band seiner gesammelten Schriften Seite 25. Du kannst das auch dem Dr. Greber sagen u. ihn mir grüßen lassen. Dem Karl wünsche ich Unglück, Schwefel u. Pech, feindliche Basen u. alles Böse in seine Liebschaft, die ihm so den Kopf verrückt, daß er mir die Zukunft wieder stets abzugeben vergißt. Mehreres mit Gelegenheit mündlich; heute müssen wir nun wieder an anderes denken.

    Lebe wohl u. schreibe gelegenheitlich wie es geht.

    Es grüßt dich u. deine Frau herzlich

    dein Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 18. Februar 1869

    Lieber Freund!

    Zweck meines heutigen Schreibens ist dir anzuzeigen, daß ich vom Ausschuße des Lesevereins den Auftrag erhalten dich zu ersuchen die Bibliothek in Schoppernau so bald möglich nach Bezau zu senden, damit mit dem Ausleihen begonnen werden kann. Bezirksförster Koderle wird immer stutziger: Im Auftrage des Aus­schußes hatte Karl die freiwilligen Beiträge einzukassiren damit mann die bewilligten Bücher bezahlen könne. Alle Mitglieder bezahlten bereitwillig mit Ausnahme des Hr. Bezirksförsters der erklärte, die Anschaffung der Bücher gefalle ihm nicht er werde deßhalb auch nicht bezahlen, u. ob er ganz aus dem Vereine austrette werde er sich noch überlegen.

    In N. 39. der Zukunft erscheint unter Wien ein Artikel der nach meiner Ansicht die ganze Lage unserer Verfaßungsherrlichkeit in das richtige Licht stellt. Lebe wohl es grüßt dich

    dein Freund Josef Feuerstein

    Der Ausschuß erwartet daß du in der Märzversammlung eine Rede halten werdest.

    Was soll uns hier die Lehre sein? Was geht daraus hervor? ­Selbst mit dem besten Freunde dein Im Walde nie spazor. —

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 17. Februar 1869

    Lieber Freund!

    Also, nun hättest Du mich als Vater ereilt, mögest Du auch glücklich weiter kommen. Ich wünsche Dir und Deinen Kin­dern, was ich so dachte und träumte, wenn ich Viertelstunden lang in der Wochenstube weilte. Freue Dich Deines häuslichen Glückes, aber vergiß auch nicht zu sehr der Vereinsamten, denen es alles war und die es nun entbehren müssen. Mir tut der Anblick meiner Kinder noch immer weh, und ich hab unter ihnen schon manche Träne geweint. Nur äußerste Anstrengung meiner Geisteskräfte muß mir Erholung sein, und wenn ich dann abgespannt werde, daß mir die Nerven sind wie Glas und die Gebeine wie Scherben, so gehe ich nach Bezau, wo ich überall gut aufgenommen bin. Dort kann ich recht heiter werden, aber das Gleichgewicht findet mein Inneres nur am Schreibtisch. Auch nach Au komme ich viel, aber nur, um mich zu zerstreuen.

    Kurz, ich weiß nur von federfuchsenden Taten zu berichten. Meine Selbstbiographie langt bald bis zu meiner Vereh­lichung, womit ich dann den ersten Band und vorläufig das Ganze abschließe. Meinem Wible ist darin ein Denkmal gesetzt, wie es noch selten einer Wälderin wurde. Ob ich die Arbeit sofort veröffentliche, weiß ich noch nicht. Ins Reine geschrieben wird sie von einem Schreiber, für welchen Feur­stein sorgt. Im nächsten Monat wirst Du die Arbeit erhalten. Ich habe bei derselben meine besten Kräfte allmählich wieder gefunden. Wenn man bangt, noch einen Schritt vorwärts zu gehen, ist's Wohltat und Kräftigung, die zurückgelegte Strecke zu übersehen. Ich fand manche Rose wieder, und ein frischer duftiger Hauch wehte mich an. Ein aufmerksamer Leser meiner Arbeit freilich dürfte auch ahnen, wie manche Träne dabei floß, aber schon meine Sonderlinge beweisen, daß nicht alles herb wird, was ich mit meinem Herzblut schreibe. Ich vermag mich gestaltend von allem Quälenden zu befreien, und eben darum kann ich dann dabei wieder hell aufjubeln. Freilich laß ich mich oft zu frei gehen. Vielleicht wirst Du das nur zu oft finden, aber streichen kann ich immer noch.

    Die holländische Übersetzung der Sonderlinge ist da. Sie ist mit Fleiß und Liebe gemacht, auch recht schön ausgestattet. Ich kann's ziemlich leicht lesen, und es tut mir wohl, meine Gedanken in diesem Kleide zu sehen.

    Von Wien hab ich gute Nachrichten, doch nichts Bestimmtes. Bergmann schrieb mir, daß ein namhafter Betrag für mich bestimmt wird, jedoch erst in 6 Wochen Bestimmtes zu er­fahren sei. Von anderer Seite höre ich, daß meine Schriften in Wien immer mehr gelesen werden. Grillparzer und Halm sollen sich sehr dafür und für mich interessieren. Ich bin darum freilich nicht mehr und nicht minder, aber einem armen Teufel darf man auch die Freude am Erfolg, z. B. an einem Brief des Ministerialrats, nicht verübeln. Du siehst mich immer tätig, die Musen sind mir treu. Ich lerne meine Beschäftigung jetzt aufs neue lieben. „Die Welt in mir und ich in der Welt." Das hilft über viel hinaus, und man braucht sich nicht jeden Abend vor dem Schlafen behag­lich in eine fertige Rechnung für die Zukunft einzuwickeln, wie ich von früher her es nur zu sehr gewohnt bin. Ich habe Verlieren gelernt. Man besitzt manches, was man nicht hat, und kann etwas erst recht haben, wenn es verloren scheint. An meiner Nanni war mir das menschlich Beste wert vor allem, aber das geht nie verloren. Ich habe viel verarbeiten müssen, kein Mensch ahnt wie viel, und ganz allein, denn andere leben in ändern Gedankenkreisen. Ich stehe äußerlich allein, aber ich bin in der Welt und habe die Welt in mir, in mir hab ich sie mit blutsaurer Arbeit überwinden gelernt, und seitdem ist sie mir erst lieb.

    Was ich nun anfange, weiß ich nicht, und es ist mir ordentlich wohl, es nicht zu wissen. So hat man jeden Augenblick ganz, im ändern Falle nur als Teil eines auszuführenden Gedankens. Von Feurstein erhalte ich die Zukunft von Jakobi zugeschickt, die sehr interessant sein kann. Sie hat auch mit der Arbeiter­frage zu tun, und zwar nicht im Sinne Schulzes. Abends liest mir Mariann irgend etwas Schönes vor. Sie liest gern und ihr Vortrag gewinnt nach und nach einiges Leben. Daß das Mötele durch mich in Schaden kommt, glaub ich kaum. Es fordert 1 Fl. 12 Kr. Silber Wochenlohn. Ich zahle ohne Wider­rede, weil ich das Mädchen behalten und nicht mit kleinlichen Nörgeleien plagen möchte. Ich glaube aber, daß man auch mich gehen lassen sollte. Ich bitte Dich aber, einstweilen keinen Schritt für mich zu tun, bis ich mit Dir gesprochen habe. Das müßige Geschwätz macht uns beide zum Paar, vielleicht wirkt das. Ich will wenigstens jetzt noch dem allein alles zuschreiben, was ich sonst recht gemein finden würde.

    Ich hätte überhaupt manches mit Dir zu reden und komme vielleicht einmal ein Sprüngle hinauf. Wann? weiß ich noch nicht. Vielleicht unvermutet, aber jedenfalls nicht, bevor Du die Biographie gelesen hast. Grüße mir die Deinen, Gaßner, Bickel und alle, die sich um mich kümmern. Sag ihnen dabei, was Du willst über mein Befinden.

    Sei so gut, mir einmal die Zürcher Zeitung und Hildebrands Brief zu schicken; es hat aber nicht so Eile wie mit einer Antwort, die ich erbitten möchte.

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 9. Februar 1869

    Sehr geehrter Herr Felder!

    Während dem Schützenfeste in Wien war ich als Gast in einer meinen Eltern und mir sehr befreundeten Familie Dr Sedlaczek auf eine ganz ausgezeichnete Weise aufgenommen.

    In Anerkennung der genossenen Gastfreundschaft wollte ich mei­ner sehr liebenswürdigen ebenso schönen als gebildeten Gastwir­thin Etwas aus meiner neuen Heimath senden. Die Wahl war keine schwere zwischen einen - „Wälderkäs" u. ?, und so sandte ich der Dame Ihre Werke die Geistesproducte eines jungen Dichters aus dem hintersten Bregenzerwalde, wie ich Sie zu nennen mir erlaubte, u. gab derselben zugleich eine kurze Lebenskizze von Ihnen, u. Mittheilung Ihres Kampfes gegen die verschiedenen feindlichen Elemente gegen die Aufklärung und den Aberglauben und fortschreitendes Wissen etc.

    Ich glaube nicht zu irren, wenn ich Ihnen durch Übersendung 2 Briefe dieser ganz ausgezeichneten Frau, die wie Sie sehen, sich in einflußreichen Kreisen ihrer Bekannten, sich sehr Ihrer annimmt, in Ihr durch den schmerzenden Verlust Ihrer seelig Frau tief gebeugtes Gemüth einige Tropfen lindernden Balsams zu senken. Genehmigen Sie die Versicherung meiner vollsten Hochachtung

    Ergebenst L Kofier

    Ludwig Kofler
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 9. Februar 1869

    Lieber Freund Felder!

    Schon glaubte ich von Dir ganz vergessen zu sein, als ich auf einmal wieder miteinem Brief aus deiner Hand erfreut wurde. Dem Vernehmen nach ist Dein Befinden ganz gut nur etwas einsam, was Dir nicht zu verdenken ist auf den Verlust des Liebsten, was Du hattest. Daß Du Ihr sowohl ein geistiges als auch ein phisisches Denkmal zu setzen gesonnen bist, zeugt von Deiner ächten tiefgreiffenden Liebe zu der Verblichenen. Es freut mich, daß Du mich hiebe! auch zum Mitarbeiter gewählt hast. Die Aufgabe ist aber eine sehr schwere nach der beigelegten Phothografie; er­leichtert könnte sie jedenfalls werden durch ihr hinterlassenes Töchterchen, welches ihr nach Deinem Bericht sehr ähnlich sehen soll.

    Da ich nächste Sommerferien ohnedieß heimkomme so können wir dann darüber mündlich sprechen u. ich glaube, daß ich dann jedenfalls im Bregenzerwald modellieren werde daran. Auf die Phothografie werde ich recht Acht geben, da es die Einzige ist. Meinen verbindlichsten Dank für Deine aufr. Gratulation zu meinem Preise. Leider habe ich davon keinen materiellen Nutzen. Wenn ich jetzt zum Bsp. Tiroler wäre so wäre mir ein Stipendium soviel wie sicher, aber in unserem fortschrittlichen industriereichen Vorarlberg muß die Kunst als ein Rückschritt betrachtet werden, da man für dieselbe garnichts thut. -

    Deinen neuen Roman hatte ich noch nicht Gelegenheit zu lesen, allein ich werde ihn sehr wahrscheinlich von Feurstein zu leihen bekommen u. freue mich recht darauf. Auch auf Deine Lebens­biographie bin ich sehr neugierig.

    Da es heute Faschingsdienstag ist so wirst Du mir meine Fehler so wie mein kurzes Schreiben entschuldigen u. mir erlauben hier meinen Schluß zu machen. Indem ich Dich nebst all meinen Bekannten herzlich grüße

    verbleibe ich

    Dein aufr. Freund

    G. Feurstein

    Georg Feuerstein
    München
    Franz Michael Felder
  • 8. Februar 1869

    Geehrter Herr Felder!

    Haben Sie die Güte uns die in der Oesterr. Gartenlaube bereits veröffentlichte Erzählung umgehend per Post einzusenden und Ihre billigsten Bedingungen mir zu stellen. Wollen Sie uns nicht eine neue größere Arbeit liefern? Ich würde die Roman-Zeitung pro 1870 gern mit einer schönen Dorfgeschichte von Ihnen einläuten. Der neue Jahrgang beginnt schon mit 1. October 1869 weil wirdes Absatzes in Amerika wegen dazu gezwungen werden. Deshalb schließt Jahrgang 1869 am 1. October u. enthält nur 3 Quartale.

    Ferner empfiehlt sich Ihnen

    hochachtungsvoll Ihr

    Otto Janke

    Anhaltstr. 17

    Otto Janke
    Berlin
    Franz Michael Felder
  • 3. Februar 1869

    Lieber Herr Landsmann!

    Sie werden mit vollem Rechte sehnsüchtig einem Schreiben in Folge Ihrer Zusendung, welche ich um Weihnachten erhalten habe, entgegensehen. Ich kaufte Ihre „Sonderlinge" und „Reich u. Arm" u. überreichte beide mit Ihrem Gesuche dem Ausschuße des hiesigen Zweigvereins der Schillerstiftung u. konnte bisher nichts Näheres als günstig lautende Vertröstungen erfahren. Heute erst auf meine Anfrage ward mir bekannt gegeben, daß der Zweigverein über Sie mit einem namhaften Betrage Sie zu betheiligen beschlos­sen hat.

    Nun hat aber die Sache an den Hauptverein in Berlin zu endlicher Beschlußnahme zu gelangen, welche - wie man mir sagt - in 4-6 Wochen erfolgen dürfte. So bald ich Weiteres über diese, für Sie wichtige Angelegenheit höre, werde ich Sie allsogleich in Kenntniß setzen.

    In aller Eile. In vollster Hochachtung verbleibe ich Ihr aufrichtiger

    Jos. Bergmann

    kk. Director

    III. Rennweg N. 6.

    Josef von Bergmann
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 3. Februar 1869

    Lieber Freund!

    Der Bub, der mir am 1. d. Ms. geboren wurde und seit gestern für immer Ferdinand Martin heißt, rumorte in seinem Käfig schon seit einem Monat derart, daß wir nie vor seinem Ausbruch sicher waren, was der Hauptgrund ist, daß ich jetzt erst zu meinem Schreiben an Dich komme. Ein Kerl, der solches Spektakel macht, bevor er eigentlich ist, verdient es, daß man ihn von Angesicht zu Angesicht kennen lerne, bevor man zur Tagesordnung übergeht. Nun alles in Ordnung ist, will ich über Deine werten Briefe vom 11. und 23. Dez. 1868 und 29. v. Ms. antworten, kann aber wieder nur flüchtig sein. ­Über ,Arm und Reich' habe ich nur weniges flüchtig hinge­worfen und wollte ich keine förmliche Kritik geben. Dazu braucht es offenbar mehr, als ich zu leisten vorhatte. Deine Einwendungen gegen das von mir Gesagte waren mir inter­essant und gehen mir, wie der Buchinhalt, viel im Kopf herum. Vielleicht kocht sich noch etwas darüber aus. ­Neulich hatte ich mit zwei jungen Geistlichen aus der Brixner Schule, deren einer von Egg und hier Kooperator ist, einen anregenden Disput über das Buch, war mir aber nicht mög­lich, sie zu überzeugen, daß Du eher die Licht- als die Schat­tenseiten der Wirksamkeit ihrer Schule hervorkehrst, und sie davon abzubringen, daß Du es auf Darstellen des Schattens abgesehen. -

    Den Brief von Hamm lege ich bei, der hauptsächlich inter­essant ist, weil er von einem österreichischen Ministerialrat kommt. Merkwürdig ist mir, daß die Liberalen, wie ich aus dem Urteil des Hirzel in der Zürcher Zeitung, aus dem des Byr in der Landes- und aus dem des Elsensohn in der Feld­kircher Zeitung sehe und aus dem Hamm'schen Schreiben entnehme, die Tendenz und Tragweite des Buches absolut mißverkennen. -

    Ich wünsche Dir den besten Erfolg beim Schillerverein, und wird voraussichtlich ergiebig geholfen werden. - Bei unserm Lese- und Bildungsverein bin ich allerdings von Anfang an mitbeteiligt gewesen. Er hat jetzt 52 Mitglieder und 32 Gäste. Letztere sind solche Beteiligte, die gegen Erlag von monat­lich 10 Kr. ö. W. an den Benefizien des Vereins teilnehmen und aber von Beschlußfassungen ausgeschlossen sind. Der Verein regiert sich durch alle Mitglieder selbst und hat nur zur Besorgung der Manipulationsgeschäfte einen Vorsteher und 4 Ausschüsse, ist durchaus demokratisch. Weil der Magi­strat durch Zuweisung eines Lokals und sonst sich Verdienste um den Verein erworben, wurde der Bürgermeister Wolf Vorsteher. Wie wenig die Fabrikanten bevorzugt werden, ergibt sich daraus, daß nur Andrä Gaßner, der 50 Fl. zum Verein spendiert hat, in den Ausschuß kam, und zwar mit den wenigsten Stimmen. Die ändern Ausschüsse sind Dr. Bickel, Oberlehrer Muther und ich. Da wir nach der jetzigen Beteilung über 3 bis 400 Fl. ö. W. jährlich zu verfügen haben, können wir für reichhaltige Lektüre sorgen und haben bereits soviel Zeitungen und Zeitschriften /: alle durch Mehrheit der Stimmen der Mitglieder gewählt :/, daß wir förmlich an Über­füllung leiden. Es können sich Liberale, Ultramontane und Demokraten satt essen, letztere freilich am wenigsten, sind aber von Haus aus an magere Kost angewiesen. - Der Lärm, der über diesen Verein in den Zeitungen geschlagen wird, geht von den Liberalen aus, die sich überhaupt keck vor­drängen. Sie drängen sich auch zu Vorträgen, die jedermann gestattet sind, heran und wollen Proselyten machen. Daß sie rührig sind, muß man ihnen lassen, und daß sie ihre besten Kräfte ins Feld schicken, auch, aber für Bludenz werden sie doch nicht gefährlich. Höchstens können sie es zu einer Spaltung bringen und zu einem Rückzug der völlig ohn­mächtigen Ultramontanen. Wenn es hier einmal eine Aufrüt­telung gibt, die einen Namen hat, werden ganz andere als liberale Losungsworte ausgegeben. Das Volksblatt erhalte ich seit Neujahr wie Du und bin schon zweimal zum Mitarbeiten aufgefordert worden, wobei Vonbank die sonderbare Ansicht aussprach, ich und die Unterschreiber des Programms seien zum Arbeiten einfach verpflichtet. Ich habe ihm noch nicht geantwortet. -

    Sei so gut, beiliegenden Brief dem Bruder Pius zu geben. ­Dir und den Deinen alles Gute zum Neuen Jahr. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund                                  K. Moosbrugger

    Wenn Du zu mir kommen willst, bist immer Gast, kann aber nicht verschweigen, daß die Zimmer meines jetzigen Quar­tiers alle nahe beisammen sind und es fast unmöglich ist, Ruhe zu haben, da ich bereits selbneunt bin. -

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 31. Januar 1869

    Verehrter Herr Felder!

    „Reich und Arm" ist es, was mich veranlaßt, Ihnen ein Briefchen in Ihre Berge zu senden; die Freiheit dazu darf ich mir, wie ich glaube, nehmen, da ich die Ehre hatte, Sie in Leipzig persönlich kennen zu lernen und durch den Germanistenclub und Ihre Werke mit Ihnen immer in einiger Berührung stehe. Denn die Briefe, welche Sie an den Herrn Professor Hildebrand schreiben, sind ja Gemeingut des Clubs und stehen oben auf der Tagesordnung; Nümmamüllersaber und die Sonderlinge und Reich und Arm rufen mir immer die wenigen, aber genußreichen Stunden, die Sie mir in Leipzig geschenkt haben, lebhaft in die Erinnerung zurück. - Seit ich Ihre Werke kenne und schätzen gelernt habe, ist es mein eifriges Bemühen gewesen, dieselben in die Kreise, welche ich berühre, einzuführen und ich habe an diesen Bestrebungen nur große Freude gehabt; besonders Reich und Arm hat Ihnen im Herzen manches Lesers für immer einen Ehrenplatz erworben. Wer den Anforderungen, die Sie an den Leser Ihrer Bücher stellen, genügt, der wird mit stillem, wehmütigen Entzücken „Nümmamüllers", mit hoher Bewunderung „Reich und Arm" lesen. Was sind aber Ihre Anforderungen? Sie verlangen, scheint mir, daß Ihnen von den Lesern ein gutTheil Gemüt entgegengebracht wird, was freilich nur der kleinere Theil des romanlesenden Publikums in dem Maße besitzt, wie es Ihre Werke verlangen. Ich habe die Freude und den Genuß gehabt, in einem kleinen, gemütvollen Familienkränzchen Ihr „Reich und Arm" vorzulesen und denke mit großer Genugthu­ungan die schönen und oft wahrhaft weihevollen Stunden, welche ich durch Ihr Buch den Mitgliedern des Kränzchens bereiten konnte. Es ist wahr, ich habe gewiß bei weitem nicht gut genug vorgelesen und fühle das am meisten in dem Glauben, daß ich es ein zweites Mal besser machen würde, aber doch haben wir Alle, glaube ich, das Werk so genossen, daß der Autor selbst, wenn er Zeuge gewesen, seine Freude daran gehabt hätte. Und es ist nun vor Allem der Zweck dieser Zeilen, Ihnen den innigsten Dank des genannten Lesekränzchens für die schönen Stunden darzubringen, die „Reich und Arm" bereitet hat. Felder ist hier sehr gern gesehen; die erste Sprengung der zarten Kränzchenkasse wird die Sonder­linge erwerben und das Übrige folgt nach. Möge Ihnen, verehrter Herr Felder, Ihre Muse noch recht Viel des Schönen und Edeln und Großen eingeben und möge der Dank Einzelner recht bald den Dank der Nation nach sich ziehen. -

    Am Schlüsse dieser Zeilen erlaube ich mir eine Bitte auszuspre­chen, bei welcher Ihnen vielleicht meine Person wieder ins Gedächtniß kommt. Wir waren selbander ein Stündchen im Rosen­thale spazieren gegangen und begaben uns dann in den Garten des Hotel de Saxe. Hier versprachen Sie mir, Ihre Photographie in meinen Besitz gelangen zu lassen. Da ich Sie aber vor meiner Abreise nach Baiern nicht wiedersah so ist die Bitte wahrscheinlich von Ihnen vergessen worden. Ich erinnere Sie nun hierdurch an Ihre Zusage und bitte Sie, mir recht bald Ihre Photographie zu schicken, wo möglich auch eine für das Album des Kränzchens beizulegen, dessen großen Dank Sie sich dadurch erwerben würden. Leben Sie wohl; es grüßt Sie

    freundlichst und hochachtungsvoll

    Ihr

    Carl Reuther.

    p.A. Herrn Kfm. Worms. Leipzig Schützenstraße 16, 17.

    Carl Reuther
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 30. Januar 1869

    Lieber Freund!

    Ich habe noch kurze Zeit, wenn mein Brief den schnellfüßigen Auerboth noch erreichen soll. Deßwegen in Kürze folgendes: Karl hat bezüglich dem Schneider das nöthige gethann. Das Comitee des Lesevereins hat beschlossen auf nächster Ver­sammlung der Mitglieder, welche am Fastnacht Dienstag um 1 Uhr Nachmittag in Ellbogen statt findet, den Leseordnungs-Entwurf vorzulegen, dessen Hauptbestimmung dahin lautet, daß Mitglieder per Monat 12 Kr Ost Whr u. Nichtmitglieder 20 Kr Ost Whr bezahlt werde, u. daß den Lesern in auswärtigen Gemeinden nach Verlauf des Jahres 1/4tel der bezahlten Lesegebühren zurückbezahlt werde, als Vergütung für ausgelegte Postgebühren. Zur Berathung u. Beschlußfassung kömmt auch die Anschaffung von Büchern.

    Diese Gegenstände sind sehr wichtig deßwegen wäre es sehr am Platze wenn du mit einigen ändern herauskommen würdest; ich erwarte dich.

    Die Post fordert mit aller Energie die Eine Nummer der mir doppelt zugesannten „Zukunft" sei so gut mir dieselbe sogleich zu schicken.

    Ich möchte gerne bei dir sein um dich wenigstens auf kurze Zeit, von melancholischen Gedanken abzuhalten, nicht wahr am Früh­jahr kömmst du wieder einige Zeit zu mir? Ich habe keine weitere Zeit u. verbleibe mit vielen Grüßen

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 29. Januar 1869

    Lieber Freund!

    Es scheint mir unmöglich, von Dir ein Schreiben zu erwarten. Auch seit meinem letzten Briefe ist es so lang, daß ich dessen im Drange vieler Arbeit entstandenen Inhalt wieder völlig vergaß. Es ist daher möglich, daß ich heute bereits Ge­meldetes wiederhole.

    Fräulein Gaßner hat bereits geantwortet und auch deren Schwesterchen legte ein Briefchen bei, welches die Schreiberin als eine interessante Schwärmerin erscheinen läßt. Ich bin auf diese Weise nun in den gewünschten brieflichen Verkehr mit Scherer gekommen und habe so meinen im Auge ge­habten Zweck erreicht.

    In Wien wird sich's dieser Tage zeigen, was mein Name und was meine dortigen Freunde vermögen. Du wirst Hamms Brief wohl gelesen haben? Ich schickte ihn Dir und hoffte, gleich Dein Urteil zu erfahren. Es wäre schlimm, wenn mein Eigensinn in einem Stück Dir die Korrespondenz mit mir verleidete. Dann käme ich gleich hinauf, läse Dir tüchtig den Text und bliebe Dir und Deiner Frau wenigstens eine halbe Woche auf dem Hals, wozu ich auch sonst fast Lust hätte. Ich sehne mich zuweilen recht nach Bewegung, denn wenn ich hier bin, vermag ich mich nur durch unausgesetztes Ar­beiten von quälenden Gedanken zu befreien. Anderwärts kann man doch in gute Gesellschaft, wenn's einem zu Hause nicht mehr behagt.

    Wie geht es dem Leseverein? Ich versprach mir etwas davon, bis ich in der Feldkircher Zeitung davon las, jetzt aber zweifle ich an Deiner Mitgliedschaft. In Bezau haben ich und Feur­stein die Anregung gegeben, als die übrigen einen Verein der Verfassungsfreunde gründen wollten. Daß ich nun unsere Bibliothek in Schoppernau - versteht sich unter Bedingungen - nach Bezau wandern lasse, ist natürlich, denn ich errichtete sie fürs Land. Die Statuten beruhen auf demokrati­scher Grundlage, so daß die Sache den Liberalen so sehr wie den Ultramontanen im Magen liegt, obwohl die Feldkircher Zeitung endlich gute Miene zum bösen Spiele zu machen sucht. - Das Volksblatt erhalte ich unbestellt und bin auch zur Mitarbeit eingeladen worden.

    Bisher aber bin ich mit meiner Biographie beschäftigt. Ich hoffe, das Werk werde auch Dir nicht mißfallen. Das ist nun einmal etwas Reelles, und ich finde so nebenbei für manches Platz.

    Feurstein in Bezau will meine Gedichte sammeln und drucken, um mir zu zeigen, wie vorteilhaft der Selbstverlag wäre. Ich werde Dir die zur Veröffentlichung bestimmten Arbeiten vor­legen.

    Das Vorsteherle hat nun geheiratet und Galli auch, wie das Volksblatt erzählt, in dem ich mit Staunen auch einen Artikel von E. Keßler fand. Die holländische Übersetzung der Sonder­linge ist nun heraus, und ich denke, sie dem Museum zu senden.

    Schreibe bald. Mit Gruß, auch an Deine Therese, die mir ihr Bild schicken soll, und Handschlag Dein Freund     F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 23. Januar 1869

    Lieber Freund

    Heute in aller Eile nur die Mittheilung daß nun mein Mündel ungedultig wurde.Ich habe daher nach Dornbirn an einen Schuhmacher geschrieben und einen Platz bekommen u. Karl hat also nur noch für den Schneider zu sorgen u. ich hoffe, daß das jetzt um so schneller geschieht. Vergiß doch die fliegenden Blätter nicht. Ich arbeite wieder wie verrückt, um melancholische Gedanken ferne zu halten. Für heut,  obwol  ich dir noch etwas sagen  möchte,  muß ich schließen.

    Mit herzlichem Gruß auch an deine Frau

    Dein Freund

    Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 22. Januar 1869

    Liebster Freund!

    Gestern Abends spät hab ich Deinen Brief gelesen und mich gefreut, daß mein Juhei auch in Leipzig ein Widergeben zu Wege bringen konnte. Mariannens Abschrift hättest Du auch behalten können. Es hat das gute Kind recht gefreut diesen Brief abschreiben zu können. Ich war damahls recht fröhlich, während es sonst oft einen recht traurigen Arbeitgeber hat, so daß ich selbst es oft bedauern muß, ohne mir und ihm auch mit dem besten Willen helfen zu können. Mit der Bevölkerung lebe ich nun ziemlich in Frieden. Zwar viele scheuen mich noch, aber der offene Kampf ist zu meinem Vortheil ausgegangen und Rüscher gilt für einen todten Mann. Der Kampf war nicht umsonst, er hat anregend und aufklärend im ganzen Ländchen gewirkt. Mir kommt man jetzt überall freundlich entgegen und hört auf mein Urtheil. Die Vereinssennerei in Bezau will den Vereinsstifter mit Überreichung einer schönen Taschenuhr beehren, deren Emp­fang ich Dir bald werde melden können. Von meinen Freun­den im ganzen Ländchen wird die Sache absichtlich recht öffentlich und großartig gemacht, um meine Gegner zu ärgern.

    Wenn ich so wochenlang eingesperrt lebe, kommt mir mein Dasein so zerrissen vor, daß ich allen Muth zusammen nehmen muß, um alles ertragen zu können, das Wible fehlt mir im­mer und überall. Es war mir Auge und Hand. Früher sagte man mir, die Zeit werde vieles heilen, ich hoffe das auch, aber bisher hab ich selbst alles thun müssen; die Zeit hat wenig erleichtert. In letzter Zeit war, damit alles fehle, mein Schreiner krank, der Uhrenmacher ist fort. Ich hatte nur Mariannen. Jetzt ist der Schreiner wieder zweg und wird uns bald besuchen können, wenns einmal nicht mehr gar so grimmig kalt ist. Schnee haben wir jetzt viel zu wenig so daß die meiste Winterarbeit noch ungethan ist. In Bezau draußen ist noch gar kein Schnee. Ich kam letzte Woche hinaus, denn auf meine und Anderer Anregung hin wird nun in Bezau eine Landesleihbibliothek errichtet, der ich auch die Unsere zu verschmelzen gedenke. Es wurden schon mehrere Ver­sammlungen abgehalten. Etwas Geldmittel sind zusammen­gebracht und das gemeinnützige Unternehmen ist gesichert. Auch in Bludenz, Götzis, Dornbirn und Bregenz sollen solche Bibliotheken als Gegenmittel gegen die Kasinos errichtet wer­den. Ich kann meine Freude darüber nicht läugnen, daß wir Schoppernauer etwas voran waren, und gleichsam die ersten Lanzen für die Sache gebrochen haben. Am letzten Montag hatten wir hier die größte Bauernhoch­zeit, die wir seit lange gesehen. Die Braut, ein nach hiesigen Begriffen reiches Mädchen ist von Au. Einer meiner Schul­freunde, Du lernst ihn aus meiner Selbstbiografie kennen, hat seit Jahren ein Verhältniß mit ihr, aber der fromme Vater wollte sie nicht in das gottlose Schoppernau lassen. Nun kannst Du Dir die Bedeutung dieses Festes denken. Alle Grö­ßen des Landes waren nach Schoppernau gekommen, um der Verlobung ihrer Base oder ihres Vetters beizuwohnen. (Ihre Freundschaft ist überall verzweigt). Abends trat ich vor 3 Geistlichen und 2 - 300 Zuhörern als Abdanker auf. Ich schreibe Dir das nur, um Dir in einem Bilde Sieg und Ver­söhnung zu zeigen. Vor einem Jahr wäre so ein Fest so un­möglich gewesen als seine Veranlassung. Als ich den Vater des Hochzeiters und den der Braut während meiner Rede beisammen sitzen sah, mußte ich unwillkürlich an Sepp und Barthle denken. Im Verkehr mit der Umgebung wird mir jetzt manche Freude, aber als giftiger Tropfen mischt sich im­mer der Gedanke ein: Du Armer kannst das nicht mehr mit Deinem guten Wible theilen, die doch auch mit darum ge­kämpft, geduldet und ausgestanden hat. Noch arbeit ich an der Selbstbiografie, in der Du auch das Gewünschte von der Siegfriedsage finden wirst. Ich kann Dir allenfalls die ersten Kapitel mit der Sage schicken, wenn Du glaubst, daß sie mit Angabe der Quelle benützt werden kön­nen. Ich denke den ersten Band und vorläufig das Ganze mit meiner Verehelichung abzuschließen, doch bin ich noch lange nicht so weit. Von einem Herren Birlinger in München weiß ich nicht mehr als den Nahmen und was Du mir ge­schrieben hast. Seine Bemerkungen können und müssen aus meinen Erzählungen sein. Molken kommt schon im Nümma­müller vor z B S 228.

    Kurat Herzog bittet,  ihm wo  möglich die Zeichnung oder Beschreibung einer Fisharmonika zu schicken. Ich schließe mit den herzlichsten Grüßen, auch von Marian­nen und der Mutter, an Dich, Deine Frau und alle Freunde. Schreibe bald wieder Deinem einsamen Freund

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 21. Januar 1869

    Vielgeehrter Freund!

    Als ich heute Abends von einem Geschäftsgang heimkam, wurde ich sehr freudig überrascht, als ein Junge in meiner Werkstätte saß u. mir einen Brief von Ihnen überreichte. Als ich ihn las fand ich erstens, daß Ihnen sehr viel daran lag, einen Ihrer jungen Vetter auch ein selbständiges Gewerbe (das Schuhmacherhandwerk) erlernen zu lassen u. zweitens, die herzlichsten Glückwünsche zum Jahreswechsel.

    Die beiliegenden Erinnerungsbildchen oder Andencken, von Ihrer treuen, sei. Gattin haben mich tief ergriffen u. herzlich gefreut u. werde sie nächstens unter die damaligen noch ahnungslosen Reisegefährten austheilen.

    Bezüglich der Bitte die Sie an mich stellen, bin ich in der angeneh­men Lage Ihnen u. Ihrem Mündling dienen zu können, indem ich einen Lehrjungen brauche. Es hat zwar vor einigen Wochen bei mir Einer angefragt, dem ich - aber nicht gewiß, doch in Aussicht gestellt habe, bei mir eintreten zu können; er hat sich aber bei den Bedingungen so ziemlich hölzern benommen u. ich zweifle sehr, daß er sich einfinden wird.

    Die Bedingungen wären folgende: erstens, 2 1/2 Jahre Lehrzeit, zweitens, 60 Gulden Lehrgeld u. zwar wie es hier allgemein üblich; die eine Hälfte beim Eintritt, die andere bei der halben Lehrzeit; drittens, da er zu weit von Haus entfernt ist weitere 10 Gulden für waschen u. flicken u. viertens hat er 14 Tage frei, wenn es ihm nicht passen sollte, wieder auszutreten. Noch habe ich zu bemerken, daß die obigen Bedingungen sich im Durchschnitt hier höher als niedriger belaufen; zudem würde ich mir Mühe geben ihn so gut wie möglich vorwärts zu bringen, da ich die Lehrjungen immer selbst beaufsichtige, während sie vielfältig nur den Arbeitern überlassen sind. In meiner Nachbarschaft wohnt noch ein guter Meister, der auch einen bedürfte, da aber die Zeit zu kurz ist um bei demselben anfragen zu können, da Ihr Bote wieder zu schnell abgeht. Sollten Sie es jedoch wünschen so werde ich mit größtem Vergnügen bereit sein mit ihm darüber zu sprechen. Nun hätte ich dann auch noch eine Gegenbitte zu stellen. Da ich weiß, daß Sie Sich alle mögliche Mühe geben das Volkswohl zu befördern u. die Arbeiter Ihnen besonders auf dem Herzen liegen, so möchte ich Sie innigst bitten, mir über meine Wünsche Auskunft zu geben.

    Es geht in meinem Kopfe schon längere Zeit der Gedancke herum, einen Roh Stoff verein für Schuhmacher zu gründen, findet aber bis dato keinen richtigen Ausweg, denn unsere Meister sind in dieser Beziehung noch sehr weit zurück, u. somit finde ich nirgens eine mitrathende Stimme. Nun will ich einiges über unsere Verhältnisse mittheilen. Wir haben Größere u. Kleinere, bemittelte u. unbemit­telte, kreditvolle u. kreditlose Schuhmacher wie überall. Die Größern oder die Bemittelteren kaufen die Rohstoffe freilich aus größeren Häusern, aber immer noch nicht so billig als wie in einem Verein.

    Die Kleinern oder Armen, die sind traurig daran, denn sie müssen die Rohstoffe immer im Kleinen u. Einzelnen von den Krämerseelen kaufen u. somit immer 20 - 40% aus ihrem armen Geldbeutel schwitzen, u. können zudem nicht einmal denselben Preis verlan­gen für die fertige Waare wie die Erstem. Und eben das ist es, dem ich gern entgegen steuern möchte. Ich habe zwar schon eine Zeitschrift bestellt (Blätter für Genossenschaftswesen v. Schulze Delisch) möchte aber noch Wercke oder Anweisungen wie diesel­ben gegründet u. geleitet werden. Ich habe mir vorgenommen mit meinen Ideen nicht eher ans Tageslicht zu treten, bis ich einigerma­ßen vorbereitet u. somit im Stande bin allenfalsige Vorurtheile bekämpfen zu können, damit nicht etwas ins Leben gerufen wird um desto schneller wieder absterben zu können. Nun möchte ich Sie schließlich nochmals im Interesse der armen Schuhmacher innigst bitten mir solche Wercke schriftlich zu bezeichnen, damit ich sie kaufen kann.

    In der Hoffnung einer baldigen Antwort verbleibe ich mit vielen Grüßen

    Ihr ergebenster Freund Joh. G. Luger

    Nachschrift: Da ich in Eile u. bei Nacht schrieb versündigte ich mich wieder die Briefordnung, indem ich den Brief verkehrt anfing u. in der Eile fortfuhr bis gegen Ende u. dann erst die Beobachtung machte; Bitte daher um gütige Nachsicht.

    Johann Georg Luger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 15. Januar 1869

    Lieber ferner Freund,

    Ferner - ich hab Dich nämlich erst gestern Abend noch nahe gewünscht, es ist doch schrecklich weit bis da hinauf und da hinter in Euren Bergwinkel, den der liebe Gott versteckt und noch dazu fast zugemauert hat. Heute früh auf einem Mor­genspaziergange sah ich genau um 8 Uhr den Sonnenball eben aufgegangen über dem Himmelsrande stehn, dicht neben Keils Palaste (in dem jetzt Dr. Laube aus Wien wohnt), und dachte mich da vergleichend nach Schoppernau. Aber vor allem erst mein Juchhe! zu Deiner letzten Nachricht. Die Sache ist vielleicht nun schon entschieden? Glück zu! und möge nur bald mehr folgen. Mich haben die mitgeschickten Briefe lebhaft gefreut, mir ward etwas leichter ums Herz an der Stelle wo die Sorge um Dich sitzt, und auch die Meinen waren voll Freude, und Abends der Club usw. Eigen ist, daß Dir nun auch in Wien ein Sachse, ein Leipziger behülflich sein muß. Soll denn nicht Min. Herbst etwas für Dich inter­essirt sein?

    Gestern liefen endlich auch die holländischen Sonderlinge ein. Ich setzte mich Abends gleich drüber und verglich. Die Arbeit ist mit unverkennbarer liebevoller Hingebung gemacht, sorgfältig und verständig. Doch fand ich eine abscheuliche Verballhornung. Im 2. Bande S. 261 des Urtextes ändert er die Worte „Sepp hatte den Hals aus der Schlinge gerissen" so: Durch den Sprung war sein Hals aus der Schnur geschos­sen (gefahren)! Er hat also nicht verstanden, daß Sepp eben nicht springt. Überraschend war mir die lange Einleitung, mit einer vollständigen Übersetzung Deines Aufsatzes in den Grenzboten; hättest Du nur dazu erst den ursprüng­lichen Text herstellen können! Wehmütig war mirs, Dein „Wible" (so ist sie genannt) noch als lebend und webend behandelt zu sehen. Das hätte sie noch lesen sollen! Es steht eine ganze kleine Charakteristik von ihr da, nach brieflichen Andeutungen von mir. Nun kannst Du mit Deiner Mariann und dem Schreiner usw. an dem Holländisch kauen! Wäre nicht etwa in Bezau oder weiter in Bregenz ein holländ. Wör­terbuch zu haben? Geschickt sind 6 Exemplare, vier wird Dir Hirzel zuschicken. -

    Ich bin nun wirklich Universitätsprofessor, seit der Scheide des alten und neuen Jahres, die wir im Gevatterkränzchen ernst fröhlich gefeiert haben mit Punsch und Gesang; Meiß­ner begrüßte mich mit einem ernsthaft scherzhaften Toast. Nun hab ich die Schule hinter mir und richte mich innerlich und äußerlich auf mein neues Leben ein, es gibt unendlich viel Gedankenarbeit, aber fast nur fröhliche. Vorlesungen halten werde ich aber erst im neuen Halbjahr, vielleicht kannst Du bei mir hospitieren, wie Dus ja im Kleinen schon in meinem Garten wie in meiner Stube gethan hast, selbst als Mitwirkender.

    Seit gestern ist endlich auch Winter bei uns, d.h. etwa 6 Grad Kälte, aber kein Flöckchen Schnee, darans wol bei Euch nicht fehlen wird.

    Ich hab auch noch für die mitgeschickten Gedenkblätter zu danken, wie nennt Ihr sie? Eins hab ich Hirzeln gegeben, das zweite will ich Thiemen geben. Dabei fällt mir ein, Du sag­test mir einmal Eure Namen für Raupe, Puppe und Schmetter­ling, ich hab sie aber vergessen und möchte sie doch notie­ren, bitte schreib mir sie einmal mit. Auch die Siegfriedsage bei Euch bist Du uns noch schuldig; wenn Du sie bald schickst, kann sie in Zarnckes vierter Nibelungenausgabe, wo er alle Zeugnisse für die Sage sammelt, mit angeführt werden. Kürzlich find ich Dich zu meinem Staunen in einem Buch von Birlinger in München citiert, wo er oft Formen und Wörter aus dem Bregenzer „Hinterwald" anführt, auch mit Deinem Namen. Du mußt ihm doch also eine Sammlung geschickt haben? Wie bist Du aber zu ihm gekommen? Mich interessiert der Mensch, er ist eigentlich Weltgeistlicher, hat besonders in kathol. Kreisen hohe Gönner gefunden, die aus ihm ein Licht der kathol. Wissenschaft auf unserm Felde machen wollten, ist aber bis jetzt nichts als ein Sudler gewesen. Einmal schreibt er: „Im Bregenzer Wald noch das Molken, Butter und Käse, überhaupt alles was aus Milch bereitet wird (Fel­der)". Sind das Deine Worte? Aber genug für dießmal, zumal mir eben nicht recht wohl ist.

    Also nochmals gut Glück, Freund, mit Grüßen von meiner Frau und Deinen Freunden hier

    Dein Rud. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 13. Januar 1869

    Lieber Freund!

    Vor allem herzlichen Glückswunsch zum neuen Jahre dir, deiner Frau und allen deinen Lieben.

    Es freut mich, wieder Gutes von euch zu hören. Euer Unternehmen wird doch jedenfalls ein gemeinnütziges sein. Ich erwarte so bestimmt, euere Bibliothek sei fürs Land, daß ich mein früher gegründetes Institut damit zu verschmelzen wünsche. Freilich hab ich dir das schon gesagt und, offen gestanden - ich habe euere Einladung bereits erwartet. Da sie aber nicht kommt muß ich mich an euch wenden bevor ihr mit dem Anschaffen von Büchern be­ginnt.

    Wir besitzen doch Dieß und Jenes was ihr jedenfalls auch anschaf­fen müßt. Vor einem Jahr hatte ich noch für mein Unternehmen zu kämpfen. Damahls würde ich um alles nicht gewichen sein. Jetzt aber betrachte ich die Verschmelzung nicht als ein Weichen, sondern als einen Sieg. Hier würde ein Zweigverein des Euern bleiben. Dadurch bliebe mancher Gulden erspart oder könnte besser verwendet werden, als für Werke, die bereits schon im Lande sind.

    Freilich müßtet ihr unsern Handwerkerverein ein wenig schadlos halten. Er hat im Ganzen 50-60 fl. ausgelegt, eine Summe also, die schon Pierer's Universal-Lexikon, welches wir haben, bei jedem Antiquar kosten würde.

    Am nächsten Montag feiern wir unser Vereinsfest. Solltet ihr auf meinen Gedanken eingehen wollen, so müßte ich dann meinen Antrag stellen und dann zu euch kommen um mit euch zu verhandeln. Bringe Herrn Dr. Greber Herrn Bezirksförster und dem ganzen Comittee meinen Gruß, theile den Inhalt dieses Briefes mit und sorge ja dafür daß ich am Sonntag Antwort habe d. h. schreibe am Freitag an mich und las den Brief gleich auf die Post bringen. Ich hoffe, daß mein Antrag freundliche Aufnahme finde und verbleibe in Erwartung der versprochenen Fliegenden Blätter u. einer Antwort

    dein Freund F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 12. Januar 1869

    Lieber Herr Felder!

    Als ich Ihre freundlichen Zeilen erhielt hätte ich mich lieber gleich wieder hiengesetzt, um für die äußerst liebenswürdigen Worte zu danken, doch kam mir eben noch zur rechten Zeit rettend der Gedanke, dieser Überfall könnte Sie erschrecken. Ruhig wartete ich bis heute, doch jetzt leidet es mich nimmer länger, ich muß Ihnen sagen Herr Felder wie tief und warm mich der Inhalt Ihres Briefes berührte.

    Es gibt Leiden für die dem Menschen jede Bezeichnung fehlt ­Wahnsinn wäre daher sich zu vermeßen, tröstend eingreifen zu wollen. Doch sagen darf ich Herr Felder, daß Ihr Kummer in meinem Herzen lautes Echo fand, und daß ich Ihnen in das neue Jahr den Wunsch mitgebe, die Zeit möge bei Ihnen heilen, was der Gegenwart unmöglich scheint. Überhaupt dürfen Sie, lieber Herr Felder überzeugt sein, daß ich beim Beginn des Jahres 69 auch den stillen Bregenzerwald nicht vergaß, ich kehrte unbemerkt in Ihrem trauten Heim zu Schoppernau ein, und hinterließ dort meine aufrichtigsten Glückswünsche, die erfüllt zu sehen, ich von der Zukunft erwarte.

    Ihr Entschluß - „von nun an sei die Welt mein Haus" hat mich mit sehr widerstreitenden Gefühlen erfüllt. Wie freudig ruft Ihnen diese große Familie ein herzliches „Willkommen" entgegen; doch wie trauert sie auch mit Ihnen über die Ursache, die Ihnen dieser Ausruf abgerungen!

    Ihr Intereße für Herrn Dkt. Scherer bringt mich Ihnen näher, denn er gehört zu meinen liebsten Bekannten.

    Wie angenehm überraschte mich die Herausgabe des Dichterwal­des, mit dem er so freundlich war, mich zu Weihnachten zu überraschen. Es soll das die schönste Sammlung lyrischer Gedichte der Neuzeit sein!

    Er beklagt sich in seinen letzten Zeilen über seine angestrenkte Thätigkeit. Bevor er den Dichterwald herausgab mußte er eine solche Anzahl Gedichte durchkosten, daß er vorgibt er habe für lange Zeit genug davon, was ich nicht hoffen will, da er mich hin und wieder mit eigenen Produkten beglückt. Die Adresse an: Georg Scherer Dr in Stuttgart- Langestraße N 4. wird ihn finden, ein Brief von Ihnen wird ihm sicher sehr willkommen sein! Ich konnte es nicht unterlassen ihn mit Ihrem warmen Interesse bekannt zu machen. Für heute: „gute Nacht", Herr Felder, ich will hier nur noch meine besten Grüße der kleinen Kinderschar beifügen. Von meinen Eltern soll ich Ihnen alles Freundliche sagen, mein Schwesterchen dankt selbst für den lieben Gruß. Ich sage: „auf Wiedersehen", weil ich in mir die Überzeugung trage, daß Sie mir das freundliche: „grüß Gott" nicht vorenthalten werden, wenn ich den Wunsch habe, wieder einmal einzukehren in dem fernen stillen Hause zu Schoppernau, als Ihre ergebene Freundin

    Hedwig Gassner.

    Bludenzden 12/1 69.

    Was vermag nicht alles ein freundlicher Gruß - ist imstande Schranken zu brechen die meine Schüchternheit nie überwunden hätte - und so sitze ich denn hier um den Zeilen meiner lieben Schwester auch meinen herzlichen Glückwunsch zum neuen Jahr beizufügen. — Eine glückliche heitere und gesunde Zukunft möge Ihr Loos sein - dieser Wunsch enthält alles - ja alles was ich sagen wollte, und von treuem warmen Herzen dickdirt wurde. - erfüllt sich derselbe - so werden viele damit beglückt. - Ja möge die Vorsehung, die Ihnen so tiefe und schmerzliche Wunden geschla­gen hat - der Zeit den lindernden Balsam in die Hand geben - der alles bittere und schmerzliche vergessen macht. ­Indem ich bitte mir meine Freiheit nicht übel zu nehmen, zeichne ich mich mit herzlichen Gruß-

    Natalie Gassner

    Hedwig und Natalie Gassner
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 10. Januar 1869

    Lieber Freund!

    Vor allem ein recht gutes neues Jahr! Das wünschte, wünsche und werde ich Dir wünschen zu jeder Zeit. Diesmal komme ich mit meinem Glückswunsch aus dem Grunde hintendrein, weil ich einen Knaben zu einer Prüfung vorbereite und seit etlichen Wochen alle freie Zeit mit ihm zubringe, und Dir meinem Versprechen gemäß einen längern Brief zu überschicken im Sinne hatte, als dieser am Ende werden wird. Dem heutigen Sonntag will ich nun ein Paar Minuten für Dich wegnehmen,  um meinem Versprechen theilweise zu genügen. Das, was ich Dir zu berichten mir früher vornahm, werde ich einer mündlichen  Besprechung vorbehalten,  da  ich  neuerdings die Erfahrung gemacht habe, daß man nichts schriftlich in die Welt hinaus schicken soll, was man nicht, wie es Deine Gewohnheit ist, unversiegelt auf die Post geben mag. An mein letztes Schreiben anknüpfend, wiederhole ich ein altes Sprichwort, „daß der Schein oft trügt". Wer sich Menschenkenntnis zu sammeln bemüht hat, wird daseinsehen.-Wem es zu kalt ist, in Wirklichkeit u. im Ernste, der wird sich einheizen, wenn er zu Hause bleiben will, nicht beim Fortgehen. Durch Duzende von Histörchen, die aber wahrscheinlich größtentheils jedem Ohre werden verschwiegen bleiben, könnte ich die Wahrheit des Gesag­ten und Gedachten darthun. Vielleicht erinnerst Du Dich noch an den Disput in der Bunt bei meiner letzten Ankunft in Vorarlberg. Wer hatte damals recht? Vielleicht keiner ganz. Im Ganzen wird sich aber doch die Wahrheit auf meine Seite neigen u. das wahrscheinlich, ich möchte fast sagen sicher, bedeutend. Leider. Ich erinnere Dich nur noch auf einen Mann, den ehemaligen Pfarrer von Mittelberg, Math.

    Nun ein Paar Worte von mir speziell: Nach meinem letzten Beileidschreiben gieng ich einer Einladung folgend noch ein Paar Wochen aufs Land. Jetzt wohne ich Wien, IX Bezirk, Badgasse No 7. Thür 12. Ich bin Gottlob gesund, habe ziemlich weite Wege zu machen wegen Lektionen, u. stehe so, daß ich exestiren kann; im Momente bereite ich, wie schon erwähnt, einen Knaben zur Prüfung vor, was mir alle sonst freie Zeit raubt. Hoffendlich wird die Zeit auch Deinen Schmerz über den Verlust Deines trefflichen Weibes gelindert haben und immer mehr lin­dern. Bedenke nur, daß der glücklicher zu nennen ist, welcher das besaß, was Wenigen zu besitzen vergönnt ist, als der, der es nie besaß. Und ein Weib so edel wie das Deine war, haben sicher sehr sehr Wenige. Auch in Deinen litterarischen Arbeiten wünsche ich Dir viel Glück, u. indem ich Dich ersuche, beiliegenden Brief an der Addresse zu übergeben u. alle meine Freunde zu grüßen zeichne ich mich als das was ich immer bleibe als Deinen Freund

    Jochum.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 8. Januar 1869

    Lieber Freund!

    Dein Schreiben habe ich erhalten und dem Comite vorgelegt. Nach den bereits berathenen Statuten die im Ganzen auf demokra­tischer Grundlage beruhen, kann das Comitee keine endgültige[n] Beschlüße faßen, sondern es sind alle Vorschläge desselben der Versammlung der Vereinsmitglieder zur Beschlußfassung vorzu­legen.

    Es wäre deßwegen am angemessensten wenn du bis in einigen Tagen nach Bezau kämest, mit Vollmachten versehen um über die Vereinigung beider Bibliothecken verhandeln zu können. Das Resultat dieser Verhandlungen würde dann der Mitgliederver­sammlung mitgetheilt u. wenn dieselbe die Vorschläge des Comite begutachtet wäre die Sache abgeschlossen. Eine Mitglieder Versammlung findet längstens bis 17. Jänner statt. Es wäre natürlich sehr angenehm wenn du das Verzeichniß der Bücher mitbrächtest.

    Es ist schon eine ganze Kiste Bücher unterwegs, die zweckmäßige Auswahl wird jedenfalls eine schwingte] Arbeit abgeben u. beson­ders da jetzt gegenwärtig noch nicht über 200 fl. zur Disposition stehen. Ich erwarte dich im Verlaufe einiger Tage in Bezau, wo uns dann Gelegenheit gebothen ist uns über dieß u. anderes zu unterreden.

    Mit Reich u. Arm sind wir nun bald fertig u. ist der Eindruck den dasselbe auf uns gemacht ein so vortrefflicher daß ich dich eigentlich nur den Verfasser von Arm u. reich nennen möchte. Das Volksleben ist darin tief u. treu wiedergegeben, die sozialen Mißverhältniße getreu u. ohne Leidenschaft wiedergegeben, obwohl mancher Leser sich bei verschiedenen Stellen etwas unan­genehm berührt fühlen wird, wenn das was er durch hergebrachte Uebung u. Gewohnheit als zu Recht bestehend u. in Folge dessen auch als bilig u. unantastbar betrachtete hie u. da einer strengen Prüffung unterzogen sieht. Natter hat mich auf der Durchreise besucht, und gefiel mir ganz gut daß sich derselbe noch weiter in einigen nothwendigen Fächern ausbilden will. Den bereits ausge­heckten Plan deine u. Feldkirchers Gedichte in einer Sammlung herauszugeben dürfen wir nicht liegen lassen, deine humoristi­schen Gedichte stehen dabei nach meiner Ansicht in erster Linie. Es grüßt dich

    dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 6. Januar 1869

    Herr Schwager!

    Der Kirchprobst von Hochkrumbach ersucht mich daß ich Dier Schreibe um den Zins welchen Du alle Jahr hereingeschickd hast für die Kirche auf Krumbach, wann Du es richten kannst etwa bies nach Lichtmeß. Er ist selbst nicht im Stand einen Brief zu schreiben u. kann doch Kirchprobst sein, er ist ein Bruder zum Vorsteher in Warth, aber der ist schon klüger, wann er einen Aufsatz macht der einen guten Satz hat, so weißt man das ihn der Pfarrer Fink dicktirt hat, u. wann man Ihn hört lesen oder Politisieren, so glaubt man: man höre einen guten Schüler von 6 1/2 Jahr u. so wird hier nach diesem Stiel die Gemeinde verwaltet. Übrigens ist bei mihr alles gesund u. wünschet Dier u. der ganzen Familie ein gutes neues Jahr. Ich habe auch gehört, daß Dich Pius wieder von der Pein erlößt habe welche ich Dier durch die von Dier schön eingebildete Ruh verursacht habe, ich habe sie Dier zwar nicht schön geschil­dert, nur hast Sie Dier schöner Vorgestellt. Ich hab sie nur so schön beschriben als es hat mögen Leiden, aber es ist jetzt alles in Ordnung. Neues weis ich Dier nichts zu schreiben ich verharre in einer baldigen Antwort von Dier über Deine neuen Entschlüsse

    Dein Schwager: Jakob Moosbrugger.

    Jakob Moosbrugger
    Warth
    Franz Michael Felder
  • 31. Dezember 1868

    Verehrtester Freund!

    Herzlichen Glück= und Segenswunsch zum neuen Jahr! Freilich wird Ihnen immer u. überall das Beste u. Liebste fehlen; aber ein gütiges Schicksal wird Ihnen auch mehr u. mehr Trost schenken in der Liebe u. Verehrung Ihrer Kinder u. Freunde! Möchten Sie - ich bitte - zu letztern auch ferner zählen

    Ihren ergebensten Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 27. Dezember 1868

    Lieber Freund!

    Der Gedanke einer Volksbibliotheck hat sich verkörpert!  Den 21. Dzbr. waren wir beim Angodarle die Sache kam zur Sprache man beschloß dieselbe zu besprechen, wählt Christian Jochum zum Präsidenten für diese Verhandlung, und es kamen über längern und kürzern Reden und Gegenreden folgende Beschlüße [zustande]

    I.  Wir bilden eine Volksbibliothek zur allgemeinen Benützung

    II.    Es ist bei der nächsten Versammlung ein Comitee zur weiteren Ausführung des Beschlußes l zu wählen.

    III.  Die Versammlung hat am nächsten Montag den 28 Dzbr Abends 8 Uhr in der Krone stattzufinden.

    IV.  Wenn diese Beschlüße zu Stande kommen, so zeichnen die nachstehenden Herrn folgende Beiträge

    /:Folgen die Unterschriften:/

    Dr. Greber zeichnete 50 fl. von den übrigen Beträgen sind zu 10 fl.

    15fl.3fl. 5fl. 2fl. etc. etc.

    fortgesetzt d. 2. Jänner 1869.

    Vor 5 Tagen wurde ich an der Fortsetzung meines Briefes gehindert, seitdem habe ich mich für neue Mitglieder u. Spender bemüht und wirklich haben wir gegenwärtig beinahe 200 fl. für die Bibliothek gezeichnet. In Folge des Beschlußes vom 21/12 fand die Versamm­lung am 28/12 in der Krone statt. Die Verhandlung wurde ganz ordnungsmäßig geführt, ein Comittee zur Entwerfung der Statuten bestehend aus 5 Mitgliedern: Dr. Greber, Bezirksförster Koderle, Angodar Thierarzt Meusburger u. Feuerstein Lithograf gewählt, u. auf 5 Jänner wieder Zusammenkunft zur Berathung der Statuten bestimmt.

    Wir hielten schon eine Sitzung bei welcher aber noch nicht viel zu Stande kam, indem sich B. Förster u. Dr. Greber um Stilisirungen stritten, [und] die ändern Mitglieder des Comitees ordentlich in Verlegenheit waren, welchen Beträgen sie zustimmen sollten, da man Gefahr lief bei dem unterliegenden Antragsteller in Ungnade zu fallen. Bei nächster Sitzung handelt es sich nun um die Vollmachten die dem Ausschuße der jedenfalls zur Leitung noth­wendig ist, gegeben werden sollen. Bezf. u. Greber stimmen für unbedingte Vollmacht, ich hingegen möchte das Ganze auf demo­kratischer Grundlage wissen, u. bereits alle Beschlüße desselben von vorhergehender Genehmigung von Seite der Mitglieder abhän­gig machen.

    Ich wünschte, daß du gegenwärtig in Bezau wärest und das Ganze mit durchmachen könntest.

    Schicke mir wenigstens umgehend die Statuten eurer Bibliotheck u. schreibe mir deine Ansichten.

    Ich habe von Anfang darauf hingewirkt, daß keine Dorf sondern eine allgemeine Volksbibliotheck gegründet werde. Du wirst jedenfalls auch Mitglied derselben werden; oder kommst du vielleicht auf die Versammlung vom 5. Jänner auch heraus? Mit dem Käsereigenossenschaftspreis sind wir abgewiesen, herent­gegen hat das Ministerium meine Persönlichkeit mit Lobsprüchen überhäuft, deren ich durchaus unwürdig bin. Hiemit übersende ich dir die Bücher von Hr. Baron. Mit Grüßen von meiner Frau

    Dein ergebener Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 26. Dezember 1868

    Lieber Freund Felder!

    Sie haben mir mit Ihrem Briefe vor vierzehn Tagen eine fast unverdiente Freude gemacht. In der dankerfüllten Absicht, Ihnen mit einer recht langen Erwiederung entgegen zu kommen, legte ich Ihren Brief auf den Schreibtisch vor mich hin, zum täglichen Ansporn. Aber indem ich mir zu viel vornahm, kam ich zu nichts. Vor Allem muß ich Ihnen bekennen, dass ich in Ihrer Wiederkehr zur geistigen Arbeit die glücklichste Wendung Ihres Grames begrüsse. Ich habe das bei der Kraft u. Tiefe Ihres Geistes, so wie bei dem Reichthum Ihres Gemüthes mit Zuversicht erwartet. Der Schmerz hat seine Rechte; aber das Leben hat sie nicht minder. Als ich las, wie Sie daran gegangen, Ihre Tagebücher, u. Ihren Lebenslauf zu mustern, um den Freuden und Leiden des hinter Ihnen liegenden Lebensabschnittes Form u. Gestalt zu geben, wie lebhaft wurde ich da erinnert an die wunderbaren Worte, die Göthes Tasso spricht:

    .. .Alles ist dahin! - Nur Eines bleibt:

    Die Thräne hat mir die Natur verliehen,

    Den Schrei des Schmerzens, wenn der Mann zuletzt

    Es nicht mehr trägt. - Und mir noch über alles -

    Sie liess im Schmerz mir Melodie u. Rede,

    Die tiefste Fülle meiner Noth zu klagen:

    Und wenn der Mensch in seiner Qual verstummt,

    Gab mir ein Gott, zu sagen wie ich leide.

    Die heilende Kraft, die von der neuen Arbeit aus bereits in Sie geflossen, sei Ihnen ein Wink, ihr treu zu bleiben. Bei der bewun­dernswerthen Anlage, die Sie zur Auffassung u. dichterischen Gestaltung Ihrer heimischen Umgebung haben, ist nur wieder etwas Vorzügliches u. in jedweder Hinsicht erfolgreiches zu erwar­ten. Ihr jüngstes Werk, von dem Sie mir den ersten Bogen schon vor Monaten zeigen konnten, hab' ich sogleich nach dessen Erschei­nen kommen lassen. Zuerst las es mein Vater u. zwar mit ausseror­dentlicher Befriedigung. Dann kam ich. Der Anfang wollte mich nicht recht packen, aber bald wurde ich wärmer u. wärmer bei der Sache. Reich u. Arm! Wie naturgetreu verstehen Sie den ewigen Widerstreit der Gegensätze zu entwickeln und auszuführen! Was wissen Sie auf dieser engen Bühne für eine Mannigfaltigkeit der Personen und Umstände zu entfalten! Wie sehr mich die Erzählung zu ergreifen vermochte, dürfen Sie aus dem Bekenntnisse schlie­ßen, daß ich mir vornahm, in einer der Landeszeitungen das Buch zu besprechen. Als ich aber hörte, daß Hr Prof. Elsensohn bereits für die Feldkircher Zeitung eine Besprechung vorbereite, wozu derselbe als Ihr engerer Landsmann u. als gelehrter Mann mehr Beruf hat, so stand ich von meiner kühnen Idee ab. Die Bespre­chung Ihres Buches durch Hr R. B. hat mich durchaus nicht befriedigt.

    Ihre zahlreichen hiesigen Verehrer, namentlich aber Frl. Fusseneg­ger, Luger u. mein Vater grüssen Sie freundlichst. Dessgleichen, samt üppigsten Neujahrswünschen

    Ihr treuergebener Freund D Waibel

    Mit aufrichtiger Freude las ich kürzlich von der Ernennung Ihres wackern Freundes Hildebrandt zum ausserordentl. Professor.

    Johann Georg Waibel
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 21. Dezember 1868

    Lieber Freund!

    Heute in aller Eile nur die Meldung daß mir nun auch Bergmann schrieb und vom Schillerverein erzählte, ja mich zur Einreichung einer Bittschrift aufforderte und sie zu befördern und zu unterstüt­zen versprach. Er äußert sich dabei, daß mir Muße zur vollen Entwicklung geschaft werden müsse.

    Reich und Arm hat ihm sehr gut gefallen, auch will er bei Hofe sehr günstiges über mich gehört haben, was - nebenbei gesagt ­vielleicht der Grund seines plötzlich erwachten Eifers sein mag. Ich will mich jedoch gern getäuscht haben.

    Meine Auffassung des Briefes von Hamm und meine Schlüsse hast du so ziemlich errathen. Laß Du mich einmal frei stehen für die ersten Jahre, dann kann ich vielleicht anderes erringen oder ertrotzen. Der Schillerverein hat aber nur noch bis 69 Wien zu seinem Vorort. Vielleicht waltet dann 5 Jahre wieder ein mir fremder Verwaltungsrath in einer Stadt, in der mir alle Verbindun­gen fehlen. Die von Dir erwähnte Berechnung lag mir daher sehr nahe und ist nicht einmal besonders schlau. Wenn Meßner nach Bregenz geht, soll er ja meinen jungen Schuster nicht vergessen und auch des Schneiders gedenken. Ihr aber gedenket meiner in alter Treue! Wie weit seid ihr mit Reich und Arm? Was macht Lisabeth? Gehst du noch zum Agader. O ich sehe unser frohes Leben wieder vor mir. Die Biografie wächst und wird mit einer Liebe behandelt, die mich zuweilen breit macht. Recht frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr wünscht Dir Margrethen und allen euren Lieben

    euer Freund F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 21. Dezember 1868

    Lieber Freund!

    Heute nichts oder doch nur wenig mehr von meinem Roman, obwohl ich noch manches zu sagen hätte. Ich habe Dir wichtige Mitteilungen zu machen, die Dich freuen werden. Den Brief von Hamm hat nun Mariann für Hildebrand abge­schrieben, denn ich glaubte, dem die Mitteilung des Inhalts schuldig zu sein. Unter den mir gemachten Anerbietungen hab ich vorläufig die Unterstützung durch den Schillerverein gewünscht, damit „nicht weitere Ausbildung und freudiges Schaffen - womöglich auch im Sinn des Ministerialrats ­durch das blasse Gespenst der Sorge gehindert werde". Es hätte etwas Behagliches, ein von der Regierung bezahlter Schriftsteller zu sein, aber vor allem will ich mir freie Hand behalten. Es war nicht die Aussicht auf Gewinn, sondern die Macht des Gedankens, die Wärme der Empfindung, was mich zum Schriftsteller machte. Diesen beiden dient meine Feder. Das Übrige wird sich finden. Übrigens ist Hamms Brief in einem Tone gehalten, der mich froh werden läßt über die zu ihm gewonnenen Beziehungen. Man sieht's gleich, daß er ein Deutscher ist.

    Als ich ihm geantwortet hatte, kommt gleich ein Brief von Bergmann, der ersucht mich, ihm sofort ein Gesuch an die Schillerstiftung zu übersenden, denn nach Lesung von Reich und Arm ist er zur Überzeugung gelangt, daß mir Muße zur vollen Entwicklung meiner Kraft geschafft werden müsse. Er teilt mir mit, daß auch bei Hofer von meinem Schaffen die Rede gewesen sei, und tut das mit einer bei ihm erklär­lichen Wichtigkeit. Ich habe dann das Gesuch verfaßt und geschickt, gleichzeitig aber Bergmann von Hamm und dann auch diesem von jenem das Nötige mitgeteilt, damit keiner bös auf mich werde und sie ihre Schritte gemeinsam tun können. Mehr hoffe ich - offen gesagt - von Hamm. Bis Ende Jänner wird sich's zeigen, was ich zu erwarten habe. Unterdessen arbeite ich an meiner Biographie mit einer Liebe und Hingebung, die vielleicht das Ganze etwas breit macht.

    Du sollst, sobald ich sie entbehren kann, einige Kapitel er­halten. Jetzt drängt es mich wieder mehr zu freiem dich­terischem Gestalten, und es ist möglich, daß die Arbeit wieder für eine Weile beiseite gelegt wird. Wie war's denn, wenn man   einmal   so   eine   Dorfmutter  ä   la  Auer   Rößlewirtin, Stocks [?]  u.d.gl. streng liebevoll und naturwahr zeichnete. Es wäre leicht, sie in einem Roman zur Heldin zu machen, wie Gotthelf seine Anna Bäbi, und doch ganz anders. Das Briefschreiben nach allen Ecken nimmt mir viel Zeit weg, und doch ist mir der Verkehr mit so lieben begabten, teil­weise bedeutenden Menschen eine Anregung und Gewinn. Aus Artigkeit schreibe ich selten, aber zuweilen doch. Sei so gut, beiliegenden Brief zu befördern. Mit Gruß und Glückswunsch zum neuen Jahr Dein Freund

    Felder

    Schicke Hamms Brief gleich wieder, wenn Du schreibst.

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Dezember 1868

    Ich danke Ihnen herzlich, Verehrtestes Fräulein! Für die Freude, welche Sie mir mit Ihrem Schreiben gemacht haben. Es traf mich aber dasselbe nicht in meiner stillen Häuslichkeit. Ich hatte diese auf längere Zeit verlassen um vielleicht in engerem Verkehr mit Gesinnungsverwandten manchem trüben Gedanken, wenn auch nicht dem tiefen Schmerz um meine verlorene Gattin zu entrinnen. Der ist nun einmal mein Theil geworden und nur die Erinnerung an das edle reine opferwillige Wesen der Seligen vermag ihn zu mildern und zu verklären, indem nun ein neues Band mich an den Himmel knüpft. Früher war mein kleines ärmliches München meine Welt. Sie erlauben mir wol daß ich wehmütig jener schönen Zeit gedenke, daß ich eine Thräne weine am Grabe meines Glückes und dann, noch feuchten Auges den Lebenden die Hand reiche und ausrufe: Von jetzt an soll die Welt mein Haus sein!

    An diesem Gedanken vermochte ich mich wieder aufzurichten, er erhob mich aus dem engen Thal, in dem ich mich vereinsamt und unverstanden sah. Ja ich bin doch auch in der Welt außer diesen Bergen. Das hat mir mancher Theure gesagt, der meinem Geist in jenen Stunden erschien. Auch Ihr Brief, verehrtes Fräulein, sagte mir das. Auch er ermutigte mich zu neuem Schaffen und nun werden Sie es mir glauben, daß er mich doppelt und dreifach freute.

    Unvergeßlich bleibt mir der Tag, an welchem Herr Dr Scherer mich in Hinterhopfreben besuchte. Es war der Letzte, an dem ich mit meiner Frau auf dem Felde arbeitete. Gern hätte ich ihm später geschrieben, wenn ich seine genaue Adresse gehabt hätte. Sollten Sie mir diese mitzutheilen die Güte haben, so würde ich Ihnen dafür sehr dankbar sein.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Hedwig Gassner
  • 20. Dezember 1868

    Lieber Freund,

    Mit Schreck seh ich am Datum Deines Briefes, daß ich Dich auf Deinen warmen Brief fast sechs Wochen habe auf Antwort warten lassen. Du denkst am Ende, das ist das Professoren­gefühl, zumal Du in Deinem Briefe Miene machtest, aus Ehr­furcht etwas ferner zu treten als sonst. Warte, Schelm - das glaubte ich Dir nicht, wenns auch noch ernstlicher ausgesehen hätte! Und doch, mir wird eben aus der und jener Erinnerung, als kenntest Du mich doch noch nicht so weit, um nicht zu denken, daß ich so etwas für passend hielte. Aber genug von der Tiftelei, ich absolvire Dich auf jeden Fall, wenn Du nur dabei bleibst, künftig Dich mehr aufzuschließen, wie Du in dem Bezauer Briefe schon einen hübschen Anfang gemacht hast. Ich beschwöre Dich, fahr so fort, auch gegen Andere. Laß die Bewegung in Dir mehr heraus aus Dir, Du setzest damit auch Deine Welt mehr in Bewegung; auch in Deine Arbeiten muß noch mehr Bewegung kommen, das laß Dir gesagt sein.

    Aber da ist der Professor - der Schulmeister - schon wieder, wirst Du denken, er kathedert und predigt daß es eine Art hat. Ja aber es ist dießmal mein bitterer Ernst, und mein Recht, denn ich bin 14 Jahre älter als Du. Nun aber Dank, warmen Dank für Deinen prächtigen, freundschaftswarmen Brief mit seinem geschriebenen Juchzer; nur das närrische Blatt, das Du zuerst geschrieben hattest, das will ich doch auch haben, falls Du nicht das Unrecht begangen hast es zu vermaculiren, ich bitte mirs auf jeden Fall aus - ebenso sehr Deinetwegen als meinetwegen, ich freue mich drauf. Meine öffentliche Ernennung erfolgte heute vor 5 Wochen, ich habe eine unerwartete Fülle von Freundschaft und Liebe in den darauf folgenden Tagen erfahren; denke nur z. B., daß unser Bürgermeister zu mir sagte, als ich um meine Entlassung von der Schule einkam, er freue sich wie ein Kind darüber, zweimal sagte er das. Da verlohnt sichs doch der Mühe, gelebt und-gelitten zu haben, wie mans eben gethan hat. Nun zurück zu meinen kühnsten Jugendplänen, die auf einmal in greifbarer Nähe und klarer Gestalt vor mir auf­tauchen, während es früher nur Wolkenbilder waren - nota bene, solche Dinge kriegst nur Du zu hören, und wirst am Ende auch nicht recht wissen was Du Dir darunter denken sollst.

    Heute vor 3 Wochen war ich in Dresden, um mich bei unserm Cultusminister vorzustellen und zu bedanken-ein interessan­ter Besuch, natürlich in Frack und weißer Cravatte, Bäuerlein! - und sonst einige Freunde zu besuchen. Von Dir war da auch die Rede - freilich nicht beim Minister, wo nur von Wissenschaft die Rede war-d. h. ein lieber Freund, ein Eng­länder, mit einer lieben Frau, hatten sich bis dahin vergeb­lich bemüht, etwas von Dir in einer Leihbibliothek aufzutrei­ben, eine Schande für unsere Residenzstadt! Daran mag wol Fedor Wehl schuld sein mit seiner dummen Anzeige der Son­derlinge in der Constitutionellen Zeitung, wie Karl Frenzel Dir in Berlin geschadet haben wird.

    Übrigens mache ich hier Gelehrtenbesuche, um mich meinen neuen Collegen vorzustellen, bin auch schon mit Frau in Halle drüben gewesen, es war ein recht freundschaftswarmer, ja ehrenvoller Tag für mich. In der Schule bei meinen guten Jungen (mein Hugo darunter) bin ich nur noch bis Mittwoch, Doch nun genug oder schon zu viel von mir. Von Reich u. Arm ist noch nicht eine einzige öffentliche Besprechung er­schienen; es gieng ja bei den Sonderlingen auch langsam. Aber mündliche Berichte kann ich Dir geben. Einer Schwester Köhlers in Weimar z. B. hat es sehr gefallen (er selbst ist noch nicht daran gekommen); Hirzel sagte mir, er hörte es an Werth über die Sonderlinge stellen; Reuter berichtete das Urtheil einer hochgebildeten Frau, sie wäre noch nie von einem Roman so entzückt gewesen wie von Reich und Arm. Du siehst also, die Wirkung kommt langsam. Du mußt Dich vor der Hand mit Goethes Worten über Schiller trösten vom Widerstand der stumpfen Welt, der besiegt sein will, und daß das Echte der Nachwelt unverloren bleibt. Aber Du soll­test doch auch den Geschmack und Bedürfniß des Cultur­stroms, wie er nun einmal ist, Dich noch mehr anbequemen lernen; das Wort ist ein Hebel, der die Seelen und Geister auf eine bessere, höhere Stelle heben soll, aber man muß doch den Hebel da ansetzen, wo der Gegenstand (der immer zugleich der Widerstand ist) eben beweglich ist, nicht da­neben. Spürst Du nicht einige Förderung in dieser Richtung durch Deinen doppelten Leipziger Aufenthalt? Du hast dar­über noch gar nichts geäußert.

    Ich muß Dir aber auch Glück wünschen zu der glänzenden Anerkennung, die Deinen Vereinsbestrebungen zu theil ge­worden ist, ich freue mich ganz außerordentlich darüber; wenn Du persönlich nur auch etwas davon hättest! Nun wenigstens Freundschaft und Geltung im Lande muß Dir doch immer mehr werden? Was macht denn nur die religiöse Gegnerschaft? Die scheint sich ruhig zu verhalten? Einen Vor­trag hattest Du mir zu schicken versprochen. Läßt man Dir denn in Schoppernau und Au völlig Ruhe? Ist denn der Uhr­macher wirklich mit Weib und Kind fort nach Alberschwende? Wegen der gewünschten Nummer der Grenzboten hab ich zu melden was unangenehm und angenehm zugleich ist. Außer dem Exemplar des Verlegers, das bleiben muß, ist oder war nur beifolgender eine Bogen auf Lager, d. h. die Nummer muß so oft nachverlangt worden sein, daß sie ver­griffen ist. Vielleicht läßt sich aber doch noch ein ganzes Exemplar auftreiben; meins möcht ich doch selber behalten, nicht wahr? Mir fällt dabei ein, daß ja die holländ. Überset­zung der Sonderlinge gar nicht kommen will?! Über die von Hrn. Curat Herzog gewünschte Harmonika hab ich zunächst einen Irrthum zu berichtigen in Betreff der Phis­harmonika; das ist nicht ein Handinstrument wie Deins, son­dern ein ganzes kleines Gebäude etwa in Form und Größe eines Schrankes und unter 60-80 Thaler sicher nicht zu haben.

    Wenn aber der Hr. Curat den Preis, den er daran wenden will, näher bestimmt, wird Lippold gern das Nötige besorgen, die Bezahlung ließe sich durch  Postanweisung oder Nach­nahme abmachen, ohne Zusendung des Geldes. ­Daß Dein Jakob nun tüchtig lernt, hab ich mit Freude gelesen, Du hilfst wol mit Unterricht, ich meine mit Fragen und Den­ken, lehren? Ich thue das jetzt mit meinen Kindern (früher that ichs nicht) und finde viel Vergnügen darin. Bei uns ist nun Weihnachten vor der Thür, alles ist in freudi­ger Bewegung,  alle Herzen  und  Herzchen   leben  nur von Weihnachtsgedanken   und   Empfindungen;   nur   eins   fehlt, Schnee, wir haben hartnäckig warmes Wetter. In unveränderlicher Liebe und Treue

    Dein Rud. Hildebrand.

    Karl (der mein Famulus wird im Colleg, Vetter und Vetter als Professor und Famulus) läßt für den Gruß danken und da­gegen grüßen, ebenso Thieme und alle Ändern. - Weißt Du, daß der Ministerialrath Dr. W. Hamm ein Leipziger ist? er ist auch Schriftsteller, Novellist, und war 1848 als Führer einer Freischar in Schleswig-Holstein. - Was macht die Biographie? ich bin sehr neugierig, und nicht nur ich. Noch eins fällt mir ein. Reuter sagt mir, Du hättest ihm zu­gesagt, eine Photographie von Dir für ihn bei mir zurückzu­lassen. Ich finde und weiß aber nichts davon, hab ihm aber versprochen Dich zu erinnern. Ach bitte schick ihm doch eine, Du machst ihm eine große Freude.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 19. Dezember 1868

    Dem Verwaltungsrath der Schillerstiftung

    Vor Allem ist es die Sorge um meine fünf unerzogenen mutterlo­sen Kinder, die mir den Muth gibt, mich mit einer Bitte um Unter­stützung an die Schiller-Stiftung zu wenden.

    Mit blutsaurer Arbeit habe ich mir seit Jahren bisher immer durchgeholfen, ohne irgend eine fremde Geldunterstützung zu suchen. Im Bregenzerwalde, im innersten engsten Achthaie gebo­ren und schon im zweiten Lebensjahre durch Ungeschick eines Arztes, der mein krankes Auge behandeln wollte, um das andere gesunde gebracht, ließ man mich nur noch die Dorfschule in Schoppernau besuchen und meine Lernbegier blieb unbefriedigt, weil meine Kurzsichtigkeit den heißgewünschten Besuch höherer Schulen unmöglich zu machen schien. So ward ich Bauer wider Willen und arbeitete nun auf dem kleinen überschuldeten Anwe­sen meines früh verstorbenen Vaters, um mich und die alternde Mutter zu erhalten. Durch Taglöhnerarbeit verschaffte ich mir all­mälig die Mittel zu Büchern, von denen jedes seine Geschichte blutsaurer Erwerbung hat. Freundlos, unverstanden und gemie­den von meiner Umgebung, konnte ich lange mein Bedürfniß, meine Gedanken und Gefühle auszusprechen, nur in stillen Stun­den der Nacht mit der Feder befriedigen. Endlich lernte ich ein Mädchen kennen, das mich verstand, und als die 62jährige Mutter im Hause nicht mehr ohne eine Gehilfin gelassen werden konnte, führte ich die Braut heim. Sie war mir Auge und Hand. In freien Stunden, die wir unserer Berufsarbeit abkargten, las sie mir vor. Durch sie habe ich die Liebe zu der früher ängstlich gemie­denen Bevölkerung meines Ländchens und einen lebhafteren Verkehr mit dieser gewonnen. Ich begann über meine Landsleute zu schreiben und ihr Leben dichterisch zu gestalten. Drei größere Erzählungen, die meistens neben strenger Bauernarbeit und auf Unkosten meines schwachen Auges geschrieben wurden, sind bereits veröffentlicht. Eine davon, „Die Sonderlinge" (Leipzig 1867), hat eine Übersetzung ins Holländische erlebt und ich erfahre, daß auch eine ins Französische zu erwarten ist.

    Die materiellen Erfolge meiner schriftstellerischen Thätigkeit sind aber keine derartigen, daß sie mich auch nur der drückend­sten Sorgen entheben. Ich habe jetzt eine mehr als 70jährige fast erblindete Mutter und fünf noch unerzogene Kinder zu erhalten und alle Sorge liegt auf mir allein, denn im letzten Sommer starb mir meine liebe Frau und an der verwaisten Stätte waltet die Fremde. Ich steh allein und kann mich nur mit dem Gedanken einigermaßen trösten, daß die Gesellschaft keinen Redlichstre­benden verlassen werde.

    Ich wage es daher, mich vertrauensvoll an einen Verein zu wenden, der, den Namen unseres großen Schiller tragend, sichs zur Aufgabe gemacht hat, nothleidende Schriftsteller zu unter­stützen, daß ihre beste Kraft nicht von der Last bitterer Sorge er­drückt werde.

    Ist mir selber ein Wort über meine Werke erlaubt, so möchte ich ihre Mängel theilweise mit meinen Verhältnissen entschuldigen. Das Gespenst der Sorge ist überall. Es macht mir nicht nur die Anschaffung von Büchern und Zeitungen in dieser abgeschlosse­nen Gegend schwer und oft unmöglich, und hindert so meine weitere Ausbildung; es verscheuchte auch oft liebere Gestalten, die mir erscheinen wollten, wenn Abends die müde, fast wunde Hand zur Feder greifen wollte.

    Und doch ist jetzt schriftstellerisches Schaffen mein einziger Trost und meine Erholung. Die Bauernarbeit, die meinen schwa­chen Körper zu sehr anstrengt, vermag nicht mein ödes Dasein auszufüllen. Noch bin ich nicht 30 Jahre alt und fühle zuweilen die Kraft in mir, noch Bedeutenderes zu schaffen, wenn nur das blasse Gespenst der Sorge von meinem Arbeitstische verscheucht würde.

    Diese Hoffnung, dieser Wunsch, nebst der Vaterpflicht für die liebenden Meinigen ist es, die mich treiben, um eine Unterstüt­zung zu bitten, die mir mein Leben und Schaffen erleichtern und fruchtbarer machen könnte.

    In der festen Zuversicht, der verehrte Verwaltungsrath werde meine Bitte nicht unberücksichtigt lassen, sondern derselben womöglich zu entsprechen sich bewegen finden, zeichnet hoch­achtungsvoll ergebenst

    Franz Michael Felder in Schoppernau.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 19. Dezember 1868

    Lieber guter Freund! Juheiololouhu hui hihi!

    Wenn Du, zumal im Eingang eines meiner Briefe solche Jodel­töne hörst aus dem Schnee meiner Nebel bedeckten Heimat heraus und von mir, dann richte Dich auf und mache vor allem einige Freudensprünge zwischen deinen Bücherreihen herum, dann aber bitte ich den Professor, sich zu setzen, die Cigare anzuzünden und meinem Verzähl (von Erzählung) ge­lassen zuzuhören.

    Eigentlich sind heute die Beilagen freilich das Wichtigste. Der Brief von Bergmann kam über Nacht ganz unerwartet, wie daher geschneit. Ich bitte Dich, ihn mir gelegenheitlich wieder zu senden.

    Der zweite ist von Ministerialrath Dr Wilhelm Hamm. Ich schicke ihn Dir in einer Abschrift von Mariannen, die Dich und die Deinen herzlich grüßen läßt. Dieser Brief hat eine kleine Geschichte. Die Bekanntschaft mit Hamm hat Feurstein, der Obmann meines Vereins vermittelt, der mir mehr und mehr den Dank des Landes erwirbt.

    Ich schrieb nun an Hamm und bath ihn sich für mich an die Schillerstiftung zu wenden. Kaum ist dieser Brief fort so kommt gestern der von Bergmann. Heut nun schrieb ich das gewünschte Bittgesuch und hernach machte ich mich daran, Herrn Hamm von Bergmann und diesem von jenem zu schreiben, damit sie nun ihre Schritte gemeinsam thun kön­nen und keiner auf mich böse wird.

    Daß ich Dir nicht gleich von meinem Briefwechsel mit Dr. Hamm berichtete, kam davon, weil ich warten wollte, bis ich gleichzeitig auch einen Brief von Dir beantworten zu können hoffte.

    Nun aber muß es heraus und ich warte nicht mehr, obwol ich nächste Woche ganz bestimmt etwas von Dir zu hören erwarte. Ich bitte Dich, meine Freude auch dem Club mit­zutheilen. O das hätte auch das Wible erleben sollen. Es konnte sich so recht aus ganzer Seele mit mir freuen. Über Reich und Arm habe ich einige recht anerkennende Zu­schriften, auch eine von Seiffertitz, erhalten. Vom Redakteur des Süddeutschen Sonntagsblatts ist mir eine Einladung zur Mitarbeiterschaft geworden. Ich habe noch nicht geantwortet. Bisher bin ich mit meiner Selbstbiografie beschäftigt, doch drängt es mich zuweilen wieder zu freiem dichterischem Ge­stalten. In Bezau hab ich etliche schöne Wochen verlebt. Ich und Feurstein sind uns noch viel näher gerückt. Auch sonst hab ich manche liebe Bekanntschaft gemacht. Auch mit Dr Greber steh ich auf bestem Fuß.

    Und nun noch eins. Im katholischen Kasino in Au war am vorletzten Sonntag eine Vorlesung über - Reich und Arm. Sie war sehr zahm. „Das Buch stehe auf katholischem Boden. Hiebe seien von mir immer zu erwarten. Schreibfehler wie Not ohne H müsse man mir? verzeihen.*) Gegen die Sonder­linge sei das Buch ein Fortschritt und enthalte köstliche Pro­ben, sei aber im Ganzen nicht zu empfehlen und damit auch nicht zu verwerfen." O lieber, was willst du noch mehr?

    Weihnachten naht. Möge das Fest für euch alle recht recht fröhlich sein. Grüße mir herzlich Deine Frau, die Kinder und alle die sich um mich kümmern. Hat Hirzel Reich und Arm nicht an Gottschall geschickt? Das würde ich bedauern. In der L.Zeitung erschien eine günstige aber kurze Besprechung des Buches von R. Byr. Lebe wol. Mit Gruß u Handschlag

    Dein Freund F M Felder

    *) Wehr Dich, Corecturenleser! ! Der Pfarrer von Au kommt mit sammt dem Kasino.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 19. Dezember 1868

    Verehrtester Herr Landsmann!

    Ihre werthen Zeilen hätten mich recht glücklich gemacht, wenn deren Inhalt auch weit weniger erfreulich gewesen wäre. Meine jetzige Lage werden Sie aus beiliegendem Gesuche kennen lernen. Ich habe mich natürlich beeilt, Ihnen dieses so schnell als möglich zuzusenden. Ich halte es dabei für meine Pflicht, Ihnen, verehrter Herr Landsmann, folgendes mitzutheilen

    Unserer landwirtschaftlichen Ausstellung ward im letzten Herbste die Ehre, von Herrn Ministerialrath Dr Wilhelm Hamm (im Acker­bauministerium) besucht zu werden. Wie derselbe schrieb, hoffte er auch mich zu treffen. Aber meine Verhältnisse erlaubten mir bisher keine Ausflüge als die 2 Reisen nach Leipzig, deren Kosten von Herrn Dr Hildebrand und meinen ändern dortigen Freunden getragen wurden, damit ich doch einmal etwas von der Welt sehe und so eher einen Maßstab für meine heimatlichen Zustände gewinne als das aus Büchern alein möglich war. Herr Dr Wilhelm Hamm schickte mir nun seine Karte, ich ihm meinen Roman, worauf er sich in einem Briefe für mich an die Schillerstiftung zu wenden versprach. Ein Bittgesuch von mir hat er nicht gewünscht und ich weiß nicht, wie er die Sache durchzuführen gedenkt. Vielleicht werden Sie nach dieser Mittheilung, die ich Ihnen schuldig zu sein fühle, Ihre Schritte gemeinsam mit ihm thun, oder sich doch jedenfalls mit ihm besprechen. Sollten Sie mein Gesuch benützen, so bitte ich, es zu adressieren, da ich nicht wußte, ob ich die Aufschrift vorn an einen Einzelnen oder den Verwaltungsrath überhaupt machen sollte.

    Hülfe thut mir jetzt wahrhaftig noth und ich danke Ihnen zum Voraus herzlich für alle Schritte, die Sie meinetwegen thun. Mehr als danken kann ich nicht, außer auch das Versprechen geben, daß es mein Streben sein soll mich der geleisteten Hülfe nach Kräften werth zu zeigen.

    Ihre Landskunde hab ich mir gleich nach dem Erscheinen ange­schafft und mich an der reichen Arbeit gefreut Das Land wird Ihnen dafür dankbar bleiben. Ich möchte die Schrift in allen Schulen sehen und habe mein Exemplar gleich dem Lehrer hier gegeben. Ein Anderes schickte ich dem Übersetzer der Sonderlinge Herrn Grottendieck nach Alkmar, als mich dieser um die besten Schriften über meine Heimat bath, die er im nächsten Sommer zu besuchen denkt.

    Vielleicht finden Sie wieder einmal Zeit, den Einsamen, Einge­schneiten mit einigen Zeilen von Ihnen zu erfreuen. Sehr bedauerte ich immer, daß es mir nicht mehr vergönnt war, Sie und die lieben Ihrigen persönlich kennen zu lernen. Grüßen Sie mir alle herzlich und nehmen Sie für alles was Sie für mich thun den tiefgefühltesten Dank

    Ihres ergebensten Landsmanns Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef von Bergmann
  • 19. Dezember 1868

    Dem Verwaltungsrath der Schillerstiftung

    Vor allem ist es die Sorge um meine unerzogenen fünf Kindern, welche mir den Muth gibt, mich an eine Stiftung zu wenden, welche sich die Unterstützung dürftiger Schriftsteller zur Aufgabe gemacht hat.

    Mit blutsaurer Arbeit hab ich [mir] seit Jahren durchgeholfen, ohne irgend eine fremde Geldunterstützung zu suchen oder zu verwer­ten. Im Bregenzerwalde im engsten Aachthal geboren und schon im zweiten Lebensjahr durch Ungeschicklichkeit eines Artztes, der mein krankes Auge behandeln wollte um das andere gesunde gebracht, ließ man mich nur noch die Dorfschule in Schoppernau besuchen und meine Lernbegierde blieb unbefriedigt, weil meine Kurzsichtigkeit den Besuch höherer Schulen unmöglich zu machen schien. So ward ich Bauer wider Willen und arbeitete auf dem verschuldeten Anwesen meines frühverstorbenen Vaters um mich und die Mutter zu erhalten. Durch Taglöhnerarbeit verschafte ich mir Bücher von denen jedes eine Geschichte blutsaurer Erwerbung hat. Freundlos, meiner Umgebung ein gemiedenes Räthsel konnte ich meinen Drang, mich auszusprechen, nur in stillen Stunden der Nacht mit der Feder befriedigen. Als meine Mutter mehr als 60 Jahre und zur Verrichtung der meisten Arbeiten unfähig war verehlichte ich mich mit dem einzigen Mädchen, das, im Thale aufgewachsen mich ganz verstand und in den Stunden die wir unserer Berufsarbeit abkargten, meine Bestrebungen theilte und unterstützte wie nur ein liebendes Weib es vermochte. Durch meine Gattin hab ich auch die Liebe zu der früher ängstlich gemiedenen Bevölkerung und einen lebhaftem Verkehr mit dersel­ben wieder gewonnen. Ich begann über meine Landsleute zu schreiben und ihr Leben dichterisch zu gestalten. Drei größere Erzählungen, die neben strenger Bauernarbeit und in stillen Näch­ten auf Unkosten meines schwachen Auges geschrieben wurden, sind bereits veröffentlicht. Das zweite davon, im vorigen Jahr erschienen, hat eine Übersetzung ins Holländische erlebt und ich erfahre eben, daß auch eine ins Französische bevorstehen soll. Die materiellen Erfolge meiner schriftstellerischen Thätigkeit aber sind keine derartigen, daß sie mich auch nur der bittersten Sorge enthöben. Ich habe eine mehr als siebzigjährige Mutter und fünf unerzogene Kinder, das älteste 6 - das jüngste Xt Jahr alt, zu erhalten und alle Sorge liegt auf mir alein, denn mein liebes Weib die Freundin, die Haushälterin hab ich im letzten Sommer durch den Tod verloren. Ich stehe alein und nur der Gedanke, daß die Gesellschaft keinen Redlichstrebenden verläßt. Besonders hoffe ich auf Unterstützung einer Stiftung die sichs zur Aufgabe gemacht hat, die Sorge nothleidender Schriftsteller zu erleichtern. Über den Werth meiner Schriften haben angesehene Kritiker sich günstig ausgesprochen. Ist mir selbst ein Wort hierüber erlaubt, so möchte ich ihre Mängel theilweise mit meinen Verhältnissen entschuldi­gen. Das Gespenst der Sorge ist überall. Es macht mir nicht nur das Anschaffen von Büchern zur weiteren Ausbildung schwer und oft unmöglich; es verscheuchte auch oft die Gestalten, die mir erschei­nen wollten, wenn abends die arbeitsmüde schwielenbedeckte Hand die Feder ergriff. Und doch ist mir jetzt schriftstellerisches Schaffen einzig mein Trost und meine Erhebung. Noch bin ich nicht 30 Jahre alt und fühle die Kraft in mir, noch bedeutenderes zu schaffen, wenn nur das blasse Gespenst der Sorge von meinem Arbeitstische verscheucht würde

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 14. Dezember 1868

    Lieber Herr Landsmann!

    Als ich im August des Jahres 1867 im Bregenzerwalde, erst in Hittisau, dann durch 16 Tage am Schwarzenberg war, erfuhr ich, daß Sie nach Leipzig abgereiset sein, weshalb ich Sie nicht besuchte, wohl aber veranlaßte ich Frau und Tochter, die mich in meine Heimat begleiteten, die innersten Orte des Waldes zu besuchen u. so kamen sie auch nach Schoppernau. Die Eindrücke, die beide aus unserem Ländchen mitbrachten, haften unvertilg­bar.

    Wie bald ich 72jähriger Mann wieder einen Besuch machen kann, hängt von meinen amtlichen Verhältnissen und von Gott ab. Nun erlaube ich mir Sie, lieber Herr Landsmann, auf etwas anderes in Ihrem Interesse aufmerksam zu machen.

    Hier bestehtein Zweigverein der Schillerstiftung für dürftige Schrift­steller. Ich habe mich von diesem Wiener Zweigvereine unterrich­ten lassen u. erfahren, daß im herannahenden/änner eine Verthei­lung stattfindet. Um auch einer Unterstützung theilhaftig zu werden richten Sie ein Schreiben - ohne Stämpel u. ohne irgend ein Zeugniß Ihrer Dürftigkeit von Seite des Pfarrers u. des Gemeinde­vorstehers - an Herrn Dr Leopold Kompert u. zwar möglichst bald. In diesem Bittschreiben setzen Sie Ihre dürftige Lage gewissenhaft auseinander, den Verlust Ihres Weibes (das nach der Zeitung gestorben) u. so weiter.

    Dieses Gesuch, wie gesagt an Hrn Dr Kompert stylisiert, schicken Sie mir. „Jos. von Bergmann, kk. Director in Wien" Landstrasse, Rennweg N. 6 zu, um es ohne Verzug dem Herrn Dr einzuhändi­gen; denn es dürften der Bittsteller viele sein. Ich werde hier Ihre drei literarischen Producte als Beleg Ihrer Leistungen beilegen, welche wohl in der Hofbuchhandlung Braumüller zu bekommen sind.

    Ich hoffe, daß Sie für dießmal 100 fl erhalten; mein Wunsch geht aber dahin später eine weitere Unterstützung zu erreichen, um Muße zu schriftstellerischen Arbeiten zu gewinnen u. durch neue Leistungen Ihre Lage zu verbessern.

    „Reich u. arm" habe ich mir im Octob. von meiner Frau u. Tochter abends vorlesen lassen u. war sehr erfreut über diese Lectüre, so auch die beiden Vorleserinnen. Neulich bei einem der ersten Herren des kais. Hofes speisend kam die Hausfrau, eine geborene Gräfin Chotek, auf Ihre „Nummamüller's", die ihr überaus wohl gefielen. Bei dieser Gelegenheit konnte ich im Gespräche mehr in das Wesen des Waldes u. seiner Bewohner eingehen, so auch vom Verfasser sprechen.

    Meine „Landeskunde v. Vorarlberg" ist nun aus der Presse gekom­men. Sollten Sie kein Exemplar von diesem Buche v. 128 S. u. mit einer Landkarte besitzen, so wollen sie mich hievon in Kenntniß setzen.

    In der Hoffnung von Ihnen recht bald die Bittschrift zu erhalten, verbleibe ich Ihr wohlmeinender Landsmann

    Jos. Bergmann

    Josef von Bergmann
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 12. Dezember 1868

    Lieber Freund!

    Gegenwärtig verlaufen mir die Tage in Ziffern u. Zahlen, und nur am Abend erfolgt durch die nicht gar zu langen Vorlesungen der Margareth eine Unterbrechung.

    Um so mehr freut es mich von dir Nachrichten zu erfahren die wahrhaft nicht in den Bereich des Gewöhnlichen gehören. Das Schreiben des Ministerialraths Hamm hat wenigstens meine Erwartungen noch übertroffen. Ich habe dasselbe zuerst gelesen und mir gedacht was du von seinen Anerbiethungen zuerst an­nehmen werdest.

    In der Eile fiel mir ein du werdest wohl zuerst darnach greifen, ein von der Regirung unterstützter Schriftsteller zu werden wenn dir über die Art deines Wirkens vollkommen freier Spielraum gelassen werde.

    Aber bei Lesung deines Schreibens mußte ich dir doch recht geben, und meinte noch hinter deiner Wahl eine dir eigene Berechnung zu erblicken, dahingehend, daß man die scheuen Vögel zuerst fangen müße.

    Mir scheint mit diesem Schreiben hat die Aussicht auf deine finanzielle Zukunft sich auf einmal ganz anders gestaltet, deß­wegen war ich einigermassen überrascht daß dein Jubelruf einzig dem Freigesprochen des Auer Caßino galt; aber auf der ändern Seite ist auch wahr, daß dich der Anklagezustand in früheren Jahren gewaltig geärgert hat.

    Der Käsehandlungsverein wächst im Kredit; binnen einigen Tagen wurden von Bregenzerwäldern über 6000 Fl. Anlehen in die Caße eingelegt. Dadurch haben wir natürlich Geldüberfluß bekommen und der Außschuß beschloß in der Folge dessen, daß allen jenen Mitgliedern, welche noch unausgeglichene Schätzungen besitzen der betreffende Betrag oder ein Theil deßselben zu 5 % abgelassen werde, wenn sich das betreffende Mitglied binnen 4 Tagen melde.

    Wir haben „Reich und Arm" wieder von neuem zu lesen ange­fangen und ich habe wieder viel schönes dabei gefunden, was ich bei der ersten Lesung gänzlich übersehen habe. Dein Stiel ist so gedrängt daß, wenn sich der gemüthliche Zuhörer auf dem Kanapee einige eigene Gedanken erlaubt, u. die gütige Leserin dessen ungeachtet mit ihrem Vortrage fortfährt, der Erstere sich bei ein paar überträumten Sätzen auf einem ganz anderen Gedanken­felde wiederfindet.

    Der Stülzlis Mari habe ich deinen Gruß ausgerichtet, sie machte aber ein ganz ungläubiges Gesicht dazu. Der Karl ist mit deinem Roman den du ihm geschickt hast, sehr zufrieden, allein er kömmt vor lauter Liebesangelegenheiten nicht recht zum Lesen. Viele Grüße von der Margreth u.

    Deinem Freund Josef

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 11. Dezember 1868

    Lieber Freund!

    Heut ist großer Briefschreibetag. Schon mehr als ein halbes Dutzend liebe Menschen hab ich angeredet. Du kommst zuletzt, gerade wo das Plauderstündlein angeht. Mein Reich und Arm hast Du etwas mitgenommen. Ich muß mir das schon gefallen lassen, denn Bücher werden geschrieben, daß man sie lese und überlege. Sie sind daher schon nicht umsonst, wenn sie nur Material bringen und Fragen anregen. In der Beziehung tadelst Du mich nicht und hättest wohl auch keinen Grund, denn es dürfte kaum ein Blatt, ja wohl keine einzige Seite sein, worauf der Titel nicht paßte. Auch mensch­liche Gerechtigkeit - die des Geschichtschreibers findest Du geübt, indem Licht und Schatten ziemlich gleich auf beide Seiten verteilt sind. Am grellsten hab ich die Mitte - d. h. die Kluft zwischen Reich und Arm beleuchtet, die Entsittlichung, die der gesellschaftliche Gegensatz schon auf den einfachsten Menschen ausübt. Das hätte von Dir Erwägung verdient. Wenn Du das Ganze von diesem Gesichtspunkt betrachtest, könntest Du zugestehen: Es ist alles gesagt oder doch an­gedeutet.

    Aber die Lösung ist Dir zu - ästhetisch? Du wolltest auch dort noch die Entartung des Menschen gezeigt, Du forderst jene höhere göttliche Gerechtigkeit, welche man dem Dichter zuspricht und mit Recht, denn wenn sie nicht da ist, fehlt alles.

    Ich hoffe und wünsche daher, daß wir sie finden. Freilich suche ich mit dem Auge des Ästhetikers, aber laß mich jetzt machen.

    Du gibst schon zu, daß in Wirklichkeit eine Verbesserung der sozialen Ordnung in einem Kunstwerke nur innerhalb der sittlichen Weltordnung gezeigt und angestrebt werden kann. Diese Weltordnung beruht auf dem Satze: Was du nicht willst, tu ändern nicht, auf den Pflichten gegen den Nächsten und auf den Verboten, z. B. du sollst nicht töten. Sage mir, welchen Eindruck machte es, wenn das Volk sich rächte, statt daß den Krämer die Furcht vor dem selbstgeschaffenen Ge­spenst ins Verderben treibt. Ich bleibe dabei, das ist Arbeit des Dramatikers, das große Trauerspiel der Gegenwart zu schreiben. Heute würde das Pfaffentum auf dem Grabe jubeln. Ein Trauerspiel war's noch trotz dem Jubel am Aus­gang, aber wer gewinnt, wenn man es schreibt? Die Bour­geoisie.

    Wenn das Volk mein Buch läse, könnte es denn nichts daraus lernen als warten, bis ein Krämer ins Feuer springt? - Dann war's freilich umsonst, im Roman eine Frage zu bearbeiten. Ich denke, man sollte dem Volk nicht zu sehr voraus eilen. Und der Bourgeoisie und dem Pfaffentum möchte ich keine Waffen in die Hand geben. Ich schrieb auch das Kapitel „Im Wald", aber ich stellte es nicht an den Schluß. Die Leiden­schaft des Rachegefühls wecken wollte ich, sie auch befreien durfte ich nicht.

    Unser Vetter Bruggmüller in Egg ist nun zweimal nach Amerika und zweimal zurück und ist noch immer groß vor dem Herrn, obwohl er am Vater zum Mörder, an der Mutter zum Dieb wurde und Weib und Kind dem Schicksal preisgab. Und der Kronenwirt in Bezau!

    Aber ich will Dich verschonen mit unsern ungestraften Er­bärmlichkeiten und auch zu Ende eilen mit meiner Selbst­kritik, obwohl ich Dir noch vieles sagen möchte und nicht ungern meinen Roman dem Schweizerschen gegenüber­stellte. Der reißt alles nieder und läßt am Schluß die Bour­geoisie obenauf, um im Leser das Gefühl der Rache zu wecken. Dabei zeigt er die Erbärmlichkeit der Bourgeoisie in ihrem gegenwärtigen Stadium. Das ist nicht ästhetisch, und wirken tut es schon darum nicht, weil es nicht gelesen wird, obwohl der Preis auf 1/4 herabgesetzt wurde. Schweizers Kapitalisten sind nur Unmenschen, Narren, Wüstlinge und Wucherer, Menschen sind es nicht, und der Roman will doch auch einige Menschlichkeit, damit das Interesse erhalten bleibt. Der Krämer geht unter im Kampfe gegen das Menschliehe in sich, weil ihm die Umgebung noch nicht gewachsen ist. Hättest Du es gerechter gefunden, die ändern Mörder werden zu lassen, daß denn ihre Tat Böses gebärend fort­wälze nicht nur in ihrem Leben und auf die Kinder, sondern auch aus meinem Buche durch alle Blätter auf die Sozial­demokratie.

    Vor fünf Wochen kündete Pfarrer Birnbaumer im Kasino für nächsten Sonntag einen Vortrag über Reich und Arm an. An besagtem Sonntag sagte er: Er müsse das Buch noch besser durchgehen in den nächsten 14 Tagen. Dann sagte er nach 14 Tagen, er möchte nicht zu viel sagen auf keine Seite, man solle ihm noch 14 Tage Bedenkzeit gönnen. Endlich am letzten Sonntag kam das Urteilchen so zahm und lamm­fromm, als ich, sonst niemand, es erwartet hatte. Meine Ge­danken über die soziale Frage seien Perlen, Hiebe wären vom Verfasser der Sonderlinge zu erwarten. Das Buch be­zeichne diesem gegenüber einen großen Fortschritt. Es stehe auf katholischem Boden und sei zwar gerade nicht zu emp­fehlen, doch auch nicht zu verwerfen.

    Birnbaumers Stellung in Au hat sich sehr verschlimmert, und man würde ihm noch einmal kränzen, wenn er ginge. Daß ich an vielem schuld sein soll, versteht sich. Übrigens ist man gegen mich, wie Du siehst, sogar mehr als vorsichtig. Ministerialrat Hamm hat mir einen freundschaftlichen Brief geschrieben, der mich sehr freut und den ich Dir nächstens schicke mit einem Brief von Hirzel, den ich bisher schon in Deinen Händen wähnte.

    Die Frau des Baron Seyffertitz schickt meinen Kindern Klauso­züg und mir Bücher. Meine Selbstbiographie wächst, und schon gewinne ich wieder Mut zu freiem dichterischem Ge­stalten.

    Mariann liest mir fleißig vor, tut die Arbeit und lernt mit mir und von mir. Die Kinder haben sie recht lieb und ich auch. Schreibe bald wieder. Es grüßt Dich mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund           Felder.

    Die Bilder sind beliebig zu verwenden.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 10. Dezember 1868

    Coeslin, Provinz Pommern den 10. Decbr 1868 Geehrter Herr!

    Beim Lesen der Gartenlaube pro 1867 finde ich Seite 234 ff. einen Aufsatz über Sie.

    Wenngleich ich wohl annehmen darf, daß Ihre Zeit es wenig gestattet Sich in weitere Correspondenz einzulassen, so kann ich doch nicht umhin, auf kurze Zeit dieselbe in Anspruch zu nehmen. Mein noch in Stolp lebender Vater der Glasermeister Franz Xaver Felder geboren zu Bezau am 23 December 1 789 hat es nie geliebt, uns seinen Kindern viel über seine Heimaths= und Familienver­hältnisse mitzutheilen, da ich während mehrjähriger Reisen aber nie den Namen Felder gefunden habe, so hat es mich um so angenehmer überrascht, demselben nun mit einemmale aus der lieben Heimath meines guten Vaters erklingen zu hören. Sie werden meine Bitte nicht für unbescheiden halten, wenn ich Sie freundlichst ersuche, mir, wenn Ihre Zeit es gestattet, gefälligst mitzutheilen, ob Sie oder Ihr Vater sich des meinigen erinnern können, und in welchem verwandtschaftlichen Verhältniß wir zu einanderstehen.

    Mit dem herzlichsten Wunsche, daß Ihr begonnenes Streben ein von Gott gesegnetes sein möge und indem ich Ihnen und Ihrer lieben Familie ein aus dem Herzen kommendes „Grüß Euch Gott" zurufe, bleibe ich in Erwartung eines Bescheides

    mit größter Achtung Ihr

    Eduard Ludwig Felder

    Magistrats Kanzlist

    zu

    Coeslin, Provinz Pommern, Preußen.

    Eduard Ludwig Felder
    Coeslin/Pommern
    Franz Michael Felder
  • 10. Dezember 1868

    Verehrtester Herr

    Ihr werthes Schreiben hab ich längst erhalten und nur darum nicht sofort beantwortet, weil ich gleichzeitig auch den Empfang der von Ihnen erwähnten Sendung bestätigen zu können wünschte. So wartete ich denn bis heute. Da aber noch nichts von Hrn Hirzel in Leipzig gekommen ist, so möchte ich doch endlich meinem Herzen genug thun und Ihr liebes Schreiben erwiedern. Wie war es mir erfreulich Sie auf dem Boden meiner Heimat zu begrüßen! Der Sohn des fernsten Nordens beim Vorarlberger und durch Schreiben so zusammengekommen! Schon der Gedanke, als ich ihn mir ausmahlte, daß ich denn doch nicht gar so verlassen sei auf der Welt als es mir zuweilen

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    H.F. W. Grottendieck
  • 10. Dezember 1868

    Lieber Freund! Freigesprochen. Juhui!

    Diesen frohen Laut hast Du lang nicht mehr von mir gehört aber wenn einmal Wunder für Eins geschehen, darf man sich wol aus seiner Werktagsstimmung erheben.

    Das Kasino in Au ist endlich über Reich und arm zu gericht gesessen und hat mich ziemlich gut gehen lassen.

    Wenn Du den Roman gelesen hast, wirst Du sehen, welches Opfer hier der Berechnung gebracht, welche Zugeständnisse der - Furcht vor mir und meinem Anhang in Au gemacht wurden. Es hieß: das Buch habe Hiebe, wie vom Verfasser der Sonderlinge zu erwarten sei aber im Ganzen ein großer Fortschritt. Viele neue Gedanken seien geradezu Perlen, die Schreibfehler wolle man dem Autor vergeben.  (Hildebrand hat sie auch stehen lassen) und übrigens stehe das Ganze auf katholischem Boden und sei weder zu empfehlen noch zu verbieten. Siehst Du sagt ichs nicht!

    Seit die Herrn die sociale Frage in die Hand nehmen möchten, wagen sie sich nicht und können nicht mehr hinter mich. Drei Kapitel meines Buches, das 11 te 13te und 18te haben sie gegen ihre Gewohnheit ganz mit dem Mantel der christlichen Liebe be­deckt.

    Seyffertitz hat mir auf ein Schreiben brieflich und seine Frau mit einer großen Schachtel voll Kinderspielsachen u. Büchern geant­wortet.

    Auch Hamm hat geschrieben ich lege den Brief bei. Sei aber so gut, ihn für Dich zu lesen und bald wieder zu schicken. Ich sollt ihn schon nächste Woche haben und möchte Dich auf diese Weise zum Schreiben zwingen.

    Meine Antwort kannst Du Dir denken. Ich bath, er möchte sich an die Schillerstiftung wenden. Wir wollen sehen. jetzt lese ich Bornes Schriften die ich mir-aus-angeschafft habe. Du weißt schon warum.

    Meine Selbstbiografie wächst auch gewinne ich wieder mehr Lust zu freien Gestaltungen. Ich fühle meine Kräfte wachsen. Meine Kinder sind bei Mariannen gut versorgt und ich auch. An Bezau denk ich noch gern und bitte mir alle Bekannte zu grüssen Reinhardt, Förster, Cärbers Lisabeth, die Stülzo Mari u. besonders Deine Frau. Der Lisabeth - so heißt sie doch - werd ich etwas zu lesen schicken durch Dich. Lebe wol und vergiß nicht

    den besten Freund Dein Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 7. Dezember 1868

    Lieber Herr Felder!

    Ihre freundlichen Zeilen vom 2. d. M. die mir gestern zukamen, haben mich eigentlich sehr trübe gestimmt, denn ich habe daraus entnommen, daß es Ihnen nicht gut geht. Dazu habe ich mir immer Vorwürfe zu machen, daß Sie um das Heft der Grenzboten gekommen sind, durch meine Schuld, u. daß ich außer Stand mich sehe, Ihnen dafür Ersatz zu bieten.

    Unterdessen hat mir der Buchhandel Ihr neues „Arm u. Reich" gesendet u. ich habe daraus viel Vergnügen geschöpft, u. glaube entdeckt zu haben, daß Ihr Geist darin einen neuen Aufschwung genommen. Wie wenige Ihrer Leser, welche sich aus jenem Buche Freude u. Erholung schöpfen, denken daran, in welch trüber Lage der schaffende Geist sich befindet, der so Schönes geschaffen? Den Trompeter v. Säkingen, - ein Geschenk Scheffels an meine Frau - leg ich Ihnen hier bei, zum beliebig langen Gebrauche, u. meine Frau fügt noch für Ihre Kinder, da es gerade Niklaustag sei, einige kleine Spielereien, damit sie in Ihrer Einsamkeit auch eine kleine Abwechslung haben. Ich hoffe, Sie werden diesen Schritt freundlich aufnehmen; u. ihrdie Freude machen, die Kleinen damit zu betheilen.

    An Scheffels Ekkehard habe auch ich vor ein paar Jahren große Freude gehabt, nicht leicht findet man eine so zarte Behandlung eines zarten Gegenstandes, wie in jenen Blättern, u. eigens um den Schauplatz jener Ereignisse zu sehen, bin ich im J. 1865 einmal auf dem Hohentwiel gewesen. -

    Lassen Sie mich bald wieder etwas von Ihnen hören, oder kommen Sie einmal noch besser mich heimsuchen u. empfangen Sie derweilen meine u. m. Frau beste Grüße.

    Ihr ergebener C. Seyffertitz

    Carl von Seyffertitz
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 6. Dezember 1868

    Lieber Freund!

    Deine zwei letzten Briefe haben mich recht gefreut, da in denselben ein harmonisches Zusammenwirken ungebroche­ner, noch viel versprechender Kräfte sich erkennen läßt. Das Sonett ist trefflich und an die Adressen verteilt. Den Brief an die, wie es scheint, von Ehrgeiz geplagte Hedwig Gaßner werde ich besorgen. -

    Auer Burschen sind allerdings imstande, eine respektable Ver­schwörung zusammenzubringen. Mir ward es im Jahre 1861 und 1862 klar, wie ein Häuflein dieser Auer die Kraft haben konnte, der mächtigsten Kirchengemeinschaft der Welt und der populärsten weltlichen Obrigkeit zu trotzen und lieber als Verworfene auszuwandern, als ihrer neuen Überzeugung zu entsagen.

    Wie leicht diese verkommenen Gewohnheitsdusler für einen Gedanken zu gewinnen sind und mit welcher musterhaften Disziplin sie sich ihm unterordnen, habe ich selbst erfahren. Das Faschingdienstagstückl vom Jahre 1862 ist psychologisch eine Heldentat, deren wirklich nur Auer fähig sind und auf die die Täter mit Recht immer stolz sein können. Einige ver­kommene Burschen verschworen sich gegen die bornierte Obrigkeit und setzten unvermerkt eine Demonstration in Szene, worüber die Obrigkeit sich derart entsetzte, daß sie vollkommen den Kopf verlor und in die gröbsten Lächerlich­keiten verfiel, z. B. die komische Gegendemonstration in der Sonne, die illoyale Amtierung des bezirksamtlichen Abgeord­neten und schließlich das totale Abgehen von früher gefaßten Gemeindebeschlüssen und Außerkurssetzen der maßgeb­lichen Persönlichkeiten in der Gemeinde. Unsere stramme Disziplin und legale Haltung imponierte den besiegt sich fühlenden Gegnern derart, daß sie sicher heute noch im Innern uns Dank wissen, daß wir vom Sieg so bescheidenen Gebrauch machten. Dem Bezirksrichter Mathis merkte ich, als ich einmal hier das Gespräch auf jene Vorkommnisse, die ihm sehr viel Kopfarbeit machten, lenkte, Ähnliches sehr wohl an. - Wenn verkommene Auer Burschen /: Schmidlebub und Adlerwirt, Witwer von dazumal etc. :/ einem Gedanken gegenüber, der nichts weniger als einer Begeisterung würdig und fähig ist, eine solche hervorzurufen, sich so tapfer hielten, wessen sind diese fähig, wenn eine Idee sie ergreift, die wirk­lich eine hohe und große ist und die Kraft zeigt, eine Welt­revolution in Aussicht zu stellen. - Welchen unerbittlichen Trotzes ein Auer Proletarier fähig ist, weiß ich, wenn ich mich selbst anschaue, und diese Proletarier können nicht bloß, sie müssen sich verschwören, wenn sie ihre Blutsauger kennen und die Mittel, sie zu bewältigen; sie werden auch nicht lange warten, wenn sie den vom Dämon gepeitschten Krämer zum Brandstifter werden sehen, bis er in die Flamme springt, sondern werden ihn einfach hineinwerfen und die Fähigkeit erweisen, Organe der rächenden Nemesis zu sein. Wenn man im Jahre 1868 ein Buch schreibt ,Reich und Arm' und die Handlung in die Au verlegt, so gebietet der Ruf eine groß­artige Behandlung und sollte keines Schillers bedürfen. -

    Bezüglich der Verpachtung Deiner Güter würde ich wohl ausschließlich dem Gutachten der Mutter folgen. Könnte diese nicht hierin ein Provisorium vermuten, das Du noch für ihre restliche Lebenszeit triffst? Das wäre für sie gewiß schmerz­lich. -

    Auf Deine Biographie bin ich nach dem vorletzten Brief begierig und würde, um einen Vorgeschmack zu erhalten, einige Brocken gerne zu Gesicht bekommen. -

    Jetzt noch Einiges davon, wie ich in neuerer Zeit von dem Frauengeschlecht beansprucht werde.

    Daß ich der Berater und Beistand meiner Tante in Rehmen sein mußte, ist alt. Ein gut Stück meiner Kraft brauchte ich, um den Gemütsdruck zu parallelisieren, den mir der Tod Deiner Gattin verursachte. Die Nann und ich sind in unserer Familie immer nebeneinander gestellt worden, und ich hatte bei meiner letzten Anwesenheit in Au deshalb nebst dem allgemeinen Schmerz der Familienglieder noch einen ganz aparten zu erdulden. Die wehmütigen Blicke, denen ich bei meinen Geschwisterten begegnete und die eine unsägliche Sprache sprachen, die zu ertragen und zu verwinden, unter jenen Umständen zu verwinden, erforderte viel, viel. Um jene Zeit suchte Augusta Rhomberg, Tochter des Jakob Rhom­berg in Dornbirn, ein sehr talentvolles, kräftiges Frauen­zimmer, einstige Geliebte des Dr. Waibel, nach harten Schick­salsschlägen bei mir eine Stätte, um ein angenehmeres Dasein zu genießen. Sie ist seither bei mir, und kann Pius Dir manches von ihr erzählen. Seine Kritik wird aber etwas hinken. -

    Die Witwe des Jakob Moosbrugger, meine Schwägerin in Schruns, scheint es trotz meines Widerstrebens beim Gericht in Schruns nun durchzusetzen, daß ich als Mitvormund ihr bestellt werde. Da Moosbrugger ein reines Aktivvermögen von 36.000 Fl. hinterließ und darunter einen Fabriksanteil, ist diese Bestellung kein Spaß und umso weniger, weil der zweite gleiche Fabriksanteil der Frau Stöckl in Bregenz, Schwiegermutter des Feurstein in Bezau, gehört, die unter jene Wälderinnen zu zählen ist, welche laut Arm und Reich einst das Land regierten. -

    Ist das nicht eine leise Ironie des Schicksals, daß ich ein Mit­regent einer Bourgeois-Fabrik werden muß? -

    Der Schweizer Hirzel hat seine Sache sehr gut gemacht. Fast interessanter ist mir die Kritik der Kirchenzeitung. ­Die vom Ministerium des Ackerbaues herausgegebene Bro­schüre ,Zur Hebung der Alpenwirtschaft' ist sehr wertvoll und sollte im Bregenzerwald, obwohl dieser vom Verfasser völlig ignoriert wurde, fleißig gelesen werden. Allerdings hat sie großartige Schattenseiten. Wenn ich Zeit und Muße gewinne, werde ich über die Industrie des Bregenzerwaldes etwas schreiben und allerlei Anträge machen, die zur För­derung des Assoziationswesens dienen sollten. Hiebei hätte auch unsere Assoziation eine Rolle zu spielen, mit der wir uns schon sehen lassen dürfen. Mit Neujahr 1868 stellte sich bei der vorgenommenen Inventur eine Verminderung des Schuldenstandes per 900, eine Vermehrung des Aktivstandes per 900 und eine Vermehrung des Viehstandes per 1200 Fl. innerhalb der drei Jahre des Bestandes der Assoziation heraus, somit ein Vorhausen per 1000 Fl. jährlich oder eine 5pro­zentige Verzinsung des Stammvermögens und ein jährlicher Arbeitslohn per 100 Fl. ö. W. für jedes Mitglied über die Deckung aller Bedürfnisse der wirklich Arbeitenden. Dieses Jahr wird voraussichtlich relativ das Beste sein. ­Diese letzte Mitteilung ist Vertrauenssache, und behalte sie daher für Dich. -

    Der Pius soll der Augusta schreiben. Schicke mir gelegentlich auch das Manuskript von Vonbun. ­Bei uns alles gesund und wohl. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger Schreibe bald wieder!

    Anna Katharina Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 3. Dezember 1868

    Geehrter Herr,

    Wir haben unsere Begegnung mit Ihnen nicht vergeßen - noch weniger des großen Schmerzes, der Sie in dem Verlust Ihrer theuren Frau betroffen, - ich denke mir Sie werden das schöne Weihnachts­fest recht traurich verleben, wenn nicht die geliebten Kinderchen etwas Licht in die dunkle Nacht bringen. Wohnten wir näher, so würde ich den lieben Kleinen ein Weihnachtsbäumchen anzün­den, nun muß ich mir daran genügen laßen den theuren Vater durch einige herrliche Lieder aufzurichten. Ich habe sie gesammelt und die Zeichnungen dazu gemacht. Wenn Sie nur Etwas Trost darin finden, so wird das auf die lieben Kleinen zurück strahlen. Meine Liebe 84jährige Mutter, der mein Mann u. ich v Ihnen erzählt hat, schickt es mit mir vereint. Mein Bruder mögte durch seine Photographie Ihnen empfolen sein, er bemühte sich in Bregenz u. Lindau vergebens nach der Ihrigen, wenn Sie mit der Zeit ihn dadurch erfreuen können seine Adreße ist: Senator Schiei­den. Altona. Holstein. Die herzigen Kinder, die uns Blumen brachten, Ihren Hügel und Bänkchen sehe ich vor mir, - u wenn sie sich mit frischem Grün schmücken, dann denken Sie an den Frühling droben, der nimmer aufhört.

    Mein Mann grüßt herzlich u. ermahnt Sie die Geschichte Ihrer Liebe in Ihrer ganzen Einfachheit u. Poesie zu erzählen in einem kleinen billigen Buch, das schnelle Verbreitung findet. Vergeßen Sie ja nicht zu erzählen, wie Sie unseren geliebten Schi Her u. Göthe sich anschafften.

    - Gott segne Sie im neuen Jahr! mit seinen besten Segen! gebe Ihnen Trost u. Freude an den Kindern, Kraft u. Freudigkeit zum Schaffen daß Sie es sicher fühlen Ihr guter Engel sei noch immer um Sie! Grüßen Sie mir die liebe Frau Wirthin in Au! deren unver­gleichlichen Gasthof wir mit Freuden gedenken.

    Voll Hochachtung Angelica v Woringen.

    Angelica Woringen
    Freiburg/Baden
    Franz Michael Felder
  • 1. Dezember 1868

    Verehrtester Herr Ministerialrath!

    Herzlichsten Dank für die Freude, die Sie mir mit Ihrem werthen Schreiben gemacht haben. Hier im engsten, schattigsten Aachthal, fern von Freunden und verlassen von dem einzigen Wesen, das mich recht und ganz verstand, vielfach angefeindet von denen, die hier noch der Menschen Gedanken beherrschen und auch fürder hin noch alein beherrschen und leiten möchten, thut es einem schon an Leib und Seele wohl, das was man möchte und damit auch sich selbst irgendwo freundlich beachtet und mit einer Nachsicht beurtheilt zu sehen, die ein herzliches Wohlwollen verräth.

    Diesem Wohlwollen gedenken Sie aber nicht nur durch Worte ­und schon diese machten mich glücklich - sondern auch durch die That Ausdruck zu geben. Das läßt mich einmal etwas freier aufathmen, etwas weniger beklemmt an die Zukunft denken, die bisher kaum von einem Hoffnungsstrahl erhellt, vor mir lag und mich ängstigte.

    Zwar bin ich von Jugend auf an bitterste Entbehrungen gewöhnt. Von den etwa 400 - 600 Bänden meiner Bibliothek hat fast jeder seine eigene Geschichte blutsaurer Erwerbung. Ich konnte fast nur bei Nacht lesen und schreiben; den Tag über mußte ich mir auf meinem Anwesen unser Brot und durch Tagwerkerarbeit u. dgl die theuren Bücher verdienen. Professor Dr Hildebrand war im Som­mer 1867 mehrere Wochen hier bei mir, um meine Verhältnisse kennen zu lernen. Er war vielleicht der einzige Freund, der meine Heimat in recht trüber Stimmung verließ. Als ein wahrer Freund that er für mich was er konnte. Er bettelte bei seinen Freunden in Leipzig für mich daß ich Geld bekomme, um einmal ein wenig etwas von der Welt zu sehen. Er beherbergte mich in seinem Hause und erschloß mir die bessere Gesellschaft. Aber es war ihm nicht möglich, für meine beiden Romane ein Honorar herauszubringen, das mich und die Meinen für längere Zeit sicher stellte. Die Sonderlinge sind bereits ins Holländische übersetzt und eine Übersetzung ins Französische ist in Aussicht, aber was hilft mir das, wenn ich unterdessen wieder die Mistgabel zur Hand nehmen oder das Anwesen des Vaters verlassen muß. Wenn meine Feder mir kaum so viel verdient, daß ich einen armen Verwandten die ärgste Würgerarbeit thun lassen darf, die dem kurzsichtigen geradezu lebensgefährlich ist.

    Gestatten Sie mir, Ihnen kurz meine gegenwärtige Lage darzu­stellen.

    Mein Anwesen dahier trägt vier Kühe. Rechne ich nun Jahreszins, Steuern, Taglöhne u. andere durch das Anwesen bedingte Ausga­ben, so bleiben mir vom jährlichen Ertrag höchst selten zweihun­dert Gulden, niehmals ein Kreuzer mehr dagegen oft viel weniger. Davon soll ich nun fünf Kinder mich und die beinahe blinde Großmutter erhalten. Freilich muß ich hier auch der Erträgnisse meiner Feder gedenken, aber mein Verleger zahlt mir bisher für den Bogen noch nicht einmal volle zehn Gulden. Und nun noch etwas recht trauriges etwas, das mir noch immer einen Stich ins Herz gibt und doch gesagt sein muß. Mein liebes gutes Weib hat nicht nur mein Auge geschont und bei Nacht für mich geschrieben und gelesen sondern mir auch - eine Magd erspart, die ich von jetzt an ebenfalls zu erhalten habe. Wie viel Geld mir da noch zu Büchern, wie viel Zeit zu so nötiger weiterer Ausbildung, wie viel Stimmung zu tüchtigem schriftstel­lerischem Schaffen bleibt, können Sie Sich denken.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 1. Dezember 1868

    Mich schreckt weder der dumme Zweifel - über den unbestimmten Empfang, noch einen möglichen Verstoß gegen Frau Etiquette zurück, Ihre stille Häuslichkeit aufzusuchen! Begeisterung kennt kein warum: sie durchbricht jede Schrancke und gibt Muth den Gedanken zur That werden zu lassen. Ich habe: „Reich und Arm" soeben vollendet. O das war herrlich Herr Felder! Ich fand so viel Klänge in diesem Ideenspiel, die mich unendlich harmonisch berührten. Wir armen Menschenkinder haben ja hie und da auch schöne Phantasiegebilde, doch nur den höher Be­günstigten ist die Macht gegeben, sie zur Freude und zum Genuß Anderer zu verwerthen!

    O Herr Felder was möchte ich dafür bieten - und wie lächerlich, ich wage es zu kommen mit einem einfachen Dank auf den Lip­pen.

    Aber ein tiefgefühlter Dank aus warmer Menschenbrust, ist er nicht ein Gebet für das Wohl desjenigen, der diese Empfindung wach ruft? Sonderbarer Mensch, der aus so einfachen Vorkommnißen des Lebens es versteht, eine derartige Schöpfung in's Leben zu rufen. Der Gedanke, alle diese Ideen sind Kinder Ihrer eigenen Überzeugung - sind mit Ihnen groß gewachsen - und nicht in der Schule eingeimpft worden; das ist's, was mir Alles bedeutungsvoll macht, was mich zum Entzücken hinreißt! Doch nein - diese Sprache nicht, ich wollte Ihnen so Vieles sagen, doch zu Allem fehlt mir das passende Kleidchen, und ich komme mir so bettelarm vor, einem solchen Manne gegenüber.

    Doktor Scherer aus Stuttgart ist mein Freund, seine Schilderung ließ mich erkennen, daß Sie ihm eine warme Sympathie abgerungen, als er im verflossenen Herbst das Vergnügen hatte, Sie kennen zu lernen. Auch er ist ein bevorzugter Sohn der Musen, sein Urtheil kein alltägliches, es freute mich deßhalb, daß er ein solches Lichtbild in unsern Bergen fand, das wird ihm unser Ländchen noch reizender machen.

    Ich habe ein Kleinod, in einem liebenswürdigen Schwesterchen, das meine Begeisterung für Sie theilt, das mich das Organ sein läßt, durch welches sie Ihnen tausend Dank entgegen sendet. Zum Abschied reichen Sie mir die Hand-geehrter Herr Felder-es soll mir ein Beweis sein, daß Sie dem kecken Eindringlinge nicht zürnen, daß Sie ihm im Gegentheil die Erlaubniß geben, vielleicht wieder zu kommen, wenn mir etwas unklar sein sollte, oder mich ein Zweifel quält.

    Daß Sie noch recht - recht lange zur Freude der Menschheit - Ihre geistige Thatkraft opfern - das sei das tägliche Gebet

    Ihrer Sie hochverehrenden Hedwig Gassner

     

    Hedweig Gassner
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 30. November 1868

    Lieber Freund!

    Endlich komme ich mit der längst versprochenen Zeitung. Daß die Zusendung nicht aus meiner Schuld verzögert wurde, kannst Du Dir denken, daß ich Deinen Brief so lange unbe­antwortet ließ, wird Dir mehr aufgefallen sein. Mündlich hätte ich Dir sehr viel darauf geantwortet, brieflich nimmt sich die Sache ganz anders aus, wenn man sich selbst loben und tadeln sollte. Freilich handelte sich's hier mehr ums Ver­teidigen, und da muß ich schon einiges beantworten. Ich selber bin, seit das Buch gedruckt vor mir liegt, mit dem Jos am wenigsten zufrieden. Aber das kann ich doch weder an ihm noch an Hansjörg tadeln (psychologisch), daß das Bewußtwerden ihrer Lage sie herabdrückt. Ich glaube nicht, daß sie eine Verschwörung unter den verkommenen Gewohn­heitsduslern in Au zustande brächten, die man sehen lassen dürfte. Das Kapitel - im Walde - jedoch solltest Du nicht vergessen. Meinst Du, das müsse nicht wirken aufs Volk, mehr als eine Behandlung des Stoffes, wie sie vielleicht in 100 Jahren ein zweiter Schiller wagt?

    Die innere Lösung vollzieht sich in den von dem Helden und den Bauerngemeinden losgerungenen Gedanken, und zwar so, daß sie einen Sozialdemokraten befriedigen dürfte, die äußere gemütliche Lösung ist für den Romanleser da.

    Vielleicht nehme ich - da doch noch so manche Verzahnun­gen da sind, den Stoff wieder einmal auf und lasse meine Helden ihre Rolle weiter spielen. Jetzt freilich trage ich einen ändern Gedanken herum, während ich rüstig an meiner Selbstbiographie arbeite.

    Etwa drei Wochen war ich bei Feurstein in Bezau. Man war bemüht, mir das Leben schön zu machen, und ich habe mich in seinem Kreise recht heimisch gefühlt. Der Mann trägt sich mit kühnen Plänen und ist für die Pflege des bereits Ent­standenen unermüdet. Hier in Schoppernau und Au haben wir für den Winter 8 Vereinssennereien. Galli muß für die Maß Milch 18 Pf. zahlen und bekommt doch noch nicht genug.

    Von Frl. Hedwig Gaßner in Bludenz hab ich einen Brief erhalten, den ich hier beilege. Lese ihn für Dich, sende ihn dann wieder an mich. Ich möchte schon wegen Scherer ant­worten, wenn Du so gut sein und einen Brief besorgen willst, den ich nicht gern auf die Post gebe.

    Bei mir daheim geht alles seinen Gang, so gut es kann. Mariann hält sich, daß ich sie nur loben kann. Den Kindern ist sie längst wie eigen, auch mir ist sie recht lieb, und ich ließe sie schwer wieder heim. Sie denkt auch nicht ans Gehen, obwohl man sie daheim dazu bereden zu wollen scheint, weil es der Mutter um den Verdienst einer Näherin ist.

    Ich denke jetzt ernstlich daran, meine Güter für einige Jahre zu verpachten, um dann keinen Knecht mehr halten zu müssen. Jetzt würde alles viel gelten, und wir hätten es dann ruhiger, bis die Kinder gewachsen sind. Schon das Wible hat das gewünscht. Eine Kuh für uns würde ich allenfalls behalten. Was sagst Du dazu?

    Von ändern Planen, die jetzt in mir aufdämmern, möchte ich lieber mündlich mit Dir reden.

    Von Hamm hab ich noch immer nichts. In Bezau wuchs meine Biographie. Soll ich Dir einen Brocken davon schicken? Ich glaube, Du wirst mit der Arbeit zufrieden sein.

    Über Kathrinentag wenig Neues, was geschrieben zu werden verdient.

    Ich erwarte von Dir einen Brief in meiner Schoppernauer

    Einsamkeit, gegen die das Leben in Bezau ein städtisches ist.

    Grüße mir die Deinigen.

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund                                                          F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 25. November 1868

    Verehrter Herr!

    Rechnen Sie mir es nicht als Unart oder Vernachlässigung an, daß ich Ihr werthes, interessantes Schreiben erst heute beantworte. Als es einlief, war ich schon wieder auf Dienstreisen; kaum waren diese beendet, so kam der Agrarische Congreß, der mir keine freie Minute gönnte, und als der vorüber war, wollte ich doch erst Ihr „Arm und Reich" lesen, für dessen freundliche Uebersendung ich herzlich danke. Das hab' ich denn nun am Sonntag in einem Zuge gethan und zwar mit doppelt gefesseltem Interesse, da ich ja nunmehr Land und Leute kenne. Da ich auch die „Sonderlinge" frisch von der Presse weg gelesen habe und besitze, so darf ich mir vielleicht ein Wort der Kritik erlauben, welches lautet: Arm und Reich ist ein Fortschritt in der knapperen Charakteristik, in der geschickten Bewegung der handelnden Gruppen vielleichtauch im Styl und Ausdruck. Ich hoffe damit, den Sonderlingen nicht zu nahe zu treten, die ich hoch verehre, und mir für die Winterabende zur abermaligen lecture zurechtgelegt habe, die mir jetzt erhöhten Genuß gewähren wird. — Ihre eigenthümliche Laufbahn verfolge ich schon seit dem ersten Bekanntwerden derselben mit großem Interesse, denn, wenn ich auch meine fachliche Thätigkeit dem materiellen Gebiete zuwende, so bin ich nichts destoweniger den schönen Wissenschaften nicht fremd, bin namentlich seit Jahren Mitarbeiter der Gartenlaube und ähnlicher periodischer Schriften. Daher war mir der Ausflug in den Bregenzer Wald, speziell zur Thierschau nach Andelsbuch, schon um deswillen so anziehend, weil ich fest darauf zählte, bei dieser Gelegenheit mit Ihnen zusammenzutreffen. Je nun, aufgeschoben ist nicht aufgehoben; es hat mir so gut in Ihren reizenden Bergthälern gefallen, daß ich sie gewiß so bald als möglich wieder heimsuchen werde. - Vor allen Dingen möchte ich aber jetzt die Frage erörtern: Wie und auf welche Weise kann ich Ihnen hülfreich sein? Sprechen Sie sich darüber ganz offen aus. Brauchen Sie Geld, brauchen Sie Aufträge? Ich kann, wenn Sie das wünschen, die Schillerstiftung für Sie interessiren, ich kann für Sie eine Nationalsubscription in der Gartenlaube eröffnen und werde dies gern thun, sobald Sie mir dazu Erlaubniß geben. Sträubt sich dagegen ihr Sinn, so möchte ich Sie auf ein Gebiet weisen, auf dem Ihre Feder jeden wünschens­werthen Lohn erwerben könnte. Es ist dies die landwirthschaftliche Belehrung im Gewände der Dorfgeschichte. Daran fehlt es noch sehr, was wir davon haben, ist wenig werth; dergleichen Bücher, wenn gut, nützen viel, werden überall gekauft u. gelesen. Hier könnte ich auch von meinem amtlichen Standpunkt aus mit Remuneration und Subvention ohne Weiteres zu Hülfe kommen. Gern bin ich persönlich bereit, zu jeder Ihnen etwa nöthig erschei­nenden Auskunft, zur Berathung des Plans, zur Aufstellung der Gesichtspunkte und Ziele etc. ohne dabei im Geringsten der Gestaltungskraft des Autors zu nahe treten zu wollen. Es sollte für mich wahrlich ein schöner Erfolg sein, wenn es mir gelänge, Sie auf ein Gebiet zu ziehen, welches Ihnen ja das nächstliegende sein muß. Kennen Sie die Schriften von Jeremias Gotthelf? Unter ihnen ist ein Band, betitelt: Die Käserei in der Vehfreude; dieser span­nende Roman im schlichtesten Gewand der Dorfgeschichte hat­trotz seiner vielen rohen, oft unverzeihlichen Auswüchse - für das Käserei = Genossenschaftswesen in der Schweiz mehr geleistet, als alle ändern daraufgerichteten Bestrebungen. In ähnlicher Weise Ihr Talent zu verwerthen, dahin möchte ich Sie stimmen; der Charakter= Roman bleibt Ihnen nebenbei unbenommen. Was sagen Sie dazu? Neulich hatte ich an R. Gottschall in Leipzig geschrieben von meiner Vorarlberger Reise; er hat mir geantwortet: Schreiben Sie mir so rasch als möglich einen Beitrag für Unsere Zeit über das wundervolle Land und vergessen Sie dabei nicht umständ­lichen Bericht über die Felder'schen Romane! - Sie sehen, wie sehr man Sie draußen schon schätzt.* Find' ich über Winter Zeit, so schreib' ich wohl eine „Vorarlberger Scizze". Leben Sie wohl, verehrter Herr, und erfreuen Sie mich mit einer recht offenen, vertrauenden Antwort, die mir Gelegenheit giebt, Ihnen zu beweisen, daß Handeln besser ist, als Worte.

    Ihr ergebenster

    Dr. W. Hamm

    Ackerbauministerium

    * Dagegen ist es unverzeihlich, daß man gerade in Ihrem Vater­lande, in Österreich, noch am wenigsten von Ihnen weiß; wem ich von Ihnen erzähle, dem berichte ich Neues. Arm u. Reich habe ich dem Hofrath v. Tschabuschnigg, dem bekannten Dichter, zu lesen gegeben.

    Wilhelm Philipp von Hamm
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 16. November 1868

    Werther Freund!

    Wir stehen am Anfang einer neuen Aera, wie im Politischen, so auch im Sozialen Leben. Das hat sich gestern, in unserm Dörflein durch die That bewiesen, indem die Oberdörfler sich zu dem heroischen Entschluß vereinigt haben ihre Milch gemeinschaftlich in den Landwirtschaftlichen Käseverein zu versennen. Die Bauern sind sehr geneigt gewesen beizustehen, mit Ausnahme deines Vetters Schuhmacher, der sich bis Heute noch nicht unter­schrieben hat; aber dafür haben sich der Vorsteher u. Batas auch dazu unterschrieben. Den Pius Willam glaubt man allgemein auch noch dazu zu bringen. Der Jodok Sieber hat sich auch, ohne Wiederrede unterzeichnet. Merkwürdig ist, daß auf der ganzen Liste kein einziger Felder unterzeichnet ist.

    Am Freitag ist allgemein Berathung, u. Wahl deß Obmanns. Wie verlautet wird Josef Kohler allgemein gewünscht. Sennen soll unser Bruder Joh. Josef. Das Holz liefert der Bräuer. In Widann, u. auf dem Wiedamm haben sich auch Vereins=Senne­reyen gebildet.

    Der Johann Hofer hat seine Anhänglichkeit an das Haus Moosbrug­ger wieder auf ein neues bewiesen, da er den Antrag stellte, es wäre schon recht; aber ich glaubete doch, man sollte noch zuerst dem Gallin dafon sagen, da man schon so viele Jahre mit ihm zu thun gehabt. Dieser Antrag wurde aber nicht weiter besprochen, denn es zeigte sich sehr deutlich, daß diese Zeiten u. Anschauungen sich abgelebt haben.

    Ich muß Dich noch um einen Liebesdinst bitten. Ich habe nehmlich den Erben deß Jos. Ant. Aberer das Haus sammt Hofstatt gut abgekauft, u. sollte mehreres daran repariren, wo ich das Holz dazu kaufen muß. Daher bitte ich Dich bey Josef Feurstein mir anzufragen ob er mir nicht 100 Banknoten, auf ein Jahr leihen würde, da ich bis dahin wieder Geld bekommen sollte. Mit Gruß u. Achtung

    Josef Oberhauser

    Sollte er Dir das Geld nicht geben, so bitte ich Dich mir, sobald als möglich zu schreiben, da ich sonst anderwärts mich Umsehen kann.

    Josef Oberhauser
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 15. November 1868

    Hochgeehrtester Herr!

    Selbst auf die Gefahr hin, Ihrem Schmerze neue Nahrung zu geben, drängt es mich, Ihnen wegen des Sie betroffenen harten Schicksals­schlages meine aufrichtigste Theilnahme auszusprechen. Doppelt leid thut es mir nun, die Entschlafene nicht persönlich gekannt zu haben, denn solche Frauen, die mit dem Manne innig Hand in Hand gehen, sind große Seltenheiten, und darum der größten Achtung ihrer Mitmenschen um so würdiger. Der Grund meiner späten Antwort auf Ihr liebes Schreiben vom 14. Sept. ist lediglich der, daß ich Ihnen zugleich den Eindruck melden wollte, den Ihr Erstlingswerk „Nümmamüllers" auf mich und meine Frau gemacht hat. Wir sind jetzt mit dessen Lektüre fertig und haben uns an der schlichten und lebendigen Schilderung Bregenzerwald=Zustände recht erfreuet und erquickt. Wie ich lese, ist Ihr neuestes Werk „Reich und Arm" auch bereits im Buchhandel, es soll uns, wie „die Sonderlinge" gleichfalls später beschäftigen.

    Aus meiner kleinen Familie kann ich Ihnen mittheilen, daß der Sohn seit 1. Oktober in Berlin ist und dort seine hier begonnenen mathematischen Studien fortsetzt.

    Unter Versicherung aufrichtigster Hochschätzung empfehle ich mich Ihrem fernem freundlichen Andenken, und zeichne

    ganz ergebenst Wittstein.

    G.C. Wittstein
    München
    Franz Michael Felder
  • 15. November 1868

    Geliebter Freund!

    Soeben habe ich Deinen Brief erhalten u. gelesen; er hat mich recht gefreut u. ich werde ihn in dieser Woche noch oft lesen u. mich in Gedanken zu Dir versetzen. Ich bedaure, daß ich wegen Kälte hier im Stüble Dir nicht so viel schreiben kann als ich wünschte; indeß kommst Du ja bald, u. dann läßt es sich besser mündlich erzäh­len.

    Daß Du zum Herausziehen kommst, ist nicht nötig, wir können es leicht allein. Es wäre schade, wenn Du Dir deswegen eine Freude od. Vergnügen versagen müßtest.

    Wie ich höre, werden heute hier die Bauern wahrscheinlich zusammen kommen, wegen der Sennerei.

    Von der Zürcher Zeitung habe ich nur eine Nummer finden können. Gesund sind wir Alle, u. laßen Dich grüßen, besonders

    Deine M. Anna Moosbrugger

     

    Anna Katharina Moosbrugger
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 13. November 1868

    Geehrter Herr!

    Unbekannter Weise bin ich so frei diese Zeilen an Sie zu richten um nämlich Sie zu bitten, mir einen kleinen Freundschaftsdienst zu erweisen wenn es im Bereiche der Möglichkeit ist. Ich sollte nämlich aus den Taufbüchern von der Familie meines Mannes einiges herausschreiben lassen im Pfaramte Betzau, da ich aber weder die Geistlichen Herrn kenne noch überhaupt in Verlegenheit bin, an wem ich mich wenden soll in dieser Gegend, so fiel mir ein voriges Jahr in der Gartenlaube Ihren werthen Namen gelesen zu haben. Ich dachte ich will es wagen vileicht gewähren Sie einer Unbekannten diese Bitte und ersuche Sie daher im ersteren Fall mir es wissen zu lassen, ob ich Sie belästigen darf einen Brief in den ich alles nothwendige angeben werde, an das Pfarramt zu befördern. Da es besonders im Intresse meines Kindes geschieht so werden Sie gewiß nicht übel deuten das ich unbekannterweise meine Zuflucht zu Ihnen nahm.

    Achtungsvoll zeichnet

    sich Witwe Maria Felder

    Universitätsgasse

    No 308

    Innsbruck.

    Maria Felder
    Innsbruck
    Franz Michael Felder
  • 9. November 1868

    Liebster Freund

    Deine letzten, langerwarteten Zeilen haben mich endlich in Bezau gefunden, wo Freund Feurstein mir einige Wochen der Erholung bei sich in seinem lieben Kreise gönnt. Mich nimmts Wunder, daß Du das nicht schon von Hirzel wußtest, dem ich, seiner freundlichen Aufforderung bei Übersendung der Sonderlinge entsprechend, von hier aus schrieb und Dich grüßen ließ.

    Dein letzter Brief hat mich gefreut, wie schon lange nichts mehr. Juhu jolabubuhihiu soll ich mit Dir zu unseren schneebehangenen Bergen hinauf jauchzen mögen. So wärst Du denn endlich droben. Ich athme mit Dir auf, erleichtert und froh, denn auch mir ist damit einer der heißesten Wün­sche erfüllt. Aber ich schwätze da und denke bei allem Reden davon nicht einmal daran, daß ich an einen Professor schreibe. Na Du verzeihst mir schon, denn heut kann ich nicht anders. Mein erster heut an Dich angefangener Brief war so närrisch vor Freude, daß ich ihn gar nicht schicken darf. In meiner Freude hab ich unter dem Mittagessen aus Deinem Briefe geplaudert trotz Deinem Verboth und Feuersteins bitten mich nun, Dir mit ihrem Gruß auch ihren herzlichsten Glücks­wunsch zu melden.

    Mein Jakob geht nun zur Schule und der Lehrer ist mit ihm sehr zufrieden für den Anfang. Der Erfolg meines Käsevereins ist über alle Erwartung, wenigstens das wäre mir glänzend gelungen. In unsern bedeutendsten Blättern ist von der Sache die Rede, sogar in der alten Presse. Die Regierung ist auf die Sache aufmerksam geworden und hat zur Aufmunterung Preise von 500 - 250 - 200 fl auf ähnliche Vereine gesetzt. Daß unser Verein den ersten Preis bekommt ist ohne Frage und vom Ministerialrath Dr Hamm dem Obmann des Vereins ziemlich bestimmt zugesagt. Ich hab in letzter Zeit ermun­ternde Zuschriften erhalten die mich sehr freuen. Ich möchte fürs Volk arbeiten, dabei aber muß ich doch auch meiner armen mutterlosen Kinder gedenken. Ihre Zukunft liegt jetzt recht schwer auf mir. Mir nahen sich hundert theilnehmende Tröster, die es wenigstens recht gut meinen, aber für die Kinder bin nur ich und ich bin so wenig, zumal jetzt, wo mir doch noch oft die gehörige Stimmung zum rechten Schaffen fehlt. Was sagst denn Du zu der Art, wie ich mein Leben gebe? Ich komme nur langsam vorwärts weil ich alles für euch da draußen Interessante mitnehmen möchte. Jetzt be­arbeite ich meine ersten Schuljahre. Feurstein ließt Reich und Arm. Er lobt das Buch und lobt es. Auch von ändern hörte ichs loben, von Dir aber kein Wort. Ich weiß nicht, ob Du es vergaßest, oder nichts hörtest, oder das Gehörte nicht schreiben magst.

    In dem Nachbardorf Reute, wo Du eine Prozession mitmach­test, entsteht jetzt auch ein Kasino. Ich war gestern dort bei der Statutenberathung und hatte Abends hier in der Garns den Herrn allerlei lustiges zu melden. Ein pensionierter Inge­nieur von Wien, Freund Bergmanns und Vetter meiner Frau ist eins der hervorragendsten Mitglieder. Bei Bergmann fällt mir eben ein, daß nun seine Landskunde Vorarlbergs, eine sehr fleißige Arbeit, erschienen ist. Wollte ich einmal ein Reisehandbuch verfassen so würde sie mir treffliche Dienste leisten.

    Hier schneit es, daß man kaum von einem Hause zum Än­dern sieht. Die Meinen in Hopfreben müssen schon 1 1/2 Fuß Schnee haben. Da wirds denn wol enge genug im kleinen Hüttchen ohne mich. Jakob kann Gott danken, daß er in Schoppernau beim Gottle bleiben darf. Mariann ist auch in Hopfreben bei der Mutter und den Kin­dern. Ich möchte nicht dort sein, beschäftigungslos, wo ich mit dem Wible die schönsten Stunden verlebte, obwol es mich auch fast hart ankam, das Mädchen alein hinzulassen. Es hat einen Ballen Bücher mit, die es dort mit seinem nahe­wohnenden Vater und seiner Jüngern Schwester lesen will. Die beiden Mädchen, strenge gehaltene Stiefkinder, haben stets im Lesen gelehnter Bücher ihren Trost gefunden. Schon mein Wible machte ihnen so manche Freude mit meinen Büchern und Mariann war ihm besonders lieb. Es ward sogar zuweilen ihre Fürsprecherin bei seiner strengen altern Schwe­ster, Mariannes Stiefmutter. Nun wirds den Kindern belohnt. Das ungewöhnlich kleine aber an Leib und Seele gesunde Mädchen ist zu allem willig und geschickt. Als im Sommer ich und Diakon Hirzel von Zürich nach Au giengen ist es uns begegnet und wol sein ausdrucksvolles Gesicht auch hat ihn zu der begeisterten Schilderung der Wälderinnen begeistert. Sie ist noch nicht ganz 22 Jahre alt, aber zuweilen ungemein ernst. Fast ob ein tiefes schweres Leid auf ihr liege. Wer ihre Vergangenheit kennt: eine freudlose, kann sich das erklären, ein anderer fände sie abstossend und stolz, mir ist sie eine liebe Freundin und es machte mich sehr unglücklich, wenn es meinen frommen Gegnern gelänge, ihre Altern so gegen mich aufzureden, daß man sie heimberufen wollte. Gethan wird dazu alles Mögliche, ich hoffe jedoch daß es nichts nütze. Deinen Gruß will ich ausrichten, so bald es mir mög­lich ist.

    Dem Kurat Herzog in Rehmen hat meine Zugharmonika so gut gefallen daß er nun auch ein ähnliches oder noch grö­ßeres Instrument von Leipzig will. Er hat aber für die Sache mehr Neigung als Talent und bittet daher Freund Lippold den wackern Tongünstler [sie] um seinen Rath. Wäre denn nicht eine Beschreibung der Werke zu bekommen? Herzog möchte wol eine Fisharmonika, wenns nicht zu schwer zu lernen wäre. Lippold würde dem guten, unter seinen stren­gen Amtsbrüdern vereinsamt stehenden Mann mit einer bal­digen Antwort an mich eine große Freude machen. Eben las ich eine Schrift von dem erwähnten Vetter Ingenieur, die mich am guten Verstande dieses Kasino-Mannes ernstlich zweifeln läßt. Wenns irgend möglich ist, sollst Du 1 Exemplar erhalten als Perle der Kasino-Reden.

    Von Grottendieck erhielt ich vor 14 Tagen die Meldung, daß die von mir gewünschten 6 Exemplare der Übersetzung an Hirzel abgegangen seien, der sie mir zusenden werde. Zwei Exemplare nun sind für Dich und Hirzel, die ändern 4 weiß ich sonst zu verwenden.

    Grüß mir herzlich alle, die meiner noch gedenken, besonders Deine Frau, Karl, das Hinterhaus, den Klub, Hirzel und alle. Schreib mir doch recht bald wieder und auch etwas von Reich und arm.

    Und nun lebe recht wol, mein lieber guter verehrter unver­geßlicher Herr Professor und vergiß nicht

    Deinen armen Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Rudolf Hildebrand
  • 7. November 1868

    [...] Die Arbeit macht mir manche schöne Stunde und ich hoffe, daß sie einmal auch ändern gefalle. [...]

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Johann Josef Felder
  • 7. November 1868

    Lieber Freund!

    Ich bin seit einigen Tagen hier, und in einem recht hübschen Zimmer wie daheim an meiner Selbstbiografie. Die Arbeit macht mir manche schöne Stunden und ich hoffe daß sie einmal auch ändern gefalle. Über die Aufnahme von Reich und Arm hab ich noch wenig vernommen. Sogar von Dir noch kein Wort. Warum schreibst Du denn nicht? Melde mir wenigstens, wann Du mich hier zu besuchen gedenkest, damit ich auch gewiß zu Hause bin.

    Von uns heraus weiß ich wenig zu melden. Pfarrer Rüscher ist unwohl wenn nicht gar krank. Der Käsverein brachte aus der Wintermilch 18 1/2 Pfenig halb Silber. Das gibt nun viel zu reden und mancher bekommt zur Sache mehr Lust als vorher. Was aber schließlich geschieht, ist jetzt noch schwer zu sagen,

    Der Rößlewirth hat uns wieder einmal Assekuranz Schelme geschumpfen wofür ihn der Vorsteher verklagen will. Bei mir ist alles wohl und Jakob geht nun in die Schule die heuer fast zu voll wird. Daher ist dem Lehrer auch ein Gehaltszuschlag bewilligt. Mehreres mündlich da ich Dich nächstens hier zu sehen hoffe. Schreib bald Deinem

    Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Johann Josef Felder
  • 6. November 1868

    Lieber Freund!

    Ich habe schon seit Wochen im Sinn, Dir einmal einen ordentlichen Brief zu schreiben. Ich ward aber diese Zeit her mit so vielerlei Sorgen und Arbeiten, mit deren Mitteilung ich Dich verschonen möchte, belastet, daß es beim Wunsche blieb. Nun endlich hab ich mich aus vielem Quälenden herausgerissen, und erster Ausdruck des angenehmen Gefühls, nun doch wieder frei aufatmen zu können, sind diese Zeilen. Meine Familie lebt im engen Hüttchen zu Hinterhopfreben. Mich hat Feurstein schon früher eingeladen, einige Wochen bei ihm zu verbringen, und ich bin gestern heraus aus dem engen schneeigen Tal. Ich war allein und hatte meine lieben trüben Gedanken. Da ist keine Stelle, der ich nicht auf irgend einer frohen Wanderung in Gedanken der etwas erzählte, die immer meinem Herzen nahe war, mit der ich alles gemein hatte. Dem Stein, auf dem ich einmal ruhte, dem Baum, dessen Schatten mir einmal - ich wußte genau wann, ­Kühlung zuwinkte, ach! allem hätt ich's zurufen mögen, daß sie nicht mehr unter den Lebenden weile, nicht mehr in Gedanken mich begleite. Wohl umschwebt meinen Geist noch ihr reines Wesen, sie lacht noch in mein Leben herein mit ihrer Stimme Silberklang, meine Tränen um sie rinnen sanfter, aber nach Hopfreben, unserm Eldorado, hätt ich doch nicht gehen mögen. Hier hab ich ein eigenes Zimmer, eine freundlichere Umgebung und Ruhe genug zum Arbeiten. Meine Kinder weiß ich in guten Händen. Mariann ist ein gutes Mädchen. Es hat das Herz der Kleinen schon ganz gewonnen. In der Zeit, wo ich jeder geistigen Arbeit unfähig war, hat ihre Lernbegierde mich wunderbar angeregt, und im Drange, sie zu befriedigen, ward ich auch meiner besten Kräfte wieder gewahr. Sie ist eine tüchtige Magd, mir aber ist sie mehr, ist mir eine liebe Freundin geworden. Mit vielem Verständnis urteilt sie schon über manches gute Buch, das wir zusammen gelesen. Die Abende vergingen uns schnell und schön bei Goethe, Scheffel, Gotthelf und anderen Freunden aus meinem Wingolf. Den Tag über möchte ich das Mädchen etwas fröh­licher sehen. Auch mir würde wohl tun, sie nicht immer so zu sehen, als ob ein tiefes herbes Leid auf ihr liege. Jakob geht nun in die Schule und hat sein Kosthaus beim Gottle, so lang die ändern in Hopfreben sind. Ich arbeite an meiner Selbstbiographie und finde dabei meine besten Kräfte wieder. Du darfst aber nicht glauben, daß diese Arbeit etwa nur müßiger Selbstbespiegelung diene. Mein Leben ist ein Spiegel unserer Zustände, und viel des Guten und Besten an mir ist direkt oder indirekt aus unserem Volkstum heraus. Das soll meine Arbeit in ernster, liebevoller Weise dartun und so der Heimat auch, nicht bloß dem Produkt derselben, mir, zum Spiegelbilde werden. Von diesem Standpunkt aufgefaßt, ge­währt meine Arbeit so gut als nur irgend etwas, was Du mir in Deinem letzten Briefe gewünscht und mit Recht empfohlen hast.

    Reich und Arm hast Du hoffentlich längst erhalten und wohl nun bald ausgelesen. Ich bin ungemein begierig auf Dein Urteil und erwarte es täglich. Daß ich sonst noch nichts von dem Buch hörte, kann ich mir leicht erklären, da es erst seit kurzem im Handel ist. Du hast eines der ersten gedruckten Exemplare erhalten. Mit dem Deinen ist auch eins an den k. k. Ministerialrat Dr. Hamm nach Wien abgegangen. Laß Dir erzählen, wie ich darauf gekommen bin. Daß ich nach Götzis zu gehen dachte, ist Dir bekannt. Ich habe das auch mehrfach geäußert, so daß es weiter herum bekannt und, wie es scheint, erwartet war. Ich erhielt nun von Dr. Waibel in Dornbirn eine förmliche Einladung, mit ihm zu fahren und nebenbei sein Gast zu bleiben. Du kamst nicht, und das Wetter versprach nichts Gutes. Aber weniger als eine eigene trübe Stimmung hielt mich daheim und machte mich abge­neigt, das Treiben froh geschäftiger Menschen zu sehen. Statt auf die Ausstellung ging ich nach Hopfreben, wo für mich nur Schwermut haust, und führte den im Herbst gemachten Dünger aus.

    Einige Tage später besuchte mich Feurstein und sagte mir, daß man mich auch in Andelsbuch gemangelt habe, und er sei eigens vom Ministerialrat beauftragt, mir seine Karte mit seinem Gruß zu überbringen. Weiters erfuhr ich, Dr. Hamm habe sich angelegentlich nach meinem Wirken erkundigt, wo­bei er verriet, daß ihm schon das meiste von meinen Verhält­nissen bekannt sei. Er habe dann auch gesagt, daß mir ge­holfen, mein Streben unterstützt werden müsse, wenn ich es wünschen sollte, von Wien aus, doch möchte er da mit mir selber sprechen, und ein Schreiben von mir wäre ihm schon darum sehr erwünscht. Nun schrieb ich denn sofort und legte auch meinen Roman bei. Eine Antwort hab ich bis heute noch nicht erhalten. Die holländische Übersetzung der Son­derlinge ist nun heraus, und der Übersetzer meldet mir, daß einige Exemplare für mich schon auf dem Wege seien. Ich denke, u. a. unserm Museum eins zu schicken. Auch Reich und Arm ist bereits an Bayer in Bregenz abgegangen. Das Resultat der letzten Vereinsrechnung hab ich Dir kurz gemeldet. Dasselbe scheint denn doch bedeutend genug, um viele Bedenken zu besiegen, und es ist doch Hoffnung, daß man bald den gestellten Anforderungen entsprechen könne, wie man möchte. Jetzt wünschte Feurstein sich nur viermal mehr Waren. Gallus ist wütend. Seine Frau kann ihn nicht mehr besänftigen, denn sie ist gestorben. Schnell ging sie meinem Wible nach, aber dort haben [es] die Geistlichen nicht augenscheinliche Strafe Gottes genannt wie bei mir. Nun - sie mögen recht gehabt haben.

    In Reuthe ist nun die Gründung eines Kasinos gesichert. Hier ward von einem Verein der Verfassungsfreunde die Rede. Feurstein und ich und mehrere sind mit Erfolg dagegen, indessen findet der angeregte Gedanke einer Landesbiblio­thek mehr und mehr Anklang.

    Der Artikel der Feldkircherin „Aus dem Bregenzerwald" be­ruht auf Tatsachen. Der öffentlich und wörtlich vom Pfarrer Verdammte ist Freund Feurstein. Willam aus Wien ist sehr tätig fürs Kasino.

    Was machst Du und wie geht es den  Deinen? Grüß mir Theresen, Dr. Bickel, Gaßner und alle, die sich noch um mich kümmern. Schreib auch bald einmal, recht bald.

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Kaspar Moosbrugger
  • 4. November 1868

    Lieber Freund!

    Auf Deine zwei letzten flüchtigen Briefe flüchtig folgendes: ,Arm und Reich' habe ich erhalten und danke für die Zu­sendung. Ich habe das Buch auch bereits gelesen, und blieb die Stimmung hiebei eine harmonische. Nach meinem Dafür­halten ist der Hauptwert der ästhetische. Trefflich sind die Schilderungen der Natur und ihres Einflusses auf die Stim­mungen des Gemüts, desgleichen die reinen Seelengemälde, die durch das kühne Einbeziehen der Traumwelt nur ge­winnen. Hiebei ist mir mehrfach das gelehrte Werk ,Ge­schichte der menschlichen Seele' von Schubert eingefallen, das Du lesen solltest. Merkwürdig sind einige Dialoge, die wahrhaft dramatisch wirken, z. B. des Krämers mit der Zusei, des Mathisle mit der Dorothee. Sitten, Gebräuche und Volks­charakter sind getreulich und schön dargestellt. Die weibliehen Figuren schöner und vollendeter als die männlichen. Die interessanteste die Schwester der Zusel, das Weib des Andreas und nachträglich des Hans. Die Schilderung im Wider Wäldle gemahnte mich an Ähnliches /: Wahnsinnartiges :/ bei Shakespeare, dem besten Seelenkenner. Vortrefflich ist auch der Seelenzustand der Dorothee nach dem Besuch beim Vater wiedergegeben und bleibt merkwürdig, daß nur in diesem Mädchen die eigentliche Lage der Armen zum Be­wußtsein gekommen ist. - Hansjörg ist ein mir fast unver­ständlicher Charakter, sowie teilweise Jos, ähnlich wie Klaus­melker in den Sonderlingen. Krämer und Hans verstehe ich und gehen mir ein, auch Pfarrer und Kaplan, nur weiß ich die letzte Rede des Kaplan mit seinem frühern Auftreten ohne ein inzwischen eingetretenes Läuterungsstadium nicht in Ein­klang zu bringen. -

    Interessant ist mir die Erklärung der Weiberherrschaft im Bregenzerwald; da aber der Grund ihrer Entstehung noch nicht entfernt ist, muß sie wohl als noch bestehend ange­sehen werden und ist daher mehr Zufall, daß die schließlichen Heiraten im Buch dennoch zustande kamen. Mein Gerechtig­keitsgefühl ist überhaupt am wenigsten befriedigt worden. Diese armen, gutmütigen Burschen können aus sich gar nichts und haben ihr anscheinend besseres, späteres Los nicht dem raschen Verschwinden des Krämers /: Gerechtigkeit :/ zu danken, sondern der Gutmütigkeit der Töchter und des Hans, wobei es zweifelhaft bleibt, ob dieser Hans seine im Taumel der Hochzeitsfreuden gemachte Zusage nicht ebenso uner­füllt lasse, wie ähnlich frühere. Auf der Krone in Au wird die Arbeit wohl trotz der erzählten Vorgänge noch verkauft wie früher, und ich fürchte, daß Hansjörg und Jos auch unter den Verkäufern sind, und wenn sie Kinder haben, wette ich darauf, daß diese sich sorgfältig einen anständigen Käufer aussuchen. -

    Ich komme aber vom Himmel des Ästhetischen unvermerkt auf die harte Erde der Praxis und sehe, daß ich von der eingangs gewollten Flüchtigkeit bald abgekommen wäre. -

    Es würde mich sehr freuen, wenn Dein Schreiben an Hamm einen Erfolg hätte. Den Zeitungsartikel habe ich noch nicht erhalten. Ich bin begierig, wie [es] dem Felder in Alber­schwende geht. Das Barometer-Mindle [?] hat mir den letzten Brief nicht gebracht, er kam ohne Briefmarke auf der Post an, und ich mußte deshalb 111/2 Kr. zahlen, was ich nur zum Zeichen der Diskretion des Rößle bemerke. In dem­selben lagen nicht zwei Briefe, wie Du schreibst, sondern nur einer von Hildebrand do. 4. September. Von der Käsvereinsversammlung schrieb mir Jakob mehreres, was mich sehr gefreut hat. Schicke mir gelegentlich den Brief von Mayer, da ich doch antworten sollte, und den der Admini­stration der Volkszeitung. - Fabrikant Gaßner hat Reich und Arm gelesen und gesagt, daß es ihm sehr gut gefalle, was ich glaube. Dr. Bickel ist am Lesen. -

    Halte mir das Gesagte nicht für ungut. Ich war wirklich ge­spannt auf Deine Lösung der sozialen Frage und habe teil­weise mit derselben bereits gerechnet. Diese Lösung kann ich aber nicht als Lösung ansehen und muß das Buch als für die bürgerlichen Leser und Ästhetiker allerdings geeignet, nicht aber als dem armen Arbeitsmann sonderlich dienlich ansehen. Unsere Bourgeoisie /: die Krämer :/ hat die Staatseinrich­tungen und Gesetze für sich, und es kommt wohl nicht vor, daß das Gewissen sie ins Feuer treibt wie Deinen Krämer. Die Weltgeschichte weist kein einziges Beispiel auf, daß eine privilegierte Klasse so freiwillig abgetreten ist. Warum ist aus der Verschwörung beim Jos nichts geworden? Das wäre wohl nicht ästhetisch gewesen wie der Stuhl des Mathisle /: Hilde­brand :/. -

    Baldiges Schreiben und die Sendung erwartend Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 2. November 1868

    Lieber Freund,

    Ich habe lange nicht geschrieben und werde doch nun selbst begierig nach Nachrichten (klingt freilich schlecht) von Dir. Ich hab aber auch mit mir selbst viel zu thun gehabt. Die erste Octoberwoche und mehr vergieng über Würzburg und dem Frankenlande, wie Bamberg, Schweinfurt, Baireuth, die wir mit genossen haben, zum Theil wunderschöne, unver­geßliche Tage, mir nur dann und wann etwas versalzen durch das Gefühl der Angegriffenheit, das manchmal stark über mich kam - Gott, man wird ja am Schreibtische immer wie­der ein halbkranker Mann und ist es, ehe mans merkt. Aber Flügel war recht frisch und lebendig, ich freilich oft doch auch. In Würzburg hab ich schon meinen Mann gestanden mit Vorträge halten und sonst. Auch an erlebter Poesie hats nicht gefehlt, wie an erneuten und neuen Freundschaften. Namentlich der Holländer De Vries, von dem Du schon wol durch mich gehört hast, ist ein Prachtmensch an Gemüt und Geist. Er wußte auch ungefähr von dem Aufsatz in de Gids über Dich, aber von Hrn. Grottendieck wußte er gar nichts, will sich aber um ihn und Dich weiter kümmern. Der Über­setzer läßt doch aber gar nichts weiter von sich hören?! Ich möchte scrTon seinen Brief an Dich lesen. Von dem Pariser Besuch im Sept. hab ich Dir wol schon berichtet und von der Aussicht auf eine franz. Übersetzung der Sonderlinge.

    Nach meiner Rückkehr gab es saure Arbeit, äußere und in­nere. Meine Angelegenheit war in der Schwebe, und der Ausschlag näherte sich. Jetzt ist er nun geschehen, wenigstens an der einen Stelle, und zwar höchst günstig für mich. Ich bin in einer Sitzung der philosophischen Facultät am Sonnabend vor acht Tagen zum außerordentlichen Professor an der Uni­versität ernannt worden (juchhe!), auf Vorschlag des Mini­steriums. Ich habe also meinen höchsten irdischen Wunsch, der mir immer hoch oben am Himmel hieng wie die Sterne, unerreichbar scheinend, oft von Wolken verhüllt, nur in stiller Nachtzeit dann und wann einmal mir scheinbar näher tre­tend - Gott im Himmel Dank zehntausendmal! Könnt ich Dir doch auch gleich Deinen höchsten Wunsch erfüllen. Ich komme mir auf einmal wie ein Glückskind vor, und war mir so lange und so oft ein rechtes Unglückskind, wie ein ab­sterbendes Fünkchen unter einem Aschenhaufen vergraben, und es war mir doch da unten oft genug, als könnt ich - und sollt ich - die Welt in Flammen setzen, um sie - zu erneuern. Behalt das um Gottes Willen für Dich, als wärst Du mein Tagebuch. Nun wird ja aus dem Fünkchen wenigstens noch ein klein Flämmchen werden, das eine bestimmte Zahl von jugendlichen Herzen und Geistern wärmer und heller macht, daß es besser werde in der Welt.

    Die Sache ist übrigens noch nicht officiell (aber sicher), ich sag es hier nur ein paar Leuten, den Allervertrautesten; nun Du da unten kannst es schon wissen, ohne daß es vorzeitig an die große Glocke gehängt wird; Du hast aber auch durch Dein Herz ein Anrecht auf Mittheilung zuerst, hast ja auch darum gebeten. - Vom Geldpunkte freilich, dieser weltlichen leidigen Hauptsache, weiß ich noch nichts; aber auch da wird am Ende etwas vom Glückskinde zu Tage kommen, zumal vom Norddeutschen Bunde aus nun auch eine namhafte Un­terstützung in sicherer Aussicht steht, wahrscheinlich bald. An der Schule bleib ich längstens bis Ostern, dann verlasse ich das alte Haus zum zweiten Male, aber nun für immer­bin 7 Jahre als Lernender, und dann 20 Jahre als Lehrender drin gewesen, beide Male als armer Teufel. Jetzt geh ich fort in das selbe Haus als Lehrender, wohin ich 1843 von der Thomasschule weg als Lernender gieng - eigene Symmetrie meines äußeren Lebens - nun dort noch 20 Jahre? das war himmlisch! Siehst Du aber, Du wirst rein zu meinem Tage­buch, und Du bist doch im Ganzen immer mehr der Ver­schlossene, unter Umständen selbst der Räthselhafte - ich werfe Dirs nicht vor, ich bedaure es.

    Doch nun zu Dir und Deinen Angelegenheiten. Wegen der Schillerstiftung hab ich noch nichts thun können, mir wird aus gewissen Gründen der Schritt überhaupt etwas schwer. Aber wenn er wirklich nothwendig ist, so will ich dran gehen sobald ich selbst als Professor auftreten kann; ich hab schon gestern auf unserer letzten diesjährigen Vogelweide bei Groddecks um Rath gefragt, und man billigte das Vorhaben durchaus. Solltest Du übrigens nicht auch in Wien Aussicht haben, unter die jungen Künstler und Schriftsteller aufge­nommen zu werden, die, so viel ich mich erinnere, dort jähr­lich mit Staatspensionen bedacht werden? Hast Du etwa dem Minister des Innern einmal geschrieben oder ihm Reich und Arm geschickt? Ich war auch ganz gern erbötig, einmal einen Brief zu wagen (als Professor), seis an Herbst oder an meinen Lansdmann Beust, ich hab daran schon früher gedacht. Seifer­titz, Bergmann u. A. würden gewiß gern dazu mitwirken durch Empfehlung; wissen denn beide Deine Lage? Selbst für das Gesuch an die Schillerstiftung wären beide am Ende mehr die näheren, wirksameren Gesuchsteller als ich, da Wien jetzt der Vorort ist. Bedenk doch das einmal reiflich und rühre Dich.

    Ich habe viele nachträgliche herzlichste Beileidsbezeigungen auszurichten, vom Hinterhause, vom Club, von der Vogel­weide, aus Halle, besonders von Heynes und Gosches; mit der Professorin Gosche hab ich im Hofkeller zu Würzburg in gehobenster Stimmung auf Dich angestoßen (und andere Professorenfrauen halfen dazu). Viele wissen auch von Deiner gefundenen guten Mariann und freuen sich drüber, ich lasse sie herzlich grüßen samt meiner Frau (wie alt ist sie? ich möcht einmal ein paar Zeilen von ihrer Hand sehen). Frau Dr. Groddeck läßt Dir noch sagen, daß ihre Bemühungen um die Stickerei, die bis an zwei der ersten Häuser in Berlin ge­gangen sind, leider gänzlich fehlgeschlagen sind. Aber Papier und Zeit sind alle, also Gott befohlen, meine Frau u. A. lassen grüßen, schreib bald einmal

    Deinem R. Hildebrand.

    Das Grenzbotenheft will ich Dir zu verschaffen suchen. Felders Fortgang von Schoppernau thut mir selbst ordentlich weh, er verkauft doch sein Haus nicht? Grüß mir ihn und Deine Freunde, auch die gute Rößlewirthin.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 1. November 1868

    Herrn Fr. Michael Felder in Schoppernau!

    Zuerst durch die Gartenlaube, dann durch Ihren trefflichen Roman ist mir Ihr werther Name bekannt geworden. Ich befliß mich daher, Sie persönlich kennen zu lernen, als ich vor mehr als einem Jahre zweimal durch Schoppernau reiste; allein meine Hoffnung zerrann wie Wasser; einmal hieß es, Sie wären in Leipzig, das andere Mal ­in Bludenz. So bin ich nun so frei mich Ihnen kurzweg brieflich vorzustellen, als der jüngste Sohn des Gedeon Fritz v. Mittel­berg.

    Der Zweck warum ich Sie mit diesen Zeilen in Anspruch nehme, ist folgender. Ich habe mich während meiner juridischen Studien sowohl, als auch bes. jetzt da ich hier Landwirtschaft studiere, mit Nationalöconomie und bes. mit Genossenschaftswesen beschäf­tigt, und mir scheint daß sich Letzteres auf landwirtschaftlichem Gebiete, zum materiellen und folglich auch zum geistigen Interesse des Bauernstandes, in vielen Richtungen und Formen, zur Errei­chung der verschiedensten nützlichen Zwecke, mit Erfolg durch führen ließe. Ich hörte dann zu meiner nicht geringen Freude, daß Sie der Erste in Vorarlberg diesen Gedanken durch das Zusammen­bringen einer Käseverkaufs=Genossenschaft glücklich ins Werk setzten. Ich wünschte nun zu erfahren, wie dieselbe gedeiht, und ob sie im Zunehmen begriffen ist, was mich in meinen Ansichten bestärken würde. Falls Sie vervielfältigte Statuten derselben haben, würden Sie mich mit einem Exemplare sehr verbinden. Ferner möchte ich Sie bitten, mir Ihre Gedanken über landwthschft Genossenschaften u. deren Durchführbarkeit, soweit es Ihnen beliebt, mitzutheilen. Sollten Sie Werke betreffenden Inhaltes kennen, möchte ich um deren Titel, und wenn Sie Männer kennen die sich mit dieser Frage des Näheren beschäftigen, um deren Namen bitten. -

    Womit ich Sie hiemit belästige, ist nichts Geringes; ich hoffe jedoch von Ihrer Freundlichkeit die Erfüllung meiner Bitte.

    Achtungsvoll

    Dr. Tiburtius Fritz

    Academiker in Ung. Alt. -

    Tiburtius Fritz
    Ungarisch-Altenburg
    Franz Michael Felder
  • 24. Oktober 1868

    Lieber Freund!

    Ich  benütze die  gute  Gelegenheit,  Dir einige Zeilen  zu­kommen zu lassen. Ich komme eben von der Generalver­sammlung in Bezau. Sie machte einen bedeutenden Eindruck. Das Resultat, überaus günstig, werden die Blätter bringen. Es trifft für die Wintermilch 181/2 Pf. per Maß. Jakob von Krumbach war auch da. Nächstens mehr. Wie gefällt Reich und Arm? Ich sende auch zwei Briefe, der Zeitungsartikel folgt, sobald ich ihn habe. Mit herzlichem Gruß

    Dein Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 22. Oktober 1868

    Hochgeehrter Herr!

    Vielleicht ist, indem Sie diese wenigen Zeilen lesen, in Leipzig bei Ihrem geehrten Freunde Dr S. Hirzel das Packet der 6 Exempl. meiner Übersetzung Ihrer Sonderlinge schon angekommen. Da Sie in Ihren geehrten Schreiben d. d. 7. Aug. mich wohl berichteten, wieviele Exempl. Sie wünschten, jedoch nicht wie Sie die empfan­gen möchten, und Sie nebenbei die Güte hätten mir zu melden, daß Sie gerne ihren geehrten Freunden Dr Hirzel und Dr Hildebrand ein Ex. anbieten möchten, dachte ich, es wäre vielleicht das Beste alles zum Herrn Hirzel zu schicken. Ihr Herausgeber und Freund werde, so dachte ich, doch wohl mit Ihnen in Correspondenz stehen und jedenfalls wird es viel leichter sein etwas von Leipzig aus nach dem Bregenzerwald zu spediren als von hieraus. Gerne hätte ich Bericht von Empfang, doch dabei möchte ich Sie noch um etwas Anderes bitten. Durch Ihren Nümamüllers und Sonderlinge ist in mir die Lust geweckt Land und Leute näher kennen zu lernen. Ein sehr einfaches und natürliches Mittel ist eine Reise nach und ein Zeitlanger Aufenthalt in Vorarlberg und dem Bregenzerwald. Dazu ist aber die Winterzeit nicht besonders geeignet. Ob im künftigen Sommer? hängt gänzlich von meinen häußlichen Verhältnißen ab. Und wenn auch dieß im nächsten Sommer geschehen möchte, was schon manchmal in der letzten Zeit mein Herzenswunsch war, doch wollte ich schon jetzt näher mit Ihrem Lande und Leuten bekannt sein. Zu wem anders als zu Ihnen kann ich mich am besten wenden mit der Frage: Welche ist die beste Beschreibung von Land, Leute, Sitten, etc, von Vorarlberg überhaupt, vom Bregenzerwald besonders. In Ihren Nümamüllers reden Sie von Oppermann. Daß dieser mir unbekannt ist, werden Sie mir, dem Niederländer, nicht übeldeuten. Ist das Belvederevon Karl W. Vogt genügend und zuverlässig, oder gibt es etwas Besseres? Wenn Sie die Güte haben wollten mich zu unterrichten, werde ich Ihnen von Herzen recht dankbar sein.

    Mit wahrer Hochachtung und ergebenst

    Ihr HFW Grottendieck.

    H.F.W. Grottendieck
    Alkmaar
    Franz Michael Felder
  • 18. Oktober 1868

    Lieber Herr Felder!

    Die traurige Nachricht, die Sie mir mittheilten, hat mich mit regem Mitleid erfüllt u. umsomehr überrascht, als ich Ihre verstorbene Frau ja in Ihrem Alter wußte u. kräftiger Gesundheit glaubte. Ich begreife daß Sie sich in der gewohnten Umgebung nun doppelt einsam fühlen, glaube darum aber auch, daß es Sie nun früher oder später aus den gegenwärtigen Verhältnissen herausdrängen wird. Ihre äußern Erfolge, von denen zu hören ich erfreut war, können Sie zwar über den herben Verlust nicht trösten, aber wenigstens mögen sie beitragen Sie zu stüzen u. Ihnen den Zusammenhang mit der großen Welt wachzuerhalten.

    Ihren Roman habe ich noch nicht erhalten, auf der Post wo ich nachfragte, wußte man nichts. Ich sehe dem Buche mit großer Spannung entgegen u. will mich sofort an die Lektüre machen. Ich bin überzeugt, daß es Interessantes ist, was Sie uns da spende­ten.

    Erlauben Sie mir noch das Ersuchen beizufügen, uns jene Berg­mann'schen Bücher, deren Sie nicht mehr bedürfen, gelegentlich einmal hereinschicken zu wollen, da schon wiederholt Nachfrage darnach gehalten wurde. Mit freundlichem Gruße

    Ihr ergebenster Bayer Rttmst

    Emmerich Bayer
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 17. Oktober 1868

    Lieber Freund!

    Dein offenes herzliches Schreiben hätte längst eine derartige Antwort verdient. Ich bin aber so vielfach in Anspruch ge­nommen, daß ich auch heute nur chronologisch aufzeichnen kann.

    Erstlich hab ich eine Übersetzung der Sonderlinge ins Fran­zösische anzuzeigen. Reich und Arm wirst Du erhalten haben, und ich bin begierig auf Dein Urteil.

    In Götzis war ich nicht. Der Ministerialrat Dr. Hamm aber hat sich bei Feurstein angelegentlich nach mir erkundigt, mir seine Karte geschickt und mich zum Schreiben an ihn einge­laden. Er sprach davon, daß mir von der Regierung eine Unterstützung werden müsse, und will auf mein Ansuchen die Sache vermitteln. Nun hab ich gestern an ihn geschrieben und ihm Reich und Arm überschickt.

    Den versprochenen Artikel hatte ich verlegt. Nun sollst Du ihn nächstens erhalten.

    Mit meiner Selbstbiographie geht's langsam, weil  ich jetzt so viel sonst zu schreiben, zu antworten und einzufädeln habe, bis Reich und Arm überall hin verschickt ist. Laß mir den Schneider grüßen und melde mir etwas von seinem Befinden. Moosmann von Schnepfau ist hier. Er denkt, sich als Advokat in Vorarlberg niederzulassen. Uhrenmacher Felder ist mit Kind und Rind nach Alberschwende gezogen. Aber ich  muß schließen  und  noch  mehr Briefe schreiben. Nächstens mehr. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 16. Oktober 1868

    Verehrtester Herr Ministerialrath

    Aufgemuntert durch die Theilnahme die E W den Bestrebungen meiner Heimat und den Verhältnissen ihrer fleißigen Bewohner zuwenden, wage ich es, Ihnen in beiliegender Erzählung ein Spiegelbild unserer socialen und wirthschaftlichen Zustände zu übersenden. Der Entschluß, es zu thun, stand fest, noch bevor mein verehrter Freund Feuerstein mich durch seine Mittheilungen aus einer mit Ihnen gehabten Unterredung erfreute. Nun aber erfasse ich um so schneller und mutiger die Hand, welche Sie dem schwer Geschlagenen Sorgenbelasteten gütigst reichen. Noch bin ich nichtdreißigjahrealt, aberein Leben voll Kampf, voll blutsaurer Arbeit und bitterster Entbehrung liegt hinter mir, ein Leben, wiees wol schon halbejahrhunderteeines Menschenlebens ausfüllte und manches Haupt bleichte. Oft und oft hat die blasse Sorge liebere freundlichere Gestalten verscheucht die dem Ein­samen in seinem Arbeitszimmer, seinem Wingolf erscheinen und mich dem Jammer des Alltagslebens entrücken wollten. Unverstan­den, der Umgebung ein unheimliches gefürchtetes Räthsel, schloß ich mich um so inniger an die, deren Herz für mich schlug. Ein edles großes Weib ward mein ganz mein und eine Mutter umgab den Sonderling mit ihrer Liebe ihrer Sorge, ihrem Gebeth. Friedlich und froh bearbeiteten wir zusammen unser kleines überschuldetes Gut die freien Stunden aber, die ich mir abkargte oder auf Unkosten der Meinigen gewann und die Nächte waren edlerer Beschäfti­gung, waren dem gewidmet, was immer meine Erhebung mein Trost meine Erbauung war. Was meine Landsleute mir dem Unver­standenen in den Weg legten, vermochte nicht mich zu verbittern. Mein Auge und mein Herz blieben offen für des Volkes leibliche und geistige Noth. Doch Sie wissen wol von meinem Freunde Feuerstein, wie ich bemüht war, hier den Vereinsgedanken zu verwirklichen. Es ist mir manches gelungen und das war mir immer ein Trost wenn häusliche Sorgen, für die erblindende Mutter, die siebzigjährige Witwe, meine Frau, die mir Auge und Hand, Hausmutter und Magd war, oder die unerzogenen fünf Kinder mich niederdrücken wollten.

    Unter diesen Verhältnissen sind sowol die Sonderlinge als auch reich und arm entstanden und - ich möchte sagen - mit meinem Herzblute geschrieben, geschrieben unter tausend Sorgen und Kämpfen mit Schwielenbedeckter Hand. Und nun, als ich einmal aufathmen wollte, da erkrankt meine Frau und stirbt. Ich habe das wie einen furchtbaren Riß durch mein ganzes Wesen empfunden. Was man sagt, mich zu trösten, war vergebens. Wie ich früher im Hingeben ans Allgemeine alein überwinden konnte, was als Last sich auf mein Einzelleben legte, so vermochte auch jetzt nur das Hinausleben aus mir selbst meinem gebrochenen Wesen wieder einige Spannkraft zu geben. Als ich in der Zeitung las, das Vereine, dem von mir ähnlich, mit einem veranlaßten Preise bedacht werden sollen

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 15. Oktober 1868

    Rechnung

    für F. M. Felder in Schoppernau von Joh. Nep. Teutsch über

    1868

    Sept. 21         1  Bergmann Landeskunde                       f1, 20

    1 Fremdwörterbuch                                      — 40

    Octobr15    1 Haidinger Selbstadvokat                             2, 50

    f 4,10

    Buchhandlung Johann Nepomuk Teutsch
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 2. Oktober 1868

    Lieber Freund!

    Dein Schreiben vom 24. v. Ms. ist mir sehr erfreulich, da ich sehe, daß Du wieder auflebst. Ich bin begierig auf die Zusendungen, die Du erwähnst, insbesonders auf den Hilde­brand'schen Brief, da ich die Gründe hören möchte, nach denen jetzt Deine Selbstbiographie rätlich wäre. Nach den Erfahrungen, die ich auf dem Gebiet des Geistigen gemacht habe, gewinnt der Mensch, der Stärkung und Hebung sucht, diese mehr, wenn er sich in das Höhere, Allgemeine, Göttliche vertieft als in das eigene Ich, mehr in der Hingabe, in der Opferung des Ich als in dessen Selbstbeschauung. Wenn bei letzterer auch klar wird, wie uns Gott wunderbar und liebe­voll geleitet hat, so ist das mehr eine Erweiterung des Wissensbereichs als eine Vermehrung der geistigen Kraft. Wie der physisch ermüdete Mensch seine Kräftigung im Schlaf sucht und findet, so der geistig müde die seine im Selbst­verzicht, in der Hingabe. Unsere Aktivität ist im großen und ganzen nur dann eine glückliche, wenn wir die hohe, gott­ebenbildende Kunst der Passivität gelernt und geübt haben. -

    Die Frau des Feurstein in Bezau hat unter anderm meiner Schwägerin in Schruns davon geschrieben, daß man jetzt erst, nachdem der Schmerz Dich so heimgesucht, von Dir Schönes und Großes erwarte. Ähnlich scheinen Deine Freunde die Sache anzuschauen. Ich muß sagen, mir, subjektiv, kommt diese Anschauung hart, peinlich vor. Möge sie Dir in besserem Licht erscheinen. -

    Nach Götzis kann  ich der bereits angeordneten Verhand­lungen am 6. und 8. d. Ms. wegen nicht gehen. Ich muß abbrechen, weil die Post geht. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund   K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 1. Oktober 1868

    Lieber Freund!

    Ein Schrecken, der noch jetzt lebhaft in meiner Seele nachklingt, überkam mich, als ich vor gerade Einem Monate, am Tage der Beerdigung Ihrer unschätzbaren Frau, die Nachricht von dem namenlosen Unglücke anhören musste, das Sie, das den besten Menschen inmitten des aufblühenden häuslichen Lebens inmitten des Behagens einer segen- u. ruhmreichen Thätigkeit betroffen. Es war mein tägliches Vorhaben, selbst zu Ihnen zu eilen u. Ihnen meine Theilnahme zu beweisen; aber die ununterbrochene Abwe­senheit von zwei Collegen (Martignon u. Ölz) erlaubte mir als Gerichts u. Gemeindearzt nicht, drei Tage von hier fern zu sein. Indessen höre ich von Herrn Kofier, der mir Ihren freundlichen Gruss ausgerichtet hat, dass Sie zur Ausstellung nach Götzis zu kommen gesonnen sind. Ich bitte Sie nun, bei mir zuzukehren, u. mich mitzunehmen. Sie wissen, dass am Vorabend der Ausstellung die Generalversammlung abgehalten wird. Trachten Sie dahin, dass wir derselben beiwohnen können.

    Es wird gut sein, wenn Sie die Stätte des Unglückes auf einige Tage verlassen, u. an der Seite Ihrer Freunde neuen Lebensmuth zu gewinnen suchen.

    Von Herzen grüsst Sie Ihr

    getreuer Freund

    Dr. Waibel

    Johann Georg Waibel
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 1. Oktober 1868

    Lieber Freund

    Ein Monat ist nun vorüber seit dem Traurigsten Tag, der trau­rigsten Zeit meines Lebens, das doch nicht arm war an innern und äußern Kämpfen. Es ist ein langer Monat gewesen Freund, aber doch nicht so, wie ichs mir hätte denken müssen, wenn ich überhaupt an so etwas einmal gedacht hätte. Aber das alles kam ja, wie ein Blitz aus heiterm Himmel, ungerechnet und unbegründet. Ja ich hätt einmal mit allem hadern, von allem weglaufen mögen. Nanni starb so still weg, daß ichs lang nicht glauben konnte. Der Tod hatte ihrGesicht so schnell entstellt, daß man sie nicht mehr gekannt hätte nach wenigen Stunden und das war mir noch fast lieb. Ich schied leichter von ihrem Sarge.

    Zur Beerdigung hatten sich trotz der drängenden Feldarbeit viele Theilnehmenden eingefunden. Es war einer jener tief­blauen Tage, denen die Selige so froh entgegenzujubeln pflegte. Während mehrere Priester in der Kirche sangen und Messen lasen für das Honorar von Reich und arm. (Nur wer unsere zusammen ausgestandene Noth kennt, kann sich die­sen Gedankengang erklären.), über das Nanni sich so sehr gefreut hatte, standen ich und Moosbrugger auf dem frischen Grab und weinten. Ich mußte an den sauern Weg bitterster Entbehrung denken, den sie mir fröhlich und vertrauensvoll herauf klimmen half. O wie wenig hatte ich ihr zu biethen vermocht für den stolzen Glauben, die feste Hoffnung auf mich. Wol konnte ich mir nichts vorwerfen. Wir haben uns keine einzige böse Minute gemacht, aber immer wars der Sporn meines Strebens gewesen, einmal mit ihr aus düsterer nebliger Tiefe heraus zu kommen in liechtere Höhen. Nun fehlte mir alle Lust zum Leben und Schaffen, es fehlte mir alles, alles. Mehr als mein Schwager hat mich der Anblick meiner Kinder getröstet. Gleich nach dem Gottesdienst gieng ich mit den Angehörigen Nannis nach Au. Im Rößle aßen wir Mittag, dann suchte ich mit Moosbrugger Mariannen auf. Eine wohlgesetzte Anrede vermochte ich nicht zu halten an das Mädchen, aber es versprach zu kommen und ist nun da und ich danke Gott daß es da ist.

    Mit Hirzels Artikel in der Zürcher Zeitung hat mir derselbe einen herzlichen Brief und Scheffels Ekkehard zugeschickt, den mir dann Mariann sofort vorlas. Nächstens - sobald wir mit Lessings Nathan fertig sind, gehen wir an Reich und Arm. Mit meinen Erinnerungen (Selbstbiografie) hab ich angefan­gen, und zwar recht gründlich. Wenn ich meine Entwickelung und Verwickelung durchweg so gebe, wirds wol ein so um­fangreicher Band, wie Reich und Arm. Und doch glaub ich das zu sollen wenn ich überhaupt etwas geben will. Übrigens geht die Arbeit doch etwas langsam, wenns mir schon gerade nicht an Zeit fehlt. Ich werde wol nicht in einem Zuge fertig machen, denn hundert Gestalten und Bil­der drängen sich mir auf. Vergessene Freunde besuchen mich in meiner Einsamkeit und rufen allerlei wehmütige Stimmun­gen in mir wach, denen ich Gestalt und Form geben möchte. Gern will ich hören, was unterdessen Du und Flügel erlebt. Ich hab Euch in Gedanken begleitet. Laß mir ihn und alle grüßen, die sich mir freundschaftlich erwiesen, besonders die Deinigen, das Hinterhaus von A bis Z und den Klub. Kasinomitglied bin ich nicht und auch meine Freunde haben sich ganz nach meiner Weisung verhalten. Die Geschichte nimmt hier überhaupt - wie es scheint - in kurzer Zeit ein schäbiges Ende. Ich denke das Ganze gelegenheitlich in einem politischen Tagblatt zu schildern. Die Grenzbothen würdens schwerlich aufnehmen, obwol der Kasinoschwindel gerade für Euch da oben recht interessant sein müßte. Daß ich mir so eine Versammlung selber bei Liechte besah, kannst Du Dir noch eher denken als das Aufsehen vorstellen welches mein Erscheinen machte. Pfarrer Birnbaumer, der Gründer sah mit Zähneknirschen, wie meine frühern, von ihm übertölpelten Freunde sich um mich versammelten und in ihrer Unschuld mich mit drin haben wollten um jeden Preis, daß es doch ein wenig Leben gebe. Ich aber will der Sache kein Leben geben und vermeide daher jede Opposi­tion. Jetzt ist das überhaupt die Haltung der Freisinnigen bei uns. Auch die der Feldkircher Zeitung, die nun wieder einen besseren Leiter hat.

    Wenn einmal dem Schillerverein gegenüber etwas geschieht, so sei so gut, es mir zu melden. Früher aber hoffe ich etwas von Deiner Zukunft zu hören. Vergnügungsreisende hielten die Unterstützung des Wörterbuchs für eine ausgemachte Sache. Schreib mir doch, wie es steht.

    Es dunkelt, aber ich muß Dir doch noch sagen, daß - mich nun auch der Uhrenmacher verläßt. Er verdient hier nicht viel im Winter und zieht daher nächste Woche nach Alber­schwende. Er ist Vater geworden und sein wenige Tage nach Wibles Tod geborenes Kind heißt Nanni. Also wieder eine treue Seele weniger, dafür ! aber zählt sich das Dökterle zu aller Erstaunen wieder zu meinen Freunden und begegnet mir wirklich in der herzlichsten Weise.

    Seine Schritte gegen mich und den ins Kasino nennt es öffent­lich Dummheiten eines gutmütigen Tröpfleins. Nun, das ist hier noch manchem so gegangen, aber das Dökterle hätte doch klüger sein sollen.

    Dein letzter Brief sammt Beilage hat mich sehr gefreut. Ich will Dir Letztere bald übersenden. Könntest Du mir nicht meinen Grenzbothen-Artikel noch schaffen. Seyffertitz hat das letzte meiner Exemplare dem Minister Herbst gegeben, und sich einfach entschuldigt.

    Mariann bittet, Dich grüßen zu lassen. Herzlichen Gruß auch von mir Dir, Deiner Frau und allen den unsern, Karl, Lipold. Lotze, Hirzel Thieme u a von Deinem

    Franz M Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 1. Oktober 1868

    Lieber Herr Felder

    Hier kommt Arm und Reich! Es sind die ersten zwölf Exemplare, die fertig geworden.

    Möchte der Anblick Ihres neuen Geistesproductes Ihnen einen frohen heiteren Tag bereiten, nachdem ein so schwerer Schlag Ihr Leben verdunkelt hat. Wir haben alle herzlichen Theil genommen, als wir durch Hildebrand die traurige Nachricht erhielten, ich ließ sogleich den Druck beschleunigen, weil ich dachte, daß der Empfang des fertigen Werkes die einzige Freude wäre, die Ihnen jetzt zu Theil werden könnte.

    Hoffentlich hat mein Herr Vetter in Zürich Ihnen die Blätter der Neuen Zürcher Zeitung zugesandt, in denen er Ihnen und seinem Besuch bei Ihnen ein so schönes Andenken gestiftet hat. Schenken Sie mir gelegentlich ein paar Zeilen und erhalten mir Ihr Andenken.

    Ihr Ihnen aufrichtig ergebener S. Hirzel

    Salomon Hirzel
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 27. September 1868

    Verehrtester Herr Baron!

    Ihr werthes Schreiben hab ich richtig erhalten und wenn ich Ihnen erst heute für Ihre herzliche Theilnahme meinen wärmsten Dank auszusprechen [erlaube], so dürfen Sie das nur meiner Unlust, am Schreibtische zu sitzen, zuschreiben, und meiner Unfähigkeit die Gedanken zu sammeln. Aber gerade die warme Theilnahme meiner Freunde in Nah und fern hat mich auch wieder aufgerichtet und mich an

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Carl Seyffertitz
  • 27. September 1868

    Lieber Freund,

    Dein Brief war mir sehr wohltuend und beruhigend; er ist auch im Club und sonst gelesen worden, z. B. von den Frauen und Mannen des Hinterhauses, Hirzels, überall mit wärmster Theilnahme. Ich hätte Dir auch längst wieder geschrieben und länger als heute, wenn nicht ein Arbeitssturm und ande­res Abziehende dazwischen gekommen wäre; z. B. hab ich bis gestern drei Wochen lang den Universitätsfreund (Her­mann Schmidt) zur Cur im Hause gehabt, dessen Rückfall in eine Gemüthskrankheit mir bald nach Deiner Ankunft hier gemeldet wurde; Du erinnerst Dich wol noch der Bestürzung, in der Du mich einmal bei einer Frage fandest, als Du hinter mich an meinen Schreibtisch tratest. Morgen aber, mit Dei­nem Zuge, 4 Uhr 40 M., reise ich nach Würzburg, zur Philo­logenversammlung, Flügel geht auch mit; ich hab mir die Reise durch stürmisches Vorarbeiten verdienen müssen (ich meine die Zeit hauptsächlich) und bin nun marode, wie mirs immer geht, wenn ich einmal fort will. Doch zu Dir zurück. Beruhigend ist vor allem was Du von dem Sonderling oder der Sonderlingin, der Mariann schreibst; die wird sich ja wol leicht einleben in Deinen äußern und innern Lebenskreis. Grüß mir sie herzlich, ich wollte ich hätte sie dort kennen lernen. Einen schweren Stand wird sie frei­lich haben mit Kindern und Wirthschaft, aber die Abende mit Lust und Lehre werden sie ja aufrecht erhalten.

    Reich und Arm ist nun fertig, wenigstens was mich angeht. Ich hab heute das Letzte corrigirt - mit eigener Wemuth hab ich da jetzt die von Deiner Katharina geschriebenen Worte in der Handschrift angesehen, sie sahen mich so rein, frisch und innig an. - Die Dorothee, der Hans, besonders die beiden sind mir schon so lebendig geworden in mir, daß ich oft an sie denke wie an vorhandene Menschen; weniger hat der Jos in mir Gestalt und Dasein gewonnen, er tritt in der zweiten Hälfte doch etwas zu sehr zurück. Das Ganze ist aber vortrefflich, es freut sich hier schon mancher darauf.

    Die Äußerungen Frickes über die Sonderlinge schicke ich Dir mit. Du mußt mir aber das Blatt wieder zukommen lassen, ich werde Dir von Fricke oder Hirzel ein anderes besorgen. ­Die Aufsätze des Diaconus Hirzel über Dich in der Neuen Zürcher Zeitung hat er Dir sicher zugeschickt, mich haben sie lebhaft gefreut. Der Mann hat Geist und Herz.

    Und noch etwas von den Sonderlingen. Vielleicht werden sie nun übersetzt ins - Französische. Bestimmt versprochen ist mirs wenigstens. Vor ein paar Wochen war nämlich ein Pari­ser hier, an mich empfohlen durch seinen Schwager in Paris, einen Gelehrten mit dem ich befreundet bin, er selbst Lehrer des Deutschen (z. B. beim kaiserlichen Prinzen), begeistert für deutsche Literatur, selbst eigentlich ein Deutscher, d. h. ein Elsässer, mit Namen Prof. Levy - erschrick nicht vor dem Judennamen, er war sonst nicht wie ein Jude. Wir waren für ein paar Tage zusammen, nach Clubart, und da hab ich ihn denn für Dich gewonnen, sodaß er von selbst jene Überset­zung versprach und überhaupt ein Wirken für Dich in der Pariser Presse. Ob er zugleich ein Worthalter ist? Das müssen wir abwarten. Ich las ihm auch ein Cap. aus Reich und Arm vor, Zacharias war dabei. Von der holländischen Übersetzung hat man doch noch nichts gesehen!

    Doch ich muß weiter für heute, und morgen fort an den Main. Wünsche mir Glück, wie ich Dir,

    in alter Liebe Dein R. Hildebrand.

    Den Gedanken, Deine Lebenserinnerungen zu schreiben, halt doch ja fest, mach doch gleich eine kleine Skizze, die Du dann nach Belieben hier und da ausführen kannst?

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 24. September 1868

    Lieber Freund!

    Drei Wochen sind seit Deiner Abreise vorüber. Damals dacht ich nicht, daß ich mit Schreiben an Dich so lange warten würde. Ich glaubte, kaum noch etwas mit der Zeit anfangen zu können. Nun will ich Dir kurz Rechenschaft geben.

    Jeden Abend empfing ich Briefe, die mir in der Seele doch wieder wohl taten, besonders einer von Hildebrand, den ich Dir statt ferneren Lobreden auf dieses herrliche Gemüt übersenden werde. Er sagt mir, wie ich nicht mehr allein sei, und legt mir's nahe, daß meine Freunde noch Bedeuten­des von mir erwarten und daß das Unglück mich nun auch inniger an den Himmel binde. Er sprach in Form eines Wun­sches den Rat aus, jetzt mit meiner Selbstbiographie zu begin­nen, damit ich darüber nachdenke, wie Gott mich immer so wunderbar und liebevoll geleitet habe. Schon dieser Gedanke tat mir wohl und begann, das Leere meines Wesens weit besser auszufüllen, als es die Feldarbeit vermocht hatte. Ich fing nun wieder an, in meinen Briefsammlungen herumzu­stöbern, die noch nicht verbrannten Jugendarbeiten und Tagbücher zu lesen, wobei ich mehr und mehr wieder aufzuleben begann. Wohl tat mir auch, meine Kinder bei Mariannen so behaglich zu sehen, daß sie nur selten und immer froh von der Mutter plauderten und so unbewußt vielleicht dem guten Mädchen oft andeuteten, was es zu tun habe. Ich nenne sie ein gutes Mädchen und das würdest Du auch, hättest Du gesehen, wie sie, wenn ich abends traurig mein Zimmer durchschritt, zu mir kam und mir etwas vorlesen wollte. Ihre Lernbegierde tut mir wohl, in ihrer Be­friedigung kann ich meine besten Kräfte wieder üben, wenn ich die Macht unserer edelsten Geister auf ihr reines, reiches Gemüt wirken sehe, ist's mir, ob sie auch mir sich wieder erschlossen und genähert hätten.

    Das Mädchen bleibt nun hier, obwohl das Mötele resp. Mutter, aufgeredet von frommen Basen und um des lieben Nähens willen, schon gewaltig dagegen sein wollte. Dieser Tage erhielt ich von Hirzel in Zürich einen gründlichen Artikel über den Dichter aus dem Bregenzerwald, der durch viele Nummern durchgeht. Er enthält neben einigem Un­richtigen so viel Schönes, daß ich ihm auch im Vaterland mehr Verbreitung gönnte. Vielleicht kannst Du das durch die Wiener Volkszeitung vermitteln. Der Artikel - mit Wärme geschrieben - ist eine Verherrlichung des Bregenzerwalds, und ich werde Dir ihn bald auch zur Mitteilung an Bickel, Gaßner und andere schicken, nur könnt ich Euch das einzige Exemplar nicht überlassen.

    Die Rüscher'sche Partei - deren einzelne Mitglieder jubelten, während meinem guten Wible die Sterbglocke geläutet wurde, verfällt immer mehr der Gemeinheit, die alle bändigt. Ich habe mit meiner Selbstbiographie begonnen, und die Arbeit schreitet - aber mit von mir doch kaum glaublicher Langsamkeit - voran. Ich denke zuweilen daran, nach Götzis zu gehen. Wenn Du auch gehst, so schreib mir's, denn dann komm ich bestimmt; schreib aber auch sonst bald Deinem Freund

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 23. September 1868

    Lieber, theurer Felder!

    Der sonst so freudige Besuch des Uhrmachers ist uns zur Trauer geworden. Schmerz - ja Entsetzen hat uns ergriffen bei seiner Nachricht vom Tode Ihrer herrlichen Gattinn. Wir fühlen mit, wir ahnen die Größe Ihres Verlustes. Ich kann es fassen, daß Sie damit wieder an den Rand der Verzweiflung gestellt sich sahen. Aber - raffen Sie sich als Mann u. Christ zusammen u. empor. Setzen Sie ihr später als Schriftsteller ein würdiges Denkmal. Gott erhalte, Gott tröste u. stärke Sie-u. sei mit seinem Segen über den armen, armen Kindern u. Ihrer alten Mutter!

    Ich kann heute nicht mehr schreiben

    In tiefster Theilnahme Ihr H Hirzel nebst Frau u. Schwägerinn.

    Heinrich Hirzel
    Zürich
    Franz Michael Felder
  • 14. September 1868

    Mein lieber Herr Felder!

    Seit wir im Mondscheine, vor dem Rößli in Au, uns die Hand zum Abschiede drückten; ist kein Tag vergangen, an dem wir nicht Ihrer gedacht, über Sie gesprochen u. verhandelt hätten. Als thatsäch­lichen Beweis davon übermache ich Ihnen meine Feuilleton = Arbeit für die N.Z.Z. Natürlich bin ich begierig, was Sie zu derselben sagen. Fürdie Freimütigkeit, mit der ich mich in ihr über Sie ausspreche, entschuldige ich mich nicht: als freie Männer werden wir dieselbe stets nicht nur einander gestatten, sondern geradezu von einander verlangen. Hingegen bitte ich um Entschul­digung u. angelegentlich auch um Berichtigung da, wo ich sei es in Darstellung von Fakten, sei es im Urtheilen geirrt u. wider Willen gefehlt habe. Boten mir auch Hrrn Hildebrands Arbeit in der Gartenlaube u. Ihre eigenen freundlichen Mittheilungen ein schö­nes Material: so habe ich doch noch hie u. da selbst kombinieren, auch etwa durch Schlüsse des Verstandes u. Thätigkeit der eigenen Phantasie eine Lücke ergänzen müssen; u. da kann schon Unrichti­ges mit untergelaufen sein. Im Ganzen werden Sie den guten Willen u. dann auch die aufrichtige Verehrung für Sie u. von uns gefaßte Affektion für Ihr Ländchen wohl aus Allem herauslesen. Ihre bisherige schriftstellerische Thätigkeit erschien mir mehr u. mehr im Lichte einer innerlich bestimmten u. Sie selbst bestimmen­den Nothwendigkeit. Die 3 bisherigen größern Werke stellen einen in sich abgeschlossenen, in drei Stufen sich gliedernden Entwick­lungsprozeß dar. Daß Sie nach diesem vorläufigen Abschlüsse nun etwas ruhen, kommt mir ebenfalls begreiflich u. nothwendig vor, so wie das, daß diese Ruhe nicht in Thatlosigkeit, sondern in der Ausarbeitung kleinerer Novellen besteht, für welche Sie Ideen u. Material bis jetzt schon bei der großen Arbeit beinebens gesammelt haben. Die „Liebeszeichen" als kleinere Arbeit hat uns wieder unbedingt gefallen. Das sittliche Thema, welches Sie behandeln; die Aufgabe, die Ihnen durch das Leipziger=Urtheil über die Kuß= Leere Ihrer Romane gestellt war, sind vortrefflich u. gewiß auch zur vollsten Zufriedenheit Ihrer Leipziger=Freunde gelöst. A propos der Berspuchner=Brücke, bei der diese Novelle anhebt: das Mädchen, welches von ihr hinunter sich stürzend den Tod suchte u. fand, möchte auch ein reiches Motiv darbieten zur Darstellung mehr des grübelnden, melancholischen Elementes, das immerhin im reichen Naturell des Wälders u. der Wälderinnen

     

    Heinrich Hirzel
    Zürich
    Franz Michael Felder
  • 12. September 1868

    Lieber alter Freund!

    Obwohl ich mir fast täglich vornahm Deinen Brief von Leipzig zu beantworten, komme ich doch erst heute dazu diesen Vorsatz zu verwirklichen; warum? um weder mich noch Dich zu täuschen, aus Faulheit. Zuerst verschob ich es bis zu Uhrenmacher Felders Ankunft zum Schützenfest, dann bis Ende des Schützenfestes u. dann von Tag zu Tag bis jetzt. Die Festhalle besuchte ich, als der Studentenkommers zu Ehren der Schützen abgehalten wurde; die Halle gefiehl mir mehr als ich den Bildern nach vermuthen konnte, sie war wirklich großartig, so zwar das ein Commers ein Unsinn war. Zwei Tische vom Katheder entfernt verstand ich von den Reden keinen Satz, kaum den Chorgesang hörte man deutlich, was werden die am 20 oder 30sten Tische gehört haben? Getroffen habe ich nur einen bekannten Vorarlberger einen „Winter" aus Feld­kirch. Kritiken u. Berichte über das Schützenfest hast Du sicher genug gehört u. gelesen.

    Die Nachricht von Deinem u. der Deinen Wohlergehen u. Deinen litterarischen u. politisch-socialen Erfolgen zu Hause hat mich sehr gefreut: hoffentlich wird Dein neuestes Produkt zur Vermehrung Deines Ruhmes beitragen. Die Bildung des Volkes geht jetzt auch in diesen Gegenden rasch vorwärts, die Staatshülfe (von mir immer vertheitigt) wirkt Wunder, obwohl sie eigentlich in nicht viel mehr besteht, als daß man den Fortschritt nicht hemmt. Dadurch schon scheint Österreich sich viele Sympathien erworben zu haben. Wer das Leben hier genauer ansieht, muß sich die Meinung bilden, daß unser Staat gegenwärtig wohl der freiste ist, der existirt; Bei euch werden wohl Regierungsorgane u. Volk das ihrige beitragen, daß man ein bischen anders denkt.

    Auch ich war auf dem Wege, meine Gedanken mittelst Gutten­berg's Erfindung hie u. da zu verbreiten. Es wurde nämlich von einem Bekannten nach vielen Mühen eine Arbeiterzeitung gegründet u. dieser engagierte mich als Mitarbeiter. In der ersten Nummer ist ein meinem Schädel entsprossener Aufsatz. Schwierigkeiten zur Gründung waren leicht begreiflich die Finanzen. Finanzen waren auch die Ursache des frühen Todes dieses Blattes. Ein Fabrikanten­sohn hatte das nöthige Geld geliefert für Caution u. Auslagen. Da aber nach Ausgabe des zweiten Blattes kein Erträgniß erzielt war, zog er die Caution zurück u. gab kein Geld mehr her u. deßhalb gieng die schon gesetzte Auflage des dritten Blattes als Embryo ab. Die Haltung des Blattes war dem Fabrikantensöhnchen auch nicht nach seinem Sinne, sondern zu demokratisch. In Arbeiterkreisen der gebildeten Sorte fand es hingegen schon nach der ersten Nummer sehr großen Anklang u. es hätte wahrscheinlich bald eine ziemliche Verbreitung gefunden. Tonangeber in Vereinen haben dem Redakteur versprochen, dahin zu wirken, daß eine baldige Fortsetzung ermöglicht wird. Für die eintreten, die nichts besitzen ist aber sehr schwer. Wir wollen sehen ob es ihm gelingt. Einige Tage vor der erwähnten Katastrophe habe ich dem Redakteur Deine Addresse übergeben u. für Dich ein Exemplar bestellt; wäre die 3te Nummer gesund zur Welt gekommen, so wäre sie Dir mit den 2 älteren Schwesterchen zugeschickt worden. Ich wohne noch immer in der Dir schon bekannt gegebenen Wohnung, vielleicht dauert es noch einen Monat bis ich weichen u. Quartier für meine Rechnung beziehen muß, je nach der Witterung. Lektionen habe ich bisher immer noch wenige, für Wien schlecht bezahlte und ungelegene, so daß ich finanziel nicht glänzend stehe, jedoch Noth leide ich nicht, muß aber unverhält­nißmäßig viel Zeit für die bloße Existenz vertandien. Mein Leben ist so einfach, daß sich wenig darüber bemerken läßt. An Vereinen habe ich bisher nicht Theil genommen, theils weil mir keiner vollständig nach meinem Gusto war, theils der Auslagen wegen. Letzten Samstag gieng ich zum ersten Male in einen bis dahin nicht gekannten Verein als Gast, er nennt sich „veritas" und besteht großentheils aus Doktoren u. Professoren. Er hat mir sehr gut gefallen. Politische, sociale u. religiöse Fragen werden in vollsten Sinne frei besprochen u. so werde ich denn auch heute der Einladung des Vorsitzenden Folge leisten u. wieder erscheinen, ja auch seine große Bedeutung zu haben scheint. Und zur schön = literarischen Bemerkung hinzu noch eine ebensowohl vom ästheti­schen als vom Utilitäts=Standpunkte aus: diese Brücke ist ein prachtvoll romantischer Punkt; aber nicht im Mindesten als solcher zugänglich gemacht. Meine 2 lieben Begleiterinnen u. ich suchten mit aller Sorgfalt hüben u. drüben u. auf der Brücke selbst einen Standort, von dem aus man das geniale Brücklein selbst u. seine Umgebung u. den tief=unten grün=blau gekleideten, schwermü­thig herauflächelnden Fluß behaglich betrachten könnte; es war kein solcher Punkt zu finden. Auf der Brücke verhindern die hohen Bretterwände ein Hinabschauen u. am Ein= u. Ausgang lassen die senkrechten Felsen u. das auf ihrem Rande stehende Gebüsch= u. Baumwerk den Wanderer auch nirgends in die großartige Schlucht hinabblicken. Da sollte man mit ganz weniger Arbeit nachhelfen: solches versteht man in der Schweiz nur zu gut; bei Ihnen aber wirklich noch zu wenig. Auch da heißt's: ,,z' Lützel u. z' Viel verderben alle Spiel". Und weil wir einmal dort in der Nähe sind, noch Eines: der kleine Hieb auf die Wirthshäuser von Schwarzen­berg wäre fast noch etwas derber ausgefallen u. auch dann noch verdient gewesen. Im Hirschen daselbst bedienten uns zwei Wäl­der=Mädchen, ich weiß nicht waren's Töchter oder Verwandte oder Angestellte des Wirths, - vielleicht weil wir anspruchslos u. staubbedeckt zu Fuß anlangten - sehr unfreundlich, „g'schnuoper" nennen wir das, kurz angebunden, im Gegensatz zu dem ganzen übrigen Ton, der uns durch den ganzen Wald so sehr angespro­chen. Wir wären, wie Ihnen vielleicht unser Träger erzählt hat, auch lieber auf der Equipage, als auf Schuhmachers Rapp angefah­ren; aber sintemalen in Bezau kein Pferd zu kriegen war, so mußten wir uns bescheiden; haben gelächelt über die furchtbaren Crinoli­nen u. Chignons, die aus den großen Städten Bregenz u. Lindau u. Friedrichshafen sich in der Sommerfrische Schwarzenbergs breit machen, wobei ihre Trägerinnen sich überdieß noch gehörig zu langweilen schienen; u. den dummen Kellnerinnen gedachte ich eigentlich eine gehörige Feuilletons=Ohrfeige zu applicieren. Aber sie verstehens halt noch nicht besser u. beurtheilen die Leute nach den Kleidern u. ahnen in einem bescheidenen Wanderer nicht einen furchtbaren Feuilletonisten. Diese Brücken= u. Kellne­rinnen = Betrachtungen können Sie gelegentlich anbringen, wenn Sie im Hirschen in Schwarzenberg einkehren. Da haben dann freilich die Frau Base in Alberschwende u. das dortige Bäbeli einen ganz ändern Stein sich bei uns ins Brett gelegt. Da muß ich aber doch Sie noch um Verzeihung bitten, daß ich den naiven Bericht der Frau Bilgery über das allerliebste naive Wort Ihres Fraueleins „was er nüd hübsch ist, ist er gschiit" aller Welt verrathen habe. Kehren wir von diesen Abschweifungen wieder zu Ihnen zurück: so halte ich also die Herstellung einiger kleinerer Novellen jetzt für durchaus indiciert u. freue mich sehr darauf, ihnen hoffentlich in der großen Gartenlaube zu begegnen. Es ist dieß gewiß ganz der nothwendige u. zweckmäßige Ruhepunkt, auf dem Sie ein Weil­chen sich niederlassen u. auch - ein so willkommenes Stücklein Brot mit den Ihrigen genießen werden. Aber dann, denke ich, muß ja doch nach einer Weile wieder aufgestanden u. nach höher liegenden Zielen emporgeklommen werden. Wohin dann der Geist Sie treibt, darauf bin ich sehr begierig u. habe die Ahnung: Ihr Schicksal - zunächst als Schriftsteller, aber dann auch als Mensch ­hängt von der Richtung ab, welche Sie dann einschlagen, von den Zielpunkten, nach welchen Sie dann Ihre Schritte lenken. Der Geist leitet zwar theilweise unbewußt seinen Träger u. Ihr Genius hat Sie bisher sichtbar u. nachweisbar aufs Beste geleitet. Doch hat der Apostel auch recht, wenn er der Ansicht ist, der Prophet sei des Geistes, der in ihm wohne, mächtig. Wie ich Ihnen schon münd­lich andeutete, ist z. B. Ihrem sehr kundigen Verleger ein Wenig bange über Ihre zukünftige schriftstellerische Entwicklung. Ich bin beruhigt für mich u. werde nächster Tage auch ihn beruhigen. Ja ich frage mich, ob es nicht von meinem geringen Standpunkte aus fast eine Anmaßung sei, hierüber Ihnen irgend einen Rath ertheilen, den Pegasus, der Sie trägt, auf irgend einen Weg mit= lenken zu wollen. Er wird ja wohl seinen Weg auch weiter finden u. Sie werden auch ferner sich selbst am Besten rathen. Und doch hat gerade das einläßlichste Studium Ihrer Werke u. die theilnahmvoll­ste Beschäftigung mit Ihrer Persönlichkeit mich immer wieder zum Problem zurückgeführt: wie wird Felder, der als erst 30jähriger Mann noch eine schöne, lange Zeit des Wirkens vor sich hat, zum immer größeren Schriftsteller weiter sich entwickeln? Darüber glaube ich meinen verehrten Herrn Vetter in Leipzig ganz beruhi­gen zu können: Felder weiß die Wurzeln seiner Kraft in den Boden seiner Heimath eingesenkt u. wird nicht durch Losreißung aus diesem Boden seine Wurzeln sich selbst abschneiden. Wenn aber dieß gewiß ist; so erhebt sich ja nur um so mehr die gegenteilige Frage: kann dann aber auf so beschränktem, engem Boden ein Dichterleben u. =Streben sich fröhlich u. mächtig entfalten; wird's nicht grad durch diese Enge erdrückt werden u. frühe absterben? Wenn - ich weiß nicht, ob Hrr. Hildebrand selbst oder andere Leipziger=Freunde je einen Gedanken daran hatten, Sie sollten in die weite Welt hinaus sich verpflanzen; so war's gewiß das Gewicht dieser Frage, welches sie hiezu überwog; u. auch ich verkenne nicht dieß Gewicht. Aber ich bleibe dennoch dabei: im Vaterlande „da sind die Wurzeln Deiner ganzen Kraft". Und ich glaube: es giebt eine innere Vertiefung u. Ausweitung, welche die äußerlich beschränkten Grenzen durchaus aufzuheben vermag. Sie mögen mich schon ein Wenig auslachen, daß ich mir solche Sorge mache um Sie, und, vielleicht ganz unnöthiger Weise, manche Stunde über dieses Problem nachgedacht habe. Alles Nachdenken hat mich aber nur bestätigt in dem Gedanken, der mir schon bei Ihnen durch die Seele schoß: Ein tüchtiges, eingehendes Studium der Ceschichte des Bregenzer=Waldes wäre jetzt dann das Förderlichste für Felder.

    Sie kennen die Natur u. kennen das Volk Ihrer Heimath durch u. durch. Aber nun: wie ist dieß Völklein geworden, was es ist?- Der, der dasselbe verstehen, geistig leiten u. es beherrschen will, muß auch diese Frage noch ganz klar sich beantworten. Die Antwort giebt die Geschichte. Kenntniß dieser Geschichte bringt dreierlei Gewinn:

    1) Ihnen selbst. Das Studium der Geschichte, bei dem ja zuerst an der Hand eines guten Lehrbuches die allgemeine Geschichte namentlich auch des Mittelalters müßte berücksichtigt werden, macht den Geist objektiv, weit, frei. Ihre Selbstbildung zieht aus ihm den größten Gewinn.

    2)       Ihrer Schriftstellerei. Die bloße Dorfgeschichte erschöpft sich. Dem Dichter ist ein weiterer Horizont nothwendig; ihn eröffnet die Geschichte. Weil Ihrer Heimat Geschichte einige große u. reiche poetische Motive darbietet, so ist es Ihr Beruf u. Ihre Pflicht, diese auszubeuten. Dieß aber kann nur geschehen, wenn Sie in der Geschichte ganz zu Hause sind; die Perioden,  in denen jene Episoden spielen, genau kennen u. so im Einzelnen, welches Sie herausgreifen, zugleich das Ganze sich darstellt.

    3)       Ihrer Heimath. Kennen Sie Zschokkes Geschichte des Schwei­zerlandes. Es ist kein tiefes historisches Werk. Aber für's Volk volksthümlich lebendig, begeisternd geschrieben, hat das Buch unserm Volk großen Dienst geleistet. Ich stelle mir vor, Ihr Freund Bergmann könnte Ihnen da rathend,  helfend, alle Materialien bietend an die Hand gehen. Sie würden vielleicht einmal auch eine solche populäre Geschichte des Waldes zunächst als Familienbuch für Ihr Völklein schreiben. Historisches Material zur Bearbeitung im historischen Roman würde Ihnen dann in Fülle sich darbieten. Nebenbei gesagt u. als untergeordneter Punkt - auch das wäre ein Verdienst um Ihr Land, wenn eine tüchtige Verlagshandlung einen Landschaftszeichner anstellen, die schönsten u. wichtigsten Punkte des schönen Landes in guten Stahlstichen wiedergeben Lassen würde u. Sie einen lebensvollen historisch=topographischen Text dazu schreiben würden.

    Ich meine: mit Allem dem bleiben Sie in Ihrer Heimath, verherr­lichen, bauen, u. pflegen Sie diese Heimath u. zugleich damit wachsen Sie heran zum immer bedeutenderen Menschen u. Dich­ter. Sie haben eine reiche Begabung u. große Kraft. Sie sind vom Standpunkte des Fünfzigers aus beurtheilt noch jung u. haben noch lange Zeit der Bildung u. des Wachsthums vor sich. Verzeihen Sie mir meine Sorge; prüfen Sie meine Räthe. Dieselben sind sehr unmaßgeblich; in aller Bescheidenheit u. mit jedem Vorbehalt, beser belehrt zu werden, vorgebracht. Ich muß für heute zu Ende eilen. Meine I. Schwägerinn Caroline u. meine I. Frau so wie ich grüßen Sie innigst u. danken Ihnen noch viel Mal für alle Ihre Freundlichkeit. Ebenso die herzlichsten Grüße an Ihre liebe Gattinn u. verehrte Mutter... Den Uhrmacher haben wir Tag für Tag erwartet. Warum ist er noch nicht gekommen? Wir hoffen auch jetzt noch, er werde Wort halten u. in dem Stück kein Gaskogner sein. Der I. Frau Rößliwirthinn in Au unsere besten Grüße u. wir erwarten Sie ebenfalls bei ihren Seiden=Einkäufen; wir haben uns vorläufig nach der besten Bezugsquelle für sie umgesehen. -Auch dem biedern Adlerwirth in Schoppernau unser gutes Andenken. Wir sagen noch oft in der Erinnerung an ihn zu einander: „das Worl!" Es waren herrliche Tage, die wir in Ihrer Heimat verlebten. Wir werden sie nie vergessen. Und Sie waren uns die Sonne dieser Tage! - Wann kommen Sie zu uns? je eher je lieber! Bedenken Sie: in 1 1/2 Tagen sind Sie bei uns. Das ist ja nicht weit. Darum, wenn Sie irgendeinmal ausruhen, aufathmen u. Menschen sehen wollen, welche Sie lieben u. verehren, so kom­men Sie zu uns. Es empfiehlt sich Ihrem freundlichen Andenken u. Wohlwollen angelegentlichst

    Ihr aufrichtig ergebener Heinr. Hirzel, Diakon am St. Peter

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 12. September 1868

    Lieber Freund!

    Wie ein Blitz aus heiterem Himmel erschrektest Du mich mit Deiner letzten Nachricht. Ich frage mich jetzt noch, ist es möglich, oder nur Traum, wenn ich jedoch Deine wenigen Zeilen immer wieder anblicke, so muß ich es doch für traurige Gewißheit halten.

    Ja wohl, wer Dein Glück an der Seite dieses Wible gesehen, u. selbst mitempfunden hat, der begreift u. ermißt das Unglück, das Dich getroffen. Es wäre eigentlich meine Pflicht, Dich zu trösten, allein das würde dem Versuche eines Strohalmes gleichen, eine Eiche im Sturme zu stützen.   Doch wenn Theilnahme Leiden erleichtern kann, so kannst Du der meinigen im höchsten Grade versichert sein. Habe ich ja doch im Kreise Deiner Famielie die schönsten u. besten Stunden meines Lebens zugebracht, u. sollte nicht schmerzlich ergriffen sein, wenn diese meine eigentliche Heimath soviel von ihrem Reiz eingebüßt. Denn zu Hause konnte, u. kann es auch jetzt noch nicht, ich Dich nicht denken, ohne Dein Wible dazu. Doch wozu das alles noch einmal wiederholen, was wir schon lange gewußt, u. nurdazu dient, die Wunde noch schmerzlicher zu machen, besser ist es, sich in das Geschehen mannhaft zu fügen, u. dem Schicksal zu zeigen, daß es uns zwar wohl biegen, aber nicht brechen kann. Könnte ich jetzt nur einen Theil Deines Kummers übernehmen, u. Dir tragen helfen, aber das ist eben das Schlimmste, während alle Deine Freunde  Dein Glück mitgenossen,  können sie  Dir das Unglück mit dem besten Willen nicht tragen helfen. Doch, wenn ich Dir in irgend etwas dienen kann, o so bitte ich Dich, laß mich thun was ich kann, ich möchte Dir so gerne helfen, wenn ich nur könnte. Doch jetzt habe ich nichts mehr, als Thränen, es sind die ersten seit dem Tode meines Vaters, u. einen Gruß an die Hinterbliebenen

    Deiner Famielie u. Dich.

    Dein Freund Josef Natter.

    ich gedenke auch Mitglied zu werden, wenn auch die Börse ein bischen protistirt, u. es bei einem Umschwung der Regierungsart vielleicht keine Empfehlung sein dürfte Mitglied gewesen zu sein, wenn ich um eine Lehrstelle ansuchen werde. In der jetzigen Zeit ist es aber Pflicht eines Jeden Farbe zu bekennen u. nach Möglichkeit dem Vorschub zu leisten, was man für das Beste hält. Es hat mich das letzte Mal gefreut viele mit Dir besprochene Ansichten von einem berühmten Professor der Medicin hier ganz in meinem Sinne klar u. deutlich entwickeln zu hören u. zwar mit fast ausnahmsloser Anerkennung beim Auditorium. Das wirkt selbstverständlich an­ziehend.

    Es bleibt mir hiernach nichts mehr zu sagen übrig, als daß ich sehnlichst in Bälde einen Brief von Direrwarte, u. daß ich Dich, die Deinen meine Mutter, Uhrenmacher Felder Resel, Möslers, Leonis etc. freundlichst grüße beziehungweise grüßen lasse u. hoffe von Dir zu erfahren, daß Du glücklich zu Hause angekommen bist, daß es Euch allen gut geht u. Du Dir schon wieder neue Lorbeeren erworben hast.

    Meine Addresse ist immer noch Rossau, Porzellangasse No 2. Thür 15 u. wenn der Brief nach meiner Auswanderung oder besser nach meiner Austreibung daselbst ankommt, werden die neuen Bewohner den Briefträger schon zu weisen wissen. Dich herzlichst grüßend Dein Freund

    J.

    Josef Natter
    Finstersee
    Franz Michael Felder
  • 10. September 1868

    Mein lieber Felder!

    Die Trauernachricht,  die Sie mir mit Ihren Zeilen v.   5.  dM. mittheilten, kannte ich bereits aus den öffentlichen Blättern, u. manchmal dachte ich an Sie u. Ihren tiefen Schmerz. Lebhaft standen Sie vor meiner Seele, ein einsamer Wanderer nun auf rauhem, steilen Pfade, lebhaft hätte ich gewünscht, Etwas beitragen zu können, um Sie zu trösten u. Ihnen Ihr tiefes Herzeleid tragen zu helfen.

    Nehmen Sie wenigstens mein u. meiner Frau inniges Beileid als einen kleinen Trost in Ihren Leiden, u. versprechen Sie mir doch ja nicht Bregenz zu passiren, ohne uns heimzusuchen. Bezüglich des Grenzbotenartikels muß ich mich als Ihren Schuld­ner gegen meinen Willen bekennen -; ich nahm diesen Artikel mit nach Wien, sprach von Ihnen bei Gelegenheit der Wahlumtriebe v. Schoppernau mit Minister Herbst, u. gab ihm jenen Artikel zu lesen. Ich habe ihn mehrmals um die Rükstellung gebeten aber nicht erhalten.

    Entschuldigen Sie mich doch, u. erlauben Sie mir, mich selbst an die Redaktion zu wenden um Ihnen m. Schuld abzutragen; dazu erbitte ich mir nur die genaue Bezeichnung der Nummer des Heftes in welchem der fragliche Artikel enthalten war. Es thut mir wahrhaft leid, doch bin ich fast außer Schuld. In Hoffnung einer baldigen Antwort

    Ihr ergebener C. Seyffertitz

    Carl von Seyffertitz
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 10. September 1868

    Lieber guter Freund!

    Ich hab einen großen Verlust erlitten. Furchtbar tief ist so eine Wunde und man empfindet sie wie einen Riß durch sein ganzes Wesen. Meine Freunde haben sich alle in rüh­render Besorgniß um den Trostlosen bemüht, die beste Trö­sterin aber war mir die Selige selbst. Ihr Hinscheiden ahnend verwies sie mich auf meine großen Aufgaben und versprach mir und den Kindern unser Schutzengel zu werden. O sie hält Wort! Immer mehr ists mir, ob sie mich umschwebe. Gott ladet keinem mehr auf, als er mit redlichem Willen tra­gen kann und schickt wieder gute Menschen, die uns an ihn glauben, ihm trauen lehren durch den Schatz von Liebe, den sie uns erschließen. Zu diesen gehörst auch Du, Du lieber guter Tröster. Für Deinen letzten Brief hätt ich Dich gleich umarmen und küssen mögen.

    Doch Du wirst nun vor allem wissen wollen, wie es bei mir zu Hause stehe. Zwar fehlt das Wible, die Mutter überall, aber auch da haben Gott und gute Menschen geholfen, so gut es möglich war. In Au lebte ein Mädchen, das ich als Sonderling unter einer strengen Stiefmutter, einer Schwester meines Wible heranwachsen sah. Als mein Wible starb, war es unter meinen Freunden, auch der Adjunct war mit im Rath u das wieder bekehrte Dökterle - eine ausgemachte Sache, daß dieses Wesen am besten neben mich und zu mei­nen Kindern passen würde. Nur meine Kenntniß ihres guten Herzens und ihres bisher unbefriedigten Bildungsdrangs gab mir den Muth sie, die nicht zu dienen braucht, zu fragen, ob sie zu mir kommen, und einstweilen neben dem düstern Mann für seine Kinder sorgen wolle. Sie sagte mit bewun­dernswerthem Muth, daß wirs ja zusammen und nebenein­ander versuchen könnten. Schon am ändern Tag ist sie mit Ihrem Bündelein gekommen und ich kann Dir nicht sagen wie mir dabei zu Muthe gewesen ist. Sie hat ein Herz für die Kinder, die neben ihr nur selten der Mutter gedenken, und mir ist es ein Trost und Zeitvertreib geworden, der Lern­begierigen von unsern großen Männern zu erzählen oder etwas vorzulesen. Ich bin demütig und dankbar, daß Gott mir wieder so geholfen hat, daß ich auch wieder an die Zu­kunft zu denken wage. Dein Vorschlag, eine Biografie zu schreiben, kommt mir wie eine höhere Eingebung. Das ließ Gott Dich denken. Schon heut hab ich mich oft an dem Ge­danken erbaut. Etwas muß ich gleich nach dem Heuen an­fangen, und zu künstlichen Geweben fehlt mir die gehörige Spannkraft.

    Die fragliche Stelle in Reich u Arm - ich habe den Brief erst jetzt erhalten weil auf der Adresse Vorarlberg fehlte - soll die Worte vor mir, nicht von mir enthalten.

    Lebe recht wol, grüß mir Deine Frau und alle, wünsch Ihnen langes gesundes Leben zusammen und schreibe bald wieder

    Deinem armen aber nicht verlassenen Freund

    Franz M Felder

    Deinen lieben Brief hat auch Mariann gelesen. Heut muß ich heuen, nächstens mehr.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 9. September 1868

    Geehrter, lieber Herr Felder!

    Sie werden schon entschuldigen wenn ich dem Versprechen, daß ich Ihnen in Ihrem mir so theuren Hause gab u. in Schrecken wiederholte, erst heute nachkomme.

    Die Schuld davon war nicht Nachlässigkeit, sondern entstand aus folgenden Ursachen: Die Photographien die ich vorräthig hatte wollte ich Ihnen nicht schicken, weil es sehr Gefehlte sind, u. mußte somit andere machen lassen, welches sich so lang hinaus zögerte. Ihren Brief an Hr. Dr. Waibel hab ich gelesen u. die höchst traurige Nachricht vom Tode Ihrer guten, edlen Gattin, vernommen. Es hat mich tief erschüttert, denn ich wußte, was sie Ihnen, Ihrer Familie u. jedem der sie kannte, war. Es nehmen auch viele meiner Freunde, die Sie u. Ihr braves, seliges Wible nur aus meinem Erzählen kennen, große Theilnahme an Ihrem Schmerz. Wenn ich so nachdencke welches Glück das Schicksal Ihnen durch sie bereitet, u. welches Glück Ihnen durch den unverzeihlichen Tod wieder entrissen wurde, so ergreift mich jedesmal ein wehmüthiges Gefühl wie es nur einen innigen Freund u. tiefen Verehrer ergreifen kann. Trostworte für Sie stehen nicht in meiner Fähigkeit, weil mein Geist zu beschränckt ist für einen Mann der schon so vieles überwunden hat, wie Sie. Nehmen Sie nun diese Zeilen der innigsten Theilnahme an dem Größten Ihrer Schmerzen u. es wird mir wohl thun, wenn sie nur ein Körnchen zur Linderung derselben beitragen können.

    Mit vielen Grüßen

    Ihr theilnahmsvoller, ergebener

    Joh. Georg Luger

    Johann Georg Luger
    Dornbin
    Franz Michael Felder
  • 7. September 1868

    Lieber Freund!

    Dein Schreiben machte auf mich den Eindruck wie ein Bliz aus offenem Himmel. Das Unglück schreitet schnell u. es hat Dich in vollem Maaße getroffen; ich begreife es in vollem Maaße was Du verloren hast.

    Ich wollte Dir gleich schreiben aber ich stand vom Versuche wieder ab, ich fand keine Worte des Trostes.

    Es gibt kein Glück auf Erden, das man sein eigen nennen kann, und darum sollte unser Herz eigentlich auch an gar nichts hängen. Wenn wir aber vom Leben[s]glück genossen so bleibt uns des Lebensschmerz zu kosten gewiß nicht erspart. Du hast einen großen Schlag erlitten, ich fühle es Dein Herz ist tödlich verwun­det, die Zeit muß und wird dieselbe wieder vernarben. Ich möchte Dich nur bitten, daß Du alles vermeidest was die Heilung verzögert oder unmöglich macht; schließe Dich nicht von der Außenwelt ab und stoße dasjenige nicht von Dir wovon Du fühlst das es Dir Linderung verschlaft. Wenn ich nicht in Bregenz beim Landtage wäre, so würde ich nicht ablassen, bis Du mit Deinen Kindern nach Bezau kämest. In 14 Tagen komme ich wieder zurück; könntest Du Dich nicht entschließen auf 3 oder 4 Wochen mit den Kindern herauszukommen? Ich habe eine Frau und Du hast Kinder, und unsere Freundschaft die dieß mit einander verbindet, eine andere Gegend die Dich nicht mit jedem Schritt an Dein geschwundenes Glück erinnert, würde wohltuhend auf Dich wirken. Es würde mich sehr freuen wenn Du in meinen Vorschlag eingehen würdest, u. erwarte deßwegen gelegentlich ein Schreiben von Dir. Mit herzlichem Gruß

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 6. September 1868

    Hochgeehrtester Freund!

    Da ich immer der Hoffnung war, persönlich mit Ihnen zusammen­zutreffen, so warte ich bis heute um Ihnen brieflich für Ihre Gefälligkeit, durch Übersendung Ihrer „Sonderlinge" danken zu können.

    Kannte ich Ihnen bisher nur aus der Gartenlaube u. Ihrer werthen Corespondenz, so hat mir das Lesen der „Sonderlinge" einen ganz ändern Begriff von Ihrer hochgeschäzten Person beigebracht. Meine, fast möchte ich sagen unverschämte Einmischung in Ihre Corespondenz, kommt mir jezt, einem Manne von solcher geisti­gen Gediegenheit gegenüber, als unstatthaft, als ungebildet vor.

    Nun sehe ich erst ein, daß ich nichteinmal werth bin, Ihnen nurdie Schuhriehmen aufzulösen. Und doch sind es wiederum die Son­derlinge die mir den Muth geben, fortzufahren an dem angefange­nen Werke der Bildung meiner selbst u. meiner Standesgenossen; denn gerade die „Sonderlinge" sind der sprechenste Beweis, was Ausdauer, Selbstüberwindung u. ein fester Willezu leisten vermag. Meine Frau ist gewiß keine Freundin vom Lesen, aber die Sonder­linge mußte ich Ihr vorlesen u. erklären. Auch war ich so frei (oder unverschämt?) die 2 Bände einem gleichgesinnten Freunde zum Lesen zu leihen. Er ist leider der einzige Gesinnungsgenosse unter 84 Mitarbeitern. Die Katholiken unter ihnen sind zu ultramontan u. die Protestanten zu schläfrig um sich für die Arbeiterbewegung zu intressiren. Überhaupt will man hier von geistigem Fortschritt nichts hören. Daß ich auf Ihre Corespondenz einen gewissen Stolz habe, werden Sie mir leicht verzeihen, denn ich weiß sehr wohl, daß es wenigen Arbeitern vergönnt sein wird, mit einem bedeuten­den deutschen Schriftsteller in Corespondenz u. freundschaftli­chem Verhältnisse zu stehen, wie gerade ich die große Ehre habe. Andrerseits aber verkenne ich nicht, welche Mühe, Zeitverschwen­dung u. Geldverlust (durch Briefporto u. Papier) Ihnen meine Corespondenz verursacht, ohne von mir nur einen geringen geisti­gen Genuß zu haben. Denn da ich in geistiger Beziehung weit unter Ihnen stehe, kann ich folglich zu Ihrer Ausbildung nichts beitragen. Es ist also nur wahre Menschenliebe, wenn Sie Ihre brieflichen Unterhaltungen mit mir fortsetzen.

    Die „Sonderlinge" schikte ich Ende Juli wieder an die Rieger'sche Buchhandlung von der ich sie erhielt. Da sie aus einer Leihbiblio­thek entnommen, so bin ich noch Schuldner u. bitte Ihnen daher mir darüber das Nähere mitzutheilen.

    Was ich Ihnen über das allgemeine Stimmrecht sagen wollte, läßt sich kurz zusammenfassen. Dasselbe ist eigentlich nur Zweck einer Oppositionspartei, hat aber für den Arbeiter keinen speziellen Nutzen, es wird ihnen derselbe blos vorgespiegelt. Überhaupt suchen ja alle möglichen Parteien die Arbeiter wegen ihrer Mehr­zahl, auf ihre Seite zu ziehen u. so sind dann Allge. Wahlrecht, Gewerbefreiheit, Coalationsrecht u.s.w. nur die Köder die ihnen von verschiedenen Seiten zum Anbeißen vorgeworfen werden. Das ist meine Ansicht!

    Alle möglichen Parteien suchen sich der Arbeiterbewegung zu bemächtigen aber keine meint es aufrichtig mit ihr. Deßhalb bilde man den Arbeiter zuerst geistig, damit er keine Advokaten oder eigennützige Fabrikanten zu Führern u. Vormündern braucht! sonst wird er vom Geführten zum Angeschmierten!! Besonders wurde in Süddeutschland die Unwissenheit (in politischer wie sozialer Beziehung), der Arbeiter von den Ultramontanen u. Demokraten bei den Zollparlamentswahlen wahrhaft empörend ausgebeutet! ­Was meine eigene Persönlichkeit anbelangt, so stehen meine materiellen Verhältnisse wieder nicht am Besten. Die Vermehrung der Familie, die Abgeneigtheit meiner Frau gegen alles Schreiben, der geringe Lohnsatz 1 [71] 24 bei den wirklichen Verhältnissen lassen mich in geistiger Beziehung nichts thun, obwohl sich mein Innerstes gegen alle geistige Trägheit sträubt. Mein Manuscript habe ich bisdato noch nicht erhalten. Eine mündliche Besprechung hätte freilich mich über manches belehren können, denn ohne Hilfe eines klassisch gebildeten Mannes, wie Sie geweßen wären, muß ich schriftstellerische Arbeiten bleiben lassen.

    Es grüßt Ihnen freundlichst

    Ihr Freund u. Verehrer

    Friedr. Riedlin

    Friedrich Riedlin
    Friedrichshafen
    Franz Michael Felder
  • 5. September 1868

    [...] Nun aber ist ein Ereigniß gekommen, welches mich tief beugt und mir alle Schaffenslust nimmt. Am 31. August hab ich meine liebe gute Frau verloren. Sie starb an Tiphus nach Stägigem Leiden. Wer sah und weiß, was alles die Edle dem sonst so selten verstandenen, der Heimath entfremdeten Sonderling in den letzten 8 Jahren war, wie sie ihm die schwersten Kämpfe leichter machte, sein ganzes Wesen hob und mit ihrem reinen selbstlosen Wesen durchgeistigte, der muß den Riß ahnen, den ich fühle und meinen tiefen Schmerz theilen. Sie war ein Sonderling, Bäuerin, Mutter alles, ein großes herrliches Weib!

    Nur der Gedanke an die süßen Pflichten gegen ihre 5 lieben Kinder vermag mich einigermaßen zu erheben. [. . .]

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Herman Sander
  • 5. September 1868

    Hochgeehrtester Herr!

    Nachdem nun meine Reise durch den Bregenzer Wald, einen Theil Tyrols und des bayerischen Hochgebirges zu Ende geführt ist, gestatten Sie, daß ich mich Ihnen auch brieflich vorstelle und für das freundliche Entgegenkommen, was ich bei Ihnen gefunden, meinen verbindlichsten Dankabstatte. Jeseltenerdie Fällesind, wo ein Mann aus dem Volke sich lediglich durch eigene Kraft über das gewöhnliche Niveau emporarbeitet und sich darin durch heimliche und offene Angriffe finsterer Parteien nicht beirren läßt, um so mehr verdient ein Solcher die Hochachtung und Anerkennung von Seite seiner Mitmenschen. Betrachten Sie daher in diesem Sinne meine Wenigkeit, und seyen Sie versichert, daß mir nichts angenehmer seyn wird, als, mit Ihnen in steter geistiger Verbindung zu bleiben. Als kleinen und schwachen Beweis meiner Aufrichtigkeit bitte ich Sie, die beiden einliegenden Photographien entgegen zu nehmen; das jüngere Bild ist das meines 22jährigen Sohnes, unseres einzigen Kindes, der sich der Mathematik gewidmet hat und im Oktober die Universität Berlin beziehen wird. Gern hätte ich Ihnen auch die Photographie meiner Frau gesendet; allein dieselbe ist beim Künst­ler total mißrathen. Um so mehr würde es mich aber freuen, wenn ich Ihnen meine Frau einmal persönlich vorstellen könnte; ich bitte daher recht inständigst, uns, wenn Sie wieder München berühren sollten, ja nicht vorbeizugehen, denn wir Alle würden uns durch Ihren Besuch erfreuet und geehrt fühlen.

    Ihre bis jetzt erschienenen Schriften werden wir im Laufe des kommenden Winters zum Gegenstande gründlicher Lektüre machen, und dadurch erst recht in den Geist Ihrer schriftstel­lerischen Produkte einzudringen suchen.

    Für heute schließend, bitte ich Sie also nochmals um die Fortdauer unserer angeknüpften Bekanntschaft, ja um Erweiterung und Befe­stigung derselben, und zeichne

    mit aller Hochschätzung

    ergebenst

    G. C. Wittstein.

    G.G. Wittstein
    München
    Franz Michael Felder
  • 4. September 1868

    Lieber guter Freund,

    Also doch - ! Du Armer! Wir hatten nach dem Ausgang Dei­nes ersten Briefes vom 29. uns fest eingebildet, es würde alles gut abgehen - da kam gestern Dein Schmerzensbrief. Ich bin seitdem in tief wehmütiger Stimmung, ich habe mit Dir ge­weint, und meine Frau auch, und kriege Dich und Dein Haus nicht aus den Gedanken. Gott wie gern war ich gleich hin zu Dir, hätt ich fliegen können, ich war gekommen. Mir wars als müßt ich wenigstens ein paar Stunden bei Dir sein, um mich zu überzeugen, daß Du Deine Kraft noch hast, und - daß Du Dich nicht zu sehr verschließest, wie Du Dir das leider angewöhnt hast und es nun auch festhältst weiter hin­aus als nötig und gut ist. Laß Deine Natur sich ausleben ­lieber sich einmal der Gefahr aussetzen, sich eine Blöße zu geben, als thun als ob man in der Welt im Grunde allein wäre! Du schließest die Menschen mit auf, wenn Du Dich aufschließest - doch verzeih die Predigt, sie kommt nur aus warmer Neigung und Sorge für Dich.

    Ach wüßt ich nur ungefähr, wie es bei Dir im Hause und in Dir nun aussieht. Ich fühle ja wie furchtbar der Schlag für Dich ist, wie viel Du verloren hast. Ich selbst empfinde in mir einen Verlust. Denn sieh, Deine gute Frau gehörte schon mit zu den Gestalten, die ich in mir fühlte als meinem Ge­sichtskreise angehörend wie ein liebes inneres Eigenthum. Ich hieng mit Behagen dem Gedanken an, sie einmal mit Dir hier in Leipzig zu haben, daß sie einmal nach saurer Arbeit aufathmend die Welt vom Berge betrachten könnte. Es sollte nicht sein.

    Trost gibt es ja da keinen - als den, daß der Verlierer durch den Verlust ein festes Band mehr gewinnt, das ihn an den Himmel bindet, wie ichs greifbar beim Verluste meiner Mut­ter empfand. Aber weit mehr als Du haben ja Deine Kinder verloren - doch dafür ist der Trost, daß sie das nie ganz, zum Theil gar nicht empfinden werden; für sie gilt: was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß. Du aber, liebster Freund, sei tapfer, und sorge vor allem für Deine eigne Gesundheit. Du hast mehr Hilfsquellen in Dir als tausend Andere - das wirst Du in diesem Falle auch empfinden. Sobald Du Dich und Deine Stimmung wieder hast, wie wärs wenn Du jetzt an die Ausarbeitung Deiner Biographie giengest? Du könntest ja abbrechen, wenn Du möchtest, und es liegen lassen bis auf gelegene Fortsetzung. Aber Du würdest da recht dankbar und deutlich gewahr werden, wie wunderbar durch die schwersten, ausgesuchtesten Hindernisse hindurch Dich eine höhere Hand, ein höherer Beruf geführt hat, und zwar auf eine Höhe, die denn doch zumal bei Deinen Jahren schon eine ganz respectable ist. Muth, Felder, Du mußt noch weiter. -

    Wenn Du wieder schreibst, und es Dir möglich ist, so melde uns doch etwas Genaueres über die schlimmen Tage, in denen Dein Liebstes vor Deinen Augen versank, und wie Du Dich nun zunächst eingerichtet hast. Es war ja schon ein eigener Glücks(!)umstand, daß statt Rüschers Dein Stockmaier zur Hand war bei dem traurigen Amte. Und Freundschaft und echte Theilnahme hast Du gewiß auch in reichem Maße er­fahren. Der Uhrenmacher und der Schreiner waren gewiß recht gut und warm in diesen Tagen. Grüße sie doch von mir. -

    Von den Sonderlingen kam dieser Tage eine sehr günstige Besprechung oder doch eingehendere Anzeige in der Darm­städter (protestant.) Kirchenzeitung, von Prof. Fricke hier, dessen Du Dich wol noch erinnerst; er empfiehlt das Buch seinen geistlichen Amtsbrüdern nachdrücklich, ich werde Dir das Blatt schicken, wenn ichs von Flügel und Hirzel wieder­habe. Siehst Du, Du wirkst doch schon in Deutschland h[er]au­ßen in vielen echten und tieferen Gemütern - das kann Dir doch auch ein inniger Trost sein. Auch Prof. Puckert hier (Du hast ihn auf der Bibliothek kennen lernen) ist entzückt von den Sonderlingen. Reich und Arm rückt hübsch vorwärts, ich hab heute früh den 19. Bogen gelesen, die Unterredung Hans­jörgs mit seiner Schwester, es ist prächtig. Aber vor dem Be­suche Dorotheens bei ihrem Vater graut mir offen gestanden, der erhobene Stuhl ist - so unvermittelt - schrecklich, quä­lend, das tritt doch wol aus dem Rahmen der Kunst heraus, die nie quälen soll. Ich habs nur vergessen, es während Dei­nes Hierseins zur Sprache zu bringen, ich dachte auch öfter auf Abhilfe, die den Plan nicht störte und doch jenen Gräuel abmilderte, wüßte aber augenblicklich nichts Einfaches vor­zuschlagen.

    Doch genug für heute. An Deinem Schicksal nimmt hier alles den wärmsten Antheil. Wir grüßen Dich herzlich, grüß auch Deine gute Mutter von mir und laß nicht zu spät etwas von Dir hören, was uns Deinetwegen beruhigt. In alter Wärme und Freundschaft

    Dein Rud. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 2. September 1868

    Verehrtester Freund!

    So eben wird mir durch Greusing in Au Kunde von dem unerwarte­ten furchtbaren Schlage, der Sie betroffen hat. Empfangen Sie von mir u. meiner ganzen Familie die Versicherung innigster, tiefge­fühltester Theilnahme!

    Ihr Joh. Thom. Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1868

    Geehrter Herr,

    Mit innigster Theilnahme haben wir vor vierzehn Tagen Ihren unersetzlich schweren Verlust gehört, und beim Lesen Ihrer Schrif­ten oft mit wahrem Herzeleid an Sie denken müßen. - Dürften wir nun wohl die Bitte wagen, Ihnen vielleicht einige freundliche Augenblicke im Gespräch mit unseren Männern, Herr Dr. Schiei­den, u. Professor v Woringen zu machen, wir wollen alsdann noch zu Mittag hier bleiben und bitten Sie daßelbe um 12 Uhr mit uns einzunehmen!

    Hochachtungsvoll A v Woringen

    Frau Wiechmann

     

    Angelica Woringen
    Au
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1868

    Geehrter Herr Felder!

    Ihre heutige traurige Nachricht hat mich tief ergriffen, u. ich kann Sie nur bitten meiner vollen Theilnahme versichert zu sein. Hat mich Gott bisher auch vor ähnlichem Schmerz verschont, kann ich doch ahnen, daß es für ein Herz, welches das seiner Gattin mit so viel Liebe umfaßt, bitterer sein muß überleben, als sterben. Und wohl dem, dem Gott für solche Stunden den Glauben an ein Wiedersehnerhalten hat! Für Engel hat er ja einen schönen Himmel gebaut, welcher das Land der Liebe ist, u. wo uns die Liebe wieder vereint.

    Ihr Wible hatte ich in den paar Stunden unsers Zusammenseins liebgewonnen, u. ich hatte mich überzeugt, daß sie Ihrer Liebe vollkommen werth war; um so größer daher mein Bedauern über Ihren Verlust.

    Wenn Josef zu Hause wäre, würde ich Sie bitten auf einige Zeit zu uns zu kommen, heißt das, wenn Ihnen so viel Kraft geblieben ist, daß fremder Menschen Theilnahme noch wohlthuend auf Ihr Gemüth wirken kann.

    Ich würde sehr gern morgen selbst nach Schoppernau kommen, da aber weder der Josef noch die Magd zu Hause ist, kann ich unmöglich hier abkommen. Bitte mich daher zu entschuldigen. Ich werde hier für die Gute bethen. Ihren Brief hab ich heute schon für Josef auf die Post gegeben, wie sehr wird er mit Ihnen fühlen! Schließlich möcht ich Sie nun noch bitten, sich nicht ganz dem Schmerz zu überlassen, um Ihren Kinderchen doch noch den Vater zu erhalten, der ihnen jetzt doppelt nothwendig ist. Vermelden Sie auch Ihrer guten Mutter meine Condolation, nebst einem freundlichen Gruß. Möge Gott Ihren Schmerz lindern! Dieß wünscht von Herzen

    Ihre aufrichtige Freundin Margretha Feuerstein.

    Nachtr: Karl trägt mir seine Condolationen auf.

    Margareta Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1868

    Werthester Freund!

    Soeben erhielt ich von Frau Margaretha, die so höchst unerwarthete u. betrübende Nachricht von dem Tode Ihrer geliebten Frau. Ich kann nicht unterlassen Ihnen mein Innigstes Mitleid zu bezeigen, um so mehr, da ich selbst auch in dieser Lage war, u. weiß, wie schmerzlich eine solche Trennung auf ein Menschliches Herz einwirkt.

    Da aber solche Schiksale von der Hand Gottes geleitet, so möge der Himmel Ihnen Trost geben, diese schwere Prüffung u. herben Trennungs=Schmerz Geduldergeben zu tragen.

    Ich war heute (am beerdigungs Tage) Ihr im Gebete eingedenkt, daß sie der Herr Selig habe. Schön Grüssend verbleibe ich

    Ihr Freund Christian Jochum

    Christian Jochum
    Bezau
    Franz Michael Felder
    1
  • 1. September 1868

    Viel geehrter Herr Felder!

    Mit Ihrem geschätzten Schreiben vom 4' d. Mts. an Herrn Dr Waibel, machen Sie uns die traurige Nachricht vom Ableben Ihres würdigen Herrn Wible, und es hat diese Trauerkunde uns Alle sehr überrascht; wohl hatten wir bei unserem Beisammen sein am 15. u. 16.' Aug. keine Ahnung von dem unglücklichen Ereignisse, daß Sie betroffen. -

    Wir wissen was Sie Ihnen war, die Gattin und Mutter die Sie betrauern, und nehmen den innigsten Antheil an Ihrem Schmerze, den Sie fühlen über diesen harten Verlust. - Die Natur fordert ihre Pflicht; lassen Sie deßhalb Ihren Mannesmuth nicht sinken, u. bekämpfen Sie Ihre schmerzlichen Gefühle mit den Waffen der Vernunft, an denen es Ihnen ja nicht gebricht! -

    Leben Sie wohl lieber Herr Felder, und behalten Sie in Ihrem

    freundlichen   Angedenken   die  Turnergesellschaft  vom   15   u.

    16'Aug.

    Dornbirn 11. September 1868.

    Ihre ergebenen

    Jos. Weiß

    Leo Herburger med. kand.

    Rob. Rhomberg

    Jos. Rhomberg

    Joh. G. Luger

    Raimund Feurstein und auch im Namen des:

    Raimund Rhomberg

    Raimund Feuerstein
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1868

    [...] Ich möchte und will's einmal der Welt erzählen, wie wir alles gemeinsam trugen, wie wir uns Muth machten zum Schwersten, wie sie mir, dem scheu gewordenen fröhlich, ganz von unten heraufklimmen half und sich an jedem Erfolge mit mir freute, wie wir mitten in Kampf und Noth und Verfolgung ein schönes frohes Leben zusammen lebten und durch einander auch besser gewor­den sind. [Fünf Stunden vor ihrem Scheiden nahm sie feierlich Abschied von mir und unseren fünf Kindern und sprach zu mir:] „Ich danke Dir schöne - nur schöne Stunden. Ich kann fröhlich gehen. Dich überlasse ich Gott, Deiner Kraft, Deiner großen Aufgabe, Deinen Freunden; und ich will Dein Schutzengel sein." [. • •]

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Heinrich Hirzel
  • 31. August 1868

    Lieber lieber Freund

    Ich kann Dir heut nur ein Wort schreiben: Mein Wible ist gestorben! Ich hab es verloren, ich und meine 5 Kinder. Weint ihm nach mit mir. Ich hab meinen Schutzengel alles alles verloren.

    Weint, weint mit eurem                                  trostlosen Freund

    Franz Michel.

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 31. August 1868

    Lieber Freund!

    Dein teilnahmevolles Schreiben hab ich gestern, Sonntag, erhalten. Leider ist der Zustand der Kranken bisher immer schlimmer. Wohl hat sie ruhige Augenblicke, an die meine schmerzumnachtete Seele sich halten möchte, aber bald ist der Sturm des Fiebers wieder da und wühlt in ihrem und meinem Innern.

    Gestern sagte mir der Arzt, die Krisis sei nun eingetreten und bis heute müßte sich's entscheiden. Gegen Abend war die Kranke so ruhig wie selten. In der Nacht durchschauerte es ihren Körper, ihr Atemholen war am Steigen und Sinken der Bettdecke zu sehen, und in Pausen der Ermattung betete sie ein Bruderschaftsgebet. Als ich und die Mutter ans Bett kamen, begrüßte sie uns mit einem Jubel, der mir, wie noch nie etwas, in die Seele schnitt.

    Am Morgen schickte ich zum Dökterle, welches den Zustand bedeutend weniger hoffnungslos finden wollte. Augenblick­lich liegt sie ziemlich ruhig. Für Deinen Antrag, die Isabell zu behalten, bin  ich sehr dankbar.  Ich werde nicht länger davon Gebrauch machen, als  ich  muß.  Hoffentlich  kommt sie  in einigen Tagen  und  meldet Dir, daß  nun  die  Krisis glücklich überstanden. Oder sie meldet- etwas anderes. Freund, ich bin in einer furchtbaren Lage! Daheim war ich glücklich.  Da konnte der Sonderling sich wohl sein lassen, wie andere Menschenkinder, da ward er verstanden, und nun auf einmal sollte das aus sein, alles aus, nichts mehr da als 5 unerzogene Kinder, die nicht mehr der Mutter klangvolle Stimme heim ruft. Es ist schrecklich - ungeheuer.

    Zum Tröste kann ich mir nur sagen, daß nicht ich, daß nie­mand daran schuld. Es kam wie das Leben und wie sonst so viel Gutes. Es kommt auch aus der nämlichen Quelle und wird also mit mein Teil sein. Nun, ich will auf den großen Allgeist bauen, in dem wir leben, weben und sind. Beten - recht ganz beten kann ich leider nicht. Ich hab es im Unglück nie können. Nur Gott danken kann ich recht von ganzer Seele, wenn ich wieder aufatme.

    Morgen oder ganz bestimmt übermorgen will ich Dir wieder schreiben. Lebe wohl bis dahin und gedenke Deines tiefge­beugten Freundes

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 30. August 1868

    Lieber Freund,

    Wieder eine Frage aus Reich u.Arm Auf dem 18. Bogen sagt Hansjörg zum Krämer: Dir spricht nichts für, als dein Alter, und das ist nicht ehr­würdig.

    Aber fürchten mußt du dir nicht vor mir oder von mir? Aus Deiner Schrift kann ichs nicht entscheiden, aus unserem Deutsch auch nicht, denn wir sagen: fürchte dich nicht vor mir. Bei dem Dativ dir (der altdeutsch ist und noch im 16. Jahrh.  bei Schriftstellern vorkommt)  halt ich aber von  für möglich oder für besser.  Da  ich die Stelle aber auch fürs Wörterbuch brauche, so muß ich die Zeit dran wenden, den Bogen aufhalten und aus dem Bregenzer Walde die Entschei­dung holen. Aber bitte schreib bald, daß die Druckerei nicht ungeduldig wird. Jacob ist doch wolauf? Herzlich grüßend                                                 Dein R. Hild.

    Auf vorigem Bogen hatten Setzer und Corrector für Schwär­zerhandwerk Schwängerhandwerk gelesen.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 28. August 1868

    Lieber Freund!

    Auf den so traurigen Brief vom 25. d. Ms., den ich soeben erhalte, beeile ich mich, Dir zu sagen, daß ich Dir die Isabella so lange überlasse, als Ihr in der bedrängten Lage seid. Hoffentlich wird das Wible bald wieder gut und ist dann alles wieder recht. Wenn Ihr sie nicht mehr nötig braucht, so schickt sie, bis dahin wollen wir hier uns helfen, wie es geht. Ich teile mit Dir den Schmerz über diese ernste Krankheit, die Gott bald wieder heben möge. Ich wünsche Euch, insbe­sonders dem Wible, Mut und Ausdauer und baldige Besse­rung. Ich hoffe, daß Ihr alle erreichbaren Mittel anwendet und daß Du, wenn ich in etwas behilflich sein kann, ohne Rück­halt es mir sagst. -

    Recht baldige, bessere Nachricht erwartend, Dein Freund

    Kaspar Moosbrugger

    Den Brief meiner Theres habe ich nicht gelesen, nehmt ihn in keinem Fall übel auf.

     

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 28. August 1868

    Lieber Freund!

    Deine beiden Sendungen hab ich erhalten. Daß ich schon alles durchgesehen, kann ich aber nicht sagen. Nur den Brief hab ich mir zu Gemüte führen wollen, doch Kopf und Hand waren immer wieder beim kranken Wible, immer redete sein Fieber in Deinen Vortrag hinein, und heute muß ich Dir von ihm, vielleicht nur von ihm schreiben. Die Bauchanschwellung hat sich bald nach Abgang des letzten Briefes verloren. Das Dökterle redete gleich vom Nervenfieber, was ich bald nur zu sehr bestätigt fand. Am Dienstag schon verschlimmerte sich ihr Zustand von Stunde zu Stunde. Abends, schon im furchtbarsten Fieber, nahm sie Abschied vom Leben, empfahl mir die Kinder, und es gelang mir kaum, die Aufgeregte zu beruhigen. Auf andere hörte sie gar nicht. Sie verlangte den Pfarrer Stockmayer, der sie abends 12 Uhr mit allen Sterb­sakramenten versah. Nachher war die Aufregung, das Fieber noch ärger. Ich habe da eine furchtbare Nacht erlebt. Am Mittwoch schlief die Kranke, ihr häufiges Erwachen war immer schrecklich. Mir wollte sie alles sagen, was sie drücke, und nur mit Fragen nach dem und jenem Hausgerät konnte ich sie auf ruhigere Gedanken und wieder zum Schlafen bringen. Gestern endlich gab es wieder etliche bessere, hellere Stun­den, und das Fieber stellte sich erst abends wieder ein. Die Nacht war schlaflos. Heut klagt sie über Schlaf, ohne zur Ruhe zu kommen.

    Eben hab ich sie in mein Bett gebracht, weil sie dort viel besser und sicherer ruhen zu können meint. Das ist auch schon früher vorgekommen. Das Dökterle hofft, es werde wieder besser, doch kommt es täglich zweimal herauf. Die Isabell wird, da ich nun eine Wärterin habe, die nächste Woche kommen und Dir vielleicht auch eine Antwort auf Deinen Brief mitbringen, deren Grundgedanken Du erraten kannst. Ich liebe mein enges Vaterland, welches mir mit dem armen Wible vielleicht eines seiner besten - Güter und Wesen ließ, aber mit der Pflege speziellen Vorarlbergertums kann's nicht gehen, und gerade der Demokrat muß nicht seine Alliierten [?] durchaus auf heimatlichem Boden suchen. Ich beklage mit Dir die Haltung und das Wesen der sog. Libe­ralen und verdamme das Ultramontane. Auch ist mir klar, daß von außen ein Stoff geworfen werden muß, um die gesundern Teile beider Massen frei zu machen und als dritte Gruppe kräftig zu vereinen. Doch für heute muß ich Dich leider auf meine gedruckte Klarstellung, auf ,Reich und Arm' vertrösten.

    Am Gründungsfest des Auer Kasino haben wider Gesetz und Ordnung alle die Bayern und Badenser Gäste Reden gehalten, mit denen man den Bauern imponieren will, auch der Preußenfresser Dr. Lindau. Das Deutschtum ward - nach Dökterles Bericht - verhöhnt, das Handwerk, die Arbeit beschimpft, indem es lächerlich dargestellt ward, wenn Schweinhirt und Schneider mit über die Schule reden wollten. Das Ganze scheint so gewesen zu sein, daß man gern die Hände in Unschuld wäscht.

    Beckers Schrift über Lassalle ist sehr interessant in mancher Hinsicht. Isabell bringt sie mit; daß er Katholik werden wollte, ist also richtig. Das Schlußwort scheint mir manches Beher­zigenswerte zu sagen. Mit Deinem Urteil über Fetz und Feur­stein bin ich - wie mein letzter Brief zeigt - einverstanden. Ich habe für Fetz keinen Schritt getan, aber wir waren gegen Berchtold, von dem ich eben eine Hintertreibung unserer Schritte besorge.

    Doch ich muß schließen, anderes ruft mich. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 27. August 1868

    Lieber Freund!

    Ich habe nur kurze Zeit um an Dich einige Zeilen zu richten. Du bist also gesund u. wohl wieder zu Hause angelangt, u. auch ich kann Dir vom Wiener Schützenfest nur angenehmes und wohlthu­hende Eindrücke mittheilen. In den Räumen der Festhalle wieder hallten mächtig die Worte der Freiheit, u. fanden Wiederhall in den Herzen deutscher Männer.

    Am Montag wird also die Wahl des neuen Landtagsabgeordneten stattfinden]. Als Kandidat wird von lieberaler Seite Dr. Andreas Fetz Advokat in Wien, von ultramontaner Pfarrer Berchtold von Hittisau aufgestellt.

    Fetz ist ein sehr tallen[t]voller Mann von meinem Alter mit festem Charakter.

    Ich und Egender gehen schon am Sonntag Morgen nach Bregenz. Der Ort wo die Vorberathung mit den Bregenzern stattfindet ist mir noch unbekannt.

    Jedenfalls rechnet mann auf die Wahlmänner von Schoppernau, Schrecken Hochkrumbach u. Warth.

    Habe die Güte dem Vorsteher von Schoppernau das Vorgehende mitzutheilen und ihn zu grüßen er möge wenn thunlich auch die Wahlmänner von Schrecken Hochkrumbach u. Warth verstän­digen.

    Die Zusammenkunft vorder Wahl wird wahrscheinlich in Bregenz stattfinden. Mit herzlichen Grüßen

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 27. August 1868

    Liebster Freund!

    Dein Brief kam zu mir in bösen bangen Stunden. Seit 8 Tagen leidet mein gutes Wible am Nervenfieber. Vorgestern ward es von unserm frühern Pfarrer Stockmaier, der gerade hier und Rüschern sehr im Weg ist, mit den Sterbsakramenten versehen. Es war eine furchtbare, ewig scheinende Nacht. Ich war alein am Bett, weil die Kranke sonst niemand wollte, als mich um mir zu erzählen, zu klagen, was sie im Fieber sah und empfand. Gestern schlief die Kranke ziemlich ruhig, wenn sie erwachte, redete sie aber noch verwirrter als vorher. Eben hat mich Pfarrer Herzog verlassen. Wir unterhielten uns mehrere Stunden. Über das Kasino hat er meine Ansicht. Letzten Sontag war in Au das Gründungsfest. Der bekannte ultramontane Zollparlamentsabgeordnete Dr Lindau u meh­rere Gäste aus dem Badischen hielten Festreden. Ich trat natürlich unter diesen Umständen nicht bei, war aber vor der Erkrankung des Wible bemüht eine „unparteiische" Ge­sellschaft zu bilden. Lebe wohl. Herzliche Grüße an alle von Deinem Freund

    Franz M Felder

    29 August

    Ich bin so vielfach weggerissen festgehalten und gedrückt, daß ich selbst an Dich kaum noch einen Brief zu Stande bringe. Fremde Hände walten im Hause, die armen Kinder, auch der noch nicht ganz wieder hergestellte Jakob - rufen der Mutter - aber ihre klangvolle Stimme hört man nicht mehr, als wenn das Fieber aus ihr redet und mich fast zur Verzweiflung bringt. Besser freilich gehts jetzt aber noch nicht gut. Doch das Dökterle wähnt die Gefahr vorüber. Ich will ihm glauben und muß.

    Ich dachte Dir viel interessantes zu schreiben. Es war uns so wohl noch vor kurzem, und in dieser Frühlingswärme wollte gar wunderliches Zeug zu erblühen beginnen. Aber es soll nun einmal nicht sein, daß ich mich recht behaglich fühle auf der Welt. Kämpfen, schweigen, in mir verarbeiten, das ist mein Theil geworden.

    Mit dem 2 ten Theil von Reich und Arm machs nur wie Du gesagt hast. In der Stelle, die du erwähntest, ist Hansjörgs Schwester gemeint. Du kannst also statt seiner Hansjörgs sanfte - setzen.

    Ich schreib auch bald wieder und hoffe dann Besseres be­richten zu können.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 25. August 1868

    Lieber Freund!

    In unser schönes ehliches Leben sind die ersten trüben Tage gekommen. Mein gutes Wible ist letzte Woche bedeutend erkrankt. Es leidet an der Bauchfellentzündung, und bisher hat sich sein Zustand nur verschlimmert. Ein wahrer Trost war mir, daß wir die Isabell da hatten. Sie konnte doch mit mir nach Hopfreben in die Schlaud, während - lese das Deiner Frau - während meine 70jährige Mutter das Wible und fünf Kinder pflegt. Den Brief Deiner Frau hat Isabell erhalten und gelesen. Wäre der Brief nicht gekommen, so hätt ich Dich gebeten, mir die Magd zu lassen, bis es etwas besser. Nun aber - wenn nicht das Allerschlimmste eintritt, wird sie am Montag kommen und die jüngere Schwester, der sie einen Dienst hat und die erst bis dahin mit ihren Reisevorbereitungen fertig wird, mit­bringen.

    Jetzt ist Stockmayer hier dem Rüscher groß in den Augen. Er ist im Bad. Doch davon und von vielem ein andermal. Deine Frau soll ja der Isabell nicht böse sein. Es bittet darum Dein besorgter Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 25. August 1868

    Lieber Freund!

    In unser schönes ehliches Leben sind die ersten trüben Tage gekommen. Mein gutes Wible ist letzte Woche bedeutend erkrankt. Es leidet an der Bauchfellentzündung, und bisher hat sich sein Zustand nur verschlimmert. Ein wahrer Trost war mir, daß wir die Isabell da hatten. Sie konnte doch mit mir nach Hopfreben in die Schlaud, während - lese das Deiner Frau - während meine 70jährige Mutter das Wible und fünf Kinder pflegt. Den Brief Deiner Frau hat Isabell erhalten und gelesen. Wäre der Brief nicht gekommen, so hätt ich Dich gebeten, mir die Magd zu lassen, bis es etwas besser. Nun aber - wenn nicht das Allerschlimmste eintritt, wird sie am Montag kommen und die jüngere Schwester, der sie einen Dienst hat und die erst bis dahin mit ihren Reisevorbereitungen fertig wird, mit­bringen.

    Jetzt ist Stockmayer hier dem Rüscher groß in den Augen. Er ist im Bad. Doch davon und von vielem ein andermal. Deine Frau soll ja der Isabell nicht böse sein. Es bittet darum Dein besorgter Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 24. August 1868

    Herrn Franz Michael Felder!

    Es ist die höchste Zeit, daß die Tannberger auch an die Öffentlich­keit treten u. die Hochmuthsgeister bekämpfen, die sie allzeit verdummen, dem Vieh gleich stellen wollen. Deßhalb haben wir am Sonntag den Bienenverein gegründet u. die l. Generalversamm­lung abgehalten, u. auch beschlossen auswärtige Freunde als Mitglieder mit Freuden beitreten zu lassen. Wie ich vernommen, geben uns auch Herren aus Schoppernau die Ehre beizutreten, u. unter diesen auch Sie. Bereiten Sie also uns die Freude als Vereinsdichter sich an uns zu schließen. Wir laden Sie nochmals aufs freundlichste ein u. besonders der Vorstand

    Strolz Alois

    NB Es wird mir zu früh Nacht u. deßhalb geschwind etwas mehreres.

    Alois Strolz
    Schröcken
    Franz Michael Felder
  • 23. August 1868

    Lieber Freund,

    Deine Heimkehr war also eine heitere, wenn Du im Wagen, den Leuten, sogar solo gesungen hast! hören hätt ich das schon mögen, sowol das Wie als das Was? Deine mit Dr. Engelmann gemachte Bekanntschaft interessiert mich, ich kenne ihn zwar nicht, aber er gilt hier für den Gelehrten unter den großen Verlegern; kannte er denn Deine Schriften? oder wollte er sie vornehmen? Den Gruß des Past. Hirzel an Sal. Hirzel hab ich ausgerichtet. Letzterer war erfreut über den Besuch, den er bei Dir gemacht hat - ich kenn ihn nicht. Aber in Deinem Thale dort wird Dir wol das Singen vergehn müssen. Ich bin wahrhaft neugierig, wie die Dinge weiter gehn werden. Das Casino in Au soll euch Freimaurer offen­bar in die Enge treiben oder abschneiden oder sichten, wer wird am Ende bei Dir bleiben? oder mußt Du nicht auch selbst eintreten? Auch bei uns hier ist endlich der öffentliche Kampf um die rechte Religion im Gange und verschärft sich, ich habe meine Herzensfreude drüber, daß endlich ein Ge­witterwind über die Straßen fegt und den Staub fortwirbelt. Könnt ich nur mitmachen, aber ich muß schweigen. Wirkliche Gewitter haben wir endlich dieser Tage gehabt, am Donnerstag war der erste längere Regen seit Deiner Ab­reise! Afrikanische Hitze haben wir ausgestanden. Am Mitt­woch ist beim Exercieren ein Soldat todt niedergefallen, plötzlich, vom Sonnenstich, und solcher Fälle hat es mehr gegeben. Euer Heuen muß doch endlich auch gut Wetter ge­habt haben? Sag mir doch was davon.

    Von Reich u. Arm hab ich eben den 16. Bogen gelesen als Sonntagsmorgenkost, den Besuch der Zusei bei ihrer Schwe­ster, es hat mich wahrhaft erbaut. Da übrigens die Eintheilung in 2 Bände wegfällt, so wird statt des 1. Cap des 2. Teils wei­ter gezählt: Vierzehntes Capitel. Das ist Dir doch recht? Ein eigentlicher innerer Abschnitt war mir ohnehin dabei nicht so fühlbar wie bei den Sonderlingen. Etwas ist mir übrigens nicht klar bei jenem Gespräch, in den Worten der Zusei: Den ersten Burschen in der Gemeinde will ich, und lache wenn das dann seine sanfte Schwester zur Verzweiflung bringt. Die Schwester soll doch Dorothee sein? man stutzt aber über die Schwester, und dabei liegt auch der Gedanke an die An­gelika nicht fern. Ich kann allenfalls den Bogen so lange zu­rückhalten, bis eine Rückäußerung von Dir kommt. Grottendiek schrieb mir bald nach Deinem Fortgang, er hat wie er angibt auch an Dich selbst geschrieben, über die Ho­norarfrage aber aus Zartgefühl geschwiegen; mir sagt er dar­über, daß der Verleger die Gerechtigkeit Deines Anspruchs wol empfände, aber eine Zusage nicht geben könnte, weil der Erfolg des Unternehmens zu wenig sicher wäre und min­destens erst abgewartet werden müßte; doch bei gutem Er­folg würde er sicher auch Dich zufrieden zu stellen bemüht sein.

    Was machen Deine Novellenentwürfe? Denkst Du noch dar­an? oder denkst Du schon wieder an Größeres? Ich wünschte doch, Du wähltest einmal einen Stoff mit mehr Pfeffer und Salz, mit grelleren Gegensätzen, mit mehr Schuld und Noth und Angst, Dein Talent würde daran sich selbst noch größer finden. Und auch Land und Stadt mehr in Berührung zu brin­gen könntest Du wol nun einmal unternehmen. Der Unfall, der Deinen Jakob betraf, ist hoffentlich ohne üble Folgen vorübergegangen? Wie hatte er denn nur vom Stege fallen können? er hatte doch ein Geländer, wenn ich mich recht erinnere? Sag mir doch ja Genaueres davon. Und wer hat ihn denn aus der Aach geholt? Bei uns geht alles gut. Ich schwanke, ob ich zum Herbst nach Würzburg gehe zur Philologenversammlung, werde aber wol zu Hause bleiben, es müßte denn bis dahin etwas von dem Gehofften von Dresden aus geschehen sein. Ihr seid wol nun im Vorsaß? Grüß mir die Deinigen und laß bald etwas von Dir hören

    Deinen R. Hildebrand.

    Weißt Du übrigens, daß Du trotz Deines sorgfältigen Packens doch von Deinem Reisegepäck etwas zurückgelassen hast? Ich will doch einmal sehen, ob Dus weißt und Dirs heute noch nicht verrathen.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 22. August 1868

    Lieber Freund!

    Anliegend übersende ich Dir: 1) Ein Manuskript von Dr. Von­bun, 2) den Brief des Holländers, 3) den mir von der Admini­stration des Telegrafen zugesendeten Brief samt meiner Antwort, 4) einen Brief von Professor Mayer. - Zugleich mit diesem Paket übergebe ich der Post unter Kreuzband 4 Num­mern des Arbeiterblattes, 2 Nummern des Telegrafen und die Ankündigung eines sozialen Romans. ­Das Manuskript hat mir Dr. Vonbun kürzlich geschenkt. Es ist der Aufsatz, der bald nach unserer Unterredung mit Von­bun im letzten Winter zustande kam. Er schickte denselben wieder an die Feldkircher Zeitung, die ihn aber nicht aufnahm und dem Autor auf seine Rückforderung sofort wieder behän­digte. Es ist ein merkwürdiges Schriftstück. Wenn die Literaten schließlich zu solchen Produktionen gelangen, so kann man sich, meine ich, leicht trösten, kein Literat vom Tag zu sein. Was sagst Du dazu?

    Den Holländer Brief habe ich dem Bickel und Gaßner zu lesen gegeben, er freute sie wie mich. Man sollte denselben im Vaterland bekannt machen. Welch herrliches Gemüt be­sitzt dieser Holländer! -

    Der Brief der Administration des Telegrafen, der Mayer'sche und die Kreuzbandsendung beziehen sich auf das Politische. Ich ersuche Dich, diese Sachen zu lesen, Dir das jetzige österreichische Parteiwesen zu vergegenwärtigen und Dich sofort zu erklären, ob und wie Du auf dem von Mayer angedeuteten Gebiet aktiv zu werden bereit bist oder was überhaupt Deine Meinung ist. -

    Meine Meinung will ich mit demokratischem Freimut her­setzen: Ich bin Sozialdemokrat und hoffe, es zu bleiben. Meine Bemühungen, eine sozialdemokratische Partei in Vor­arlberg ins Leben zu rufen, sind bekannt. Ich wollte es nicht auf Grund einer materialistischen Lebensanschauung, wie dies bei der Sozialdemokratie sonst leider der Fall ist, sondern auf Grund der christlichen Weltidee. Ich wendete mich daher nicht an die durch die materialistische Bourgeoisie materia­listisch gewordenen Massen, sondern an die Leute, die ich für die allumfassende christliche Idee mehr empfänglich hielt. Der Erfolg war leider ein sehr geringer. Die Leute, die da mit dem Christentum groß tun und bei denen jedes zweite Wort „Katholizismus" ist, sind so engherzig und so selbstzufrieden, daß vielleicht noch leichter die liberalen Bourgeois' aus ihren Begriffs-Kerkern herauszubringen wären. Ich war letzten Sonntag bei dem Kasinofest in Nenzing, wo bei 3000 Men­schen und die Koryphäen unserer sog. Ultramontanen waren und letztere laut und vernehmlich sprachen, aber nicht ein Wort fiel für die Armen, Hilfsbedürftigen. Die reine Reaktion ist da Losung, und alles läuft darauf hinaus, die ultramontane Bourgeoisie zu stärken und zu organisieren, um so der liberalen Bourgeoisie Meister zu werden. Die Herren in beiden Lagern wollen eine Welt für sich, die große Welt­strömung ist für sie wie nicht vorhanden. Genauso scheint mir die Stellung der „Ultramontanen" und „Liberalen" in ganz Cisleithanien zu sein und - nur große Katastrophen können eine Änderung zum Bessern herbeiführen. Vernunft wird Unsinn, Wohltat Plage. Bei diesem Sachverhalt sehe ich es meinerseits für eine zwecklose Kraftvergeudung an, jetzt in unserm Sinn weiter aktiv zu sein, und ich überlasse es Dir und dem Mayer oder wer will, die Initiative zu weiteren Schritten zu ergreifen. Wenn Ihr aber etwas Ordentliches anfangen und mich dabei haben wollt, so bin ich immer am Fleck. Aber Entschiedenheit möchte ich und halte daher dafür, daß man möglichst die Sache auf die Spitze treiben sollte. Die Liberalen und die Ultramontanen sollen ad absurdum geführt werden. Feursteins Haltung bei der letzten Wahl gefällt mir daher gar nicht. Fetz, Euer Kandidat, würde kein Wässerlein trüben. Ich halte ihn für einen ultramontanen Advokaten im Sinne der Gesichtspunkte. Die wohlfeile Be­handlung, die er Feurstein, Dir und Deinen Mannen zuteil werden ließ, paßt zum Geschäft, und ich muß bekennen, daß die hiesigen ultramontanen Wahlmänner bei weitem nicht in dem Grade als Maschinen gebraucht wurden wie Deine Freunde. Ich vermisse bei Euch Energie und die für Demokraten so nötige Entschiedenheit. Wieviel besser stünde unsere Sache, wenn unser Frühlingsprogramm entschieden aufrecht erhalten worden wäre, wie es in Szene gesetzt wurde, da nun zwei Männer des Programms im Landtag sitzen. Ich schreibe mir keine Schuld zu, wenn diese Männer wieder auf Seite der ultramontanen Bourgeoisie gezogen werden und unser Einfluß auf sie aufhören sollte, wenn unsere Sache also auch im Landtag unvertreten bleibt, aber Konsequenz schreibe ich mir zu, wenn ich mich freue, daß Männer, die mit uns dasselbe Programm fertigten, vom Volk erhoben wurden, und es ist anzuerkennen, daß das Volk den Instinkt fürs Richtige hat, und es ist total unschuldig, wenn die Dinge anders kommen, als sie nach seinem Instinkt kommen sollten. - Im Bregenzerwald hat die demokratische Idee gesiegt, und zwar die christlich-germanische, und denen zum Trotz, die sich Demokraten nennen, sogar das Schicksal hat sich für sie erklärt, wenn diese Idee in Berchtold aber nicht die entsprechende Verkörperung findet, so ist eben die groß­artige Unlauterkeit aller unserer Parteibestrebungen schuld, welche nur Katastrophen herbeiführen kann. ­Das ist nun beiläufig meine Meinung, und wenn sie Dich unangenehm berührt, so schreibe dies meinem hartgesot­tenen Demokratismus zu, der keine Schonung kennt, wo es sich um Recht und Wahrheit handelt. Ich schaue nun dem Weltlauf zu und warte ruhig ab, wie die materialistischen Massen und Parteien aufeinander platzen. Wenn Ihr Euch aufrafft und mit Kraft und Entschiedenheit für die Idee, die mich beherrscht, auftretet, so bin ich, wie gesagt, mit Freuden dabei. - Jetzt will ich noch etwas anführen, was Dir wohl in dem Ideengang der Literatur, in dem Du Dich dermalen bewegst und bei Deinen selbstgeschaffenen Idealen abstrus vorkommen mag, aber zur Klarstellung gehört, die einmal unvermeidlich ist. Aus meiner- ich muß jetzt wohl so sagen - Klarstellung spricht eine große Sehnsucht nach einem Konzilium und nach der Scheidung der Kirche von der Nationalität und dem Staat. Meine Klarstellung wurde ge­schrieben, als von einem Konzilium noch kein Wort ver­lautete. Als ein solches sofort von dem Papste, der gleich bei seinem Regierungsantritt entschieden mit der Demokratie ging, in einer Art ausgeschrieben wurde, die die Absicht, die Trennung von Staat und Nationalität durchzuführen, durch­blicken ließ, war meine Freude eine innige und große, wie Du begreifen mußt, wenn Du die Klarstellung jetzt wieder liest. Bei Besprechung der fraglichen päpstlichen Bulle sagt der Univers in einem von dem berühmten Veuillot unter­zeichneten Artikel unter anderem: „Wenn man die Blicke in die Zukunft wendet, so erschaut man die kirchlich-katho­lische Organisation der Demokratie. Auf den Trümmern der ungläubigen Monarchien sieht man zahlreicher die Menge der Nationen erstehen, die untereinander frei und gleich sind und einen allgemeinen Bund in der Einheit des Glaubens unter dem Vorsitz des römischen Oberhirten bilden, der gleich sehr Schützling und Beschützer der ganzen Welt ist. Es wird ein heiliges Volk geben, wie es ein heiliges Reich gab. Und diese getaufte und geweihte Demokratie wird das voll­bringen, was die Monarchien nicht vollbringen konnten und wollten." Die Aufstellung dieses Ideals war mir natürlich wieder ein Labsal, und ich erkläre es für ein vollberechtigtes, weil von der kirchlichen Weltidee gefordertes. Wie das Christentum Realität hat, wird dieses Ideal Realität erlangen. Wenn ich nun mit den Ideen, die meine Broschüren trugen, sozusagen ganz allein im Lande dastehe und meine eigene Partei bilde, so werde, hoffe ich, wenigstens ich von dieser Partei nicht abfallen, der die großartigen Weltereignisse so merkwürdig recht geben. -

    Jetzt will ich noch das Gedicht hersetzen, das ich am 14. d. Ms. dem Thurnher geschickt habe:

    An August Thurnher,

    als er am 10. Aug. 1868 zum Landtagsabgeordneten

    erwählt wurde.

    Es schwebt Dein Bild mir vor, - Glut in allen Zügen, Das Auge Feuer, die Haltung stramm, die Faust geballt, Die Lippen lispeln dumpf: „jetzt brechen oder biegen". So war's, als byzantinische Intrige Dir galt.

     

    Es war das Bild des Stark'n von Manneszorn verklärt,

    Das Bild des deutschen Streiters, den wälsche Tück' bezwang,

    Dem alles sie genommen, was den Streiter ehrt:

    Das Vaterland -, so zogst Du fort, kein Laut, kein Klang.

     

    Die Freunde reichten stumm, vom Schmerze übermannt, Zum

    Abschied Dir die Hand, die Losung tief im Herzen: „Jetzt

    brechen oder biegen, der Frevel wird entmannt, Der Frevel

    vor Gericht! - was schwarz ist, muß man schwärzen."

     

    Das höchste Tribunal ist zu Gericht gesessen, Das Tribunal des

    Volks hat seinen Spruch getan: „Nicht duldet Volkes Majestät

    ein solch Vermessen, Nicht kennt es blinden, feigen

    Ostrazismus an.

     

    Unwert des deutschen Namens, ehrlos sei erklärt Ein jeder aus

    dem Volke, der solch Griechentat In deutschem Lande übt,

    doch sei ihm nicht verwehrt Ein großer Akt, - der Akt der

    Sühn' vor'm hohen Rat -

     

    Ins Vaterland, ins teure, sei zurückgerufen

    Der Mann, der stets des Volkes Fahne hochgehalten,

    Er freue auf des Volkes Thrones höchsten Stufen

    Des Sieges sich, des Rechts und deutscher Männer Walten."

     

    Es schwebt Dein Bild mir wieder vor, ein schön'res Bild: Im

    Antlitz Herrscherruh, im Auge Harmonie, Die Rechte sanft

    erhoben, der Mund spricht ernst und mild: „Germane sei

    stets frei und beug' den Nacken nie." -

     

    Dieses Gedicht hat bei dem Überwuchern des Römertums in allen Rechts- und öffentlichen Verhältnissen nur eine ideelle /: instinktive :/ Berechtigung, und würde der bei diesen Vorgängen zu Tage getretene germanistische Volks­instinkt von den realen Tagesmächten, dem römisch-heidnischen Kunstwesen, alsogleich überfahren. Bei Thurnher trat richtig der in diesem Brief schon vorgesehene Fall ein. Wenn es da eine Entschuldigung gibt, ist es die Tatsache des allge­meinen geistigen Bankerottentums, welches alles mit den Ver­hältnissen entschuldigt. Diese Verhältnisse zeichnet schön und wahr ein germanistischer Gelehrter in einem an mich gerich­teten Brief, in dem er sagt: „Wenn Sie alles auf den Kampf zwischen dem Romanismus und dem Germanismus zurück­führen, so ist gerade das zwischen uns ein intimer Be­rührungspunkt. Der Kampf gegen das Römertum in unserm Innern und Äußern ist der Kern meines Weltinteresses, ich kämpfe ihn jetzt auf dem Katheder Tag für Tag gegen das lateinische Römertum und das französische Römertum. Jenes sitzt uns auf dem Nacken, dieses auf der Nase, es ist ein Wunder, daß wir noch da sind und uns noch ein wenig wehren können. Am schwersten aber wehrt sich's gegen das deutsche Römertum, in dem unsere Studierten, und die nicht allein, zu einem großen Prozentsatz ersoffen sind. Ja, es wird uns von Jugend auf in unser Inneres hineingeflößt und gestopft, ehe wir einen Maßstab haben, an dem wir's wert­messen könnten. Unser ganzer Staats- und Kirchenbegriff ist ein Stück Römertum, der unselige Gedanke einer Geister­uniform, der Tausenden so bestechend ist, - Herrschenden und Beherrschten."

    Wenn ich im Gedicht und im Brief von „Volks"wahlen rede, wirst Du wohl nicht bestreiten, daß Fetz und Staatsanwalt entschieden größere Niederlagen erlitten hätten bei wirk­lichen „Volks-", d. h. allgemeinen Wahlen und ihre Gegner mit ganz anderer Majorität gesiegt hätten, ein Beweis, wie angemessen der Volksnatur eigentlich unser Programm wäre. Eben erhalte ich von Mayer ein Dutzend Fotografien ä 25 Kr. ö. W., die ich bezahlt habe und hier beilege. Ein Stück gab ich der Augusta Rhomberg, Tochter des Jakob, meiner weitschichtigen Base, die sich jetzt bei mir aufhält und Dich hoch ehrt. Ich schreibe Dir den Betrag zu dem Übrigen. -

    Das von Mayer erwähnte Werk von Jörg habe ich und ist jedermann, der eine gründliche Belehrung wünscht, bestens zu empfehlen. Ich habe es ausgelehnt, kostet nur 1 Fl. 50 Kr. Linter [?] ist Kommissär, Leiß Sekretär, Deigentesch [?] Disponibel. In Bezau bleiben nur zwei Konzeptsbeamte beim Gericht. Es werden 23 Aktuare und bei 70 Kanzellisten in Tirol und Vorarlberg disponibel. Über die Besetzung der Bezirks­hauptmannschaften schlägt man sich die Hand überm Kopf zusammen. Wir richterliche Beamte bekommen jetzt eine viel schönere und freiere Stellung. -

    Den Brief der Administration, den des Mayer und das Manuskript Vonbuns bitte ich mir wieder zurückzusenden. Nichts für ungut. Schreib mir bald, etwa soviel, als ich eben Dir schrieb, und donnere nur drauf los, wenn es Dir drum ist. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger.

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 20. August 1868

    Lieber Freund Felder!

    Deinen Brief habe ich zwar schon vor mehreren Wochen erhalten u. kam trotz meines guten Willens bis jetzt nicht zum schreiben. Vor allem danke ich Dir für den amtlichen Bericht in Betreff meiner lieben Base; dann kommt erst der geschäftliche Theil nämlich: der Bericht über das beiliegende Hemd welches ich vom Oberkelner im Stachus erhielt, aber dasselbe wurde auf No 10 gefunden, nicht, wie Du angegeben auf No 38 oder 39. Dem Schnitt nach scheint dasselbe schon im Bregenzerwald gemacht worden zu sein, aber die große stimmt nicht mit der Deinigen überein; auch Dein Name ist nicht zu finden darin. Das alles erschwerte meine Funktion als Spediteur u. ich erhielt es auch nur unter der Bedingung, daß, wenn es Dein Eigenthum nicht ist, Du es wieder zurückschicken sollest.

    Du bist also schon beim Eintritt ins engere Vaterland als Sieger davongegangen u. hast Dir in Dornbirn wieder neue Freunde erworben, beim guten Bier. Du bemerktest unter ändern Neuigkei­ten in Deinem letzten Brief über das Wühlen der Maulwürfe, daß sie trotz ihren großen Bemühungen nur einen schäbigen Rest gewinnen. Darüber bin ich der Ansicht, daß der Rest allerdings schäbig, aber dabei so zahlreich ist, daß das Wort Rest nicht mehr geeignet scheint diese Brut zu bezeichnen.

    Unsere Landsleute haben sich am Tag Deiner Abreise von Mün­chen mit sichtlichem Interesse um Dich näher erkundigt u. freuten sich dann, den Mann von dem sie schon so vieles reden hörten u. theilweise auch gelesen, kennen gelernt zu haben. Auch ein guter Freund von mir, der Hildebrand's Artikel über Dich in der Gartenlaube jüngst gelesen hat schwärmt für das Bäuerlein als Dichter; u. ich bin dabei natürlich stolz darauf von Dir Freund genannt zu werden.

    Schreibe mir bald wieder, Stoff könnte villeicht das letzte Wahler­gebniß genug bieten, worauf ich sehr neugierig bin. Grüße mir alle Bekannten schönstens, sowie auch Dein liebes Wible u. ich verbleibe mit vielen Grüßen

    Dein aufrichtiger Freund G. Feurstein

    Georg Flurstein
    München
    Franz Michael Felder
  • 18. August 1868

    Lieber Freund!

    Über die letzte Mitteilung Deiner „verbesserten Belassung" in Bludenz kann ich nicht unterlassen, meine Freude und meinen Glückswunsch auszusprechen. Freilich, meine Furcht vor einer Versetzung nach Tirol war grundlos. Man hält uns beide - laut geheimem Landtagswahlbericht - noch für viel liberaler als die liberalsten Liberalen. Jochum in Schröcken, den es ärgerte, daß man hier bis zuletzt nichts von dem auf­gestellten Kandidaten hörte, wollte durchaus einen von uns beiden im Landtag haben. Zuerst redete er mit den ändern von mir, aber Pfarrer Sieber machte den Kasinomännchen die Hölle heiß und plauderte von meinem Freimaurertum als ausgemachter Sache.

    Für Dich wäre Tannberg und mit Ausnahme des Galli Moos­brugger so ziemlich der ganze Hinterwald gewesen. Feur­stein war für Fetz, und Jochum dachte mit Albrecht an meinen Zuspruch, ja keine Zersplitterung herbei zu führen. Auf dem Heimgang von der Wahl wurden meine Freunde wie die von Gott geschlagenen Sünder behandelt. Ich ging ihnen bis Au entgegen und traf sie in einer Erregung, welche mich die Leidenschaftlichkeit des Wahlkampfes ahnen ließ. Birnbaumer gebärdet sich als Erzbrixner, und ruhige Köpfe beginnen, sich ernstlich zu schütteln. Seine frommen Zuhörer sehen einen Religionskrieg vor der Tür. Er predigt immer nur vom Glau­ben. Vorletzten Sonntag war ich mit im Kasino und sah mir die Sache an. Es nimmt sich pudelnärrisch aus, wie man die Figuren am Faden sieht, da kommt nie Seele hinein! Ich kam vor der Sitzung hin, deren heutiger Gegenstand die Wahl des Verwaltungsrates sein sollte. Man sagte mir überall, die Wahl des Dökterle zum Präsidenten sei eine ausgemachte Sache. Nun aber, als sie hübsch beisammen waren und das festlich geschmückte Dokterle in ihrer warmen Mitte, da trat Pfarrer Birnbaumer, der die Woche in Bregenz war, aus der ehrwürdigen Reihe hervor und sagte: Er habe anfangs keine Stelle anzunehmen gedacht, aber in Erwägung, daß er der guten, aber noch jungen Sache mehr nützen könne als ein anderer, nehme er es nun mit Freude an, wenn man ihn wähle. Den Erfolg kannst Du Dir denken. Er bekam 49 von 55 Stimmen. Seitdem ist das Dokterle schlecht auf den Pfarrer und das Kasino zu sprechen. Wenn's so fort geht, steht das Männchen bald allein.

    Andere Anträge brachte Birnbaumer folgendermaßen zur Abstimmung: Wer gegen meinen Antrag ist, soll aufstehen. Von Schoppernau sind Herr Rüscher, Rößlewirt und Greber die einzigen Mitglieder. Nächsten Sonntag ist das Gründungs­fest, zu welchem Gäste aus Nenzing, Feldkirch, Bregenz und Egg und großartige Feier [?] angekündigt wurde. Letzte Woche habe ich geheut, ward aber auch da fast täglich von Reisenden besucht. Besonders wichtig ist mir die Be­kanntschaft des Dichters Scherer, von dem ich Dir einmal mehr erzähle. Wir haben Interessantes verhandelt. Vorgestern besuchte mich eine Gesellschaft aus Dornbirn, die ich mit dem Wible bis Schrecken begleitete. Das Wirts­haus war so voll, daß man für unsere Nachtruhe nicht einmal mehr Heu, geschweige denn ein Zimmer hatte. Wir über­nachteten beim „Präsident". Allgemein beklagt wurde die Haltung der Feldkircher Zeitung und Ganahls Einfluß auf das Blatt. Man redet von einer Rückberufung des Kunz, der sich nicht glänzend steht. Einstweilen wird ein gewisser unab­hängiger Heim Redakteur. Mich haben die Herren dringend um Beiträge ersucht.

    Eben erhalte ich „Enthüllungen über Lassalles Tod", eine Schrift von Bernhard Becker, die nicht uninteressant zu wer­den verspricht.

    Beiliegendes Schreiben von meinem Übersetzer kannst Du auch meinen Gönnern in Bludenz mitteilen, doch bitte ich Dich, es mir recht bald wieder zu schicken.

    Unsere Gassen sind weiß und grau von Vergnügungsreisen­den. Fast der Drittel besucht auch mein Haus, und ich habe nun ein Fremdenbuch errichtet, um doch manchen lieben Namen fester zu behalten.

    Wenn ich nie fleißiger geschrieben hätte als jetzt, so würde man nichts von den Sonderlingen wissen. Ich dusele behaglich sammelnd und verarbeitend in meiner Heimat herum, und mit der Heugabel in der Hand laß ich mir wohl sein. Die Ver­urteilung meiner Gegner bei der Gemeindewahl tut eine gute Wirkung, unserm Müller jedoch scheint sie noch sehr im Magen zu liegen.

    Die Isabell ist nach Krumbach und noch nicht zurück. Ge­naueres über sie mag der beiliegende Brief bringen, den ich gestern zur Beförderung an Dich erhielt. Das Grumet steht sehr schön, die Bauern sind guter Dinge, nur daß viele einen Religionskrieg fürchten. Grüße mir Dein Wible, Bickel, Gaßner und alle Bekannten. Schreibe bald wieder. Ich bin sehr begierig, wie Berchtold und Thurnher sich vertragen. Warten wir es ab. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Franz M. Felder

    Schicke zur Einsicht ein Exemplar des Telegraf. Mayer soll Fotografien schicken!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 17. August 1868

    Lieber Freund Felder!

    Mit der innigsten Theilnahme eines Freundes habe ich Deine Trauerkunde vom Tod Deiner Lebensgefährtin in Deinem letzten Brief vernommen. Ich kann Dich versichern, daß ich am selbigen Tag, wo ich Deinen verhängnißvollen Brief erhielt, ganz verstimmt war; da ich wußte, daß die Verblichene Dein zweites Ich war, auch in schriftstellerischer Beziehung, gewiß begeisterte sie Dich zu den gefühlvollsten Stellen in den Sonderlingen. Und nun auf einmal ist sie nicht mehr. Villeicht ist sie nur deßwegen so frühzeitig hinüber­gestiegen nach jenen lichten Höhen, um von dort aus Dein dichterisches Schaffen noch mehr zu begeistern. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß Deine poetische Natur sich in diesen zwar sehr harten Schlag wird schicken können. Nach unsern christlichen Grundsätzen hat sie nur eine schönere Gestalt angenommen gleich dem Schmetterling im Mai. - Also tröste Dich wieder mein lieber Freund; leider reichen meine schwachen Gedanken nicht aus, um Dir Trostworte schreiben zu können, da Du ja selbst über das Alltägliche hinaus bist. Ich kann, wie schon gesagt, nur von Herzen bedauern.

    Du fragst mich wegen dem Portrait Deiner lieben Frau: Es ist allerdings sehr schwer nach einer kleinen Vothografie zu modellie­ren, allein, ich will es doch versuchen, wenn Du mir eine solche schicken willst. Wahrscheinlich würde sie für ihren Grabstein bestimmt sein. Du schreibst mir also im nächsten Brief dann das Genauere nicht wahr? Bis dahin harrt in herzlichster Theilnahme

    Dein aufr. Freund G. Feurstein

    Georg Feuerstein
    München
    Franz Michael Felder
  • 11. August 1868

    Lieber Freund!

    Eben erfahre ich telegrafisch, daß ich als Adjunkt mit bes­serer Zahlung hier bleibe. Bitte, dies den Meinigen und wer es wissen will, mitzuteilen. Die Wahlschlacht ist ge­schlagen und Thurnher ist mit 30 Stimmen von 46 gewählt. Der Staatsanwalt erhielt trotz eifriger Agitation und trotz seiner glänzenden Kandidatenrede nur 10 Stimmen. Die Ultramontanen hielten stramme Disziplin. Diese Wahl wird im Lande viel Redens geben. - Daß Fetz gegen Berchtold unterlegen ist, wußten wir gestern schon. Fetz ist mir von den Studienjahren her bekannt. Er besitzt ein sehr umfangreiches Wissen. Seine Kandidatur war mir schon lange bekannt, und es wundert mich, daß uns Feurstein nicht schon in Bezau davon gesagt hat, was er doch hätte tun können. ­Thurnher ist zum Konzipisten bei der Statthalterei in Inns­bruck ernannt mit 800 Fl. Gehalt. Ich werde 900 Fl. haben. Du siehst, man behandelt uns nicht wegwerfend. Ich erhalte nun lebendigere Fühlung mit den Vorgängen im Landtag und in den Regierungskreisen.

    Das Nenzinger Kasinofest vom nächsten Sonntag wird zwei­felsohne bedeutend Aufsehen erregen. Die Gegensätze sind hier sehr schroff und werden immer schroffer. Wir neutrales Publikum im Städtle reden davon, eine Vereinigung ohne politische Färbung zur gegenseitigen Bildung und Unterhal­tung zu gründen.

    Zu Deinen Erfolgen in Deutschland gratuliere ich und freue mich derselben mit Dir. Baldiges Schreiben erwartend, mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger. Freundlichen Gruß an Isabella!

     

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 6. August 1868

    Lieber Freund!

    Sei freundlichst auf vaterländischem Boden und in der lieben Heimat wieder gegrüßt. Wenn ich mir aus meinen Sturm­und Drangperioden nach den Kreuz- und Querzügen in der großen weiten Welt das Daheim wieder vorstelle, komme ich zu der Annahme, daß Du jetzt in behaglichster Stimmung mit erhöhter Lebens- und Strebenslust in Deinem Schop­pernau der Süßigkeiten des Daseins Dich erfreust. Glück auf. -

    Ich konnte vom Amt nicht los werden, um Dir entgegenzu­kommen, ich mußte daher in der Alltäglichkeit fortwaten und den Hundstagen meinen Schwitztribut als ein Gefesselter dar­bringen. - Ich muß Dir anzeigen, daß ich beim Auspacken meiner Reisetasche bei der Rückkehr von Euch das Manuskript des Arbeiters in Friedrichshafen nicht mehr hatte. Wenn es nicht auf Krumbach oder Warth liegen geblieben ist, muß ich es für verloren ansehen. Ich überließ die Packsachen dem Weib, und sie weiß gar nichts von diesem Manuskript, das ich in Hopfreben doch in die Reisetasche getan habe. Sollte nun dasselbe nicht mehr zum Vorschein kommen, so werde und muß ich es dem Eigentümer bezahlen. Frage daher bei den Unsrigen an, und wenn sie nichts wissen, so sei so gut, dem guten Proletarier zu schreiben, er soll sich wegen Entschädigung an mich wenden, zu der ich erbötig bin. ­Wir haben jetzt auch im Amt die liebe Not wegen der das Land durchbrausenden Agitationen und können noch lange nichts Besseres erwarten. Die Festgäste von Wien kehren wieder zurück, und ich lache sie aus, daß sie sich so aufgeführt haben, daß man sie im großen Vaterlande nirgends mehr einlasse. Ich nehme nämlich an, daß die großen Städte ebenso vernünftig sein werden wie Leipzig. Mayer wird heuer nicht heim kommen. Hier kandidiert der Staatsanwalt für den Landtagssitz, wird aber wohl gegenüber dem Thurnher nicht durchdringen. Er suchte auch mich auf und ließ sich in eine interessante Diskussion ein. Ich erklärte mich für diesen Fall neutral. - Nun erzähle mir etwas von Deutschland und der wiedergefundenen Heimat. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger.

    Ende dieser Woche will Isabell Euch und die Ihrigen be­suchen. Sie sei bestens empfohlen. -

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 3. August 1868

    Lieber Freund!

    Ich bin glücklich wieder da, froher, unternehmungslustiger als je. Leipzig mit denen, die es [in] meinen Gedanken einschließt, machte diesmal einen etwas ändern Eindruck als das erste Mal, wo sich der Bewunderer nur leidend, nur empfangend verhielt. Ich empfinde Stadt und Land, hier und dort nicht mehr als ganze Gegensätze, sondern beginne da wie dort das allgemein Menschliche zu suchen, das Gesetz, nach dem wir leben und uns entwickeln. Ich freue mich wieder, hier zu sein, und bin froh, daß ich dort war. Die Reise ging etwas langsam, weil ich da und dort mich aufhielt. Zur Verhandlung in Bregenz aber kam ich früh genug und freute mich, Freunde und Gegner schon am Damm zu treffen. Die letztern sollten einen schlimmen Tag haben, denn schon vor der Verurteilung, die ich mir gelind erbat, mußten sie sich den Text lesen lassen, wie sie es wohl noch niemals erlebten. Sie wurden zu einer - dreitägigen Arreststrafe und den Kosten und 10 Fl. in unsere Armenkasse verurteilt. Abends 6 Uhr waren wir fertig, und ich fuhr nach Dornbirn, wo Dr. Waibel sogleich einen ganzen Kreis unbekannter Freunde um mich herum versammelte. Wir ließen manchen Zapfen springen bis früh 2 Uhr. Dann übernachtete ich beim Waibel, der am ändern Tage mich mit seinen Freunden die halbe Lose hinauf begleitete. In Schwarzenberg traf ich einen Professor aus Schulpforta, der, weil er mich aufsuchte, nun mit in meine Heimat ging. Am ändern Tage besuchte mich ein Vetter des Verlegers Dr. Heinrich Hirzel samt Frau und Schwägerin. Gestern gingen wir zusammen nach Schröcken und wieder zurück, wobei Bedeutendes verhandelt wurde. Er sagte über­all, er komme nur, mich zu besuchen, und mir scheint es auch so. Ich komme also erst heut zum Schreiben an Dich und bin noch nicht recht aufgelegt, denn ich möchte lieber reden, als mit der Feder Dürftiges nur mühevoll wiedergeben. Zu erzählen hätt ich viel. ,Reich und Arm' ist erst zum dritten Teile fertig. Von meinem Übersetzer in Alkmar hab ich ein Schreiben erhalten, welches mich recht freut. Ich werde es Dir zum Lesen und Mitteilen an meine dortigen Freunde senden, denn es ist mit Verständnis meines Werkes ge­schrieben und besonders mit einer Wärme, die beim Hollän­der doppelt erfreulich ist. Die Übersetzung dürfte nächstens noch vor ,Reich und Arm' erscheinen. Ich wollte, daß dieser Umstand, oder gar des Übersetzers Brief etwas bekannter würde.

    In der Gartenlaube dürfte bald ein Artikel von mir erscheinen, denn es ist mir gelungen, das gute Einvernehmen mit Keil wieder herzustellen. Überhaupt hab ich von meiner Reise manchen Gewinn. Fürs Schützenfest wollten sich die Leipziger nicht begeistern. Man freut sich dort an unserem Wirr­warr [?]. Letzten Sonntag mußten hier herum die Leute unterschreiben, „daß sie noch beim rechten Glauben blei­ben". Das Schriftstück ist nicht datiert und ward von der Kanzel verlesen. Auch fürs Kasino wird in Schoppernau von der Kanzel gearbeitet. Es gibt hier Leute, die Dich oder mich für die neue Landtagswahl vorschlagen. Ich bin leider noch zu kurze Zeit hier, um Dir Genaueres und Genaues mitteilen zu können. Sobald Feurstein von Wien zurück ist, will ich ihn besuchen. Ich möchte gern einen tüchtigen Vertreter vor­schlagen, aber es fällt mir selbst außer Dir keiner ein. Gestern war in Au die Wahl eines neuen Wahlmanns für den verstor­benen Vorsteher. Den Leuten hier ist die Sache so unwichtig, daß ich noch nicht erfahren konnte, wie es ablief. Das Dökterle soll sehr tätig sein, ohne sich auch nur den Beifall des Klerus zu verdienen. Man sieht das unsolide Wesen zu sehr und denkt an den getauften Juden, der nun eben der getaufte Jude ist.

    Die Heuernte ist endlich vorbei und die Leute wandern in die Berge, so daß es dem Kasino an Teilnahme zu fehlen scheint. Ob das im Winter anders wird, weiß ich nicht. Diese Woche noch soll Stockmayer ins Hopfrebner Bädle kommen. Das wird Rüscher nicht besonders gerne sehen. ­Ich aber freue mich, ihn zu treffen.

    Der Uhrenmacher hat von Dr. Jussel noch nichts erhalten, was mir nicht gefallen will. Felder hätte selbst zum Advokaten, nicht bloß schreiben sollen. Meine Prozesse, wenn  man's so nennen will, sind nun zu Ende, und ich kann trotz Müller mit den Erfolgen ziemlich zufrieden sein. Weißt Du noch nicht, wohin es Dich wirft und wohin andere Bekannte? Schreibe mir recht bald. Es grüßt Dich, Dein Wible und alle herzlich Dein Freund

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 2. August 1868

    Liebster Freund!

    Nun war ich also glücklich wieder hier und freue mich dar­über mit den Meinigen. Sie haben mir alle viel zu erzählen; auch im Geschäftsgang ist die Lücke groß geworden, in die ich nun wieder einstehe, wie tüchtig auch das gute Wible überall eingriff. Ich bin jetzt in der heitersten Stimmung und immer aufgelegt, das nicht etwa nur mit der Harmonika zu zeigen, die allerdings wie ein Familienereigniß begrüßt wor­den ist. Dießmal mußte ich in Bregenz auf dem Zollamt wirklich aufspielen um zu beweisen, daß ich sie nur für mich selber kaufte.

    Doch mein Bericht soll etwas ordentlich werden. Die Heim­reise war eine sehr glückliche. Dem Frohen, von tausend lie­ben Erinnerungen begleitet, erschien alles heiter, zuweilen traf ich kurzweilige Gesellschaft, sonst aber waren die bei mir, die ich eben verlassen und auch dann ward die geistige Unterhaltung mir anregend. Daß Du mir am nächsten warst, das brauch ich Dir wol kaum zu sagen. Zuweilen sang ich auch, aber nur so laut, daß im Geräusch es niemand hörte. Im Stachus wies man mir nur noch aus Gnade ein unglaub­lich bescheidenes Plätzlein an. Ich konnte besser rauchen oder dampfen als schlafen. Am Morgen fühlte ich mich nicht ausgeruht und blieb daher in München, wo mir in Feursteins Gesellschaft der Tag nur zu schnell vergieng; wir waren im Schwanthaler Museum, in der Residenz, bei Nimfenburg usw. Abends traf ich einen Krämer von Andelsbuch mit seiner Frau, die Leute sahen mich für einen Fremden an, bis ich sie im Dialekt anredete. Am ändern Tag blieb mir in Augsburg so viel Zeit, mich ein wenig umzusehen. In Lindau holten Stettner und seine Tochter mich vom Bahnhof und öffneten mir gastlich ihr Haus. Am ändern Morgen 5 Uhr 30 M fuhr ich nach Bregenz. Unbändiger Regen trieb mich in die Kajüte, wo ich den Buchhändler Engelmann von Leipzig sprach, der sich sorgfältig des Geschäftlichen  bei  meinen Arbeiten er­kundigen wollte.

    Am Hafen traf ich meine vorgeladenen Gegner und meine Freunde. Letztere sagten mir, die Untersuchung schaffe neue Erregung, was die düstern Gesichter der Ersteren bewiesen. Während der Verhandlung nun, in der sich ihre Erbärmlich­keit zeigte wurden sie mehrmahls tüchtig abgekanzelt. Die Leute standen rathlos und mehrere reichten mir, obwohl sie zu Geld- u Areststrafe verurtheilt wurden, am Schlüsse der Verhandlung, Abends 6 Uhr die Hand zur Versöhnung. Nach Bezau war es nun zu spät, drum gieng ich nach Dornbirn zu Waibel, der in froher Stimmung rasch einen Kreis von mir noch unbekannten Freunden um mich versammelt hatte. Wir blieben sitzen bis 2 Uhr Morgens, wie sehr ich auch zum Aufbruch - aber etwas leise - gedrängt habe. Ich übernachtete bei Waibl, der mich mit seinem Freundes­kreis, auch Luger war dabei, eine große Strecke des Weges gen Schwarzenberg begleitete. Sie alle drückten mir beim Abschied herzlich die Hand und versprachen mich in 14 Ta­gen hier zu besuchen. Ich war nun alein mit einem Vergnü­gungsreisenden, dem ich den Weg zeigen sollte bis Schwar­zenberg. Dort verließ mich der schweigsame Gefährte und eilte - zum Pfarrer, ich aber aß im Hirschen Fastenspeisen. Da traf ich Prof. Dr. Buchbinder. Wie - mag er Dir selbst sagen, denn ich könnte nicht unterlassen, einige Sommer­frischlerinnen zu tadeln, wenn ich lange davon redete. Kurz er eilte auch zu erfahren, was es da zu sehen gäbe, da fand er mich und einen meiner Zeugen und gieng mit uns nach Schoppernau. Ich machte in Au meine Einkäufe u erfuhr, daß auch der Rößlewirth Kasino-Mitglied worden ist. - Nun war ich daran gekommen Dir die Freuden des Wieder­sehens zu schildern, aber eben hat mich mein Nachbar er­schrekt, der meinen Jakob auf einem Karren heimbringt. Der Junge war mit ihm ausgegangen und da er schlecht beauf­sichtigt war, fiel er über den Salzbacher Steg in die Ach, ge­rade da, wo ich vor Jahren dem Tod so furchtbar nahe kam.

    Glücklicherweise ist wol der gehabte Schrecken das Ärgste, denn die Verletzungen des Kopfes sind wol nicht gefährlich. Ich bin kaum noch in der Stimmung Dir noch zu sagen, daß Rüschers Köchin wieder kam. usw. Ich muß überhaupt zum Schluß eilen, wenn Du meinen Brief am Mittwoch bekom­men sollst, denn da ist nun der von Salomon Hirzel ange­kündigte Pfarrer Hirzel aus Zürich gekommen, mit dem ich sofort nach Schröcken zu gehen gedenke. Deine und die Grüße Deiner Frau an die Meinen, Oberhauser, Uhrenmacher Rößlewirthin usw hab ich ausgerichtet und bin von allen gebethen, sie in herzlichster Weise zu erwiedern. Grüße mir Deine Frau, die Deinen und alle die mir wohl wollen. Wie gehts mit Reich u Arm vorwärts? Schreibe doch auch wenn Du einmal Zeit hast und behalte in treuem Andenken

    Deinen dankbaren Freund Franz M Felder. Von Pfarrer Hirzel Gruß an seinen Herrn Vetter.

    Rudolf Hildebrand
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 1. August 1868

    Wohlgeboren

    Herrn Franz Michael Felder

    Schoppernau.

    Mit diesem erlaube ich mir Euer Wohlgeboren noch um einige Tage Geduld zu bitten, bezüglich unserer Reisebeschreibung v. Schrök­ken über Mittelberg nach Allgäu u. zu Hause, u. bezüglich meiner Fotografie. Ich habe die Reisebeschreibung zwar in Arbeit; aber andere Geschäfte lenken mich hin u. wieder davon ab u. neue Fotografien bekomme ich erst in einigen Tagen. Indessen empfehle ich mich Ihnen mit aller Hochachtung in welcher verharret

    Raimund Feurstein

    P.S. Viele herzliche Grüße von uns Allen an Ihr sehr verehrtes „HerrWible".

    Raimund Feuerstein
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 30. Juli 1868

    Hochgeehrter Herr!

    Von einer kleinen Ferien-Reise wieder heimgekehrt, fand ich Ihre werthe Zuschrift aus Leipzig. Das zu hoffen, zu erwarten hätte ich nicht gewagt. Darf ich Ihnen dafür meinen aufrichtigen, herzlichen Dank bringen? Es war mir eine freudenvolle Überraschung. Bei der Probe vom letzten Bogen Ihrer, nun gänzlich übersetzten, Sonderlinge lag auch Ihr lieber Brief. Sie haben mir damit gleich­sam die Hand gereicht. Mir ist es ein Herzensbedürfniß Ihren warmen Handdruck zu erwiedern. Durch Ihre Dichtung, die mich so angriff, daß ich es wagen wollte, auch meine Landsleuten mit ihr bekannt zu machen, bin ich Ihnen herrliche Stunden und Tagen verschuldet. Bei der Übersetzung, beim Durchsehen der Proben ward Ihre Dichtung mir immer schöner, immer lieber. Fortwährend lernte ich sie besser genießen. Meine Anerkennung, meine Hoch­schätzung Ihres tiefen, warmen Blick im Menschenherzen nahm immer zu. Ihre warme Liebe für das wahrhaft-Göttliche im Men­schen erwärmte auch mich immer mehr. Meine aufrichtige Vereh­rung für Sie, den kräftigen Kämpfer für Freiheit und Humanität, blieb immer wachsen. Aus Ihrer Dichtung wehte mir stets der heilige Gottesgeist zu, der überall in der Welt, bis auch in den tiefsten Winkel, den Menschengeist erhellt und erleuchtet, das Menschenherz erwärmt, das Menschenleben verherrlicht, die Menschliche Gesellschaft erhebt. Es war mir so innig wohl auch in Ihre Schöpfung aus dem Bregenzerwald den Flügelschlag dessel­ben Geistes zu vernehmen, der immer durch die ganze Menschheit dahinrauscht, mit süßen Worten der Liebe, des Friedens, der Versöhnung kranke Herzen genesend, und dann wieder in breiten Strömen von den höchsten Höhen des Menschengeistes daher­braust, neue Kräfte, frisches Leben weckend. Fremd sind Sie vielen Gebildeten unseres Volkes nicht mehr. Ihr geehrter Freund Dr Hildebrand, wird Ihnen schon gemeldet haben, wie Sie in der besten, gediegensten Niederländischen Zeitschrift besprochen und anerkannt sind. In kurzer Zeit wird auch Ihre Dichtung in meine Übersetzung erscheinen, und ich bin tief überzeugt, daß Vielen mit mir in unserem Lande Ihnen dafür danken werden, daß Sie uns in Ihren frischen Wälder- und Alpenle­ben, arbeiten, streiten, leben lassen, was unendlich Vielen Kopf und Herzen erfüllt, was den reichsten, größten Geister beschäftigt. Auch bei uns im hohen Norden werden dann auch gefunden werden, die den Vorarlberger in fernsten Südwesten Deutschlands die Hand drücken, als wollten sie sagen: „Sie sind Unser Einer, Sie wollen, wie wir, was wahr, schön und gut ist!" In unserer Zeit, wo zwei Einander gegenüberstehende und doch Einander verwandte, Mächten, Jede für sich, den Menschen sich bemächtigen wollen, wo der praktische Materialismus an der einen Seite, der Geist und Herztödtende Formalismus auf die andere Seite, den Menschen zum Sklaven machen wollen, thut's Noth, daß da auftreten, die in Schrift und Wort und Lied, in Gleichniß, Ton und Farbe, in jede wahre, schöne Lebensform dem Mitleben­den zurufen, daß er noch höhere Aufgaben hat als die des Thieres, und daß auch nicht die Weltanschauung des Mönches die Gott­verherrlichende, Menschen-beglückende ist. Auch bei uns streiten Vielen diesen Kampf und von diesen werden Sie als Einer der Ersten, meist begabten Kämpfer erkannt und begrüßt werden. Meine Übersetzung Ihrer Sonderlinge ist vollendet. Sie werden wohl von Ihrem Freunde Dr Hildebrand wissen, wie ich von Ihnen ein Bild wünschte. Das mir durch Ihn freundlichst zugesandte Photogram wollte ich durch Lithografie vervielfältigen lassen, damit meine Landsleute den Dichter der Sonderlinge und des Schwarzokaspale auch dem Äußeren nach könnten kennen. Die erste Probe aber, war, leider! nicht die glücklichste. Nun muß ich ein besseres machen lassen, deshalb wird die Herausgabe der Sonderlinge noch eine kleine Frist warten müssen. Sehr angenehm würde es mir sein, wenn ich wissen möchte wieviele Exemplaren ich Ihnen anbieten darf, ebenfalls, auf welche Weise Sie dieselbe zu empfangen wünschen, direkt nach Schoppernau, oder...? Recht viele Freude hat's mir gemacht, von Ihnen selber zu wissen, daß Sie dem Erscheinen einer neuen Dichtung entgegensehen. Wenn es möglich wäre, so möchte ich sie recht bald genießen. Wenn ich weiß, wo sie gedruckt und herausgegeben wird, will ich sie mir gleich kommen lassen, damit ich wieder bald eine recht schöne Freude erleben möchte.

    Hochachtend und ergebenst

    einer Ihrer aufrichtigsten Verehrern

    H. F. W. Grottendieck.

    H.F.W. Grottendieck
    Alkmaar
    Franz Michael Felder
  • 23. Juli 1868

    Liebes Wible

    Ich bin wieder da und habe eben Uhrenmachers Brief gelesen, der mitgetheilte Umstand verzögert meine Abreise auf ganz erwünschte Art. Ich mache mich nun etwas später auf den Heim­weg und lasse mir auch etwas mehr Zeit, so daß ich am Don­nerstage früh in Bregenz bin. Sind auch einige meiner Freunde als Zeugen dorthin vorgeladen so soll der Uhrenmacher ihnen sagen, daß sie mich im Löwen bei der Seekapelle treffen oder erfragen können.

    Mit Keil ists auf guten Wegen. Ich gehöre wieder der Leipziger Gartenlaube, die bald einen Artikel von mir bringt. Mich freut das. Heut Abends sind wir zu Hirzels geladen. Von Weimar u. meinen Ausflügen werd ich viel zu erzählen wissen. Wenns hier nur nicht immer so furchtbar heiß wäre. Es ist nicht zum Aus­halten bei Tage und Abends fehlt der Schlaf.

    Ich bedaure, daß der Uhrenmacher nicht schrieb, wer außer mir noch vorgeladen ist. Ich freue mich, nun doch mit etwa einem guten Freund im Bregenzerwalde einzuziehen.

    Wenn ihr mir noch etwas zu schreiben habt, wenn ihr mir etwa melden wollt, wer außer mir noch vorgeladen ist, so thut es gleich und adressiert den Brief an Buchhändler Stettner in Lindau, bei dem ich am Mitwoch Abend eintreffe. Schreibt Stettner auch, daß ihr keine Zeit habt zur Abholung und meldet ihm die Zeit meiner Ankunft.

    Wie die Sachen hier stehen war ich ohne den gemeldeten Zwischenfall doch wol nicht so schnell gereist u vielleicht über Obersdorf heim.

    Nun aber ists auch recht. Ich freue mich, euch nächste Woche zu sehen. Gruß und Handschlag allen den eueren

    Franz Michel Es geht gegen Abend, ich eile

     

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Anna Katharina Felder
  • 21. Juli 1868

    Geehrter Herr Felder!

    Es sind schon 14 Tage verflossen seit ich von Ihnen Abschied genommen und das Versprechen gab, nach meiner Ankunft zu schreiben.

    Sie werden schon entschuldigen, das es erst heute erfolgt, denn es war mir unmöglich früher zu schreiben, indem ich zu wenig Zeit hatte.

    Nachdem ich den Brief, von dem ich Ihnen sagte, in Empfang genommen, reißte ich selben Tages um 12 Uhr nach Dresden ab, hielt mich dort anderthalb Tage auf, machte dann nach Berlin und verblieb daselbst 2 Tage. Von Berlin gings über Wittenberg, Halle, Naumburg, Weimar, Erfurt, Gotha, Eisenach, Marburg nach Frank­furt, wo ich den 10ten Abends halb 9 Uhr ankam. Von dort reißte ich den ändern Mittag wieder ab über Darmstadt nach Heidelberg, besuchte daselbst das Schloß und kneipte nacher in sehr angeneh­mer Gesellschaft bis halb 2 Uhr in der Nacht, setzte mich dann wieder auf die Eisenbahn und fuhr über Karlsruh, Rastadt, Straß­burg, Freiburg nach Basel. Hier blieb ich über Nacht & reißte den ändern Tag bis Schaffhausen. Denselben Abend brachte ich noch 2 Stunden bei dem wunderschönen Rheinfall zu. Den 14ten, also den letzten Tag meiner Reise gings über Constanz und auf dem Spiegel des Bodensees nach Rorschach und Au, wo ich Abends 4 Uhr hinkam. Dort wurde ich von Dr. Waibel und noch 2 Turner mit Fuhrwerk abgeholt und herzlich empfangen. Abends 9 Uhr kamen wir in Dornbirn auf der Post an, wo schon cirka 20 Turner auf meine Ankunft warteten, und mich mit dem größten Enthusiasmus begrüßten. Die erste interessante Neuigkeit die ich hörte war, daß der Thurnher schon am 8ten angekommen, und am 12ten zu der Versammlung vom katholischen Casino nach Wolfurt gegangen sei.

    Sie werden sich auch noch erinnern können, wo ich sagte, der Thurnher warte in einem Hotel in Dresden; aber es war keine Spur davon. Als ich hin kam, war der gute Thurnher verschwunden ohne etwas zu hinterlassen.

    Den Gruß und  Brief an  Dr.  Waibel  hab ich den ersten Tag ausgerichtet und abgegeben; Dr. Waibel bedauerte wegen Mangel an Zeit etc. Ihrem Wunsche nicht nachkommen zu können; wird Ihnen vieleicht schon geantwortet haben.

    Auf baldiges Wiedersehn in Schoppernau grüßt Sie achtungsvoll

    Ihr ergebenster Joh. Georg Luger.

    Bitte um gütige Nachsicht in Bezug der Schrift u. orthographischen Anstöße meines Briefes.

    Johann Georg Luger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 20. Juli 1868

    Lieber Seppel

    Von einem Ausflug ins Preußische und auf den Schauplatz der Gustav Adolfschlacht kommend, fand ich Deinen Brief und das war wol das einzige, was Dem Vergnügenssatten noch einen Genuß bringen konnte. Daß Du nicht die Allgemeine Zeitung bestelltest muß ich bedauern. Sonst ist ja alles gut und ich hoffe bei dem erwähnten Feste gegenwärtig zu sein da ich am Freitag abdampfen will. Der Schattendichter soll nur sein Empfangslied beginen, denn wer bloß einmal kann dem ists nun gerathen.

    Du gehst also nicht nach Wien? Kannst Sonabends nicht nach Lindau und nicht gi Bäzouw? Nun vielleicht doch am Montag gegen Abend nach Au und wenn ich nicht komm, am Dienstag wieder, denn am Dienstag denk ich ganz bestimmt zu kommen. Ich werde viel zu erzählen haben und viel Fröhliches, Jeder Tag hier ist mir Gewinn gewesen und besonders hübsch war es, seit für Hildebrand die Ferien begannen, Einzelnes zu schildern behalte ich mir für die Zukunft vor. Es wird sich dann mehr Zeit finden als jetzt obwol ich den Kopf voll Pläne zu neuen Arbeiten herumtrage nur zweifelnd, worauf ich mich werfen soll. Vor allem wird man heuen müssen wie wild, denn die Leute scheinen ohne mich nicht vorwärts zu kommen.

    Nun auch darauf hin freu ich mich wie ich überhaupt viel Heiterkeit mitbringen und unter euch statt einem Kraum verthei­digen werde - wollte schreiben vertheilen, aber so gehts, wenn man nebenbei plaudert. Niemand kann zwei Herrn dienen. Das wird auch das Dökterle merken. Laß mir Martins Schneider grüßen und sag ihm ich hätte seinen Brief erhalten, und mich sehr darüber gefreut. Auch Oberhausers grüße mir und bestättige den Empfang von Kaspars Brief. Ich würde ihm auch schreiben, doch heut ists Nacht, Morgen gehts nach Weimar und hernach habe ich mit Packen und Abschiednehmen zu [tun]. Das Abreißen aller Fäden hat etwas ungemein Peinliches, doch ich blicke nach Süden, wo euere Heimat liegt und rufe euch ein frohes Grüß Gott entgegen, euch allen, die treu zu mir standen in guten und bösen Tagen. Gut Heil, bisher ists immer beser geworden und wir sind doch keine Greise -

    Es grüßt Dich und meinen ganzen Kreis, auch meinen Heuer und Dein Weib und die Schwester, Oberhausers, Bierars Brauas, Vorsteher, Baltas Michales, Mühles, Schlossers im Bad, alle alle und Dich selbst grüßt 999 Mal Dein

    Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Johann Josef Felder
  • 20. Juli 1868

    Liebes Wible!

    Ich bin immer noch in Leipzig und immer noch gern, wie furcht­bar auch hier die Hitze sein mag. Morgen verreise ich, aber nicht heim, sondern als guter Katholik mache ich eine Wallfahrt gen Westen - nach Weimar zu. Köhler, den Du in meinem Album fin­dest hat mich eingeladen. Bin ich wieder von da zurück und fallt nichts besonderes ein, so bin ich Freitags um 8 Uhr früh schon in Reichenbach 2 Uhr Eger 6 Uhr in Regensburg, 10 Uhr Abends in München. Samstags gehts gen Lindau und am Montag oder Dienstag bin ich Abends daheim bei Dir und den Unsrigen. Wärst Du oder wäre der Uhrenmacher am Samstag in Lindau so könntet ihr um 11 Uhr Nachts mich vom Bahnhof holen, doch ich höre, daß ihr mit Heuen noch nicht weit seid. Wartet nur bis ich komme, dann muß es gehen. Auch hieher ist mir das schöne Wetter nachgekommen, so daß ich ausgehen und ausfahren konnte. Gestern war ich mit Thieme, der mich von früh 5 bis Abends zehn Uhr mit Aufmerksamkeiten erfreute, wie es nur der reiche liebenswürdige Leipziger kann. Heute war ich bei Keil. Erst klopfte ich im Gartenlaubenschloß mit einem Schreiben an. Als Antwort kam ein Herein zurück und nun, drei Tage später bin ich dort gewesen. Keil selbst war nicht da, den treffe ich also erst vor der Abreise und er muß und wird ein entscheidendes Wort spre­chen.

    Hoffentlich läßt sich wieder ein ziemlich gutes Verhältniß her­stellen. Ich werde mich um so mehr bemühen, da es mit der Grazer Gartenlaube bald alle sein dürfte, sie auch schlecht und gar nicht bezahlt. Mein Patriotismus hat auch seine Gränzen.

    Von Groten Dick dem Übersetzer hab ich noch immer keine Antwort. Er scheint nicht daheim zu sein, wie ich und alle berühmten Leute. Nur Hirzel ist seit 10 Tagen da. Sonnabends speißte der ganze Club bei Dr Flügel. Nur Dr Meißner, der Artzt war nicht mit, denn der ist jetzt, seit die Blattern herrschen, ein gesuchter Mann. Er hat auch uns den Antrag gemacht uns wie viele Erwachsene zu impfen. Gestorben sind allerdings nur 40 Personen, was für Leipzig nicht viel heißt, aber vielen wird es bei der Hitze doch unheimlich.

    Um mich ängstige Dich nicht. Ich bin, wenns geht, wie ich rechne am Dienstag Abends daheim und sehe nach, wie ihr mit dem Saufleisch dran seid und wie unterdessen der Martinus gewachsen ist. Das Passionsspiel wandert herum, aber das Kohlerle soll nicht sorgen. Es ist in Händen die mit Büchern umzugehen wissen, wie mit Heiligenschmalz. Ich bring es wol noch nicht mit da meine Tasche sonst voll werden dürfte. Wenn ich am Dienstag noch nicht komm, so kommt bald ein Brief und meldet etwas, das ich jetzt selbst nicht weiß, nämlich einen Grund zur Verzögerung. Hildebrand will mich noch da behalten sonst war ich schon daheim. Wenns am besten geht, sollte man aufhören. Ich wills jetzt auch und schließen. Es grüßt Dich die Mutter und alle Dein

    Franz Michel Felder Die Beilage an den Uhrenmacher

     

    Nachschrift

    Das vom Bothen geforderte Rezepisse hab ich unterzeichnet an Ort und Stelle abgegeben Laß es ihm gleich sagen daß er keine Sorgen machen.

    Die Motette hab ich eben besucht. Es war wieder was Göttliches, Wenn Du mir schreibst, so thu es gleich, Später weiß ich nicht wo ich bin. Melde auch, wie es dem Uhrenmacher gieng wenn der keine eigene Tinte hat oder schenk ihm lieber einen Bogen zum Schreiben da er doch nicht heuen muß.

    Wenn mir jemand nachfragt so laß mir den grüßen.Vom Schnei­der erwarte ich einen Brief. Es ist hier sehr heiß und wenns bei euch so war, müßte das Heu bald dürr werden.

    Also Morgen gehts wieder über die Gränze. Ich werde davon melden und dan auch die Zeit meiner Rückkehr angeben können. Hirzel ist wieder da.

    Lebe wol

    Dein

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Anna Katharina Felder
  • 20. Juli 1868

    [...]Ich werde viel zu erzählen haben und viel Fröhliches. Jeder Tag hier ist ein Gewinn gewesen und besonders hübsch war es, seit für Hildebrand die Ferien begonnen. Einzelnes zu schildern behalte ich mir für die Zukunft vor. Es wird sich dann eher Zeit finden als jetz allweil, wo ich den Kopf voll Pläne zu neuen Arbeiten herumtrage, nur zweifelnd, worauf ich mich werfen soll. Vor allem wird man heuen müssen wie wild, denn die Leute scheinen ohne mich nicht vorwärts zu kommen. - Nun auch darauf freue ich mich, wie ich überhaupt viel Heiterkeit mitbringen und unter euch statt einem Kraum verteidigen (wollte schreiben: verteilen) werde, aber so geht's, wenn man nebenbei plaudert. Morgen geht's nach Weimar und hernach habe ich mit Packen und Abschiednehmen zu tun. Das Abreißen aller Fäden hat etwas ungemein Peinliches, doch ich blicke nach Süden, wo meine Heimat liegt und rufe euch allen ein frohes Grüß Gott entgegen. [...]

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Johann Josef Felder
  • 17. Juli 1868

    Lieber Feuerstein!

    Hier sende ich Ihnen den Brief meines Mannes wieder zurück, u. danke Ihnen zugleich für die Mühe, Güte u. Freundlichkeit. Er intreßirte mich wirklich, obwohl ich die erwähnten zwei Schreiben der Nachschrift, auch ähnlichen Inhalts, richtig erhalten habe, u. mich mit der Antwort des ersteren deßhalb verspätete, weil eben das Paket mit dem Passionsspiel bei dem akuraten Bothen in Au, Hinderniße machte. Vorgestern erhielt ich den dritten Brief, worin er den Empfang des ersehnten bestättiget. Auch schrieb er vieles von Tagen, wo jeder ein Fest jeder anders gefeiert, u. hiemit ganz unbemerkt hinschwinde, nurdaß ihn jeder reicher mache. Es ist mir recht lieb, u. ich wünschte, das er das großstädtische Leben von recht vielen Seiten kennen lernte, auch seine Schattenseiten, was ich in Ihrem Schreiben mehr als in dem meinigen bemerkte. Den Tag seines Kommens wußte er nicht bestimmt anzugeben, doch jedenfalls diesen Monat. Mit Gruß an Sie und Ihre Frau

    Anna Katharina Felder

    Anna Katharina Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 16. Juli 1868

    Werthester Vetter Michel!

    Endlich nun sitzeich beim Papir mit der Feder bewafnet, um mit Dir lieber Michel zu plaudern, schon längst hätte ich gerne mit Dir geplaudert, aber! aber! Du kennst ja auch meine Trägheit welche nirgends einen so hohen Grad erreicht als gerade in Briefschreiben. Seit Deiner Abreise nun hat sich bei uns allerlei zugetragen, Menschen ja Verwante sind aus dem großen All entstanden u. verschwunden, was Du aber schon wissen wirst. Auch wirst Du wissen, daß in Au einer jener Grundpfeiler erbaut wurde, worauf Bildung u. Freiheit u. Recht ruhen sollen. Doch man hat dem Ding hier einen ändern Namen gegeben u. es klingt dem von Freiheit u. Recht schon beinahe abgestorbenen Landmann ja vil besser wenn es Katholisch Constitutionelles Kasino genannt wird, denn dadurch ergreift er den Balcken nach welchem der Schiffbrüchige ringt, ohne ihn nur gesehen zu haben. Übrigens glaube ich hat Dir K. Oberhauser davon geschriben. Am 8ten d.M. Endlich spilte sich jenes blutige Drama vom 12 Jänner in Feldkirch ab. Herrliche Begriffe erhilt ich dabei von unser alhöchstseligen Justizpflege, ein verbissener Ultramontaner vertheitigte den Knecht auf eine so Erbärmliche Art, wie ich noch nie in Erfahrung brachte, seine Hauptaufgabe schien es, wahr nichts anders als Dich u. Mich im Schwärzesten Lichte zu zeichnen. Er erhob seine hole stimme u. Schrie Die ganze Geschichte scheint durch die Inflüence des F. M. Felder hintertriben worden zu sein. Die gesetzlichen Schrancken wurden übertretten u. das Bezirksgericht] als incompetent erklärt. Der Statsanwalt wiederlegte jedoch diese Kühne auffaßung sehr glänzend. Als Milderungsgründe hob (dieses Kasino Mindle) hervor wie ein jugentliches Katholisches Gemüth wahrhaftig aufbraussen müße, wenn es höre die Gesalbten des Herrn die Bischöfe Lügen zu Strafen.

    Das Drama endete mit Wüstner der Knecht wird zu 6 Wochen Arrest zu den Gerichtskosten u. den Schadenersatz Kosten veruhr­theilt. Amen. Ich meldete Berufung an gegen das Uhrtheil u. Dr. Jussel verfaßt mir den Berufungs Protest welcher heute 12 Uhr dem Kreisgericht vorgelegt sein wird. Ich besuchte auch H. Stockmaier Pfarrer u. fand in Ihm einen sehr fröhlichen u. wackern Geistlichen, auch erhielt ich von Ihm den Auftrag Dir eine Philippika in Seinem Nahmen theilhaftig werden zu lassen, denn er hat durch Dr. Amman in Erfahrung gebracht daß Du letz[t]en Winter in Feldkirch warst, ohne bei Ihm Einzukehren, was in sehr beleidigte. Er bittet Dich das nächste mahl an seinem Hause nicht vorüberzugehen wie ein Dagdieb. Auch einen schönen Gruß von Kaspar Moosbrug. in Bludenz. Das währe nun die Hauptsache. Übrigens haben wir fortwärend Regen u. Hirtenbriefe, immer Theures Fleisch u. Brot u. kein Geld in der Staatskassa bereits so vill in der Taschen. Ob ich nach Wien gehe od. nicht kann ich noch nicht bestimmt sagen. Ich glaube zu Hause gibt es dann auch Feste, wenn doch nicht geschossen wird. Auch lebe ich in einer Erbarmungsvollen Zei­tungslosen Zeit. Der Staatsbürger auf den ich abonirte hat das Zeitliche gesegnet. Heute jedoch gehe ich noch nach Au u. werde einige Bancknoten auf den Altar legen, wofon die ohnehin schon Mageren Corespondenten leben.

    Dein Wible hat gestern abends einen Brif von Dir erhalten u. freut sich sehr, das Du Dich wohl befindest. Es läßt Dich schön grüssen. Nach Lindau wird es wahrscheinlich nicht kommen, denn das Heuen geht Erbärmlich schlecht, u. sollte es so fortdauern so wird es noch Monathe lang nicht fertig.

    In Erwartung bald mit Dir persönlich zu plaudern grüßt Dich u. Hr. Hildebrand villmahl

    Felder

    Johann Josef Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 13. Juli 1868

    Verehrtester Herr!

    Es macht micht recht glücklich, daß ich Ihnen nach dem Schreiben, welches Sie an meinen verehrten Freund Dr Hildebrand richteten, nicht mehr ganz fremd bin. Die freundliche Aufmerksamkeit, welche Sie meiner Erzählung „Sonderlinge" schenkten, macht mich doppelt glücklich, weil Sie durch Ihr Vorhaben gleichsam da droben im hohen Norden dem Vorarlberger im äußersten Südwe­sten die Hand reichen. Ich bath auch meinen verehrten Freund, Ihnen sofort zu antworten und hoffe, daß das Schreiben sammt Beilage auch richtig bei Ihnen eingieng.

    Dennoch wage ich mich brieflich an Sie zu wenden mit der Frage ob alles richtig ankam und - wie bald etwa die Übersetzung erscheinen dürfte von der ich mir doch auch ein Paar Exemplare erbitten möchte. Ich bin seit 14 Tagen hier in Leipzig bei meinem verehrten Freund und lese die ersten Bogen eines neuen Romans „Reich und Arm" der im Herbst erscheinen wird und den ich Ihrer freundlichen Beachtung empfehlen möchte. Eine Antwort hoffend verbleibe ich mit aller

    Hochachtung

    Ihr ergebenster

    Franz Michael Felder

    bei Dr Hildebrand

    Windmühlenstrasse 29.

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    H.F. W. Grottendieck
  • 13. Juli 1868

    Lieber Freund!

    Dank für Deinen herzlichen Wunsch und Deine Mitteilungen; ich habe das Schreiben heute gelesen, da ich gestern abends 12 Uhr erst von Thüringen kam, wo ich recht frohe Stunden erlebte. Dr. Grotteck findet meinen Gesundheitszustand er­wünscht, lobt die Wirkung unseres Bades „heandom Baa" und empfiehlt es mir mit Vorsicht und Mäßigung. Ich tagte mit der Vogelweide auf der Wartburg und in Kosen. Ich legte unser Passionsspiel vor, welches man in einer Hinsicht inter­essant fand. Es wurde über das Wesen deutscher Sprache und den Stand der Wissenschaft verhandelt, wobei ich An­regungen verschiedener Weise gewann. Übrigens ist die Teilung der Arbeit und sind ihre Folgen auch in diesen Kreisen zu empfinden. Über die Sonderlinge hab ich bedeutende Urteile gehört. Koberstein sprach von dem Buch in günstigster Weise und ist, wie manche, auf die neue Arbeit sehr begierig.

    Der Druck des letzteren schreitet so ziemlich rasch vor. Ich werde vielleicht den ersten Teil mitbringen können. Ich bleibe diese Woche jedenfalls noch hier, denke aber Sonntag, den 26. Juli, in Lindau zu sein, um doch den Schlosser in Friedrichshafen persönlich kennen [zu lernen], der nach Lindau zu kommen versprach, sobald ich dort einmal an einem Sonntage zu treffen sei. Thurnher und Luger sind vor 8 Tagen abgereist, nachdem sie sich vorher entzweit hatten. O Vaterland!! Sie gingen nicht einmal mehr mitsammen fort. Thurnhers Berichte sind aus Baedeker, und ich weiß nicht, was sie im Volksblatt sollen. Die mir zurückgelassenen Nummern werden in meinen Kreisen fleißig gelesen, und man wird staunen, Dich als Mitarbeiter? dieses Blattes zu sehen. Bisher sind Deine Gesichtspunkte etc. noch nicht da, ich denke, daher auch diesen Brief noch nicht zu schließen, sondern bloß ein freies Stündchen mit Dir zu verplaudern. Dabei komme ich am liebsten auf mich selbst. Meine Lage dürfte sich nun doch bald etwas ändern. Es soll nämlich, da es mit der Vorarlberger Sammlung seit Pfeiffers Tode - die Stelle ist nun durch einen Freund Hildebrands besetzt - nichts mehr sein wird, so will man sich von hier aus mit einem Gesuch an den Schillerverein wenden, welches durch 6 Unter­schriften, wie die des Professors Koberstein, Gewicht be­kommen soll. Hildebrand hält den Erfolg für sicher. Im Herbste, nach dem Erscheinen von ,Reich und Arm' soll es losgehen. Auch Hildebrand erwartet, bis dahin seine Würfel fallen zu sehen. Hoffen wir das Beste. Hier arbeite ich eigent­lich nichts, beginne jedoch wieder allerlei Pläne zu machen. Daß ich fürs Volksblatt augenblicklich keine Berichte schreibe, obwohl ich ernstlich daran dachte, versteht sich wohl von selbst. Ich will abwarten, was unser heimatliches Partei­leben auskocht, und mich indessen so viel als möglich mit neutralen Dingen beschäftigen. Freilich kann ,Reich und Arm' einen neuen Sturm erregen, aber dann weiß ich doch, was ich zu tun habe. Wenn Du mich in Lindau treffen willst, so fahre am Samstag dorthin. Abends bringt mich der Dampf­wagen von München, wo ich am Freitag im Stachus über­nachte.

    Von Hause hab ich endlich Nachricht erhalten. Ich wartete mit Schmerzen darauf, denn ich denke viel dorthin und nach Vorarlberg. Die Einsamkeit jener Berge und ein eigenes Heim sind Wohltaten, die man erst schätzen kann, wenn man sie entbehrt hat. Man ist viel mutiger, wo man einen Wirkungs­kreis hat, den man übersieht. Daher wohl hier die vielen Klassengesellschaften, die aber leicht auch einseitig machen können. Dem Münzenhändler Thieme hier hab ich, da ich über den Wert Deiner Sammlung mir kein Urteil erlaubte, Deine Adresse gegeben. Unsere Stickerei hat hier Beifall gefunden. Ich gab sie an eine einflußreiche Dame und hoffe, noch vor der Abreise zu erfahren, ob aus meinem Plan etwas werden kann. Von Freuden und Festlichkeiten hätt ich viel zu berichten, mehr noch als im letzten Jahr. Auf der Polizei bekam ich eine Aufenthaltskarte, ohne daß ich den Paß vorzeigen mußte. Bekannte finde ich immer wieder und immer neue, nur aufs Land und unters „Volk" komme ich eigentlich zu wenig. Das soll noch anders werden. Vielleicht gelingt es mir doch noch, das verschlossene Wesen der Bauern zu überwinden, die jeden mißtrauisch ansehen, der aus der Stadt kommt.

    15. Juli

    Gartenlaube und Gesichtspunkte sind nun da. Letztere hab ich Freund Hildebrand gegeben. Doch der ist augenblicklich so mit Arbeiten verschiedenster Art überladen, daß er vor dem Freitag schwerlich ans Lesen kommt. Übrigens gab der Artikel schon Veranlassung zu einem kleinen Disput, bei dem ich die Gesinnungen und Ansichten zutage kommen ließ. Mehr später! Mayers Fotografien gefallen hier besser sogar als die Leipziger, und es wäre mir lieb, wenn Du mir mit dem nächsten Brief noch einige schicktest. Ich glaube, Mayer wird sich durch meine Bitte geschmeichelt fühlen. Wenn Lorenz Mayer von Wien kommt, so laß ihn mir grüßen, er möge mich doch einmal mit einem Besuch in Schoppernau erfreuen. Von ,Reich und Arm' lese ich eben den 6. Bogen. Der Druck ward verzögert, weil ich das Manuskript noch einmal aus der Druckerei holte. Ich glaube, die Arbeit werde Dich freuen. Auf mich wenigstens macht das Gelesene einen sehr guten Eindruck. Bemerken muß ich Dir noch, daß in der Be­sprechung der Sonderlinge von Gottschall auch Klausmelker gewürdigt worden ist.

    Ich besuche die Vorlesungen über Literatur von Minkwitz - Stinkwitz - wenn auch nur, mich über ihn zu ärgern. Es ist schändlich, was dieser Platenide - wie er sich in der Allge­meinen Zeitung vom letzten Montag selbst nennt - für Unsinn und Hochmut zutage fördert. Das werde ich - der Bauer ­einmal geißeln, denn ich achte unsere Literatur und kann es nicht leiden, daß so von ihr geredet wird. Warte nur, bis ich einmal dazu komme, meine Reise zu beschreiben.

    Dr. Pritsche will meine Sonderlinge in der evangelischen Kirchenzeitung besprechen. Die hiesigen Theologen sind mit dem Buche sehr zufrieden. Was sagen denn unsere? Walther, Thurnher u. a. m.?

    Der Ausgang  der Stiefelgeschichte  hat  mich   unangenehm überrascht. Soll denn Felder nicht entschädigt werden? Eben hat Hirzel mich besucht und mir gesagt, daß die neue Erzählung in einem Band erscheine, da sie denn doch kleiner als die frühere sei. Das glaubte ich nicht, aber es ist richtig.

    Ich kehre übrigens nicht ungern wieder in die Berge zurück. Freilich müßte es nicht eben das enge Schoppernau sein. Wenn Du mich noch mit einem Brief erfreust, was ich hoffe und wünsche, so tu es doch, daß der Brief wenigstens bis nächsten Mittwoch hier ist. Grüß mir Bickel und A. Gaßner. Es schadet auch nichts, wenn etwas von der holländischen Übersetzung bekannt wird. Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

    Franz M. Felder

    Leipzig, den 23. Juli [1868]

    Lieber Freund!

    Von Weimar kaum daheim, kommt die Meldung von daheim, daß ich mich am Donnerstag, den 30. d. Ms., zur Verhandlung über die Wahlstörung  in   Bregenz  einzufinden  habe.   Das verzögert meine Abreise auf erwünschte Weise. Ich bin nun nicht am  Sonntag  in   Lindau,  sondern  am   Donnerstag  in Bregenz zu treffen, wenn Du das willst. Uhrenmachers Mitteilung ist übrigens so ungenau, daß ich nicht weiß, was man mit mir will. Mehr zu schreiben, fehlt mir Zeit.

    Lebe wohl,

    Dein Freund                                                                 

    Felder.

     

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Kaspar Moosbrugger
  • 13. Juli 1868

    Lieber Freund!

    Dein Schreiben habe ich heute weiter an Dein Wible durch die Post gesendet, u. ich erfülle hiemit Deinen Wunsch Dir sogleich zu antworten; ob es mir gelingen wird Dir interessante Neuigkeiten mitzutheilen oder ob ich Dir vielleicht gerade von jenem erzählen werde, was Dich am wenigsten interessirtdas ist freilich eine Frage; aber meine Aufgabe habe ich jedenfalls gelöst. Das erste oder vielmehr von was man bei uns immer am meisten spricht ist immer das Wetter nur das ist zum Heuen verteufelt schlecht, kaum hat man gezettet so erscheinen wieder am Hang u. auf der Loose drohende Wolken, u. mit aller Eile muß man wieder ans aufheuen; Ja Du bist ein ganz glücklicher Mensch, daß Du Dich dieser Würgerei durch einen kühnen Zug entzogen. - Aber zu gleicher Zeit hast Du auch nicht Gelegenheit die Vorträge bei Entwerfung der Statuten für den katholischen Verein in Au zu hören, während Dein Vet[t]er der Uhrenmacher hiezu herrliche Gelegenheit hat. Aber es ist eben ein kurzer Genuß, denn in Zukunft wird er denselben entbehren müssen, da er als Mitglied aufgenommen zu werden nicht für würdig befunden werden wird. Über die nähern Vorgänge wirst Du von Uhrenmacher bereits Bericht erfahren haben.

    In Bezau wurde vom Hochw. Herrn Pfarrer die Bildung eines Kassinos in Antrag gebracht, eines echt katholisch konstitutionel­len, bei welchem nur katholische Grundsätze zur Sprache kommen dürfen, u. unter katholisch verstehe man alles das wie es der Papst in Rom auslege und verstehe. /:Unterwerfung und Anerkennung der Allokution.:/

    Herr Pfarrer hielt beim Gemeindevorsteher und den bessern Bür­gern Nachfrage, fand aber für seinen Vorschlag wenig Beistim­mung, und erhielt zur Antwort man wolle sich wenigstens in politischer Beziehung nicht von Rom abhängig machen. Nun unterbleibt die Gründung des Cassinos in Bezau vorläufig. - Ueber das Vereinswesen will ich keine weitläufigeren Auseinanderset­zungen machen Du kennst meine Ansichten hierüber, daß ich es als Fortbildung der Schule betrachte wenn es vernünftig geleitet, u. nicht von gewissen Partheien ausgebeutet wird. Aber etwas eine interessante Neuigkeit muß ich Dir noch mittheilen. Der Herr Bezirksvörster Koderle ist vom Katholischen Kassino in Egg eingela­den worden als Gast eine Rede über Forstkultur zu halten, da die Herren eingestehen, sie verstehen in dieser Sache eigentlich nichts, - u. Herr Bezirksförst. hat Lust diesem Rufe Folge zu leisten da er dem angenehmen Gefühl zu glänzen, u. wie er sagt der Pflicht seines Amtes nachzukommen nicht wiederstehen kann. Ueber Deinen Vorschlag auf der Rückreise in München zusammen zu treffen, kann ich Dir vorläufig leider keine bestimmte Auskunft ertheilen, so angenehm mir dieß gewesen wäre; denn mit mir reißt noch Kaufmann von Bezau u. Metzler von Schwarzenberg, u. da bin ich nicht mehr vollkommen frey, sondern muß mich von meinen Reisekolegen auch bestimmen lassen, das ist eben das Traurige das die Freiheit eigentlich nur im Reiche der Ideen liegt. Mit herzlichem Gruß

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Wenn Du mir nach Wien noch schreibst so ist meine Adreß: J. Feuerstein bei Dr. Andreas Fetz k. k. Hof u. Gerichts=Advokat Stadt

    Wipplingerstraße

    in Wien

    Am 20sten reisen wir ab und werden uns wahrscheinlich  in München, Salzburg und Linz aufhalten u. 24. in Wien ankommen u. bis 30sten dort bleiben. Vielleicht werde ich Dir von Wien noch einmal schreiben.

    Johann Josef Felder
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 12. Juli 1868

    Liebes Mindle!

    Auf Dein liebes Schreiben vom 6 d. will ich nun gleich antworten, damit Du nicht so lange, wie das letzte Mal zu warten brauchst, denn ich hoffe daß es diesmal keine Schwierigkeiten mehr gebe, wie mit dem Paket, das noch anders gepackt u. gesiegelt, mit Frachtbrief u. weiß nicht mit was allem noch begleitet werden mußte. Wenn der Herr Both sich noch die Mühe genommen, u. die Beilage von Brief gelesen, gelesen als fünftes Ausschußmitglied des Cassinos nebst 3 Geistlichen Räthen u. dem Doktor? Dumme Geschichte, die mich einige Minuten beunruhigte. Nun so sollen [...] wissen wie mein [...].Heute, während Du in Kößen Tafeltest, sitzen wir u. das Kohlerle wirklich um den Saufleisch bedeckten Tisch, u. das Kohlerle sagt daß es die nächsten 3 Tage noch daheim zu heuen habe, somit ich u. derSprengerallein nicht rasch vorwärts kommen werden, zumal das Wetter zum Wachsen recht gut, zum Heuen aber Wilarlidig ist, u. während ich schreibe, beeilen sich die aus der Kirche kommenden, daß Gestern zum Theil Dürre, durch­näßte Heu zu troknen, u. unterzubringen. Ich kann daher an eine Holungs- u. Erholungsreise nach Lindau nicht denken, wie lieb es mir auch wäre einerseits. Auch ein Fußmarsch in einem Tage nach Lindau wäre mir zu stark, u. Feuerstein, wie auch Stettner wäre, mir alleine fremd. Das Ale mit dem Mickledem Kasper ist nach Gräsalp der Base Serafim die Fünfe zu bethen, sie ist nach lange anhalten­den unaufhörlichen Schmerzen gestern gestorben. Morgen wird sie beerdiget. Und heute hat man dem Christian dem Bräuer ein unreifes kaum Lebensfähiges Kind begraben, die Mutter jedoch ist recht munter. Jakob überbrachte dem Schneider gestern den über­aus gemüthlichen Brief, der zeugt von Gesundheit Leibs u. der Seele, was mich sehr freut. Auch wir sind gesund u. wohl ausge­nommen die Mutter. Sie ist auch nicht krank, es ist nur das Alter, das jeden neuen Tag neue Plage hat. Dein Kommen ist näher als ichs mir dachte, u. ich wäre recht glücklich Dich bald wieder hier zu wissen, wenn ich nicht nebenbei ein wenig befürchtete, das Dich, den unverwöhnten, die Leipziger u. das Leipziger Leben verwöhnt, daß Du an unserem ewigen Einerlei Elend, wie Du es nennst, gar keinen Geschmack mehr findest? Doch Du wirst Dich als Mann wieder in die Verhältnisse zu schicken u. zu finden wissen, denn naturgemäß ist man nach kräftig genossener Speise u. Trank wieder aufgelegt zu Arbeit zur That. Wir haben Arbeit u. somit auch keine lange Zeit, u. immer wieder eine Freude, wenn dieses Stück gemäht, jenes dürr ist, u. der Regen uns nichts erwüscht. Der Kaspar u. Jakob treten die Fuder, mugen u. erst dann recht wenn ich ihnen sage, das ichs dem Vater schreibe, sie fragen sogar bei jeder vermeintlich guten That: Mutter Schreibsts? Ich sage ihnen das dieses u. jenes der Vater gethan, gesagt, frage sie ob sie wohl Dein Kommen erfreue? Es wird mir ganz eigen wohl bei dieser Unterhaltung. Übrigens fühle ich mich ganz behaglich als Seele der Haushaltung, oder als solche, der auf dem Wege von Bad nach Hopfreben Himmel u. Erde übergeben wurde. Ich wäre so gerne etwas! Kein Zustand ist mir peinlicher als nichts sein können nichts sein dürfen? Und der Sprenger ist mir nur zuweilen deßhalb zuwieder, weil er eigentlich doch gar nichts ist u. nichts will.

    Die Theresie hat endlich von Dornbirn geschrieben, das ihr gut, aber auch schlecht ergangen sei. Sie Dient beim Fabrikant Salz­mann hat guten Dienst wo man sie alles ordentlich lehrt; aber wieder ihr Unstern! Ein sehr böser Arm machte sie 4 Wochen arbeitsunfähig band sie an Doktor u. Apotheke. Zwar ist es wieder auf besserungswege, aber doch auf der Waage ob es sie nicht den Dienst kostet. Von dem Gesang Verein u. seiner Herrlichkeit wirst Du im Volksblatt gelesen haben. Der Anton Ruf ist in Schützenuni­form nach Wien, er wird sich ein Gewinnst holen wollen? Denkst Du nicht nach Wien? Heute habe man in der Kirche einen langen Hirtenbrief über Civilehe vorgelesen, von den Eindrücken, den er auf die Gemüther gemacht, habe ich noch nichts gehört. Es ist überall Ruhe Friede über Schoppernau ausgebreitet. Lebe wohl u. glücklich und geniße auch für mich u. für den Winter, u. grüße mir Hildebranden seine Luise Kinder u. alle, ich danke ihnen für alles gute u. liebe das sie erwiesen, grüße mir alle die mich grüßen liesen. Es grüßt Dich herzlich Dein Wible u. Deine Kinder

    Anna Katharina

    Anna Katharina Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 12. Juli 1868

    Lieber Schwager,

    Dein boetisches Schreiben hat mich sehr erfreut u. noch mehr Freude würde ich haben wenn ich eine zeit bei Dir, in Deinem irdischen Himmel viel intreßantes sehen u. erleben könnte. Lieber Schwager wann Du einmahl von uns verreist bist, da war es im Hopfreben fad öd u. still. So manchen Tag haben wir Dich auf Deiner Reiße gesucht, u. Dich begleitet bies zeandorast i Leibzig iehe. Zur erbauung im Baad ist uns ein Paater von Bregenz gekommen, auch mit einem bößen Fuß. Er war vor einigen Jahren auch drin. Da hat das schön singen u. glepl reden ein End. Der Peter geselt sich gut zum Kapazinorden. Er war manche Stunden bei Ihm auf seinem Zimmer, wo ich herentgegen mit Maria manch lustigen Jux gehabt, den Dir Maria gewis mündlich erzählen wird. Die Harmoni hat der Meußburger nach Schnepfau. Er hat Sie uns den letzten Tag als Kaspar hir war noch zum ausspielen gegeben, u. das Schnepfouar Huon zütze wieder sealb. Am Samstag vor Peterstag ist Kaspar mit seiner Vammile nach Krumbach. Ich habe Sie bies dorthien begleitet. Da ist auf Krumbach ein Mates Fest gewesen, da ist Babel u. Modol u. Modele, unsere Geschwister alle zusammen gekommen bis der Bub u. Mates Stump. Achd Tag nach Peterstag ist Kaspar abgereißt. Zwei von uns haben Ihn begleitet bies an Lech, am Lech hat Er ein Vurwerk u. ist nach Stuben gefahren mit Weib, Kind, einem großartigen Gsigleib zirka 30 [M] Butter geschenkter Schaufwollo, mit am Stuck, das ma Bekles Tunes Modla huo­gschlago heat. Wie dear Zug alla huo kuo ist kador i koa uskumpft gio. Am Peterstag bin ich wider Retur ins Baad, da waren Nachmit­tag viel Leut, gerade die Stube voll, wenn 2 mer gewesen, häteman auf die Kammer zum Pater u. Peter müßen. So hat das Bublekum den undern Stok. Da wurde schön gesungen, aber von danzen war keine Rede. Um 6 Uhr war ich nach Hopfreben zu Jauko Marile ga über Nat sin. Und am Dinsttag bin ich heraus mit Leuten zum Heuen. Das war verhäxot zum heuen Du würdest doch ou lacho wia die Büro al Tag sähest sä grüßele springe. Um halbe 3 faut als a springo äs wio verrukt. Dau head i am frist i spring nio u. win äs schu altag scheucht. Den Peter hat man am letzten Mitwoch auf einem Pferd aus dem Bad gebracht, u. gegenwärtig ist Er ganz im Bet. Der Fuß ist Ihm wieder aufgebrochen es thut merkwirdig Eittern. Das Auer Dökterle spricht aus der Fuß müße abgestoßen werden.

    Aber auf das Gütterlemendle kann man nicht gehen. Denn das ist jetz im sprung es weist nicht ist es im Zipfel, oder im Sak. Es arbeitet fest darauf, wil sich einen unsterblichen Nammen erwerben. Es wil zwei Verein bilden in der schnelikeit. Wie es Dir bekant mit dem Katolischen Kaßina, über welches Dir der Körler beßer ausschlus geben kann als ich, ferner wil Es einen Krämerverein bilden das in der Gemeinde nur ein Krämer sein soll, u. die Wahren ganz bilich geben muß. Wie hoch dieses Mendle den Kopf trag solst Du gegenwärtig sehen. Beinahe alle tage lauf es durch unser Dorf. Aber bei n Mates Hüto u. Beters Stütze da läßt es den Stutzkopf ein wenig sinken. Antwort: Denn auf uns hat es ein neuen Zahn denn gute Leute haben Ihm zugetragen wie Du wohl weist, was wir im Bad über Ihn gesagt. Den letzten Tag als der Peter noch im Bad war, sei Es Fuchswild angekommen; da hab es die Maria gerufen u. habe gesagt; Es habe ein Mann zu Ihm gesagt, man habe da herinnen über Ihn loos gezogen, Sie solle Ihm sagen welches die bößten gewesen, die wolt es kanelen.

    Die Maria habe gesagt Sie habe nichts gehört was man denn soll gesagt haben. Ja man habe Ihm Güterle Mendle, u. neues Studeum zum Tittel gegeben. Und sollte Sie durchaus nicht le[i]den: Wofern es vernehme das über Ihn dahir geschimpft werde, u. Sie es nicht verteidige, So werde Es niemahls kommen u. die Bazenten besu­chen, u. Ihnen keine Kurgast mehr schiken. Ich wünsche das Dich, meine Sudlere in beßter Gesundheit antrefe. Und verbleibe Dein Dich unvergeßlicher.

    Schneider Josef Pius Moosb.

    Josef Pius Moosbrugger
    Au
    Franz Michael Felder
  • 12. Juli 1868

    Lieber Freund!

    Deinen Brief vom 6ten d. hab ich gelesen, u. daraus ersehen, daß Du Dich in Leipzig sehr wohl befindest, was mich u. alle Unsrigen von Herzen freut. Wie es scheint bist Du im Geiste auch beim Heuen, aber das geht nicht so gut als Du Dir einbildest, es Regnet alle Nachmittage wenn man das Dürre aufnehmen sollte, da erwüscht es uns dann daß es eine Art hat. Du schreibst, Du müssest in Leipzig viel von den Bregenzerwäldern erzählen. Das scheint mir doch eine Ähnlichkeit mit jener Anektode von den 2 Wäldern im herrschaftlichen Stalle zu haben. Das von den Geistlichen in Au ein Katholisches Kasino gegründet wird, weist Du schon, doch könnte Dier etwas näheres intreßant sein, heute vor 14 Tagen wahr nähmlich die erste Zusammenkunft in der Krone in Au, ich u. Koarado Bub sind auch hinunter um zu sehen wie es da zugeht. Da wahren am „Ministertisch" die 3 Geistlichen von Au Dr. Dünzer u. der Vorsteher von Au als anregende u. leitende Personen gegen­wärtig. DerPfr. Birnbaumer hielteine lange Anrede andieziemlich zahlreiche Versammlung, in welcher er die Nützlichkeit, ja die Notwendigkeit, des zu gründenden Vereins klar u. überzeugend darstelle. Das Program ist gesellige u. bildende Unterhaltung, wissenschaftliche Vorträge gemeinschaftliche Zeitungen zu halten u. eine gemeinsame Bibliotek zu gründen, u. als letzten Endzwek ließ er deutlich heraus leuchten, daß die Kasinobrüder, unter der Fahne des Konservatismus auf dem Wahlfelde, gegen den Liebera­lismuß zu kämpfen haben. In dieser Rede sagte der Pfr. viel Zutreffendes von der Notwendigkeit der Volksbildung u.s.w. Aber die Lieberalen überhaupt nannte er Ante=Katholiken u. den Lieberalismus Ante=Christentum, da kann man sich denken was das für Folgen nach sich zieht, er hätte gründlich erklären sollen, wie er mit seinen Lieberalen verstanden sein wolte, dadurch hätte man die sogenannten Lieberalen in Au und Umgebung wenigstens in religiöser Beziehung nicht um das Vertrauen der Mitbürger gebracht. Doch das ist diesen Herren gleichgültig, sie müssen ja zuerst das Erdreich der Gemeinden auflockern um das Embrio der Zwiespalt hinein zu legen u. nachher, in dem sie zu helfen scheinen, blinde Kämpfer für ihre Parteiintreßen zu gewinnen. Es wurde dann ein profisorisches Comite aus 5 Mitgliedern, nähmlich Herr Pfr Birnbaumer, Herr Kurat Herzog, Herr Kaplan Sieber, Herr Dktr. Dünzer u. Herr Postmeister Gropper gewählt, das die Statuten zu entwerfen hat. Heute ist Statuten Beratung im nähmlichen Lokale. Nach dem dann die Statthaltereibewilligung eingeholt ist, erfolgt die Wahl zum definitifen Vorstande, u. ist der Verein ins Leben getretten. Merkwürdig ist, daß der Verein auf die Grundgesetze fußend, von der Päpstlichen Alocution verdammt u. die bürgerlichen Gesetze der Mitglieder nicht in die Bibliotek aufgenommen werden, noch besprochen werden dürfen, da nach dem schon ausgesprochenen Programme nichts vorkommen darf was gegen die Kirche oder von derselben nicht gebilliget ist. Die Alocution bringt eine große Verwirrung in die Leute. Herr Pfr. Rüscher setzte die Schoppernauer in Spannung, indem er am letzten Sonntage in der Kirche aus Bischof Rudegiers Hirtenbrief sagte, u. ihn wegen seiner Schärfe u. wahrhaft apostolischen Sprache lobte, er sprach die Hofnung aus, am heutigen Sonntage einen Hirtenbrief, über die neuen Gesetze, von unserem Bischof vorlesen zu können, wobei er dann, wenn etwas nicht recht verständlich sein sollte, Gelegenheit haben werde, es recht deut­lich zu Erklären, auf dieses hin erwartete man heute eine rechte Kraft Brühe; aber der, vergleichsweise, gemäßigte Thon, in wel­chem Gaßner Schrieb, legte eine Dämmung auf die polter Saiten u. so steht jetzt der bessere Theil wieder in normalem Zustand. Die Landeszeitung verhält sich sehr Regierungsfreundlich zu der Alocu­tion. Felders Verhandlung in Feldkirch wahr am 8 Juli, er wird Dir das Resultat selbst schreiben. In der Wahlangelegenheit ist noch nichts Öffentliches geschehen. Bär Mari hat am Freitag einen Engel gebohren, welcher heute in geweihte Erde Begraben worden ist. Deine Base Serafina ist gestern auch von Ihrem Leiden erlöst u. in die Wohnung der Seligen aufgenommen worden, deren Leichnam Morgen in der Ahnengruft beigesetzt wird. Sonst ist so viel ich weiß alles beim Alten, schaue nur Du die Herrlichkeiten u. Schönheiten des menschlichen Geistes recht an, damit Du uns wenn Du wieder kommst, recht viel zu erzählen weist u. bringe Reich u. Arm sauber Gedruckt mit nach Hause, damit wir uns an Deinem gelungenen Werke mit Dir erfreuen können. Es grüßen Dich meine Schwestern u. mein Bruder Josef freundlich, Johann Josef Sennet in der Alpe Oberen, und auch unsere Mutter läßt Dich grüßen und von Herzen Dein Freund:

    Joh. Kaspar Oberhauser.

    Kaspar Moosbrugger
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 10. Juli 1868

    Liebes Wible!

    Endlich ein Brief. Die Sehnsucht mit der ich ihn erwartete, zeigt wie sehr ich an Dir, an meiner Heimat hänge. Ich habe hier frohe Tage und schöne Abende erlebt. Ich war im Theater, hörte den Tannhäuser sah den Fiesko, schwelgte im Schützenhaus, erfreute mich an dem freundlichen Entgegenkommen bedeutender Per­sönlichkeiten: aber ich vermißte den erwarteten Brief und etwas wie Heimweh wollte mich ernstlich anwandeln. Heute wallfarte­te ich mit Zacharias zu einem Professor in Gohlis, aber ich war nicht recht im Gespräch. Auf dem Heimweg ging ich in ein Bierhaus, aber die Unruhe ließ mich nicht lange bei der Zeitung - es war die Allgemeine - sitzen. Ich eilte heim und fand endlich die Anweisung, eine Sendung von der Post zu holen.

    Nun athme ich wieder auf und setze mich gleich an den Arbeitstisch der Kinder um Dir zu schreiben und für die Freude zu danken, welche Du mir gemacht hast. Mein Leben hier ist wie im letzten Jahr nur daß ich jetzt mehr zu Hause bin und mich freier bewege. Der Himmel macht jetzt endlich ein freundliches Gesicht und ich bin viel im Freien. Gearbeitet wird nicht, nur gelesen, wozu hier genug „Stoff" vorhanden ist. Mit einer genau­en Schilderung meines Herumtreibens will ich euch die Zähne nicht wässern machen, sondern nur zugestehen, daß alles auch wieder sein Ende haben muß. Freilich ists mir noch nicht mög­lich, den Tag meiner Abreise zu melden, aber ich sehe ihn kom­men und es kann sein, daß schon die nächste Woche ihn bringt. Jedenfalls komm ich noch in diesem Monath und hoffe Dir auch noch den Tag oder doch die Woche bestimmen zu können. Willst Du mir bis Lindau entgegen [kommen] so schreibe gleich und sonst auch wenns nicht schon geschehen ist.

    Es wird schon der Wunsch laut, auch Dich einmal hier zu haben. O ich wollte das auch! Wie viel könnt ich Dir zeigen. Schon hier neben mir war Dir es interessant. Neben mir zeichnet Emi, das fleißige Kind, drüben hinter einer Büchermauer sucht Hildebrand alte Wörter, Vetter Karl der Große lernt, Hugo und Rudolf spielen im Garten wo ich zuweilen mit ihnen turne, draußen das Geräusch unzähliger Wagen, die durch die Turner und Windmühlenstraße Tag u Nacht dem nahen Bairischen Bahnhofe zufahren. Hildebrands Wohnung steht jetzt schon zwi­schen Häusern an einer beinahe doppelten Kreuzstrasse und mit der frühern Stille „is alle".

    Gestern war ich auf einem Ball im herlich beleuchteten Schützen­haus, wo Leipzig seine Feste feiert. Morgen ist Klubsitzung, über­morgen früh 3/4 5 Uhr fahren wir nach Thüringen. Am Montag wenn ich hier bin ist Studentenkneip und wir werden auf der Wartburg das Erdenelend beweinen.

    Nebenbei besuche ich Vorlesungen, das Museum, die öffentli­chen Bibliotheken u d g l und die Tage schwinden unbemerkt nur daß mich jeder reicher macht - aber freilich nicht an Geld. Ists da nicht genug wenn ich keins brauche. Die Reise nach Kößen wird für mich vielleicht verhängnißvoll sein, doch davon mündlich.

    Samstag den 11 Juli 1868

    Gestern Abends fand sich eine Gesellschaft in unserem Garten, wir scherzten plauderten und thaten alles Mögliche. Schließlich las ich - Deinen Brief vor und Du kannst mit der Aufnahme zufrieden sein. Die Damen u Dämchen u s fanden etwas helden­haftes in der Art wie Du Dich in meine Welt und in meinen Stil hinein gelebt hast und das ist es auch. Ich war des Erfolges zum Voraus sicher und es machte mir Freude, Dich so gewissermaßen frei einzuführen. Wenn Du nur hier wärst. Vielleicht wirds doch einmal möglich. Nun aber will ich noch geschwind an Oberhausers Kaspar schreiben. Lese den Brief und dann über­bringe ihn. Es grüßt Dich die Mutter den Uhrenmacher u Alle

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Anna Katharina Felder
  • 10. Juli 1868

    Lieber Freund!

    Vor allem spreche ich meine Wünsche und die Hoffnung aus, daß das hochkultivierte deutsche Geistesleben, in dem Du Dich nun bewegst, stärkend und läuternd auf Dich wirke und ein bedeutendes Mehr zu Deinem Selbst hinzugelegt werde. - Am letzten Montag bin ich mit meiner Theres und den zwei Kleinen wieder glücklich hier angekommen, wo wir die Isabell mit den ändern Familienmitgliedern im besten Wohlsein antrafen. Heute überraschte mich Uhrmacher Fel­der, der von der gestern in Feldkirch abgehaltenen Schluß­verhandlung gegen Wüstner kam. Dieser sei zu 6 Wochen Kerker verurteilt. Rößlewirt und Stülz seien leer ausgegangen. Dieser letzte Umstand war mir auffallend so daß ich den Felder ermutigte, sogleich die Berufung (Appellation) zu er­greifen, was er wegen Kürze der Frist sofort telegrafisch tat. Die Berufungsschrift wird ihm Adv. Jussel in Feldkirch anfer­tigen. Felder ist gleich Stuben zu abgereist, um über'n Tann­berg heimzukehren. Er sagte, daheim sei alles in Ordnung. Das Kasino in Au sei wie begründet. Bei der Vorversammlung vom 28. v. Ms. haben sich bei 40 Mitglieder unterzeichnet und sei beschlossen worden, die Schnepfauer und Schoppernauer auch beitreten zu lassen. Zu Komiteemitgliedern wegen Aus­arbeitung der Statuten seien die drei Auer Geistlichen, der Doktor und der Postmeister Gropper gewählt worden. Das Dökterle habe ich auf dem Rückweg von Bezau getroffen. Es erklärte unverhohlen, daß es für das Kasino sei, wurde aber ganz kleinlaut, als ich ihm meine Meinung sagte. Es soll sich, wie Felder sagte, in letzter Zeit geäußert haben, die Kasino­geschichte gefalle ihm schon nicht mehr. Zum Pfarrer bin ich am Rückweg nicht mehr, da ich gleich den Bergen zuwanderte. Die ganze Sache schien mir zu einer Einmischung nicht geeignet. Birnbaumer habe übrigens einen schönen Vortrag gehalten und namentlich nichts gegen Euch gesagt. ­Die Skizzen aus Vorarlberg (Gartenlaube) habe ich mit den Gesichtspunkten auf die Post gegeben. Letztere bitte ich dem Hildebrand zu geben und ihm zugleich meine Empfehlung und hohe Achtung auszudrücken. - Von Wien erhielt ich heute eine Einladung zur Mitarbeiterschaft am Telegraf (Organ des Kaisersfeld, Präsidenten im Unterhaus) und dessen Arbeiterblatt, das nach Inhalt der Einladung das „maßgebende Organ sämtlicher Arbeitervereine Wiens" ist. - Das Volksblatt wirst Du wohl von Lehrer Thurnher erhalten können, doch will ich dem Vonbank schreiben, daß er es Dir zuschicke. ­Jetzt regnet's in Österreich Proteste gegen die bekannte Allokution des Papstes, und wahrscheinlich wird auch ein solcher am nächsten Sonntag in Feldkirch gelegentlich der Konstituierung des liberalen Landesvereins vom Stapel ge­lassen. Schreibe bald wieder Deinem Freund  K. Moosbrugger

     

    Kaspar Moosbrugger
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 10. Juli 1868

    Lieber Freund!

    Nach sehr langer Unterbrechung komme ich endlich dazu, wieder ein paar Zeilen an Dich zu richten, von denen ich hoffe, daß sie Dich in bestem Wohlsein treffen werden. Vor Joh. Jos. Felders eingesehenem Schreiben war ich dem Gerüchte gemäß der Mei­nung, Du weilest in jetzt zu Preusen gehörigen Ländern. Nachher habe ich in Erwartung der Entwicklung der Dinge, die da für mich kommen sollten, das Schreiben von Woche zu Woche verschoben. Du siehst, daß man wenigstens in Wien auch von Dir spricht, wirst wohl auch wissen, daß Du sogar Ehrenmitglied bist von Tiroler Verein in Wien. Die Vorarlberger sind in diesem dem Zwecke nach ganz löblichen Vereine so viel ich weiß nur durch Ehrenmitglieder vertreten, trotz aller Mühe der Tiroler, das Gegentheil zu erwirken. Der hauptsächlichste Grund dürfte wohl darin zu finden sein, daß die Vorarlberger zu jeder Zeit eine wohl schwer zu rechtfertigende Antipathie gegen die Tiroler zur Schau trugen, welche unseres Ländchens wegen sogar den projektirten Namen „Andreas Hofer Verein" aufgaben. Dann habe ich vernommmen, daß die thonan­gebendern Personen in höheren Kreisen zu sehr zu gefallen suchen. Mich haben die Verhältniße abgehalten einzutreten. Von den „Sonderlingen" zu sprechen, ist zwar schon wohl zu spät, doch glaube ich Dir wenigstens ein paar Worte auch jetzt noch schuldig zu sein. Mich haben sie sehr interessirt u. amüsirt. Die Sprache, besonders anfangs, gefällt mir besser als in „Schwarzo Kaspale". Wenigstens in Wien dürfte der Erfolg jedoch größer gewesen sein, wenn die Handlung u. Entwicklung spannender u. das Räsonnement weniger u. kürzer wäre. Eigensinn zweier Alten kann wohl in Wirklichkeit Verwicklungen u. Entwicklungen her­beiführen, für ein Buch, das nicht reine Geschichte ist, dürfte das aber vielleicht doch eine zu kleine Ursache sein. Trotz der sittli­chen Entpörung Franzen's hat vielleicht doch das Döcterle so ziemlich recht gehabt, wenn es die Leute als Producte der Verhält­niße auffaßte, wie dann später Franz allerdings selbst fast ganz zugiebt. Empfängnis, Geburt, anfängliche Erziehung u. Entwick­lung etc. ist wohl beinahe ganz Zufall. In entwickelteren Menschen bekämpfen u. modificiren sich allerdings dann gegenseitig Außen­verhältniße, Neigungen, u. der auf Erkenntniß (wirkliche oder eingebildete) basirende Wille. Den Menschen als einen frei walten­den Halbgott denken ist romantisch, aber wahr dürfte es nicht sein. Doch ist's sicher besser, wenn man sich für zu viel als zu wenig hält, insbesondere muß man in Lebensbildern sich über das Alltägliche erheben u. dem Idealen sich zuneigen. Siehst Du, da hat mich mein frei oder nicht frei entwickelter Geist schon wieder weiter gerissen, als er selbst anfangs wollte, er ist ein bischen in's Fahrwasser gerathen.

    Nur noch wiederholend, daß mir im Übrigen das Buch, besonders die Charakterschilderungen sehr gefallen hat, will ich mir selbst zum Beweise, daß ich denn doch freien Wille habe, in diesem Briefe über diesen Gegenstand kein Wort mehr reden. Nach kurzer Innehabung einer Hofmeisterstelle im letzten Herbst (da Frau u. Zögling gefährlich krank wurden) habe ich seither von Lektionen nicht all zu glänzend gelebt u. nebenbei Physik u. Mathematik studirt. Unter mehreren Stellen, die ich zu erreichen einige Hoffnung hatte, ist mir eine man kann sagen glänzende Stelle durch die Finger geschlüpft. Bei Graf Althan, Mitglied des preus. Herrenhauses war mir trotz einer Unzahl von Bewerbern von der sonst Alles vermögenden Frau die Erzieherstelle schon wie zuge­sagt, als gleichzeitig vom Herrn ein Gymnasial Professor aufgenommen wurde, der ihm sehr empfohlen war. 1200 fl jährlich, freie Verpflegung u. 600 fl jährliche Pension nach 4 Jahren waren die Bedingungen.

    So eine Stelle dürfte sich wohl schwer wiederfinden, sowohl in Bezug auf die materiellen Vortheile als auch aufs zu erwartende angenehme Leben während der Zeit.

    Die unerwartete Enttäuschung hat mich aber denn doch nicht so sehr angegriffen, als es manchem in meiner Lage geschehen wäre. Mein so oft u. lang herumgeholperter Schicksalskarren hat auch die Haut schon ein wenig unentpfindlicher gemacht. Ob das bischen Leben der Zukunft nun ein wenig angenehmer ist oder das Gegen­theil, was liegt denn gar so viel daran? Der Gedanke an [Drappen-] fleisch trägt viel zu meiner gegenwärtigen u. wie ich hoffe auch zukünftigen Zufriedenheit bei.

    Hast Du nicht Lust mit dem Felder Joh. Jos. das Schützenfest in Wien mitzufeiern? Mich würde es sehr freuen Dich hierzu sehen u. zu sprechen. Ich hoffe bald, wenn es nicht mündlich sein kann, doch wenigstens schriftlich wieder etwas von Dir zu vernehmen. Unterdessen bitte ich Dich beiliegendes Briefchen zu übergeben u. den Deinen, meiner Mutter u. Bekannten meine herzlichsten Grüße auszurichten. Dich vielmals grüßend

    Dein Freund Franz Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 9. Juli 1868

    Nachschrift

    Es scheint, daß meine Briefe nach der Heimat und die von dort wieder zum Teufel gehen wie im Letzten Jahr. Sei also doch so gut, gleich - augenblicklich an den Uhrenmacher Felder in Schoppernau folgendes zu schreiben, oder dieses Blatt zu über­senden. Ich habe schon mehrere Briefe nach Schoppernau geschickt und noch keine Antwort erhalten. Ich wünschte Nach­richt von daheim und wünschte das alte Passionsspiel, welches ich vom Heuer habe, zu erhalten.

    Man soll mir doch schreiben aber den Brief eigens auf die Post geben und das Passionspiel auch. Etwas werd ich dan wol bekommen.

    Solltest Du es vorziehen, an meine Frau zu schreiben so adres­siere den Brief: An Franz Michel Felders Wible in Schoppernau, damit der Bothe Simplicisimus Bescheid weiß. Ich hoffe daß doch daheim nichts fehlt und eben darum ists mir unbegreiflich, daß das Wible nicht schreibt u die gewünschte Schrift nicht schickt. Ich wollte sie am Sontag einer gelehrten Gesellschaft vorlegen. Ihr Besitzer soll sich keine Sorgen machen, daß er darum um seine Sache kommt.

    Sei so gut, mir den Inhalt dieses Blattes zu übermitteln u frag allenfalls auch auf der Post nach.

    Mit Gruß

    Dein Freund

    Felder Windmühlen

    29 bei Dr Hildebrand in Leipzig

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Josef Feuerstein
  • 7. Juli 1868

    Lieber Freund!

    Ich werde nun eilen müssen, daß mein Brief Dich noch in deiner Heimat antreffe. Sonst kam ich wol noch nicht zum Schreiben. Ich komme wenigstens nur selten dazu und wenn ich einmal festzusit­zen meine, werde ich gleich wieder auf die angenehmste Weise unterbrochen. Du aber sollst nun Deinen Brief haben weniger weil ich viel Besonderes weiß als um auch von dir eine Antwort zu bekommen. Mein Reisebericht muß leider kurz werden, obwol es viel des Interessanten zu melden gäbe, was ich für einen der schönen Abende zurücklege, wo wir wieder mitsammen plaudern können. In München traf ich Feurstein war in seiner Wohnung und verdanke seiner Freundlichkeit einen schönen Tag. Am Sonntag flog ich von dort bis Leipzig und seitdem bin ich hier. Leider will das Wetter bisher größere Spaziergänge nicht begünstigen dafür aber komme ich um so mehr in der Stadt herum. Auch die beiden Gesandten der Turner in Dornbirn, Luger und den Lehrer Thurnherr hab ich endlich gefunden. Die beiden scheinen sich gegenseitig satt bekommen zu haben denn jeder ist alein abgereist. Thurnherr war es auch, der die herrlichen Artikel über Leipzig ins Volksblatt schrieb. Mir wich er scheu aus, während Luger sich an uns anzuschließen suchte. Hier ist viel von den Zuständen unseres Vaterlandes die Rede. Die Leute hier stehen unseren Zuständen so fern, daß man mit den neuen Gesetzen schon alles gewonnen glaubte. Nun kommt der hinkende Bothe. Doch ich soll nicht über Kirche und Staat, sondern einen schlichten Bericht von meinem Hiersein schreiben. Aber wo anfangen. Der Verkehr mit Gleichstre­benden thut mir wol. Daheim muß ich einen großen Theil meiner Kraft verwenden, mich in mich selbst zu verschließen und unemp­findlich zu scheinen auch wenn mich etwas recht schmerzlich trifft. Daß ich aufthauen konnte, kam selten vor. Doch zuweilen, z. B. wenn ich bei Dir bin, ists auch der Fall und dagegen giebts auch hier genug solche Kreise wo ich es nicht kann. In etwa 14-20 Tagen denke ich in meine Heimat zurück[zukeh­ren]. Wärsda nicht möglich, daß wir, wenn du von Wien kommst, in München zusammen träfen und mitsammen heimführen? Ich bitte, mir Genaues darüber zu schreiben. Um deine Reise nach Wien beneide ich dich ordentlich. Ich möchte schon auch einmal hin, doch nicht zu einer Festzeit, wo alles aus dem Gleis kommt. Wenn du Keßlern triffst, so frag ihn doch, warum er mir nicht mehr schreibe. Bergmann laß mir grüßen und alle die mir etwa nachfra­gen sollten. Mein Roman wird jetzt gedruckt. Ich werde schon etwas davon mitbringen. Dein Plan übrigens bei uns in deinem Verlag so kleine Volksschriften herauszugeben, gefällt mir immer besser, jemehr ich mir auch ins Geschäftliche einen Einblick verschaffe. Wir müssen jedenfalls von der Sache reden. Leipzig hat sich seit letztem Sommer bedeutend erweitert. Das Johannisthal wird immer mehr verbaut. Die Kluft zwischen arm und reich, gelehrt und ungelehrt ist hier viel, viel größer als bei uns und fast vergeht einem die Hoffnung, daß sie bald gelöst werde, jene Frage, die ich für die wichtigste halte und in der ich alle ändern sehe. Überhaupt scheint mir, ob man in unseren Bergen viel muthiger, hoffnungsvoller bleiben könne, als da, wo man entweder nur den glatten Boden und die sorglos hintanzende Menge oder nur den gähnenden Abgrund mit seinen Verlorenen sieht. Doch davon mündlich mehr und viel viel.

    Herzlichen Gruß und Handschlag allen in und außer unserem Verein die für Selbständigkeit und wahre Befreiung unserer wak­kern Landsleute wirken. Besonders auch den Kristian, Greber in Au Reinhardt und natürlich auch Deiner Frau.

    Ich erwarte bestimmt ein Schreiben von Dir zu erhalten und recht viel zu erfahren. Meßnern würde ich auch grüßen lassen, aber der könnte es so deuten, ob ich ihn an die versprochene Pfeife mahne und das will ich nicht - sag es ihm nur - obwol ich gestern die Meine zerschlug und heute eine Neue kaufen muß. Lebe recht wol. Es grüßt Dich    Dein Freund

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Josef Feuerstein
  • 6. Juli 1868

    Liebes Wible!

    Heut hab ich einen Brief so bestimmt erwartet, daß mich Langweile plagt weil keiner kam. Freilich kanns an hundert Dingen liegen, aber ich erwartete nun einmal den Brief. Du soll­test mir über viele liebe Kleinigkeiten berichten. Ich lebe hier frisch, fromm, fröhlich, frei, und Du brauchst Dich um mich nicht zu ängstigen sondern kanst und sollst lachen, wenn um den Saubratenbedeckten Tisch sitzend von einem Luxus geredet wird und das Kohlerle seine Witze macht, während Sprenger ganz verstohlen, daß es die Mutter nicht merke, dem Filax ein Stück Brod zuwirft. Ach es wird mir ganz eigen wenn ich an den letzten Winter denke und an das, was wir zusammen durch­machten während ich mich alein kaum noch vor die Hausthür wagte. Wärst Du doch auch einmal in freier Luft und könntest aufathmen von all dem Elend! Aber Du hast deinen Jakob, und ich hab nicht einmal mehr Platz hier für alles, was Du jetzt zu versorgen hast.

    Was machen sie doch. Grüße sie mir alle und sag ihnen, wenn sie am Herrd um Dich herum stehen, daß ich noch oft an sie denke und mich genau erkundigen werde, ob sie artig gewesen sind. Wie bald ich komme, kann ich noch nicht genau bestim­men. Jedenfalls denk ich in einem Monath daheim zu sein. Ich wollte Dir erzählen, was alles ich hier treibe, doch dazu bleibt keine Zeit. Also nur Allgemeines: Im Klub fühle ich mich heimi­scher als im letzten Jahr. Ich fühle, daß das Zusammenleben u Wirken überhaupt ein Innigeres ist als im letzten Jahr. Alle Mitglieder thauen da auf und der Rößlewirthin würde auch vor Hildebranden nicht mehr so bang werden, als da er in ihrem Herrenstüble saß. Letzten Samstag las er uns, was Platter vor 200 Jahren von seinem Gaißbubenleben erzählt. Ich war entzückt. Der Heimweg hätte 2 Stunden weit sein sollen. Es war wieder, wie ichs den Winter hindurch oft schilderte und in meinen Träumen wieder erlebte. Mondschein am großen Himel, kräftiger deutscher Gesang und zwischendurch konnte man von Herzen reden. Du weißt wie gern ich das thäte und wie schlimm es ist, wenn man seine beste Kraft dazu verbrauchen muß, wie nach allen Seiten gepanzert da zu stehen unempfindlich zu scheinen, oder kalt über die Dumheit seiner Quälgeister zu lachen. Offen gesagt: Ich hatte schon in München den ganzen Schmarren über Bord geworfen und mich davon gemacht. Aber da kommt mir unser Weltsblatt in die Hände und nun ist alles wieder da. Morgen will ich aber wieder deutsche Zeitungen lesen, oder bei dem gefundenen Spruchschatz verweilen.

    Von meiner Reise bis Bezau wird Dir Kaspar erzählt haben. Stettner in Lindau wünscht, daß Du mir bis zu ihm entgegen käm­mest, aber da das Bruggmüllerle nicht mehr lebt wirds schwer zu machen sein, außer wenn Du in Bezau beim Feurstein das erste Mal übernachten wolltest. So eine kleine Erholung gönnte ich Dir so gern, wenn es zu machen wäre und ich bitte, mir davon zu schreiben. Aber bald!

    Am Sontag fahren wir nach Kößen und von da werde ich viel­leicht nach Weimar dampfen. Ich freue mich recht auf diesen Ausflug der mich wieder zu lieben Bekanten bringen soll, während Rüscher euch prediget. Übrigens gehe ich auch hier zuweilen in die Kirche so z B vorgestern in die Motete. Sogar meine beiden Vorarlberger hab ich mitgeschleppt was mir der frome Thurnher, ein Vetter des Vielgenannten wol nie vergeben wird. Beiliegenden Brief an den Schneider sollst Du ihm bald zusenden, daß er mir am Sontag die versprochene Antwort schicken kann. Ich hoffe und wünsche, daß ihm die Badkur so gut anschlug wie mir. Ich bin recht gesund wie ich es seit einem Vierteljahre nicht war. Sage dem Mösler, es seien Bretter für ihn beim Vorsteher Albrecht bestellt und er möge sich mit diesem in Oberhausers Gegenwart oder alein vereinbaren.

    Der Mutter und allen die herzlichsten Grüße meiner Freunde, besonders von Deinem

    Franz Michel

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Anna Katharina Felder
  • 6. Juli 1868

    Beiliegende Briefe sind für Herrn Wible!

    Lieber Freund!

    Vor allem herzlichen Glückswunsch! Daß nämlich das Heu trok­ken und schon untergebracht wurde und auf den abgemähten Stumpen das Grumet so üpig aufschieße wie die katholischen Kassino in Vorarlberg. Du siehst, daß ich auch hier das Volksblatt lese - nur um in Leipzigs freier Luft mich nicht allzusehr zu verwöhnen und die düstere kalte, gesalzene Wirklichkeit ganz zu verduseln. Gesalzen heiße ich diese Kassinos, weil sie durch einen Badenser, Nahmens Häring entstanden sind. Dir schmecken wol Häringe? Ich aber kann Häringe selbst mit Kartoffeln nicht verdauen und danke Gott jeden Morgen vor dem Aufstehen, daß er mich in der Häringsreichen, Erdäpfellosen Zeit da heraus führte. ­Ich verlebe hier herrliche Tage. Schöne Tage kann ich sie nur darum nicht nennen weil der Himmel meistens trüb ist. Trotzdem gehe ich fleißiger aus als im letzten Jahr, so daß meine Stiefeln schon alle zu werden beginnen. Zum lieben Glück giebts in Leipzig mehrere Schuster. Überhaupt wohnen viele Leute hier und unter denen auch manche, die mir wohl wollen. Den beiden Abgesand­ten des Dornbirner Turnvereins war es erstaunlich, daß man sie so oft über mich fragte. Der eine der Beiden ist ultramontan und gab mir das Volksblatt, der Zweite ist liberal und gab mir eine Schilde­rung des Ersten. In diesem Geben scheinen sich mir unsere beiden Parteien zu spiegeln. Schließlich entzweiten sie sich zum Theil auch meinetwegen. Der Fromme ist gestern, der Liberale heut Vormittags nach der Heimath zurück.

    Ich verkehre meistens mit Mitgliedern unseres Klubs. Zu schriftstel­lerischer Arbeit hoffe ich wieder zu kommen während mir die Stiefel geflickt werden.

    Der Druck von Reich und Arm hat begonnen und ich freue mich an der Arbeit. Daß ich im neuen Theater war kannst Du Dir denken. Ich hoffe, bald einmal wieder dorthin wallfahrten zu können, nämlich wenn ein klassisches Stück gegeben wird. Am liebsten möchte ich schon Goethes Faust sehen. Jetzt hab ich mich etwas hinter Hildebrands Bibliothek, besonders hinter seine Sprichwör­tersammlungen gemacht. Das ist ein Schatz von Weisheit und kräftigem Humor, an dem auch Du Deine Freude haben würdest. Nebenbei sehe ich aus den Zeitungen, daß es bei uns noch immer happert. Du gehst wol zum Schützenfest, aber es wäre doch möglich daß wir uns in München träfen. Schreib mir einmal darüber. Weißt Du auch daß die Wälder als Ehrengabe einen SOpfündigen - Käs als Ehrengabe nach Wien schicken wollen. Ich war allerdings mit meinen Freunden dagegen. Eine gestickte Fahne mit den deutschen Farben hätte viel besser gepaßt. Heut erwartete ich einen Brief vom Wible. Es ist aber keiner gekommen. Nun Morgen doch, und dann bald auch einer von Dir. Ich muß hier so viel aus meiner Heimat erzählen, daß sie mir immer gegenwärtig bleibt. Dem Vorsteher u. K Oberhauser bringe meinen Gruß u. diesen Brief. Daß das, was ich mit dem Pfarrer von Au u Herzog gründen wollte, und das nun allem nach gegründete Kassino zwei grundverschiedene Dinge sind, werdet ihr einsehen. Ich hoffe und habe fast ein Recht zu erwarten daß Männer sich an der Sache nicht betheiligen, aber auch nicht durch Opposition die Gegner darauf aufmerksam macht. Wenn Ihr Euch klug und still haltet, wird kein Tüchtiger in die Falle gehen, durch Lärm treibt man wenn auch nicht den Kern so doch die Menge geradezu hinein.

    Daß Du gleich zum Wible gehst und ihm diesen Brief zeigst, versteht sich wol von selbst. Daß in der Wahlsache strenge Untersuchung vom Oberlandesgericht angeordnet ist, braucht Ihr Niemandem zu sagen. Schreibe bald, ja gleich Deinem Freund

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Johann Josef Felder
  • 5. Juli 1868

    Liebes Mindle!

    Ich habe Deinen Brief nun wieder, u. zwar aus Bedürfniß, ich weiß nicht zum wievieltenmale gelesen, u. herausgefühlt, das Du den Staub schon zimlich abgeschüttelt von den Schuhen, weil der Boden wo Du stehst Dir heiliges Land ist. Du kannst Dirdenken daß ich sehr erfreut darüber bin, Dich wohlerhalten u. gesichert bei lieben guten Menschen, - in Deinem Elemente zu wissen. Ich begleitete Dich stets auf Deiner Reise, u. es ist mir Morgens das erste, u. Abends das letzte Denken, was Du wohl machen werdest? Heute bei der wunderbar schönen Präfacion fiel mir ein, daß Du gestern doch gewiß im Protestantischen Gottesdienste dem herr­lichen Gesänge u. der Göttlichen Musick gelauscht, u. bei den schönen Mondschein Nächten auf irgend einer Gondelfarth oder einem Spaziergang ins Rosenthal Dich diese Himmlischen, Musick u. Gesang, begleiteten. Genieße auch für mich! Es war mir anfangs in Minuten des alleinseins so öde, u. es freute mich wieder das enge Hüttchen vollgestopft mit Menschen, die Rührigkeit u. Thätigkeit forderten. Donnerstag abends kam Kaspar sehr begeistert u. lob­spendend wegen des Vereins u. seiner Vorstände nach Hopfreben, u. brachte mich ein wenig ins Feuer, mit der Anfangs unbegreif­lichen Neuigkeit, daß der Doctor Agent eines katholischen Vereins sei. Thatsache ist, daß der im Entstehen Begriffene Verein, von dem daß Volksblatt schon vor 14 Tagen als entstanden sagte, schon seine erste Versammlung am 29 hatte, wo Herr Pfarrer Birnbaumer in einer Stunde langen Rede auseinandersetzte, wie Nothwendig dem Volke Bildung sei. Also auf einmal wollen sie Bildung. Welche Veränderung! Aber nicht Schäbig? Darüber wird Dir Oberhausers Kaspar ausführlich schreiben, der sammt dem Uhrenmacher Auge u. Ohrenzeuge des Vorgefallenen war. Am 8 d ist die Schlußverhandlung der Stiefelhelden Angelegenheit, wo der Uhrenmacher selbst zu erscheinen gedenkt, wenn nicht das schreckliche Sauwet­ter ihn zurück hallt, daß gewiß auch dem Kaspar Malheur macht, mit seiner Familie Krumbach zu verlaßen, wohin er vordem Samstag abging.

    Ein Grazer mit unaussprechlichem Namen hate Dich Gestern besuchen wollen, u. bedauert Dich nicht zu treffen. Von der Allokution des Papstes wirst Du auch zur Erbauung gelesen haben, u. auch unser Bischof hat ein Schreiben erlaßen über die Confessio­nellen Gesetze vom 25 Mai 1868. Es scheint das unsere Geistlichen Vorgesetzten keine stummen Hunde sind, u. ihr vermeintlich gutes Recht, u. somit die Gewalt aus den Händen lassen wollen. Essoll u. muß gehen mit der Errichtung von Cassinos damit sie ihr Volk, wie sie sagen, auch Politisch Gebildet haben bis zur Zeit der Neuwah­len. Neuigkeiten weis ich keine zu schreiben, u. will daher aufhören, weil es mich an die Finger friert so daß ich mich nach einer warmen Stube sehne, von wo aus es angenehmer ist in die grauen Wolken u. seit 2 Tagen [unaufhörlichen Regenströme hinauszuschauen. Geheuet ist noch nichts, u. wir können deßwe­gen mit Muße von Hopfreben ziehen. Ich habe in der Mühle gerechnet, wo man 24 M Mehl aufgeschrieben hatte. Ich sagte daß ich gewiß wüßte daß wir alles Bezalt haben, da ließ man es dahingestellt ob Du auch daßelbe im Kopfe habest. Schreibe mir welches. Es grüßt u. küßt Dich vilmal Dein

    Wible Anna Katharina Felder

    Auch glaube den rechten Band gewählt zu haben. Den Titel Trauerspiel haben zwar alle, u. sind schön geschrieben. Aber Du willst sicher den Urtext einer Antiquität.

    Anna Katharina Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 2. Juli 1868

    Lieber Freund!

    Die Reise wäre nun wieder glücklich überstanden. Sie war mir in mancher Beziehung sehr interessant, und ich würde mit genauem Berichte den Brief schon schwer genug machen können. Das Wetter war erwünscht kühl, und ich kam am Sonntag abends wohlbehalten bei meinen Freunden im Bahn­hof an. Die alten Bekannten hab ich wieder gefunden und auch neue, die mir mit Wärme entgegenkommen. Ich fühle mich hier viel heimischer als im letzten Jahr und lebe ganz behaglich, nur bedauernd, daß das schlechte Wetter häufi­geres Ausgehen hindert. Hildebranden finde ich sehr leidend. Ich glaube, ein Leben, wie wir es in Hopfreben hatten, würde ihm sehr wohl tun, aber er sorgt mehr fast für andere als für sich. Hoffen wir, daß es besser wird.

    Von ,Reich und Arm' hab ich gestern den ersten gedruckten Bogen gelesen. Es nimmt sich nicht übel aus. Hirzel ist in einem Bade, ich habe daher nur seinen Geschäftsführer spre­chen können. Bedeutende Erhöhung des zugesagten Honorars scheint schwer durchgesetzt werden zu können.

    4. Juli

    Bei meinem Schreiben werde ich stets und auf die ange­nehmste Weise unterbrochen, so daß ich an schriftstellerische Tätigkeit gar nicht denke. Ich streiche mehr herum als im letzten Jahr. Gestern abends hab ich den Lehrer Thurnher von Dornbirn getroffen. Er mit seinem Volksblattblut scheint sich doch nicht recht eingeleipzigert zu haben. Luger fühlt sich schon eher daheim, obwohl der keine Artikel fürs Volksblatt schreibt. Ich sehne mich nach schönem Wetter, welches Spa­ziergänge erlaubt. Das aber ist auch alles, was mir augenblick­lich fehlt. Mitunter besuche ich die Universität. Gestern hörte ich Wutke über 1848, heute Minkwitz über Literatur, morgen vielleicht eine protestantische Predigt. Aber was brachtest Du noch zusammen? Wie steht's mit dem Kasino, was macht das Dökterle und wie kämet ihr nach Bludenz? Über das alles möcht ich hören. Hier ist so viel die Rede von meiner Heimat, daß mir alles gegenwärtig bleibt.

    5.Juli

    Gestern abends hättest Du dabei sein sollen! Es war der erste Spaziergang des Klub. Hildebrands Vortrag aus Platten [soll wohl heißen: Platen] rührte mich und zauberte mich in eine herrliche Welt. Dieser Abend dürfte meinem nächsten Werke zugute kommen. Der Heimzug mit Gesang ersetzte mir die Prozession, die heute in Schoppernau gehalten wird. Am nächsten Sonntag ist Vogelweide ausgeschrieben. Ich freue mich recht auf die Reise ins Thüringer Land. Vom Schützenfest weiß man hier nicht viel, von unserm Sängerfest natürlich nichts. Sei doch so gut, mir das Volksblatt vom 1. Juli ab und für den ganzen Monat zu besorgen, da Du doch mit Vonbank bekannt bist. Ich vergaß es in Bregenz, und hier hab ich keine Banknoten. Schreibe bald.

    Mit Gruß und Handschlag                       

                           Dem Franz M. Felder.

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Kaspar Moosbrugger
  • 29. Juni 1868

    Liebes Wible!

    Du hast nun schon gesehen, daß ich glücklich am Ziel meiner Wallfart anlangte. Gerade wie ich annahm nämlich gestern Abends flog ich von Reichenberg da herunter und wurde von Hildebrand und den Seinen aufs freundlichste empfangen. Die Reise war sehr interessant, sie hat mich weit weniger als im letz­ten Jahr ja sie hat mich eigentlich gar nicht angegriffen. Geschla­fen aber hab ich doch heute bis 1/2 9 Uhr, dann gefrühstückt und nun ists meine erste Sorge, Dich etwas von mir wissen zu lassen. Ich kann ja dann immer noch in der Stadt herumgehn.

    Man sagt vom Staub der städtischen Strassen, von ungesunder Luft u d g l, ich aber muß schon gestehen daß mich die Luft, die ich hier einathme, wieder frisch und frei macht. In München wars noch nicht so und nun wirds mir ganz klar, daß es denn eigent­lich nur die Gesellschaft ist was den Menschen hebt oder nieder­drückt. Die Besten unter den Unsrigen verbrauchen ihr Lebens­mark, um den Druck krankhafter Verhältnisse von sich abzuwäl­zen so gut es geht und in Stunden der Erholung, in denen sonst noch das Schönste zu erblühen vermöchte können sie nichts Besseres, als eben gänzlich aus der Rolle fallen die sie fast wie eine Last empfinden und die ich daher kaum Beruf zu nennen wage.

    Aber warum, wozu sag ich Dir das? Die Mauer muß fallen zwi­schen uns und der Welt, und von hier will ich mir Muth und Kraft holen auch fürderhin an der Brücke zwischen uns und der Welt zu bauen, von der ich schon gesagt habe. Es macht mir wirklich Mühe niederzuschreiben was ich eigentlich möchte. Dreimal bin ich dabei unterbrochen worden, zuerst von Dr Meißner, der zu meiner Begrüßung herüber eilte, sobald er eine freie Minute gewann. Hugo der gestern im Traume mir schon sein Grüß Gott mit wunderbar klangvoller Stimme entgegen rief, brachte mir Nr 21 der literarischen Blätter von Rudolf Gottschall, die einen recht trefflichen Artikel aus Gottschalls Feder über meine Sonderlinge brachten. Das ist das Erste äußere Ereigniß in Leipzig und ich bin in der Stimmung, es für eine gute Vorbedeutung zu nehmen. Ich las ihn mit Vergnügen, setzte mich dan wieder zum Schreiben und wollte Dir das Ereigniß melden, da kam aber Lipold mit dem ich mich bis jetzt unterhielt.

    Von meiner Herreise gab es viel des Interessanten zu berichten, aber es scheint, daß Du lang auf den Brief warten müßtest, wenn das alles auch noch mit hinein sollte. Drum jetzt nur ganz kurz, von Bezau weg. Das Gericht in Bregenz hat mir Mittheilungen über den Stand der Wahluntersuchung gemacht. Es ist möglich, daß mich die dumme Geschichte nur zu bald wieder in die Berge ruft u in neue Händel verwickelt. In Lindau war ich Nachmittags bei Stettner, der auch Fräulein Rohner und 8 von Rorschach von Bregenz meiner Anwesenheit zu Ehren holen ließ. Nun, eifer­süchtig brauchst Du denn darum nun nicht zu werden.

    Abends fuhr ich mit dem Güterzuge durch die herrliche Landschaft am Alpsee und kam 11 Uhr in Kempten an. Im Hasen war ich gut aufgehoben u am ändern Tage fand ich vor der Abfahrt nach Augsburg noch Zeit, die Stadt zu besuchen. Um 1/2 4 Uhr Nachmittags war ich in München, wo ich gleich den Bild­hauer Feurstein durch einen Dienstmann holen ließ. Wir durch­streiften die Stadt ins Kreuz und die Quere und blieben endlich im englischen Garten hängen wo gerade Konzert war. Zum Unglück saßen wir neben einem Ehepaar, welches vor 2 erwach­senen Kindern einen Hauskrieg ausfocht. Mir wars ob ich eine tiefe böse Wunde bluten sehe. Ich träumte sogar davon.

    Am Samstag blieb ich in München. Feurstein war mein Führer. Gestern früh 1/2 6 Uhr fuhr ich gen Regensburg hinauf in kurz­weiliger Gesellschaft. In Regensburg mußten wir auf den Abgang des Eilzugs warten. Das Entgleisen eines Wagens hatte die Bahn 1500 Schritte weit aufgerissen. Menschenleben sind bei dem Unfall keine zu beklagen. Es hätte aber noch schlimm gehen kön­nen, weil alle Züge hin und her auf der ganzen Linie aus der Fahrordnung kamen und nun das Versäumte wieder einholen wollten. Uns wurden 2 Lokomotiven vorgespannt, die schnoben wie wüthend und ich erfuhr nun was schnell fahren heißt. Ich flog nun über Schwandorf, Eger usw. Auf dem Dach des Wagens rasselten Hagelsteine aber meine Gemüthsruhe war doch so groß daß die Mitreisenden mich im Leipziger Bahnhofe weckten, da ihnen mein Verbleiben im dunkeln Wagen auffiel. Nun frohes Wiedersehen, Hildebrand ist noch der alte und meint es so gut mit mir. Hirzel ist wegen Kränklichkeit in einem Bade. Doch reich und arm wird schon gedruckt und ich soll noch heute den ersten Bogen sehen.

    Und so beginnt nun mein Leipziger Leben. Sage meinen Freunden, sie sollen meinetwegen außer Sorge sein aber um so mehr an unsere Sache denken. Mit der Gründung eines katholi­schen Kasinos in Au hat man nur auf meine Abreise gewartet. Wenigstens hat, wie ich gewiß weiß, das Dökterle dann gleich dafür agitiert.

    Du siehst ich habe meine Heimath noch nicht vergessen. Ich stelle mir lebhaft vor, wie nun Morgen im Schalzbach Dungtag ist und daß ich am Sonntag den Himmel tragen sollte. Ich vermache diese Ehre dem Schmied und bitte Dich, es ihm schon am Sams­tag zu sagen. Meinen Freunden kanst Du diesen Brief lesen, der Uhrenmacher - ich laß ihn grüßen u Hildebrand auch soll das Gütterlimännchen nun Kasinomännchen heißen.

    Nächstens mehr denn ich werde erwartet. Herzlichen Gruß euch allen. Lebe wol und gedenke Deines

    Franz Michel

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Anna Katharina Felder
  • 21. Juni 1868

    Liebster Freund!

    Auch ich will Dir nur in Eile diese Zeilen schreiben, da ich schon mit dem Zusammenpacken für die Reise, oder viel­mehr mit Ordnen dessen beschäftigt bin, was ich hier zu­rücklassen muß. Deinen Brief samt Einlage hab ich erhalten und in 8 Tagen will ich Dir mündlich für Deine Bemühungen um mich und meine Arbeiten danken. Ich denke nämlich etwa bis Dienstag oder Mit[t]woch nach Bezau, am 2 ten Tag bis Lindau, wo ich bei Stettner bleiben kann, dann bis Mün­chen, wo ich einen Bekannten zu treffen hoffe, einen Bild­hauer, der sich schon auf meine Ankunft zu freuen vorgiebt-: Er ist von Bezau.

    Am nächsten Sonntag den 28 d M Abends mit dem Reichen­berger Personenzug denke ich in Leipzig einzutreffen. Sollt ich doch noch früher kommen, so will ich es von Reichenberg aus melden. Es ist möglich daß Du schon Sonnabend einen Blitzbrief von mir bekommst. Am Sonntag komme ich aber auch unangekündet jedenfalls, wenn alles gehörig seine Wege geht. Lieb ist es mir, wenn ich nun selbst eine Corectur meines neuen Werkes lesen kann. Es scheint zu gehen, wenn Hirzel mit dem Drucke gleich beginnen läßt. Über das Ho­norar können wir immer noch sprechen. Ich hab mit meinem Schwager eine schöne Woche erlebt. Der Gute wird mich etwa bis Bregenz begleiten. Auch seine Frau ist bei uns in dem engen Hüttchen zu Hopfreben. Er und Sie lassen Dich freundlich grüßen. Ich werde in Leipzig dießmal auch einen guten Bekannten treffen, mit dem ich schon frohe Stunden hatte, als ich vor einem Jahr im Schrök­ken auf Dich wartete.

    Doch genug des Geplauders damit der Brief nicht zu spät zum Bothen kommt. Dem Klub, allen Freunden und beson­ders den lieben Deinigen herzlichsten Gruß. Auf ein recht glückliches Wiedersehen freut sich Dein

    Franz M Felder

    Rudolf Hildebrand
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 18. Juni 1868

    No 720

    Dem

    Herrn Franz Michael Felder

    in

    Schoppernau

    In Folge hoher oberlandesgerichtlicher Weisung ist dieses Gericht zur Erhebung und Verfolgung jener ungesetzlichen strafwürdigen Vorkommenheiten, die sich gemäß Ihrer Anzeige beim k k Kreisge­richte Feldkirch vom 3' Feber d Js. gelegentlich der versuchten Gemeinde Ausschußwahl am 26ten Jänner zugetragen haben, allegirt worden.

    Zur Beförderung der Angelegenheit ist sehr daran gelegen, in die Kenntniß zu kommen, welche Personen als Beschuldigte und Zeugen vorzuladen sein werden.

    Wollen Sie daher ein Verzeichniß der Betreffenden mit so genauer Bezeichnung, daß eine Verwechslung möglichst vermieden wird, wenn thunlich umgehend anhier senden. K. K. Bez. Gericht Bregenz am 18. Juni 868

    K.K. Kreisgericht
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 17. Juni 1868

    Liebster Freund,

    Heute wieder in Eile, weil der Brief noch vor 7 Uhr zur Post muß. Nur die Meldung daß Hirzel Reich und Arm gleich zu drucken bereit ist, damit es im Herbst ausgegeben werden kann; und zwar zu denselben Bedingungen, wie die Sonder­linge. Dann Inliegendes als erste Hälfte zu Deinem Reise­gelde. Sächsisches Papiergeld bin ich ja in Au losgeworden, so kannst Dus wol im Nothfall dort auch wechseln. Nach einer ganz neuen Verfügung wird aber sächs. und preußisches Papiergeld auch auf bairischen Posten und Eisenbahnen (Staatsbahnen) angenommen. Du übernachtest in München doch wol im Stachus? Nimm Dich nur recht in Acht auf den Bahnhöfen. Grüß mir die Deinigen, auch Deinen braven Schwager herzlich, und Feuerstein nebst Frau, die Du doch wol noch siehst,

    auf fröhlich Wiedersehn hoffend Dein R. Hildebrand.

    NB. Einen Hut kauf Dir nicht etwa, ich hab wieder einen für Dich.

     

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 10. Juni 1868

    Lieber Freund!

    Ich weiß nicht, ob Dich mein Brief noch in Schoppernau antrifft, oder nicht, allein dessenungeachtet will ich Dir nun doch melden wie ich mich befinde.

    Meine L.Verhältnisse sind jetzt ganz erträglich, ich habe Arbeit u. dabei zu leben. Durch mein neues Verhältniß zum Strolz als Theilhaber, bin ich sogar gezwungen, wenn es mir nicht sonst Freude machte, vieles zu lernen, das mir sonst nie in den Sinn gekommen wäre.

    Auch die Bücher kommen mir sehr zu statten, ich lese am Sonntag meistens sehr fleißig, die letzten sechs Wochen ausgenommen, da ich in dieser Zeit Augenweh hatte u. keinen Buchstaben lesen konnte.

    Auch fange ich an, mit Land u. Leuten bekannter zu werden, ich komme mit den Gebildeten des Dorfes in Berührung, wodurch ich mit mancher Einrichtung im Staats u. Gemeindewesen u. mit mancher Sitte u. Gewohnheit bekannt werde. Ich lese auch jetzt „Müllers Geschichte der Schweiz" die noch kürzer u. kräftiger geschrieben ist, als seine „Allgemeinen Geschichten". Auch mit Deutschland habe ich mir eine Verbindung geschaft in Form der Wochenausgabe der Augsb. Algemein. Dieselbe gefällt mir gut, ich weiß durch sie immer am bündigsten, woran alles ist, besonders widmet sie Österreich viele Aufmerksamkeit. Dieses geschieht zwar auch in der Schweiz, alle Blätter klein u. groß, bringen Berichte über die Debatten u. Beschlüsse des Abgeordnetenhauses.

    Wie es scheint, wissen unsere Dicken ihren Einfluß u. ihre Stellung zur jetzigen Regierung sehr gut zur Abwerfung der Steuerlast von ihren Schultern oder ihren Geldsäken zu benützen. Nun, es ist nun doch freie Bahn gebrochen, wenn man nicht mehr zurükschaut, oder gar umkehrt, kann noch Vieles anders werden. Der Fanatismus der schwarzen Schoppernauer reicht bis hieher, wenn nicht mehr weiße als schwarze hier wären, könnte ich mich nicht sicher fühlen. Vor etwa 4 Wochen war ich in Zug, u. traf neben ändern Wäldern auch den Anton Rüscher an, wechselte aber kein Wort mit Ihm, da wir nicht am gleichen Tische saßen. Später ging derselbe heim u. die ändern auch, daheim sprach er den ändern gegenüber den festen Vorsatz aus, mich heute noch auszu­wichsen. Ein Bitzauer drohte ihm mit dem gleichen, wenn er mich anrühre, u. so bekam dieser mit dem Rüscher Händel wegen meiner.

    Sonst muß man die Landsleute als Arbeiter loben, sie sind fleißig und treu, von der Gesellschaft aber schliessen sie sich ab, sobald mehrere bei einander sind, u. bilden eine eigene, in der es mitunter bunt zugeht. Wir haben lauter Schoppernauer als Gesellen, den Jodok Natter, Pius Rüscher, Kohler von Gräsalp u. am nächsten Sonntag wird Bickels Hans auch noch kommen. Mit Reich u. Arm bist Du scheints schneller fertig geworden, als mit den Sonderlingen ich wünsche Dir viel Glück dazu, u. wenn es auch den Leipzigern zu stark sein sollte. Doch wollen wir dies nicht hoffen, denn dieselben sehen es ja doch gut genug ein, daß die Tendenz die richtige ist, wenn sie es auch nicht gern gestehen. Grüße mir Korado Buobo u. Oberhausers, der Kaspar soll mir dann mit Gelegenheit wieder schreiben.

    Alle Gesellen nebst Deinem Freunde grüßen Dich u. Deine Fa­milie.

    Josef Natter.

    Josef Natter
    Steinhausen
    Franz Michael Felder
  • 6. Juni 1868

    Liebster Freund!

    Dein letztes Schreiben hat mich recht gefreut. Mit Reich und Arm hab ich zum Theil wieder ein Stück von mir und meiner innern Entwickelung zu geben mich bemüht, und wie dem Verlassenen der Druck treuer Freundeshand thut es mir durch und durch wol, mich verstanden zu sehen. Mein Ro­man spielt sich hier in der Wirklichkeit noch täglich ab, nur der versöhnende Schluß will noch nicht kommen. Auch ich hab ihn nur innerlich gefunden. Doch davon bald mündlich. Ich freue mich recht darauf, nun bald wieder mit Dir und unsern Freunden in Leipzig plaudern zu können. Ich hab einen bösen Winter überstanden. Oft brauchte ich den Ge­danken an Euch, das Gefühl, doch nicht ganz alein zu sein, um mich aufrecht und froh zu erhalten.

    Der Kampf gegen Rüscher scheint zu Ende. Dafür haben jene kleinen kleinen Grausamkeiten des überwundenen Gegners begonnen, die zuweilen gefährlicher sind als ein offener Krieg. Rüschers Freunde schießen, ganz in der Stille, aus sicherm Versteck ihre Pfeile auf mich ab und suchen sich zu rächen. Auch das wird einmal enden. Übermorgen gehts mit Kind und Rind nach Hopfreben. Von dort denk ich zu Dir zu eilen, freilich ein wenig später, als früher meine Absicht war. Mein Schwager schrieb mir, daß er einen längeren Urlaub wenigstens theilweise bei mir verbringen möchte. Nächste Woche kommt er nach Hopfreben und wir werden dann mitsammen unsere hiesigen Freunde besuchen. Jeden­falls aber sehen wir uns noch in diesem Monath. Euren freundlichen Antrag von wegen des Reisegeldes nehm ich mit herzlichstem Dank an. So eine That der Freundschaft thut mir wol und macht mir das Herz weiter, freier. Ich hab in letzter Zeit unter kleinlichem Eigennutz gelitten und meine frommen Gegner haben meine etwas gedrückte Lage gehörig ausgebeutet. Doch Du mit Deinem, eurem Antrage, der mich so glücklich macht, hast wahrlich etwas besseres verdient, als daß ich Dir noch mit Klagen in den Ohren liege. Ich hab etwas gefunden, was Dir vielleicht nicht ganz werth­los ist. Auf eigenthümliche Weise, die sich vielleicht künst­lerisch dargestellt nicht übel ausnähme, ist hier vor 40 Jahren ein Passionsspiel entstanden. Vor einigen Tagen gelang es mir, den Text aufzutreiben. Ich kann das Ganze nicht recht (recht - wie richtig) schätzen da mir der Vergleich mit ähn­lichem fehlt.

    Die Sprache - ich bin aber noch lange nicht durch - scheint mir die des vorigen Jahrhunderts, die Redewendungen u An­schauungen aber sind wol viel älter z B Satan:

    Die Hofahrt thu ich Säuberlichkeit nennen Den Geiz als Häuslichkeit erkennen U s w

    Ich hab mehrere Abschriften, wenn du willst, kann ich eine mitbringen, auch die in der n fr Presse angedeuteten Verse werd ich mir verschaffen. Eben geht in Bezau eine Sänger­gesellschaft auf Reisen. Die Hetzerei hat nun auch gegen Freund Feurstein begonnen, der sich aber in seiner Lage nicht viel daraus zu machen braucht. Die neuen Gesetze scheinen hier die Sache nur noch verschlimmern zu sollen. Unser Volksblatt sagt, man müsse Gott und seinen Gesandten mehr gehorchen als den Menschen. Den Tag meiner Ankunft melde ich später und darf wol auch von Dir noch einen Brief erwarten mit Bericht über das Schicksal von Reich u Arm. Mit herzlichstem Gruß an Dich u alle  Dein Felder

    Rudolf Hildebrand
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 2. Juni 1868

    Lieber Freund!

    Ich habe meine Antwort wieder eine zimmliche Zeit verschoben. Dafür weiß ich nun aber auch daß du dein Reiseprojekt wegen Besuch Deines Hr. Schwagers noch auf einige Zeit verschieben werdest u. ich Dich jedenfalls in kurzer Zeit mündlich sprechen werde. Deßwegen fällt die Reisebesprechung weg. Hiemit erhältst du 2 Bändchen von Don Juan 1 Bändchen von Heine u. 1 Band von Lenaus Gedichten. Schicke mir wieder 2 Bändchen von Heine er gefällt mir mit seinem unergründlichen Witz.

    Es freute mich zu hören, daß dein letz[t]es Werk „Sonderlinge" nun auch ins Holländische übersetzt wurde es ist dieß jedenfalls ein Beleg daß dein Werk auch im Auslande Anerkennung findet. Wie mir scheint hast du die Beantwortung der Frage über die Vermögensteuer ganz vergessen; ich habe mich deßwegen an Hr. Adjunkt in Bludenz gewendet der mir sehr umfassend geantwortet, mir aber auch die Begeisterung zu meiner Idee etwas benommen hat. Schreibe mir wenn Hr. Adjunkt bei dir ist. Ich gebe mein Pferd auf die Sommerung in die Alpe Korb eine Stunde von Au und werde es selbst hinein bringen und könnten uns dann in Au treffen. Auf baldiges Wiedersehen grüßt Dich

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Meine Frau ist gegenwärtig in Bregenz u. hat sie Frau v. Beier um die Goldeise resp. Gartenlaube, die sie ihr schon voriges Jahr versprochen, wieder angegangen.

    Habe die Güte dieselbe durch den Auerboth an mich zu über­senden.

     

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 30. Mai 1868

    Lieber Freund!

    Nach Deinem letzten Schreiben könntest Du bei Ankunft dieses Briefes bereits mit den Vorbereitungen zur Abreise beschäftigt sein. Mir nun wäre das lieb, denn ich dürfte fast sagen, daß ich auf Dich warte. Ich denke nämlich an Leipzig, wo ich schon in ziemlich kurzer Zeit einzutreffen versprach. Ich unternehme die Reise auf Unkosten meiner dortigen Freunde. Schon im letzten Sommer war's ausgemacht, daß mir, wenn das Vaterland nichts für mich tun sollte, und so lang ich nicht unabhängig sei, von Leipzig ein jährlicher Aus­flug möglich gemacht werden müsse. Gern freilich war ich in diesem Jahr nach Wien, aber das ist schwer oder gar nicht möglich zu machen. Mit meinen Mitteln kam' ich augenblick­lich kaum bis zu Dir und dabei hab ich für 9 teure Käm­pen [?] zu sorgen. Hoffentlich wird ,Reich und Arm' etwas Hübsches einbringen; der Zustand gänzlicher Tatenlosigkeit wird umso peinlicher, da er mir weder den Reiz der Neuheit hat noch recht zu einer Gewohnheit werden will. Dazu kommt noch, daß einige Fromme, denen wir seit Jahren Zins zahlen, als letzter Notschuß und Rachestich mir für den Herbst aufkünden. Daß mir das besonders schwer macht, könnt ich nicht sagen. Zum Teil freut es mich sogar und gibt mir vielleicht Stoff zu einer originellen Erzählung. In Feldkirch tagen die Verfassungsfreunde in aller Herrlichkeit, wohl keiner hat so sein ganzes Sein und Können einsetzen wollen fürs Volk als ich, und nun steh ich wie allein - während sie auf gebahnten Pfaden groß und herrlich daher kommen.

    Leicht ist's, folgen dem Wagen, Welchen

    Fortuna führt! Auf gebahnten Wegen Hinter

    des Fürsten Einzug.

    Goethe

    Das und noch viel hat sich tief, tief in mich gefressen. Aber ich empfinde es nicht schmerzlich. Es ist mir zur Erscheinung, zu einem Stück Zeitgeschichte geworden, an dem nun meine Gestaltungskraft ohne Verbitterung, ja mehr mit Humor zu arbeiten beginnt. Hildebrand sieht in mir Anlagen zum Dra­matiker. Nun, dann müssen sie sich jetzt zeigen. Man sollte glauben, aus dem in letzter Zeit Erlebten ein Lustspiel mit Hinterstichen zu machen, müßte nun eine Kleinigkeit sein. Nehmen wir einmal den Griffel und schwingen wir die „Geißel der Satire" zu Schutz und Trutz. Freilich ist der Schau­platz eng, den ich übersehe, doch was sind unsere Kräh­winkeliaden anderes als Miniaturbilder der weiten fortge­schrittenen Welt. „As Lütolot" (Menschelt) überall, wenn man für das Kleine ein so scharfes Gefühl hat, wie mir bald lobend, bald tadelnd nachgeredet wird. Ich schreibe Dir diesen Brief vom schönsten Platz in Schop­pernau. Vorige Woche war ich mit der Feldarbeit fertig, und nun plagte ich mich mit einem Artikel für ein belletristisches Blatt, den ich armer Teufel, offen gesagt, nur ums liebe Honorar nach dem Geschmack des Wundertums [?] Publi­kus zusammenschmieren wollte. Ein schön Stück Arbeit, nicht wahr, ich saß da wie in weißer Halsbinde und Handschuhen und Frack und Zylinder und schwitzte und kaute an den Fingern, draußen sang und duftete der Frühling. Ringsum war Sonntag.

    Der Winter sucht die schnelle Flucht

    Im Bach zum Tal hinaus,

    Und jedes Tier und Tierlein sucht

    Im Freien seinen Schmaus.

    Unversehens fiel das mir wie die zephyrgeküßte Blüte vom rauschenden zitternden Baum auf meinen Bogen, und im Hui lag der Artikel im Frack - unterm kalten Ofen. Zehn Minuten später lag ich hier unter diesen Buchen im schattigen Moos und gab den Vögeln Audienz. Nachmittags trug ich mir meinen Schreibtisch nach, und seitdem steht er auf dem Felsen vor meinem Haus. Allerlei Gestalten stehen drum herum, und an jedem Aste der Buchen, die mich be­schatten, blüht eine Erinnerung aus der Knabenzeit. So bin ich dem Dorfe versteckt hinter Blüten der Erinnerung, und Du kannst es Dir erklären, warum ich so wenig aus der Gegen­wart berichte. Es ist ja Frühling, und man darf und muß sich berauschen an dem Hauch, welcher den Baum zittern macht, den Rosen die Röte verleiht und alles zum Duseln bringt. Daß er meiner Tinte das Wasser auszieht, wirst Du ohne Mühe bemerken. Sie wird nachgerade dick genug zu recht groben Zügen. Helfe Gott dem, der mir nachmittags unter die Feder kommt. Vermutlich ist's der Sonnenwirt in Bühelkirchen, von dem ich der Welt ein wenig etwas erzählen möchte. Von dem ist's nur noch ein Sprung ins Gasthaus zum Rößle in Au. Dort hab ich Pfarrer Birnbaumer schon zweimal getroffen und mich gut mit ihm unterhalten. Es war zwischen uns, Herzog und mehreren strebsamen Burschen schon die Rede von regelmäßigen Zusammenkünften. Birnbaumer war in Au sehr willkommen, und man hofft von ihm alles, was man wünscht. Der Käsverein wird sich nur zu bald in eine Handels­gesellschaft verwandeln, wenn die Bauern solche Spanfudler bleiben. Auch Galli muß jetzt für die Milch mehr zahlen, und das nun ist den dummen Tröpfen genug. Der Verein aber kann ohne Käse nicht bestehen. So wirkt jeder Fortschritt am Ende nachteilig für die Angefrorenen, weil er sie noch weiter von denen bringt, mit welchen vereint sie etwas erreichen könnten.

    Doch genug für heut. Ich erwarte, Dich recht bald hier zu sehen.

    Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 30. Mai 1868

    Liebster Freund,

    In Eile - kurz vor meiner, unserer Abreise nach Thüringen, wohin ich für die Pfingstwoche mit allen den Meinigen gehe (nach Arnstadt) - noch ein Wort an Dich. Ich habe Dein Reich und Arm nun durch, und wünsche Dir Glück zu dem Werke, es ist wieder ein Stück rechtes Menschenleben aus der Wurzel herausgeholt und zu einem schönen und großen Ganzen verarbeitet; ich glaube auch hier und da gegen die Sonderlinge einen Fortschritt Deiner Kunstart zu erkennen, und kurz und gut es ist ein wahrer Gewinn für uns alle. Ich kann jetzt nicht mehr schreiben, vor Reiseunruhe, aber da Du doch kommst, können wir ja einige mir fragliche Kleinigkeiten hier behaglich besprechen. Daß Hirzel den neuen Ro­man druckt, daran zweifle ich nicht nach einer vorgestern gethanen Äußerung von ihm, als er mich fragte wie mirs gefiele; er meinte, wenn mirs gefiele, wollte ers gern druk­ken. Thut ers aber endlich doch nicht, so soll das kein Un­glück sein. Aber er thuts glaub ich.

    Die Sendung nach Holland ist nun auch fort. Dein Kommen denk ich mir im Juni oder nicht viel später, doch mußt Du Dich ja nach Deinen Verhältnissen richten. Mit dem Reise­gelde bleibts bei dem Gesagten.

    Wir haben jetzt schon vollen Sommer, wochenlang sonniges Wetter, es ist eine Pracht, freilich heiß. Bei Euch wird doch noch Schnee nicht bloß auf den Höhen sein, ich möchte das schon einmal sehen. Doch für jetzt nach dem grünen, freundlichen Thüringen.

    Leb wol, grüß mir die Deinigen herzlich und alle Freunde, in Hoffnung auf baldiges Wiedersehen

    Dein R. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 28. Mai 1868

    Hochgeehrtester Freund!

    Vor allem sage ich Ihnen meinen aufrichtigsten Dank, für Ihre Mühe u. Zeitverlust, welche Ihnen die Durchsicht meiner Schriften verursachte, sowie für Ihr offenes Urtheil, das bedeutend besser ausgefallen war, als ich erwartet hatte.

    Ihre freundliche Einladung nach Lindau war mir herzlich willkom­men, indem dadurch mein längst gehegter Wunsch sich endlich zu erfüllen scheint. Obwohl derzeit in bedrängter finanzieller Lage, in Folge stattgehabten Wochenbettes meiner Frau, Anschaffung eini­ger höchst notwendiger Kleidungsstücke u.s.w., werde ich den noch die Gelegenheit nicht versäumen, um einmal persönlich mit Ihnen zusammen zu kommen.

    Es gibt eben so viele Fragen u. Erörterungen, die im schriftlichen Wege nie gründlich beantwortet werden können. Mit diesem ersuche ich Ihnen daher höflichst, mir dann seiner Zeit zu berichten,:

    an welchem Tage ich in Lindau eintreffen, u. wo ich Ihnen finden soll? Benütze ich die indirekte Fahrt über Rorschach, so habe ich 9 Std. Aufenthaltszeit in Lindau, nehmlich von Morgens 9 Uhr bis Abends 6 Uhr. Grund meines Nichterscheinens, wäre höchsten­falls: stürmische Witterung, Krankheitsfall oder ein Werktag, an welchem ich schwerlich Urlaub erhalten würde. Sonn- und Feier­tage (Pfingstmontag, Frohnleichmanstag, Peter u. Paul) habe ich frei u. stehe zu Ihren Diensten.

    Am  lezten Sonntag las ich zum  Erstenmal  im „Schwäbischen Merkur" von der Arbeiterbewegung in Wien, werde Ihnen aber meine Ansichten darüber mündlich mittheilen. Daß Sie mir Ihre „Sonderlinge" mitbringen, freut mich sehr, da ich mich ungemein für Ihre Geistesprodukte intressire. In der angenehmen Hoffnung, Ihnen bald gegenüber zu stehen, grüßt Ihnen freundlichst

    Ihr aufrichtiger Verehrer

    Fr. Riedlin

    Schlosser

    Kgl. Eisenbahnwerkstätte

    Friedrichshafen.

    Franz Michael Felder
    Friedrichshafen
    Friedrich Riedlin
  • 24. Mai 1868

    Lieber Freund!

    Die Briefe vom 9. v. Ms. und 7. d. Ms. habe ich erhalten. In diesem angenehmen, schönen Frühjahr habe ich mich so ziemlich auf das Vegetieren verlegt. Ich laß die Welt ruhig herumtanzen und schaue behaglich drein. Ich habe jetzt auch um einen fünfwöchentlichen Urlaub angesucht, den ich bald zu erhalten hoffe. Anfangs nächsten Monat würde ich, wie ihr Bauern mit Weib und Kind auf die Berge ziehen, wenn der Urlaub bis dahin kommt. Zunächst ziehe ich nach Warth mit Weib und den zwei größern Kindern. Isabella und die zwei kleinern gehen ins Montafon. Ich habe die Absicht, sofort den Bregenzerwald und das untere Vorarlberg zu durchstreifen. Wenn Du mich begleitest, ist es mir sehr recht und hoffe, daß wir dann idyllische Tage verleben können. ­Während ich dann herumscharwänze, wird wohl ein Loch in unsere Bürokratenstube gerissen werden, da die politische Organisierung bereits angemeldet ist. - Thurnher schrieb mir bereits von Bruneck, wo ihm gut geht. Die Gemeinden des Walsertals haben ihn bereits zum Ehrenbürger ernannt, damit er statt des Rinderer in den Landtag gewählt werden kann. Er meint, ich sollte suchen, mit ihm hineinzukommen, wir würden jetzt schon die Liberalen schlagen. Seine Übersetzung ist ein interessantes Stück vorarlberg'scher Geschichte. Es bedurfte einer persönlichen Unterredung des Statthalters Lasser mit Thurnher, um ihn zu bewegen, den Fabrikanten die Scheinkonzession zu machen, daß er geht. Er wurde auf Staatskosten zur Beredung vorgeladen, und der Statthalter sagte ihm dann Dinge, die seine Übersiedlung zu einer erfreulichen machten. Die liberalen Denunzianten unsers Landes haben richtig noch mehr Beamte auf die Proskriptions­liste gesetzt gehabt, wurden aber gestrichen. Das Weitere mündlich, bitte aber schon über dieses zu schweigen. ­Giskra hat den Verweis, den mir Toggenburg gab, zurückge­nommen, und mich anständig vorbeschieden, sogar noch ein Kompliment gemacht. -

    Vonbank wünscht eine Unterredung, zu der es während des Urlaubs wohl kommen wird. Diesen Mann achte ich seines edlen Charakters wegen sehr hoch. Seine Verteidigungsrede im Prozeß gegen die Rankweiler ist etwas, was ich in Vor­arlberg gar nicht gesucht hätte. Du hast ihm sehr viel zu ver­danken. Er hat gleich bei Beginn seiner Redaktion eine Masse [?] Anklagen gegen Dich nicht veröffentlicht. - Sage meinen Leuten, daß ich alle bald besuchen werde, und gelegentlich dem Jakob, daß ich die 100 Fl. wahrscheinlich bringen werde. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger Freundlicher Gruß von Thurnher.

     

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 19. Mai 1868

    Lieber Freund!

    Vor allem hab ich dir für das von Johum richtig erhaltene meinen herzlichsten Dank auszusprechen. - Reich und arm sind in Leipzig und Freund Hildebrand wünscht auch mich längstens in 4 Wochen dort zu sehen. Du nun sagtest mir von einer Reise nach Wien. Vielleicht könnten wir da die Strecke bis München zusammen machen. Willst du nicht so gut sein und mir davon schreiben. Wann reist der Bildhauer ab? Meine Sonderlinge sind nun ins Holländische übersetzt und wird das Werk nächstens mit meinem Portrait erscheinen.

    Beiliegend erhältst du die Übersetzung eines Schweizerliedes. Stülz wünschte sie bald zu erhalten und ich sende sie an dich, mit der Bitte, sie ihm vorzulesen. Die Übersetzung ist etwas frei weil ich glaubte, das Ganze könnte dadurch nicht zwar gewinnen, aber doch unserem Volke zugänglicher werden. Unsere Milch auf Aufeid ist leider wieder an Gallus verkauft. Von wem sind die Zeitungsartikel über den Verein? Es erwartet gelegent­liche Antwort

    Dein Freund Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 19. Mai 1868

    Liebster Freund!

    Glaube ja nicht daß ich weniger an Dich denke, wenn ich Dir auch nicht gleich schreibe. Die Feldarbeit hat begonnen. Schöne herrliche Tage sind über unser Ländchen gekommen. Alles jubelt und mir ist so wol im Freien, daß ich kaum noch an Dinte und Feder denke, und an das schneeweiße Papier. Gestern war ich in Hopfreben und führte Mist auf die schnee­freien Weideplätze. Da kam der erste Vergnügungsreisende und sah meiner Weltverbesserung zu. Er erfuhr dann von seinem Führer, daß das ärmlich gekleidete Bäuerlein der Ver­fasser der Sonderlinge [sei]. Herzlich drückte er mir nun die Hand. Wir plauderten lange neben dem Misthaufen und seine Frau setzte sich auf einen Holzblock vor meiner Hütte. Ich wünschte ihm von Herzen Glück auf den Weg. Mögen sie alle bei uns recht vergnügt sein, uns reicher, gekräftigter verlassen. Land und Stadt, beide haben sich nötig wie Baum­stamm und Mark. Ich sehe die Reisenden ganz anders an seit ich selbst einer war. Früher fühlte ich mich an die Scholle gewachsen, wenns mir auch da nicht recht behagte und jede Berührung mit dem Fremden war mir etwas peinlich. Jetzt aber geh ich allem mit freiem frohen Gefühl entgegen. War­um kommst nicht auch Du mit der Tasche und dem grauen Tuch vielfachem Gebrauche trefflich dienend, und machst Eroberungsreisen mit mir; dießmal müßten wir wol nach Schwaben. -

    Ich käme leicht ins Plaudern, ob ich Dich schon da hätte. Daran ist wol auch das von Dir mitgeschickte Festspiel Schuld, welches mich wieder lebhaft an einige recht schöne Plauder­abende erinnert hat. Herzlichen Dank dafür und für Deinen Glückswunsch zum Geburtstag und für alles was Du mir thust und ich armer Wicht niemals Dir vergelten kann. In der öster Gartenlaube 7 ist ein Artikel über die Fremdler und sg Freimaurer von mir erschienen, den ich Dir zuschicken ließ. Es scheint, daß Du ihn nicht erhalten hast und ich will nun „stören". Was in dem Blatt über mich gesagt wurde, ist von Pröll und hat er dazu auch briefliche Mittheilungen, flüchtig hingeworfen zusammengestellt u benützt. Letzten Sonntag machte ich mit dem Kurat von Rehmen und dem neuen Pfarrer von Au den Plan einer wöchentlichen Abendversammlung im Rößle. Denke Dir, was unsere Eiferer dazu für Augen machen. Vielleicht bringen wir auch noch vor meiner Abreise etwas zuwege. Bevor ich gehe, hoffe ich noch von Reich und arm zu hören und kann schon darum jetzt den Tag und die Woche nicht bestimmen. Jedenfalls melde ich mich vorher. Die Meinen sind alle wol und grü­ßen Dich vielmal. Der Uhrenmacher gräbt seinem Wible vor dem Haus einen Garten. Auch ich verdiene mein Brot im Schweiß und bin so vonnöth' daß ich diesen Brief zwei Tage später schließe als ich ihn begann. Lebe wol! Es grüßt Dich herzlich

    Dein Freund FM Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 15. Mai 1868

    Rechnung

    für Herrn Frz. M. Felder, Schoppernau.

    von der M. Rieger'schen Buch-, Kunst-, Musikalien- & Papierhand­lung (Joh. Thom. Stettner) über:

    vom 8. Mai 1867 bis 14. Mai 1868 erhielten Sie:

    1 Hempel, Nationalbibliothek, Lfg. 6-58

    53Lfgenä9                 Fl.      7.57

    1 Volksbibliothek76.-78.Lfgä 12    .  .  .-.36 1         -„-             Lfg 101-160

    60Lfgnä12                         12.—

    1 Schillers Werke, Lfg 12-30 ä 7

    19 diverse Lfgnä 7 .  .  .2.13 1 Brockhaus Convers. Lexikon Lfg. 98-129.

    32 diverse Lfgn. ä 18 F. 9.36 hievonab 10% Rabatt   -.54         8.42

    1867           1 Weber, Demokritos. Lfg. 1-13 ä 10              2.10

    Mai    68     1 Bibliothekausl. Classiker Lfg49 ....        -.36

    1 Ergänzungsblätter II. 9                   '.            -.21

    1 Romanmagazin III                                        -.36

    -21      1 Felder, Nümmamüller................................... 1.—

    -22         pr. Porto            Perels, Berlin                       -.11

    1 Bibliothekausl. Classiker LfgSO ....       -.27

    -29     1        -„-      -„-      -„-           29 apart   .             -.30

    Juni     12      1        -„-      -„-      -„-           51&53     .         -.57

    1 Ergänzungsblätter II, 10                                -.21

    1 Deutsche Blätter F 1867 Nr. 9 apart    .   .     -.6

    Paquet v. Leipzig p Porto                            -.36

    -27     1 Bibliothekausl. ClassikerLfg. 52.  .  .  .            -.28

    1 Ergänzungsblätter II, 11................................. -.21

    Juli       3.    2 Felder Sonderlinge 2 Bde................................ 8

    1 Bibliothekausl.ClassikerLfg54 ....            -.28

    Aug.            1        - -     - -     - -           55  ....             -.21

    -22    1        -„-      -„-      -„-           56-57   .   .              -.53

    Shakespeare, Werke Lfg. 1    ..........             -.9

    1 Ergänzungsblätter II. 12....................              -.21

    1 Paquetvon Leipzig 10 M...................             -.30

    Septb   4     1 Bibliothekausl. ClassikerLfg58 ....         -.26

    Transport    El.    51.26 1867  Transport    El.    51.26

    Septb   4     1 Ergänzungsblätter IM. 1..................              -.21

    6 Brief, Bauspapierä 14.......................             1.24

    1 Fahrordnungen der bayr. Eisenbahnen

    -.  6

    1 Brief, Post in 4°...............................              -.21

    1 Karte von AIIgäu..............................             -.36

    6 Brief                   ä9.........................             -.54

    -5    Spesen für die Kiste nach Bregenz   ....      -.54

    -18    1 Romanzeitung 1867 Bd. ll.-lll.............             3.36

    1 Eichendorff, aus dem Leben

    eines Taugenichts........................................ 1.48

    1 Dickens, BleakHouseBd 1-10   ....          1 .—

    1 Bibliothek ausl. Classiker Bd. 59 .   .   .   .     -.27

    1 Galläpfel, 1867 pr III. Quart............................ -.21

    1 Photographie Album...........................          5.24

    1 Deutsch. Liederbuch mit Singweisen .   .        1.12

    1 Paquetvon Leipzig....................................... -.48

    Oct    16.    1 Romanzeitung 1867IV. Quartal ....          1.48

    1 Bibliothekausl. Classiker Lfg 60 ....        -.32

    1 Galläpfel 1867 IV. Quart................................ -.21

    -„-    20.    pr Porto für ein Paquet nach

    Leipzig 16M................................................... -.56

    -„-    29     1 Bibliothekausl. Classiker Lfg 61   ....         -.21

    Nov   20     1 Panuetvon Leipzig 18M............................... -.54

    1 Bibliothekausl.ClassikerLfg62   ....          -.27

    Decb11      1        -„-      -„-      -„-      -„- 63   ...              -.33

    1 Paquet nach Leipzig 14 M                             -.42

    1868

    Jan.      2     1 Galläpfel f. 18681. pr:................................. 1.24

    1 Bibliothek aus. ClassikerLfg 64-65    .  .         1.6

    1 Klassische Theaterbibliothek

    Lfg1-8 à 9.....................................            ^h+2

    Jan     15     1 Gartenlaube f. 1868 N. 1 pr:............             3.36

    —„—    22      1 Paquet nach Leipzig 6 M...............             -.18

    —„—    29     8 Einbanddecken z. Hempel, National-Bibliothek

    1-8. Lilla..........................................            2.—

    1 Paquet von Leipzig 10M...................             -.30

    1 Walter, Lehrbrief d. deutsch. Styls .  .  .         -.54

    Feb.   13.    1 Biggel, Sieg des Kreuzes................             1.12

    1 Bibliothek ausl.ClassikerLfg 66-67   .  .          -.50

    May     5      1        -„-      -„-      -„-   Lfg68.............             -.30

    1 Einbanddecke zu Hempel.................             -.15

    1 Paquet nach Leipzig 8 M..................             -.24

    Transport   Fl   91.13

    1868                                                                 TransportFl    91.13

    März 19     1 Bibliothek ausl.ClassikerLfg 69  ....          -.21

    1        -"-      -„-      -„-            70  ....          -.27

    April     2     1        -„-      -„-      - -           71   ....         -.27

    -„-    16     1        -„-      -„-      -„-           72  ....              -.18

    Mai      7     1       -„-     -,-     -,-           73  ....              -.18

    1 Einbanddecke zu Hempel.................             -.14

    1 liter. Wochenbericht 1-16 gratis

    1 Paquet von Leipzig 11 M............................. -.33

    -„-    14     1 Bibliothek ausl.ClassikerLfg 74 ....           -.18

    94   9

    [durchgestrichen:]

    nachträglich noch zu begleichen als im   Jahre 1866

    vergessen (nach Angabe von Heuner):

    1 Blätter f. liter. Unterhaltung

    186611.Qu                                                   4.30

    1 Social Demokrat 1866 II Quart                       1.45

    1 Romanzeitung 1866II      -„-                            1.48

    1 Flieg. Blätter45 Bd                                        3.54

    1 Gartenlaube f. 1866 2. Semest                      1.48

    Summa    Fl 107.56 94   9 [nicht mehr

    durchgestrichen:]          ab laut Herrn Natter      13 49

    Fl    80.20

    obigen Betrag von achtzig Gulden u. 20 X Dankbar erhalten

    pr. M. Rieger'sche Buchh.

    J. Th. Stettner,

    Strobel

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 11. Mai 1868

    Lieber ferner und doch so naher Freund, Auch heute nur in Eile und Kürze, weil in die Arbeit hinein, die Meldung daß Dein Paket mit Reich und Arm gestern richtig eingegangen ist, am schönsten Maitage der in unserm Klima möglich ist; ich habe unter blühenden Bäumen und laubgrünem Dache im Garten darin gelesen und mich an dem ersten Cap. geweidet, das mir in seiner ersten Hälfte neu war. Da ist Leben und Bewegung neben der Tiefe, an der Dirs nie fehlt. Aber freilich nachher und im 2. Cap. kommst Du doch wieder auf Dein Ausspinnen von Zustän­den, die uns hier nicht gewichtig genug erscheinen - Du mußt größere, schwerere Stoffe nehmen lernen, da wird Deine Fertigkeit des correcten Ausspinnens erst zu ihrer rechten Wirkung kommen. Ich sehne mich, mit Dir darüber mög­lichst eingehend zu reden und freue mich lebhaft, daß Du entschlossen bist zu kommen. In spätestens vier Wochen, viel­leicht früher, sind wir also wieder beisammen auf freiem Boden unter unserm großen blauen Himmel bei Kunst und Wissenschaft und Freundesgespräch - da wollen wir alles nachholen wozu wir vorm Jahre nicht gekommen sind. Ich rechne darauf, daß wir beide da mehr zusammen sind als es damals möglich war; meine nächsten Freunde werden uns darin eher fördern als stören, sie freuen sich schon alle drauf. Das soll ein Leben werden, daß sich der liebe Gott im Him­mel darüber freut!

    Wann Du kommst, mußt Du mir aber möglichst genau mel­den, schon damit wir Dich am Bahnhof empfangen können; zur Noth könntest Du, wie ich damals, noch von Reichenbach aus telegraphieren lassen. Das Wetter ist jetzt herrlich bei uns, den Winter haben wir schon längst vergessen, unsere Gärten und Wälder stehn in voller Frühlingspracht. Reich und Arm wollen wir nächsten Mittwoch im Club kosten. Ich muß es doch erst ganz durchlesen, ehe ichs an Hirzeln abgebe; er äußerte das selbst. Auch mein Bleistift wird wol wieder mit thätig sein müssen. Prächtig aber dächte ich mirs, wenn wir es mit Dir zusammen wenigstens theil­weis durchgehen könnten.

    Von welchem Gartenlaubenartikel sprichst Du, den ich er­halten hätte? Ich weiß nur von dem Aufsatze über Dich in der Ostreich. Gartenlaube, meinst Du den? es scheint doch nicht so. Hast Du etwas für Keil geschrieben? An den Hol­länder zu schreiben hab ich leider noch nicht Zeit gefunden, es warten wieder mal ein ganz Dutzend Briefschulden auf mich! Aber sicher in den nächsten Tagen. Grüß mir die Deinen und Feuerstein und die gute Rößle­wirthin, es freut mich so, daß Ihr mich ein bischen im Her­zen behalten habt; ach wie gern war ich wieder einmal bei Euch. Na, wir zwei haben uns doch bald wieder. Mit Grüßen vom Club und vom Hinterhause

    Dein R. Hildebrand.

    Die Hauptsache hält ich bald vergessen: Glück zum 29. Ge­burtstage, an dem Du nach meiner Berechnung den Brief erhalten solltest.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 7. Mai 1868

    Lieber Freund!

    Gestern abends vor einem Jahr kam ich mit dem Wible als Flüchtling in Bludenz an. Damals war der Frühling hier bereits eingezogen, jetzt liegt unser Feld noch fast ganz unterm Schnee. Sonst aber hat sich hier seit damals vielerlei gebessert. Ich kann die Rüscheriade als abgeschlossen betrachten. Der Mann kommt in seiner Wut so weit, daß er sich sogar vor der Menge nur noch lächerlich macht. Die Sympathien seiner Berufsgenossen sind verloren, ja es scheint, daß er versetzt werden soll. Seine Köchin mußte schon von amtswegen fort, worüber hier der Jubel noch nicht ganz verhallt ist. Ich bin wegen meinem Tagespost-Artikel vorgeladen worden, und Rüscher kann aus den Angaben, die ich zu meiner Verteidi­gung machte, noch eine böse Suppe erwachsen. Der Pfarrer von Bizau ist durch seinen Tod einer Untersuchung ent­ronnen, die ohne mein Wissen sogleich eingeleitet wurde.

    Mit dem allem wären wir also - hoffentlich für immer - fertig. Auch ,Reich und Arm' ist endlich vollendet. Ich bin mit dem Ganzen nach einer Durchsicht recht zufrieden. Die Ultra­montanen sind leider auch mehrfach mitgenommen. 1. Ihr Einfluß auf den „letzten Willen", der die erste Verwirrung des Romans schafft. 2. Ihre Abhängigkeit von Brixen und unwissenden Kapuzinern (zeigt sich in der Erzählung). 3. Ihr Bestreben, durch die Betschwestern öffentliche Meinung zu ihrem Vorteil zu machen. 4. Ihre Abhängigkeit von diesen ihren Werkzeugen, die sie sogar im Beichtstuhl falsch leitet.

    Besondere Vorsicht erforderte die künstlerische Behandlung des letzten Punktes. Der Kaplan, in dem sich das alles spiegelt, steht unter einem tüchtigen Pfarrer, der „in Konstanz studiert" haben will. Auch der Kaplan kommt zur Einsicht und trägt schließlich zur Lösung des Ganzen bei. Das ist die Rolle, welche so nebenbei den Brixnern in meiner Erzählung ange­wiesen wird. Ich hoffe, daß das Ganze Dich befriedigen wird. Es ist zart gehalten und vermeidet alle Reflexion, um desto mehr auch in den Kreisen zu wirken, die der Hauptfrage aus dem Wege gehen.

    Die Arbeit ging bereits nach Leipzig ab. Sie kommt dorthin für mich zu guter Stunde. Letzte Woche ward mir gemeldet, und zwar von Alkmar aus, daß eben eine Übersetzung meiner Sonderlinge ins Holländische im Erscheinen ist. Der Über­setzer spricht sich sehr günstig über das Ganze aus, hofft bedeutenden Erfolg und wünscht mein Bild, um es nachge­stochen dem Buche noch beigeben zu können. Dieser Um­stand, wenn auch materiell nicht einträglich, wird mir und meinem neuen Werke trefflich zustatten kommen.

    Andres hoff ich bald mündlich mit Dir besprechen zu können. Am Montag geh ich vermutlich nach Lech, wo Pfefferkorns Xaver mit Schlossers Rosa von Au Hochzeit hält und ich als Abdanker dringend gebeten bin. Kannst Du noch keine Zu­sammenkunft ansagen, so schreibe bald, was Ihr macht. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. Mai 1868

    Lieber Freund!

    Endlich! Es ist ein ganz eigenes Gefühl mit welchem ich dieses Wort niederschreibe. Grad vor 2 Jahren und 2 Tagen hab ich Dir - nicht ohne Bangen die Sonderlinge von Bludenz aus übersendet. Die Aufnahme und sonst so vieles hat mir seitdem Muth gemacht. Ich habe mich an eine große, ja viel­leicht die wichtigste Frage gewagt. Ob man mit der Lösung die sie da findet, einverstanden sein wird, weiß ich nicht. Mein Roman will aber keine Tendenzschrift sein. Er schließt anderes nicht aus, und der Verfasser ist zufrieden, wenn man eine Minute lang sich an seinen Gestalten freut, oder sich zum Nachdenken über die Frage angeregt fühlt. Doch ich will Dich nicht mit einer Einleitung plagen. Lies das Ganze und sage mir offen was Du findest. Lieb war mir es schon, wenn ich recht bald etwas hörte. Hab ich mir doch in den letzten Tagen kaum noch Zeit gelassen. Aber Du wirst Dich halt auch nicht gleich dazu hinsetzen können. Dann aber bitte ich Dich, mir wenigstens den Empfang der Sen­dung und später allenfalls den Ersten Eindruck zu melden. Den ersten Theil hast Du zwar vor einem Jahr da neben mir gelesen, während ich an den Liebeszeichen schrieb, aber dar­auf durftest Du Dich nicht verlassen, da in Form u Inhalt manches geändert wurde.

    Hirzeln hab ich ein Briefchen beigelegt, welches Du lesen und ihm dann gelegenheitlich übergeben kannst. Noch hab ich, es fällt mir eben ein, nichts von meinem Gartenlaube­Artikel gehört; Du wirst ihn doch erhalten haben? Begierig bin ich auf die Übersetzung der Sonderlinge und ihr Schicksal. Es freut mich das schon an und für sich und ich hoffe, daß dieses Ereigniß auch Hirzeln meiner neuen Dich­tung etwas günstiger stimmen werde.

    Allmählig wirds hier denn doch Frühling und die erste Feld­arbeit beginnt. Du glaubst nicht, wie froh wir das Grün, die ersten Blumen begrüßen! Mich treibts in Feld und Wald, obwol der Schnee noch nicht weg ist. Hier wollen mir schon neue Gestalten erscheinen, aber erst will ich nun ruhen, und Frühlingsluft in mich aufnehmen. Die Meinen sind wohl. Feurstein in Bezau läßt Dich grüßen. Ich hätte auch sonst noch viele Grüße an Dich auszurichten von denen die Dich hier kennen lernten. So fragt Dir die Rößlewirthin in Au bei jeder Gelegenheit nach. Heut ist Kirchweih in Au. Es ist also ein Jahr, seit ich mich zur Flucht entschließen mußte. Ich gehe auch noch hinunter und schreibe Dir in größter Eile.

    Grüße mir die lieben Deinen und alle die mich noch nicht

    vergessen haben.

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein dankbarer Freund und Ruhestörer

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 30. April 1868

    Lieber Freund!

    Schon als lang erwartetes Lebenszeichen war mir Dein letz­tes Schreiben sehr erfeulich. Der Inhalt aber hat mich recht, recht glücklich gemacht. Du wirst dem Übersetzer antworten und vielleicht seinen Wunsch wegen der Vorrede erfüllen. Ich überlasse das ganz Dir, denn ich weiß, wie Du für mein Bestes bedacht bist. Laß ihn mir aber freundlich grüßen, spreche meine Freude über seine That aus und bitte ihn wenigstens für uns um einige Exemplare. Wenn Du willst, kannst Du ihn auch auf reich und arm aufmerksam machen. Dieser Roman, ich glaube mir die Bezeichnung erlauben zu dürfen, ist nun fertig. Eben lesen wir, ich und das Wible, ihn zusammen durch und haben dabei recht schöne Stunden. Ich bin mit der Arbeit sehr zufrieden. Man hat es darin fast nur mit guten, zum Theil allerdings verirrten Leuten zu thun, deren Wesen und Wirken wol auch andere interessieren dürfte, die meiner Heimat fernerstehen. Es sind Menschen mit ihren Vorzügen und Fehler[n]. Ich bin unsäglich begierig auf Dein Urtheil und kann es kaum noch erwarten, bis Du Dich darüber aussprichst. Ich werde Dir daher schon in der nächsten Woche das Ganze übersenden. Hirzeln kannst Du das Nötige melden. Das Weitere können wir wol mündlich abmachen, wenn Dir eine Unterhandlung peinlich sein sollte, denn ich denke ernstlich an die Reise nach Leipzig und es wäre möglich, daß ich schon Anfangs oder Mitte Juni käme, während die Meinen in Hopfreben sind. Es wird ohne mich schon enge genug in der kleinen Hütte. Die Artikel im Wanderer und Tagespost haben die Behör­den zum Einschreiten gedrängt. Ich habe seit dem letzten Brief Unglaubliches erlebt, aber im Ganzen macht sich die Sache immer besser und ich kann mit dem Erfolge sehr zu­frieden sein. Sogar der Klerus läßt Rüscher fallen. Der Mann ist wüthend, aber er kann bloß leeres Stroh dreschen. Der Erfolg unseres Käse-Vereins ist ein glänzender, das Ländchen hört immer mehr auf mich und ich fühle mich von nichts mehr als von Mangel gedrückt. Hoffentlich ist das, wenn nicht zu überwinden, so doch zu ertragen. Die Vergrößerung der Familie durch meinen Martin hat mich doch gefreut u dem Wible thut es wol, das Kind mit dem Nahmen seines Vaters anreden zu können, der vor 11 Jahren starb. Hier hats noch 2 1/2 Fuß Schnee, der Frühling wird aber nun schnell einziehen. Ich freue mich auf die milde Jahreszeit und auf Leipzig und auf reich und arm und auf die Sonder­linge im Holländischen. O das Leben ist doch hübsch über­all wo mans erfaßt oder nur eine Strecke geht und etwas thut.

    Lang ist mir nie so wol gewesen als jetzt vor meiner voll­endeten Arbeit. Ich halte das für ein gutes Zeichen. Viel viel möcht ich von meiner Arbeit sagen, aber Du wirst sie ja lesen und dann können wir, und mündlich darüber reden. Laß mir den Club und alle Treuen grüßen, und melde meine Freuden allen, die auch meine Leiden und Sorgen theilten. Von der Verfolgungsgeschichte will ich im Sommer erzählen bis ihr mehr als nur genug habt. Heute kein Wort mehr da­von. Lebe recht recht wol! es grüßt dich herzlich

    Dein Freund F M Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 27. April 1868

    Lieber Freund!

    Von meinem Übergang so ziemlich wieder hergestellt, war ich immer mit meinem Roman beschäftigt. Ich lebte mich ganz in ihn hinein und aus unsern elenden Dorfhändel heraus drum sag ich Dir von den Letzteren nur, daß Rüscher es immer buntertrieb, biserdie Achtung auch seiner Berufsgenossen verlor. Mit solchem Gegner nun mag ich nichts mehr haben und überlasse ihn der strafenden Gerechtigkeit. Er ist im Anklagezustand, und ich wurde bereits, ohne geklagt zu haben, zu einer Einvernehmung über die jüngsten Thatsachen vom Staatsanwalt vorgeladen. Bei dieser Gelegenheit sah ich in Bezau ein Bischen vom Frühling, der hier noch immer nicht kommen will.

    Mein Roman ist eben fertig geworden. Ich freue mich der Arbeit, in der ich manches vermied, was mir später an den Sonderlingen mißfiel. Ich will das nicht lobend erwähnen, weil ich glaube, daß es auch von Dir gefunden werde. Daß Die Helden keine Grübler mehr sind hast Du schon gesehen und wol auch daß das Ganze nirgends von des Gedankens Blässe angekränkelt erscheint. Du hast ja den ersten, jetzt etwas veränderten Theil gelesen, aus dem der zweite mit dem tragischen Schlüsse ganz natürlich heraus wächst.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. April 1868

    Lieber Freund,

    Ich muß Dir doch endlich schreiben, obwol auch nur kurz, ich bin sehr gedrängt und dabei etwas angegriffen. Zunächst meinen herzlichsten Glückwunsch zur glücklichen Vermehrung Deiner Familie, und denselben Glückwunsch vom Club und vom Hinterhause, besonders von den Frauen, die das Wible aparte grüßen lassen. Es ist doch alles munter und wohl? Auf welchen Heidennamen hast Du denn dießmal taufen lassen? Laß mich das und anderes Genauere doch bald hören.

    Die Einlagen Deines letzten Briefes haben mir viel Vergnü­gen gemacht, obwol von Deinem Bericht über den Wirts­hauskampf damals doch auch wieder Ärger und Noth für Dich zu fürchten sind. Verhalten sich denn die Gegner ruhig? Tapfer ist die Zuschrift des Wiener Turnvereins. Bei dem Berichte über Dich von Prölß hat wol Dein Schwager oder Du selbst Stoff geliefert? Ich habe alles Hirzeln zu lesen ge­geben.

    Heute komme ich aber wieder mit einer Freude für Dich aus Holland. Ich will Dir lieber gleich den Brief selbst mit­schicken, mit der Bitte, daß Du mir ihn so bald als möglich wiederschickest, damit ich dem guten Manne schreiben könne. Er hat Deine Sonderlinge also ins Holländische über­setzt! Das freut mich ungemein. Das Geschäftliche bei der Sache ist leider nicht erfreulich; d.h. es besteht mit Holland noch kein Staatsvertrag, wonach Verfasser und Verleger von dort Antheil am Gewinn in Anspruch nehmen könnten. Ich werde aber in meinem Briefe an den Übersetzer eine An­deutung mit einfließen lassen, ob man dabei nicht Deiner gedenken wollte. Oder willst Du selbst an ihn schreiben? Dann schick uns nur den Brief mit. Eine Photographie von Dir will ich ihm auch schicken, ich habe noch welche hier. Doch ich muß heute schließen. Mit besten Wünschen für Dich und alle Deine Lieben

    Dein R. Hildebrand.

    BEILAGE:

    HENDRIK FREDERIK WILLEM GROTTENDIECK

    AN RUDOLF HILDEBRAND

    Alkmaar 20. April 1868 Verehrtester Herr Professor!

    Obwohl Ihnen gänzlich unbekannt, nehme ich mir die Frei­heit, Ihnen zu schreiben. Darf Ihnen meinen aufrichtigen

    Dank zubringen dafür, daß Sie mich wie viele andere in un­serem Lande durch Ihren geehrten Artickel, Franz Mich. Felder, ein Bauer als Dichter, Gartenlaube 1867 No 15, mit dem Dichter der Sonderlinge bekannt gemacht haben? Herrlich schöne Stunden habe ich mit Felders ruhig u. klar und scharf gezeichneten Charakteren durchlebt. Diese ein­fachen herzhaften Bregenzerwälder sind Menschen mit Kopf u. Herz, nicht nur Hirngespinste eines Autors. Felder hat in seinen beiden Werken angezeigt, daß er Dichter - Künstler ist.

    Möge er uns noch vieles schenken! In dieser Hinsicht weiß ich, bin ich [im] Niederland der einzige nicht. Im Original haben viele schon seine Dichtung genoßen. Den nämlichen Genuß, den ich und viele ihm verdanken, wird bald allen Holländern geboten werden. In kurzer Zeit wird eine von mir gewagte Übersetzung herausgegeben werden. Gänzlich unbekannt ist Felder den Holländern nicht mehr. Jule le Guls (der Führer) einer im Ton der Revue des Mon­des gehaltenen Monatsschrift, hat einen sehr netten gedie­genen Artickel über Felder veröffentlicht. Dadurch ist das Intereße auch bei dem nicht Deutsch lesenden Theil meiner Volksgenoßen erwacht.

    Nun möchte ich gern meine Übersetzung mit einem Vorwort über Felder einleiten: an wen, dachte ich, würde ich mich besser wenden können, als an Sie. Alles was von Felder mir bekannt ist, außer dem Ihrigen obengenannten Artickel, auch nach den deutschen Blättern 1867 No 7, 20, 21, 26. Seit den letzten Bericht, den seiner Flucht, ist mir nichts weiteres mehr von Felders Schicksal bekannt. Sie wissen vielleicht näheres von ihm. O, wenn Sie die Güte haben wollten, mir etwas mehreres Näheres, von Ihm zukommen zu lassen, ich werde Ihnen meinen schönsten Dank dafür bringen. Ist vielleicht auch bekannt, ob von Felder ein Bild zu haben ist? Es sei was es wolle, wenn es ihm nur ähnlich ist. Wenn ich wüßte woher, ich würde es mir kommen lassen, u. nachgestochen es meiner Übersetzung beifügen.

    Hochgelehrter Herr Professor!

    Entschuldigen Sie gefälligst dieß mein Fehlerhaftes Schreiben, erinnern sie sich gütigst, daß die deutsche nicht meine Mut­tersprache ist.

    Hochachtungsvoll

    Ihr ergebenster Diener H. F. W. Grottendieck zu Alkmaar (Provinz Noord Holland)

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 20. April 1868

    No 132.

    Dem

    Hl. Franz Michael Felder in

    Schoppernau

    Sie werden hiemit angewiesen, zu einer Einvernahme am Freitag

    den 24. d. M. früh 10 Uhr im Zimmer No 1 dahier sich einzu-

    finden.

    K.k. Bezirksamt Bezau am

    20. April 1868

    Müller

    K.K. Bezirksamt
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 11. April 1868

    Verehrtester Herr Vorstand des Männer Turnvereins. Der im „Wanderer" erschienene Artikel entstand in einer der schlaflosen Nächte, welche die darin erzählten, und andere kaum glaublichen Thatsachen mir bereiteten. Das Gefühl der Ein­samkeit und des Verlassenseins drückte mich hier im engen ver­schneiten Bergthal um so peinlicher, weil ich mich in einem Kampf mit Gegnern sah, wie ich sie doch anderwärts schon so ziemlich überwunden, oder doch zu anständigerer Angriffsweise schon durch ihr eigenes Interesse gezwungen wußte. Ihre Gemeinheit ließ den Kampf keinen zeitgemäßen werden. Es war eigentlich nichts dabei zu gewinnen, als ein Zustand, wie ihn uns die Gesetze selbst unter der Herrschaft des Konkordates zu sichern suchten. Und doch ward ich gezwungen, für mich und meine hießigen Freunde einzustehen. Ich rief, und ein kräftiges „Gut Freund" freiheitsstarker Männer war die Antwort, und ist mir, dem Halbkranken, Niedergedrückten der Auferstehungsruf geworden.

    Ich wollte, mußte selbst antworten, das aber konnte ich leider damals nicht, weil die Fieber geschüttelte Hand die Feder nicht zu führen vermochte. Aber die Antwort an die Vorkämpfer der Freiheit am Donaustrand mußte die erste sein, die ich seit dem 20. März außer dringender Geschäfte schrieb.

    Was noch soll mich ängstigen und muthlos machen, wenn mir selbst die Gemeinheit meiner Gegner das Glück verschafft, deutsch und frei gesinnten, frischen, frommen, fröhlichen Männern am Donaustrande die freiheitsstarke Rechte zu drücken über all die Berge hinüber, die uns nur noch äußerlich trennen? Wol erlauben meine Mittel mir nicht, den verehrten Kreis von Männern kennen zu lernen, der im vielbewegten Leben und Treiben der Reichshauptstadt noch so liebevoll des armen, einsa­men Bäuerleins gedenkt. Aber geistig bleiben wir uns nahe, und in jeder trüben Stunde soll und wird mir zum Tröste gegenwärtig sein, welche Herzensfreude mir einst aus dem von erbitterten Gegnern ausgestreuten Samen erwuchs.

    Um meine Freude über die werthe Zuschrift etwas nachzu­empfinden, müßte man sich in meine Lage, in dieses Thal denken können, wo die Hetzerei seit jenem Artikel fast immer wuchs und auch jetzt noch keineswegs zu Ende ist. Erst dann wüßte man, wie mir der Zuruf von Männern, die am Donaustrande sich brüderlich zusammenthun und das Banner der Freiheit hoch halten, mir ein Ereigniß war, in dem ich das Morgenroth einer neuen schönen Zeit zu erblicken glaube. Glück auf!

    Herzlichen Gruß und Handschlag allen Mitgliedern des Männerturnvereins von Ihrem ergebenen

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 9. April 1868

    Lieber Freund!

    Seit fast einem Monat sitze ich zwischen vier Pfählen, unfähig eines großen Gedankens, und leide an etwas, das man hier kurzweg Übergang nennt. Ich kam, wenn's nun fertig ist, noch besser weg als viele sonst. Wahrscheinlich hab ich mich in den letzten Tagen gesund geärgert über die beiden Vor­steher. Mochte man sie bedrohen, beschimpfen und alles, wenn sie auch die täglich wachsende Aufregung zu fürchten fast so viel Ursache hatten als ich, in den Pfarrhof gehen und Rüscher um Frieden und Versöhnung bitten, das hätten sie nicht sollen. Siehst Du nun die liberale Wahlkommission, wie Dr. von Schweitzer sie zeichnete [?]. Dem Sohn des Altvorstehers hat freilich wegen der Rüscheriade die Heirat mit Verolars M. Kathrinno in Au, die auf Ostern bestimmt war, falliert, aber so butterweich hätte Moosbrugger nun doch nicht mehr werden sollen. Meine Freunde, die s.g. Freimaurer, stellen sich nun noch fester um mich und warnen mich vor meinen liberalen Freunden - ist nicht nötig. Am Sonntag wurde von der Kanzel aus großer Friede verkündet. Uns hat es ordentlich angeekelt, so elend ist's geschehen, aber im Grund muß man doch froh sein, daß man wieder frei atmen und wenigstens beim Tag ausgehen kann. Daß augenblicklich nicht etwa die ultramontane Partei, wie sie sich jetzt gibt, mir gegenüber steht, ist mir ganz klar, drum hab ich auch gleich an die Leipziger Reise gedacht, die ich ja doch zu machen gedenke. Das sah weniger einer Flucht gleich, obwohl es eine war, dringender geboten als die letzte. Doch Du siehst das aus den mitgeteilten Tatsachen, deren ich noch ganze Bogen voll beifügen könnte. Auch ich hab einen Schritt getan, um noch ärgere Aufregung zu verhüten. Am letzten Samstag wurden endlich die Wahlstürmer vom 26. Jän­ner, die rohesten Leute, vorgeladen. Die Vorstehung und Wahlkommission bat, ja doch nichts mehr zu machen, weil man sonst nicht mehr sicher sei. Sie tat mir das aber viel zu zahm, und ich schrieb folgendes: Löbl. k. k. Bezirksamt. Angesichts der durch einen von H. Pf. Rüscher am 26. März in der Kirche gehaltenen Vortrag gewachsenen Aufregung, welche so weit geht, daß man öffentlich sagt, man sollte mich erstechen, wage ich nicht, jetzt neues öl aus längst verges­sener Zeit ins Feuer gießen zu lassen, und ziehe, roher Gewalt weichend, meine in Feldkirch gemachte Klage wegen Ehren­beleidigung zurück.

    FMF

    Ich hoffte im Stillen auf diese Eingabe hin kein gänzliches Niederschlagen der Sache, sondern eine Vertagung, und habe, wie die Antwort beweist, auch richtig gerechnet. Dafür, daß meine Eingabe bei den Akten bleibt, ist durch Verweigern der Unterschrift auf der Eingabe der Wahlkommission gesorgt. Nun aber von anderem!

    Am 16. ist Versammlung der Bezauer Assekuranz. Ich hoffe, bis dahin doch kräftig genug zu sein, um die Reise wagen zu dürfen. Könnte man daran vielleicht auch unsere Konferenz Freitag oder Samstag knüpfen? Ich laß Euch freilich wenig Zeit und bitte daher, mir zu schreiben und allenfalls selber einen Tag zu bestimmen, da es mir bis zum 1. Mai immer gleich paßt. Aber wohin. Im Sommer komm ich nach Bludenz, aber jetzt ist's über die Berge sehr gefährlich. Auch in Warth sind der Krämer und sein Sohn verlawinet worden. Also Bregenz oder Dornbirn. Nenne Du selbst den Ort. In Bregenz könnten wir beide uns auf der Post, in Dornbirn in der Gans treffen. Mein Roman wächst aber langsam, und in dieser Hinsicht möcht ich allerdings noch 14 Tage beim Schreibtisch bleiben. Dieser Brief entsteht abends 10 Uhr, um morgen ganz für den Roman zu sein. Ich hoffe, es wird eine hübsche Arbeit, gewiß weiß ich das erst, wenn ich mich nicht mehr so ängstlich mit dem Einzelnen beschäftigen muß. Der Schluß braucht noch Stimmung, und die hat mir bisher gänzlich gefehlt. Heut schien sie endlich zu kommen. Übrigens ist das kein Leben, sich mit einem Rüscher balgen und dabei noch von seinen Bullenbeißern, zu deutsch Hunden, fürchten zu müssen. Einstweilen ist's freilich in der Hinsicht besser. Die Friedenspredigt werd ich Dir erzählen. Einstweilen bleib ich nun doch da und sehe mir noch den neuen Frieden an. Die Feldkircherin wird mir noch fleißig zugeschickt, obwohl ich sie bisher noch nicht wieder bestellt habe, was aber ge­schehen wird. Sag der Isabell, Strolzo Serafin sei gestorben und der [die] Tresel wolle mit einem Erztaugenichts von Schwarzenberg heiraten. Man sucht vergebens auszureden. Anderes mit Dir mündlich.

    Schreibe bald, aber nicht eher, als bis Du einen Tag für unser Zusammentreffen bestimmen kannst. Der Schlosser Riedlin schickte mir seine Schrift ,Aus dem Leben eines Proletariers', für die er - wohl vergebens - einen Verleger sucht. Das Gefüge ist mangelhaft, aber Einzelnes nicht wertlos und nicht ungeeignet, etwas umgegossen in einem Blatt zu erscheinen. Mehr später. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 8. April 1868

    Euer Wohlgeboren!

    Durch die Gartenlaube bereits auf Sie aufmerksam gemacht, folgte ich Ihren literarischen Bestrebungen welche unter so eigenthüm­lichen Verhältnissen und mit großen Schwierigkeiten kämpfend sich endlich Bahn brachen und zur Geltung kamen mit großem Interesse daß ich schon lange den Wunsch hatte mit Ihnen in einen literarischen Verkehr zu treten, und dazu findet sich nun eine Gelegenheit. Es erscheint Ende dieses Jahres unter meiner Redack­tion ein Jahrbuch des Erz und Riesengebirges, dessen Erträgniß zur Hebung der Erwerbsthätigkeit in den beiden Gebirgen bestimmt ist. Sie als ein Sohn des Gebirges kennen die Sorgen und Leiden der Gebirgsbewohner aus eigener Anschauung und es dürfte Ihnen vielleicht erwünscht seyn sich mit einem Beitrag zu betheiligen. Sollte dieß der Fall seyn, so ersuche ich Sie mir den prosaischen Aufsatz welcher mit 58 fl öw für den Druckbogen honorirt wird bis Ende April oder Anfangs May einzusenden. Mich Ihrer Theilnahme empfehlend, unterzeichnet sich achtungs­voll

    Euer Wohlgeboren

    ergebener

    Clemens Ritter

    von Weyhrother

    Nr. 994/2

    Clemens Ritter von Weyhrother
    Prag
    Franz Michael Felder
  • 6. April 1868

    Lieber Freund!

    Eben erhalte ich Deinen Brief vom 3. d. Ms. Ich eile, heute noch diese Antwort zur Post zu bringen. Ich würde es für zweckmäßiger ansehen, daß Du in der Stille zu mir herauf kämest. Hier wärest Du wie daheim und könntest an Deinem Roman sicher und in aller Ungestörtheit arbeiten. Von hier aus könnten wir Deine bornierten und leidenschaftlichen Gegner viel besser bearbeiten, als wenn Du im Bregenzerwald steckst. Die intelligenteren Geistlichen im Lande habe ich, wie ich von allen Seiten höre, mir sehr sympathisch gestimmt. Mit Hilfe derselben ist es mir, wie ich fest glaube, möglich, in kurzer Zeit derart auf Rüscher und Konsorten einzuwirken, daß Du herrlich rehabilitiert wirst. - Deinen frühern Brief will ich im allgemeinen heute nicht beantworten, da die Antwort nicht zu Deiner Lage passen würde. Nur soviel will ich be­merken, daß nicht ich für's Volksblatt Artikel schreibe, sondem daß das Volksblatt fürmich, d. h. für uns, Artikel ge­bracht hat, von denen einer aus meiner Feder floß. Das Blatt hat sich gewendet, nicht ich. Meine Stellung zu diesem Blatt modifiziert meine Urteile daher in keiner Art. Dieses hat die Feldkircher Zeitung besser erfaßt als Du. - Die Feldkircherin macht durch Wiedergabe Deines Artikels aus der Tagespost eine maliziöse Spekulation auf ein Zerwürfnis zwischen uns und dergl. Dieser Akt der Zeitung beweist merkwürdig gut, wie recht ich in dem von Dir so übel aufgenommenen Brief hatte. Ich halte dafür, daß sie das Zerwürfnis für ausgemacht hält, wenn Du jetzt sicherheitshalber Dich wieder entfernst und zu Leuten außerhalb unserer Familie gehst. - Eine Leiden­schaftlichkeit gegen Deine nächsten Bedränger sollte Dir den Blick in die wirkliche Sachlage nicht trüben und Dich nament­lich nicht zu unklugen Schritten bringen. Es ist jetzt nicht die ultramontane Partei, die Dich verfolgt, es sind die nur Fanatiker, die die Partei selbst tadelt. Rüscher wird überall desavouiert werden. Vonbank hat mir versprochen, Deine Streitigkeiten zu schlichten, nur müsse man ihn machen lassen. Von diesem Gesichtspunkt aus habe ich im letzten Brief über Eure Erklärung etwas bemerkt, was mir noch so vorkommt. Daß beim Volksblatt durch uns eben eine Krisis eingetreten ist, das solltest Du bereits los haben. Wie sie ausschlägt, das hinge von der Konferenz ab. Sie würde sicher uns zu Gunsten ausschlagen, wenn Du entschiedenes Ver­trauen zu mir bewahrt hättest und mir fest an die Seite getreten wärest. Bei der jetzigen Sachlage wird dieser mein zweiter Versuch, etwas Zeitgemäßes in dem Vorarlberger Zeitungs- und Parteiwesen durchzusetzen, vielleicht nicht mehr Erfolg haben als der erste. - Die Freunde Thurnhers zahlen ihm, wenn er im Land bleibt, seinen vollen Gehalt aus.

    Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Kaspar Moosbrugger

     

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 4. April 1868

    Löbliches k k Bezirksamt!

    Angesichts der hier durch einen in der Kirche von Herrn Pfarrer Rüscher gehaltenen Vortrag entstandenen Aufregung, welche so weit geht daß man öffentlich sagt, man sollte mich erstechen, meine Brut umbringen und mein Haus verbrennen, wage ich nicht mehr, neues Öhl aus schon vergessener Zeit ins Feuer zu gießen und ziehe meine in Feldkirch, der Gewalt hier nachgebend, zurück.

    Ergebenst

    Schoppernau den 4 April 1868. Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    K.K. Bezirksamt Bezau
  • 3. April 1868

    Lieber Freund!

    Mein letztes Schreiben hat kurz erzählt, daß Rüscher unsere Erklärung in der Kirche vorlas, erklärte und verdrehte, wie wohl noch selten ein Schriftstück verdreht worden ist. Wir hätten nach diesem erklärt, mehrere „einzelne Verkünder des Worts wollten durch falsche Lehren das Volk vom Wege des Heils abbringen". „Diese drei Ehrenmänner und Auchkatho­liken haben also die ganze Priesterschaft beschimpft" usw.!!! Mittags hieß es öffentlich auf dem Kirchplatz: Man sollte uns erstechen. Einzelne sprachen das schon in der Kirche aus. Auf dem Heimweg bekamen die Weiber beider Parteien überall Händel, und es ging zu, daß es gar nicht zum Be­schreiben ist. Seitdem heißt es, man sollte mich und meine Brut umbringen. Alles ist überzeugt, daß mein Haus nicht mehr stände, wenn es allein verbrannt werden könnte. So wird hier von den Frömmlern der vielbesprochene Satz der Gesichtspunkte bestätigt. Am Donnerstag nach der Messe ging Rüscher fort und sprach selbst die Besorgnis aus, daß bis zu seiner Wiederkunft ein Unglück geschehen könnte. (So wird erzählt.) Am Freitag abends, das hab ich aus bester Quelle, sollte der Baum vor dem Hause des Vorstehers umgehauen werden. Das hätte eine hübsche Geschichte gegeben. Nur die furchtbar stürmische Nacht hat vielleicht Mord und Totschlag verhindert. Des Pfarrers Köchin selbst hat das gesagt. Sie wurde die ganze Nacht von dem Gespenst einer jüngst verstorbenen Plaudertasche verfolgt. Am Samstag in der Früh kam sie in die Krone, um eine Schwatzerei über mich ins Reine zu bringen, schimpfte dann aber auf dem Heimwege den ihr begegnenden Vorsteher einen Lümmel. Nachmittags kam Rüscher in etwas demütiger Stimmung heim. Am Sonntag fanden sich abends Burschen zusammen, um den drei Ehren­männern die Fenster einzuwerfen. Sie sollen einen Gesandten zum Pfarrer geschickt haben, und so ist denn das bisher unter­blieben. Der Uhrenmacher schläft neben geladenem Gewehr, auch andere meiner Freunde beginnen sich zu bewaffnen. Nur ich bin wehrlos, da mir das Amt auch den Schutz der Gesetze nicht zuteil werden läßt. Die Gegenerklärung in der Landeszeitung sagt mir sehr viel. Man zieht die ändern aus der Sache, ich aber bin rechtlos. Und doch haben wir nur den Glauben bekannt. Mir ist klar, was ich unter solchen Umständen tun kann. Eben weil ich den Kampf nicht auf­geben will, muß ich an die Sicherheit meiner Person denken und würdigere Gegner suchen, die mich nicht damit wider­legen, daß sie ihre Hunde auf mich hetzen. Ich werde, sobald ich wieder ganz wohl bin, Feurstein u. a. um ein Darlehen ersuchen, meine hiesigen Schulden bezahlen und dann ohne Lärm nach Leipzig dampfen, um dort ruhig meinen Roman zu vollenden und das Weitere zu erwarten. Sollt ich mich dort nicht anders durchbringen, so kann ich unseren Sprach­und Spruchschatz im Wörterbuch verwerten und nebenbei Artikel schreiben. Vielleicht gelingt es mir dann auch, einige Verbindungen in Wien fester zu knüpfen, sonst aber hab ich auch Anträge von Berlin. Oder soll ich hier den Ultramon­tanen eine Waffe für sie in die Hand geben helfen, während ich von ihnen meines Lebens nicht sicher bin. Was wir an­streben, ist im allgemeinen Arbeiterverein gegeben. Ich werde nach dem Erscheinen von ,Reich und Arm' die Verbindung von Schweizer suchen. Das sind so meine Pläne, und Du wirst keine bessern wissen. Es hängt ganz von den Umständen ab, ob ich an der Versammlung werde teilnehmen können, die Vonbank wünscht. Ich hielt auch ihn an das Programm gebunden, und Artikel, wie den über das Jesuiten-Gym­nasium, hab ich im Volksblatt keine mehr zu lesen erwartet. Sind etwa nur wir ans Programm gebunden? Nun aber wird's Zeit, daß ich schließe. Wie es hier steht, hast Du nun gehört. Der Abdruck meiner Schattenbilder in der Feldkircherin wird nichts bessern, wenn ihn auch Rüscher nicht mehr in der Kirche verlesen und verdrehen sollte, was erst noch zweifelhaft ist. Erwäge meinen Bericht, und da Du sonst nicht viel für mich tun können wirst - hat doch auch Vonbank noch nichts ausgerichtet- so schreibe doch bald. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Felder

    Siehe Nachschrift:

    In Au hab ich viele Freunde, vor allem werde ich mich umsehen, ob ich nicht dort ein Unterkommen finde, etwa bei Greber oder in Bezau. Ich möchte doch meinen Roman hier vollenden. Vielleicht könnte sich bis da etwas ändern. Käme Rüscher fort, so war gleich alles etwas besser.

    Der Obige

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 28. März 1868

    Verehrtester Herr!

    Meinen herzlichsten Dank für Ihre so baldigen gütigen Zeilen samt Einlage welche ich ungesäumt Freund v. Bergman selbst über­brachte welcher Zimmer hütten muß wegen leichtem Unwohlseyn. Ich habe Ihnen von demselben viele Empfehlungen u. Grüße zu melden; er, ich wie andere Landsleute sind empört über das Treiben dortiger gewisser Herrn. Hoffentlich wirds sie wohl nicht viel nützen - die Jetztzeit fordert ihre Rechte - entweder - oder!! Mein Sohn Albert, der sich Ihnen ebenfalls höfl empfehlen last ist am Meisten bey u. um Hr Bergmann u. freut mich als Vater, daß er an dem gelehrten Freund so viel Gefallen hat. Bin neugierig, ob u. wie Albert in seinem anzuhoffenden Beruf sich machen wird; er ist mir fast zu viel über u. bey Büchern!! Nun ich habe nur 2 Söhne u. da soll jeder nach ganz freyer Wahl sich den Stand wählen ­Können Ihnen denken, daß da Karl Jurist - Albert Philosof gibt es manche verschiedene Ansichten - Dispute etc. etc. Besonders bey jetziger arg bewegter polit. Zeit- ich als gewesenes „Lehrerle" ­höre zu u. denke mir m. Theil.

    Hr Bergmann fragte mich, ob Sie nicht anher kommen etwa zum großen Scheibenschießenfest? Leider mußte Antwort schuldig blei­ben; er übergab mir so eben ihm von Innsbruck gesandte neueste Karte von uns. I. Landl, welche zu dem Werkchen gehört, was gerade jetzt unter der Presse sich befindet bey Wagner - 15 Bogen stark - u. welches noch im Juli erscheinen soll. Das Kärtchen erlaube mir als aller Neuestes Ihnen zu senden mit der Bitte um gut. Aufnahme u. mir es nicht übel zu deuten indem ich später wieder ein anderes Exemplar bekomme.

    Also eingeschneit sind Sie noch - nun ich kann mirs denken, wenn ich mich an die Winter in Schreken u. im Walserthal erinnere etc.

    etc. Wir hier haben, ob wohl nördlicher, längst schon kein Schnee

    - eher Staub - Wind vorherrschend.

    Mit vollster Verehrung empfielt sich Ihnen

    ganz ergebenst M. llg.

    Martin Ilg
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 26. März 1868

    Lieber Freund!

    Ich leide am Übergang, der hier niemand übergeht, daher kam ich leider gestern nicht in die Kirche, wo es doch so interessant gewesen wäre. Pfarrer Rüscher las nach dem Evan­gelium mit wutheiserer Stimme - unsere Erklärung aus der Landeszeitung vor und machte dann darüber, natürlich be­sonders über die ihn treffende Stelle, ein Langes und Breites, ganz ähnlich der Auslassung der Feldkircher Zeitung über einen Gesichtspunkt. Es scheint also diese Logik ziemlich gemein - allgemein wollte ich sagen -, denn das andere zeigt sich durch sich selbst.

    Abends nun kommt ein Brief von Dir und möchte das Er­scheinen unserer Erklärung ebenfalls bedauern. - Es ist end­lich Zeit, daß die Herren zur eigenen Ehrenrettung in sich gehen. Gestern will man aber davon nichts gemerkt haben. Meine Angaben über Müller sind wahr und haben auch den Zweck, daß ihm die Akten abgefordert werden, was nun geschehen sein soll. Für uns Wälder ist's kein Unglück, wenn man ihm auf die Finger klopft. Es gibt drum Gerichte für den Richterstand. Du selbst hättest so geurteilt, bevor Du Artikel für das Volksblatt schriebst, aber daß Du nun auch mein Vertrauen mißbrauchen werdest und müssest, glaub ich Dir selber noch nicht und erwarte meine Abschrift. In der Tagespost ist von mir gar nicht die Rede, die Partei aber muß ich eine liberale nennen. Altvorsteher Moosbrugger und Lump werden auch schwer etwas anderes so schnell werden. Meine Partei nenne ich übrigens nicht liberal, son­dern die Freimaurer, d. h. alle Denkenden. Beide Bezeich­nungen ziehen sich durch den ganzen Artikel, und zwar so, daß die Liberalen uns dienen. Auch im Schlußsatz liegt die Auslegung: Der Freund des Volkes wendet sich mittels freier Presse an die Öffentlichkeit, wenn ihn auch keine Gewaltmaßregeln des Ministers unterstützen. Diese Auslegung ist auch da und dort gemacht worden. Der Satz heißt doch: „Ich hab nicht darauf gewartet', oder er ist sinnlos. Unser Giskra ist dem Wälder geläufig wie unser Rüscher, Du weißt, daß es mir nicht an Beiwörtern fehlt, und wenn ich Deine Auslegung wünschte, hätt' ich trotz aller Eile noch Zeit gehabt, unser Innehaben [?] zu schreiben. Ich hätte noch mehr zu bemerken, das Wichtigste ist mir aber mein sozialer Roman. Auch da erscheine ich als offener, ehrlicher Gegner des Ultramontanismus. Ich denke, diesen Roman drucken zu lassen, obwohl er böses Blut auf beiden Seiten machen dürfte. Wahrscheinlich nehme ich ihn im Mai mit nach Leipzig. Ist's mir möglich, so geh ich im Sommer nach Wien, wo der Kreis meiner Freunde sich zu mehren scheint. Dort erwacht jetzt ein gesundes Volksleben, unab­hängig von schwarzen Einflüssen. Die Wiener Arbeiter und ihre Führer scheinen sich von keiner Partei ins Schlepptau nehmen zu lassen, und das gefällt mir und ist notwendig, wenn die schneidige Waffe der Lehre Lassalles nicht dem Selbstmorde dienen soll. Schweizer sagt, der Rock, den er schnitt, paßt nur Männern. Mir ist in der letzten Zeit der Ge­danke gekommen, unser Zweck wäre mit ändern Blättern eher zu erreichen. Auch unsere Gartenlaube scheint für Lassalles Lehre gegenüber den Leipzigern einstehen zu wol­len, wenigstens der Redakteur - in meinem Alter -, den ich in letzter Zeit mehrfach schätzen lernte. Mit den Gesichtspunkten bin ich einverstanden. Richtig ist auch die Kritik der Berufsklassen, obwohl ich die nicht ge­schrieben, nicht das Volk allen ändern Einflüssen unzugänglich gemacht hätte. Lassalle gibt den Arbeitern den Prüfstein selbst in die Hand: „Fragt nun, ob sie dieses eherne Gesetz aner­kennen."!!

    Sehr befremdet hat mich die Anmerkung der Redaktion zu Deiner gemilderten Auslassung über den Klerus. Die Redak­tion sollte durch unbeanstandete Aufnahme die Probe liefern usw. Mir war das auch ein Gesichtspunkt und ändern auch.

    Ich habe Kopfweh, glaube, Dir aber doch meine Gedanken klar und in freundschaftlicher Offenheit so klar als in Kürze möglich angedeutet zu haben. Ich versprach, Artikel laut Pro­gramm zu liefern, aber nicht schwarz für weiß zu halten und dieser Partei zu dienen, die uns zum Teil wenigstens nur gefälligst ausbeuten will. Beiliegende Zuschrift hat mich als Gruß aus der Hauptstadt recht gefreut. Wie muß ich wohl eine Antwort adressieren?

    Meine  Federzeichnungen  etc.   liegen  laut Bergmanns Mit­teilung vor dem Minister Herbst, dem sie der Landeshaupt­mann übergab. Der Artikel in der Gartenlaube zeugt von gutem Willen und ist auf unser Publikum berechnet. Autorität!

    Die Juppe wird noch heut auf die Post gegeben. Wir wollten auf billige Gelegenheit warten.

    Und nun nix für ungut. Ich wollte Dir nicht gerade predigen, aber meinen Standpunkt klarstellen. Viel dran werde ich nicht zu ändern vermögen. Auch Du solltest nicht zu weit... Rüscher scheint auf die Erklärung ernstlich fort zu wollen. Er sagte gestern nach Verlesung der Landeszeitung: Ich werde Gott täglich um den Tod oder um Versetzung bitten. Diese Tage verreist er und will in Bregenz auch den Schluß der Erklärung einsehen.

    Sie wurde auch an die Feldkircherin geschickt, aber diese scheint sie aus Haß gegen uns nicht mehr zu bringen. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Felder

    Von der Konferenz, wenn ich wieder gesund bin.

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 25. März 1868

    Geehrtester Freund!

    Als ich am 19 d. von der Post, wo ich meinen Brief an Ihnen abgab, zurückkam, lag das eben von Lahr gekommene Manuscript auf meinem Tische. Den kurzen Inhaltdes Briefes der darin lag, will ich Ihnen hier mittheilen: „Mit diesem gebe ich ihnen das Manuscript wieder zurück, indem es für uns nicht paßt. Ihren Trost können Sie darin finden, daß es manchem ändern tüchtigen Manne, der sich sogar mit langen Studien befaßt hat, in dieser Beziehung nicht besser ergangen ist." —.

    Damals als ich am 6/1 das Manuscript an die Redaktion der illstr. Dorfzeitung nach Lahr sandte, that ich diesen Schritt nur in Hinsicht auf die allgemeine Beliebtheit u. Popularität jenes Blattes, es war so zu sagen eine Apellation an die von der Redaktion so vielgeprie­sene Humanität u. freisinnigen Anschauungen, an ihre unparthei­ische Behandlung sozialer Fragen. Wie bitter hatte ich mich wieder getäuscht. Lesen Sie einmal einen Kalender des hinkenden Boten oder dessen Dorfzeitung, wie populär u. freisinnig finden Sie da alles. Eine Tendenz die mittlere u. untere Klassen hinreißt u. auch für den höher Gebildeten noch anziehend ist. Seine Redeweise ist unter allen Journalen die einzig Dastehende. Man glaubt in dem Redakteur den populärsten Mann der Welt zu erblicken. Welchen Gegensatz bietet mir aber seine abgeschmakte u. nichtssagende Antwort! Sollte mein Manuscript nichts anders sein, als ein Geschmier von 140 Seiten? Ist es nach solchen Erfahrungen nicht Tollheit oder Dummheit, an eine Menschheit zu glauben; wo uns überall nur Heuchelei im Gewände der Volkstümlichkeit, nur Kastengeist u. Hochmuth begegnen? Oder ist blos mir das Schicksal beschieden, nur immer mit diesen Mißgeburten des menschlichen Geistes in Berührung zu kommen. Ich könnte es fast glauben, wenn ich nicht an Ihnen einen aufrichtigen Freund u. Helfer gefunden hätte.

    Doch ich will nicht selbstsüchtig meinem Werke einen schriftstel­lerischen Werth beilegen, den es genau betrachtet doch nicht hat. Hätte ich Ihnen nicht das Versprechen gegeben, das Manuscript zur Durchsicht zu überschicken, wahrlich es wäre schon in den Korb gewandert. Ich überschicke Ihnen dasselbe nicht allein um dessen Werth zu prüfen, sondern um Ihnen dadurch von meinen Verhält­nissen u. der Lage der Arbeiter überhaupt, Kenntniß zu geben. Eines eigenen Urtheils darüber enthalte ich mich, es wäre Eigen­liebe oder geistiger Hochmuth.

    Meinen ganzen Vorrath von Gedanken, Erlebnissen, Erfahrungen und Ansichten habe ich darin niedergelegt, ob dieselben nun einer bessern Antwort, als jene des Redakteurs, würdig geweßen, über­lasse ich Ihrem unpartheiischen Urtheile. Mit wenigen Ausnahmen beruht die ganze Schilderung auf wirkliche stattgefundene That­sachen. Ich bin sehr begierig, was Sie darüber sagen werden, ich habe aber Niemand der mir in solchen Umständen an die Hand gienge. Für solche Werke einen Verleger finden, hat seine Schwie­rigkeiten, wenigstens ich für meinen Theil, weiß, wenn es wirklich drukfähig sein sollte, nicht wo ich das Manuscript dann hinschik­ken sollte. Wenn es die Redaktion der neuen Arbeiterzeitung: „Die Arbeiterhalle von Eichelsdörfer in Mannheim" nicht annimmt, so weiß ich Niemand, doch vielleicht wissen Sie Mittel u. Wege. Die Hauptsache ist ja eigentlich die, ob es drukfähig ist oder nicht, und das werden Sie am Besten finden. Sie dürfen sich ganz ungenirt gegen mich darüber ausdrücken, das bemänteln bin ich nicht gewöhnt, weshalb ich mich willig Ihrem Urtheile unterwerfe. Ob dieses mein erstes u. leztes Werk bleiben wird, hängt von den Umständen u. Verhältnissen ab. Finden Sie in meinem Manuscripte eine Befähigung zu weitern schriftstellerischen Arbeiten nun so freut es mich, ist aber das Gegentheil der Fall, so werde ich Ihre Offenheit schätzen und das Papier nicht mehr unnöthiger Weise besudeln. Zum bessern Verständniß der Erzählung habe ich eine Erklärung der darin vorkommenden Orts- u. Personennamen beige­legt. Meine Wenigkeit ist unter dem Namen „Hermann" bezeich­net. Daß ich auch Ihre werthe Person mit einverflochten, werden Sie mir verzeihen.

    In Erwartung eines offenen Urtheils

    verbleibe ich

    Ihr aufrichtiger Freund u. Verehrer

    Friedr. Riedlin

    Schlosser

    wohnhaft bei

    Hr Alois Schmidberger am See

    Friedrichshafen

    Friedrich Riedlin
    Friedrichshafen
    Franz Michael Felder
  • 25. März 1868

    Lieber Freund!

    Noch läßt mich der Übergang, der hier regiert, sehr wenig schreiben aber Du mußt jetzt endlich einige Zeilen haben. Ich habe heute 4 Beilagen mitzugeben die Dich, meinen lie­ben Freund, gewiß auch freuen. Die Federzeichnungen schrieb ich im Jänner, wartete im Februar auf ihr Erscheinen, gab sie dann im März verloren und schrieb das Schattenbild für die Tagespost. So kam es, daß beide Artikel fast gleich­zeitig erschienen. Den Ersten hat, wie mir Bergmann meldet, der Landeshauptmann dem Minister Herbst mitgetheilt. Pröll, der Redacteur unserer Gartenlaube, hat meine Verbin­dung mit dem Wanderer und der Tagespost vermittelt. Die Beilage zur Gartenlaube sagt Dir, was Pröll noch für mich gethan. Er bath mich um die Recensionen da die Sonderlinge bei uns noch gar nicht bekannt seien und man was auf Urtheile der Deutschen gebe. Du wirst den Artikel wol auch Hirzeln zeigen. No 4 meiner Beilagen ist die wörtliche Abschrift eines Briefes, den ich gestern Abends erhielt. Und nun zu so viel Erfreulichem noch ein gesunder Junge in der Wiege. Ich möchte lang darüber reden, aber zum Schrei­ben sind Hand und Auge gar nicht aufgelegt. Hoffentlich wirds bald wieder besser und dann sollst Du einen langen Brief erhalten.

    Mit dem Holländischen geht dem Uhrenmacher nicht bes­ser als mir obwol er viel mit Hol[l]ändern verkehrt haben will. Mir macht es Freude, aus dem Artikel zu lernen. Jetzt leider komm ich zu nichts als zum Schluß meines Briefes. Entschuldige meine Kürze und Trockenheit! Es grüßt Dich und alle herzlichDejn Freund

    F Michael Felder

    Stettner hat nicht geschrieben, er hat also das Ausland No 33-1866 auch nicht bestellt.

    BEILAGE:

    MÄNNER-TURNVEREIN IN WIEN AN FRANZ MICHAEL FELDER

    Herrn Franz Michael Felder in Schoppernau

    Als in Nummer 15 der „Gartenlaube" 1867 ein von Dr. Rudolf Hildebrand gezeichneter Artickel weitere Kreise mit dem Manne bekannt machte, der aus dem edlen Schatze männ­lichen Selbstbewußtseins das Gold der Wahrheit herausge­sondert hat an den Tag, wo schwarze Bosheit den Glanz zu verdunkeln strebt, mit dem es aus tiefem Bergeswinkel her­vorleuchtet - damals schon sagten wir uns: „Ja! das ist ein ganzer Mann, das ist ein Kämpe für die Freiheit des Geistes und für die Entwicklung sittlicher Vollkommenheit!" Mit reger Theilnahme lasen wir Einzelnes in den verschie­denen Blättern, woraus wir erfuhren, welche Hinderniße man Ihnen bereitet, und wie schwer Ihnen der Kampf wird, zumal Sie mit offenem Viiser gegen die dunklen, oft unsicht­baren Feinde kämpfen müßen, die aus sicherem Versteck hervor ihre giftigen [Pfeile] auf den frei dastehenden edlen Mann abschiessen.

    Da kamen „die Federzeichnungen aus dem Bregenzerwalde", und mit Ihnen die Kunde von der ganzen Niederträchtig­keit, die gegen Sie ins Feld geführt wird, und deren Kum­pane, wir ja auch hier zu Lande in den schönsten Exemplaren vertreten haben. Die tiefste Entrüstung hat uns, und alle, die diese Mittheilungen erhielten, ergriffen; wir fühlen uns ge­drängt, diese Zeilen an Sie zu richten, um Ihnen als deutsche, freidenkende Männer die Hand zu reichen, zum herzhaften Drucke des Mitgefühls in Ihrem Schmerze sowohl als zur Er­hebung in diesen schweren Stunden.

    Ergreifen Sie die dargebothene Hand der Männer, die mit Ihnen das Banner der Freiheit hoch halten, und offenen Auges dem Lichtstrahle entgegensehen, der nun hereinbricht, und der hoch und mächtig genug ist, daß er auch über Ihre

    Berge   hineinleuchtet,   und  das  Spuckgeschlecht der  Eulen vertreiben wird.

    Harren Sie muthig aus auf dem Ehrenposten, auf den ihr vorwärtsstrebender Geist und Ihr männlicher Muth Sie ge­stellt und seien Sie überzeugt, daß über die Berge herüber Ihr Wacheruf: „Wer da?" nicht verhallt, und daß Ihnen ein tüchtiger Verein von deutschen Männern an den Ufern der Donau donnernd zuruft: „Gut Freund!" Kann Ihnen der Männer Turnverein in Wien in irgend einer Weise dienlich sein, so verfügen Sie über seine stete Bereit­willigkeit.

    Indem   wir   in  vorstehenden   Zeilen   dem   dießfälligen   Be­schluße   der Turnrathssitzung   vom 17 März dj.  Ausdruck geben zeichnen wir für den Turnrath des Männervereins in Wien 20 März 1868 Jos. Hofer

    Zeugwart                                       der Sprecher

    Otto Schurschenthaler                       Karl Friedrich Hacker

    Bücherwart                                  Eduard Struschka

    Robert [Pöschl]                        d.z Sprecher Stellvertreter

    Schriftwart                                        Jos. Ihm

    Säkelwart Stellve. [Kruckte] 2 Zeugwart

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 23. März 1868

    Lieber Freund

    Verzeihen Sie meine Saumseligkeit. Ihr Schreiben erhielt ich, als ich gerade an einer längere Zeit andauernden Zahngeschwulst litt. Herrn Neumann kenne ich nicht, wohl aber den früheren Redak­teur u. jetzigen Eigenthümer des Wanderer, Herrn Graf. Von letzterem konnte ich nichts erfahren er versicherte mir aber, daß, falls das Schreiben nicht benutzt wurde, dasselbe von Seite der Redaktion jedenfalls nicht in fremde Hände gelangt wäre; übrigens werde[n] in jetzigen Zeiten die Redaktionen so mit Zuschriften von allen Seiten bestürmt, daß es unmöglich sei Alles zu benutzen u. nur zu beantworten, wahrscheinlich sei jedoch in der Korrespon­denz des Wanderers an den Einsender eine Notiz gegeben worden. Übrigens, mein Freund, trösten Sie sich wegen der Anfeindungen der Klerikalen, wenn dieselben nicht gerade gefährliche Bedrohun­gen sind. Die Klerikalen sind in ganz Österreichrbis zum Wahnsinn wühtend, weil sie eben merken, daß es nun wirklich Ernst gilt. Die große Konkordatsdebatte im Herrenhaus hat die Niederlage der Ultramontanen entschieden, u. dieselbe hatte Nachts in den Strassen Wiens ihr Nachspiel. Ungeheure Volksmassen wälzten sich bis Mitternachts in den Strassen Wiens unter Jubel u. stürmi­schen Beifallsbezeigungen für Auersperg u. die Minister. Man ließ das Volk unbehindert gewähren, u. auch Offiziere betheiligten sich an der Demonstration. Es war in der That rührend anzusehen, wie selbst Greise von der wuchtigen Rede Auerspergs u. Anderer wie Jünglinge elektrisiert waren. Überall begegnete man nur von Freude strahlenden Gesichtern. Noch nie habe ich eine so allge­meine u. warme Kundgebung erlebt, u. ohne den geringsten Exzeß. Einige wollten dem Rauscher u. Genossen eine Katzenserenade bringen, aber man vermied es, um die edle Kundgebung auch durch keinen Mißton zu stören.

    Die Arbeiter Wiens sind recht rührig, u. die Bewegung ergreift immer weitere Kreise. Es liegt eben in dem Plane des Arbeiterbildungsvereins dieselbe über ganz Österreich auszudehnen. Man darf bei allem dem jedoch nicht übersehen, daß der große Bil­dungsmangel bei der großen Majorität der Arbeiter dem Vereine in seiner Wirksamkeit große Schwierigkeiten bereitet. Zudem besit­zen selbst die gebildeten unter ihnen eine bedauernswerthe Abnei­gung gegen die Norddeutschen, namentlich einen großen Preu­ßenhaß.

    Den Seiffertitz habe ich seit seinem neuerlichen Hiersein noch nie getroffen. Wenn Sie mit Ihrem neuen Roman zu Ende sind, u. derselbe im Druck erschienen sein wird, lassen Sie mich dasselbe wissen. Schon der Titel „Reich und arm" läßt mich aus Ihrer Feder interressante Schilderungen erwarten.

    Dem tapferen Kämpen für Freiheit u. Gesittung im Geiste die Hand drückend grüßt Sie herzlichst

    Ihr

    Ergebener Freund L. Mayer

    Lorenz Mayer
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 22. März 1868

    Lieber Freund!

    Vor allem meine Gratulation zu dem Martin, möge er an Kraft und Kernigkeit seinem Großvater gleichen Namens eben­bürtig sein. Daß ich Deinen Roman vor der Absendung lese, ist unnötig, da ich nichts an selbem bessern oder ändern kann. Der Genuß am Gedruckten ist dann umso größer. Das Schreiben des Kreisgerichts und die mit Schreiben vom 18. d. Ms. geschickten Verlassenschafts- und Kaufsakten liegen bei. Meine Ansicht bezüglich der letztern ist die: Wenn sich nicht dartun läßt, daß Gottfried seinen von der Mutter ererbten 1/4 Teil am Anwesen dem Vater überlassen hat, so kann dieser allerdings diesen 1/4 Teil nicht seinen Söhnen ver­kaufen. Der Kauf würde also bezüglich dieses Heimatsanteils ungültig sein, und derselbe müßte den Kindern der Hebamme eingeantwortet werden oder eingeantwortet bleiben. Seinen Anteil an der Heimat wird Josef Anton Moosbrugger aber wohl rechtsgültig haben dem Sohn verkaufen können. ­Ein Meräudler von Tannberg war in der Massenangelegenheit dieser Tage hier und hat diese Sache dem Doktor Bickel übergeben. Dieser wird ihm sofort über den Stand der Sache Auskunft geben, sobald er solche geben kann. Dr. Preu hat die Massen in Händen und soll noch keine Ausweisung gemacht sein. Wir sind jetzt sehr schlecht mit Arbeitskräften verfahren, und so geht Vieles langsam vonstatten. - Die Schafklage ist bereits überreicht und wird in Bälde die Tag­fahrt sein. Doktor Bickel wird hierüber dem Josef Moos­brugger von Schoppernau, der mir schrieb, Auskunft geben. -

    Deine Arbeiten im Wanderer, der Gartenlaube und Tages­post habe ich mit Vergnügen gelesen. Unangenehm hat mich nur berührt, daß Du ganz offen Dich als Liberalen hinstellst und den ärgsten Bourgeois-Minister, den wir haben, Giskra, den unsern nennst. Ich glaube, Du seiest über Deine Hand­lungsweise und deren Tragweite mit Giskra im Unklaren. Er ist der Abgott der Bourgeois und sucht ihre Gunst auf jede Art zu erhalten. Wenn Du die Gesichtspunkte im Volksblatt gelesen hast und mit denselben, die ersichtlich in Harmonie mit unseren Broschüren stehen, einverstanden bist und laut Programm mittun willst, so wirst Deine Haltung jedenfalls etwas ändern müssen. Wir müssen eine Konferenz halten, und zwar, wie mir Vonbank schreibt, sehr bald. Auch Vonbank und ich sind, wie Du aus der letzten Nummer des Volks­blattes sehen kannst, noch nicht über alle Punkte im Reinen. Wir werden Vieles, sehr Vieles zu besprechen haben. Hoffent­lich werden wir eine Einigung erzielen. Für uns ist es insbe­sonders gut, die nun eroberte günstige Position im Land zu behaupten. Du sollst jetzt schon die angenehmen Wirkungen davon in Deiner Umgebung spüren, Du störriger Sepp! Von­bank schreibt mir, er wolle mit den Klerikalen im Bregenzer­wald, die Dir opponierten, suchen fertig zu machen, aber da wäre es notwendig, daß Du sie nicht mehr herausforderst. Von diesem Gesichtspunkt aus wäre die Erklärung von Euch in der heutigen Landeszeitung besser unterblieben. Glück­licherweise wurde sie etwas zugestutzt. Warte jedenfalls mit weitern Proklamationen bis zur Konferenz, wo alle Unter­fertiger des Programms erscheinen sollten. Wann kannst Du fortkommen? Ich muß Dich noch auf etwas aufmerksam machen:

    Mit solchen Berichten, wie Du dem Seyffertitz einen geschickt hast, ist der Freiheit wenig gedient. Wenn ein Beamter oder ein anderer Bürger seine Pflicht nicht tut, gehört die Sache vor das kompetente Gericht und nicht vor die geheime Polizei. Eine Frucht der geheimen Polizei ist die Versetzung Thurn­hers, der nun in einer sehr unglücklichen Stellung ist. Alle Beamten sind durch diesen Akt der Willkür erschüttert und das Volk wird es bitter müssen büßen, wenn sie servile Diener des jeweiligen Ministeriums werden müssen. Ich bin keinen Augenblick mehr sicher, daß mich ein ähnliches Los trifft und dann?! Dann werde ich vielleicht das vom Ministerium Giskra aufgebrachte Spioniersystem schonungslos vor dem Volk bloßlegen. Ich befinde mich dann im Stande der Notwehr, die keine Rücksichten kennt. -

    Ich glaube, in politischen Sachen mußt Du noch bedeutend praktischer werden. Unter anderm, was ich Dir schrieb, hast Du auch vergessen, daß der Isabella die Juppe zugeschickt werden soll. Ich ersuche Dich also nochmals, diese Juppe baldigst mit nächster Gelegenheit, allenfalls mit Post, zu schicken. - Vonbank möchte die Konferenz um Ostern haben. Schreibe Deine Meinung über Zeit und Ort dem Vonbank oder mir.

    Das andere mündlich. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 21. März 1868

    Geehrter Herr Felder!

    Der Männerturnverein in Wien, dessen Vorstand zu sein ich die Ehre habe, hat unterm 21. März an Sie ein Schreiben gerichtet, in welchem er Ihnen für Ihr mannhaftes Streben seine Achtung und vollstes Mitgefühl ausdrückt. Ich übernahm es, das Schreiben an Sie mittelst Retour-Recepisse abgehen zu lassen, vergaß aber leider ein Retour Recepisse zu nehmen, und gab das Schriftstück nur mittelst einfachem Recepisse auf, was zur Folge hat, daß dem Verein die Gewißheit mangelt, ob das Schreiben in Ihre Hände gelangt. Ich bitte Sie nun mittelst wenigen Zeilen den Empfang zu bestätigen, oder entgegengesetzten Falles mir wissen zu lassen, daß nichts an Sie gelangt sei, damit ich dann am Postamt reclamieren kann.

    Ich habe Ihr Schicksal mit regstem Interesse verfolgt, habe das von Ihnen geschriebene Werk „Die Sonderlinge" gelesen, in welchem mich besonders als Naturfreund die Naturschilderungen auf das angenehmste berührten.

    Voriges Jahr schickte mir Freund Lecher den Brief, den Sie an ihn richteten, zum Lesen, da wir oftmals von Ihnen gesprochen; ich möchte wünschen, daß Sie den Muth und die Zuversicht trotz aller Anfeindung nicht sinken lassen, sondern in Ihrem Kreiseden Kampf fortkämpfen, den auch wir am Donaustrande gegen Aberglauben und Vorurtheil zu führen haben. Gut Heil! Glück auf!

    Ihr ergebenster

    Carl Friedrich Hacker

    Vorstand-Sprecher des Männer-Turnvereins

    in Wien

    9. Bezirk, Währingergasse Nr 16

     

    Carl Friedrich Hacker
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 20. März 1868

    Herrn Franz M. Felder in Schoppernau

    Als in der Nummer 15 der „Gartenlaube" 1867 ein von Dr. Rud. Hildebrand gezeichneter Artikel weitere Kreise mit dem Manne bekannt machte, der aus dem edlen Schatze männlichen Selbstbe­wußtseins das Gold der Wahrheit herausgefördert hat an den Tag, wo schwarze Bosheit den Glanz zu verdunkeln strebt, mit dem es aus tiefem Bergeswinkel hervorleuchtet-damals schon sagten wir uns: „Ja! Das ist ein ganzer Mann, das ist ein Kämpe für die Freiheit des Geistes und für die Entwicklung sittlicher Vollkommenheit!" Mit reger Theilnahme lasen wir Einzelnes in den verschiedenen Blättern, woraus wir erfuhren, welche Hindernisse man Ihnen bereitet, und wie schwer Ihnen der Kampf wird, zumal Sie mit offenem Visier gegen die dunklen, oft unsichtbaren Feinde kämp­fen müssen, die aus sicherem Versteck hervor ihre giftigen Pfeile auf den frei dastehenden edlen Mann abschiessen. Da kamen „die Federzeichnungen aus dem Bregenzerwalde", und mit ihnen die Kunde von der ganzen Niederträchtigkeit, die gegen Sie ins Feld geführt wird, und deren Kumpane, wir ja auch hier zu Lande in den schönsten Exemplaren vertreten haben. Die tiefste Entrüstung hat uns, und alle, die diese Mittheilung erhielten, ergriffen; wir fühlen uns gedrängt, diese Zeilen an Sie zu richten, um Ihnen, als deutsche, freidenkende Männer die Hand zu rei­chen, zum herzhaften Drucke des Mitgefühls in Ihrem Schmerze sowohl als zur Erhebung in diesen schweren Stunden. Ergreifen Sie die dargebotene Hand der Männer, die mit Ihnen das Banner der Freiheit hoch halten, und offenen Auges dem Licht­strahle entgegensehen, der nun hereinbricht, und der hoch und mächtig genug ist, daß er auch über ihre Berge hineinleuchtet, und das Spukgeschlecht der Eulen vertreiben wird. Harren Sie muthig aus auf dem Ehrenposten, auf den Ihr vorwärts­strebender Geist und Ihr männlicher Muth Sie gestellt, und seien Sie überzeugt, daß über die Berge herüber Ihr Wacheruf: „Wer da?" nicht verhallt, und daß Ihnen ein tüchtiger Verein von deutschen Männern an den Ufern der Donau donnernd zuruft: „Gut Freund!" Kann Ihnen der Männer Turnverein in Wien in irgend einer Weise dienlich sein, so verfügen Sie über seine stete Bereitwilligkeit. Indem wir in vorstehenden Zeilen dem diesfälligen Beschlüsse der Turnrathssitzung vom 17. März d. J., Ausdruck geben, zeichnen wir

    Für den Turnrath des Männer Turnvereins in Wien

    Josef Hofer                                der Sprecher

    Zeugwart                             Carl Friedrich Hacker

    Otto Tschurtschenthaler                     Eduard Struschka

    Bücherwart                        d. z. Sprecher Stell Vertreter

    Robert Pöschl                                 Jos. Ihm

    Schriftwart                          Säckel wart Stellvertreter

    Ruschitzka 2. Zeugwart

    Turnrat des Männer-Turnvereins
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 19. März 1868

    Hochgeehrtester Freund!

    Schon lange hätte ich Ihren lieben Brief vom 14 November vrg. Jhrs., beantwortet, allein da ich auf den angemeldeten Besuch wartete, so hatte ich die Beantwortung desselben unterlassen.

    Offen gestanden, es freute mich auf den angekündigten Besuch, erstens um über Ihre werthe Person Näheres zu erfahren, was hier nicht wohl angeht, u. zweitens, weil ich in der That sehr gespannt war, Ihre geistigen Produkte nun einmal persönlich kennen u. achten zu lernen. Ich bin sehr begierig auf Ihre „Sonderlinge", o haben Sie die Güte u. überschicken Sie mir einmal mit Gelegen­heit, einige Ihrer Geistesprodukte. Das Werk von Riehl, von welchem Sie in Ihrem Werthen vom 14 Nov. reden, kenne ich nicht. Ebenso ist mir von der Arbeiterbewegung in Wien nichts bekannt, da das hiesige Blatt sich um soziale Zustände wenig kümmert, sondern darin all seine Kräfte verwendet, um während der Zollparlaments-Abgeordnetenwahlen die Katholiken gegen Preußen u. den Protestantismus aufzuhetzen. Theuerster Freund! Am meisten Freude hätten Sie mir bereitet, wenn Sie mich im Januar persönlich besucht hätten. Schade, daß Sie nicht Zeit hatten, welcher Gedankenaustausch hätte da Statt gefunden. Würden Sie in irgend einer Stadt am Bodenseeufer wohnen, ich hätte Ihnen schon längst besucht, doch hoffe ich, daß wir einander im nächsten Sommer in Lindau oder Bregenz treffen können.

    Über Ihren Aufenthalt in Leipzig, den sie in der östreichischen „Gartenlaube" beschrieben, habe ich bis dato ebenfalls noch nichts erfahren. Um noch einmal auf Ihre „Sonderlinge" und Ihren neueren Roman zurückzukommen, bin ich sehr begierig, wie Sie die religiösen u. sozialen Fragen behandeln. Hätte ich Zeit genug, so würde ich eine Schilderung der religiösen und volkswirtschaft­lichen Zustände Oberschwabens schreiben, leider würde ich aber unter der hiesigen Bevölkerung wenig Freunde gewinnen, denn bei solchen Abfassungen heißt es eben „Wahrheit gegen Freund und Feind", u. die Wahrheit hört man bekanntlich am ungernsten, besonders die Ultramontanen, die hier eine bedeutende Macht besitzen. Stoff u. ältere u. neuere Quellen hätte ich hinreichend, nur fehlt mir neben der erforderlichen Zeit auch die classische Bildung dazu.

    Mit Bedauern lese ich in jedem Ihrer werthen Briefe, von den Umtrieben der Ultramontanen, die Ihnen manche schöne Stunde verbittern, doch auch Ihnen gilt was Schiller sagt: „Männerstolz vor Königsthronen, - Brüder, galt es Gut u. Blut-dem Verdienste seine Kronen, Untergang der Lügenbrut".

    Was soll ich Interessantes von meiner Wenigkeit berichten? Es geht eben alles seinen gewöhnlichen Gang: arbeiten, mit seiner Existenz u. ändern Widerwärtigkeiten kämpfen, wechseln immer mit einan­der ab. Es ist immer die alte Leyer.

    Von Seiten der Direktion in Stuttgart sind nicht nur strengere Maßregeln gegen die Arbeiter in den königlichen Werkstätten verfügt, sondern auch die Akordszahlungen bedeutend herunterge­setzt worden, gewiß eine erfreuliche Überraschung! Stehen die Lohnherabsetzungen auch im Einklang mit den Gehaltserhöhun­gen der Beamten? Auf der einen Seite verlangt die Ständekammer Einschränkungen, besonders im Betriebswesen, während sie auf der ändern Seite das Geld durch das Militär- u. [Beamtenwesen] Millionenweise hinausschleudert. Doch genug hievon. Für dieses Jahr habe ich folgende Blätter abonnirt: Das „Daheim", die Lahrer „Illustrirte Dorfzeitung" das „evangelische Sonntagsblatt" u. das „Calwer Missionsblatt" u. das hiesige „Seeblatt". Meine Schilde­rung: „Aus dem Leben eines Proletariers" hatte ich am 6 Januar vollendet u. am gleichen Tage an 2 Verlagshandlungen geschrie­ben. 8 Tage später schickte ich das Manuscript nach Lahr, von wo ich eine bejahende Antwort erhalten hatte. Am lezten Samstag d. 14/3 erhielt ich von Hr Geiger, Redakteur d. illustr. Dorfzeitung, die Nachricht, daß er mein Manuscript seinen Mitarbeitern zur Durchsicht zugesandt, aber über die An- oder Nichtannahme desselben noch nicht berichten könne, da jene Herren ihr Domicil nicht in Lahr sondern auswärts haben, u. in Folge Geschäftsaufhäu­fung eine Antwort noch nicht eingetroffen sei. Ich versprach, Ihnen seiner Zeit, das Manuscript zu überschicken, unterließ aber das­selbe um Ihnen später mit dem Gedrukten überraschen zu können. Ob mir aber dieser Wunsch gelingen wird, steht noch dahin! Jedenfalls erhalten Sie das Manuscript zur Durchsicht, wenn es in Lahr nicht gedruckt wird. Indessen grüßt Ihnen

    Ihr aufrichtiger Freund Friedr. Riedlin

    Friedrich Riedlin
    Friedrichshafen
    Franz Michael Felder
  • 18. März 1868

    Lieber Freund!

    Heut einmal vorerst Geschäftliches. In Beiliegendem findest Du die Geschichte des väterlichen (resp. großväterlichen) Vermögens Deiner Basen, der Kinder der Hebamme in Au.

    Der Kaufvertrag verfügt über ein Anwesen  im Werte von mindestens fünftausend Gulden. Eine Frage, ist dieser Kauf gültig? Ich fürchtete ja, doch höre:

    Es ist nicht zu erweisen, daß Gottfried Elmenreich sein mütter­liches Vermögen erhielt. Die Stelle im Kauf Seite 2 „Das An­wesen ist sein durch Übernahme" besagt noch nichts, da sie nirgends zu erweisen ist. Haben aber die Kinder des Gottfried noch ihren 1/4 von der Großmutter auf dem Anwesen, so konnte selbes auch nicht so veräußert werden. Auffällig ist freilich, daß der Vater dem Gottfried bei seinem Ableben noch (?) hundert Gulden schuldet. Aber diese 100 Fl. können so gut als der Rest des Kapitals auch die Zinsen des­selben sein. Die Hebamme sagt: Außer diesen 100 Fl. hätte der Mann nichts von daheim erhalten. Er habe ihr keine Schulden abbezahlt, sondern das Gegenteil. Ich glaube, Gott­frieds Kinder können das großmütterliche Erbe noch fordern, da ihnen aber das Anwesen mit eingeantwortet ist, so kann der Kauf für ungültig erklärt werden. Ich habe eine Abschrift der Akten verlangt und sende sie Dir mit der Bitte, sie mir bald mit Deiner Meinung zu schicken, da nächstens Tagfahrt ist. Meräudlarle möchte aber bald erfahren, wie viel die Massenverwaltung noch zahlt. Es wartet mit Schmerzen auf den ihm zugesprochenen Teil eines Guthabens eines seiner Gläubiger.

    Was sagst Du, daß ich die Heldin meines Romans vor dem Leser beichten lasse? Die Schilderung ist so, daß die Einrich­tung der Beichte gelobt, der Beichtvater jedoch getadelt wird und gezeichnet als ein Mann, gewohnt zu herrschen und ohne Menschenkenntnis und Milde. Ich bin jetzt am fünften Kapitel des zweiten Bandes, hab also noch acht Kapitel zu schreiben, bevor ich mich ernstlich auf etwas anderes werfe. Der bei­liegende Artikel ist viel besser als der im Wanderer, der mich gar nicht freut. Bringt die Presse keinen Auszug? Die Neue Freie Presse scheint auf mich sehr böse zu sein, mir geht es mit ihr nicht besser. Aufsehen macht jetzt auch hier die Haltung des Volksblatts. Es wurde verglichen mit Pater Abra­ham, welcher in einer Predigt die Alten zum Weinen und die Jungen zum Lachen bringen wollte, daher er über Erziehung predigte und furchtbar stampfte, während er hinten am Rock zum Ergötzen der lieben Kleinen einen Fuchsschwanz ange­bunden haben soll. Dieses Doppelwesen will man auch im Volksblatt jetzt finden. Der erste Teil des Blattes, der sich gegen die Großen kehrt, eine ernste würdige Predigt, dann gegen die lieben Kleinen der Fuchsschwanz. Der Witz ist nicht so übel. Mir wollen die Mitteilungen auch noch nicht ein. Die Schoppernauer und Auer lachen, daß das Blatt frei­maurerisch werde, d. h. gerade so rede, wie man es lang schon von mir hörte. Es ist ziemlich gewiß, obwohl noch nicht bekannt, daß Pfarrer Birnbaumer nach Au kommt. Ich bin begierig, wie sich der zu mir und zu Rüscher und Herzog stellen wird. Der jetzige Kaplan steht schon fast wie Rüscher und wird sich in Au bald unmöglich machen. Die Feldersche Partei ist im Wachsen. Lebe wohl. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 17. März 1868

    Lieber Freund,

    Also endlich tägliche Post in Eurem Hinterwalde. Nun braucht man doch nicht mehr die Tage zu berechnen wie einer der von hier nach Amerika schreibt und den Abgang des Schiffes in Bremen berechnen muß. Der Stempel AU auf Deinen Briefen statt des früheren BEZAU sieht mich gar wunderlich an, ich dachte beim ersten Male, das BEZ wäre nur beim Abdruck ausgeblieben. Na Gott sei Dank, möge nun die Tagespost Euch uns um so viel näher bringen als die in den Sonderlingen gerühmte und in meinem Besuch bei Euch be­rühmte neue Straße um die Bezegg herum schon gethan hat, von der ich zufällig gestern Abend hier erzählt habe - wegen ihrer Gefährlichkeit bei raschem Fahren. Aber ich will sie nicht wieder bekritteln, sonst strafst Du mich wieder. Auch solls dießmal kein Schwatzbrief werden, weil ich heute dazu nicht Zeit, obschon Stoff genug hätte. Mich freuts aber daß Du über meinen Schwatz gelacht hast, ich necke Dich gerne und schon deshalb mußt Du diesen Sommer wieder kom­men, daß wir wieder zusammen lachen. Aber ich komme wirklich ins Schwatzen, es zerstreut mich angenehm, und ich hab in der letzten Zeit mehreres sehr Bittere erfahren, das ich noch nicht ganz verdaut habe - da­zwischen aber auch sehr Erhebendes und Schönes, mit mei­nem inneren Leben der letzten zwei Wochen in Freud und Leid könnt ich ein ganzes Jahr des gewöhnlichen Daseins ausfüllen. Doch genug davon, freilich zu wenig um überhaupt etwas zu sein.

    Ich schicke Dir des Barons Briefe wieder mit, ich möchte ihn schon kennen lernen; aber auch Deinen Brief an ihn möcht ich eigentlich lesen. Auch Dein holländisches Bild schick ich Dir nach Wunsche mit, seht wie weit Ihr kommt. Gegens Ende steht eine Stelle von Dir übersetzt, mit der wirst Du wol auskommen. Aber an der holländischen Wissenschaft unseres tapferen Uhrenmachers erlaube ich mir doch einige Zweifel, er denkt doch nicht etwa, daß es eine Art Französisch ist? Ich freue mich übrigens herzlich seiner Wiederherstellung und dessen, was Du über seine Stimmung schreibst. Die an­gestrengte Untersuchung wird ihn wohl nur angenehm be­schäftigen, und Dich auch. Euer Wahlsieg muß doch den Schwarzen in die Glieder gefahren sein wie Sadowa den östreichern alten Stils. -

    Deine Ausführung über die Philomena war mir und dem Club sehr interessant (Du solltest einmal alles Ernstes Dich ästhetisch versuchen), obwol wir uns mehr niederdisputirt als überzeugt fühlten; aber Du disputirst wirklich vortreff­lich. Wir hatten aber mehr im Sinne, daß Philomena zu gut weg-zu kommen scheine dem so hart gestraften Franz Sepp gegenüber. Wir haben übrigens solcher Admonitionen noch mehr in petto, z. B. daß Christian einmal die Mutter mit dem einen Auge, mit dem ändern die Philomena ansieht, NB. zu gleicher Zeit. Das geht wirklich nicht, das erlaubt der liebe Gott nicht, wie er die Augen gebaut hat; beide Augen kön­nen immer nur zusammenwirkend auf einen Punkt sehen.

    Was Du mir von Deinem Roman schreibst, war mir sehr lieb; ich wollte wol, ich könnte Dir hie und da Rathgeber sein, und es freut mich, daß Dir das für den Sommer wirklich vor­schwebt, es hier vorzunehmen. Zudem ist es jetzt sicher, daß ich dießmal nicht zu Dir kommen kann, wegen amt­licher Behinderung in meiner neuen Eigenschaft als Examina­tor. Aber Dir ist entschieden wieder ein norddeutsches Luft­bad nöthig, ich freue mich schon lebhaft auf unser Zusam­mensein. Die Zeit Deines Kommens kannst Du ja nach Be­lieben wählen - ja so, da wird nun das Wible mit gefragt werden müssen. Nun gut Glück zu allem. Aber komm nur vor Mitte August, das haben die Studenten im Club sich aus­gebeten.

    Unser Club entwickelt sich immer hübscher. Wir haben am Samstag vor acht Tagen ein erstes Stiftungsfest gefeiert, mit Damen, jungen und nicht mehr jungen, haben geschmaust, getoastet, gesungen, gescherzt, declamirt, Pereats ausgebracht (dem bösen Gosche in Halle), von Deutschlands Zukunft ge­redet, selbst getanzt, alles zusammen bis früh halb drei-vor allem aber Theater gespielt. Lippold hatte ein Stück geschrie­ben, die Geschichte und Bedeutung des Clubs behandelnd, der Ort war die Höhle im Kyffhäuser in der S. Maj. Kaiser Rothbart schläft; er wurde aber munter (mein Vetter Karl agirte ihn würdig, mit Kaisermantel und Krone) und ließ sich gnädig von den altdeutschen Studien und vom Club erzäh­len, nahm auch eine genaue Schilderung aller Mitglieder des Clubs entgegen, natürlich Du darunter, ferner Andeutungen Überwasserfahrten und Baumsitzungen, die aus dem Munde zweier in die Höhle gedrungener fahrender Schüler kamen. Hättest Du doch dabei sein können! Die Spieler waren fünf Mann, außer den genannten eine mitschlafende und mit­erwachende Kaisertochter (Stud. Hügel) ein Narr (Lippold), die Schüler waren Stud. Wülker aus Frankfurt und Köhler, Du erinnerst Dich wol aller noch. Sie machtens wirklich prächtig, dazu in vollem, stattlichem Costüm, eine ganze Stunde dauerte der Mummenschanz, über mich kam eine wunderbare Stimmung. Es ist ausgemacht, daß das minde­stens alljährlich wiederholt werden soll, die jungen Leute brennen aufs Bühnenspiel, und ich habs an dem Abend auch wieder als den höchsten Genuß empfunden, den Kunst und Leben bieten. Du solltest doch auch einmal Dir einen drama­tischen Vorwurf nehmen, ich lasse Dir nicht Ruhe, Du hast dramatische Kraft in Dir, sobald Du Deine Expositionen kür­zer fassen, gleichsam nur mit Kreide umreißen und in die Handlung selbst verweben lernst. Mir schwebte neulich ein Lustspielstoff in fertigem Rahmen für Dich vor. Ach ich möchts auch einmal versuchen! wenn — Nun kommt ja im Herrenhause das neue Ehegesetz dran! ich bin außerordentlich gespannt. Heute früh las ich in der n. fr. Presse den Commissionsentwurf der Minorität im Aus­zug - der Tausend, das ist eine geschlossene Logik, und ein Haß! Wenn nur Euer Ministerium aushält. Wißt Ihr denn, daß im Grunde die Civilehe die einzige Form der Eheschlie­ßung unserer Vorfahren war? in dem von Euren Schwarzen gepriesenen Mittelalter? Sie Schreiens als eine Ausgeburt der franz. Revolution aus! Dein Aufsatz in der östr. Gartenlaube ist mir noch nicht zugekommen.

    Doch zum Schlüsse. Grüß mir Dein braves Wible herzlich und Deine Freunde, und sei selbst herzlich gegrüßt

    von Deinem Rudolf Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 16. März 1868

    Geehrtester Gemeinderath!

    Mit einer „Erklärung" machen wir nichts gut. Diese Sache hätte längst auf einen ändern Weg gehört, auf welchen ich dieselbe alsogleich leiten werde. Jedes Ding muß zu seiner Thüre hinaus; das andere schadet. Wollen Sie die Sache einstweilen mir überlas­sen; ich bitte darum.

    In Eile grüßt die

    Redaction

    J. G. Vonbank

    Johann Georg Vonbank
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 15. März 1868

    Lieber Freund!

    Ich habe heute gerade gute Zeit, Dir zu schreiben, u. Du auch am St Josefstag, einen Brief von mir zu lesen. Ich hingegen muß dann arbeiten, wie an einem ändern Werktage, denn die liberalen Schweizer haben mir die Feier meines Namenstags verhunzt, nebst noch fünf ändern Feiertagen.

    Doch weiß ich eigentlich nicht viel, wenn ich schon einen Tag länger auf der Reise war, als recht gewesen wäre. Von Dir weg ging ich in einer halben Stunde zum Dorfe hinaus, u. zwar so bewegt, wie sonst noch selten. Ich hatte aber mein Gepäck nicht so schwer geschätzt, als es wirklich war, daher war es mir in der Au schon beinahe zu schwer, allein ich dachte mir, hättest Du Deine Kräfte früher richtig beurtheilt, jetzt muß es gehen bis nach Bezau u. wanderte getrost vorwärts. Doch mußte ich manchesmal absetzen u. rasten. Sonst hatte es einen eigenthümlichen Reiz, mitten in der Nacht so durch diese Dörfer hindurch in die Welt hinaus zu marschiren. Es war alles so ruhig u. still, kein Mensch hätte geglaubt, daß diese friedliche Stille durch so schrille Mißtöne unterbrochen werden könnte, wer nicht die verstimmten Instru­mente gewisser Leute kennt.

    Auf der Schnepfegg schaute ich noch einmal zurück u. sagte allen Guten u. Lieben hinter mir noch einmal Lebewohl, u. vorwärts mit frohem Muthe! über das Bitzauerfeld nach Bezau, damit ich ja nicht zu spät komme.

    Doch was ist das? vor dem Posthause ist alles still, weder Feuer noch Licht, bin ich etwa noch viel zu früh oder zu spät? Ich stand eine gute Weile vor dem Posthause, bis es halb fünf Uhr schlug. Nun fragte ich einen Vorbeigehenden, ob die Post schon abgefah­ren? ja, hieß es. Also hast Du das schwere Gepäck umsonst bis nach Bezau heraus geschleppt, war mein erster Gedanke. Doch über­wand ich den Ärger bald, klopfte ein paar Minuten später beim Gamswirthen, da ich im Keller ein Licht sah. Eine Stimme fragte barsch: Wer ist draussen? Ein Reisender, antwortete ich, der gern etwas essen möchte. So früh wird nicht geöffnet, war die Antwort, u. ich konnte wieder abziehen. Nun gieng ich weiter, zu Leous Isabell, trankdortden Kaffee, u. rathschlagte, was nun zu thuen sei. Ich wußte nun nichts Besseres, als das Gepäck auf die Post zu thun u. einstweilen nach Bregenzzu laufen. Ich kam Abends spät dort an u. ging sogleich ins Bette. Am ändern Morgen spazierte ich in der Stadt herum, bis um 11 Uhr, wo es aufs Dampfbot ging. Abends halb fünf war ich in Zürich, wo ich zwei Stunden warten mußte, die ich zu einem Spaziergang durch die Stadt benützte. Das Wetter war dunkel u. regnerisch, so daß man eigentlich nicht viel sah. Abends halb neun war ich in Zug u. um 10 Uhr in Unterägeri. Der Strolz empfing mich mit Freuden, er schien froh zu sein daß ich gekom­men. Gleich am ändern Tag schlössen wir einen Vertrag mit einander, wodurch ich Theilhaber an dem Geschäft wurde. Ich verdiene auf diese Art denn doch mehr, als wenn ich Gesell wäre, u. kann nebenbei noch manches lernen, das ich sonst nicht könnte. Bis dato arbeiten wir selbander.

    Ich habe mich schon ziemlich in meine neue Lage gewöhnt, wenn der Unterschied schon ziemlich stark ist. Ich habe hier keine geistige Unterhaltung, als mit meinen Büchern, die ich aber soviel möglich benütze. Hier haben im Winter auch Wahlkämpfe stattge­funden. Eine eigenthümliche Bezeichnung hat man hier für das Agitiren, oder wie man bei uns oft sagt, werben. Wenn nämlich Jemand für Etwas agitirt, so heißt es, er „dröhlt".

    Dieses „Dröhlen" bei den Wahlen soll schon lange im Gebrauch sein, so daß es nichts Neues mehr ist, wie bei uns. Hier stehen das Stockbauernthum als die Conservativen u. die modernen Liberalen einander gegenüber. Diese sind vertreten durch die Fabrikherren, ihre Arbeiter u. was sonst noch gebildet heißen will, so daß sie die Tüchtigen Kräfte, die mehreren für sich haben. Diese siegten denn, auch, wie das bei dem grossen Einflüsse der Fabriken nicht anders möglich war. Anlaß zu dem Kampfe gab die Sekundärschule, die hier besteht u. die die Bauern abgeschafft wissen wollten. Diejeni­gen Gemeinderathmitglieder nun, die diese Ansicht unterstützten, oder vielleicht auch sonst nicht gefielen, wurden „ussigheit", u. andere dafür gewählt.

    Das wäre das Wichtigste, das ich weiß. Was gibt es Neues bei uns? Grüße mir Koarado Buobo u. seine Frau, u. Oberhausers, sage dem Kaspar, ich wisse ihm für dießmal nichts Besonderes mehr zu schreiben.

    Du kannst ihn dieses lesen lassen, wenn er im Stande ist, es zu lesen. Der Eine von Euch beiden wird mir dann wohl antworten, wenn es Etwas Neues gibt. Es grüßt Dich u. die Deinigen herzlich

    Dein Freund Josef Natter

    Josef Natter
    Unterägeri
    Franz Michael Felder
  • 15. März 1868

    Euer Wohlgeboren!

    Vor allem bitte um Vergebung daß ich es wage Ihre kostbare Zeit in Anspruch zu nehmen, wenn es auch nur die wenigen Minuten betrifft, diese Zeilen durchzulesen. Als s. Z. ich erfuhr: Nümma­müller u. schwarze Kasperle sei erschienen, bestellte mirs direct in Lindau. Nachdem ichs mit vielen Vergnügen gelesen, lieh ich das Werkchen den Professoren am hiesigen k: k: academi u. Schotten­gymnasium welche „sämtl." sich lobend darüber aussprachen. Dann ruhte daßselbe in m. Bücherschrank, wo ich bedeutende Menge bey 3000 andere Bände habe; auch über Vorarlberg u. Tyrol fast alles nur, was zu verschaffen ist. Ihre Sonderlinge - dann kl. Nov. in östr. Gartenlaube machten den Schluß. Vor ca 10 Tagen erschien im Wanderer an Stelle wo ansonsten Feuilleton - Platz angewiesen: Über Schoppernau - diesen Artikel gab ich Freund Rit. v. Bergman, wie überhaupt wir gegenseitig alles austauschen, wo was erscheint das - Landl - betreffend... Gestern schickte mir der Hr Landsmann ihm geliehene Feldk. u. Bregenzer Landeszeitung retour, mit inneliegendem Zettel u. dieser kl. winzige Gegenstand ist eigentlich mit Veranlassung m. Schrei­bens.

    Da m. Sohn Albert die Ehre hat mit E. W. in Correspondenz zu stehen,  glaubte wohl  keinen  Fehlgriff zu thun,   persönlich  als Landsmann an E. W. ein Schreiben zu richten - Ich geborner Dornbirner war 1836-37 Lehrer im Schrekenü 1838-1839 Lehrer in Riezlern im Walserthal (-.eigentlich Schwende:) Ich begab mich dann aber nach Wien an das k. k. polit. Institut commerzielle Abtheilung u. bin nun seit 1844 thätig im kaufmännischen Leben. Außer Hr Bergmann besuchen mich die Landsleute Willam (:aus Bremen Au:) Rüscher aus Bützau früher Spaarkassa Beam. Eng. Keßler etc. etc.

    Im Jahre 1861 am 2. August sah ich nach 20jährig Abwesenheit wieder m. unvergeßliches Landl. Meine l. Frau u. beyde Söhne hielten Mittag im Gasthaus zur Krone in Schoppernau - ließen Wagen, Koffer etc. dorten um beym herrlichsten Wetter über Hopf­reben nach Schreken zu gelangen!! welch herrliche Erinnerungen­von Dornbirn reisten wir Bad PfäffersZürich-Schafhausen Regens­burg Passau etc. in unser Wien. Nun will ich denn doch zum Schlüsse eilen; aber bleibt mir noch übrig zu erwähnen, daß ich auch mit vielem Interesse in der Leipzig erscheinenden Garten­laube las was Hr Dtor Hildebrand über E. W. Wirken geschrieben u. da in dem von E. W. an m. Sohn gut. gesandtem Briefe v. Woche die Grenzbothen Juniheft erwähnt wird pto. Geburtsjahr 1839 habe mir dieß gleich bestellt.

    Noch erlaube mir zu erwähnen, daß falls ich E. W. hier am Platze mit was immer dienen könnte, ich Sie bitte zum Voraus überzeugt zu seyn, daß dieses herzlich gerne geschehe. Sollten E. W. einmal einige freye Zeit gewinnen, würde es mich recht freuen nur Paar Zeilen zu erhalten; meine Adresse ist ganz einfach mein Nahmen u. Wien - Straße No ist nicht nothwendig.

    Hochachtungsvoll empfielt sich Martin llg

    gewesenes Lehrerle von Schreken u. Schwende

    Martin Ilg
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 14. März 1868

    Erklärung

    Geehrte Redaktion! Die Gefertigten bitten um Aufnahme folgender Erklärung: In einer zu Reute im Bregenzerwald am 28. Februar d. J. gehaltenen Predigt gegen Glaubenslosigkeit und Kirchenverfol­gung erlaubte sich der Herr Pfarrer von Bizau auf die Gemeinde Schoppernau als abschreckendes Beispiel hinzuweisen. Die Gefer­tigten sehen sich daher zu der Erklärung genöthiget, daß hier noch nichts geschehen, was zu solcher öffentlichen, die Gemüter in hohem Grade aufregenden Beschimpfung der Gemeinde berechti­gen könnte. Die Gemeindebürger sind durch ihren frühern Pfarrer zu gut im Glauben unterwiesen, um sich durch das gegründete Mißtrauen gegen einzelne Verkünder des Worts, die im Sinn des erwähnten Predigers wirken wollen, vom Wege des Heiles abbrin­gen zu lassen und halten es für Pflicht ihren Glauben offen zu bekennen.

    A. Albrecht, Gmd.-Vorsteher.

    Pet. Moosbrugger Gdrth.

    Franz Michael Felder Gdrth.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 10. März 1868

    Lieber Freund!

    Das Briefschreiben und Zeitungslesen [bringt] durch die tägliche Post neuen Reiz, und ich habe beides nie fleißiger betrieben als jetzt. Deinen Brief samt Beilage hab ich eben erhalten und schreibe Dir noch heute abends, weil der morgige Tag meinem Roman gehören soll. Die Brixner krie­gen da Haue, wie selbst in den Sonderlingen nicht, 's ist ja nur pures Heidentum, der Stoff bringt's mit, und dann muß dem Volk auch gezeigt werden, was die Kerle eigentlich möchten. Den ersten Band hab ich noch fast durchweg umge­arbeitet, damit ihm nicht hie und da, wie dem von Schweizer, das Ästhetische fehle, der erste Band ist fertig. Das Ganze dürfte am 1. Mai wieder von Bludenz abgehen können wie die Sonderlinge. Mir wird's leicht, wenn ich des Stoffes einmal ledig bin. Vielleicht kann ich dann im Sommer die Korrek­turen lesen, wenn ihn Hirzel nimmt, woran Hildebrand nicht zweifelt, sonst aber geh ich zu Springer in Berlin, dem Ver­leger Jeremias Gotthelfs, der mir bereits Anträge machen ließ. Heut erhältst Du den vom Wible abgeschriebenen Be­richt für Seyffertitz, den er „benützen'' will. Ferner den verspäteten Wanderer-Artikel mit sehr unlieber Abschneidung des Eingangs. Du kannst das Blatt behalten und zirkulieren lassen. In der Grazer Tagespost dürfte sich dieser Tage noch etwas Besseres (Gesalzeneres) finden, wenn man mich nicht wieder so beschneidet. Die Veröffentlichung der Federzeich­nungen geschah gegen meinen Willen. Ich forderte die etwas veraltete Arbeit drohend zurück, worauf sie dann erschien. Der Artikel, den ich letzte Woche versandte, paßt jetzt besser. Ich hab wieder angefangen und nun soll's überall Bomben regnen. Wohl haben wir hier in Schopp[ernau] eitel Frieden, weil Rüscher sich geschlagen sieht. Die bei­liegende Bekanntgebung von Feldkirch, den 8. Febr., ließ mir Müller erst am 22. zukommen. Daß sie acht Tage auf dem Gericht war, ist erwiesen. Ich meldete das an das kompetente Untersuchungsgericht mit der Bemerkung, daß unterdessen die Neuwahlen vorgenommen und Zeugen verhört wurden, ohne daß jemand das Wahlrecht verlor. Nun hat Müller, der schon die Täter und den Beschuldigten auf den 12. d. M. vorgeladen hatte, die „Vertagung" melden müssen. Arzt Dünser weiß, daß ihm die Akten erst höflich, dann gröber abgefordert worden sind.

    Über die Predigt in Reuthe hat Feurstein heut berichtet, und es ist möglich, daß wir die Erklärung liegen lassen. Ich hab am Sonntag einen Buben bekommen und ihm für sein Lebtag den Namen Martin gegeben. Mutter und Kind sind wohl. Auch Pius soll sich besser befinden. Ich hatte lang nicht mehr Zeit, ihn zu besuchen. Ich schreibe schrecklich viele Briefe, und mein Roman wird mir, was davon nur noch im Kopf ist, nachgerade zur Last. Du wirst ihn wohl auch noch lesen wollen?

    Über die Allianz der Demokraten mit den Ultramontanen, wie sie im Volksblatt sich offenbaren, bemerkt Feurstein, man werde sehen, wer den anderen bei den Ohren führe. Deine Beilagen will ich besorgen. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Felder Die Beilagen sende zurück.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 10. März 1868

    Lieber Freund!

    Das Briefschreiben und Zeitungslesen ge[winnt] durch die tägliche Post neuen Reiz und ich habe beides nie fleißiger betrieben als jetzt. Deinen Brief sammt Beilage hab ich eben erhalten und schreibe Dir noch heute Abends, weil der morgige Tag meinem Roman gehören soll. Die Brixner kriegen da Haue, wie selbst in den Sonderlingen nicht. S'ist ja nur pures Heidenthum, der Stoff bringts mit und dann muß dem Volk auch gezeigt werden, was die Kerle eigentlich möchten, den ersten Band hab ich noch fast durchweg umgearbeitet, damit ihm nicht hie und da, wie dem von Schweizer das ästhetische fehle, der erste Band ist fertig. Das Ganze dürfte am 1 Mai wieder von Bludenz abgehen können wie die Sonderlinge. Mir wirds leicht, wenn ich des Stoffes einmal ledig bin. Vielleicht kann ich dann im Sommer die Corecturen lesen wenn ihn Hirzel nimmt, woran Hildebrand nicht zweifelt, sonst aber geh ich zu Springer in Berlin, dem Verleger Jeremias Gotthelfs, der mir bereits Anträge machen ließ. Heut erhältst Du den vom Wible abgeschrie­benen Bericht für Seiffertitz den er „benützen" will, ferner den verspäteten Wanderer Artikel mit sehr unlieber Abschneidung des Eingangs. Du kannst das Blatt behalten und zirkulieren lassen. In der Grazer Tagespost dürfte sich dieser Tage noch etwas Besseres (gesalzeneres) finden wenn man mich nicht wieder so beschneidet. Die Veröffentlichung der Federzeichnungen geschah gegen mei­nen Willen. Ichfordertedieetwas veraltete Arbeit drohend zurück, worauf sie dann erschien. Der Artikel, den ich letzte Woche versandte, paßt jetzt besser. Ich hab wider angefangen und nun solls überall Bomben regnen. Wol haben wir hier in Schop eitel Frieden weil Rüscher sich geschlagen sieht. Die beiliegende Bekantgebung von Feldkirch den 8 Februar ließ mir Müller erst am 22 zukommen. Daß sie 8 Tage auf dem Gericht war ist erwiesen. Ich meldete das an das kompetente Untersuchungsgericht mit der Bemerkung daß unterdessen die Neuwahlen vorgenommen und Zeugen verhört wurden ohne daß jemand das Wahlrecht verlor. Nun hat Müller, der schon die Thäter u. den Beschädigten auf den 12. d M vorgeladen hatte, die „Vertagung" melden müssen. Artzt Dünser weiß daß ihm die Akten erst höflich, dann gröber abgefor­dert worden sind.

    Über die Predigt in Reute hat Feurstein heut berichtet u. es ist möglich, daß wir die Erklärung liegen lassen. Ich hab am Sonntag einen Buben bekommen u. ihm für sein Lebtag den Nahmen Martin gegeben. Mutter und Kind sind wohl, auch Pius soll sich besser befinden. Ich hatte lang nicht mehr Zeit ihn zu besuchen. Ich schreibe schrecklich viele Briefe und mein Roman wird mir was davon nur noch im Kopf ist, nachgerade zur Last. Du wirst ihn wol auch noch lesen wollen?

    Über die Allianz, der Demokraten mit den Ultramontanen, wie sie im Volksblatt sich offenbare,  bemerkt Feuerstein,  man werde sehen, wer den Ändern bei den Ohren führe. Deine Beilagen will ich besorgen.

    Mit Gruß u. Handschlag

    Dein Freund

    Felder

    Die Beilagen sende zurück

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 9. März 1868

    Lieber Freund

    Das Briefschreiben hat seit Eröffnung der Post für mich einen ganz eigenen Reiz und ich werde Dich Armen nun gar nie mehr in Ruhe lassen. Heut muß ich Dir danken für die Freude, die Du mir mit dem letzten Briefe machtest. Ich habe wirklich gelacht und das Wible mit, ganz laut daß unser staunender Philax, der Hund laut zu bellen begann. Du hast übrigens noch nicht alle meine Titel und Nahmen angeführt, vielleicht aus Feinheit, sonst hättest Du mich noch nennen können: Großmeister der hiesigen 200 Freimaurer, Verwalter des Handwerkervereins, Erzketzer, Sektenstifter usw. Aber genug und zum Überfluß schicke ich Dir hier noch den Hochwolgebornen von einer Adreßschleife der öster Gartenlaube mit. Nicht wahr, da hört jetzt alles auf? Und doch noch mehr von dem, was bei gewöhnlichen Men­schenkindern Großsprecherei hieße. Den holändischen Artikel, der mich so freute, möchte ich einmal haben. Er soll dann hier übersetzt werden, d h aber nicht von mir, aber der Uhrenmacher will etwas können. Gelt, was sind wir für Kerle? Wer sollte das glauben!

    Aber nun zum Roman. Den ersten Theil hab ich stark um­gearbeitet und bin damit in den letzten Tagen fertig gewor­den. Der 2 te ist erst im rohen Entwurfe fertig. Auch da muß manches mit Rücksicht auf die Veränderungen im 1 Theil umgeschaffen werden. Das auch ist der Grund, warum ich dir denselben noch nicht schickte und noch nicht gleich schik­ken kann. Der Schluß des ersten Theils ist nun bedeutender. Der Schlägerei hab ich das Grobbäurische benommen, indem ich den Knecht, der jetzt Jos heißt, als er auch den einzigen Freund, Stighansen sich gegenübersieht, durchs offene Fen­ster hinaus springen lasse, wobei er einen bösen Fall thut. So bleibt Hansens Schuld und Jos leidet an den gleichen Folgen obwol die Geschichte ein ganz anderes Gesicht ge­winnt. Der Roman ist ein socialer, aber die Brixner bekom­men wieder ihr Theil. Fromme Erbschleicherei ist an allem Unheil schuld und ich muß ihr wol am Schluß auch noch die Zusei zum Opfer fallen lassen. So nur ist Wahrheit im Ganzen, auch halte ich die Wirkung für bedeutender. Ich glaube, zum größten Theil sind die Ultramontanen an unserm socialen Elend schuld und möchte zeigen wie. Alle Personen finden schließlich den Frieden. Nur Zusei, von Betschwestern umschmeichelt, durch deren Hülfe sie auf den Stighof wollte, geht in der Verzweiflung - ins Kloster. Sonst hab ich viel gekürtzt, einzelnen Sätzen ellenweise von der langen Nase geschnitten und ich freue mich darauf, einmal das Ganze lesen zu können. Wenn ich im Sommer nach Leipzig komme, so hoffe ich es mitbringen zu können. Ich wollte oft, daß ich über etwas reden könnte, nun die Zeit kanns noch bringen. Es ist wol gut, wenn wir vor dem Druck darüber sprechen. Vom Gartenlaube Artikel hab ich ein Ex an Moosbrugger geschickt, von dem du es wol schon erhalten hast. Hier hats noch 3 Fuß Schnee und stürmt, daß man kaum die Fensterladen offen erhält. An solchen Tagen legt leicht sich das Gefühl unlieber Einsamkeit auf mich, doch trage ich viel weniger schwer daran, seit wir eine tägliche Post, von hier nach Au einen abendlichen Bothen haben. Die Predigt in Reute, von der mein letzter Brief meldete, macht hier großes Aufsehen. Die Untersuchung wegen Wahlstörung hat nun auch begonnen und regt die Gemüter auf. Unsere Ultras bemühen sich, die Liberalen mit Lasalles Grundsätzen zu be­kämpfen. Rüscher hat seit der Wahl keinen Streich mehr gewagt.

    Nun aber wirds Nacht und die Kühe schellen. Lebe wol. Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 8. März 1868

    Werther Herr u. Freund!

    Uibersende Ihnen in Voraus die Beilage der nächsten Nummer wo ich Ihre Selbstbiografie nur in der Person umgeändert u. mit einigen einleitenden Worten versehen brachte. Ich habe es möglichst schnell gethan, sogar den gesetzten Musikbeitrag aufgehoben, um Ihnen auch in Oesterreich einiges Terrain zu erobern, dessen Sie in Ihrem unerschütterlichen Kampfe so sehr bedürfen, u. damit Sie mich nicht auch unter die Lauen werfen. Ausserdem konnte ich räumlich nichts mehr erweitern u. war noch dazu mit der Leitung von Dr. Eckardts Vorlesungen beschäftigt. Ein eigenes Urtheil über Ihre Werke konnte ich nicht beischliessen, da ich leider nur Proben daraus kenne u. selbst nur ein armer Literat bin, der sich nicht alle Werke, die ihn interessiren, anschaffen kann. Hier liegt es, zur [ächten] Schande sei es gesagt, nicht einmal in der Leihbibliothek auf. Ist Hirzel kein Schmuzier, nun so schicken Sie ihm allenfalls das Beiblatt u. vielleicht schickt er mir dann Ihre Sonderlinge, ganz gewiss aber schon zum eigenen Vortheil Ihr nächstes Werk auf das ich mich recht freue u. das ich doch erst wieder ausführlicher besprechen kann. Uibrigens schadet das ja Ihnen nicht; denn Besseres als Byr gesagt, könnte ich doch nicht sagen. Uiber die „Liebeszeichen" schwieg ich aber, weil ich die Selbst Reklame von uns im eigenen Blatt ä la Leipzig. Gartenlaube nicht liebe. Unsere früheren Abon. ergänzen sich das selbst. Im S u m m u m hoffe ich, daß es Ihnen immerhin etwas nützt, wie es so recht u. schlecht dasteht. Hügel wird Ihnen Samstag noch einige Beilagen mitsenden u. haben Sie zu wenig so schreiben Sie an ihn selbst. Meine Briefe sind mir lieb, wenn sie unter m. Namens-Adresse kommen, da doch Störungen manchmal unvermeidlich u. ich mehr persönlich u. herzlich gehaltene Briefe ungern, wenn auch nur auf einen Zufalls-Einblick in fremden Händen sehe.

    Für Ihre Fotografie herzlichen Dank; werde später erwiedern, in dem ich jetzt „kein Lichtbild" von mir besitze u. erst später besorgt darum sein muss. Gratulire zu Ihrem jüngsten Sprossen; möge er dem Vater gleich werden!

    Abdruck der „Schattenbilder in der Grazer Tagespost" werden Sie erhalten haben. Ihren „zwei Tagen eines Bäuerleins" werde ich ebenfalls noch einen 2. Abdruck in einem hierortigen Organe vermitteln; so daß Ihr Name nach u. nach geläufig wird.

    Gruss u. Handschlag

    von Ihren Freund

    Karl Pröll

    N. B. Redakteur der Tagespost, Dr. Viktor Swoboda, möchte von Ihnen auch kurze Berichte, welche namentlich Kultur-Interessen u. politische Spitzen vereinen, also eine Art polit. Feuilleton hie u. da von Ihnen erhalten. „Tagespost" zahlt 60 fl für Ihre Bogen von 2000 Zeil. also immerhin mehr wie wir u. ist in Steiermark viel gelesen, kommt aber freilich nicht so weit wie wir mit unseren wenigeren Abonn. (bis Stockholm, Riga, Neapel, Paris etc.) Da ich überzeugt bin, daß Sie mir nicht ganz untreu werden, sondern alle 3-4 Monate noch immer einen kleinen Artikel ethnograf. Natur von etwa 1/4- 1/8Druckbog, senden werden trotz schlechterer Beding., so empfehle ich Ihnen sehr diese Anknüpf. Bitte sich aber dann gleich direkt an V. Swoboda zu wenden (unt. Adresse: „Redakt, der Tagespost" in Graz) denn ältere Redakteure sind eitel u. eifersüch­tig. Bei mir, der ich nach 1 Jahr weniger als Sie zähle, hat man noch nicht diesen literar. Hochmuth!

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 8. März 1868

    Lieber Freund!

    Eben erhalte ich Deinen Brief vom 5. d. Ms. und beeile mich, ihn zu beantworten:

    Dein Brief an Vonbank freut mich, ich hätte keinen so ent­gegenkommenden erwartet. Thurnher und ich arbeiten schon daran, das theologische und grau theoretische Zeug im Volksblatt auszumerzen, und wir machten drum den Vonbank insbesonders auf Artikel XVI im Heft 4 der Hist.-pol. Blätter aufmerksam. Eben habe ich Greuters Rede über die soziale Frage im Reichsrat gelesen, es scheint, er hat unsere Klar­stellung studiert, wenigstens ist die Rede ein Vortrag aus derselben. Die Sachen machen sich, aber äußerste Vorsicht ist notwendig, daß die Spanfudler nicht in die Lage kommen, den Lassalleanismus zu mißbrauchen. -

    Eure Erklärung gegen den Pfarrer von Bizau würde ich billigen, nur glaube ich, sollte das Wort „Stockmayer" einfach ausge­lassen werden und statt „Verleumder" stünde besser „Ehrab­schneider". Der Gegensatz ist mit „früherem Pfarrer" stark genug hervorgehoben, auch war vor Stockmayer auch ein Pfarrer. Das Wort „Verleumder" hat in unserm Strafgesetz eine Bedeutung, die von der im Katechismus sehr stark ab­weicht. Ein „Verleumder" ist nämlich ein Verbrecher, der kriminalisch zu behandeln ist. Dagegen ist ein Ehrabschneider im Strafgesetz so ziemlich das, was im Katechismus und was Ihr eigentlich sagen wollt. Wenn die Predigt war, wie Ihr schreibt, dann kann man Euch nichts machen, wenn die Er­klärung erscheint. Ich würde es für ganz zweckmäßig ansehen, sich auf diese Art zu wehren. Nur drauflos auf die — Meine zwei Artikel in der Landeszeitung und im Volksblatt über die Viehassekuranz wirst Du gelesen haben und auch die Ausschreibung der Generalversammlung auf 29. d. Ms., die meinem letzten Artikel nicht entspricht. Ich glaube heute noch, daß die Anträge von Rechts wegen und aus Zweck­mäßigkeitsgründen zu veröffentlichen wären, auch Bezirks­vorsteher Ratz, der die Statuten eigentlich redigierte, hat diese Ansicht ganz entschieden. Ich will mit dem Verwaltungs­rat aber nicht rechten, mag aber in dieser Sache umso weniger noch einmal öffentlich auftreten, als es diesmal nur in einiger Opposition gegen den Verein geschehen könnte. Ich schicke Dir daher anliegend meinen Antrag und das Schreiben des Tschavoll mit dem Ersuchen, diese Schriftstücke den Häuptern der Opposition mitzuteilen und sie in meinem Namen zu bitten, daß sie den Antrag prüfen und ihre Bemerkungen und Anträge sofort feststellen und zur Generalversammlung einsenden. Ich würde mich unmittelbar an die Betreffenden wenden, aber ich weiß nicht genau, wer sie sind. Die zwei Schriftstücke mögen mir wieder behändigt werden. -

    Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

     

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 5. März 1868

    Lieber Freund!

    Pröll schreibt mir, daß mein Artikel in der Redaktion des Wanderer verloren gegangen zu sein scheine. Ich hab mich nun an Mayer gewendet, und unterdessen einen ändern Artikel - einen kurzen Auszug des ersten - fortgeschickt. Von Vonbank hab ich Euer Programm mit kurzem Begleit­schreiben erhalten. In Beilage l findest Du die Abschrift meiner Antwort. Beilage II enthält die Abschrift einer Er­klärung, die wir in der Landeszeitung veröffentlichen wollen. Noch harrt das Original Deiner Antwort, die wir mit um­gehender Post erwarten. Ich hoffe denn auch, Dein Urteil über den Brief an Vonbank zu erfahren. Begeisterung für den ultramontanen Standpunkt hab ich nicht und gebe diesen Leuten noch ungern eine Waffe in die Hand. Die Predigt in Reuthe macht hier großes Aufsehen, aber ich weiß mich nur mit der Erklärung II zu wehren. Weißt Du was Besseres? Hildebrand schreibt mir: In einer angesehenen holländischen Zeitschrift von Verbreitung und Ruf finde er einen langen Artikel unter dem Titel Franz Michael Felder. Der Artikel berichte von mir als Bauer, Dichter und Reformer. Er sei mit mehr Wärme und Verständnis geschrieben, als was durch Deutsche über mich in die Öffentlichkeit gelangte, und Hirzel lasse mir überraschenden Absatz der Sonderlinge nach Hol­land melden. Es soll auch in dem Artikel einiges ins Hollän­dische übersetzt sein, z. B. die Rede Marianns über das Jauchzen.

    Sonst schreibt mir Hildebrand, daß von meinen Freunden in Leipzig schon für die Mittel zu einem zweiten Besuch im Norden gesorgt sei.

    Doch meine Zeit ist alle. Sei so gut, mir gleich eine Antwort mit den Abschriften zu schicken. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund                                                          F. M. Felder

    [Diesem Briefe sind beigeschlossen: Zwei Beilagen:

    a)          ein Brief F. M. Felders an den Redakteur Vonbank des Vorarlberger Volksblattes

    b)          eine Erklärung des Gemeindevorstandes von Schoppernau, veröffentlicht in der V. Landeszeitung

    Beide von der Frau Felders in ihrer Handschrift abgeschrie­ben.]

    [(Felders Brief an den Redakteur des Vorarlbg. Volksblattes:)]

    Schoppernau, den 2. März 1868 Geehrte Redaktion!

    Ihre werte Zusendung war die erste, welche mir unsere neue Post brachte. Ich werde es freudig begrüßen, wenn's möglich wird, in unserm Lande und für dasselbe nach dem erhaltenen Programm zu arbeiten. Bisher konnte man das nicht. Daß ich aber immer und überall in diesem Sinne arbeitete, volle Gleichberechtigung anstrebend und was dazu führt, dabei alle Gegner derselben ohne Rücksicht bekämpfend, das wird mir jeder bezeugen, der sich näher um das kümmerte, was ich tat und schrieb, als um die wunderlichen Geburten eines bedauerlichen Vorurteils, gegen den eigensinnigen Bauern, und die von ihm - dem Freimaurer - gestiftete Sekte. Ihre werte Sendung ist mir Beweis, daß Sie das mit mir bedauern und es in Ordnung finden, wenn ich mich dagegen wehre. Mein Programm liegt in den Sonderlingen vor und wird in meinem neuen Roman noch festere Gestalt gewinnen. Ich finde es durchaus in Übereinstimmung mit dem Über­sendeten. Ich will dem Volke dienen mit meiner Kraft, so gut ich's kann. Freudig schließe ich da mich an, wo das auch bezweckt wird und suche gern statt dem Trennenden das Gemeinsame auf, wo es ein Großes zu erreichen gilt. Entschuldigen Sie den gerade von der bisherigen Partei des Volksblattes so oft Mißverstandenen, daß er mit diesem Ihnen seinen Standpunkt kurz klar zu stellen suchte. Ich habe die Absicht, noch heute das Programm unterzeichnet an Herrn Pfarrer Berchtold zu senden. Meine Feder wird für die in demselben aufgestellten Grundsätze arbeiten, und ich schätze mich glücklich, wenn ich das im engern Vaterlande auch kann.

    Freudig begrüße ich Sie denn als Kämpfer für wahre Gleich­berechtigung und zeichne Hochachtungsvoll Ihr ergebener

    Franz Michael Felder

    Erklärung

    In einer zu Reuthe am 28. Februar gehaltenen Predigt gegen Glaubenslosigkeit erlaubte sich der Herr Pfarrer von Bizau bei in [sie!] einer Klage wegen Überhandnehmen des Un­glaubens, auf die Gemeinde Schoppernau als abschreckendes Beispiel hinzuweisen. Die Gefertigten sehen sich zu der Er­klärung genötigt: Daß hier noch nichts geschehen ist, was zu solcher öffentlichen, die Gemüter in hohem Grade auf­regenden Beschimpfung der Gemeinde berechtigen könnte. Die Gemeindebürger sind durch ihren frühern Pfarrer Stock­mayer zu gut im Glauben unterwiesen, um sich durch das gegründete Mißtrauen gegen einzelne Verkünder des Wortes, die im Sinne des erwähnten Predigers wirken wollen, vom Wege des Heiles abbringen zu lassen, und glauben im Namen der Gemeinde, sich dadurch zum katholischen Glau­ben bekennen zu müssen, daß sie den Pfarrer von Bizau öffentlich für einen Verleumder erklären.

    Schoppernau, den 4. März [1868]

    gefertigt waren Vorsteher

    und die zwei Gemeinderäte

    von Schoppernau

    [Zusatz von K. Moosbrugger:]

    Diese Erklärung ist über meinen folgenden Brief etwas ge­ändert, von der Landeszeitung in zugestutzter Form gebracht worden. Dagegen haben dann der betreffende Pfarrer in Bizau und einige Schoppernauer eine Gegenerklärung ver­öffentlicht. Wer da oder in anderen strittigen Punkten dem Recht und der Wahrheit näher kam /:sie völlig zu erreichen wird hienieden wohl niemandem gelingen:/, das zu unter­suchen gehört nicht hieher, da diese nur unklares Material veröffentlichten.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. März 1868

    Lieber Freund!

    Den Brief von Natter, den von Bregenz und die letzten zwei habe ich erhalten.

    Vor allem wünsche ich Glück zu dem guten Ausgang der Wahlen.

    Ich wäre schon lang neugierig auf die Abschrift des Briefes an Seyffertitz, schicke mir dieselbe baldigst zu und teile zu­gleich mit, wie der Bericht aufgenommen wurde. Unsere Beratung hat sich hier bis 22. v. Ms. verzogen, das über dieselbe aufgenommene Protokoll hat Dir Vonbank, wie ich aus einem Briefe ersehe, zugeschickt. Der Artikel „Politik und Volkswirtschaft" ist damals verlesen worden, er ist von Thurnher und der die neue Richtung des Blattes einleitende. Ich habe bereits seither eine Erstlingsarbeit für das Blatt fertig gemacht und gestern abgeschickt. Die Auf­schrift ist „Gesichtspunkte", und ich will damit, wie Du, wenn sie aufgenommen wird, woran ich nicht zweifle, ersehen wirst, das Blatt auf die Probe stellen. Du wirst finden, daß es mir an der nötigen Vorsicht nicht gebricht. Nach einem Brief Vonbanks ist derselbe für das germanistische Wesen sehr leicht zu gewinnen. Meine „Gesichtspunkte" werden, glaube ich, auch dem Hildebrand gefallen (es wäre interessant, wenn Hildebrand von hieraus die Lassalleaner begreifen lernen müßte), und wenn wir mit denselben durchdringen, ist unsere Partie im Lande wohl wie gewonnen. Thurnher ist darüber ganz entzückt. Ich stelle mir vor, daß Du, dem Vonbank'schen Antrag gegenüber, wohl schwankend sein werdest, wenn ja, warte bis die Gesichtspunkte erscheinen und dann resolviere Dich.

    Daß es mich freut, die Wendung des Volksblattes durch­gesetzt zu haben, wirst Du nicht bezweifeln, eine größere Freude aber bereiteten mir die Arbeiter Wiens durch Über­sendung eines Briefes, von dem ich eine Abschrift hier beilege. Die Spende, von der sie reden, sind unsere Bro­schüren, die ihnen Mayer, wie er mir schreibt, übergeben hat. Sobald ich vom Ministerium Bescheid über meine Anfrage erhalte, werde ich mit dem Verein mich in Verbindung setzen. Die Vereinszeitung kommt, sobald sie erscheint, hieher. Ich zweifle nicht, daß bald ein Anstoß von Wien kommt zur Gründung von Arbeiterbildungsvereinen auch hier, die ich in den Gesichtspunkten schon bevorworte. -

    Dr. Preu sagt mir in Meräudlarles Sache, daß die Schwester in Stuben in Konkurs verfallen sei und ihre Betreffnisse und For­derungen daher der Konkursmasse gehören. Hienach ist die gestellte Anfrage mir unverständlich. - Nach einem kürzlich erhaltenen Brief weiß Babel in Mellau nicht, ob ich ihrem eben verstorbenen Kind „Götte" sei. Freilich bin ich, was Du ihr sagen lassen sollst. - Wie sind die Wälder in der Vieh­assekuranzsache gesotten, was sagen sie zu meinen Schritten? Obige Abschrift und baldige Antwort erwartend mit Gruß und Handschlag Dein Freund           K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 2. März 1868

    Geehrte Redaktion!

    Ihre werte Zusendung war die erste, welche mir unsere neue Post brachte. Ich werde es freudig begrüßen, wenn's möglich wird, in unserm Lande und für dasselbe nach dem erhaltenen Programm zu arbeiten. Bisher konnte man das nicht. Daß ich aber immer und überall in diesem Sinne arbeitete, volle Gleichberechtigung anstre­bend und was dazu führt, dabei alle Gegner derselben ohne Rücksicht bekämpfend, das wird mir jeder bezeugen, der sich näher um das kümmerte, was ich tat und schrieb, als um die wunderlichen Geburten eines bedauerlichen Vorurteils, gegen den eigensinnigen Bauern, und die von ihm - dem Freimaurer ­gestiftete Sekte. Ihre werte Sendung ist mir Beweis, daß Sie das mit mir bedauern und es in Ordnung finden, wenn ich mich dagegen wehre.

    Mein Programm liegt in den Sonderlingen vor und wird in meinem neuen Roman noch festere Gestalt gewinnen. Ich finde es durchaus in Übereinstimmung mit dem Übersendeten. Ich will dem Volke dienen mit meiner Kraft, so gut ich's kann. Freudig schließe ich da mich an, wo das auch bezweckt wird und suche gern statt dem Trennenden das Gemeinsame auf, wo es ein Großes zu erreichen gilt. Entschuldigen Sie den gerade von der bisherigen Partei des Volksblattes so oft Mißverstandenen, daß er mit diesem Ihnen seinen Standpunkt kurz klar zu stellen suchte. Ich habe die Absicht, noch heute das Programm unterzeichnet an Herrn Pfarrer Berchtold zu senden. Meine Feder wird für die in demselben aufgestellten Grundsätze arbeiten, und ich schätze mich glücklich, wenn ich das im engern Vaterlande auch kann. Freudig begrüße ich Sie denn als Kämpfer für wahre Gleichberech­tigung und zeichne Hochachtungsvoll Ihr ergebener

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Georg Vonbank
  • 1. März 1868

    Lieber Freund

    So eben höre ich von einer am letzten Freitag in Reute gehaltenen Predigt worin die Gemeinde Schoppernau schlecht weg kam. Die Sache macht hier Aufsehen und wurde wol durch das Gerücht verdreht u. vergrößert. Du bist wol in der Lage oder kannst drein kommen, mir das Wahre von der Sache so bald als möglich zu melden. Ich bitte dich es zu thun.

    Die Untersuchung wegen dem Uhrenmacher ist dem Gericht in Bregenz zur kompetenten Amtshandlung überwiesen. Behalte das aber für dich. Dem Faschingsgott hab ich den letzten Montag geopfert. Es war recht lustig und ich bedauerte dich nicht zu finden. Mein Roman wächst in erfreulicher Weise vielleicht bring ich einmal einen Brocken mit. Nächste Woche komm ich vermuthlich am Donnerstagden 12 hinaus. Felder ist auf diesen Tag vorgeladen.

    Die Untersuchung gegen die Wahlstörer hat auch begonnen. Es grüßt Dich u. die Deinen herzlich

    Dein Freund Franz M Felder

    Was sagst du zum Artikel in der öster Gartenlaube?

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 1. März 1868

    Lieber Freund!

    Nun ist eine tägliche Post bereit, alle Briefe von meinen Freunden in Empfang zu nehmen und abends 4 Uhr nach Au zu bringen, von wo unser Gemeindediener sie jeden Abend holt. Ich hoffe, daß Du die gute Gelegenheit benützen und mir fleißiger schreiben werdest, als das im letzten Monat geschehen ist.

    Unter dem 8. Februar wurde mir vom k.k. Präses in Feld­kirch gemeldet, daß die Sache des Uhrenmachers an das Bezirksgericht Bregenz zur kompetenten Amtshandlung über­wiesen sei. Das Schriftstück wurde vom Förster am 14. in Bezau gesehen. Ich aber erhielt es erst am 22. d. Ms. Unter­dessen wurden von Müller die Zeugen verhört. Ich kann mir das späte Zusenden erklären. Es heißt nämlich in der Bekannt­gebung, die Klage wegen Wahlstörung wurde heute, also am 8. Februar, dem Bezirksgericht Bezau überwiesen. Wäre nun Müller gleich eingeschritten, so hätten unsere Gegner das Wahlrecht verloren. Das aber sollte nicht geschehen. Ja, Müller riet sogar in einem vertrauten Schreiben dem Vor­steher, dem Frieden zuliebe wenigstens einen Gegner in den

    Gemeinderat zu bringen. Daß es nicht geschah, hab ich Dir gemeldet. Neu ist, daß Müller unsern Vorsteher vorlud, um ihm vorzustellen, daß meine Klage wegen Wahlstörung nur Händel gebe. Albrecht blieb fest und Müller sagte: Dann werde er eben etwas tun müssen. Es sei ungesetzlich und verstehe sich von selbst, daß man das nicht durchgehen lasse. (Ein Fuhrmann muß renken können!) Dann sagte Müller, dem Uhrenmacher werde man kein großes Schmerzensgeld her­ausbringen. Der Täter sei arm, und der Rößlewirt hab ihn nur festgehalten.

    Ich glaube, man könnte von den Tätern (zwei hielten und einer schlug den Uhrenmacher) eine Summe fordern und ihnen das Aufbringen derselben umso mehr überlassen, da der Schläger beim Rößlewirt Knecht und zum Schlagen auf­gefordert ist. Was sagst Du?

    Vorgestern war Fastenandacht in Reuthe, der Pfarrer von Bizau predigte vom Glauben: Nicht nur da draußen, sagte er, auch hier nimmt die Glaubenslosigkeit Überhand. Ja, in der Nachbargemeinde Schoppernau glaubt man schon nicht mehr einmal an die Unsterblichkeit der Seele. Nun denke Dir zuerst, wie das Aufsehen machen mußte, und dann sage mir, ob man sich das und Ähnliches gefallen lassen muß. Rüscher verhält sich ruhig, aber in den Nachbar­gemeinden beginnt die Hetzerei. Dieser Tage erhältst Du meinen Gartenlaubenartikel. Lese und mache wie Du willst, dann aber sende ihn an Dr. Hildebrand in Leipzig, Wind­mühlenstraße 29. Er wird ihn wohl nachdrucken lassen, da mit unserer Feldkircherin (der erbärmlichen) doch nichts erreicht würde. Von dem ändern Artikel, den ich zuletzt schickte, hab ich noch gar nichts gehört und nun ihn zurückgefordert, wenn er noch nicht heraus ist. Ich sende ihn auch nach Deutschland, denn hier scheint alles faul. Mein Roman wächst. Lebewohl. Melde bald Erfreuliches. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. März 1868

    Oesterreichische Gartenlaube                    

    Herr u. Freund!

    Endlich ist es meinem Drängen bei Nordmann gelungen, Ihre Einsendung in Druck zu bringen u. zwar an begünstigter Stelle im Feuilleton. Freilich ist das eine späte Genugthuung, denn wir haben dieselbe um mehr als 3 Wochen später, als es sonst möglich gewesen wäre; aber doch besser noch so, als wenn das Manuskript verloren gegangen wäre, wie ich fast befürchtete. Nun bei uns hätte es nach der technischen Einrichtung höchstens um 8 Tage früher kommen können. Dennoch werde ich künftig vorsichtiger in der Wahl der Organe sein u. lieber die hiesige Tagespost, die auch 7000 Ab. hat, wo ich direkteren Einfluss besitze u. von wo es doch in die Wien. Blatt, dann übergeht, benutzen. Man sieht wie lax oft die liberalsten Blätter sind u. wie rücksichtslos gegen Neulinge, die wir beide mehr o. weniger sind. Bei der Tagespost bewirke ich, daß aus Ihrem Artikel Auszüge prägnanter Stellen gebracht werden.

    Haben Sie irgend eine Klage in letzter Zeit, so bitte ich, mir dieselbe in kurzer Notiz gefaßt (nicht über eine Spalte) zu übermitteln; ich bringe dieselbe auf die erwähnte Art in die Tagespost. An mir u. meinen Eifer für Sie edlen, treuen, hochbegabten Mann, für Sie kühnen Wahrheitsgeiger, der in dem elenden Neste mehr morali­schen Muth entwickeln muss, als alle liberalen Redaktionen in der ärgsten Reakt. Zeit es nothwendig hatten sollen Sie nicht zweifeln u. ich hoffe, daß Sie meinem Worte glauben daß ich diesmal vollkommen unschuldig bin.

    Notizen zu einer kurzen, mehr bibliografischen Skizze mit den wichtigsten Lebens-Umständen u. den Schlagworten besserer Kriti­ken über Ihre Leist. bitte ich bald zu senden. Sie sehen aus d. Umstände wieder, daß man Sie gerade wie unser Organ, das auch längst in Norddeutsch, u. Südd. sich Anerkennung errungen, in Oesterreich am wenigsten kennt u. schäzt. Dem muss abgeholfen werden u. zwar bald. Ich bitte mir deshalb entgegenzukommen. Nochmals Gruss u. Handschlag von

    Ihren treugesinnten Karl Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 1. März 1868

    Lieber Freund,

    Da mein Briefpapier eben ausgegangen ist, mußt Du einmal mit einem groben Briefbogen fürlieb nehmen; aber ich muß Dir schreiben. Die Feinheit des Inhalts und Stils soll die Grobheit des Papiers ausgleichen.

    Vor allen Dingen meinen, unsern Glückwunsch zu Deinem, zu Euerm Siege. Herr Gemeinderath, das klingt! noch besser als Hr. Doctor - doch den hast Du ja schon - also Herr Ge­meinderath Dr. Felder, reisender Wahlcommissär wenns noth thut, sonst Inhaber und Stifter einer Lesebibliothek wie auch einer Viehversicherungs- und Käsehändlergenossen­schaft, Verfasser der Sonderlinge usw., Mitglied mehrerer gelehrten Gesellschaften usw. usw., was tausend, Du hasts schon weit gebracht als Bauer! Ich muß nur nächstens wieder einen Gartenlaubenartikel über Dich schreiben. Doch Spaß bei Seite. Es war freilich nur halb Spaß oder ein Viertel, ich weiß aber nicht was ich heut für ein Schwätzer bin - ich freue mich wieder einmal in voller Freude wenn ich an Dich denke, daher wol das Schwatzen und der Spaß. Lachst Du denn auch? Du sagtest mir einmal dort, Du hättest seit ein paar Jahren nicht so viel gelacht als in der Zeit da Du mit mir zusammen warst. Das schmeichelte mir, weil ich sonst auch für einen furchtbar ernsten Menschen gelte (bin ich doch schon Menschenfresser genannt worden). Nun mußt Du aber auch viel lachen wenn ich nicht dabei bin, nicht immer so einerlei sehen.

    Aber ich schwatze schon wieder, und wollte Dir doch von Wichtigem erzählen. Also am Donnerstag erhielt ich aus Hol­land das Heft einer holländischen Zeitschrift etwa in der Art der Grenzboten, das Januarheft v.J. 1868, worin ein langer Aufsatz mit der Überschrift: Franz Michael Felder. Da erzählt ein Holländer, Namens Muller, seinen Landsleuten von Dir und Deinen Sonderlingen mit einer Ausführlichkeit und einer Wärme wie es noch nicht zu lesen gewesen ist. Voraus eine Geschichte Deiner Entwickelung, nach der Gartenlaube, mit Einflechten von Zügen aus der Entwickelung Deines Franz Sepp, wie er ihn nennt, mit eigner Ausmalung in novel­lenartiger Breite, nicht ohne kleine Mißverständnisse, aber im Ganzen überraschend richtig und vor allem mit einer stil­len Begeisterung die mir bei einem Holländer doppelt über­raschend ist. Während z. B. die deutschen Besprechungen alle nur von Dir als Schriftsteller sprachen, legt er das Haupt­gewicht auf die merkwürdige Vereinigung von Bauer und Dichter und anderseits von Dichter und Volksreformer in Dir. Dabei hat er keine Ahnung, daß er es mit einem Katholiken, Du mit einem kathol. Geistlichen zu thun hast; wenigstens erwähnt er kein Wort davon. Ich fühle mich verpflichtet, dem Manne meinen Dank auszusprechen und werde das auch in Deinem Namen thun. Schade daß Du das Holländisch schwer­lich verstehen würdest, wenn Du es auch zu lesen versuch­test; aber einmal zuschicken muß ich Dirs doch, oder wenn Du herkommst, Dirs vorübersetzen. Ich weiß nicht genau, wem eigentlich das Exemplar bestimmt ist, ob Dir oder mir; ich kanns bei Hirzel erfahrn, der auch eins erhalten hat und sehr erfeut darüber war. Von den Sonderlingen gibt der Holländer eine kurze Skizze ungefähr bis in die Mitte des ersten Theils, bricht aber dann ab, um den angeregten Appe­tit der Leser sich am Buche selbst stillen zu lassen; daher jedenfalls rührten die erwähnten Bestellungen Deines Ro­mans aus Holland. Die Grundgedanken des Buches hat er, zum Theil wenigstens, mit Klarheit und Wärme erfaßt, wie ganz anders als die meisten Landsleute die Dich besprochen haben! Er übersetzt auch einige Stellen, z. B. was Mari über Franzens Jodeln sagt auf dem Wege zum Vorsaß, es nimmt sich wunderlich und doch allerliebst aus in holländischem Gewände. Leider kann ich Dir heute nichts ausschreiben aus dem merkwürdigen Aufsatze, weil Flügel ihn mitgenommen hat, aber das nächste Mal. Am Dienstag werde ich dem Club darüber Mittheilung machen, der Dich herzlich grüßen läßt und mit alter Wärme an Dir festhält; wir tagen nämlich oder abenden vielmehr jetzt auch Dienstags außer Mittwochs, doch ist letzteres noch der Hauptabend. Nächstens, d. h. am Sonnabend, wird ein Stiftungsfest des Clubs begangen, im Schützenhause, der Feuereifer besonders der studentischen Jugend hat das zu Stande gebracht, und mir ist es recht; sie werden auch ein Drama aufführen, das Lippold als Fest­drama gedichtet hat (ich soll zwar nichts davon wissen, weiß es aber doch), Du kommst sicher auch drin vor. Ach könntest Du doch dabei sein!! Wir haben auch auswärtige Mitglieder und Freunde dazu eingeladen, wie Lucae, Köhler, Bech (er­innerst Du Dich derer noch? Bech wars der Dich küßte beim Abschied in Weißenfels) - aber Du wohnst ja gar zu weit. Doch daß Du diesen Sommer wieder herkommst, darauf rechnet außer mir auch der Club, und was die Reisekosten betrifft, so gilt was ich Dir in den letzten Tagen Deines ersten Besuchs hier sagte, die tragen mit Deiner Erlaubniß Deine hiesigen Freunde, das ist schon ausgemacht. Daß Hirzel auch Arm und Reich drucken wird, ist mir nicht zweifelhaft, er that auch dieser Tage eine gemüthliche Äußerung, die nicht anders zu verstehen war. Wie weit bist Du denn? im zweiten Theile? Ich möchte schon einmal etwas sehen davon, Du kannst ja jetzt bis zu 15 Loth in Briefform für 10 Kr. verschik­ken, weißt Du das? Schick mir doch einmal die erste Lage oder so. - Die Briefe von Seifertitz sind mir sehr interessant, laß mir sie noch bis zum nächsten Briefe. Aber wieder ein­mal ein Pessimist in einem tüchtigen Menschen! s ist ein Elend! Und des Barons Glaube an die Menschen scheint recht tief zerfressen! Du lieber Gott, er wars bei mir auch einst, tief, tief; aber ich hab alles ausgeschieden, nicht durch Philo­sophie, sondern durch Erfahrung, nur Göthe hat mir dabei geholfen. Der Glaube an die Menschheit ist eigentlich unsere wahre Religion, wenigstens zu drei Viertel, er fällt mit dem Glauben an Gott eigentlich fast zusammen, verstehst Du das so ohne weiteres und gibst es zu? ­Viel könnt ich Dir von unserm Carneval erzählen, der da wie vom Rhein oder aus Italien zu uns herein geschneit war nach dem nüchternen Norddeutschland. Der großartige Zug am Montag, gegen eine Stunde lang, mit Pracht und Witz in Ernst und Scherz, das Maskentreiben auf den Straßen, die Tausende von Menschen - das hättest Du sehen sollen! Ich dachte lebhaft an Dich. Auch ich hab am Montag Abend in der Sinecura eine Narrenkappe aufgehabt, denke Dir! Doch das Papier wird alle, also bis aufs nächste Mal herzlich grüßend

    Dein R. Hildebrand.

    PS. Wie steht es mit der fehlenden Nummer des Auslands? Wenn Du Nachricht aus Lindau hast, melde mirs doch und die Nummer noch einmal, daß wir sie dann hier besorgen.­Ich schicke Dir vom Carneval doch einen Bissen mit, es wird Euch vielleicht ergötzen, Du mußt mir aber die Nummer wiederschicken gelegentlich. -

    Bei uns grünen die Ziersträucher bereits auf den Promenaden und die Amsel schlägt.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 1. März 1868

    Lieber Freund

    Heut endlich hab ich die Eröffnung der neuen Post zu mel­den und dieser Brief, vielleicht noch der erste, den sie expe­dirt, kommt wie eine Siegesfahne herrlich und groß um Dir allerlei kleine Siege vorzuführen und auch etwa ein Loch sehen zu lassen. Der Fasching als solcher gieng mir ziemlich unbemerkt vorüber. Nur einen Tag hab ich ihm geopfert ­den letzten Montag. Im Rößle in Au war, was man hier Ball heißt. Ich ward auch geladen und fuhr mit einigen guten Freunden hin, wo wir lauter Parteigenossen antrafen. Auch der Uhrenmacher war eine Weile, aber noch mit verbundenem Kopfe, dabei und benahm sich ruhiger brauchgemäßer als man das an ihm gewohnt war. Er scheint aus dem Unfall gelernt und während der 4 Wochen, die er meistens lag, sich etwas geläutert zu haben. Vom kk Kreisgericht Feldkirch wurde mir eröffnet, daß auf meine Angaben vom 3 ten Fe­bruar das Gericht in Bezau nicht die kompetente Behörde in der Angelegenheit des Uhrenmachers, und daß diese dem Bezirksgericht Bregenz zur Amtshandlung übergeben worden sei. Dagegen habe unser Gericht in Bezau gegen die Wahl­stürmer vom 26 Jänner sofort einzuschreiten. Ich würde dir noch mehr über die Sache schreiben, aber man weiß nie, was ein Brief erlebt. Wenn er z B verloren gehen sollte, wie die drei, die ich im Sommer von Leipzig aus in meine Hei­mat schickte!

    Du erhäl[t]st in diesen Tagen auch eine Nummer unserer Gartenlaube mit einem Artikelchen von mir. Ich wollte das­selbe könnte auch bei euch in die Öffentlichkeit und - allen­falls auch ans Geld gebracht werden. Unsere Gartenlaube zahlt noch sehr wenig. Für jenen Artikel bekomme ich höch­stens 8 fl. Banknoten. Für die Liebeszeichen berechnete man 65 fl, erhalten hab ich kaum die Hälfte. Und doch beklemmt mich Thalerlosigkeit und die vielen Abtheilungen meiner wunderbaren Brieftasche, um die du mich seiner Zeit be­neidetest, sind so merkwürdig leer, als nur etwas auf der Welt sein kann. Gekeilt werde ich auch nicht mehr werden, das ist mir klar, aber mutlos bin ich nicht. Ist erst einmal mein Roman aus dem Kopf, so will ich schon wieder etwas schrei­ben was Hände und Füße hat und seinen Weg findet. Warum sollte ich nicht hoffen, da sogar das Wible - hofft? Ich hab nun über die Liebeszeichen mich auszusprechen und zwar zuerst über meine Gedanken über die Strafe in der Dichtung. Das Unglück, wo es Strafe ist, soll den Menschen doch nur läutern, und nur den, der seiner Aufgabe nicht ge­wachsen ist, noch tiefer stürzen. Philomena küßt just nicht um dem Christian untreu zu werden, nicht um zu küssen, sondern um für vorurtheilsfreier zu gelten. Im Läuterungsfeuer der Reue, die doch ihrem etwas selbstsüchtigen Wesen gemäß dargestellt sein dürfte, lernt sie den endlichen Ge­liebten schätzen und verdemütigt sich vor ihm, wozu sie es ohne die Kußgeschichte wol niemahls gebracht hätte. Das Mädchen ist zu wenig tief angelegt, als daß man mehr von ihm verlangen könnte.

    Aus der Erzählung geht hervor, daß auch hier geküßt wird (Männer erinnern sich daran - Frauen küssen Kreuze u dgl) nur die strenge Sitte, öffentliche Meinung ist dagegen. Mir kommts vor, der Kuß ist hier etwas Großes, die Liebe etwas Unheiliges. Drum ist der Kuß Verliebter-Sünde. Aber in einem Augenblick, wo eine Mutter ihr Kind glücklich sieht, wo sie so erregt ist, wie wenn sie selbst in freudigem Dank­gebeth ihr Christusbild küßt, da findet sie natürlich, was in ruhigen Augenblicken die Verknöcherte Dienerin der stren­gen Sitte streng tadeln müßte. In der Erzählung wollte ich nebenbei den Kampf des rein Menschlichen mit dem künstlich geschaffenen, im Wesen des Volkes nicht vorhandenen Vor­urtheil zeigen. Vielleicht hätte das weiter ausgeführt werden sollen, doch wollte ich eben unsere Pfarrer einmal in Ruhe lassen. Es kommt immer schief, so oft ich das will. Als ich von Leipzig kam, erschien mein Kampf mir etwas klein. Ich wollte ruhig meinen Roman vollenden und athmete Friede und Versöhnung. Da hatten die Herren wieder Zeit eine Saat zu streuen die jetzt überall ausschlagt. Nun aber kenn ich auch keine Gnade mehr. Ich hatte mehr Glück als Verstand, daß mir die Unvorsichtigkeit der Gegner das Heft nochmals in die Hand gab. Jetzt muß es zum Biegen oder Brechen kom­men. Die Gegner scheinen auch so zu denken. Vorgestern wurde in Reutte, wo Du katholische Prozession mitmachtest, wörtlich foJgendes vor voller Kirche gepredigt: „Nicht nur da draußen nimmt die Glaubenslosigkeit überhand, auch in engen Thälern wie in der Nachbargemeinde Schoppernau glaubt man nicht einmal mehr an Gott und an die Unsterb­lichkeit der Seele." u s w

    Das Volk wird in erschreckender Weise aufgehetzt. Seit Rüscher etwas gebunden ist, beginnen andere zu hetzen. So, das ist nun der erste Brief mit täglicher Post. Ich bitte Dich, sie doch auch recht fleißig zu benützen. Schreib mir, wie Dir der Artikel gefalle, und benütze ihn wie Du willst u kannst. Weißt Du nichts damit anzufangen, so schick ihn wieder. Vorher lese ihn dem Klub vor und melde ihm mei­nen herzlichsten Gruß.

    Was macht Hirzel? Ich werde ihm dieser Tage wol auch ein­mal schreiben. Jetzt bin ich wieder am Roman, das nächste Mal sollst Du nun bestimmt davon hören. Grüß mir die lieben Deinen und alle die mir wohl wollen. Mit herzlichstem Gruß u Handschlag

    Dein  Freund Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 1. März 1868

    Oesterreichische Gartenlaube                        

    Lieber Freund!

    Ihren freundlichen Brief erhalten. Besten Dank für eine etwaige Uibersendung der Sonderlinge.  Bitte selbe unter der Adresse: „Mandellstrasse, Nro 65". Wenn nicht in unserem Blatte (dazu habe ich so wenig Raum, daß ich mir selben lieber für Ihr neues Werk aufsparen werde) so hoffe ich doch in der Tagespost eine kleine Besprechung durchzubringen, wenn mein College nicht seine kühle Freundlichkeit meinem Wunsche entgegensezt. Haben Sie ihm schon geschrieben? H.  Hügel mitgetheilt; er verspricht nächster Zeit die mir sehr unangenehme Zahlverzögerung zu begleichen; an mir soll es nicht fehlen, Ihre Rechte hier zu vertreten. Bezüglich meiner Stellung zur socialen Frage erlaube ich mir, Ihnen folgende 2 selbständigen Referate(Nro30 u. 35. des L. J.) welche Stellung zur socialen Frage nehmen zu übersenden. Gefallen Sie Ihnen, wollen u. können Sie dieselben mit meinem Namen irgendwo zum neuen Abdrucke bringen, da ich die Ideen keineswegs noch als antiquirt halte. Sonst diene es Ihnen u. Gesinnungsgenossen als der schlichte Ausdruck eines Gleichstrebenden. Herzlichen Gruss von

    Ihren treuen Freund K. Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 28. Februar 1868

    Lieber Landsmann!

    Aus der Beilage ersehen Sie, um was es sich handelt. Herr Dr. Thurnherr schreibt mir, daß Sie ebenfalls eine Abschrift wünschten; auch an Herrn Pfarrer Berchtold in Hittisau und Herrn Pfarrer Sieber in Mittelberg soll ich Abschriften gelangen lassen. Anstatt die Abschriften zu machen, wozu ich zu wenig Zeit habe, setze ich das Original in Umlauf. Haben Sie die Güte, das Schriftstück, nachdem Sie es eingesehen und benützt haben, an den Herrn Pfarrer in Hittisau gelangen zu lassen; dieser soll es an Pfarrer Sieber schicken und von dort soll es an die Redaktion zurückgehen. Haben Sie die Güte, Ihre gewandte Feder nicht blos in die Ferne, sondern auch in der Nähe wirken zu lassen. Man wird Ihnen dankbar sein, und dem Vaterlande ist man auch etwas schuldig. Achtungsvoll

    die Redaktion des V. V. J.G. Vonbank em. k.k. Prof.

    BEILAGE

    Euer Wohlgeboren

    werden hiermit freundlichst ersucht, Ihre reiche Begabung und gewandte Feder in freien Stunden unserem „Vorarlberger Volks­blatt" zu Gute kommen zu lassen. Die Richtung und Eintheilung des Blattes ist Ihnen bekannt. Schreiben Sie uns entweder: „Mitthei­lungen" über verschiedenerlei Vorkommnisse in Stadt und Land, oder Abhandlungen über Zeitfragen, Landes-lnteressen - von religiösem, politischem, sozialem Inhalt -; oder Humoristisches und Unterhaltendes in kurzen Anekdoten oder längern Erzählun­gen (Novellen); oder Lese- und Studirfrüchte für die Rubrik „Ver­schiedenes" etc. Namentlich sind heutzutage auch kirchenge­schichtliche und kirchenrechtliche Studien eine dankenswerthe Fundgrube für die Journalistik.

    Nachdem der Raum des „V. Volksbl." sich erweitert hat, soll dasselbe, zwar in der Richtung einheitlich, aber nach Inhalt und Form manigfaltig und praktisch sein.

    Es ist überflüssig, Ihnen zu bemerken, daß wir in polemischen Artikeln die Kraft und Entschiedenheit nie mit Gereiztheit und Leidenschaft, die wir für Schwäche halten, verwechselt sphen wollen.

    Indem wir sicher sind, keine Fehlbitte gethan zu haben, drücken wir Ihnen zuvor schon unsere Verbindlichkeit aus. Bregenz, Datum des Empfanges.                  Für die Redaktion:

    J. G. Vonbank.

    Johann Georg Vonbank
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 19. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Nun endlich kannst Du mir denn und nicht nur als Ausschuß, sondern auch als neugewählter Gemeinderath gratulieren. Die Wahlen sind zu Ende, vor dem Hause des Vorstehers steht wieder die stolze Tanne mit der von mir verfaßten, bekränzten Inschrift:

    Dieser Baum sei dir zum Bilde Starker Mann bei

    Sturm und Wind Sieh er grünt wenn im Gefilde

    Ros' und Dorn vergangen sind

    Noch dauern die Reibereien mit unserm Bezirksamt, welches den Pfarrer u die Seinen trotz der neuen Grundgesetze nach Kräften schützt. Die Sache macht hier großes Aufsehen und viele haben ihre Freude an meinem entschiedenen Vorgehen. Ich habe den in der n fr Presse erzählten Vorfall nicht erst in Bezau, sondern gleich bei der kk Staatsanwaltschaft in Feldkirch zur Anzeige gebracht. Ich könnte Dir lang erzählen warum ich das that. Für heut sei Dir genug, daß Seiffertitz mich darum lobte.

    Ich schicke Dir hier einen seiner Briefe, muß aber gleichzeitig beifügen, daß ich von seinem Umgang ein viel lieberes Bild gewann. Für die öster Gartenlaube hab ich einen geharnisch­ten Artikel ausgearbeitet und warte mit Ungedult auf sein Erscheinen. Ich wollte, daß ich ihn nach Leipzig, etwa an die Grenzbothen gegeben hätte. Überhaupt bin ich mit der öster Gartenlaube nicht zufrieden und möchte bald eine Verbin­dung mit einem ändern Blatte wünschen. Jetzt freilich hab ich noch mit meinem Roman zu thun. Ich fühle die rechte Stimmung so allmählig wieder kommen. Eine zweite Auf­lage der Sonderlinge möchte ich wol gern erleben. Früher einmal hab ichs auch erwartet, jetzt aber wollt ich beinahe, daß Du nichts mehr davon gesagt hättest. Nach Leipzig möchte ich wol wieder, um dort mich einige Wochen zu erholen und zu kräftigen. Leider aber weis ich noch nicht, ob meine Verhältnisse das gestatten werden. Dießmal wäre auf Keil allem Anschein nach nicht mehr zu rechnen. Hübsch wärs freilich, wenn ich die Correctur meines neuen Romans dort selbst lesen könnte, aber noch weiß ich nicht einmal ob Hirzel ihn wieder nehmen wird. Nun wir werden sehen! Auskommen heißt überhaupt, von dem kommen, von dem eben die Rede ist. So kommt man auch in einer Vertheidigungsrede aus, wenn man nichts mehr zu sagen keine Gründe mehr vorzubringen weiß. Das gewünschte Tractätlein kann ich dir schon schicken. Mir ists schon länger als Merk­würdigkeit bekannt. Ich glaubte auch eins in meiner Samm­lung zu haben, nur konnte ichs bisher noch nicht finden. Meine Liebeszeichen werde ich nächstens zu vertheidigen suchen. Sage dem Klub meinen herzlichen Gruß u daß ich jeden Mitwoch an ihn denke. Deine hiesigen Bekannten fra­gen Dir fleißig nach und wünschten Dich bald wieder in unserer Mitte zu haben. O auch ich wünschte das. Was machen Deine Kinder, die meinen sind gesund und singen Kinderreime während es draußen stürmt u schneit. Der Uhrenmacher hat mich gestern zum erstenmal u zwar noch mit verbundenem Kopfe besucht. Er ist ruhiger, heiterer als sonst. Unsere Partei thut sich immer besser zusammen. Am letzten Samstag nach der Vorsteher- u Gemeinderaths­wahl haben wir ein schönes Siegesfest gefeiert und Reden gehalten. Ich u die beiden Vorsteher wünschten Dich gegen­wärtig, doch waren wir eins, daß wir noch lieber bei euch da draußen sein möchten.

    Unserer schönen Wanderung durchs Ländchen hab ich oft gedacht. Es war recht gemüthlich. Dießmal hab ich mehr und Ernsteres gesehen und erlebt. Man sollte eigentlich eine Schilderung davon machen, wenn ich nur Zeit hätte u sie anständig in die Öffentlichkeit bringen könnte. An Stoff würde es mir nicht fehlen.

    Doch ich muß schließen. Lebe wol lieber treuer Freund u vergiß nicht

    Deinen Franzmichel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 19. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Die Vorsteherwahl ist vorbei. Der letzte Samstag war da­durch einer der interessantesten Tage, die ich hier erlebte. Müller erschien um 11 Uhr und sagte dem Vorsteher im Vertrauen, es würde zum Frieden führen, wenn die siegende Partei nun großmütig sein und den „Schwarzen" wenigstens einen Gemeinderat zugestehen wollte. Der Vorsteher ließ ihn reden und zu Gemeinderäten wurden ich und Altvorsteher Moosbrugger gewählt. Nun wollte Müller eine Friedensrede halten, er wurde aber sofort von uns allen acht auf die unangenehmste Weise unterbrochen und bekam bedenkliche Dinge zu hören, so daß er sich das Geständnis abnötigen ließ, er werde der Gegenpartei fürderhin nicht mehr alles durch­gehen lassen. Am Abend vorher waren ihm meine Feldkircher Angaben zugekommen. Wegen dem Uhrenmacher sind nun die meisten Zeugen verhört, wegen dem Wahlsturm aber ist noch nichts geschehen. Auch von meinem Artikel hab ich noch nichts gesehen. Müller suchte entschieden zu versöhnen. Er ließ nicht nach, bis der Gemeinderat sich dem Pfarrer vorstellte, wobei sich letzterer dumm genug benahm. Die Geschichte ist zu lang für meine Zeit, und ich sage nur, daß aus dem Ganzen nichts geworden ist. Am Abend beim Kronenwirt hat unsere Partei den Sieg in schöner würdiger Weise gefeiert. Es war ein Fest, wie man es hier noch nie sah. Auch Reden wurden gehalten. Die bekränzte Inschrift am Vorsteherbaum heißt:

    Dieser Baum sei dir zum Bilde, Starker Mann

    bei Sturm und Wind, Sieh, er grünt, wenn im

    Gefilde Ros' und Dorn vergangen sind.

    Daß den Alten diese Anspielung auf eine Eigenschaft der Tanne nicht gefällt, kannst Du Dir denken. Indessen ist's hier jetzt wieder einmal ziemlich ruhig. Man liest so das Volksblatt, und ich muß schon gestehen, daß uns sein Lassalleanismus noch immer ordentlich anekelt. Einst­weilen kann man mit Goethe sagen: Man merkt die Absicht und man wird verstimmt. Könntest Du nicht durch Mayer erfahren, ob der Wanderer meinen Artikel schon brachte oder warum nicht. Ich denke auch in diesem Sinn an Pröll zu schreiben, meine Arbeit zurückzusenden und nach Deutsch­land zu schicken, wenn in diesem verdammten Durcheinander Österreichs nichts zur rechten Zeit an den Tag zu fördern und lebendig zu machen ist. Wie anders nehmen die Deut­schen sich meiner Sache als einer wichtigen an. Wenn ich den Artikel bei uns nicht durchbringe, werde ich nicht so bald wieder etwas durchzubringen suchen. Du magst nun über das Leipziger Literatentum sagen, was Du willst, so faul ist's doch noch nicht. Der Artikel in der Neuen Freien Presse über unsere Wahlen in der Nr. vom 4. Februar hat in Leipzig fast mehr Aufsehen gemacht als bei uns. Müller soll gesagt haben, daß er sich um dieses Geschwätz gar nicht kümmern werde.

    Und nun noch etwas Geschäftliches.

    Josef Bär von hier, das sog. Meräudlarle, ersucht Dich, anzu­fragen   bei   Dr.   Preu,  ob  die  Massenverwaltung  des  ver­storbenen Gatten seiner Schwester in Stuben das ihr ent­fallende Betreffnis für ihr Guthaben bald ausfolgen werde. Bär bittet um die nötigen Schritte, daß die Sache bald erledigt werde. Preu wird Dir genauere Auskunft geben können. Pius bessert. Der Uhrenmacher hat mich wieder einmal mit verbundenem Kopfe besucht. Lebe wohl, mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 19. Februar 1868

    Werther Herr u. Freund!

    Ihrer Reklamation bezugs der „groben Federzeichnung" habe ich mit unerfreulichem Bangen entgegengeharrt, obwol ich mir bewusst bin, nach besten Wissen u. Gewissen gehandelt zu haben. Hören u. urtheilen Sie selbst. Als ich Ihren Brief u. das Manuskript erhielt, dachte ich mir: In der Gartenlaube kann ich es wegen unserer Vorausdrucke erst Ende Februar bringen. Bei der N. F. Presse kenne ich nur Thaler gut, weiss aber daß er alle Woche nur einmal in das Redaktionslokal kommt, u. ziemlich bequem ist. Nordmann „Redakt, des Wanderer" hatte mir in letzter Zeit einen sehr freundlichen Brief geschrieben, sich als Mitarbeiter freiwillig angeboten; das Blatt hat eine sehr liberale Färbung. Ich glaubte also Ihrem Interesse am Besten zu dienen, indem ich umgehend, also vor fast 4 Wochen das Manuskript mit einem warmen Briefe begleitet, an Nordmann sandte. Unterdess habe ich Ihre frühere Vorarlberger Skizze gleich gebracht u. sie ist bereits vor 2 Num­mern erschienen. An Nordmann habe ich während der Zeit 3 mal geschrieben, gebeten, reklamirt: bis heute keine Antwort, nicht einmal in der Druckkorrespondenz - die Sache ist mir unerklärlich. Auf der Post ist es nicht verlorenen gegangen, sonst hätte man mir darauf hingewiesen. Ich bin mindestens gesagt, entrüstet u. schreibe gleichzeitig, mit diesem Brief heute einen 4. an Nord­mann. Ich bitte thuen Sie in höflicher Weise dasselbe. Ich habe leider die Vermuthung, dass durch irgend eine Nachlässigkeit das Manuskript in Wien verludert wurde u. daß man die Sache dort todtschweigen will, um nicht das unbequeme Eingeständniss zu machen. Für meine Mittheilungen bürge ich mit Ehrenwort. Herr Hügel hat selbst das Paket gemacht u. denselben Tag abgesandt, er wiederholt es mir eben, unser Austräger zur Post ist eine ehrliche u. genaue Natur; überdies hätte man mir wenigstens aus Wien bemerkt, daß kein Manusk. angekommen auf meine Mahnbriefe.

    Sehen Sie, so ist die Wirthschaft unter uns Liberalen von Profession Lauheit, Rücksichtslosigkeit etc. Ich hoffe, daß Sie meinem Wort glauben u. bitte sich die Uiberzeugung beim Wanderer selbst zu verschaffen u. bin neugirig, ob sie gegen Sie auch so rücksichtslos sein werden.

    Vorläufig, damit aber doch etwas geschieht bitte ich Sie nochmals um eine kurze möglichst scharf gefasste Notiz der gewissen Vorfälle umgehend.

    Die lasse ich in der hiesigen Tagespost die 7 - 8000 Ab. hat gleich abdrucken (des Redakteurs bin ich sicher u. kann ausserdem direkt auf die Kappe gehen). Ist dieselbe gedruckt, so sende ich sie augenblicklich an Thaler zur Weiterarbeit in der „N. Presse" u. an das „neue Tagblatt". Haben Sie dann Zeit zu einem grösseren Aufsatz, falls Nordmann wieder schweigen sollte u. meine Ahnung sich bestättigt, so werde ich in ähnlicher Weise kolportiren. Die Schande dürfen Sie uns gar nicht anthun, dass nur norddeutsche Blätter sich Ihrer annehmen. Auf mein Manneswort auch ich will es thun u. werde nicht immer auf so unerhörte Rücksichtslosigkeit stossen. Also grollen Sie nicht mir Unschuldigen. Gruß u. treuen Handschlag von Ihrem

    Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 14. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Die Wahl ist also vorüber u. ich gratulire zum neuen Amt als Gderath; ich u. du wissen, daß die Funkzionen die mit dieser Stelle verbunden sind von keiner Bedeutung sind, aber es ist eine moralische Genugthung, u. ein Erfolg, der zur Durchführung jeder Idee unumgänglich notwendig ist.

    Deine Prottokollsangaben sind jennen Abend, bevor Müller zur Vorsteherwahl nach Schoppernau kam auf dem Bezirksgerichte angekommen. Die Sache ist hier öffentlich bekannt u. macht Aufsehen. Ueberrascht hat mich die Nachricht daß am Tage der Vorsteherwahl zwischen beiden Partheien eine Versöhnungs­Scene stattgefunden habe; diese Nachricht brachte wenn ich nicht irre Herr Müller selbst.

    Der Artickel in der Presse ist Herrn Müller einige Tage früher zur Einsicht zugestellt worden worauf er gesagt habe, er gebe auf dieses Geschwätz gar nichts. Nun der Artickel der Feldkircher Zeitung von Schwarzenberg worrin man sein Vorgehen geradezu ungesetzlich nennt, könnte ihn doch etwas stutzig machen; aber er ist ein schlauer Vogel der nicht so leicht in eine Schlinge geht. Ich weiß nicht recht was du mit der Haltung des Volksblattes meinst. Wenn du die Arbeiterfrage meinst, so muß ich sagen daß es mich aneckelt, wenn sich diese Parthei anmaßt, den Anwalt für die Arbeiter zu spielen, ihre Grundsätze nach welchen sie vorgehen sind Absolutismus u. Zwang nach jeder Richtung, die Arbeiter Frage kann nur durch Freiheit gelößt werden. Es ist sehr zweifelhaft ob ich nach Au kommen werde. Mitkommend erhältstdu die PostZeitungen u. 1 Brief, auch schicke ich dir die schon längst zurück behaltenen Ausland Hefte. Mit vielen Grüßen

    Dein Freund Jos. Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 12. Februar 1868

    Verehrter Freund!

    Dank für Ihre Zeilen - jedoch in Eile zugleich die Mittheilung, daß das bewußte Exemplar nicht beilag. Wahrscheinlich haben Sie es vergessen.

    Ich reise wahrscheinlich anfangs der nächsten Woche ab, bis dahin möchte ich gerne diese Beilage noch erhalten, wenn möglich wäre; können Sie mir nicht auch sagen, - ob, gegen die Störer der Wahlhandlung   gerichtlich,    d. h.    kriminaliter   eingeschritten wurde? Warum hat die F.Ztg. davon nichts gebracht?

    Viele Grüße in Eile IhrCS

    Carl Seyffertitz
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 12. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Ich benütze die Gelegenheit, durch meinen Knecht Sprenger einige Zeilen an dich gelangen zu lassen. Die Wahlschlacht ist geschlagen und wir können mit dem Erfolge zufrieden sein indem wir 8 von den unsern in den Ausschuß brachten und unsere vier übrigen keine besonders gefährlichen Gegner sind. Müller wünscht die Vorsteherwahl möglichst schnell und rieth uns heute brieflich dem Frieden zu liebe wenigstens einen Gemeinderath aus der Gegenpartei zu wählen. Merkst du was? Wir sind entschlossen. Wozu kannst du dir denken. Schön ist das brüderliche Zusammenleben und Wirken wie es sich hier jetzt innerhalb der Parteien zu entwickeln beginnt. Davon habt ihr da draußen in euerer Gemüthlichkeit des Friedens wol kaum einen Begriff. Ich möchte nur wissen, welche Eindrücke Müller von hier mitnahm. Ich denke es muß ihm etwas peinlich gewesen sein. Wir blieben auf unserer Auslegung des Gesetzes und kümmerten uns nicht um Müller, die Gegner schienen ein gewaltsames Eingreifen zu erwarten und so hat es denn der gute Mann bei beiden Parteien verdorben. Morgen geh ich nach 14tägiger Un[ter]brechung wie­der an meinen socialen Roman. Ist dir die Haltung des Volksblattes nicht aufgefallen? Was sagst du zum Artikel in der n fr Presse? Und was sonst?

    Der Artikel, von dem ich dir sagte soll im Wanderer bereits erschienen sein. Sei so gut und frage auf der Post zuweilen nach und wenn du etwas in die Hände bekommst so behalte es bis du es mir beim Bothen versiegelt zuschicken kannst, denn ich habe Ursache, weder dem Postamt in Bezau noch dem Bothen in Au recht zu trauen.

    Lebe wol auf baldiges Wiedersehen in Au. Mit Brudergruß u. Handschlag

    Dein Freund F. M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 10. Februar 1868

    Hochgeehrter Herr!

    Beifolgend erlaube ich mir Ihnen Honorarabrechnung pro 1867

    II Sem. zu überreichen.

    „Das Liebeszeichen" abgedruckt in Nr. 41.42.43.44 umfaßt 16

    Seiten 50 Zeilen; - die Seite zu 2 Spalten, die Spalte zu 72 Zeilen

    gerechnet-per Bogen 32 fl beträgt das Honorar 65 fl. 50 X. Davon

    kommen mir zu gut

    1 Abonnent pro II Sem. 67                                            2 fl40.

    1        d -           d -   fürH.Rößlewirth                       2 fl40.

    1        d -    pro  1 -4Gartenl. 68mitPräm.                       4.    60.

    1        d-          d-   fürH.Rößlewirth                        4.    60.

    14 fl

    bleiben somit zu zahlen 51 fl. 50 X.

    Sollte Ew. Hochwohlgeboren den Abonnementsbetragfür H. Röß­lewirth pro 1868 mit 4.60 mit anerkennen, so bitte ich mich gef. davon verständigen zu wollen.

    Per Postanweisung erlaube ich mir heute Ihnen 30flzü überreichen und werde den Rest von 21 fl 50 X mit nächsten folgen. Hochachtungsvoll ergebenst

    H. Hügel Eigenthümer dr. Oester. Gartenlaube

    Heinrich Hügel
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 9. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Ich habe Dir erzählt, was ich bis Bregenz erlebte, wie wenig Zeit mir dort auch zum Briefschreiben blieb. Deine beiden Briefe hab ich hier gefunden. Natters Brief erzählte Dir, was während meiner Abwesenheit geschah oder besser geschehen sollte. Der Pfarrer wollte meine Partei rasch im entscheiden­den Augenblicke gewinnen. Der Versuch scheiterte glänzend, und man steht sich erbitterter gegenüber als je. Am Freitag wurde gewählt. Wir blieben bei unserer Auslegung des Ge­setzes, was Müller, sonst eben nicht in der besten Stimmung, sich gefallen lassen mußte. Es erschien die ganze Gemeinde. Trotz der guten Schlittbahn fehlte kaum ein Mann als der Uhrenmacher, dessen Zustand sich noch wenig gebessert hat. Jede Witwe war durch einen Bevollmächtigten vertreten. Ich habe die Leute noch nie in der Aufregung gesehen. Man hieß den Tag einen großen. Im dritten Wahlkörper verloren wir mit 31 Stimmen gegen 33, im zweiten gewannen wir mit 15 gegen 8, im ersten mit 8 gegen 6 Stimmen. Wir 8 werden also 4 Gegner im Ausschusse haben. Neugewählt sind von unserer Partei: Kaspar Oberhauser, Aberer Lehrer, Bernhard Moosbrugger. Sage der Isabell, die ändern 4 seien Burgs Josef, Niederauer Dokus, J. Josef Feurstein und J. Josef Willi, dann wird sie Dir sagen, was da zu erwarten ist. Der Rößlewirt selbst ist durchgefallen. Zu einem Protest wird's nicht mehr kommen, denn Müller, die Stütze der Partei, ist natürlich dagegen. Müller hat mich, als ich in Bezau war, sogleich aufs Bezirksamt holen lassen. Er sagte, um mich gleich zu be­eidigen. Er scheint schon im Besitze der von mir in Feldkirch gemachten Angaben gewesen zu sein. In Feldkirch wurde ich nicht beeidigt, und ich hörte die Äußerung, daß die Sache mit einem Scheißer nach Bezau kommen müsse. Ein zweiter Scheißer wird folgen. Am Freitag nämlich war gerichtliche Kommission beim Uhrenmacher. Ich hörte das Urteil des Dr. Greber. Er findet die Sache noch schlimm, die Verletzung entschieden schwer, aber er sagt: Das Amt hätte eben früher etwas tun sollen, da die Wunde jetzt wohl noch vorhanden und schlimm genug, aber doch nicht mehr genau zu unter­suchen sei. In Feldkirch wurde mein Ansuchen, die Sache wem anders zu übergeben, rundweg abgeschlagen, sonst hätte ich mir von Müller nicht mehr rufen lassen. Die Verbrennung der Stimmzettel hab ich in Feldkirch auch angezeigt. In der Neuen Freien Presse vom 4. Februar wirst Du davon gelesen haben.

    Heut und gestern hab ich den erwähnten Bericht für Seyffer­titz ausgearbeitet. Du sollst nächstens eine Abschrift erhalten. Mein Artikel, den Du letzthin gelesen, soll, wie mir Pröll schreibt, nach Wien gewandert sein und nach seiner Angabe muß er schon im Wanderer stehen, mit dem Pröll befreundet ist. Er bedauerte, die Sache zu langsam in seinem Blatte bringen zu können. Die Sache müsse gleich in die Öffentlich­keit, drum habe er sich auf diesen Weg gewendet, da er so am meisten seinen Zweck zu erreichen und meinen billigen Wunsch zu erfüllen meine. Bei ihm brauche so ein Abdruck zu lang. Vonbun soll eine gar nicht günstige, mehr ironisie­rende Kritik geschrieben haben. Nächstens mehr. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 9. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Sieg zum ersten u zweiten Mal. Meine Auslegung des Geset­zes war denn doch die richtige und nach dieser wurde nun am Freitag im Beisein des Bezirksvorstehers gewählt. Wir hatten so lange zu thun, daß ich dem Bothen keinen Brief mehr mitgeben konnte. Auch heut werde ich mich kurz fas­sen müssen und hätte Dir doch so vieles mitzutheilen. Zuerst von der Wahl. Im 3ten Wahlkörper verloren wir mit 31 Stim­men gegen - 33, im 2ten aber gewannen wir mit 15 gegen 8 u im Ersten mit 8 gegen 6 Stimmen. Unter den 12 Ausschuß­männern stehen also mit mir selbst ihrer 8 auf meiner Seite. ­Albrecht wird Vorsteher bleiben und Du kannst ihm und uns gratulieren. Von der Unterbrechung der Wahl am vorletzten Sonntag wirst Du in der neuen freien Presse vom 4 Februar gelesen haben. Der Artikel wörtlich wahr, ist wol von Baron von Seyffertitz, den ich besuchte und mit dem ich natürlich allerlei teuflische Pläne schmiedete. In Feldkirch hab ich der Staatsanwaltschaft die Geschichte Felders geklagt und unser Bezirksamt nicht geschont. Jetzt ist die Untersuchung einge­leitet. Der Gerichtsartzt Dr Greber findet den Zustand des Uhrenmachers noch immer bedenklich. Wäre das nicht so würde es mich beinahe freuen, nun endlich Waffen in die Hand bekommen zu haben, mit welchen ich meinen Kampf zu Ende bringen kann. Ich habe wunderbar viel gethan in der letzten Zeit, habe auf meiner Reise, von der man die Spuren noch lange sehen dürfte, neue Bekanntschaften ge­macht und nur der Finanzminister schnitt mir daheim ein ernstes Gesicht. Na, lassen wir das, ich brauche gute Men­schen viel nötiger als Geld und die Wahlgeschichte wird für mich ein gutes Ende nehmen. Den Ärger des Pfarrers und der Seinen kannst Du Dir kaum denken. Es ist geradezu lächerlich was alles ihr Haß jetzt auskocht, aber die Sache hat auch eine sehr sehr ernsthafte Seite. Morgen haben wir hier wieder einmal eine Hochzeit. Mein drittes Geschwisterkind seit einem Vierteljahr. Der nämliche Junge der in den Son­derlingen ein Vogelnest findet, er ist seit Jahren Knecht im Bräuhause und bleibt nun als Herr bei der einzigen noch lebenden Tochter. Nun weiß ich dann doch, wo ich allenfalls einen Thaler zu leihen bekomme. Ich gönn dem Burschen sein Glück, denn ich glaube die beiden werden sich verste­hen obwol das Mädchen eigentlich etwas zu alt ist. Also morgen schon wieder ein Freimaurerfest. Schade daß der Uhrenmacher nicht dabei sein kann. Er ist noch meistens im Bett, doch mag er jetzt wieder lesen. Gelesen wird hier jetzt überhaupt sehr viel und meine Leihbibliothek ist schon viel zu klein. Könnte ich doch billige Unterhaltungsschriften bekommen wenns auch ältere Sachen wären. Es ist überhaupt erfreulich, wie mutig und treu die eine Hälfte der Gemeinde mit mir vorwärts geht. Wir kommen weiter als sonst in Jah­ren. Nur mit meinem Roman komme ich nicht weiter, da es mir bald an Zeit bald an Stimmung fehlt. Hoffentlich wird das nun besser. Ich habe nun auch unter den Geistlichen Freunde die mir Hoffnung machen, daß man uns den Pfarrer Rüscher denn doch bald nehmen werde. Das wäre ein großes Glück denn Rüscher, gemein stolz und rachsüchtig schüret das Feuer immer wieder und seine Werkzeuge dürfen sich alles erlauben. Gilt doch unter ihnen die Heldenthat im Rößle für ein gutes Werk. Aber gerade das treibt uns noch alle Tüchtigen zu. Nun wolauf! es grüßt Dich und die Deinen Dein

    Freund

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 9. Februar 1868

    Lieber tapfrer Freund,

    Ich kann den Sonntag nicht vorüber lassen, ohne brieflich an Dich zu denken. Ich habe lange nicht so mit Wärme und Interesse nach Schoppernau und an Dich gedacht als in die­ser Zeit, und mit mir Deine hiesigen Freunde. Leid thut es uns freilich, daß Dich die Kämpfe für Licht und Recht von Deinem gemüthlichen Schreibtische wegziehen. Aber ich denke mir Dich auch gern als Vorkämpfer des Guten, ja ich beneide Dich im Grunde darum. Und doch möcht ich Dich bitten, Dich so bald es irgend geht, wieder davon los zu machen, daß Du zu Deiner Hauptaufgabe kommst. Wie steht es denn jetzt mit der Wahlsache? Ich bin höchst begierig .. . In der N. freien Presse war ja in einem Bericht aus Vorarlberg von Feuer zu lesen, das die Gegner in die Wahlurne gewor­fen hätten. Ist das möglich?! Da hätten sie ja euch die beste Waffe gegen sich in die Hand gegeben! Erfreulich ist mir daß der gute Felder so durchgekommen ist, grüß ihn doch von mir, der Club hat an seiner Heldenthat freudigen Theil genommen. Auch daß Du dabei mit Seifertitz in persönliche Berührung gekommen bist, ist mir außer­ordentlich angenehm; bitte, schick mir doch seinen ersten Brief an Dich einmal mit, ich möchte gern von Ton und Hal­tung seiner Ansprache an Dich einen Begriff haben. In Blu­denz und auf der politischen Reise hast Du doch an unsere poetische Wanderung damals gedacht? Ich habe in den Tagen von Bludenz hier viel erzählt, möchte auch gern einmal Dei­nen guten Schwager über diese Dinge hören. Auch die ver­sprochene Nummer des Volksblattes möcht ich schon sehen, ich schicke Dir sie wieder. Ich schicke Dir heute ewas Poeti­sches mit (zum Behalten), es war neulich im Schützenhause ein Concert, wo ich im Winkel sitzend und lauschend Dich lebhaft zugegen wünschte, besonders bei den von mir an­gestrichenen Nummern; laß Dir die Lieder einen Lichtblick in Deinem jetzigen Sturm sein, freilich hättest Du sie von den Wellen der Töne umspült hören müssen wie ich. Warum kannst Du nicht öfter hier sein!? Doch diesen Sommer — Eure Brixener werden jetzt blind und taub vor Fanatismus wie es scheint. In der Augsburger oder der Presse waren neu­lich Proben aus einem „Amuletft] für christliche Eltern und Kinder", die lustig waren; könntest Du mir etwa ein Exem­plar davon verschaffen? d. h. nur wenn Dirs ganz leicht zu­gänglich sein sollte, Du kannst es nach der neuen Postord­nung billig unter Kreuzband schicken. Auch Deinen Bericht in der östr. Gartenlaube möcht ich gar zu gern lesen. Glück zu zum weiteren Kampfe - nur kein Blut wieder! sondern kaltes Blut, Anton! sei um Gottes Willen euer Wahlspruch. Was sagst Du dazu, daß Deine Sonderlinge jetzt nach Holland gehen? Hirzel sagte mirs neulich mit Freude, ein einziger Amsterdamer Buchhändler hatte 8 Exemplare verlangt. Viel­leicht wird also in diesem Jahre eine zweite Auflage. Auch ich hab übrigens jetzt Kämpfe in Aussicht, mit Vor­urtheilen von Universitätsprofessoren; es würde zu lang sein dies brieflich klar zu machen. Unser Ministerium hat mich jetzt mit in eine Prüfungscommission für Philologen berufen, in der sonst nur Professoren Mitglieder sind. Meine Freunde sehen mich schon als Professor - doch ich rechne nicht etwa darauf. Bitte, vergiß doch nicht im nächsten Briefe mir folgende kleine Frage zu beantworten, ich brauche es fürs Wör­terbuch. In den Sonderlingen 2, 210 kommt vor: Der Barthle läßt sich nie so auskommen, daß . .. Das hab ich doch richtig erklärt? Sagt ihr aber nicht auch: er läßt sich nicht auskom­men mit Geldeoder ähnlich? Bitte vergiß nicht mich zu belehren.

    Deine Liebeszeichen haben wir im Club in 3 Abenden ge­lesen (d. h. ich habe sie gelesen), uns herzlich dran gefreut; es ist echte Poesie drin, obwol in der Exposition auch hie und da kürzer verfahren sein könnte. Aber an den entscheidenden Stellen trifftst Du die Stelle im Herzen, wo die echte Poesie sitzt, mit voller Wirkung! Doch blieben uns einige Fragen. Heute nur noch die eine. Mehrere von uns meinten, die Philomena komme für ihren Leichtsinn zu gut weg, werde zu wenig gestraft gegenüber der schweren Buße, die auf Franzsepp fällt; auch daß ihre Mutter nach dem schweren Aufbegehren übers Küssen dann so schnell wieder gut ist mit der Tochter, wollte nicht recht einleuchten. Ich habe Dich nach Kräften vertreten, möchte aber wissen wie Du Dich dar­über aussprichst, und bin eigentlich beauftragt, Deine Äuße­rungen darüber einzuholen. Du wirst jetzt freilich dazu nicht Lust und Stimmung haben, es hat ja keine Eile. Doch mit dem Papier ist meine Zeit alle, schönste Grüße an das Wible usw., für Dich aber wünscht des Himmels Schutz

    Dein R. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 8. Februar 1868

    An

    Franz Michael Felder zu

    Schoppernau

    Es wird Ihnen hiemit bekannt gegeben, daß Ihre am 3. d. Mts. hier zu Protokoll gegebene Anzeige wider den Hausknecht des Rößle­wirthes in Schoppernau wegen schwerer körperlicher Beschädi­gung des Joh. Josef Felder alldort an das k.k. Bezirksamt Bregenz als Untersuchungsgericht zur kompetenten Amtshandlung u. die Anzeige wegen der Störung der Wahl am 26. v. Mts. zu Schop­pernau an das k.k. Bezirksamt Bezau zur eigenen Amtshandlung heute abgetreten worden sey. K.K. Kreisgericht Feldkirch am 8. Februar 1868.

    Der k.k. Präses Trentinaglia

    K.K. Kreisgericht
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
  • 8. Februar 1868

    Grüß Gott.

    Heute vormittag erfuhr ich vom Rößlewirts Knecht selber das der Bezirchs-Richter im Sinn gehabt habe, die ganze Stiefel-Geschichte nieder zu drücken u. zu Vergeßen. F. Michel, aber, hab es nicht liegen laßen, denn er sei nach Feldkirch hab die ganze Sache dem Kommißär übergeben, welcher dann die Anzeige nach Bregenz gemacht hat, von dort sei es nach Bezau gekommen, u. dann schnell ein Zustellung für sü — Was weiter geschehe wiße man nicht.

    Mann hätte heute nach Bäzau ins Verhör sollen, sei aber wieder geändert worden.

    Mit Gruß Ferdinand Kohler

    Ferdinand Köhler
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 5. Februar 1868

    Lieber Felder!

    Sehr leid that es mir, daß Sie Ihr Wort nicht hielten, u. hier ohne uns aufzusuchen durchreisten. Indessen halte ich mein Wort dennoch u. sende Ihnen anliegend die Fotografie.

    Ihre Mittheilungen habe ich mit großem Interesse gelesen, u. hoffe u. wünsche ich nur, daß es auch Erfolg haben möge. Das Bespro­chene erwarte ich von Ihnen, u. werde es geeigneten Ortes schon an den Mann bringen.

    Ich kann leider heute nicht mehr schreiben, da ich alle Hände voll zu thun habe, u. habe daher nur noch Zeit Sie herzlichst zu grüßen.

    Ihr ergebener C. Seyffertitz

    Carl Seyffertitz
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 4. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Ich kam gestern glücklich nach Feldkirch, d. h. gesund. Die Unterhaltung war mehr interessant als lebhaft. Doch das gehört dem Reisebeschreiber und Landschafter. In Feldkirch wurde ich von den dortigen Intelligenz-Maschinen etwas kühl empfangen. Ich und Gaßner, das fühl ich, werden uns nie besonders nahezutreten vermögen. Er ist „der Geist, der stets verneint". Er begleitete mich vor das Kreisgericht, wo ich über eine Stunde auf die Ankunft des Staatsanwalts warten mußte.

    Ich trug meine Sache kurz und, ich glaube, sehr deutlich vor, er schien meinen Standpunkt zu würdigen und er sagte, daß er noch heute meine Angaben schriftlich niederlegen lasse. Zu diesem Ende soll ich Nachmittag 2 Uhr zur Vernehmung erscheinen. Ich verlebte nun im Schäfle zwei etwas peinliche Stunden, die mir eigentlich nur Nachbaur tragen half. Der dunkle Punkt an diesem Himmel ist Vonbuns Kritik und Dein Brief. Nach der Angabe dieser Herrn hast Du die Sache freilich etwas unrichtig aufgefaßt. Doch davon später und bis dahin bitte ich nichts mehr in der Sache zu tun. Von 2 bis 1/27 Uhr dauerte das Verhör. Es wurden zwei sehr stark gegen Müller gespitzte Klagen verfaßt. Die eine wegen der Schlä­gerei, die andere wegen Verbrennung der Stimmzettel. Der Verhörende scheint, nach der Fragestellung und anderem zu urteilen, auch kein Freund Müllers, oder doch mit seinem Vorgehen nicht zufrieden zu sein. Es wurde protokolliert, daß ich mich nimmer an Müller wenden könne u.s.w. Ich hatte kaum noch Zeit, um ein Glas Wein zu trinken, denn ich wollte mit dem Eilwagen fort, obwohl einige Herrn und Nach­baur mich zu einer großen Abendunterhaltung einluden. Man wollte, wenn ich da bleibe, auch Dr. Amann holen. Freilich hätte das den Schluß meiner Reise geben können, den ich mir wünschte, aber mir war wenig drum, auch mein Finanz­minister beginnt ein bedenkliches Gesicht zu machen und mich ernsthaft an fünf Kinder und den teuren Jahrgang zu erinnern. Der Schluß des wunderbar bewegten Tages sollte aber doch noch ein lustiger sein. In Bregenz im Kreuz war Hochzeit. Ich sah lange zu und hörte manches, da man mich nirgends beachtete. Dann ging ich auf die Post, wo ich ein besseres Zimmer bekam, als ich sonst hier in Bregenz zu finden gewohnt bin.

    Es ist mir interessant, hier ganz fremd, die Neugierde ge­schwätziger Wirtinnen zu erregen und unterdessen die meine zu befriedigen.

    Doch ich muß geschwind auch noch an den Baron schreiben. Lebe wohl. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Bregenz
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. Februar 1868

    Lieber Freund!

    Gestern war hier Musikantenball u. ich habe etwas später Polizei­stunde gemacht. Ich hatte Gelegenheit in größerer Gesellschaft, bei welcher auch Bezirksvorsteher Müller anwesend war die Schop­pernauer Wahl in Anregung zu bringen. Die Ansichten waren getheilt, die des Herrn Bezirkvorsteher Müller gründet sich auf § 6. und wenn derselbe bei euch die Wahl leitet, so wird auch nach demselben den Alpmeistern gestattet werden, /u. zwar ohne Voll­macht:/ die betreffende Stimme für die Alpe abzugeben. Dieser Ansicht des H. Bez. wurde aber die Behauptung entgegen gestellt, daß die Alpmeister nicht berufen seien, dieselbe nach Außen zu vertretten, sondern nur im Innern zur Verwaltung der betreffenden Angelegenheiten aufgestellt seien, eine solche gesetzliche oder geselschaftliche Bestimmung wie § 7. sie ausdrücklich verlange liege nicht vor, u. bestehe auch in Wirklichkeit nicht, denn sonst könnten die Alpmeister gültige Verträge abschließen was aber nicht derFall sei. Ob eine gemeine Alpe unter dem Nammen Korporation verstanden sei, wurde auch bezweifelt.

    Uebrigens, wenn ich bei der Wahl-Comission wäre, würde ich dafür stimmen, daß die Alpmeister ohne Vollmacht abgewiesen würden, dann steht ihnen gegen die Wahl wieder der Rekurs offen. Ich muß noch bemerken, daß Bez. V. sich geäußert, wenn die Interessenten wollen, können sie auch einen Ändern bevollmächti­gen, als den Alpmeister, was jedenfalls zu einer Demonstration benützt werden könnte. Uebrigens erscheint mir diese Ansicht des H. Bez. inkonsequent. Die Leitung der Wahl hätte ich unter keinen Umständen abgegeben, nur allenfalls gesetzlichen Schutz in Anspruch nehmen. Uebrigens laß dir durch diese Spielereien die Faßnacht nicht verderben; wenn nicht die Verletzung des Uhren­machers wäre, so wäre das Ganze nur eine Angelegenheit die das Monotone des Dorflebens etwas färbt u. Licht u. Schatten wirft. Was machst du denn jetzt u. was war der Grund, daß du gar nichts mehr von dir hören ließest. Es grüßt dich

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 31. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Der Wahltag, von vielen ängstlich erwartet, ist vorüber, die Wahl aber nicht. Ich als Herr Wahlkommissär legte unser Wahl­gesetz anders aus als das Bezirksamt, welches offenbar meine Gegner unterstützt. Die Gemeinde behandelte die von mir angeregte Frage mit einer Leidenschaftlichkeit welche bald den Fortgang der Wahl unmöglich machte. Jetzt erst wird die Geschichte interessant. Ich trette dem Amt gegenüber und kämpfe den Kampf mit allen Mitteln aus. Ich war lang nie in so froher Stimmung als jetzt. Am Montag meldeten wir dem Amte den ganzen Vorgang, den ich Dir wol einmal des Langen und breiten erzähle. Das Amt bleibt bei seiner Auslegung des Gesetzes ich bei der Meinigen. Am Dienstag verschafften meine Freunde mir ein Fuhrwerk, mit dem ich mich beim schlechtesten Wetter nach Bregenz machte. Ich besuchte dort zuerst den Schriftsteller Byr, und dann so bald es mir möglich war, den Baron von Seyffertitz, der sich sehr erfreut über meinen Besuch zeigte. Seine Frau lud mich auf Mittag ein, bis dahin brachte ich den Baron, der unterdessen mehrere Besuche abzuweisen schien meine sämtlichen Angelegenheiten vor.

    Der Baron theilte meine Auslegung des Wahlgesetzes gegen­über dem Bezirksrichter, der mit seiner Auffassung den Geg­nern den Wahlsieg sichern zu wollen scheint. Ist doch in der Sache des Uhrenmachers noch nichts geschehen, vermuthlich weil der Rößlewirth durch die Untersuchung unwählbar wer­den könnte. Ich legte dem Baron das und noch vieles klar, worauf er mir kräftigste Unterstützung versprach mir auch sofort ein Empfehlungsschreiben nach Feldkirch gab und mich auch an die Staatsanwaltschaft wies. Ich kann Dir natür­lich jetzt nicht die ganze Verhandlung erzählen, der Eindruck der letzten Tage auf mich ist der, daß alles noch ein gutes Ende nehmen werde.

    Daß ich nun auch zum Schwager gieng, kannst Du Dir den­ken, ich werde mit ihm zwei schöne Tage der Erholung ver­leben und dann über Bregenz wieder heim um vielleicht am nächsten Donnerstag die dritte Wahl zu versuchen. Der Uhrenmacher mußte 15 Tage das Bett hüten. Jetzt sitzt er zuweilen ein Stündchen in der Stube. Den Gruß von Dir hab ich noch nicht ausgerichtet, da ich Deinen Brief erst auf der Reise erhielt. Ich gehe mutig und mit dem Sicherheitsgefühl des Rechtes heim. Unser Kampf gleicht einer anfangs unbe­deutenden Lauine. Ich sehe sie fröhlich wachsen. Mehr spä­ter. Beruhige Dich und Andere. Mit Gruß u Handschlag

    Dein Freund Felder reisender Wahlkommissär Am Mittwoch komm ich wieder heim.

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • 31. Januar 1868

    „Werther Herr Moosbrugger!

    Hier in Schoppernau ist ein Gewisser, zweiter ,Wahlkommissär' genannt, abhanden gekommen; da Sie nun unzweifelhaft am besten wissen, wo sich derselbe befindet, ersuche ich Sie höflichst, ihm diese Zeilen schnellsten zugehen zu lassen. Erstlich habe ich Dir (nämlich dem Wahlkommissär), zu berichten, daß der Bezirksvorsteher den Wahltag neuerdings hinausgescho­ben hat, und dieselbe nun auf den 7. Hornung festgesetzt ist. Ferner ist auf der ,alten' Seite auf einmal ein solcher Friedensdusel entstanden, daß es zum Erstaunen wäre, wenn man dasselbe hier nicht schon lange verlernt hätte. Am letzten Dienstag hatte unser Pfarrer in Au von der dort versammelten Geistlichkeit eine derbe Zurechtweisung erfahren, in Folge dessen mußte er mit dem ,Döckterle' abmachen, was dieses auch einging u. seine Klage zurücknahm. In Schoppernau selbst begehrte der alte Vorsteher mit dem Willi auf, erzählte ihm einige Ursachen des jetzigen Streites, worauf derselbe anscheinend etwas von seinem Eifer für die Gottheit im schwarzen Rocke verlor. Überhaupt zeigten sich die ,Alten' gestern überall freundlich, wie sie es seit Monaten nicht mehr waren. Der Feuerstein schämt sich jetzt, in Bezau gewesen zu sein, u. schiebt die Schuld auf den Willi. Derselbe mußte auch den Unterhändler bei unserer Partei machen, u. da der alte Vorsteher solchem am zugänglichsten war, eröffnete er diesem eben, daß man Frieden wolle, ,die Vorsteher sollten sich mit dem Pfarrer versöhnen u. zu ihm gehen, dann wolle man stimmen, wem es auch sei'. Auch schwöre der Pfarrer Eide soviel man wolle, daß er seinerseits sich ändern u. bessern wolle.

    Das war denn doch zuviel verlangt, die Vorsteher erinnerten den Gesandten an ihr früheres Schicksal bei einer solchen Mission und lehnten kurzweg ab.

    Nun ging man weiter, man erklärte: ,Man wolle mit der alten zufrieden sein, den Protest zurückziehen, unter der Bedingung, daß der Gemeinderath die Protestanten ihre Opposition gegen ihn später nicht entgelten lasse.'

    Ich mußte staunen, als der alte Vorsteher mir dieses erzählte, u. diesem Vorschlag das Wort redete. Ich erwiederte nichts darauf, als: Ob er glaube, daß dieß gesetzlich, oder auch nur möglich sei. Denn es müßte dazu alles einverstanden sein. Für die,alte' Seite sei der Wille Bürge, daß man es zufrieden sei, u. wir, meinte er, könnten es auch, wenn wir nicht böswillig seien, u. nicht lieber Krieg als Frieden wollten. Ich ging zu unseren Parteigenossen, aber da lautete es ganz anders, da will man nichts von einer solchen, ohnehin unmöglichen Verquickungwissen, was mich sehr freut. Es würde mich wahrhaft gereuen, zu einer solchen Parteibildung beigetragen zu haben, um dann alles der List eines verkommenen Pfaffen zu opfern.

    Dieß ist die Lage, wie ich sie bei meiner Nachhausekunft angetrof­fen. Unsere Freunde vermuthen darin einen neuen Streich gegen Dich, da es bekannt, daß Du fort bist. Man könnte dann sagen, seht, sobald der Anstifter fort ist, gibt es Frieden. Doch kannst Du unbesorgt sein, wir wollen schon sorgen, daß wir wenigstens nicht durch eine solche Niederträchtigkeit, wie dieses Friedensangebot eine ist, besiegt werden.

    Es ist sonst noch manches geredet worden, das die Mutlosigkeit unserer Gegner konstatirt, allein es ist an dem angeführten genug. Mach Du nur vorwärts, u. erscheine zur rechten Zeit wieder daheim. Der Bote hat am Mittwoch noch zwei Briefe an Dich vergessen, als Du am Morgen dort warst, der eine von Feurstein Bezau, der eine von Bludenz.

    Feurstein tratt darin unserer Ansicht vom Gesetze bei. Sonst läßt Dich grüßen: das Wible, der Körler, dessen Wunde nicht bessern will, die Oberhauser u. Dein

    Kutscher. Natter

    Josef Natter
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 30. Januar 1868

    Werther Freund!

    Ihr heutiges Schreiben mit Beilage richtig erhalten. Letztere sandte ich umgehend an die „Redaktion des Wanderer" mit der ich im freundschaftlichen Verhältnisse stehe, da es darauf ankommt, dass die Sache möglichst schnell in die Oeffentlichkeit kommt. Bei diesem Organe bin ich es sicher; mit den ändern stehe ich nicht im Connex.

    Auch hat es unsere 4fache Abonnentenzahl u. die anderen Blättern drucken leichter ab. Bei unserem Druck-Usus käme es erst in Nro8, wenn ich es selbst heute weiter gäbe, so lange aber soll die Sache nicht aufgeschoben werden. Anfangs nächster Woche wird es bereits im Wanderer sein.

    Bleiben Sie stark, edler Mann. Freundlichen Gruss u. herzliche

    Theilnahme von

    Ihrem Sie hochachtenden Freunde Karl Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 29. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Den Aufsatz an die Gartenlaube habe ich durchgesehen. Wo die Rede davon ist, daß einige Geistliche die Gewalt über ihre Gläubigen verloren haben, habe ich vor „Gewalt" das Beiwort „volle" gesetzt, wonach nun der Satz die Auslegung zuläßt, daß diesen Geistlichen doch noch einige Gewalt geblieben ist. Wo Du am Ende von zwei „religiösen Parteien" redest, habe ich das Beiwort „religiöse" gestrichen. Ich habe dabei gedacht, Du wollest dem Berchtold doch gar so auf­fallend nicht recht lassen. Unter Deiner Unterschrift im Brief an Pröll habe ich folgendes beigesetzt:

    Verehrte Redaktion!

    Ich habe den beiliegenden Aufsatz meines Schwagers, der mir selben zur Durchsicht geschickt hat, gelesen, bin voll­kommen mit demselben einverstanden und möchte wie Fel­der, daß er baldigst gedruckt und veröffentlicht werde. Die geehrte Redaktion übt in Wahrheit Humanität, wenn sie sich eifrig der Sache annimmt. Die erzählten Tatsachen können vollkommen erwiesen werden und ich stehe mit Felder für die Wahrheit derselben ein.

    Hochachtungsvollst K.M.

    Mit dem habe ich Aufsatz und Brief, ohne an ersterem anderes als das Bemerkte geändert zu haben, an die Redak­tion am Montag noch abgeschickt. -

    Diese Deine Arbeit ist ein Kind einer glücklichen Stimmung, verrät Kraft und Mut, möge beides Dir dauernd beschieden bleiben. -

    Auf den vorigen Brief habe ich eingehend geantwortet und ich fürchte nun nicht mehr, daß Du die Antwort nicht ruhig verdauen könntest. Literaten kämpfen mit ihren Waffen, Juristen mit den ihrigen, jeder mit den seinigen. Hier ist schon ein respektabler Klub von Lassalleanern, von denen Du nächstens in unsern Blättern rumoren hören wirst. Ich sehe es gerne, daß das Volksblatt auf die Lassallesche Richtung eingeht, und ich habe mein Scherflein zu dieser Wendung beigetragen. Meine „Mahnworte", die Du lesen wirst, schickte ich auch ans Volksblatt, teils weil es das verbreitetste Landes­blatt ist, teils um eine Fühlung zu erlangen. Aus dem an­liegenden Brief ersiehst Du das Echo und wie ich's aufnahm. Fürchte nicht, daß ich ein Ultramontaner werde, diese müssen vielmehr Lassalleaner werden. Meine Spekulation ging von Anfang an dahin. Ihr Sturz im Staat weist sie an die Massen, diese aber lassen sich nur durch handgreiflichen Erfolg be­wegen. Lassalles System fußt auf dieser Einsicht. Die Ultramontanen werden sie auch bekommen, und dann kann und wird den Massen geholfen werden. Wie geht's dem Pius? Schick mir die Anlage zurück und schreibe bald. Mit Gruß und Handschlag

    K. Moosbrugger

    [Am Schluß vorstehenden Briefes vom 29. 1. 68 befindet sich folgender nachträglicher Vermerk von K. Moosbrugger ange­bracht:]

    Bevor dieser und der vorgängige Brief an die Adressen kamen, war Felder bei mir. Die Wahl hätte sollen vor sich gehen. Die Rüscherianer verlangten Zulaß gesetzwidriger Vollmachten, tumultuierten über deren Zurückweisung durch die Wahlkommission und warfen Feuer in die Wahlurne. Gleich nach vereitelter Wahl eilte Felder zu mir um Rat. Ich riet ihm, gleich nach Feldkirch zu gehen und beim Staats­anwalt zur Anzeige sich zu melden. Das Weitere melden die folgenden Briefe.

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 27. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Noch selten oder nie griff ich mit einem so eigentümlichen Gefühle zur Feder, wie heute. Ich denke dich nächstens zu besuchen und dir viel von meiner armen Heimat zu berichten. Für heute nur weniges.

    Gestern wurde die zweite Ausschußwahl - versucht. Die Wahl­kommission war mit Prüfung der Vollmachten sehr streng. Nun hatte Bezirksvorsteher Müller unsern Frommen, die sehr stark agitierten, ein Formular gegeben nach dem eine Vollmacht zur Wahl von jedem angenommen werden sollte. Die Wahlkomission aber sagte: „Eine gemeine Alp kann nur den Vertretter (Alpmeister) bevollmächtigen, und die Mitbesitzer der Alp müssen wenn sie nicht Gemeindebürger sind, ihn bevollmächtigen wenn sie das Wahlrecht ausüben wollen."

    Da Müller, wie zu beweisen ist-zuerst unserer dann aber auch der Auslegung der „Alten" beistimmte kannst du dir die Erregtheit beider Parteien denken. Wuth schnaubend und drohend stellten sich die vom Pfarrer aufgehetzten Leute vor uns auf. Die Wahlko­mission mußte - wenn sie noch gesund heim wollte - die Wahl unterbrechen lassen und gerichtliche Hülfe verlangen.

    Die religiöse Aufregung wächst von Tag zu Tag. Nicht etwa nur ich -diesämmtliche Bauerschaft ist angefeindet. Der Uhrenmacher ist vom Fanatismus schwer, vielleicht tödtlich verwundet und nie­mand will etwas für uns u. den Frieden thun. Es ist schrecklich hier, doch ich glaube, Peter Greber in Au werde dir schon davon erzählt haben. Schreibe mir daher umgehend nur was du zu unserer Auslegung von §4-3 sagst und ob ich von dir Hilfe u. und allenfalls Schutz hoffen darf wenn meine Besorgnisse sich weiter wie bisher bestättigen? Mit Seyffertiz bin ich jetzt im Briefwechsel. Doch davon u. von vielem später. Ich komme bald.

    Schreibe mir und wenn dieser Brief dich unklar läßt so frage den Überbringer. Wir wollen selbst dem Amt gegenüber gesetzlich vorgehen. Wir glauben, die Alpen können nur den Meister bevoll­mächtigen, aber dieser muß mit der Vollmacht das Wahlrecht persönlich ausüben sonst darf man ihn abweisen. Schreibe mir gleich Deine Meinung. Mit Gruß u. Handschlag

    Dein Freund F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 26. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Auf Deinen gestern nachts erhaltenen Brief noch mit heutiger Post folgendes: Wie ich die Sache auffaßte und im letzten Brief mitteilte, war eben Deine Ruhelust mitten im Kampf, ja als der Kampf recht angehen sollte, d. h. Ende Juni und anfangs Juli d. Js. der Grund, daß wir sofort in die ungünstige Position im Land gerieten, die Dir nun lästig ist. Du warst eben, als es galt, zu ruhelustig, das war der Fehler. Nicht daß Du im Frühling fort bist, tadle ich, aber daß Du mitten im Kampf ruhesüchtig Dich zeigtest und so uns zur Untätigkeit verurteiltest, das ist's, um was sich mein Brief dreht und worüber ich in Deinen langen Auseinandersetzungen kein Wort finde. Wenn Du den Brief auch gelesen hast, hast Du ihn, wahrscheinlich, weil Deine Ruhe noch keine eisige ist, dem Inhalt nach nicht ruhig zerlegt. Du irrst, wenn Du meinst, ich betrachte die Niederauer Geschichte isoliert, ich sehe sie und anderes vielmehr als Folge des Übermuts unserer Gegner an, der sich infolge unserer traurigen Haltung im Kampfe auf ganz natürliche Weise bilden konnte. Was ist's, wenn man Dir sagt, Du stehest als Lügner im Protokoll zu Bezau? - Denke ruhig nach. -

    Die Mosaik schickst Du mir einfach zurück. - Wenn wir zusammen kämpfen sollten, müssen wir ein gleiches Pro­gramm haben und fest zusammenstehen zum Schutz und Trutz. Wie reimt sich die Rücksendung meines Programms, ohne es eines Wortes zu würdigen, mit dem allem Anschein nach noch bestehenden Wunsch, mich an Deiner Seite zu haben? Oder hast Du es bei abhanden gekommenem Ruhe­stand mir konfusionsweise retourniert? Jedenfalls bedenk­lich.-

    Übrigens sehe ich nicht ein, wie Ihr unsrer Hilfe im jetzigen Stadium der Sache nötig seid. Wendet Euch unverhohlen und entschieden ans Gericht in Bezau. Dort wird Euch jetzt gewiß geholfen werden. Ihr werdet nur dann ohne gesetzlichen Schutz sein und bleiben, wenn Ihr das Amt ignoriert. Zuerst suche man die nächste Hilfe, dann die weitere. Sollte wider alles Vermuten das Amt seine Schuldigkeit wieder nicht tun, kann man ja durch die Öffentlichkeit einen Druck üben, wozu ich unter allen Umständen bereit bleibe, wenn Du nicht wieder Ruhe gebieten solltest. Überhaupt soll es an mir nicht fehlen, wenn ich Euch wo immer verhilflich sein kann. Was Du vom Kämpfen für die heilige Sache des Volkes und nicht für die Führerschaft sagst und davon, daß man den vierten Stand nicht in die Hand der Ultramontanen spielen soll, verstehe ich in der von Dir gewählten Form nicht. Die Gründe, aus welchen man die Wahl zum Vorsteher ablehnen kann, sind im § 19 der Gem.Ord. angeführt. Mit 100 Fl. kann man sich auch frei machen.

    Wie geht es dem Bruder Pius? Dem Berchtold habe ich ver­sprochen, nicht indiskret zu sein. Du wirst nicht Anlaß geben, daß er mich tadeln könnte. -

    Also klage gegen Rüscher, auch der Vorsteher sollte klagen. Machet Euch die Gesetze zunutze, lasset das leere Lamen­tieren, packet die Gegner und führet sie hin vor die Gerichts­schranken, damit ihnen ihr Lohn werde und jedem, was ihm gebührt. -

    Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 24. Januar 1868

    Lieber Schwager,
    Ich ersuche Dich wanns Deine Zeit u. Umstände erlauben wie Du mir das letze mahl bei mir warst versprochen mich in bälde wieder zu besuchen. Ich habe Dich schon alle Tage erwartet. Denn ich bin sehr neugirig wegen der Geschieht in der Nidernau, den wahren Grund zu vernehmen u. wegen den Gemeindsachen von dem Zorn des Pfarrers, ob Er noch kein Stück wegen den zwei Felder, von der Kanzel geschlagen hab. Ich bitte Dich laße mich nicht unersucht, denn jetz bin ich Gott sei Dank auf beßerung u. gut aufgelegt zum Dischgariren. Denn heute hab ich angefangen Taback zu rauchen, u. der schmeck mir sehr gut. Bei der ersten Pfeifen wurde mir wie neugebohren. Schonst eße u. drinke ich gern, u. bin gutes muths; Doch muß ich immer noch das Bet hüten, denn der Artz als Er das
    letzte mahl hir war, sprach, Ich sei noch zu schwach. Denn das gehen lernen gehe nicht so schnell ich müße zuerst mit Kruken gehen.
    Und bies ich wieder den Fuß recht brauchen kann würde es wohl Frühling werden. Denn die Gelenkentzündung sprach der Artz ist schwer zu heilen. Und wanns nicht recht behandelt wird, so werde ein jeder ein elender Krüpel oder Er habe das Glück u. sterbe zuvor. Kaspar hat neulich mir geschriben, aber dieser Brief hat mich bedeutend beßer gefreut als der forige von Dir angerichtete Maahn¬brif. Denn ich hab Ihm meine Krankheit u. die Behandlung vom Artz, genau geschriben herentgegen habe Er sich in Bludenz mit einem kenntnißvollen u. vielerfahrenen Artz berathen u. dieser sagte Ihm, das diese Behandlung ganz zweckmäßig gewesen sei. Und ferner sollte ich bewegung im Gelenk alle Tage machen, damit keine Verwachsung u. Steifekeit eintrete. Bäder seien dafür haubt¬sächlich gut. Das sprach der Artz in Bludenz. Dieß sagte der Feurstein mir schon früher das man später noch mit Bädern daran müße. Bewegungen habe ich schon beinahe drei Wochen im Gelenke auf anornung des Artz müßen machen. Noch fiel münd¬lich Es Grüßt Dich u. Deine Famile ganz freundschäflich
    Der Bazent Josef Pius Moosbrugger

    Josef Pius Moosbrugger
    Au
    Franz Michael Felder
  • 24. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Ich setze natürlich voraus, daß Du aus meinem vorgestrigen Schreiben meine Auffassung der Lage und Deines letzten Briefes ersehen hast. Ich bat Dich, so wie ich's nach Deinem Schreiben nach konnte, um Hilfe, dachte jedoch nicht daran, selbst die Hand in den Schoß zu legen. Mit kaltem Blut, wenn auch empört, schrieb ich den beiliegenden Artikel für die österreichische Gartenlaube an Dich zur Durchsicht, obwohl ich nicht glaube, daß viel daran zu streichen ist. Er paßt als Fortsetzung des früheren aus Vorarlberg, und es dürfte dem Literaten keine Schande machen, daß er dort einzelne un­schöne Auswüchse wegschnitt und hier einpaßte [?], um jedem Artikel in sich einen einheitlichen Ton zu geben. Den gegenwärtigen Stand der Dinge kannst Du aus Beilie­gendem ersehen. Für die Feldkircher Z. und andere Blätter werde ich mir das Nachdrucksrecht mit Angabe der Quelle vorbehalten. Ich sorge nur, daß die Veröffentlichung in einem Wochenblatt so langsam geht, aber mir steht in Österreich kaum ein anderes bedeutendes zur Verfügung. Die Garten­laube aber wird gern damit einiges Aufsehen machen. Ich bitte Dich daher, ihn schnell aber sorgfältig durchzusehen, unpassend Scheinendes zu streichen oder zu verbessern und dann sofort das Ganze samt dem beiliegenden Brief an die Redaktion der österreichischen Gartenlaube in Graz zu sen­den. Solltest Du den Artikel zur Veröffentlichung aber nicht geeignet finden, so schreibe mir sogleich warum. Sendest Du ihn aber aus guten Gründen an ein anderes Blatt, so schreibe auch den Begleitbrief und dinge mir vor allem zehn Exem­plare aus. Der Artikel ist die Arbeit einer einzigen schlaflosen Nacht, aber ich glaube, er ist klar und wahr. Hunderte hier müssen fast jedes Wort bestätigen. Ich las die Arbeit nur dem Oberhauser vor, der war mit allem einverstanden und freute sich des Erfolges. Jetzt ist hier alles kampfeslustig und eher als ein Zurücktreten ist eine Ausartung dieser Stimmung zu fürchten. Es war am Montag noch viel geredet, dessen ich nicht erwähnte. Ich glaube, das Ganze müsse schon so die erwünschte Wirkung tun. Kleinliche Nörgeleien mag ich nicht mehr, seit die letztsonntägliche Predigt dem Faß den Boden ausschlug. Auch Du bist hoffentlich einverstanden, daß nun Schweigen nicht mehr Gold [wäre]. Am Wahltag erwarten viele große Schlägerei, es scheint, daß die Rüscherschen ver­lieren dürften. Gewiß wäre ein Wutausbruch, wenn dann etwas Veranlassung zu Streit geben sollte. Nun wir werden sehen, es kann auch besser gehen, weil so viele sorgen und sich in Acht nehmen werden. Der Schneider befindet sich angeblich etwas besser.

    Schreibe bald und ob Du meine Auffassung noch nicht teilst. Du bist ein Diplomat, Du willst Erfolge nach oben, ich nach unten, drum gehe ich vielleicht in einigem mehr mit der Zeit als Du. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Franz M. Felder

    [Hier folgt nun der dem Briefwechsel beigelegte und im vorstehenden Brief erwähnte Artikel Felders „Aus Vorarlberg" für die Gartenlaube. Leider ist nur das erste Blatt des Briefes noch vorhanden mit einer Anmerkung K. Moosbruggers.]

    Aus Vorarlberg.

    Ernst, ja unfreundlich blicken die schneebehangenen Berge herunter in die stillen engen Täler, die sie trennen. Früh und recht ungeschickt hat der Winter dem Herbst ins Handwerk gegriffen, und was unsere Bergtannen von seiner Last noch abzuschütteln vermochten, stürzte, zu Lawinen wachsend, in die engen Täler, die schlechten Wege zerstörend, abreißend wie schwache Fäden, die einsame, zwischen Bergen ver­steckte Dörfer mit der „Welt" zu verbinden suchten.

    Wie ein Eroberer zieht der Winter hier ein, aber obwohl er ein Gegner des Partikularismus zu sein scheint, so wird dieser doch gerade durch ihn, wenn vielleicht auch wider Wissen und Willen, in der Stubenwärme groß gezogen. Die Winterszeit ist für den Bauern die Zeit der Hochzeiten und Feste. Diesem Umstand haben wir vielleicht das Fort­bestehen manches uralten Hochzeitsbrauchs zu verdanken.

    Aus den verschneiten- - -

    [Hier endet das erste Blatt. Auf der Randspalte hat Felder noch folgenden Beisatz angefügt:]

    Und nicht nur in den engen Tälern, wo der Bauer, umgeben von der Sorgfalt der Seinigen, sich bis zum Frühjahr ganz in die Rolle seines seligen Großvaters hineinlebt, gewinnt man wieder das Bewußtsein einer Eigenart, eines ganz besonderen

    Verzugs-- -[weiteres fehlt!]

    [Hier folgt K. Moosbruggers Rohvermerk an die Redaktion:] Verehrte Redaktion.

    Ich habe den beiliegenden Aufsatz meines Schwagers, der selben mir zur Durchsicht geschickt hat, gelesen, bin voll­kommen mit demselben einverstanden und wünsche, wie Felder, daß er baldigst gedruckt und veröffentlicht werde. Die geehrte Redaktion übt in Wahrheit Humanität, wenn sie sich eifrig der Sache annimmt. Die erzählten Tatsachen können vollkommen erwiesen werden, und ich stehe mit Felder für die Wahrheit derselben ein.

    Hochachtungsvoll K. Moosbrugger

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 23. Januar 1868

    Mein lieber guter Franzmichel,

    Wie freute ich mich, als ich, ohnehin verstimmt und leidend, heute Mittag Deinen dicken Brief vorfand, und welcher Inhalt war darin. Ich konnte kaum essen vor zitternder Unruhe und Bestürzung, jetzt such ich mich bei der Arbeit zu beruhigen, aber ich denke fortwährend an Dich dabei und an den armen Uhrmacher, dessen Bild vor mir liegt, zumal ich ge­rade mit der schweizerischen, also Eurer Mundart zu thun habe. Ich muß Dir wenigstens ein Wort der Theilnahme schreiben, obwol ich nicht sicher weiß ob der Brief noch vor demSonntagzu Dir kommt; aber ich werde dann ruhiger arbei­ten können, und wenn Hugo aus der Schule kommt, soll er ihn gleich in den Bahnhofsbriefkasten tragen, daß er heute noch fortkommt. So ist also der Kampf zum blutigen Aus­bruch gekommen, ein Vorspiel dessen was Euch in der neuen Ära bevorsteht, und der tapfere Felder ist der erste Held und Märtyrer des Kampfes mit dem Körper, der die Seelen befreien soll. Drücke dem Tapferen meine, unsere wärmste Theilnahme aus, und was Du für ihn thun kannst, das ist: flöße ihm von Deinem höheren Standpunkte aus so viel Ruhe und Geduld ein, daß er das Heilen seiner Wunde nicht durch Grollen und Zorn und Haß erschwert; das mußt Du können und er wird in der Krankenstimmung Dich hören, Du brauchst ihn nur auf die Höhe der geschichtlichen Be­deutung dieser Vorgänge zu heben, auf der Du ja stehst. Was Du mir von seiner Frau schreibst, ist mir höchst ange­nehm, der umgekehrte Fall wäre furchtbar. Übrigens muß ja der Kampf ein wahrer Heldenkampf gewesen sein auf Felders Seite, ich kann mirs nicht vorstellen, wie er drei Mann in die Flucht geschlagen hat. Besser wärs freilich ge­wesen, er hätte das Wort Lügner in Gedanken behalten und das Weitere auch. Er wird ja aus dem Vorfall auch lernen. So weit ich sonst die Geschichten nach Deinem Bericht be­urtheilen kann, hättest Du das Amt als Wahlcommissar jeden­falls ablehnen sollen als Betheiligter, und ein furchtbarer Fehler ists von der Statthalterei, in dieser Aufregung die Wahlen anzuordnen. Das ist so dumm, daß es Zeit gewesen wäre, Einspruch dagegen zu thun und Aufschub zu verlan­gen; hat doch der herrliche Rößlewirth schon einer bloßen Hochzeit wegen Sorge gehabt! Da es aber einmal so ist, scheint mir das Nöthigste für Deine Partei das zu sein, daß Ihr Euch heilig gelobt, nur mit Ruhe und Gelassenheit zu ver­fahren, alle Heftigkeit in Wort und That den Gegnern zu überlassen, also den Fanatismus durch überlegene Höhe und Ruhe des Geistes zu entwaffnen und - womöglich eine Bresche hinein zu machen zur Anbahnung einer Verständi­gung. Wenn Ihr dazu kommen könntet, durch Deine Über­redung, daß Ihr in einer Versammlung das heilig gelobet, so würde Euch das ein Sicherheitsgefühl geben, das alles noch in gute Bahnen lenken könnte. Was soll das mit Österreich werden, wenn überall die neue Zeit so beginnen soll? Ich wollte ich wäre dort, um mit zum Frieden zu reden. Doch ich muß an die Arbeit. Ich werde am Sonntag in Ge­danken bei Dir sein, da ich nichts weiter thun kann. Heute Abend werde ich einem zusammengerafften Theil des Clubs Deinen Brief vortragen und mir selbst da mit Trost holen, werde auch hier sonst die Sache weiter verbreiten. Gott schütze Dich und die Deinen.

    Deine Liebeszeichen lese ich jetzt im Club vor, wir erfreuen und erwärmen uns daran, ein paar neue Mitglieder die von Dir noch nichts gelesen haben, sind wahrhaft entzückt. Ein paar Erinnerungen dazu später.

    Grüß mir Deine gute Frau und Mutter, und Deine Freunde, und habt guten Muth, Ihr fechtet ja für eine bessere Zeit, man kann sagen für das wahre Gottesreich auf Erden. Dich aber, Herzensfreund, schütze der Himmel in den bevor­stehenden Prüfungen.

    Dein R. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 22. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Ein Brief von Dir in Quart läßt schon zum voraus auf eine Erregtheit schließen, wenn sie sich auch, wie im letzten, hinter eisiger Ruhe verbirgt. Ich antworte in gleicher Weise. Du magst nicht immer mit dem Strom schwimmen? Mir wird's nachgerade unerträglich, meilenweit davon im Sumpfe zu stecken. Du da droben atmest die frischere Luft des kürzesten Tages, den man den jüngsten des Konkordats nennen kann. Da muß es Dir wunderbar vorkommen, daß das Volksblatt einen Religionskrieg predigt. Meine Berichte sind aus dem Mittelalter, das ist wahr; aber höre sie!

    Dein Vergleich paßt, indem sich zwei Menschen, oder vier von bäurischer Abstammung, schlugen. Auf der einen Seite stand der Uhrenmacher, dessen Berchtold zu gedenken scheint. Der Rößlewirt und sein Vetter hielten ihn, der Knecht schlug mit einem eisenbeschlagenen Stiefel, der gefroren war, auf seinen Kopf. Eine ganz gemeine Schlägerei, wenn man sie nur so obenhin berichtet, wie ich's tat in der Voraus­setzung, daß Du findest, was daraus erwachsen mußte und auch wirklich zum Teil schon erwachsen ist. Am Montag war das Vereinsfest, ich schrieb Dir, wie wir da des Pfarrers Eitelkeit verletzten. Am Dienstag schon war Wehklagen auf allen Gassen, in allen Häusern. Der Rößlewirt wußte kaum sich genug zu lügen, was alles der Uhrenmacher gesagt habe. Am Mittwoch langte die Entscheidung der Statthalterei an und befahl, die Neuwahlen vorzunehmen. Die Agitation bei den jubelnden Alten und den erbitterten Neuen begann mit allen Mitteln. Unsere Parteien sind sich an Kopfzahl so ziemlich gleich. Der Uhrenmacher rennt wie ein Wütender herum und klagt dann wieder über schreckliches Brennen. Am Don­nerstag muß er sich legen und das Dökterle rufen, welches sofort beim Gerichte Anzeige macht. Großes Hallo der From­men. Der Uhrenmacher soll sich nur so verstellen, um den Rößlewirt noch vor der Wahl in eine Untersuchung zu ver­wickeln. Auch der Pfarrer behauptet das. Bis zum Freitag ver­schlimmert sich Felders Zustand. Ein losgeschlagener Bein­splitter am Wirbel beginnt stark zu eitern. Am Samstag fordert das Amt genaue Erklärungen. Das Dökterle findet eine schwere Verletzung. Wenigstens drei Wochen werde Felder liegen müssen und die Sache könne sogar noch lebensgefähr­lich werden. Es fordert eine gerichtliche Kommission. In der Gemeinde, auch in Au, redet man so laut vom Schlagen, die Neuen von Rache, die Alten von einer Demütigung der Freimaurer, daß unser ultramontaner Rößlewirt am letzten Montag in der Niederau eine Hochzeit nicht ohne Gendarmen zu halten wagte, obwohl die Rache des kranken Uhren­machers nicht zu fürchten war. Das tat der Rößlewirt, der jede

    Erregung mit seiner bekannten Frechheit leugnete, obwohl sein Haus jetzt als frommes Brutnest, als Lügenfabrik, er selbst als der unverschämteste Hetzhund in zwei Gemeinden be­kannt und gerade darum von Freunden und Gegnern seltener als je besucht ist. Du hast keinen Begriff, was dieses Männ­chen über mich, die beiden Vorsteher und meine übrigen Freunde aufbringt. Es ist kein Wunder, wenn einem da die Seele in die Faust fährt. Am letzten Freitag, als es dem Dökterle erzählt hatte, daß Felder sich nur verstelle und gar nicht verletzt sei, teilte es diesem auch mit, ich hätte vor einem Jahr einer liederlichen Person das Huren erlaubt, wenn man ihrem Liebhaber, dem Pächterle, das Bürgerrecht nicht gebe. Du weißt, daß ich ihm wirklich half und im Ausschuß siegte. Daß ich mich zu solchen Zugeständnissen aber nicht aufgelegt fühlte, kannst Du Dir denken. Es soll diese Angabe nur die Tätigkeit des Rößlewirts bezeichnen.

    Des Pfarrers Vater goß noch öl ins Feuer, er verdrehte die vom Rößlewirt gehörten Reden des Uhrenmachers, den man immer wie Berchtold mir nahe stehend und mein Sprachrohr nennt, noch ärger, klagte über die Zurücksetzung, die der Pfarrer am Montag erlitt, hetzte, spöttelte, schimpfte, drohte sogar mit dem Gerichte und tat alles, was wirken sollte und wirkte. Jedermann sagte am Samstag, die Aufregung habe noch nie so hohen Grad erreicht. Uns allen bangt vor der Neuwahl, wir fürchten eine Schlägerei, wenn die Alten durchfallen sollten. Bei Gott aber, ich war ruhig genug, und Du bist der erste, der mich mutlos nennt. Wer nicht vom Pfarrer blind gemacht ist, sieht ganz klar, daß ich im letzten Frühling recht hatte, sogar der Rößlewirt in Au. Viele glaub­ten, am Sonntag werde der Pfarrer nun endlich doch ein beruhigendes Wort an die Gemeinde richten.

    Ich dachte, der Pfarrer werde es machen - wie Du, er werde die Geschichte nicht mit dem Frühem in Zusammenhang bringen wollen, werde allem den Schein des Lächerlichen geben.

    Am Sonntag blieb ich länger beim Uhrenmacher als eigentlich meine Absicht war; sein Zustand hatte sich verschlimmert. Doch ich hatte zuverlässige Leute in der Predigt, die mir schon sagen konnten, was etwa vorkam.

    Krebsrot bestieg Rüscher die Kanzel und hielt einen geradezu wütenden Vortrag, mit Faustschlägen und Stampfen verziert. Mein ganzes Sündenregister brachte er vor, nahm offenbar den Rößlewirt wegen der Schlägerei in Schutz und forderte jeden Christen um seines Seelenheiles willen auf, so männlich zu ihm zu halten. Denke Dir nur, sogar meine Mutter kam aus der Fassung. Mit den bittersten Vorwürfen sagte sie mir mittags, wie es ein Elend sei und wie die Weiber und Mädchen geweint und nachher gejammert hätten. Vielleicht kannst Du Dir, wenn auch nur fern, annähernd vorstellen, wie es in den übrigen Häusern, auf der Gasse, dem Kirchen­platz und in den Wirtshäusern zuging. Ich bin in die Wahl­kommission ernannt. Ich beantragte, eine gerichtliche Kom­mission zu berufen. Der ganze Gemeindeausschuß, zwei M[ann] ausgenommen, teilt meine Besorgnisse, doch viele Leute und Ausschüsse wünschen die ohnehin nicht zu ver­meidende Schlägerei beinahe, um das Gericht, mit dem der Pfarrer von der Kanzel drohte, zum Einschreiten zu zwingen. Ist doch unser Vorsteher, ja selbst der alte, fast krank vor Aufregung. Hier gibt mir Freund und Feind Zeugnis, daß ich der ruhigste sei von allen. Und ist's ein Wunder, unser Dorf steht unter keinem Pfarrer mehr. Rüscher ist nur erregter Parteimann, der jedes Mittel gutheißt und sich nicht scheut, mich als Schriftsteller in der Kirche öffentlich selbsterdachter, nie von mir gemachter, nein von ihm erfundener Fehler zu beschuldigen. Als Beweis nur folgendes:

    Am vorletzten Sonntag christenlehrte er von der Unkeusch­heit. Schließlich sagte er rot und röter werdend: Zur Un­keuschheit führt auch der Tanz, doch davon will ich heute nichts mehr sagen. Vor einem Jahr habe ich davon gepredigt, und ist dann von meinen Gegnern genug in Wort und Schrift ein  Langes und Breites gemacht worden. Wann? Wer ist gemeint?!!!

    Unsere Gemeinde steht aber tatsächlich auch nicht mehr unter dem weltlichen Gesetz. Am letzten Sonntag und schon früher wurde der Reichsrat, die Landesvertretung durch Predigten und besonders in Wirtshäusern in den Kot gezogen. Pfarrer Rüscher nimmt auch der Majorität der Gemeindevertretung allen Einfluß. Letzthin sagte er: das weltliche Gericht würde, wenn es keine Neuwahl gäbe, bald einschreiten und den Vorsteher absetzen müssen. Am Montag ging Rüscher nach Au, um den dortigen Pfarrer zu begraben helfen. Im Rößle kamen ein Kapuziner und zehn Geistliche, darunter auch Berchtold, zusammen. Der Bezirksvorsteher war auch dabei. Rüscher schimpfte und log so unverschämt, gebärdete sich so wütend, daß es auch dem Müller zu arg wurde, wie er nachher zum Rößlewirt sagte. Rüscher nahm vor dieser Ge­sellschaft die Partei derer, welche den Uhrenmacher ver­letzten und trotzte dem Bezirksvorsteher mit der Behauptung, Felder sei nicht krank, sondern verstelle sich und ihm müsse noch ein rechter Doktor her, da der in Au zu den Feldern halte und ihm nicht der rechte Mann zu so etwas sei. Der Rößlewirt ist selbst von Au heraufgekommen und hat mir das alles erzählt. Das Dökterle hat Pfarrer Rüscher ver­klagt und abermals eine gerichtliche Kommission verlangt. Die Wahlbewegung wächst furchtbar. Wir sorgen, es könnte am Sonntag schlimm zugehen, die eine Hälfte des Dorfes steht der ändern gegenüber. Uns halten die Frommen für Diebe, Spitzbuben, Gottesleugner, und eine andere Partei will uns an die Spitze der Gemeinde stellen, damit wir diesen Lügenpfarrer fortbringen. Verwirrung und Unklarheit hier, Fanatismus dort, Haß und Erbitterung auf beiden Seiten. Du siehst, ich habe eine ganz andere Illustration zu meiner Uhrenmacheriade als Du. Wir wollen aber sehen, ob nicht eine Einigung möglich wäre, wenn wirklich eine Meinungs­verschiedenheit vorhanden sein sollte. Wir haben die neuen Grundgesetze, aber nach Lassalle könnten sie auch nur ein beschriebenes Blatt sein, wenn nur eine Klasse dahinter steht. Sind sie hier wirklich, hier bei uns und noch weitum etwas mehr? Ist der Kampf aus oder geht er an? Sind wir mit den Ultramontanen fertig und ist's ratsam, ihnen augenblicklich den vierten Stand in die Hand zu spielen? Ich gestehe offen, daß ich mehr um die heilige Sache des Volkes als um die Führerschaft kämpfe und kämpfen werde, wenn ich auch allein stehen müßte.

    Ich hätte Dir geschrieben, wenn kein Brief gekommen wäre, und Dich ersucht, alles in geeigneter Weise vor die Öffent­lichkeit zu bringen, meine Stellung hier brauchtest Du in keiner Weise zu schonen. Nun aber, seit ich Deinen Brief gelesen, kann ich Dir diese Bitte nur noch erzählungsweise vorbringen. Noch wende ich selbst mich nicht an die Öffent­lichkeit, da die Tatsachen sich selbst stündlich häufen und ich immer noch etwas abwarten möchte, so jetzt das Ergebnis der Wahlen. Wenn Du aber nichts tust, so melde mir's oder schreibe was und rede frisch weg, wie das letzte Mal. Was das Leipziger Literatentum betrifft, so wird es durch die Gartenlaube bei Keil vertreten. Mit diesem Blatt hab ich gebrochen oder brechen müssen. Ich fand dafür bei der österreichischen sehr freundliche Aufnahme und dachte schon für den Sommer an eine Reise nach Graz und aufs Schützen­fest in Wien. Jetzt aber muß ich hier zusehen und mittun, doch gestehe ich Dir, daß ich auf Deine Hilfe hoffte. Heut erhielt ich einen wunderlichen Brief von Seyffertitz. Der Mann beneidet mich um meinen Glauben ans Volk. Der ist ihm unerklärlich. Vielleicht ist's doch gut, später, wenn Du Dich nicht an die Öffentlichkeit wendest, sich ihm vorsichtig ein wenig zu nähern. Bis jetzt hab ich nur Hildebranden die hiesigen Geschichten erzählt. Der wird aber bald Lärm schlagen, da nun meine frühern Angaben sogar blutig be­stätigt sind. Ich weiß, ihm käme das ganz erwünscht, wenn er nichts für meine Person fürchtete. Ich hab ihm drum geschrieben, für mich sei nur jetzt das ruhige künstlerische Schaffen aus, übrigens aber gebe es hier nach Rüschers Ausspruch 500 Seelen und darunter 300 Freimaurer, ich stünde also nicht mehr allein und hätte persönliche Angriffe so wenig zu fürchten als die ändern.

    Diesen Brief, auf den ich umgehend zu erfahren hoffe, was Du, was Ihr da oben für mich, für uns tut, gebe ich Muxel mit nach Bregenz, den Brief vom Berchtold aber möchte ich ab­schreiben, und Du bekämst ihn daher erst das nächste Mal. ­Auf Vonbuns Urteil über die Liebeszeichen bin ich begierig. Arm und Reich wächst in erfreulicher Weise. Die hiesigen Un­ruhen greifen mich weit weniger an als vor einem Jahr, sonst hätte ich lange gehen müssen. Albrecht denkt, auch wenn unsere Partei siegt, nicht mehr Vorsteher zu bleiben. Ich glaube zwar, darum diese Ehre doch nicht fürchten zu müssen. Es gibt aber Leute, die dem Pfarrer zum Trotz den Baum vor meinem verrufenen Hause sehen möchten. Ich möchte aber nur aus Trotz nicht drei schöne Jahre hinter Steuerregistern und Akten verderben. Sag mir daher, ob mir mein Beruf oder sonst etwas nicht helfe, wenn allenfalls meine Beredsamkeit vergebens sein sollte. Noch aber hoffe ich, daß Albrecht noch bleibt, besonders wenn Rüscher auf den Schnabel gehauen werden sollte. Es gab noch manches zu berichten, aber heut hab ich keine Zeit mehr. Ihrer drei warten, vielleicht noch ungeduldiger als Du, auf den Schluß dieses Briefes, der sich ein wenig gegen den Deinen kehrt; doch darum keine Feind­schaft. Ich hoffe, bald etwas, sogar etwas Tröstliches, zu er­fahren. Diesen Brief darfst Du als Fahne zu allfälligen Feld­zügen benützen, mit welchen ich im voraus einverstan­den bin.

    Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 21. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Ich vergaß das letzte mal Dir zu schreiben, daß mir, oder eigentlich Herrn Quellmalz nur Nr 33 des Ausland Jahrg. 1866 fehlt. Meine Bestellung hab ich widerrufen, fürchte aber daß es nur wenig helfen werde. Sonst alles ziemlich beim Alten. Rüscher nennt den Uhrenmacher u das Dökterle ziemlich deutsch Betrüger, die „Krankheit" des erstem Verstellung. Das Dökterle hat gerichtliche Hülfe gegen Rüschers Verleum­dungen gesucht. Es findet die Verletzung bedenklich und verlangte zur Ehrenrettung gegen Rüscher eine amtliche Commission, bisher vergeblich.

    Für den Wahltag fürchte ich weniger weil sich alles zu fürch­ten scheint; man wird sehr ängstlich und vorsichtig sein. Übrigens  erfahre   ich   eben,   daß   Rüscher  höchstselbst  die Stimmzettel für den Sonntag austheilt! - ! Ich habe die jüngsten Erlebnisse in gedrängter Kürze zusam­mengestellt  und  der geharnischte Artikel  geht mit diesem Brief an die Redaction der österr Gartenlaube ab. Ich sehe nicht ein, was ich noch verderben könnte; am Mon­tag schreib ich nicht, wenn nichts besonderes vorgefallen ist. Lebt wol ihr da drunten. Mit Gruß u Handschlag

    Dein Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 20. Januar 1868

    Liebster Freund!

    Das Vereinsfest ist vorüber, über das Schicksal meiner Leih­bibliothek und noch über manches bin ich nun ins Klare ge­kommen, Du erlaubst mir aber wol, daß ich meinen heutigen Bericht mit einer kurzen Einleitung beginne. Nur ein ganz kleines Opfer für meine Selbstbespiegelungssucht! Als meine kümmerliche Gestalt mit dem staubigen Hut sich einzuleip­zigern begann, selbst noch als ich aufzuthauen begann, ist auch offenen Gemüthsmenschen in freier Luft meine Ver­schlossenheit, oder Ungemüthlichkeit oder Strenge aufge­fallen. Mir aber war und ist das, nicht als Dichter, wol aber als Bauer furchtbar nothwendig. Die schneebedeckten Hügel müssen frieren, sonst würde sie die erste Lauine wegreißen und Lauinen giebts in meinem Leben mehr als selbst in dem der Sonderlinge. Ich bin doch noch nicht hart genug wie oft mich auch der Uhrenmacher um meine eisige Ruhe beneidet. Er thaut auch wirklich viel eher auf als ich, er hat viel zu viel Seele für das Leben in meiner Heimath, oder wenigstens ist die sie umhüllende Rinde zu schwach. Dafür liegt er nun da­heim - und flucht.

    Am vorletzten Sonntag den 12 giengen wir Abends 7 Uhr mitsammen von Au heim. Wol mancher warf den beiden Ketzern Blicke des Hasses zu die eine aufgelegte Mißtrauens­adresse an Baron v Seyffertitz und den Reichsrath nicht unter­zeichneten, wie streng das auch auf den Kanzeln von jedem gefordert wurde, der noch fürderhin beim katholischen Glau­ben zu bleiben gedenke und nicht die „verschönerte - Hur­rerei" in Form des neuen Ehgesetzes gutheißen wolle. Bald lachend, bald ärgerlich erzählten wir uns die Gerüchte, welche des Pfarrers Werkzeuge über meinen Freundeskreis in Umlauf gesetzt hatten. - Das Hurrenbuch der Bibliothek ist dagegen nur ein Schatten - doch ich will Dich mit diesen Erbärmlichkeiten verschonen.

    Wir, ich, der Uhrenmacher und seine Schwägerin ein liebes lebhaftes Kind, kamen in unbeschreiblicher Stimmung vor das Haus des Rößlewirths, der des Pfarrers bester Freund zu sein das Glück hat. Sein Haus unter Schoppernau, hart am Schrannenbach, ganz einsam stehend, haben wir Dir mit allerlei Bemerkungen gezeigt und eben darum wol hast Du diesen Ritter traurigster Gestalt nie sehen wollen. Das ist schade, denn nun bin ich zu einer kurzen Beschreibung ge­nöthigt, die ich lieber unterließe. Es ist ein kleines gelbes Männchen mit struppigem schwarzem Haar. Sein Gesicht ließ früher einen sehr leidenschaftlichen Menschen errathen. Jetzt ists starr. Nur im Zorn oder bei unflätigen Reden zuckt es drüber hin, wie ein Blitz über einen gefrorenen Teich, dann hört man auch sein heiseres Lachen, bei dem einem gleich das Wort teuflisch einfällt. Doch ich will dieses Bild für das eines Spitzbubens aufbewahren. Ich darf es ja ganz in einen Roman nehmen, wenn ich nur weglasse, daß er in einer Schlägerei das eine Auge verlor und ­Genug dieser früher allgemein unbeliebte Man ist der Freund, das Werkzeug des Pfarrers. Sein Haus wird jetzt häufig be­sucht weil es auch manchem, der ihn verachtet, noch Spaß macht, des Pfarrers Schatten zu verhöhnen. Mir ist dieses verkommene, ausgetrocknete, frömmelnde meistens halb betrunkene Männchen recht in der Seele zuwider. Ich er­schrack ordentlich mit der Schwägerin des Uhrenmachers als dieser durchaus in seinem Neste einkehren wollte. Nur weil wir ihn nicht alein hinlassen wollten, giengen wir mit ihm, nachdem er mir versprochen, daß er keinen Streit anfangen werde, wie gemein man uns auch begegne. Das Männchen ist nämlich stolz darauf, wird auch vom Pfarrer und den seinen dafür gelobt, daß es mit jedem freier Denkenden Streit anfängt und ihm die unverschämtesten Grobheiten und Lügen sagt. Es dauerte auch gar nicht lang, bis meine Leih­bibliotheck geschimpft wurde, dann war ich ein Feind des Pfarrers, meine im letzten Frühling gemachten Angaben Lügen und die Reichsräthe Spitzbuben und die Presse in Wien ein Judenblatt. Jetzt fuhr der Uhrenmacher auf: Der Redacteur der n fr Presse Dr Lecher sei aus dem Bregenzer­wald und hier hab es doch keine Juden. „Der Bischof" mekerte der Wirth „hat gesagt er sei ein Jude und der Bischof ha ha ha, der wirds denn doch wissen und der hats gesagt."

    „Dann ist er ein Lügner!" schrie der Uhrenmacher. „Was?" fragten der Rößlewirth, sein Vetter, sein Knecht und ein Schnäpsler „Soll mans nicht Lüge nennen, wenn einer die Unwahrheit sagt?" schrie der Uhrenmacher und ohne meine Mahnereien zu beachten, ohne auf die Bitten der Schwägerin zu hören fuhr er in furchtbar schöner Erregung fort, „Wenn die Kapuziner den wakern Feurstein in Bezau verläumden wenn man meinem Freund jede Stunde verbittert, jeden Athemzug unter uns vergiftet, ist das recht? Hat alle Erbärm­lichkeit ein Recht, wenn sie in einem Kleide steckt, welches nicht durch uns, sondern durch sie selbst entheiligt wird?" Der Rößlewirth sprang auf, sein Vetter stürzte auf den Uhren­macher. Ich sorgte vor allem für die Schwägerin. In der Stube wälzte sich eine schwarze Masse herum, bald richtete sich eine Hand, bald ein Fuß zum Schlag auf, der Knecht hatte einen gefrorenen Bauernstiefel mit eisenbeschlagenem Ab­satz erwischt und hämmerte damit dem Uhrenmacher auf den Kopf daß mir das Blut ins Gesicht spritzte. Doch mein Vetter räumte die Stube. Die Elenden flohen nach allen Sei­ten. Ich hatte die größte Noth den vom Blute triefenden von der Verfolgung abzuhalten. Endlich verließ er, über diese Räuberhöhle fluchend, mit dem Messer in der Hand auf einen neuen Überfall gefaßt das Haus. Ach Freund, ich fürchte, daß aus diesem Blute Schreckliches für unser Dorf wachse. Am ändern Tage sollte das Vereins­fest gefeiert werden. Da hätte aus der furchtbaren Erregtheit der Gemüther Schreckliches entstehen müssen, wenn auch unsere Gegner zu erscheinen gewagt hätten. Mir, der eigentlieh an allem Schuld sein muß, hätte es so bald als einem angehen müssen und doch blieb ich nicht daheim, da ich doch vielleicht etwas Schlimmes verhindern konnte. Es lief gut ab. Der Verein dankte mir für meine Bemühungen be­sonders mit der Bibliothek und es ist mir der erfeuliche Auf­trag geworden, Dr Flügel für seinen Beitrag herzlich zu dan­ken und ihn im Nahmen aller Mitglieder zu grüßen. Ich weiß nicht, ob das den Pfarrer mehr ärgerte oder der Um­stand, daß er unerhörter Weise nicht einmal zum Festmahl eingeladen wurde. Er flüchtete nach Au, doch auch da feierte ein von mir „angerichteter" Verein sein Fest so friedlich wie wir. Am Dienstag aber gab es in manchem Hause Händel, daß man nicht einmal den Pfarrer einlud, die frommen Wei­ber tadelten eben jeden, weil kein einzelner die Schuld hatte. Am Mittwoch kam eine Verordnung der Statthalterei und ordnete neue Gemeindewahlen an. Das war von dieser ultra­montanen Regierung oder Behörde zu erwarten wenn sie Wind bekam, worum es sich handle. Nun begann die Wahl­bewegung gegen uns lutherische Hunde. Der Uhrenmacher kümmerte sich in der Aufregung dieser schrecklichen Tage nicht viel um seine Verletzung wie ihn auch sein Kopf brannte. Am Donnerstag aber mußte er sich zu Bette legen und das Dökterle rufen welches die Sache ziemlich ernsthaft fand und sofort Anzeige beim Gerichte machte. Am Freitag kam der Vater des Pfarrers ins Dorf und seine aufhetzenden Schimpfreden gössen Öhl ins Feuer. Der Zustand des Uhren­machers verschlimmerte sich, die Frommen erklärten alles für Betrug, das Dökterle für einen Freimaurer, mich für Satan selbst.

    Am Samstag brachte ein Schreiben vom Bezirksamt Schreck und neue Aufregung unter die Frommen. Diese fürchten, die Anklagen, die ich im letzten Jahr erhob, könnte man nun doch noch thätlich bestättigt meine Furcht sehr begründet finden. Der Uhrenmacher liegt noch im Bett er mag nicht essen u kann nicht schlafen. Im Dorfe geht seine Rede beim Rößlewirth furchtbar übertrieben herum. Die Aufregung wächst, Krieg auf der Gasse und in den Häusern, wer ein­greifen, aufklären will, der ist auch ein Freimaurer schon ists eine Sünde, nicht aufgeregt zu sein. Niemand kann etwas thun und man hofft daß nun doch endlich der Pfarrer der über die der Belehrung Unzugänglichen alein Gewalt hat, von der Kanzel aus zur Ruhe ermahnen werde. Er muß, meinen viele.

    Der Sonntag kommt, ein trüber stürmischer Tag. Rüscher be­steigt die Kanzel und glühend roth mit dröhnenden Schlägen auf dem Buchpult beginnt er bald eine Strafpredigt an uns wie man sie hier selbst noch nimmer hörte. Er begehrte fürch­terlich auf über die so die Diener Gottes zu beschimpfen wagten, erzählte, was er wegen solchen im letzten Jahr ge­litten, nahm den Rößlewirth und alle Rasenden als die Ge­treuen des Herrn in Schutz, forderte sie auf tapfer zu ihm zu halten, wenn man ihn in Wort und Schrift verfolge, wünschte jedem um seines Heiles Willen zu ihm [zu] halten und schloß den 3 Viertelstunden langen Wuthausbruch mit weinerlichen Schimpfereien auf einzelne Abgeordnete. Nachmittags wurde ich mit 7 von 10 Stimmen vom Gemeinde­ausschuß in die neue Wahlkommission gewählt. Wie wenig mich das freut, kannst Du Dir denken.

    Die Wahl findet nächsten Sonntag statt. Wir sehen ihr mit klopfendem Herzen entgegen. Die eine Hälfte unseres sonst so musterhaft friedlichen Dorfes wird der ändern in furcht­barster Erregung gegenüber stehen. Wenn wir Neuen ver­lieren so werden die Frommen regieren, gewinnen wir, so fürchten unser viele etwas Schreckliches. Heute ist im Rößle nun Hochzeit. Der Rößlewirth selbst hat Gensdarmerie ge­fordert. Der Fromme fürchtet also selbst Händel. Seit sieben Jahren hatte man hier keine Gensdarmen mehr nötig. Kein Mensch weiß, was heut was bis zum Sonntag noch geschieht und was dann. Das ultramontane Volksblatt hat gestern einen förmlichen Religionskrieg gepredigt. Wenn ich kann, will ich dir eine Nummer schicken. Heut erhältst Du mit der Schilde­rung meiner Charwoche Felders Photographie und seinen herzlichen Gruß. Wenn ich fort könnte, ich würde mich bald nicht mehr besinnen. An ein ruhiges künstlerisches Schaffen ist hier kaum noch zu denken. Und ich hätte jetzt so viel Zeit da ich das von Leipzig mitgebrachte Geld verwendete, die rauhen Winterarbeiten zu verdingen. Du wirst fragen, warum ich hier bleibe. Nun Du kennst meine dürftigen Verhältnisse. Das Honorar für die Liebeszeichen ist mir noch nicht ein­gegangen und so bin ich denn auch durch Noth an der Flucht gehindert, durch Schulden gebunden. Ach ich weiß nur zu gut, wie peinlich Dir diese Mittheilungen sein müssen. Ich bitte um Verzeihung, daß ich Dich so auf die Folter spannen muß. Aber wen hab ich als Dich und den Schwager. Viel­leicht muß ich bei ihm eine Zuflucht suchen dann will ich Dir es gleich schreiben und auch dem Postamt wegen Deinen Briefen Anweisung geben. Grüße mir den Club und lies ihm diesen Brief vor wenn du willst. Am nächsten Sonntag, wäh­rend den Wahlen denk an mich, an uns, von 3-6 Uhr gehts los. Wir sind auf schlimmes gefaßt aber ich glaube doch es sei besser, wenn ich hier bleibe. Felders Gattin hat in der letzten Woche mein Herz gewonnen. Selbst die gestrige Pre­digt konnte sie nicht aus der Fassung bringen. Meine Mutter kam so rathlos heim, wie ich sie noch nie gesehen habe. Nun aber keine Klage mehr. Du hast jetzt genug, ich weit drüber, aber sagen mußte ich Dir das. Sei unbesorgt um mich. Meine Freunde werden mich schützen, wenns zum Ärgsten kom­men sollte.

    Die übersendeten Photografien haben uns recht sehr gefreut. Sie gefallen allen die sie sehen, wenn es nicht solche sind, die vor mir das Kreuz machen.

    Ach Gott ich werde schon wieder bitter und das will ich nicht mehr. Der täglichen Post ist nichts mehr im Weg, nur muß der Posthalter noch seine Prüfung ablegen. Schreib mir doch auch bald wieder. Mit herzlichem Gruß u Handschlag

    Dein Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 20. Januar 1868

    Geehrter Herr Felder!

    Noch immer bin ich Ihr Schuldner für Ihre mir so werthvollen Zeilen v. 4. dM. u. Ihre Fotografie, die bereits in meinem Album prangt. Schon lange hätte ich gewünscht, dieselbe zu besitzen, u. Ihre Sendung ist daher nur meinen Wünschen entgegengekommen. Sehr gerne möchte ich Sie bitten, jetzt schon die meinige als Gegengabe entgegen zu nehmen, allein eine ältere mag ich Ihnen nicht senden, u. jene die ich in Wien für das Reichsrathsalbum anfertigen ließ, konnte ich in mehreren Abzügen noch immer nicht nachgesendet erhalten, so daß ich Sie bitten muß bis zu deren Eintreffen zu warten, wenn Sie überhaupt Werth darauf legen. Was mich in Ihren Zeilen das Wunderbarste dünkt, ja geradezu einen überwältigenden Eindruck auf mich macht, wenn ich sie wieder u. wieder lese -, das ist die fast begeisterte, fast seherartige Kraft, mit der Sie sich dem Kampfe für Recht u. Licht hingeben, ­das merkwürdige Gottvertrauen, mit dem Sie auf den endlichen Sieg unserer guten Sache hoffen. Möglich, daß nur mir bei meiner Lebensauffassung dieße Ihre Zuversicht so erhaben erscheint, - obwohl ich glaube, sie seie es wirklich! Denn im Ganzen ist der Unterschied Ihrer u. meiner Lebensanschauung ein solcher, daß Sie viel höher stehen, sittlich, als ich - Und warum? Sie hoffen auf den Sieg des guten Prinzipes im Menschen, legen die Kraft Ihrer Zuversicht auf den endlichen Durchbruch der Idee auch im Volke; - ich glaube gar nicht an ein gutes Prinzip oder wenn ich daran glaube, so meine ich im vorhinein, daß das Niedere im Menschen­herzen über dasselbe am Ende stets Meister wird, d. h. daß die große Menge immer nur nach materiellen Interessen nach Ehrgeitz, Geldgier, Sklavensinn handelt nicht nach den Opfern, welche Vaterlandsliebe, Pflichtgefühl, Menschlichkeit u. Vernunft für ein freies menschenwürdiges Dasein vom Einzelnen fordern! Ob man das Gute oder Schlechte im Herzen der großen Menge für stärker halte, entscheidet die Lebensauffassung des Einzelnen, entscheidet endlich auch über die Anschauung, die sich Jeder von der Entwick­lung des Volkes macht.

    Nocheinmal, ich kann Ihrer genialen unverwüstlichen Hoffnungs­kraft meine Bewunderung nicht versagen - theilen kann ich sie leider nicht, - weil ich leider nur zu gut weiß, daß von Sokrates bis Christus, u. von Christus bis auf die Volksfreunde des 19ten Jahrhunderts noch alle Jene, welche Licht u. Wahrheit spenden u. erringen wollten, gekreuziget u. zwar vom Volke gekreuziget wurden. Und sehen Sie nicht, - (ich möchte zwar Ihren Muth nicht schwächen!) wie selbst alle hohen Ideen der Geschichte nur am Ende den finstern Mächten zur Ausbeutung dienten? Gibt es dafür ein lauter sprechendes Beispiel als jene erhabene Lehre des Sohnes Gottes, zu der auch wir uns bekennen?

    Lieber Freund! Wie gerne möchte ich mich an Ihrem Eifer erwär­men, wie gerne Ihrem muthigen Beispiele folgen! Allein an meinen Sohlen haftet ein Bleigewicht, das Bleigewicht der üblen Erfahrun­gen, des exquisitesten Pessimismus! Leben Sie wohl! Hoffentlich sehe ich Sie einmal bald bei mir?

    Ihr ergebener C. Seyffertitz

    Carl von Seyffertitz
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 18. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Der Vorgang vom letzten Sonntag scheint Dich nach den mir zugeschickten Notizen stärker affiziert zu haben, als er an sich es bedingt haben dürfte. Ein Meister im Kampf darf seine Kaltblütigkeit nie verlieren. Nach Deinen Mitteilungen erinnerte mich der Niederauer Streit an ein Bild, das einst in einem illustrierten Blatt war: Es waren zwei Bauern dar­gestellt, die sich gegenseitig Faustschläge zum Kopf gaben, und darunter stunden die Worte: „Wie sich zwei das Evan­gelium auslegen." Also aus diesem Kampf möchte ich mir vorläufig nicht gar zu viel machen und auf Beschwichtigung der Leidenschaften hinarbeiten. Wegen der geringen Einzel­heiten darf man das große Ganze nicht aus dem Auge ver­lieren. Ich glaube, Dir einige Anhalte zur Beurteilung Deiner Situation vorlegen zu sollen. Mögest Du hienach ruhig über­legen und dann angemessen handeln:

    Im Juli v. Js. waren ich und Mayer bereit, loszuschlagen und aktiv in den Kampf einzutreten. Aus beiliegender „Mosaik", die ich im Begriffe war zu veröffentlichen, magst Du ersehen, wie ich auf geistliche und weltliche Behörden und überhaupt auf unsere Gegner eine Pression üben wollte. Gerade als ich die Arbeit zum Druck befördern wollte, kam ein Schreiben von Dir, das Halt gebot, weil Du Ruhe wünschtest. Ich sah, daß Du nicht fest genug warst zum ernsthaften Kampf, legte die Arbeit in die Schublade und schrieb gleich abmahnend an Mayer. Von unserer Seite geschah dann gar nichts, weshalb die Gegner freies Feld behielten. Ihre Intention ging sofort dahin, Ruhe und Schweigen herzustellen und über uns zur Tagesordnung zu schreiten. Ich weiß aus ganz sicherer Quelle, daß die Staatsanwaltschaft in Feldkirch im Sommer ein Prä­sidialschreiben an die Bezirksrichter Vorarlbergs erließ, worin sie mitteilte, daß die durch Dich und Konsorten hervor­gerufene Aufregung im Bregenzerwald durch Vermittlung der Geistlichkeit gedämmt sei und anfragte, ob unsere /:meine:/ Broschüren in der Bevölkerung Anklang gefunden haben. Das bewußte Schreiben des prononciert ultramontanen Statt­halters an mich und die Haltung des Bezirksamtes Bezau steht im Zusammenhang mit der Politik der Gegner. Wie Berchtold und mit ihm sicher die Mehrheit der Geistlichen im Bregenzerwald Deine Sache und die Deiner Anhänger ansieht, kannst Du aus dem anliegenden Brief ersehen. Die Manharter sind die Sekte, die aus dem Unterinntal auswandern mußte. Du siehst, die niedere Geistlichkeit und die weltlichen Be­hörden sind bis nun gegen uns gewesen, und wie es scheint, halten sie uns bereits für überwunden. Mein Wunsch wäre es gewesen, die Sache vor geistlichen und weltlichen Be­hörden zur Entscheidung zu treiben, wie sie es verdient hätte, das kannst Du aus meiner Mosaik und den erhaltenen Briefen ersehen. Dein Rückfall in die Kleinmütigkeit hat es bis nun verhindert, und ich sehe bei dem jetzigen Stand der Sache nicht ein, wie wir den Kampf ehrenvoll und groß im Lande wieder aufnehmen und durchführen können. Allerdings kä­men uns die neuen Grundgesetze und die Wendung der Dinge in Österreich zugute, aber das war vorauszusehen. Daß es so oder anders kommen mußte, und darin wäre eben das Verdienst gelegen gewesen, in ungünstigerer Zeit und eine bessere hoffend und mitanbahnend tapfer gekämpft zu haben. Jetzt haben die neuen Gesetze die Gegner geschlagen, nicht wir. Es wäre im höchsten Grad interessant, ja imponie­rend gewesen, wenn uns sogar die Behörden niedergeurteilt hätten, deren Urteile nun ihre Schande wären. Wie ganz anders stünden wir jetzt da! Jetzt geht der Statthalter Toggen­burg, jetzt läßt der Staatsanwalt in Feldkirch gegen Geistliche einschreiten wie z. B. gegen unsern Kapuzinerprediger, der sich nun zu verantworten haben wird. Jetzt weht eben ein anderer Wind. Meine Sache aber ist es nicht, gerade mit dem Wind zu gehen und allenfalls deshalb nun auf unsere Gegner loszuschlagen. - Jetzt tritt mehr der gesellschaftliche Kampf in den Vordergrund. - Ich begreife nicht, wie Du sogar jetzt noch die Aufregung Deines Gartenlaubeartikels, den ich Dir rücksandte, fürchten kannst. Mut scheint es nicht zu sein, was Du bei dem Leipziger Literatentum geholt hast. - In­dessen nichts für ungut. Ich pfeife halt, wie mir der Schnabel gewachsen   ist.   Ich  wäre  sehr froh,  wenn   ich   über diese Kampfgeschichte anderer Meinung sein könnte. ­Wie geht es dem Pius, ich habe ihm wieder geschrieben, da er auch mir schrieb. Die Liebeszeichen gab ich dem Vonbun auf seinen Wunsch zum  Lesen. Vielleicht berührt er in  seiner Kritik der Sonderlinge, die bald nun erscheinen dürfte, auch diese. Baldiges Schreiben erwartend mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Kaspar Moosbrugger Berchtolds Brief erbitte ich zurück.

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 13. Januar 1868

    Liebster Freund,

    Ich schreibe Dir schon heute, im Gedränge der Arbeit und kurz wegen eines geschäftlichen Punktes. Du willst wegen der einen verlorenen Nummer Ausland das ganze Quartal bestellen! Das thu doch ja nicht, das ist ganz überflüssig, wir können die einzelne Nummer hier viel bequemer beschaffen, sobald wir die Nummer wissen, schreib mir sie bald. Und auch wenn Du das Quartal schon bestellt haben solltest, so schreib rasch nach Lindau, um es rückgängig zu machen, Stettner kann die Sache auf jeden Fall rückgängig machen.

    Übrigens ist der Empfänger des Auslands zufällig zugleich ein Freund von Dir, Lehrer Thomas, den ich einmal auf der Grimmaischen Straße herbeiholte in den Schatten, um Euch vorzustellen, erinnerst Du Dich noch? Thieme stand eben bei uns. Also mach Dir darum keinen Kummer. Weiter fehlt wol nichts? Nun wird ja wol die Sache in Ordnung kommen. Dank für Deine herzlichen Äußerungen in Betreff meiner Mut­ter. Was das war, was ich Dir einmal aus meiner Jugend er­zählt habe, weiß ich nicht mehr, auch nicht mehr wo, ich bin so vergeßlich in solchen Dingen. Aber der Freund, des­sen Begräbniß Du berührst, war wol vielmehr die Freundin in den Grenzboten? Was Du vom Schutzengel schreibst, ver­steh ich vollkommen und ist auch mehr als dichterisches Bild. Doch wünscht ich mich auch oft mit Dir zusammen und freue mich, daß Du auch manchmal mich bei Dir wünschest. Ja Du mußt diesen Sommer wieder nach Leipzig kommen, das ist mir ganz klar! Zu meiner Reise zu Euch ist für dieß Jahr so gut wie keine Aussicht, ich habe vom Wörterbuch in vorigem Jahre wieder ein starkes Deficit in der Rechnung, gerade wie Österreich.

    Glück zu zum Sturz des Concordats, für Euch geht offenbar eine ganz neue Zeit an, Ihr habt nun die freieste Staatsform in ganz Europa! Das muß zum Guten führen, so oder so. Doch ich muß ans Werk. Ich freue mich daß Ihr dort so warm an mich denkt, grüße mir den Freundeskreis und Dein braves Wible. Hat etwa der Uhrenmacher Photographien von seiner Frau? und von sich? Die möcht ich gern haben, sag ihm das mit meinem Gruße. Du schreibst ja gar nichts von Deinem Leipziger Bilde, gefällt es Dir nicht?

    Herzlich grüßend Dein R. Hildebrand.

    Wie ist es mit der täglichen Post?

    Beiliegendes Lied von Flügels Hand liegt schon lange bei mir,

    ich habs immer vergessen.

     

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 11. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Ich will mit der Rücksendung der für die österreichische Gartenlaube bestimmten Arbeit nicht zögern, und Du erhältst sie hiemit wieder. Es ist eine schöne Arbeit, und ich finde nicht, daß etwas zu streichen wäre. Nach meiner Ansicht wäre auszustellen, daß kein einheitlicher Ton das Ganze durch­zieht. Der Eingang ist hübsch poetisch, dann aber folgt eine zu demselben nicht passende Prosa. Du scheinst unter letz­terer noch zu leiden, d. h. unter den dargestellten Vorgängen. Der erste Teil der Arbeit ist für eine belletristische Zeit­schrift recht, der andere wäre vielleicht für eine politische geeigneter. Also Herstellung der Harmonie und der künstleri­schen Plastik des Ganzen wäre nach meinem unmaßgeblichen Dafürhalten notwendig. -

    Dr. Vonbun, der wieder vollkommen hergestellt ist, läßt Dich freundlich grüßen mit dem, daß er die Anspielungen in den Sonderlingen zur Kenntnis genommen habe, übrigens trinke er wohl Wein, rauche aber keine Zigarren. Er spricht mit hoher Achtung von Dir, hat schon vor vier Monaten eine Kritik der Sonderlinge an die Feldkircher Zeitung geschickt, und ich bin nun dran, die Gründe der Nichtveröffentlichung zu entfernen.

    Hievon und über vieles Interessante zu Deiner Verfolgungs­geschichte, wegen welcher ich auch mit Berchtold in Hittisau in Briefwechsel trat, später, wenn ich mehr Zeit habe. An die Arbeiter in Wien  habe  ich ein  Dutzend  Exemplare unsres Rufes und ein  Dutzend der Klarstellung absenden  lassen, habe auch dem Mayer in dieser Sache geschrieben. Du bist zum Mitglied des Hofer-Vereins in Wien ernannt. Hast Du zugesagt oder wie Streiter in Bozen abgelehnt? Was sagst Du zu der Aufforderung des Sozialdemokrat an uns? Wie steht es mit dem Bruder Pius? Schreibe recht bald Deinem Freund! Gruß und Handschlag

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 11. Januar 1868

    Sehr geehrter Herr Felder!

    Da ich vor wenigen Tagen die Redaktion der Feldkircher Zeitung übernommen habe, so nehme ich mir die Freiheit, Sie eben so dringend als höflich zu ersuchen, dem Blatte recht oft Ihre ausge­zeichnete und anerkannt erprobte Feder zu leihen und dasselbe durch Korrespondenzen aus Ihrer Gegend im Interesse der liberalen Sache und zum Wohle des Volkes von Vorarlberg zu unterstützen. Dabei braucheich Ihnen wol nicht zu sagen, wienothwendiges ist, sich eine wahrheitsgetreue Darstellung der Thatsachen zur Aufgabe zu machen, indem Übereilungen oft von bitteren Folgen sein können.

    Indem ich Ihnen für Ihre schätzbaren Mittheilungen zum Voraus danke, sehe ich denselben mit wahrer Sehnsucht entgegen und zeichne hochachtungsvollst

    Ihr

    ergebener Frz. Jos. Gaßner

    Franz Josef Gassner
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
  • 10. Januar 1868

    Lieber Freund!

    In Eile nur Weniges und doch viel. Im letzten Frühling, ja schon beim Ausarbeiten der Sonderlinge, sah ich etwas Furcht­bares nahen.

    Es rauscht die See und will ihr Opfer haben.

    Ich habe dieses Rauschen lange gehört, jetzt wird es lauter und lauter. Unsere Kapuziner scheinen mit Hinterladern zu arbeiten, Pfarrer Rüscher erzählte letzthin einigen von einem bereits entbrennenden Religionskrieg, wo man den letzten Christen an den Därmen des letzten Geistlichen aufhängen werde. Hier geht's wirklich los. Gestern floß das erste Blut in unserm Kampfe. Allzu sehr erschrick aber nur nicht, die Sache ließe sich noch mit einigem Humor erzählen, wenn ich dazu in der rechten Stimmung wäre. Der Uhrenmacher kam mit mir von Au. Ich hatte den Schneider besucht, der etwas bessert. Wir kehrten in der Niederau ein. Der Rößlewirt suchte durchaus Händel, wie das immer ist, wenn einer von meiner Partei dort ist. Mir war es zu gemein, mich mit diesem Menschen einzulassen, und wollte gehen, als er mich einen Lügner nannte, als der ich in meinen Akten in Bezau stehe. In den Uhrenmacher aber fuhr es wie ein Feuer. Ich hab ihn nie so gesehen, wie er da stand, und das ganze heilige Nest einmal ausräumte. Da wurden die Worte nicht gewogen, ich mochte wehren, wie ich wollte, Felder kannte keine Rücksicht, sein ganzer Haß gegen diese Elenden brach furchtbar schön heraus. Auch der Rößlewirt, sein Knecht standen auf, fielen über meinen Vetter her und bald sah ich nichts mehr als eine schwarze Masse. Felder hatte mit alten Raufbolden zu tun, doch er räumte brüllend die Stube. Die drei waren nach allen Seiten fort. Nur schwer ist es mir gelungen, den Wütenden, der aus mehreren Wunden (er behauptet von einem Messer) blutete, nach Hause zu bringen.

    Und heut ist das Vereinsfest!

    Ich ahne Schlimmes und werde nicht beim Adlerwirt er­scheinen, wenn ich damit auch den Vetter zurückzuhalten vermag.

    Ich fürchte, bald Ärgeres berichten zu können. Jetzt noch sonst etwas: Was sagst Du zu meinem Artikel? Seine Ver­öffentlichung dürfte jetzt gefährlich sein. Gestern las ich im

    Tirolerboten vom 5. Dez. 67, daß ich als Ehrenmitglied in den Hofer-Verein aufgenommen sei. Mich freut dieser Gruß aus der Hauptstadt. Ich würde mich bedanken, wenn ich wüßte, wo. Jetzt möchte ich überhaupt denn doch bald im Ernst eine Weile wo anders aufgenommen sein, aber nicht bloß als Ehrenmitglied. Ich denke ernstlicher an den Antrag in Halle. Früher dachte ich an eine Reise aufs Schützenfest nach Wien. Aber dort scheint man mich ganz vergessen zu haben. Wenn mir nur artige Zuschriften auch etwas helfen könnten. Vielleicht schreib ich Dir heut noch mehr, sonst lebe wohl. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 2. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Dein leztes Schreiben haben wir - ich und das Wible - mit tiefer Rührung feuchten Auges gelesen. Deine liebe Mutter ist also erlöst. Wir hier sagen so für sterben, und wol man­cher hat den ersten Trost aus diesem Worte gewonnen. Als ich an jenem unvergeßlichen Morgen von euch schied mit schwerem Herzen, da hatte ich das Gefühl, daß ich Deine Mutter nicht mehr sehe, obwol ihr Zustand sich damahls eher zu bessern schien. Mir lag es so schwer auf dem Herzen, daß ich das Wort des Abschieds kaum aussprechen konnte. Auf der Eisenbahn, wo es anfangs in meinem Wagen so still war, wie ich es mir in der damaligen Stimmung nur wün­schen konnte, dachte ich an die von Dir mir gemachten Mit­theilungen aus deiner Vergangenheit, und immer stand mir neben Dir die große schöne Seele, die noch jetzt für die Abgebrannten in Johanngeorg[i]enstadt ein lebhaftes Mitleid forderte als für ihre eigenen Schmerzen. Ich bins zu wenig gewöhnt, dem Gefühl das Wort zu lassen - ach Freund ich durfte das so selten im Leben - daß Du nicht wissen kannst, wie mich Deine Mittheilungen ergriffen, in denen ich immer auch die Mutter als Heldin mit auftretten sah. Ja Du hast viel an ihr verloren, doch hat sie Dir den besten Segen den kräf­tigsten Trost hinterlassen, das was auch ich vom Grab eines Theuren mitnahm wenn es mir war, ob ich bis hart an die geheimnißvolle Pforte zu folgen vermöge, von der man selbst besser, geläuterter wieder ins Leben dieser Welt zu­rück kommt und das Geschiedene - ich möchte sagen als Schutzengel mit zurück bringt. Ich wünschte mich gleich zu Dir, um Dir sagen zu können wie ich das meine. Ich wünsche das überhaupt oft. Auf der Heimreise hab ich ein deutsches Liederbuch gekauft, und da ists gerade als ob das Heimweh drin stecke, so eigen weht es mich an, wenn ich da die Lieder wieder lese die ich auf unsern unvergeßlichen Abendspazier­gängen hörte.

    Jetzt wird Greußing daraus lernen und wenn Du im Sommer wieder den Höusunnotag mitmachst, wirst Du auch hier hören:

    Freiheit die ich meine und

    In einem stillen Grunde

    Diese beiden wundervollen Lieder die noch immer in meiner Seele nachklingen und mich ins Rosenthal versetzen. Ungemein peinlich ist es mir, daß ich noch nicht im Stande bin, die vermißte Nummer des „Ausland" zu schicken. Sie muß mir fortgekommen sein, als ich nicht hier war. Unser Förster nahm das genannte Journal nach Bezau u dort muß die Nummer noch liegen wenn auch der Förster nichts davon wissen will. Ich schreibe nun nach Lindau und werde mir das ganze Quartal kommen lassen. Ich bitte also um Gedult bis es da ist. Durch meine Schuld geht gewiß nichts verloren und bleibt nichts zurück. Die Sache hat mir schon recht trübe Stunden gemacht. Erfreulicher war mir aus deinem Schreiben zu erfahren, daß die Sonderlinge noch nicht ganz vergessen sind. Ich hab lang nichts mehr von dem Buche gehört u eigent­lich auch kaum mehr daran gedacht. Ich lebe ganz in reich und arm. Der Entwurf ist fertig und ich gehe wol ans Ab­schreiben, wenn ein Artikel, „aus Vorarlberg" für die öster­reichische Gartenlaube fertig sein wird. Die große Welt küm­mert sich so wenig um unsere kleinen Kämpfe, daß ich ihr einmal erzählen möchte.

    Sie hört mich doch auch. Letzte Woche schickte mir ein Be­kannter den Minesotta Staatsanzeiger aus Amerika und in diesem Blatt ist von mir die Rede und von meiner Flucht. Auch ein recht freundliches Schreiben vom Herausgeber der Gartenlaube in Graz hab ich erhalten und eines vom Land­tags u Reichsrathsabgeordneten v Seiffertitz, der darin den Wunsch äußert, mit mir in eine nähere Verbindung zu tret­ten. Mich freut das innig denn unser Land hat dem Kämpfer gegen das Concordat viel zu danken. Dieses gewaltige Mauer­werk hat am 21 Dezember ein großes Loch bekommen. Wir erhielten die frohe Nachricht am 1 Jänner und ich kann dir nicht sagen, wie festlich mir zu Muthe war, gerade wie da, als ich die Nachricht erhielt, daß Hirzel die Sonderlinge druk­ken werde. Weißt du noch, wie wir u der Uhrenmacher beim Kronenwirth mit den beiden Vorstehern auf den Sturz dieses Mauerwerks anstießen? Du gefährlicher Protestant in unserer Prozession! Nun wir haben das Ereigniß auch gehörig ge­feiert. Nur Du hast uns gefehlt. Wir haben Dich aber hoch leben lassen und es war uns, ob wir Dich in unserer Mitte hätten, Kunz hat auch geschrieben und die nächsten Num­mern der Feldkircher Zeitung wird seinen Reisebericht brin­gen. Das Blatt hat jetzt viel zu kämpfen, seit man das Volk gegen das Abgeordnetenhaus von den Kanzeln aufhetzt, Adressen unterschreiben läßt und selbst die Unwahrheit nicht scheut, wo man glaubt, daß sie zum Ziele führen könnte. Mir ist die Sache endlich zu bunt geworden und ich gab einen kurzen Bericht in die Feldkircherin, der den Herren ein wenig auf die Finger zu klopfen versucht. Von dem an un­sere Gemeinden erlassenen Hirtenbriefe des Bischofs von Brixen wirst Du in der Neuen fr Presse gelesen haben. Das genannte Blatt wird darin dem Volke fast verbothen. Ich u der Uhrenmacher haben es dennoch wieder bestellt. Er lehnt jetzt Bücher von mir und liest seiner Frau jeden Abend daraus vor. Pfarrer Rüscher ist höflich, wenn er uns trifft, doch hat er und haben die Seinen noch nicht aufgehört, besonders mich und den Vorsteher der immer entschiedener zu mir hält, zu unterhöhlen. Die Leihbibliothek wird fleißig benützt, doch der Pfarrer scheint es durchzusetzen, daß der Hand­werkerverein nicht mehr Unternehmer sein will. In diesem Fall denke ich alles zu übernehmen, und ich gestehe daß ich dabei auf Unterstützung von Seite auswärtiger Gemeinden hoffe. Es ist wichtig, daß Rüscher hier nicht siegt. Drum werde ich dem Verein bezahlen, was er für die Bücher aus­legte und dann sehen, was zu machen ist. Als Feind jeder freisinnigen Zeile handelt Rüscher nicht klug, wenn er alles mir in die Hände treibt, aber so ein gemeiner Mensch rechnet eben ich würde lieber nachgeben, als den Schaden haben wollen.

    Glücklich machte es mich, wenn das in Deinem Brief er­wähnte, für mich bestimmte Buch Dir ein Neujahrsgeschenk wäre, welches Dir eine Freude machte. Behalte es nur! Wenn es mir wieder einmal vergönnt sein sollte, nach Leipzig zu kommen, so will ich es in Deinem traulichen Studierzimmer mir ansehen. Wenn Hirzel mir wenigstens einige Exemplare der öster. Gartenlaube schickte, so würde mich das sehr freuen. Ich konnte den Anfang meiner Erzählung Nr 41-42 nur beim Uhrenmacher lesen, von Nr 43-44 sind mir Ex übersendet worden.

    Was macht Dr Flügel? Wie gefällt ihm sein neues Quartier. O Grüße mir ihn, den Club und alle, die meiner noch nicht vergessen.

    Mit Gruß u Handschlag Dein                                           treuer

    dankbarer F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 2. Januar 1868

    Hochgeerter Herr!

    Seit langem erfreute mich nichts so sehr als Ihr letztes Schreiben, denn es entriß mich einer höchst peinlichen Ungewißheit auf die angenehmste Art. Verzeihen Sie, daß ich gleich so schlimmes vermutet, ich bin eben allzusehr immer gefaßt, mißverstanden zu werden und meine guten Absichten regelmäßig von einem boshaf­ten Geschick vereitelt zu sehen. So brachte mir also dieser Brief erwünschte Nachrichten, was dieß betrifft; aber Ihre Freundlichkeit bereitete zugleich eipe andre unerwartete Freude. Euer Wolgeboren fragen nach meinen Verhältnißen. Warlich, ich habe bis jetzt nicht gedacht, daß ich schon den Anforderungen der Artigkeit zufolge schuldig gewesen wäre, Ihnen mich nicht so als ganz fremder zu zeigen; daß es sich eigentlich von selbst verstan­den hätte, nicht so ohne Einleitung die Gelegenheit vom Zaune zu brechen, - aber aufrichtig gesagt, ich vergaß alles persönliche u. specielle über dem allgemeinen Zwecke meines ersten und zwei­ten Schreibens, vergaß mich über der Huldigung und dem Danke, welche ich als einer Ihrer Leser bringen wollte. Und neben dieser Absicht schien mir jede Erwähnung meiner eigenen Umstände allzu kleinlich und egoistisch - und unnötig! Da mich nun aber E. W. selbst so freundlich ermuntern, will ich nicht länger zurück­halten.

    Obwol Wien meine Vaterstadt ist, kann ich doch, wie man zu sagen pflegt, für einen halben Landsmann des Dichters der Sonder­linge gelten, insofern der liebe Vater in Dornbirn geboren ist u. lange daselbst, in Bregenz, Schrecken u. Mittelberg lebte; später begab er sich jedoch in die Residenz, um dem commerciellen sich zu widmen. Durch ihn und so manche andere Verhältniße blieb mein Herz in stetem Bezug zu dem schönen, lieben Ländchen, von dem häufiges Erzählen mich schon im Geiste ein Bild entwerfen ließ, ehe ich's gesehen. Dieses selbst war im Jahre 1861 vergönnt, der Aufenthalt zwar ein sehr kurzer, dennoch mir unvergeßlich, dennoch prägte er sich dem Gedächtniße mit farbenreichen, prächtigen Zügen ein. Von Lindau kommend besuchten wir Bre­genz und den Bregenzerwald, auch Schoppernau steht mir noch lebhaft vor den Augen, nocherinnern wir,-mein Bruder und ich,­uns des frischen Bächleins oft, das hinter der Krone die Wiese durchschneidet, an deßen Bord es uns Knaben damals so wol gefallen. Nachdem wir endlich auch noch nach Schrecken hinauf­gestiegen, machten wir Kehrt und verließen die wundervollen Waldeseinsamkeiten, um uns nach Dornbirn zu den uns bekannten Familien Rhomberg zu begeben. - Das ist alles, was ich in flüchtigem durchfliegen von Ihrer Heimat geschaut, doch genug, daß mich eine neue Sehnsucht erfaßte, als ich jene Stelle las, wo Sie so gütig von einem Besuche sprechen. Ach, das ist leider unmög­lich!-

    Was soll ich noch von mir sagen? Daß Herr Ritter von Bergmann mir bekannt, daß ich die philosophischen Studien ergriffen, wußten E. W. bereits; nichts anderes könnte Sie intereßiren, denn was etwa mein Wesen, meine Neigungen und Wünsche anbelangt, so wäre hierüber zu sprechen ebenso wenig passende Gelegenheit als ­Möglichkeit. E. W. werden schon aus meinen Briefen bemerkt haben, was für ein ungeläutertes, unklares, gutgemeintes aber unzulängliches Streben u. Wollen das alles ist. Als ich das letztemal E. W. belästigte, hatte ich das Liebeszeichen bereits gelesen und mit allen die dieß Vergnügen theilten, einstim­mig meine Freude, mein Behagen an der Zartheit u. Innigkeitdieses Gemäldes geäußert. Es ist so lieblich und frisch, so weich und doch so kernig, es umschließt eine herrliche Warheit in einem feinen leichten Gewebe. Damals schon dachte ich über diese Geschichte nach, deren Verwicklung so graziös, wie aus zartem Schaume aufgebaut, deren Titel allein schon so geistreich gewält ist. Ich bin aber schon wieder breit geworden, eile zu Ende zu kommen u. bitte, sich meinetwegen durchaus nicht zu belästigen. Wann immer ein Schreiben mir kommen wird, und sei es noch so spät, soll es mich freuen, weiß ich ja jetzt, was die Ursache der Verzögerung war. Und Gottbehüte, daß ich so arrogant sein sollte, Ihre kostbare Zeit für mich zu beanspruchen, dem es warlich schon hohe Freude und Ehre ist, daß sie mir nur erlauben, ein Schreiben an Sie zu richten.

    Herr von Bergmann ersucht mich, seinen Gruß zu melden u. zugleich E. W. um die gütige Angabe Ihres Geburtsjahres u. -tages zu bitten, da er derselben in der Topographie seiner Landeskunde von Vorarlberg bedarf. Ich meine, es werden derselben Notiz wol bald auch Topographien Oesterreichs und Deutschlands nötig haben.

    Mit den besten Wünschen zum Beginn dieses neuen Jahres emp­fehle ich mich Ihrem fernem Wolwollen.

    Hochachtungsvoll Albert Hg

    Albert Ilg
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 1. Januar 1868

    Sehr geehrter Herr!

    Mit Ihrer Zusendung vom 17. Nov. v. Jahres hatten Sie mir eine recht große Freude gemacht. Aus dem Artikel in den Grenzboten ersehe ich aufs Neue Ihr Schönes Talent. Haben wir nicht bald wieder etwas Neues von Ihnen zu erwarten? Mit welchem Stoffe beschäftiget sich wohl jetzt Ihre Feder? Sie werden ohne Zweifel in literarischer Beziehung viel Briefe zu schreiben haben; ich will nicht unbescheiden sein, und Sie durch Aufdringlichkeit um Ihre kostbare Zeit bringen, darum verschob ich auch die Absendung dieses Schreibens eine Zeit lang; aber in einiger Zeit werden Sie wohl wieder die Güte haben, mich mit einer Zuschrift zu erfreuen? Indem ich Ihnen mit größtem Danke Ihre Blätter aus den Grenzbo­ten zurücksende, erlaubte ich mir, denselben zwei Hefte beizuge­ben, welche einen, ursprünglich für meine Dorfchronik bestimm­ten Aufsatz von mir enthalten. -Aus dem Verhältnisse, in welchem Sie zu Ihren Landsleuten, oder vielmehr diese zu Ihnen stehen, ist zu ersehen, daß in Ihrer Heimatdie Bigotterie und die Scheu vorder Aufklärung noch viel mehr herrschend ist, als in hiesiger Gegend. Sie wohnen halt hart an dem erzkatholischen Tyrol; dafür haben Sie aber auf der anderen Seite die freie Schweiz. ­Ich sitze jetzt*) zuweilen einige Abendstunden über den „Memoi­ren eines Dorfmannes"; wenn ich wüßte, daß es Sie nicht allzusehr belästiget, würde ich Ihnen meine Denkschrift über die preußische Invasionszeit zum Durchlesen zusenden. Mit der Versicherung größter Hochachtung zeichnet

    Ihr A. Jäger

    *) Wie viel wäre an unserer deutschen Sprache zum Vortheile des Wohllautes leicht zu verbessern! Vier Mitlaute hintereinander; wäre nicht viel besser jetzo zu setzen?

    Anton Jäger
    Maffersdorf
    Franz Michael Felder
  • 1. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Deinen etwas lange reisenden Brief hab ich erhalten und die Beilage sofort an den Schneider geschickt. Morgen will ich sehen, welche Wirkung er tat. Er soll sich, wie mir heute der Knecht sagt, etwas besser befinden. Hoffen wir das Beste, ich werde nächstens wieder schreiben. Heute schicke ich Dir einen für die Grazer Gartenlaube geschriebenen Artikel, über den ich mir Dein Urteil erbitten möchte. Besonders, ob Du das oder jenes gestrichen wünschtest. Sende ihn bald hieher zurück. Ich glaubte, wieder einmal aufräumen zu sollen, da alle Tage frische Zufuhr kommt. In Bezau haben die s. g. Protestanten gegen den Wahlvorgang verloren und wurde Gebhard Greber, Kanzlist, Vorsteher, was die Kapuziner jubelnd mit der Bemerkung erzählen, daß nun doch ihr Seyffertitz hinab sei. Tatsache ist, daß Feurstein schon im Sommer sagte: Er werde sich mit ganzer Kraft dem Verein widmen. Vorsteher sei er nicht mehr, wenn er das über­nehme.

    Auch der Protest des Jos. Ant. Simma, Wirt in Schwarzen­berg, wurde abgewiesen. Der hat also seine Artikel für unser Amtsblatt umsonst geschrieben, und wir hier können froh der noch nicht herafogelangten Entscheidung entgegensehen. ­Daß wir hier das Ergebnis des 21. Dezember gehörig feierten, kannst Du Dir denken, sonst aber sehe ich nicht besonders viel von den herrlichen Zuständen, welche Du hier vermuten willst.

    Die letzte Post - eine tägliche haben wir einstweilen noch nicht - brachte mir auch ein Schreiben von Seyffertitz, das den Wunsch äußert, mit mir in nähere Beziehungen zu treten. Meine Antwort spricht meine Freude darüber aus, daß es endlich gelang, ein Loch ins Konkordat zu schießen. Mich hat der Brief nicht nur als Literat gefreut. Er scheint sich auch nicht in dieser Eigenschaft an mich zu wenden. Der Dichter Scheffel hat ihm meine Sonderlinge zugeschickt. Dafür dankt er, nennt das Werk ein liebes Buch und geht dann über auf seine Tätigkeit in Wien, die leider eine Krankheit unterbrach. „Tun auch Sie", schließt er, „das Ihrige in Ihrem Kreise. Es ist jetzt am Volk, sich das Errungene gegenüber den Pfarr­beamten zu erhalten, sonst ist die beste Verfassung eine Perle für die Säue, u.s.w."

    Hildebrand ist seine Mutter gestorben. Der Schlag traf ihn schwer.

    Die Eile, mit der ich schreibe, siehst Du meinen Zeilen an. Ein Artikel in der Neuen Fr. Presse (sicher von Keßler) spricht sich über die Arbeiter in Wien sehr ungünstig aus. Das erklärt wohl am besten, warum diese Leute mir nicht mehr schreiben und warum mich die Presse bei Besprechung der Gartenlaube in sehr befremdender Weise überging. Lebe wohl, mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. Januar 1868

    Hochgeehrter Herr!

    Ihren freundlichen Brief, mit den „Beiträgen aus Vorarlberg", welche mich sehr ansprachen, habe ich dankbar erhalten. Herr Hügel, den ich wegen des Honorars erinnerte, sagte mir, dass er es nächster Tage an Sie übermitteln werde. Er erwartet jeden Tag einige 1000 Th., welche ihn seine Familie in Stettin als Rente berichten muss; denn leider ist unser Unternehmen noch lange nicht auf dem Standpunkte, wo es sich selbst deckt. Wir haben etwa 1500 Abonnes. u. brauchen jetzt mit Stahlstich etc. 2500 zur Deckung selbst bei unseren so kleinen Honoraren. Nun ich verliere den Muth nicht; gilt es doch ein edles Ziel. Noch eine Bitte hätte ich an Sie. Ich habe nämlich die gewiss nicht unlobenswürdige Absicht, unsere besseren deutsch-österreichi­schen u. noch lebenden Schriftsteller dem Publikum in ganz kurzen Abrissen u. vollkommen objektiv vorzuführen. Etwa wie Schneller einmal im Blatte behandelt erschien, mehr bibliografisch als eigent­lich kritisch vermittelt. 2A - 1 Spalte petite weise ich hier als Raum zu. Sie haben sich in kurzer Zeit einen recht schönen Ruf gemacht, der auch wohl verdient ist. Trotzdem sind Sie immer noch mehr in Norddeutschland, als bei uns bekannt. Als Ihre Erzähl, in der Gartenlaube erschien, wusste fast Niemand in ganz Graz auch nur Ihren Namen als den eines Autors, der bereits Ruf gewonnen. Ich halte es daher für Ehrenpflicht, Sie näher dem Publikum zu vermitteln und bitte deshalb um biografische Daten, prägnante Auszüge u. Schlagworte aus Recensionen deutsch. Blätter von Ruf, um Sie, auf diese objektive Art geschildert (sonst wittert man gleich Kamaraderie) dem Publikume noch bekannter zu machen, was doch einigermassen geschieht, in dem wir trotz geringer Abonnent­zahl jetzt wenigstens in keinem erträglichen Leserverein in Oester­reich mehr fehlen. Baldiger Antwort entgegenharrend, hochach­tungsvollst

    Karl Pröll

     

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 1. Januar 1868

    Lieber Freund!

    Endlich wieder ein Lebenszeichen von dir. Was gegenwärtig in Schoppernau vorgeht, kann an ändern Orten, wenn die Hezereien so fort gehen nicht lange ausbleiben. Aber von Wien weht ein frischer Wind, und die guten Elemente werden von dem Konkor­datsföhn doch nicht ganz erstickt werden; aber trauriges werden wir freilich noch genug erleben, traurig ist es, wenn das Volk in blindem Fanatismus gegen sich selbst wüthet. Vorderhand will ich dir mittheilen was meine Ansicht hinsichtlich der Wahlrechtsaus­übung der Alpen, Viehweiden Vorsäße etc. für eine Meinung habe. Nach meiner Ansicht ist für diese nicht der § 4 - 3 maßgebend, denn dort heißt es: /wenn sie in einer ändern Gemeinde ansäßig sind./ Was bei euch wahrscheinlich nicht oder größtentheils nicht der Fall sein dürfte. Nach meiner Ansicht hat der § 7. maßgebend zu sein d. h. die Mitbesitzer müssen einen dritten zur Ausübung des Wahlrechtes schriftlich bevollmächtigen. Daß Bezirksvorsteher Mathies ein Mensch ist, der aus Geldrücksichten den Geistlichen die Schleppe trägt, das kann niemand in Abrede stellen. Daß er auf die Anzeige der Verwundung keine Komission gesandt sondern erklärt hat der Dr müsse die Wunde zuerst gefährlich erklären, ist eine Sache die sich nicht entschuldigen läßt die man sich nur als partheiliche Rache erklären kann.

    Daß ich dich soviel möglich nach jeder Seite unterstützen werde dessen darfst du sicher sein. Sollte es aufregende Tage geben so komme zu mir nach Bezau, mit aufgeregten Fanatickern ist nichts zu machen.

    Appropos! in Bezau ist jetzt eine Teatergesellschaft von Bregenz und es wäre herrlich wenn du dein teatralisches Talent an einem Stücke versuchen würdest, einem Volksstücke. Doch du kommst ja bald nach Bezau u. dann plaudern wir darüber. Die Teatergesell­schaft b[l]eibt einen Monat hier, u. hat früher schon schon mehrere Jahre in Bregenz gespielt.

    Ich werde bezüglich der Ausübung des Wahlrechts bei Alpen noch Nachfrage halten u. wenn sich meine ausgesprochene Meinung nicht bestätigen sollte, dir morgen schreiben. Lebe wohl es grüßt dich auf baldiges Wiedersehen

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 29. Dezember 1867

    Mein lieber - wenngleich persönlich ganz unbekannter ­Schöpfer der Sonderlinge!

    Dr. Victor Scheffel hat mir während meines Wiener Aufent­haltes in Ihrem Namen Ihre Sonderlinge als Andenken geschikt, - u. wenn ich erst heute dazu komme, Ihnen dafür meinen besten u. wärmsten Dank zu sagen, so müssen Sie diese Verzögerung nicht so sehr meinen Arbeiten in Wien, als vielmehr der nicht unbedenklichen Krankheit zuschreiben, die mich die letzten 4 Wochen dort in Zimmer u. Bett ge­feßelt hielt, so daß ich erst seit 5 Tagen, leidend noch immer, hieher zurückkehren konnte.

    Ihre freundliche Aufmerksamkeit der Widmung Ihres mir bereits früher schon lieben Werkes, das ich mir gleich bei seinem Erscheinen kommen ließ, hat mich umso mehr ge­freut, als ich daraus ersehe, daß mein Name Ihnen nicht unbekannt ist, u. es mir zur hohen Ehre gereicht, mit Ihnen in eine nähere Beziehung treten zu können. Nochmals vielen Dank für die Freude, die Sie mir dadurch bereitet haben!

    Gerne will ich die trüben Stunden m. Krankheit in der Einsam­keit u. Trennung von den Meinigen ertragen haben, - wenn endlich aus dem Samenkorn, das der jetzige Reichsrath emsig zu legen bemüht gewesen ein kräftiger Baum der Freiheit für uns österr. „Schmerzenskinder" erwachsen wird - ich habe dann doch nicht umsonst mich bemüht! Die Anlage ist gut ­die Volksrechte sind, wie sonst fast nirgends erweitert, das Loch in das geisttödtende Concordat ist bereits geschoßen ­aber, alles kommt drauf an, daß das Volk selbst zugreife, selb­ständig handle u. denke, u. sich seine Rechte nicht von den Pf... beamten aus der Hand winden laße! Die Verfaßung ist nur das Gefäß - den Inhalt muß die Anstrengung, die Arbeit

    der Bürger dazu geben - u.

    oft frage ich mich wohl, ob

    dieß

    bei uns möglich sein

    werde? Wäre es nicht

    möglich, - nun

    dann hätten wir allerdings umsonst geschafft, denn die beste

    Verfaßung von der Welt

    bliebe dann nur eine Perle -

    für die

    Säue!

    Das Volk bilde sich selbst,

    lerne denken, lerne handeln,

    die

    Freiheit dazu ist ihm

    gegeben! Thun Sie in Ihrem

    Kreise das

    Ihrige dazu, - man muß nie

    verzweifeln; denn am Ende

    siegt

    doch der bessere innerste

    Kern über die äußere Hülle,

    weil

    am Ende der Geist des

    Menschen sich doch nicht

    knechten

    läßt.

    Leben Sie wohl - nochmal meinen lebhaften Dank!

    Ihr ergebener

    C. Seyffertitz

    Hoffentlich ergibt sich doch die Gelegenheit, Sie einmal per­sönlich kennen zu lernen; - wenn Sie nach Bgz kommen, besuchen Sie mich doch, ich bitte!

    Carl von Seyffertitz
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 26. Dezember 1867

    Lieber Freund!

    Dein Wertes vom 21. habe ich heute erhalten sowie die Gartenlaube. Ich will mich vor allem dessen entledigen, was mir zumeist am Herzen liegt. - Wenn sich Weiber und Pfuscher beim Schneider eingenistet haben, dann hilft bloßes Predigen allerdings nichts. Da muß man energisch auftreten und mit Gewalt den Damm der Vorurteile brechen. Ich habe anliegenden Brief für den Schneider geschrieben, den Du lesen und dann versiegelt dem Schneider mit dem zuschicken sollst, daß ich ihn in einem Brief an Dich geschickt habe. Dich ersuche ich aber, den Dünser nicht bloß zu schicken, sondern gleich mit ihm zum Bruder zu gehen und auf diese Weise kurzen Prozeß zu machen. Sollte wider Erwarten der Bruder sich weigern, die Hilfe und ärztliche Behandlung des Dünser anzunehmen, so soll er wenigstens die Untersuchung durch denselben gestatten und ihm alles über die Entstehung des Leidens, dessen Entwicklung und die angewendeten Mittel bekanntgeben, damit Dünser mir die Krankenge­schichte und Gutachten schicken kann, um was ich ihn ersucht haben will. Falls er den Bruder nicht in Behandlung über­nimmt, möge er mir auch mitteilen, ob die angediehene Behandlung geeignet ist oder nicht. -

    Was ich über die Leidensgeschichten meiner zwei Brüder hören muß, ist mir Beweis, daß noch viel düsteres Gewölk in Euern Bergen sich lagert, wo man bereits lautere Heiterkeit gewähnt hat. - Die Liebeszeichen werde ich nächstens lesen und freue mich darauf. Um eine Kritik Deines neuen Romans von mir wirst und darfst Du nichts geben, da ich kein Mann von Fach bin und die einschlägige Literatur nicht kenne. - Von dem neuen Vereinsgesetz, von der Anbeiterbewegung in Wien, von den neuen Verfassungsgesetzen wirst Du wohl gehört haben, vielleicht auch von der Aufforderung des Sozialdemokrat an uns. Wenn wir Erlösung wollen, müssen uns diese Dinge nahe anliegen, näher als alles andere. Weil ich gar keinen bezüglichen Anklang in Deinem Brief finde, wohl aber, daß Du vor lauter Literatentum kaum mehr zum Zeitungslesen kommst, werde ich über das in Deiner öster­reichischen Geschichte schon erwähnte Leipziger Literatentum nachdenklich. - Doch diese fliegenden Zeilen sollen dem Bruder gelten, über den ich bald Besseres zu hören hoffe. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund  K. Moosbrugger

    Alles Gute zum neuen jähr!

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 22. Dezember 1867

    Lieber Freund!

    Frohe Weihnacht und ein glückliches neues Jahr! Das gebe Gott Dir, den Deinen, allen die es verdienen - und den Än­dern auch. Mein Gott wie manches ist auch mir, wie wol jedem ganz unverdient geworden! Wenn ich in Gedanken übersehe, was dieses Jahr mir brachte, so kann ich nur der Vorsehung und meinem Freunde danken, und vertrauensvoll der Zukunft entgegensehen. Aber laß michs offen gestehen: Auch meinen Gegnern hab ich manches zu danken. Was sie mir auch immer zu Leide thun mögen, sie sind schlimmer dran als ich, drum wünsche ich auch ihnen, was für sie gut ist, was erst uns allen den Frieden brächte: Geistige Erlösung! Still und ernst schauen die starren Berge auf unsere ver­schneiten Dörfer herab, die augenblicklich nur ein schlechter, kaum gangbarer Weg mit einander und mit der „Welt" zu verbinden scheint. Aber dießmal vermag uns der Winter doch nicht mehr zu trennen. Die Wellen welche der Sturm draußen im Reich aufwirft, schlagen auch an unsere Berge. Unsere Geistlichen selbst öffnen durch ihre Agitation gegen die Reichstagsabgeordneten Thür und Thor der gewaltigen Strömung, die alle Unterschiede der Abstammung, Sprache und Erziehung wegfegt. Bei uns in Vorarlberg vollzieht sich, was fast unmöglich schien. Der Partikularismus dürfte bald ein überwundener Standpunkt sein. Schon jetzt gibt es eigentlich nicht mehr Unterländer u Oberländer Vorderwäl­der und Hinterwälder, Schoppernauer u Schnepfauer, son­dern nur Alte u Neue, Fromme und Freimaurer. Vorletzte Woche wurde ein Hirtenbrief unseres Bischofs verlesen, der noch vor 100 Jahren schreckliche Folgen gehabt hätte. Und doch ließ man die Freimaurer lebendig heim. Nachmittags freilich eilten die Weiblein und auch manches Männlein, um ein Mißtrauensvotum gegen unsern Reichstagsabgeordneten zu unterzeichnen, doch was nützen die Unterschriften von Weibern u Mädchen, wenn der Geist der Weltgeschichte sein Urtheil spricht? Ich glaube, daß uns das nächste Jahr unserm Ziel um einen großen Schritt näher bringt. Nicht die Waffen Garibaldis, geistige Arbeit wird uns von den Banden des Geistes befreien.

    In den bevorstehenden Weihnachtsfesttagen haben wir für den Pabst - die weltliche Herrschaft desselben zu bethen einen Psalter nach dem Ändern drei Tage lang. Ich werde nicht mit thun obwol es so eingerichtet ist, daß man beileibe nicht ausbleiben darf, wenn man keine Unannehmlichkeiten erleben will. Hast du die Liebeszeichen jetzt gelesen. Was sagt Hirzel dazu? Oder was würde er sagen, wenn sie in Buchform erschienen. Ich möchte das gern wissen. Die Redaktion der öster. Gartenlaube berichtet mir, dringend um Ähnliches bittend, daß die Aufnahme allgemein eine sehr günstige gewesen sei. Von reich u arm das nächste Mal; der Both ist da u ich muß schließen. Lebe recht wol, grüße mir alle, die mich noch nicht vergessen haben. Mit herzlichstem Glückswunsch zum neuen Jahr u 1000 Grüßen

    Dein Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 22. Dezember 1867

    Lieber Felder,                                     

    Über vier Wochen hab ich Dich mit Antwort warten lassen, nun sollst Du aber doch wenigstens zu den Festtagen nicht ohne Nachricht sein, wenn sie auch kurz wird, ich bin sehr heimgesucht mit Geschäften (NB. außer dem Wörterbuch), ein halb Dutzend bestellte Bücherbesprechungen soll neben­bei mit fertig werden, und ich bin körperlich einmal recht mitgenommen.

    Bei uns ist in dieser Zeit etwas Großes, Schweres geschehen, das mir bis an die Wurzel meines Daseins gegriffen hat mit übermächtiger Faust: meine gute Mutter ist ~ gestorben!!! Es war am 3. Dec. früh 3 Uhr, als sie nach langen, fürchter­lichen Leiden, nach tagelangem Todeskampfe von uns gieng wunderbare Tage und Stunden, tief erschütternd mit Schmerz und Weh, und doch so groß und weihevoll eben durch den Schmerz, daß ich mich von der Erinnerung daran ungern trenne (was doch die Tagesarbeit gebieterisch in Anspruch nimmt), man war dem Ewigen, dem Lichten, dem Reinen, dem Himmel so wunderbar nahe mitten in diesen Herzens­stürmen. Ich fühlte ganz genau und deutlich, daß ich mit meiner sterbenden Mutter, deren Hand ich stundenlang in meiner hatte, dicht an der wunderbaren Pforte stand, die den Weg in ein höheres, unendlich reineres Dasein öffnet, und ein Streif des Lichtes dort streifte schattenhaft auch meine Seele, so fühlbar, so sicher, daß ich in mir zu sehen glaubte, gesehen habe, am deutlichsten in den bittersten Thränen. Das reinigt die Seele! es hat mich wie durchgefegt, Stückchen für Stückchen, Faser für Faser, daß ich mir wie neu geschaffen vorkam. Ich habe oft an Dich gedacht in den Tagen nachher, Dich bei mir gewünscht, mir wars als wärst Du mein bestes Publicum für solche Reden; doch auch Flügel, Lippold, Meißner haben mich ruhig und verstehend und warm theilnehmend angehört, ich habe recht empfunden was der einzige Kern der Welt ist, Liebe und Güte, Wärme die von Person zu Person geht. Ich möchte Dir schon noch viel davon sagen, wenns nur mündlich sein könnte. Es ist auch eine merkwürdige Ahnung dabei vorgekommen; unsere Christel, die 6 Jahre bei uns gedient hatte und herzlich an meiner Mutter hieng, hat 2 Stunden von hier, ohne von der Todesgefahr zu wissen, im Augenblick des Todes eine An­zeige davon erhalten - Thatsache, nicht Traum! Christel ist nämlich ein tief sinniges Mädchen (meine Mutter war es auch).

    Wir haben übrigens neun Nächte lang bei ihr gewacht, die zwei letzten Nächte ganz. Sie blieb bis zuletzt bei klarem Bewußtsein, aber ganz ergeben und tapfer, von einer unend­lichen Milde und Güte, ich habe sie bewundert, und hab ihr das auch gesagt. Die Leiden waren fürchterlich, wie ans Kreuz geschlagen lag sie vor mir, bis der Friedensengel ins Zimmer kam. Mir fehlt sie aber schrecklich! Erst jetzt fühl ich wie nothwendig sie mir war, wie nahe wir uns standen. Wir sind nämlich nie von einander getrennt gewesen, und standen dabei seit 1850, wo mein Vater starb, in der großen Stadt verwandtenlos allein, bis dahin waren wir drei seit 1833 allein!

    Doch zurück in die Geschäfte dieser Welt, die uns einstweilen noch festhalten sollen. Bei Quellmalz war ich erst gestern. Er war etwas erzürnt über fehlende Nummern in der letzten Sendung, sodaß er die betreffenden Blätter noch immer nicht hat weiter liefern können. Ich bitte Dich dringend, es ist ja auch in Deinem Interesse, auf strenge geschäftliche Ordnung zu denken (wir in Norddeutschland sind das so gewohnt), zunächst die rückständigen Nummern so bald Du kannst her­zuliefern, und überhaupt genaue Regelmäßigkeit der Rück­sendung eintreten zu lassen. Ich habe so meine Freude daran, daß ein solcher Verkehr in solche Ferne möglich ist; wem ich es sage, der bewundert es! thu doch das Deine, daß die Sache nicht aus dem Leime geht. Quellmalzens letztes Wort war, wir müßten es abwarten und sehen, „ob es sich noch einrichtet". Besänftigt hab ich ihn durch Erzählen von Dir, er hat immer noch das wärmste Interesse an Dir. Franz, Franz, sei wieder einmal Dein eigner Senn!

    Vorgestern war ein hiesiger Buchhändler, Alph. Dürr, bei mir und brachte ein Geschenk von einem Frankfurter für Dich, aber ein wunderliches, eine Geschichte der deutschen Schrift! Er sagte selbst, es würde wol mehr für mich passen, und ich sollte es denn lieber selbst behalten. So thue ich auch; wenn Du wiederkommst, kannst Dus ansehen und noch bekom­men, wenn es Dir gefällt. - Ich schicke Dir auch wieder Photographien mit, wie gefallen sie Dir denn und Deiner Frau? Es liegt auch noch ein Blatt in großem Maßstabe bei mir, das sich schlecht versenden lassen wird, Du könntest es am Ende auch einmal mitnehmen, wenn Du wiederkommst. Die Kosten für Dich werden etwa 3 Thaler betragen, Meißner hat alles ausgelegt.

    Von Deinen Liebeszeichen erhielt Hirzel 10 Ex. zugeschickt, ich hab ihm den Sachverhalt nach Deinen Mittheilungen ge­sagt, weiß aber nicht genau, was er nun gethan hat. Gelesen hab ich die Novelle noch nicht wieder, nur drin gelesen und viel Gutes und Treffliches gefunden; wir wollten sie eigent­lich im Club zusammen lesen, sind aber noch nicht dazu ge­kommen, die Nibelungen nehmen uns in Anspruch. Der Club läßt Dich grüßen, er ist in fröhlicher Blüthe. Die Nummer der Feldkircher Zeitung hab ich richtig erhalten und danke, ich fand Deinen Aufsatz gleich heraus, an einigen Zügen war Felder sicher zu erkennen. Es macht mir immer große Freude, von Eurem Lande etwas zu lesen. Jetzt ist übrigens auch die Neue Freie Presse auf dem Cafe National, ich lese sie oft. Felder ist nun Ehemann, ohne Beichtschein?! Sag ihm doch meine besten Glückwünsche, und schreib mir was Ordent­liches von seiner Hochzeit, und von Deiner Abdankungsrede. Ich erzähle den Freunden jetzt noch manchmal von Euch, wozu es vor Ereignissen noch nicht recht hatte kommen wol­len. Aus der Connewitzer Kahnfahrt (so heißt der Ort) müßte sich eigentlich etwas machen lassen, auch aus der Baumsit­zung, in Versen, jenes romantisch ernst, dieses komisch romantisch. Hätt ich nur Zeit dazu, auch in mir regt sich jetzt manchmal das bischen Dichter wieder, noch mehr freilich der Philosoph, der aber auch keine Zeit zum Schreiben, nur zum Grübeln hat. Ich wollte, wir beide könnten einmal etwas zusammen machen! Schreib mir ja von Deinem neuen Ro­man, ich wollte auch ich könnte dabei sein und mein Wört­chen dazu geben. Schaff nur vor allen Dingen die langen Wortreihen ab (wie der nach längerer Abwesenheit in die Heimat zurückkehrende und ungewöhnlich ernst gewordene usw. Schulmeister), die auch im Eingang der Liebeszeichen wieder so störend sind.

    Grüß mir die Deinigen und unsere Freunde, besonders Fel­der, das Döcterle, die Rößlewirthin,

    Dein treuer R. Hildebrand.

    Den Brief aus Halle schick mir doch wieder mit nächstem. ­Bei uns sind alle Köpfe und Herzen voll von unserm Weih­nachten, der Baum steht schon in der „guten Stube" und wird morgen angeputzt. Könntest Du doch dabei sein! ­Glückliches neues Jahr für Dich und die Deinen, was wird es uns als Deutschen bringen? Gutes sicher, zunächst billiges Porto, und Euch tägliche Post.

    Am Sonntag war noch einmal Vogelweide! Dießmal in Schul­pforta, zu einem Schmaus bei Koberstein, wunderhübsch! Auch Deiner wurde gedacht, die Sonderlinge machen die Runde bei den Professoren und gefallen sehr, ich mußte von Dir erzählen. Daß Scheffel nichts verlauten läßt! Du könntest einmal an ihn schreiben (Dr. Jos. Vict. Scheffel in Karlsruhe).

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 21. Dezember 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Es mag Ihnen lange dünken, seit Sie die letzten Zeilen von mir erhielten, und in der That hätte Ihr freundlicher Brief schon lange eine Erwiederung verdient; allein meine achtundzwan­zig wöchentlichen Lehrstunden, die Correktur der zahlreichen Schülerhefte, geschichtliche Vorlesungen in der liebenswürdi­gen Familie Ganahl und manche andere nützliche und ange­nehme Nebenbeschäftigungen nahmen meine Zeit so vollauf in Anspruch, daß ich an einen Briefwechsel, selbst an einen so angenehmen, als der mit Ihnen ist, bis in die Weihnachts­ferien nicht denken konnte, die denn endlich heute zu mei­ner großen Freude angebrochen sind.

    Was soll ich Ihnen nun aber Interessantes berichten? Es gibt dessen hier so wenig, daß meine Verlegenheit keine geringe ist. Der strenge, schneereiche Winter bannt uns in das Haus, so daß ich schon seit Wochen nicht nach Altenstadt, ja nicht einmal nach Tisis gekommen bin. Da wird es bei Ihnen auch nicht sehr tröstlich ausschauen und vielleicht haben Sie sogar Ihre Spaziergänge in das „Rößle" nach Au sistiren müßen. Aber trotz der ungangbaren Steige im Gebirge werden doch, des bin ich sicher, die schwarzen Raben des Rückschritts und der Finsternis neuerdings geschäftig in die Häuser und Hütten des Bregenzer Waldes gedrungen sein, um dort Unterschrif­ten für die clericalen sinnlosen Adressen zu sammeln, die so kopflos abgefasst sind, daß sie hoffentlich das gerade Gegen­theil von dem bewirken, was sie erstreben. Oder wäre es nicht lächerlich, wenn ich mein Zimmer neu ausmalen lassen wollte, um einmal des alten Staubes und Schmutzes ledig zu werden, und mein Nachbar stürzte herbei und bäte mich, doch nicht mein Haus einzureißen? Ich schmeichle mir, Sie seien mit diesem Bilde einverstanden. Hier haben die Herren schlechte Geschäfte gemacht, da sie keinen Mann, der nur einigermaßen einen Namen hat, fanden, der denselben an die Spitze der einzusammelnden Unterschriften gesetzt hätte ­nicht einmal Deisböck. So beschloß man, das radicale Feldkir­cher Nest aufzugeben und sich nicht weiter zu bemühen. Erfreulich ist auch hier wieder die Erscheinung, daß der ältere, reife, einsichtsvollere Theil der Geistlichkeit, den Bischof an der Spitze, sich von der Agitation entfernt hielt, und nur die Hitzköpfe der jungen Brixner Schule diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen konnten, ohne sich zu blamiren. ­Freund Kunz hat schon mehrere lange Briefe geschrieben, die seine Reisebeschreibung und Sittenschilderungen aus dem amerikanischen Leben enthalten. Nächstens wird etwas davon in der Feldk. Zeitung veröffentlicht werden. Er ist gegenwärtig Mitarbeiter beim „Seeboten" in Milwaukee am Michigan-See, Staat Wisconsin.

    Nun genug für heute! Glückliches neues Jahr. Nächstens mehr und hoffentlich wichtigeres. Mit Gruß

    Hermann Sander

    Herman Sander
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
  • 21. Dezember 1867

    Lieber Freund!

    Dein Bruder Jakob hat Dir wohl gemeldet, daß der Zustand des Lehrers sich wieder bessert. Jetzt ist er wieder ganz der alte, dafür aber macht mir der Schneider jetzt mehr Sorge. Ich besuche ihn jede Woche und finde ihn jedesmal schlech­ter. Zuerst brauchte er den Lebenswecker, dann den Doktor von Bizau, einen bei den Weibern beliebten frommen Schwätzer, der ihn überdies viel zu selten sieht und ihn aufs Hörensagen mit einer quecksilberhaltigen Salbe kurieren will. Ich rede ihm zu, unser Dökterle oder einen tüchtigen Arzt zu Rate zu ziehen, doch da predigt man umsonst. Nicht sehen sogar darf ihn unser Dökterle, wie sehr es das auch wünscht. Und da liegt er im Bett, mag nicht schlafen und nicht essen, und wie leicht kann aus der Gelenkentzündung eine Knochen­entzündung werden? Die Krankengeschichte Deines Bruders, hat das Dökterle gesagt, könne es Dir nicht schicken, Du müssest Dich an Leouo Schneider wenden. Dieser behandelt Menschen und Rosse mit dem Lebenswecker, und das Dök­terle hat wegen offenbarer Kurpfuscherei vergebens den Schutz des Gerichtes angerufen.

    Nun aber genug des Unerquicklichen. Kein Wort von der Unterschriftenhetze, über die Du ein Berichtlein in der Feld­kircher Zeitung finden wirst. Die ganze Geschichte lief hier so schildbürgerisch ab, daß ich auch für die Österreichische Gartenlaube einen Artikel zu schreiben gedenke, von dem Du in der Feldkircherin nur einen schwachen Vorgeschmack ge­winnen wirst.

    Die „Liebeszeichen" mitsamt den Druckfehlern wirst Du gleich mit diesem erhalten, doch muß ich Dich um gelegent­liche Rücksendung bitten. Es hat aber nicht so Eile, daß nicht auch Dr. Bickel und allenfalls andere es lesen dürften. Die Redaktion des Blattes ist erbaut von der günstigen Aufnahme meiner Erzählung und bittet dringend um fernere Beiträge.

    In der Antwort erwähnte ich des Romans „Arm und Reich". Er ist wohl zu groß für das Blatt, und es wäre ein Erfolg, wie ich ihn noch nicht erwarten darf, wenn die Redaktion mir den erzählenden Teil des Blattes für länger als ein Vierteljahr ganz allein zur Verfügung zu stellen wagte. Ich habe daher auch die Arbeit nicht angeboten, sondern nur so nebenbei ihrer er­wähnt und gesagt, daß sie mich jetzt ganz in Anspruch nehme, das ist auch wahr, und ich hoffe, daß die so ver­wendete Zeit nicht als verloren betrachtet werde. Die Schluß­katastrophe ist gefunden, d. h. sie hat sich, wie in den Sonder­lingen, ganz natürlich aus dem Erzählten ergeben. Doch ich will Deinem Urteil, auf welches ich sehr begierig bin, nicht vorgreifen, sondern das Ganze ruhig zu Ende bringen und einstweilen Deine Bemerkungen über schon Vollendetes, die Liebeszeichen, erwarten. Mich haben die närrischen Druck­fehler sehr geärgert. Jetzt lese ich in der Romanzeitung eine Arbeit meines Rezensenten Bayer, die etwas Schönes zu werden verspricht. Im übrigen scheint mir das genannte Organ an Bedeutung zu verlieren. Ich arbeite jetzt, seit mir ein Knecht den Stall besorgt, so fleißig, daß ich kaum noch zum Lesen der Zeitungen komme. Trotzdem wird die Neue Freie Presse nicht aufgegeben. Als Rüscher beim Verlesen des Hirtenbriefes auf diese Presse kam, sagte er, „in der auch ich gestanden bin im letzten Sommer". Die Wirkung dieser Anmerkung war ein eigenes Lächeln auf den Gesichtern, die ich zu sehen bekam.

    Von den sechs Männern, deren Namen unter dem gegen die Ausschußwahl eingereichten Proteste glänzten, haben nun zwei die Echtheit jener Unterschriften geleugnet. Daß ich und die beiden Vorsteher die Erklärung nicht unterschrieben, kannst Du Dir denken, wenn auch das Volksblatt zehn Aus­schüsse erwähnte. Auch in Au waren es nur zehn. Kruso Buab und Greber unterschrieben so wenig als der ebenfalls mit­erwähnte Vorsteher von Schröcken. Doch das alles wirst Du in meinem gedrängten Berichte in der F[eldkircher] Z[ei­tung] finden, auch eine Entschuldigung für das Volksblatt, die auch anderes aufdeckt. Du wirst hoffentlich mit mir zufrieden sein, doch erwarte ich das von Dir selbst zu hören, da Du mir doch auch bald wieder schreibst. In Argenau ist eine Vereinssennerei entstanden, die Span­fudler von hier haben nichts zustande gebracht. Jakob soll in Warth die Milch für einen Batzen halb Silber gekauft haben. Der Weg von Schröcken ging erst gestern wieder auf, die Deinen sind mit dem Vieh nach Krumbach. Vom 1. Jänner an haben wir tägliche Fußpost, und unsere Korrespondenz gewinnt dadurch einen neuen Reiz. Der Uhrenmacher macht sich als Ehemann ganz gut und lebt sich immer mehr in unsere Kämpfe hinein. Das gute Einvernehmen Rüschers mit der Kronenwirtin scheint nicht mehr zu bestehen. Der arme Mann hat also nur noch die Niederau und eine gedankenlose Menge. Der Kurat, den ich letzthin besuchte, wollte allen Ernstes behaupten, daß er sich zu hintersinnen beginne. Der neue Kaplan in Au scheint mir neben anderm ein schrecklich oberflächlicher Mensch zu sein, mit dem wenigstens ich nicht gut auskommen würde.

    Herzlichen Glückswunsch zum neuen Jahr und zu Deinem Geburts- und Namenstag. Mögen wir auch anno 1868 endlich das Unsere tun können, uns die Erlösung zu erringen. Lebe wohl!

    Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund     Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Dezember 1867

    Verehrter Herr Professor!

    Ich bitte Sie, die Aufnahme des beiliegenden Berichts über die „Erklärerei" in die Feldkircher Zeitung zu besorgen. Er kommt etwas spät, aber er kommt so schnell es jetzt möglich ist. Vom Neujahr ab werden wir den Genuß einer täglichen Post haben, wodurch dann der dem Abgeschlossenen so wohlthuende Briefverkehr neuen Reiz gewinnt. Den Artikel in der Europa können Sie nun der Schule überlas­sen doch wärs mir und wol auch Ihnen lieber, wenn er an das Museum in Bregenz kommen würde.

    Wie ich leider dieser Tage erfuhr soll mein Artikel in dem Grenzbothen, aus Kunzens Nachlaß verloren worden sein. Ich bitte Sie also, sich darum nicht mehr zu bemühen, mir aber den Brief aus Australien so bald als möglich zu schicken. Was macht Herr Leoni. Grüßen Sie mir ihn herzlich und wün­schen Sie ihm und allen Liechtfreunden in Feldkirch ein glückliches neues Jahr das uns der Erlösung ewas näher brin­gen möge.

    Mit herzlichem Gruß hochachtungsvoll Ihr ergebenster

    Franz M Felder

    Sollte das beiliegende Aufnahme in die FZ finden so bitte ich um 2 Freiexemplare der Nummer.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Hermann Sander
  • 9. Dezember 1867

    Geehrtester Herr Felder!

    Sie werden mir gütigst vergeben wenn ich Sie hiermit schrift­lich Belaste, u. anbei recht freundschaftlich ersuche, mir ein Gesuch um Errichtung einer k.k. Postexpedition für die Ge­meinde Mellau aufzusetzen. Wie Sie wohl noch wissen wer­den, daß wier letzten Sommer über dieses mittsammen gesprechen haben, u. ich Ihnen gesagt, daß wier ein Gesuch Eingereicht haben, u. ich Ihnen das Conzept gezeigt welches gemacht worden nämmlich vom Hr. Vorsteher abgeschrieben worden, u. an das Bezirksamt abgesannt, welches aber leider nie an die Postdirektion gelangt ist, welches mir mein Bruder der bei der Südbahn angestellter ist u. gegenwärtig in Inns­bruck auf dem Bahnhof ist, neulich geschriben, indem er sich an den Hr. Direktor gewendet, (ich habe ihn nämmlich ersucht für mich dieses zu thun) u. denselben gefragt; mein Bruder hatt auch das frühere Gesuch aufgesetzt u. der Vorste­her hatt es nur abschreiben müssen. Der Zweck meines Schreibens ist also; daß Sie meiner Bitte gemäß, mir oder nämmlich für die Gemeinde Mellau, ein Gesuch nach Ihrer Art aufsetzen die Güte haben möchten, indem Sie mir bei Ihrem hier sein u. wo wier über diese Sache gesprochen sag­ten, Sie hätten in diesem Gesuche noch mehr gesagt etc. wenn Ihnen das auch einen Grund gibt, daß ich eine Bade Anstallt errichte etc. so ist es mir auch recht, ich übersende Ihnen die Abschrift von unserem Gesuche damit Sie unsere Gründe ein­sehen. Ich Bitte Sie nochmals recht sehr meinen Bitten bald möglichst zu entsprechen indem es dringend ist dieses Einzu­geben.

    Ich werde Sie gewiß dafür Belohnen.

    Im Falle daß Sie mir dieses nicht thun würden so Bitte ich Sie mir dieses umgehend anzeigen zu wollen, aber jedenfalls hoffe ich daß Beste u. Bitte Sie nochmals unverzüglich an mich zu senden. Übrigens Bitte ich Sie um Verschwigenheit dieses -.

    Mit vollkommener Hochachtung zeichnet

    Caspar Wüstner Bärenwirth.

    Caspar Wüstner
    Melau
    Franz Michael Felder
  • 1. Dezember 1867

    Hochgeehrter Herr!

    Ihren freundlichen Brief beantworte ich mit der dringenden Bitte, uns ja recht bald die versprochenen Skizzen aus dem Bregenzerwalde (die einzelne jedoch nicht über 1U o. Vo Druckbogen stark) sowie die gewissen Enthüllungen über die Ultramontanen zu bringen, welche ich baldigst veröffent­lichen werde. Das Honorar mit Abrechnung des neueingegan­gen[en] halbjähr, des nächst halbjähr. Abonnem. wird Herr Hügel Ihnen im Laufe der nächsten Woche durch Postanwei­sung übermitteln. Für Sie selbst ist es selbstverständlich, da Sie nun konstanter Mitarbeiter sind, daß Sie Ihr eigenes Frei­Exemplar beziehen. Wie innig es mich freut, mit einer so ker­nigen u. so bedeutenden Natur u. Schaffungskraft, welche wie Sie geehrter Herr Alles aus sich selbst gemacht hat, - in Ver­bindung zu stehen, wie wohl es mir wird, Sie als Mitkämpfer in unserem großen Kampfe für Licht u. Recht an meiner Seite zu stehen: kann ich Sie nicht oft u. nicht aufrichtig genug ver­sichern u. bitte Sie daher auch mir Ihre Gewogenheit u. Freundschaft zu schenken. Wir wollen uns gegenseitig fördern, so gut es geht. Fröhliche Weihnachten u. ein glückliches Neu­jahr von Ihrem ergebensten

    Karl Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 28. November 1867

    Lieber Freund!

    Über das Befinden Deines Bruders sind die Berichte noch immer nicht recht ermutigend. Ich glaube, daß ihm eine andere Umgebung und bessere (ärztliche) Behandlung sehr zu wünschen wäre. Auch Pius liegt an einem Fußleiden. Der Doktor von Bizau fürchtet eine langwierige Geschwulst im Kniegelenk und hat ihm gestern Blutegel aufgesetzt. Ich glaube, Jok werde Dir in Beiliegendem Bericht über alles gemacht haben, was die Deinen betrifft, und ich fange daher gleich mit anderem an. Die Adreßlawine kommt allmählich herein. Hier herum machte Schnepfau den Anfang vor vier­zehn Tagen, dann Mellau, Bezau, dort besonders bunt, doch ohne besondern Erfolg. Schoppernau und Au sind noch nicht dran. Auf diese zwei verrufenen Gemeinden wird wahrscheinlich erst das fromme Beispiel wirken sollen. In Bezau ist ebenfalls, wie hier, nur aus ändern Gründen, gegen die Ausschußwahl protestiert worden. Über unsere Wahl, oder doch über dies und jenes, denke ich in der Öster­reichischen Gartenlaube Bericht zu erstatten, wenn ich einmal Zeit finde. Jetzt geht das freilich noch nicht, denn mein Roman, wenn er etwas werden soll, braucht den ganzen Menschen. Das ist auch der Grund, warum ich noch immer nicht an die Gespräche gekommen bin, die sich nicht mit wenigen Federstrichen abtun lassen. Ich müßte mich vorerst wieder in einen etwas ändern Gedankenkreis hineinleben, sollte wohl auch noch manches lesen, damit ich mich so frei bewegte, wie wenn ich in einer gleichsam selbst geschaffenen Welt mich bewege.

    Ich denke, Dir den Roman noch vor dem Frühling zur Durch­sicht übersenden zu können, doch muß ich noch so viel glätten, feilen und ins richtige Licht stellen, daß etwas Bestimmtes sich noch gar nicht sagen läßt. Jedenfalls werde ich etwas freier, sobald ich wenigstens mit dem Entwurf zum Abschluß gelangt bin. Der aber und die Korrespondenz lassen mir jetzt nicht einmal mehr Zeit, ordentlich meine Zeitungen zu lesen. Ich wüßte nicht, wie ich es machen sollte, wenn ich auch noch die Stallarbeit zu verrichten hätte. Für die aber ist zum Glücke der Knecht da, und ich gönne mir zuweilen ein Glas Bier und ein Viertelstündchen zur Erholung. Die Gesellschaft könnte freilich besser sein, das fühle ich seit Leipzig viel schmerzlicher als vorher. Doch das hat wieder das Gute, daß man sich nachher bei seinen Büchern umso behag­licher fühlt.

    Das von Dir Gewünschte schicke ich hier mit Dank zurück. Entschuldige mich, daß ich nicht schon früher darauf gedacht habe. Es gab so viel zu tun, zu sinnen in der letzten Zeit, daß ich manches Nötige nur zu lange liegen ließ. Vielleicht ist es möglich, hier eine Vereinssennerei zu gründen, viel Hoffnung hab ich nicht. Moosbrugger in Schnepfau läßt keinen Schritt des Vereins unbeachtet und unbekrittelt. Der Uhrenmacher ist nun ein Ehemann. Rüscher hat ihm auch nicht ein Hin­dernis in den Weg gelegt. Die Frommen hat das sehr geärgert, denn die scheinen nach ihren Reden weiß Gott was alles erwartet zu haben. Die Liebeszeichen denke ich Dir zu schicken, sobald Pius, dem ich sie zum Zeitvertreib brachte, damit fertig ist. Ich denke, daß er sich dabei nicht übel unterhalten wird.

    Deiner Therese herzlichen Glückwunsch zu Nr. 4. Der Isabell freundlichen Gruß. Strolzo Thresel habe das Haus an den Bruder verkauft und nun habe der mit einer Alberschwen­derin drauf geheiratet. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 27. November 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Unter Kreuzband senden wir Ihnen durch ein Vergessen erst heute Nr. 43 u. 44 mit Ihrer Erzählung „Liebeszeichen". Die Nr. 41 u. 42 sind Ihrem Wunsche entsprechend an H. Hirzel in Lpg gesandt worden und werden Sie dieselben wohl bereits erhalten haben. Sollte es Ihnen wohl möglich sein uns für das erste Quartal 1868 eine „Heimathliche Erzählung" zu senden, denn das „Liebeszeichen" in seiner natürlichen Einfachheit hat allgemein ungetheilten Beifall gefunden. Genehmigen Sie die Versicherung meiner Hochachtung ergebenst

    H. Hügel

    Heinrich Hügel
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 26. November 1867

    Lieber Freund!

    Wenn ich von Mitmenschen überhaupt u. insbesonders von Landsleuten Gutes höre, so nehme ich allzu herzlichen An­theil daran. In letzter Woche kam Hochw. Joh. Alois Zeh, seit kurzer Zeit Kurat von Gortipohl, auf Besuch hieher, er er­zählte mir mit sichtlicher Freude unlängst in Schoppernau in einem freundlichen Gespräche mit Euch nach so ungewöhn­lich schmeichelhaften Lobeserhebungen in der Gartenlaube Zeitung dennoch an Euch nur bewunderungswerthe Haltbar­keit einer edlen Grundgesinnung eines alten Weltweisen wahrgenommen zu haben: nosce te ipsum: Kenne dich selbst. Ja mein lieber F. M.! Die gegenwärtige aller Orten so religiös aufgeregte Zeit erinnert an das, was schon da gewesen, näm­lich an die Zeit des Propheten Elias, der zu dem Volke einen denkwürdigen Ausspruch that. „Wie lange hinket ihr auf bei­den Seiten? Ist der Herr Gott, so folget ihm: ist aber Baal Gott, so folget ihm". 3 Buch der KÖn. Der gute Erfolg, der Ent­schluß, dem wahren Gott treu zu bleiben, hatte sich Bahn gebrochen. Wahrlich das menschliche Herz, sagt der große Denker Augustin, bleibt unruhig, bis es in Gott seinen Ruhe­punkt findet. Viele der von der Welt angerühmten litterari­schen Werken, wenn man sie gelesen, lassen eine gewisse unerklärliche Leere zurück, weil sie mehr im Geiste Baals, als im Dienste des wahren Gottes verfaßt, dem forschenden Geiste nicht die erwünschte Nahrung finden lassen. Gutes Öhl in der Ampel, um das Licht des Glaubens fortwäh­rend brennend zu erhalten, wird Euer lesebegieriger Geist in dem vortrefflichen Werke: „Geschichte der Religion Jesu von L. Grafen zu Stollberg 15 Bände", nicht nur finden, sondern auch mit beseligender Freude bewahren. Zudem bleibt noch das Verhalten des Saulus, nachherigen Paulus, nachahmungswürdig; sein judaizirender Eifer mislei­tete ihn, u. die Gewaltsbriefe des hohen Rathes von Jerusalem trieben ihn noch mehr ins feindliche Lager, Gott aber erbarmte sich seiner u. Saulus befolgte die Mahnung des Herrn - er verrichtete die Religionsübungen - er bethete ­Apostelgeschichte 9.

    Ihr sehet nun, dieß Briefchen ist mit wohlwollendem Herzen geschrieben von Eurem etwas weit entfernten Landsmann u. Nachbar, nehmet es auch mit Wohlgewogenheit auf, es bleibt auch Euer im Gebethe eingedenk

    Pater Albuin c. i. d. Z. Expositur Provis.

     

    Pater Albuin Bischofsberger
    Gargellen
    Franz Michael Felder
  • 21. November 1867

    Lieber Freund!

    Ich bin schon mehrmals um Rückstellung der „Symbolik der menschlichen Gestalt" betrieben worden und nun derart, daß die Rückstellung ohne Verzug geschehen muß. Sei daher so gut, mir dieselbe mit Postwendung zu schicken. Lege auch den mehrfach begehrten Brief von meinem Bruder Jakob, die vorjährige Rechnung betreffend, sicher bei und womöglich die von Dir neuerlich gedruckten Sachen. Ist auch im Bre­genzerwald am letzten Sonntag wegen der ultramontanen „Erklärung" gepredigt und um Unterschriften geworben wor­den? Hier hat man das Spektakel recht aufsehenerregend gemacht. Von den Intelligentem unterschrieben aber die wenigsten. Der neue Aktuar ist sehr strebsam, macht sich fleißig an mich heran, studiert Lassalle, Nicolas etc. und ver­spricht, eine andere Haltung des Volksblattes gegen uns herbeizuführen. Er macht mir schon keine Opposition mehr. Die Abhandlung über Schutzzoll und Freihandel, das Beste, was unsere Zeitungen je schrieben, ist von ihm. Mayer soll so sehr in das Studium der sozialen Frage vertieft sein, daß seine Freunde in Wien über eine große Änderung in seinem Benehmen gegenüber den Tagesfragen erstaunt sind. ­Eben erhalte ich Deinen Brief do. 18. d. Ms. Die psycho­logischen Bemerkungen über den Bruder und sein Weib dürften richtig sein. Das Dökterle soll nur das Gewünschte schreiben. Den Grenzbotenartikel, den mir Grebmer wieder gab, lege ich bei. Der in Feldkirch sei vom Realschuldiener, der dem Hildebrand sich so lästig machte, mit ändern Kunz'­schen Schriften und Zeitungen in einen Käsladen verkauft worden. Warum wollen die Hinterwälder nicht in die Landes­viehassekuranz? Mir scheint dieselbe sich ganz gut zu be­währen. Kühe brauchten im letzten Semester nur 1/2 bis 3/4 Kr. vom Gulden zu zahlen. Allerdings will ich wieder Gölte sein. Ich laß dem Uhrmacher Glück wünschen, der nun mein weitschichtiger Vetter wird. Ist Feurstein in Bezau wieder Vorsteher? Warum hat der Bruder nicht die 100 Fl. erlegt? Schreibe bald und schicke jedenfalls mit Postwendung die erwähnten Sachen. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger Wo sind die Gespräche dran?

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 19. November 1867

    Hochgeschätzter Freund!

    Auf Ihr liebes Schreiben, das ich gestern Abend erhielt, habe ich Ihnen nur mitzutheilen, daß mir Ihre Nachricht von einem Besuche Ihres Freundes J. Natter höchlichst erfreut hat, noch mehr aber daß Sie mir einige Produkte Ihres Geistes übersen­den wollen. Wenn Sie mir zu den „Sonderlingen" auch noch Ihr erstes Werk das „Schwarzokaspale, Lindau 1863" und Ihre „Liebeszeichen" in der östr. Gartenlaube auch noch zum Lesen leihen würden, so wäre ich Ihnen sehr zum Danke ver­pflichtet. Ich werde Ihnen dann das Überschickte schon wie­der per Post zurückschicken. Ich bin sehr gespannt darauf, von Ihrem Freunde etwas Näheres über Ihr Alter, Familie, Hei­math u. Verhältnisse von einer sichern Quelle zu hören. Ich erwarte daher Ihren l. Freund jeden Tag u. gebe Ihnen daher meine nähere Adresse hier an, indem ich in der Nähe des Lan­dungsplatzes wohne u. er nicht den unnöthigen Weg in die Kgl. Werkstätte hinaus mache. Verzeihen Sie meine schlechte

    Handschrift, ich schrieb diesen Brief diesen Mittag zwischen

    12 u. 1 Uhr u. muß jetzt wieder auf die Arbeit.

    Es grüßt Ihnen freundlichst

    Ihr aufrichtiger Freund u. Verehrer

    Fr. Riedlin Schlosser

    wohnhaft bei Alois Schmidberger am See in Friedrichshafen.

    Friedrich Riedlin
    Friedrichshafen
    Franz Michael Felder
  • 18. November 1867

    Euer Wolgeboren!

    Möchten E.W. doch nicht zürnen, wenn abermals von mir ein schreiben Ire zeit und aufmerksamkeit in anspruch nimmt, möchten Sie des absenders nur nicht als eines unabläßig zudringlichen gedenken, denn gerade dießbezüglich mich zu rechtfertigen, wage ich noch einmal die feder zur hand zu nemen. Ich fürchte höchlich, auf eine mir annoch rätselhalfte weise, E.W. durch mein letztes schreiben, das auf Ire freundliche einladung hin entstanden, beleidigt zu haben, es muß in demselben etwas mir verborgnes enthalten sein, das gewiß ganz wider meinen willen ein mißverständnis oder dgl. veranlaßte, denn ich kann mir nicht vorstellen, daß jene ungeheuchelten worte auf eine andre art mir die freude u. ere Irer correspondenz entzogen hätten. Die ermunterung von Irer seite war eine so liebenswürdige, der sich unmittelbar darauf darbietende gegenstand, die Sonderlinge, so bedeu­tend, daß ich allerdings diese einladung vielleicht in zu ausge­dentem maße benützte, - aber wenn auch! ich kann mir doch durchaus nicht einbilden, daß dieses, verursacht durch die warhaftig echte freude meines herzens, - beleidigen könne. Hätten E.W. meine engbeschriebenen seilen gar nicht berücksichtigt, es wäre inen nichts unverdientes widerfaren, aber ein paar worte hätte ich doch gerne als antwort empfan­gen. Sollte aber trotzdem in warheit etwas sich eingeschlichen haben, was meine befürchtung erfüllt, so bitte ich nur, daß mir E.W. doch anzeigten, ob ich so unglücklich gewesen oder ob ein anderweitiger umstand an allem Ursache sei.

    Denn möglicherweise tragen äußere verhältniße die schuld. Ich sendete das schreiben im Juli ab, nach Schoppernau, und erfur erst später, daß E.W. um diese zeit sich in Leipzig befanden, so erzälte mir herr ritter von Bergmann. Ist dem nun also, so bitte ich es mir zu schreiben, wäre jenes die ver­anlaßung, so würde ich E.W. nach dieser Verständigung nicht wieder belästigen, versichere aber im vorhinein, daß ich einen derartigen zufall, - denn nichts andres könnte es sein! - aufs tiefste beklage. Ich zeichne hochachtungsvoll

    Albert llg.

    Albert Ilg
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 18. November 1867

    Lieber Freund!

    Deine Schrift über Unterricht im Deutschen hab ich endlich erhalten und mit wahrem Vergnügen gelesen. Wohl kaum ein Lehrer empfindet die Wahrheit Deiner Darstellung leb­hafter als ich, der nie in der Schule, sondern nur aus Büchern deutsch lernte. Bei uns, d h im Bregenzerwalde spricht der Schüler gerade so wie zu Hause, wenn sichs nicht ums Her­plappern auswendig gelernter Sätze handelt. So entstanden hochdeutsche Sätze wie: „Es blühen Rosen an einer Lanze" und noch närrischeres Zeug. Und mir gab sich, wol weil ich auch zu viel mit dem Auge lese, zuweilen der unnatürlich lange Wielandische Satz den ich mir aber schon etwas ab­gewöhnte, seit ich auch Deutsch reden hörte. Ich danke Dir für diese Arbeit, die gewiß vielen eine Wohltat wird und drücke Dir im Geiste herzlich die Hand. Der Uhrenmacher wurde gestern durch Herrn Rüscher das erste Mal von der Kanzel als Hochzeiter verkündet mit Ma­riann Muxel dem Kinde eines Handelsmanns, einem ordent­lichen Mädchen in seinem Alter zu dem ich ihm mit Freuden Glück wünsche du glaubst gar nicht, was alles angewendet wurde, um dem Mädchen seine Neigung auszureden. Über­haupt sind jetzt die Betschwestern unermüdlich thätig, wenn ein Freund oder Verwandter von mir sich verehlichen will. Nur die Kronenwirthin ist den Frommen untreu geworden und hat erzählt, es sei ihr von den Frommen gesagt worden, sie sollte dem Uhrenmacher und mir und ähnlichen gar nichts mehr zu trinken geben. Also auch aushungern wollten sie uns, da ists am Ende ein Glück, daß der Uhrenmacher in die Verwandtschaft eines Müllers, eines Bäckers und eines Fuhr­manns heirathet. Die wird uns doch nicht ganz verlassen. Aber daß die entlehnten Zeitschriften noch nicht in Leipzig sind, ist mir unerklärlich. Ich habe sie schon im September zur Beförderung an Stettner geschickt und werde noch heute an ihn schreiben. Ich möchte nun einen Vorschlag bringen, der solche Zwischenfalle unmöglich machte. Herr Märkert erlaubte mir, „Daheim", das „deutsche Museum", die „Europa" zu behalten. Wie war es, wenn er mir künftig nur noch diese Blätter zuschickte und vielleicht auch die Roman­Zeitung wenn er auch diese an mich verkaufen könnte. Ich bitte dich, mit ihm davon zu reden ihm auch mein Bedauern über den Zwischenfall auszusprechen und die Versicherung, daß ich das Fehlende auf meine Kosten schicke, wenn es nicht gleich kommt oder schon dort ist. - Und nun, um gleich mit allem aufzuräumen, auch von einem ändern Zwischen­fall. Ich dingte mir von den Liebeszeichen 10 Freiexemplare aus wovon 2 (eins für Dich u. eins für ihn) an Hirzel gesendet werden sollten. Nun wartete ich immer auf meine Exemplare und warte noch, da doch vielleicht die Redaktion das Ver­sehen noch gut machen wird. Ich bin begierig, was ihr zu der Erzählung sagen werdet. Übrigens denke ich mich in Zukunft an die österreichische Gartenlaube zu halten. - Jetzt freilich bin ich ganz bei „Arm und Reich". Ich wünschte dich oft neben mich - nicht nur um dir aus der Erzählung vorzu­lesen, sondern um mit Dir über so viel wieder zu reden. Es ist jetzt hier merkwürdig kurzweilig. Die Frommen haben wirklich sich gegen das Wahlergebnis an die Statthaftere! gewendet, weil eben mit mir die beiden Vorsteher und noch 4 meiner Anhänger gewählt wurden, während sie gegen uns 7 nur 5 in den Ausschuß brachten, also von den Freimaurern immer überstimmt sein werden.

    Unsere Frommen haben eigentlich recht: Das wird einmal ein rechtes Freimaurerfest sein. Meine hiesigen Freunde wer­den sich versammeln und auch die Fernen werden uns gei­stig gegenwärtig sein. Von der Abdankungsrede werde ich Dir berichten. Vielleicht ist auch der Wackere, Herzog, dabei, dessen Photographie ich Dir noch schicke. Den Rüscher be­halte nur mit gutem Gewissen, ich habe hier ja oft genug Gelegenheit, ihn zu sehen. Jetzt hat er endlich unsere Leih­bibliothek durchgesehen und eine Abschrift des Verzeich­nisses der Bücher mitgenommen, vermuthlich für den Dekan. Doch nun hast Du mein Geplauder über solche Kleinigkeiten wol satt. Das nächste Mal berichte ich Dir von meinem Ro­man und was die Statthalterei zu dem Protest sagt für den man nur durch Betrug eine genügende Zahl von Unterschrif­ten gewann. Lebe wol und grüße mir die Deinen und alle Lieben dort

    Dein Freund Felder.

    Ich vergaß Dir zu sagen, daß man ein dickes Weib oder Mädchen eine Knutte, a Knutt nennt.

    Der Uhrenmacher hat übrigens noch nicht gebeichtet, wol aber einen Beichtschein zu bringen versprochen. Pfarrer Rüscher soll „mit den Feldern keine Händel mehr wollen um nicht wieder in allen Zeitungen herumgeschleppt zu werden". Der Uhrenmacher war am letzten Freitag im Pfarrhof und bekam kein böses Wort. Wir warteten im Bräuhaus auf ihn wo wir den aus der Fremde gekommenen Lehrer be­grüßten. Wieder saßen unser sieben beisammen, wie im Frühling vor der Flucht an dem Abende, an welchem der Pfarrer die beiden Vorsteher fortgejagt hatte. Wir hatten uns viel zu erzählen. Ich gedachte auch der herrlichen unvergeß­lichen Kahnfahrt von Kunewitz bei Mondschein und Gesang, wir ließen die Freunde in Leipzig und Dich besonders hoch leben und nebenbei unser Brautpaar.

    Jetzt lese ich Immermanns Münchhausen, welchen sich der Uhrenmacher anschaffte, doch werden wir fast jeden Abend von Besuchern gestört. Hoffentlich finde ich mehr Zeit, wenn einmal der Schnee die Wege bedeckt und jedermann ein­sperrt.

    Kurzweilig ist hier auch die Bewegung für und gegen das Konkordat. Man predigt, man sammelt Unterschriften von Leuten die nicht wissen was sie thun und die armen abhän­gigen Schullehrer sind wahrlich schlimm dran. Unsere Zei­tungen sind jetzt sehr interessant und ich hätte Dir sie schon oft zuschicken mögen. Doch Dir geht das nicht so nahe wie uns und es fehlte dir die Zeit zum Lesen. Meinen Tannberger Artikel in der Feldkircher Zeitung aber hab ich dir denn doch zuschicken lassen. Du wirst ihn doch erhalten haben. Seltsam war mirs, daß Dein Brief der Geschichte, die hier viel Aufsehen machte mit keinem Worte erwähnte. Kunz ist, wie mir Professor Sander von Feldkirch schrieb, nun glücklich bei seinem Bruder in Amerika angekommen. Sander sprach sich mit warmem Lob über Deine Schrift aus. Er und die ändern Feldkircher lassen Dich herzlich grüßen. Ists nicht eigen, wie viele Bande Dich schon an unsern Erdwinkel fes­seln möchten? Ich habe Dir ja schon über so viel zu berichten als ob Du ein Landskind wärest. Und das bist Du auch denn wir sind Deutsche.

    Von Leipzig ist mir der Aushängebogen des Brockhausschen deutschen Sprüchwörter Lexikon mit einer gedruckten Ein­ladung zur Mitarbeiterschaft übersendet worden. Ich habe noch nicht geantwortet und weis überhaupt noch nicht was ich thun will und wozu mir Zeit bleibt. Von der Sammlung in Wien höre ich kein Wort mehr, seit Dr Leitner, den wir mit seiner Frau in Schröcken trafen, nach Kitzbichl versetzt ist.

    Am nächsten Montag den 25 d ist der Katharinenmarkt in Au

     

    Tag des Schreckens und der Trauer Dessen mancher

    arme Bauer Nur gedenkt mit Schreck und Schauer

    Denn an den Kathrinentagen Werden Bücher

    aufgeschlagen Wo die Schulden eingetragen Was die

    Väter einst verbrochen Jetzt an Kindern wirds

    gerochen Fünf Procente sind versprochen,

     

    Auch ich werde Zins zahlen müssen, aber der Tag wird mir doch nicht so traurig und kalt sein, wie sonst. Ist es doch des Uhrenmachers Hochzeitstag, wenn alles ordentlich geht.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 18. November 1867

    Lieber Freund!

    Der Umstand, daß erst jetzt wieder ein Schreiben einläuft, läßt Dich wohl erraten, daß der Zustand Deines Bruders sich schon wieder besserte. Nach meiner Ansicht entstand das Unglück nur aus der Wahl - obwohl ihr Ergebnis vorauszu­sehen - und aus der Eigenheit des Lehrers. Er ist nie gewohnt, selbst einzugreifen, er konnte nur sparen und ruhig bleiben. Das und, wie Du richtig bemerkst, seine Strenggläubigkeit machten ihn mutlos und unfähig zu kräftigem Eingreifen, zu raschem geistigen Geben und Aufnehmen. Dazu kam noch das dumme Gejammer seiner geizigen, in jeder Weise ge­meinen Frau, die als echte Argenzipflerin nur sparen und behaglich leben will. Hiefür nur einen Beweis. Dein Bruder sagte nach der Wahl in seiner Aufregung zu denen, die ihm ein halbes Fuder zürn Teil ungeordneter Schriften und Bücher brachten: Ich verkaufe alles und ziehe ans Ende der Welt, denn die Verantwortung könnte ich nicht ertragen, wenn mir die Arbeit auch nicht am Hausen hinderlich wäre. „Mei­netwegen", sagte das Weib, das, wie auch hier ganz richtig bemerkt wird, da tröstend und aufrichtend hätte eingreifen sollen mit zarter Hand, „meinetwegen kannst du deine Sache verkaufen und gehen, ich mache das nicht mit." Und hier, in der aus der Geldheirat und dem ewigen Dulden erwachsenen Jammerbrühe, liegt nach meiner Ansicht die Quelle des Unglücks, hier auch der Grund der tiefen Reli­giosität, in die er - versank, und die sich, sobald er mit Gewalt gleichsam gehoben wurde, wie ein Kleister um ihn legte. Seit unser Dökterle das Fortnehmen der Schriften und die Entfernung des stolzen Vorsteherbaums verordnete, geht es wieder besser, und das Weib, das früher seine Pflicht wohl nicht erfüllte, ließ nun zum Überfluß noch einen Schneider kommen, der ihm den Lebenswecker aufsetzen mußte. Ich freilich würde ihm lieber zuweilen Gesellschaft und auf den Abend ein Glas Wein empfehlen, damit auch der noch sehr fehlende Schlaf ihn wieder erquickte. Er ist nun wieder nach Ohna gezogen, und zwar mit großer Freude. Und die zweite Wahl wird auf den Tischler oder noch eher auf Greber in Argenau (den Bezauer) fallen. Hier konnte noch nicht gewählt werden, weil die Entscheidung der Statthalterei noch nicht „herabgelangte", unterdessen haben wir es los­gekriegt, daß der Protest auch noch falsche Unterschriften hat, wenigstens eine, von der der Genannte gar nichts wußte. Die narrischen Artikel der Landeszeitung sind vom Kreuzwirt in Schwarze n berg. Er ist jetzt übrigens ein ganzer Stock-Ultra­montaner und immer wunderlicher. Hier herum, bei uns noch nicht, liegen die Adressen für das Konkordat vor, die das liebe Volk unterzeichnet. Schnepfau scheint vorangehen zu müssen, wie der Uhrenmacher berichtet, der gestern mit seiner Braut die erste Hochzeiter reise nach Bezau machte.

    Ja, er wurde gestern verkündet, und zwar ohne Widerrede, da Rüscher, der meinen Grenzboten-Artikel kaufte, nun mit den Feldern nichts Ungerades mehr zu tun haben will. Wo ist doch der Artikel, hat ihn Grebmer wieder gebracht? Ich bitte, ihn mir zu senden, den von Feldkirch hab ich auch noch nicht.

    Die Freiexemplare der Liebeszeichen sind aus Versehen nach Leipzig gewandert. Jetzt noch hab ich nur eins da, um mich einstweilen über die vielen, später allerdings berichtigten Druckfehler zu ärgern, mit denen es dieses „österreichische" Blatt überhaupt gar nicht so genau zu nehmen scheint. Daß die Hinterwälder nun eine eigene Viehassekuranz gründen, hast Du wohl schon gehört. Uns aber will auch diese nicht gefallen, besonders das Galtvieh wird gar zu arg mitge­nommen. Arm und Reich wächst, aber früher als dieses Kind meiner Phantasie wird wohl ein anderes von mir - erscheinen, für welches ich Dich zum Götte bitten möchte. Eine gelehrte Frau, Tochter des Literaten Koberstein in Berlin, macht mir den Antrag, den nächsten Sommer bei ihr und ihrem Manne, dem Augenarzt, von dem ich Dir sagte, zu verbringen. Davon läßt sich noch reden, heut aber muß ich noch Briefe schreiben. Die tägliche Post beginnt mit 1. Jänner 1868. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 14. November 1867

    Sehr geehrter Herr Professor!

    Ihr so freundliches Schreiben hab ich letzten Sonntag erhalten und mit Freuden gelesen. Es war mir lieb, wieder einmal etwas aus dem Kreise zu hören, in dem ich so schöne Stunden erlebte. Freund Hildebrand bedauerte schmerzlich, Sie nicht zu treffen, und noch in den letzten Stunden hat er mir einen herzlichen Gruß „an alle die Wackern, die wir in Feldkirch besuchten und besuchen wollten", übergeben. Bei jenem Besuche überließ ich Kunzen den Grenzbothen Artikel zur Durchsicht und in Leipzig sagte er mir, daß Sie oder Herr Prof. Nachbaur ihn mir zurückgeben würden. Das war der Grund daß ich ihn so kurzweg forderte. Mit Hildebrands Schrift hab Ich auch Ihre werthen Beilagen erhalten, für die ich mich einstweilen herzlich bedanke.

    Den Tannberger Artikel in der Europa würde ich Ihnen mit Freuden überlassen, wenn es nicht das einzige Exemplar wäre, welches ich besitze. Doch warten Sie noch mit der Übersen­dung: ich kann mir vielleicht von Leipzig Eins für mich bekommen.

    Auch die in der österreichischen Gartenlaube erschienene Erzählung Liebeszeichen könnte ich Ihnen später übersenden, wenn Sie dieselbe noch nicht gelesen haben. War das aber schon der Fall, so ärgerten Sie Sich gewiß mit mir über die vielen unsinnigen Druckfehler. Dem, der da die Corectur las, hätte Freund Hildebrand wegen allzuängstlicher Genauigkeit keine Predigt halten müssen, wie eine für die Setzer in seiner Abhandlung steht. Ich hatte meine Freude an der kleinen ein­fachen Erzählung, bis ich sie gedruckt sah. Über die Auf­nahme derselben hab ich noch nichts erfahren. Mehr aber wundert mich, daß die neue Presse über die Sonderlinge kein Wort verliert, während im Norden selbst das Magazin f. d. Literatur des Auslands des Werkes in freundlichster Weise gedachte.

    Hier hat der Winter dem Herbste recht läppisch ins Handwerk gegriffen. Ihr ergebener Freund sitzt in seinem Zimmer einge­schneit und arbeitet an seinem neuen Roman, neumuthig durch die freundliche Aufnahme seiner frühern Versuche. Ich vermisse hier oft Gesellschaft und manches andere, aber ich habe nun doch Freunde gefunden, an die ich schreiben darf. Zu diesen zähle ich mit Freuden auch Sie, und erlaube mir Sie zu bitten daß Sie meine Einsamkeit gelegenheitlich einmal wieder mit Nachrichten aus dem lieben Feldkirch beleben und erfreuen.

    Leben Sie recht wol und grüßen Sie mir den werthen Kreis von damals

    Mit Gruß und Handschlag Ihr ergebener

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Hermann Sander
  • 13. November 1867

    Lieber Freund!

    Vor allem möchte ich die nähern Umstände des Unfalles meines ältesten Bruders erfahren. Wann war die Vorsteher­wahl, traf ihn die Wahl ganz unvorbereitet, welchen Charak­ter zeigte seine Krankheit, wer behandelt ihn, mit was be­schäftigt sich sein Gemüt und seine Vorstellungskraft etc.? Wenn die Vorsteherwahl Ursache seiner Krankheit ist, was ich allerdings für möglich halte, dann fällt die Schuld seiner Krankheit nicht auf ihn, sondern auf die mangelhafte Aus­bildung seines Gemütes, infolge welcher das, was man „Mut" heißt, gar nicht entwickelt wurde. Er steckt zu tief in der dort üblichen Religionsmethode, die jede kräftige Gemütsent­wicklung hindert und unterdrückt. Er ist ein Mann von sehr kräftigen Naturanlagen, der unter günstigen Verhältnissen tüchtig geworden wäre. Ich bin geneigt, Eurer Religionspraxis seinen Unfall zuzuschreiben. Indessen bitte ich um baldige ausführliche Nachricht, und es wäre mir sehr erwünscht, wenn mir der behandelnde Arzt über die Krankheit und deren Verlauf Auskunft erteilte. Jedenfalls zeige mir an, wer ihn behandelt, und wenn Du den Arzt triffst, sage ihm, daß er mir auf meine Rechnung Krankengeschichte und sein Gutachten schicken möge. -

    Im übrigen ist mir Dein Schreiben sehr erfreulich und wünsche, daß in Deinen Kämpfen und Bestrebungen Mut und Kraft in gleichem Grad wie Einsicht und Gestaltungssinn Dir zu Gebote stehen. Mut und Vertrauen auf die gute Sache, die man vertritt, ist die Grundbedingung des Erfolges. - Ich freue mich auf die Liebeszeichen, von denen ich hier noch nichts gehört habe. Wie steht es mit den Gesprächen? Diese sollten denn doch auch von Stapel gehen. - Die heurigen Gemeindewahlen sind auch hier mitunter interessant, so z. B. wollte ein Vorsteher im Walsertal mit Gewalt wieder Vor­steher werden. Was tut er? Er läßt keine Stimmzettel zu, sondern öffentlich, wie früher, wählen und nimmt auch gleich die Vorsteherwahl vor, wobei er auch wirklich Vorsteher wird. Natürlich wird alles für null und nichtig erklärt. - Der im Lande durch die Verfolgungen der Feldkircher Zeitung wohl bekannte Dr. Thurnher, Korrespondent des Volksblattes, ist nun statt des Dr. Grebmer, der nach Meran übersetzt wurde, hier und ist eine nicht uninteressante Persönlichkeit. ­Am 29. v. Ms. hat mich die Lisel wieder mit einem Kind beschenkt, das ich im Unmut, es nicht „Martin" taufen lassen zu können, „Martina" heißen ließ. Baldiges Schreiben erwartend, mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger Alles gesund.

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 11. November 1867

    Lieber Freund!

    Ich beginne heute mit dem Wahlberichte und vermutlich komme ich nicht darüber hinaus, da wir jetzt nur noch in den Wahlen lebten und webten. In Schröcken glänzender Sieg der Neuen und Jochum Wirt ist Vorsteher. Auf Krum­bach kann ich nicht bestimmt sagen, welche Partei siegte, obwohl ich verbürgt mitteilen kann, daß dort Dein Bruder Jakob zu vorsteherlichen Ehren befördert wurde. Nun kom­men wir nach Schoppernau, wo ich schon nicht mehr gar so schnell, ja wo ich heute mit dem Wahlberichte noch gar nicht fertig werde. Die Frommen wollen nämlich die ganze Wahl umstoßen und haben sich bereits an die Statthalterei ge­wendet. Jeder Wälder läßt sich die Sache gern genau erzählen, und ich glaube, daß auch Dir ein genauerer Bericht nicht unwillkommen sei.

    Den Wahlvorgang leiteten außer mir und den beiden Vor­stehern zwei Fromme, nämlich der Rößlewirt und der Armen­vater. Beim Abschreiben der Stimmzettel fanden sich Namen ohne beigefügten Charakter, die in der Gemeinde mehrfach vorkommen. Zuerst ließen wir Vermutungen gelten, als es aber immer bunter wurde, konnten wir solche Namen gar nicht mehr gelten lassen. Nun trat der Erath auf, von dem Dir schon mein Nachbar erzählte (wegen seinem Prozeß, der jetzt beendet ist), und Erath sagte: Er könne es beeidigen, wer mit den Namen gemeint sei, denn ihrer mehr als zwanzig hätten sich zusammengetan und verabredet, Männer zu wählen, die zum Pfarrer hielten, keine solchen -. Erath wollte nun die zwanzig oder mehr als Zeugen holen, der Vorsitzende aber betonte die geheime Abstimmung, und die Sache ging nun ihren Gang. Durch das Fallenlassen unbestimmter Namen fielen im dritten Wahlkörper der fromme Rößlewirt und sein halbverrückter Bruder durch, also zwei Männer, die keine Aussicht hatten, von den geistig etwas höher stehenden Wählern des zweiten und ersten Wahlkörpers noch gewählt zu werden.

    Das gab den ersten Grund der Protestation, der zweite war, daß auch der 21jährige, vom Vormund aber bevollmächtigte, Josef Natter zur Abgabe des Stimmzettels gelassen wurde. Er stand auf der Wahlliste, ohne daß vorher jemand etwas ein­zuwenden wußte, so lange die Frommen ihrer Sache sicher zu sein glaubten. Und erst noch eine Klage über uns!!!

    Die Genossenschaft Hinterberg hatte den Mitbesitzer Kaspar Oberhauser bevollmächtigt, der zwar noch nicht von seinen Geschwistern teilte, den aber viele in den Ausschuß zu wählen wünschten. Er wurde auch wirklich vom ersten Wahlkörper gewählt. Außer diesem ist neu der Bruder des Kronenwirts, Bernhard Moosbrugger. Durchgefallen sind Kaspar Muxel und der Rößlewirt. Meine Partei wäre also jetzt entschieden die stärkere. Aber das konnte man so nicht gelten lassen, und am vorletzten Samstag lief der Vorstehung ein der Statt­halterei „unterzubreitender" Protest ein, derselbe ist unklar, unwahr und leidenschaftlich abgefaßt, so daß wir ihn nur mit einem genaueren Berichte abgehen lassen zu dürfen meinten. Ich führe nur einige Stellen des Protestes an, die das Vorgehen der Leute zeichnen und wohl auch auf den Schreiber resp. Verfasser schließen lassen: „Die Unterzeich­neten sehen sich in die unangenehme Notwendigkeit ver­setzt, Protest einzulegen, weil die Stimmzettel, welche die Namen N N N N enthielten, wegen Undeutlichkeit nicht an­genommen worden sind.“ Und so eine Unwahrheit nach der ändern. Ist das nicht interessant? Und auch den Oberhauser wollen sie nicht gelten lassen, und Natter soll gar nicht stimm­fähig sein. Unterzeichnet sind sechs Männer, die der Sache einen mehr als lächerlichen Anstrich geben, denn die Leiter haben sich gehütet, ihren Namen zu nennen. Kurz, Du kennst die sechs vom Schnapstisch aus den Sonderlingen, das Weberle und den Hansmichel u.s.w.

    Diese Geschichte hat das Gute, daß nun hier die Parteien im offenen Kampfe gegenüberstehen. Es ist oft recht kurzweilig, wenn man sich's nicht allzu sehr zu Herzen nimmt. Im Früh­ling hätte ich dieses Treiben nicht mehr ausgehalten, jetzt macht's mir manchen Spaß, und meine Freunde sagen, ich habe nie so munter ausgesehen wie seit Leipzig. Ich arbeite jetzt fast nur noch im Stüble, seit ich einen Knecht anstellte, dem ich leichter Kost und Lohn verdienen, als seine Arbeiten verrichten zu können meine.

    So wächst denn das Manuskript des neuen Romans allmäh­lich zu einem hübschen Stoß. Ich hoffe, daß Dir und manchem wackern Freund diese Arbeit Freude machen werde. Diesen Winter kann sie fertig werden, wenn ich auch nebenbei Kleineres vollende, wie etwa die Liebeszeichen, die nun erschienen sind. Hast Du noch nichts darüber gehört? Mich ärgerten die vielen Druckfehler, die aber zum Glück so sinn­los sind, daß jeder sie gleich bemerken muß. Ich werde Dir ein Exemplar zuschicken, sobald ich mehrere besitze. Daß ich die Tannberger Hochzeit von Luger Schmids Babel in die Feldkircherin gab, wirst Du in Ordnung finden. Ich erhielt gleich darauf von Sander einen netten Brief, in dem er mir u. a. auch die günstige Aufnahme meines Grenz­boten-Artikels in Innsbruck meldete. A[dolf] Pichler soll sich sehr günstig darüber ausgesprochen haben. Könntest Du ihn mir nicht wieder schicken?

    In Au haben die Sonnseitler nicht einen Mann in den Aus­schuß gebracht. Dein Bruder, der Lehrer, wie er sich auch wehrte, wurde zum Vorsteher gewählt. Leider hielt er die Sache für zu wichtig und sich zu schwach. Es kam über ihn, daß er sich beinahe hintersinnte und ihm gestern, wo seine Krankheit sich deutlich zu zeigen begann, vom Ausschuß alles abgenommen wurde. Es wird nun neu gewählt werden, und ich hoffe, Dir bald die Genesung des Bruders melden zu können. Schon nachmittags (ich war in Au und wollte ihn besuchen, was mir aber ausgeredet wurde) soll er ziemlich ruhig gewesen sein, und man hat allen Grund, das Beste zu hoffen.

    Daß aber die Sache ihn so aufregen konnte, ist mir erklärlich, und ich sorge nicht, daß ihm etwas zurückbleiben werde. Sei auch Du ohne Sorgen und denke Dir alles in Ordnung, wenn ich auch nicht gleich mit dem nächsten Posttag (Sams­tag) wieder schreiben sollte.

    Ich hoffe, recht bald ein Schreiben von Dir zu erhalten. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 10. November 1867

    Hochgeehrtester Freund!

    Schiller sagt in seinem Lied „an die Freude": „Wem der große Wurf gelungen, eines Freundes Freund zu sein!" und in der That nur derjenige der einen wahren, aufrichtigen Freund u. Theilnehmer an seinem Geschicke, an seiner Seite hat, kann den Sinn u. die Tiefe der Empfindungen dieses gefeierten Dichters ganz ermessen.

    Einen solchen Freund aber hatte ich schon längst nicht mehr, bis mir das Schicksal (oder anders gesagt: meine Zudringlich­keit?) Sie, hochgeschätzter Freund, zuführte. Ach! wie oft erinnerte mich Ihre mir so liebe Photographie welche ich in meinem Zimmer eingerahmt aufgehängt habe, daran, Ihnen doch einmal etwas Näheres über meine hiesigen Erlebnisse u. Eindrücke mitzutheilen.

    Doch vor Allem gestatten Sie mir, mich über Ihr Befinden zu erkundigen. Sie schrieben mir Mitte Juli, daß Sie im August, eine Reise nach Leipzig machen werden. Nun wie ist es Ihnen auch dort ergangen in dieser Metropole deutscher Wissen­schaft und kamen Sie wieder wohlbehalten bei den lieben Ihrigen an?? In der „Memminger Zeitung" las ich öfter von Ihnen (im Abdruck aus der A. Alg. Zeitung), seit ich aber hier bin, höre ich gar nichts mehr von Ihnen. Das hiesige Blatt ist zu ultramontan um von freiheitlichen Bewegungen eines Nachbarstaates zu reden u. „Die Gartenlaube" hatte ich nicht mehr das Glück in meine Hände zu bekommen, trotzdem ich alles versucht hatte. Ja wenn ich auf der Post den ganzen Jahr­gang 1867 abonnirt hätte, aber das war mir zu kostbiellig und so kam ich nicht weiter als bis zu Nr. 24. In den „Deutschen Blättern", Beilage zur Gartenlaube, fand ich im Inhaltsver­zeichniß „Die Sonderlinge". Leider bekam ich sie nicht zu lesen, weil wir die Blätter nicht mitabonirt hatten. Ach wie gerne möchte ich einmal ein Werk aus Ihrer Feder lesen, aber es bleibt eben bei meinem aufrichtigen Wunsche, denn die Mittel zur Anschaffung eines solchen, fehlen mir leider auch hier. Wie geht es Ihnen in Ihrer Heimath, haben Sie Ruhe vor den Priestern? und sind Sie gesund? Beehren Sie mich doch auch einmal wieder mit einem schritlichen Zeichen Ihrer Gewogenheit und Wohlwollens. Nun kommt meine Wenigkeit.

    Am 23 Juli begann meine Arbeit in der hiesigen kgl. Maschi­nenwerkstätte. Vom 3ten Tage an, erhielt ich Akordarbeit, welche bis nächstes Frühjahr dauern wird und ich dabei täg­lich 1 fl 42-48 verdienen kann. Dieser höhere Lohn ist aber auch nothwendig um die erhöhten Ausgaben für die hiesigen Bedürfnisse bestreiten zu können. Am 25 August kam meine Familie hier an, und nun wohne ich bei Schmidberger am See und muß 72 fl Miethe bezahlen. Von meinen Fenstern aus genieße ich eine Aussicht die in der That, entzükend ist. Den ganzen See sehe ich vor mir ausgebreitet, hinter ihm links das Allgäu, dann den Bregenzer Wald, dann die Tyroler Berge mit dem Arlberg, in der Mitte den mayestätischen Säntis, u. rechts die Glarner, Zürcher u. Berner Alpen, u. ganz zulezt das königl. Schloß Höfen, ehmalige Benediktiner Abtei, jezt Sommerresidenz des Königs v. Württemberg. Die Sonne geht wirklich in meinem Zimmer auf u. unter, und täglich sehe ich von meinem Fenster aus, Ihre liebe Heimath, ja was noch mehr ist, von meinem Fenster aus gesehen, geht gerade wirk­lich jedesmal die Sonne hinter Ihren Bergen auf. Wird sie auch einmal geistig dort aufgehen?? Eine Morgenröthe ist bereits durch Sie! theurer Freund und Vertheidiger socialer Freiheit, angebrochen, gebe Gott, daß die Sonne bald nach­folgen möge. Unter solchen Umständen also erstens beim beständigen Anblick Ihres Bildes und dann beim Anblick des oft prachtvollen Morgenrothes über Ihrer lieben Heimath, werden Sie es leicht begreiflich finden, daß ich Ihnen nicht vergessen kann, ja u. es ist sogar ein Bedürfniß meines Geistes mich schriftlich mit Ihnen zu unterhalten. Als diesen Mittag meine Frau mit unserm 3jährigen Knäblein bei dem herrlichen Wetter spatziren gieng, da konnte ich mich nicht mehr länger halten, ich mußte mich hinsetzen um einen längst gehegten Wunsch einmal in Erfüllung zu bringen. In Ihren Bergen haben Sie schon ziemlich Schnee. Auch ist Ihr Heimathsort, nach einer hiesigen Karte vom Bodensee, in einem ganz abge­legenen Winkel und da habe ich schon oft gedacht: wie wird doch an einem so schönen Tage wie heute, Freund Felder in seiner Einsamkeit, mitten unter rohen ungebildeten Leuten, u. ferne von gebildeten Kreisen, einen vergnügten Sonntag haben?? Wie muß sich Ihr erhabener Geist so einsam fühlen und das ist es gerade was Sie vielleicht zur Schriftstellerei getrieben. In Ihrer Heimath konnten Sie Niemand Ihre Gefühle en[t]deken weil man Sie nicht verstanden hätte. Sie griefen zur Feder um so einen Ableiter für Ihren Geist zu fin­den. Wenigstens mir geht es so.

    - In unserm Geschäfte arbeiten 83 Mann mit einem Vor­stand, Buch[h]alter, Werkführer u. Magazinier. Zusammen also 87 Personen, davon sind 51 verheirathet, 36 ledig, 19 Pro­testanten und 68 Katholiken. Die Protestanten sind alle aus dem württembergischen Unterland, während die Katholiken der Mehrzahl nach von hier sind. In religiöser, politischer u. sozialer Beziehung sind aber alle sehr ungebildet, ja zum Theil sehr roh. Gelesen wird hier wenig und die politischen Anschauungen sind in Folge der schlechten, undeutschen ultramontanen Zeitblätter, sehr erbärmlich. Hier möchte man um jeden Preis östreichisch werden, nur um der protestanti­schen Regierung los zu werden. Welche Stellung ich unter solchen Leuten habe, läßt sich leicht begreifen. Der einzige wissenschaftlich gebildete Mann, mit dem ich nach meiner Weise in religiösen wie sozialen Fragen, reden kann, ist der hiesige evangel. Pfarrer Dr. Christlieb. Derselbe war vorher in London und gründete mit Hilfe schweizerischer Kaufleute die deutsche evangl. unirte Kirche zu Islington, London, der er 7 Jahre als Prediger vorstand, bis er auf Wunsch unsrer Köni­gin, die hiesige Stelle als Stadtpfarrer u. Hofprediger annahm (Siehe auch Payne's Illustrirter Familienkalender 1868 unter der Rubrik „Die Deutschen in London".) Dieser Mann hat neben ausgezeichneter wissenschaftlicher Bildung auch eine prak­tische Erfahrung, und sieht es daher gerne wenn ein Proleta­rier sich auch um etwas mehr bekümmert als blos um das tägliche Brod. -. Vom ersten Oktober an ist unsere Werkstät­ten-Bibliothek geöffnet u. ich habe wirklich das 2te Heft der Gartenlaube 1866, vielleicht erhalte ich auch den Jahrgang 1867, wenn ich jenen ausgelesen habe. Ich muß sagen ich sehne mich recht darnach. Aber werden Sie fragen,: wie steht es mit dem „Leben eines Proletariers"? Da die Arbeit gänzlich umgeändert wird, so geht es eben langsam. Ich habe erst 70 Seiten revidirt. Da wir im Winter von 7-7 Uhr arbeiten müs­sen, so kann ich am Abend nichts schreiben u. am Sonntag bin ich so vernart in die schöne Seegegend mit dem erhabe­nen Gebirgspanorama, daß ich jeden schönen Sonntag mit meinem Büble spatzieren gehe.

    In der Hoffnung daß mein Schreiben Sie und Ihre liebe Fami­lie gesund antreffe, schließe ich für heute und es grüßt Ihnen freundlichst

    Ihr Freund und Verehrer                        Friedr. Riedlin Schlosser

    Kgl. Maschinenwerkstätte Friedrichshafen

    Friedrich Riedlin
    Friedrichshafen
    Franz Michael Felder
  • 10. November 1867

    Lieber Freund,

    Werthester Herr Wahlcommissär,

    Der Sonntag Nachmittag ist da, meine Briefschreibezeit, und Du kommst zuerst an die Reihe. Zunächst bin ich Dir doch meinen Glückwunsch schuldig zu Deinem wichtigen poli­tischen Amte, zu dem ichs hier nie bringen werde. Dein Wahlbericht hat mich lebhaft interessirt, er leidet nur an der Kleinigkeit, daß er über den Erfolg oder Ausfall der Wahl sich in romantischer Unklarheit hält - sind denn die alten Vorsteher nicht wieder gewählt worden? Auch die Angabe über des Uhrmachers bevorstehende Heirat beschäftigt mich angenehm, aber ebenso die Frage die dran hängt: Hat er denn gebeichtet? oder hat der Pfarrer nachgegeben, um ihn vor dem Protestantismus zu retten? Sprich doch Deinem Freunde meinen Glückwunsch aus, ich habe noch oft und gern an ihn gedacht und thue es noch. Wer ist seine Aus­erwählte? Das wird eine interessante Abdankungsrede wer­den, wobei man den Pfarrer selbst, nicht nur seine Ohren wegwünschen möchte! Dieß Zuhalten der Ohren kann ich mir hier bei einem Geistlichen nicht einmal denken, so sehr widerspricht es unserm Begriff von der Würde eines Geist­lichen, ja es würde bei uns nur eine drollige, komische Hand­lung sein, über die man nur lachen könnte, oder - eine Fle­gelei, die den Thäter für die Gesellschaft unmöglich machen würde.

    Aber ehe ich weiter schwatze, doch etwas Geschäftliches. Kürzlich wurde ich überrascht und erschreckt durch einen Zettel von Quellmalz, dem Besitzer des Märkerschen Lese­instituts, der mich benachrichtigte, daß er gezwungen wäre das Geschäft mit Dir zu quittiren, wie er sich ausdrückte, weil die Journale von Dir nicht zurückzuerlangen wären. Ich gieng Tags darauf zu ihm (es ist 14 Tage her), zu welchem Zwecke kannst Du Dir denken. Da fand sich denn, daß der Entschluß nicht launenhafte Umwandelung einer vorher freundlichen Gesinnung war, sondern eine Art geschäftliche Nothwendigkeit, da gewisse Blätter durch das Ausbleiben nicht weiter geliefert werden können; z. B. auf die hist.-polit. Blätter wartet die hiesige Universitätsbibl., an die sie zuletzt übergehen. Nun hab ich ihm versprochen, Dir diese Sachlage klar zu machen und bitte Dich also hiermit in Quellmalzens Namen, fortan die Blätter in regelmäßigen Zwischenräumen zurück zu schicken, dann kann alles beim Alten bleiben. Mir sollte es leid thun, wenn diese Einrichtung, die mir einst solche Freude gemacht hat, verdrießlich enden sollte; es ist ja Dein eigenes Interesse. Von der Bezahlung hat er wieder nichts erwähnt, ich hab auch nicht gefragt. Daß Stettner Dir keinen Rabatt bewilligt, wie es doch hier die meisten Buchhandlungen thun, ist nicht recht, Du solltest einmal förmlich darum anhalten. Ob eine Besorgung der Bücher von hier aus möglich wäre mit Rabatt, ist mir nicht klar, namentlich da sie doch auf Buchhändlerwege, also wie­der durch Stettner an Dich geschickt werden müßten. Deine Äußerung über den Simplicissimus war mir interessant, besonders aber der gute Döring hat sich sehr darüber ge­freut. Ich habe Deinen Brief am Mittwoch auf der Wartburg am Schlüsse unserer Sitzung vorgelesen, Deine herzliche Äußerung über den Club machte uns große Freude, wir grü­ßen Dich als unser Ehrenmitglied eben so herzlich zurück und denken Deiner fleißig in Liebe und Treue. Wir lesen jetzt Nibelungen, wenn Du doch dabei sein könntest! Aber die Baumsitzung war doch die schönste! Ich habe mir den unsterblichen Baum neulich einmal am Tage betrachtet, mir wars wie im Traum, uns zehn Mann stark da droben im Mondschein zu denken auf dem gar nicht so großen Bäum­chen, würdige Männer und Studenten und Bauern und Dich­ter und Lehrer und ihre Schüler (Köhler mein Schüler noch vor wenig Jahren) bunt durch einander als Nachtvögel! Ich dächte, die Geschichte müßte Deinen Begriff von Stadt und Städtern völlig über den Haufen gestoßen haben! Nur ein Glas Wein fehlte noch zwischen den Zweigen, dann waren die ech­ten Eichendorf[f]schen Taugenichtse fertig. Schreib mir doch genauer, wie der Taugenichts auf Dich wirkt. Denkst Du noch an den Eichendorf[f]abend in der Laube auf der Papiermühle? Deinetwegen hatte ich meinen Liebling aus vergangenen schönen Jahren eingesteckt, um zu sehen wie er auf Dich wirkte. Vielleicht kann ich Dir ihn einmal antiquarisch ver­schaffen. Die Liebeszeichen hab ich halb und erfreue mich daran, werde sie auch wenn sie fertig sind, im Club vorlesen. Es werden an Hirzel 10 Ex. geschickt zur Vertheilung. Aber an den Druckfehlern ist mein Freund zum Theil wirklich sel­ber schuld, ich kenne das!

    Dank für den Rüscher, kann ich ihn behalten, oder brauchst Du ihn zurück? Leider ist das Gesicht unklar ausgefallen. Ich zeige ihn fleißig, wenn er nur hören könnte was man dazu sagt. Ich lege einige von Deinen Photogr. bei und will Dir sie so nach und nach schicken. Von den 2 Dutzend sind schon hier welche vergeben, u. a. an Hügel, Flügel, Rendants, und auf der Vogelweide in Kosen neulich an Köhler, Lucae, Kober­stein, denen Du Dich schuldig warst. Vom Kostenpunkte spä­ter. Frau Dr. Groddek läßt Dich grüßen, sie schlug vor, Du könntest ja nächsten Sommer in Kosen bei ihnen zubringen. Doch mein Papier ist alle und meine Zeit auch, also leb wol und grüß mir all die Deinen, und denk bald wieder schrift­lich an Deinen

    Hildebrand.

    Die Kinder und Frau und Großmutter lassen Dich grüßen, meine Mutter liegt leider immer noch! seit Deinem Fortgang! theilweis mit schrecklichen Schmerzen, und sie verfällt dabei zusehends! Doch hab ich noch Hoffnung, sie liest noch täg­lich fleißig, Gartenlaube, Zeitung, Nümmamüllers.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 5. November 1867

    Sehr geehrter Herr Felder!

    Ihr Schreiben vom 30. Oktober l. J. hat mich sehr erfreut. Ich wähnte Sie noch immer in Leipzig; um so willkommener sind Sie aber der Lichtpartei in den heimischen Bergen. ­Ihrem Verlangen entspreche ich, so weit es mir möglich ist. Heute noch übersende ich Hildebrands nach meiner Meinung den Nagel auf den Kopf treffende Schrift und erlaube mir, zwei meiner kleinen Arbeiten, die Sie in den Jahresberichten unserer Anstalt finden werden, mitzuschicken. Auch an die Redaktion der F. Z. übergab ich die interessante Beilage Ihres Briefes und hoffe, sie morgen gedruckt zu sehen. Leider bin ich aber nicht in den Stand gesetzt, Ihre „zwei Geburtstage" zurückzustellen, da mir dieselben niemals zu Gesicht gekom­men sind. Ich hörte von denselben nur in Innsbruck sprechen, wo sich Professor Adolf Pichler, bekanntlich der bedeutendste unter den jetzt lebenden Schriftstellern Tyrols, sehr beifällig über den genannten Aufsatz aussprach; auf diese Weise erhielt ich Kunde, daß er gedruckt sei, gesehen habe ich ihn außer damals in Rankweil im Manuskript nie. Haben Sie ihn vielleicht an Kunz gesandt? Schreiben Sie mir darüber. Den Aufsatz über den Tannberg hat gegenwärtig Dr. Amann; wenn es möglich wäre, könnten Sie wohl die Güte haben, ihn mir oder der Feldkircher Realschule zu überlassen. - Auch findet sich hier ein Brief an Sie, den Sie Kunzen gaben, welcher eine Anerkennung eines Amerikaners oder Australiers enthalten soll. Wünschen Sie ihn, so werde ich seine Rücksendung ver­anlassen.

    Kunz hat allerdings geschrieben, aber, wie es die Kürze der Zeit mit sich bringt, eben nur Reiseberichte und die ersten allgemeinen Eindrücke, die die neue Welt auf ihn machte. Die Seekrankheit belästigte ihn nicht mit ihrem Besuche, und drüben findet er, daß der Dollar herrsche. Wer Geld hat, hat Recht.

    Schließlich ersuche ich Sie im Namen der F. Z., derselben öfters eine pikante Nachricht oder irgend etwas anderes zukommen zu lassen. Auch mache ich Sie auf das Feuilleton derselben „Aus dem Mittelalter" aufmerksam, das fortgesetzt wird. Ich glaube, daß so etwas doch hie und da seine Wir­kung nicht verfehle. Kann ich mit Etwas dienen, so bin ich stets bereit. Mit herzlichem Gruße verharre ich in Hoffnung eines nicht allzu fernen Lebenszeichens von Ihrer Seite als Ihr ergebener

    Hermann Sander.

    Hermann Sander
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
  • 30. Oktober 1867

    Verehrter Herr Sander!

    Ich hoffte, Sie bald einmal in Ihrem lieben Feldkirch zu trof­fen. Leider war das nicht möglich. Nun, da ich auch Ihren Besuch nicht mehr erwarten darf, erlaube ich mir, Sie um recht baldige Rücksendung der Hildebrandischen Schrift über Sprachunterricht und meines Grenzbothen Artikels „zwei Geburtstage" zu bitten. Ich hoffte, Ihr Urtheil über die Erstere vielleicht in der Feldkircher Zeitung zu finden.

    Die Wahlen sind hier vorübr und die „Neuen" waren den „Alten" überlegen. Nur im 3ten Wahlkörper hätten die Letzte­ren ohne einen bösen Zufall glänzend gesiegt. Ein beurlaubter Kaiserjäger, der im Verdacht steht, ein vor drei Wochen an der Kirche angeschlagenes Schimpfgedicht auf mich, „den Limmel" verfaßt zu haben schrieb die Wahlzettel für die guten Alten, war aber dabei so unglücklich nur kurzweg die Nahmen der edeln von Pfarrers Gnaden zu nennen. Nun aber sind hier nur wenige Tauf und noch weniger Fam­miliennahmen, so daß, wenn zum Beispiel ein Johann Josef Felder kam, nicht mit Bestimmtheit zu sagen war, wer damit gemeint sei, so da.ß die Wahlkommission solche Nahmen gar nicht zählen zu dürfen glaubte.

    Unter den jetzigen Verhaltnissen macht die Sache hier großen Lärm und haben die Alten schon Schritte gethan um die Wahl zu stürzen. Schoppernau, sonst eine Mustergemeinde, ist zu einer Hölle des Unfriedens geworden. Jedermann weißt seit wann und warum? Auch Sie wissen es und ich habe nicht nötig noch mehr davon zu sagen.

    Hat unser Landsmann, Herr Kunz noch nie geschrieben? Ich traf ihn in Leipzig und bedauerte nur, nicht noch länger bei ihm bleiben zu können.

    Mit herzlichem Gruß auch an die Herren Nachbaur, Amman, Ganahl, Leoni u A hochachtungsvoll Ihr ergebenster

    Franz M Felder Nachschrift 31 Oktober

    Ich bitte, das beiliegende in der F. Z. abdrucken zu lassen und 1 Ex an Herrn Dr Hildebrand, an Herrn Jochum Wirth in Schröcken zu besorgen.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Hermann Sander
  • 27. Oktober 1867

    Lieber Freund!

    Also der Kaiser hat den 25 Bischöfen in Wien geantwortet. Du kannst Dir denken, welche Bewegung die Nachricht hier in Vorarlberg hervorrief. Es lag in letzter Zeit so viel in und auf uns, daß mir jetzt die Wochen seit meiner Abreise von Leipzig wie lange Monathe vorkommen. Ich danke Gott, daß wir einmal gleichsam die „Sina" erstiegen haben, wo wir nun ausruhen und überlegen können.

    Die Wahlen hier sind vorüber. Gestern giengs los und unser guter Pfarrer Rüscher ist nicht besonders erbaut über den Bericht in welchen eingeschlagen ich Dir den Herren hiemit übersende.

    Es ist nämlich zum großen Theil die Ungeschicklichkeit seiner an Zahl uns weit überlegenen Anhänger, welche die Wahl­schlacht nicht gerade verlor aber immerhin uns bedeutende Siege ließ. Doch ich muß einmal kleinbürgerlich die Sache des langen und breiten erzählen. Wir hatten das erste Mal im Leben geheime Abstimmung. Nun waren viele Zettel so ungenau, daß man sie gar nicht gelten lassen konnte. Das war der Grund, daß unser ärgster Gegner, der hiesige Rößle­wirth, welchen die Frommen sogar zum Vorsteher wollten, nun nichts weiter ist als Ersatzmann. Die Frommen schimp­fen jetzt über die Wahlkommission, die aus mir, zwei Freun­den (Vorsteher) und zwei Gegnern bestand. Mit Unrecht wirft man uns Parteilichkeit vor. Da wählen etwa 26 einen Josef Moosbrugger - nun, es sind bei uns ihrer 10 die so heißen. Jetzt was ist da zu thun? Ich denke, die Angelegen­heit wird vor die Statthalterei gebracht werden. Diese Leute sind viel leidenschaftlicher und kampfeswüthiger, als ich bis­her selbst glaubte.

    Unser Schreiner sitzt jetzt auch mit im Gemeinderath und wir dürfen mit der Wahl in Schoppernau und auch in den Nachbardörfern sehr zufrieden sein.

    Mir sind diese Kämpfe sehr interessant. Ich nehme fast zu viel daran theil so daß mir in der letzten Zeit auch in freien Stunden die rechte Stimmung zum Schreiben fehlte. So kann es schon noch ein Weilchen dauern, bis arm und reich zu Ende kommt. Von Liebeszeichen hab ich etwa die Hälfte hier und ärgere mich über dumme Druckfehler, welche nur blei­ben konnten, wenn kein Mensch oder ein Schulbube die Corectur las. Gefreut aber hat michs, daß ich nun auch da­heim ein wenig Boden habe, wenns auch noch nicht in Wien ist. Von der Sammlung dort hört man jetzt kein Wörtlein mehr und es scheint die Sache ganz zu ruhen. Diese Leute haben jezt auch anderes zu thun und ich will auch gerne länger mein eigener Stall- und Holzknecht sein, wenn sie unterdessen wegbringen, was wie ein Bann auf uns allen liegt und was ich alein doch nicht wegzuschreiben vermöchte. Hier stecken wir im Schnee, der die Äste von den noch nicht entlaubten Buchen drückt, und das winterliche Tagwerk be­ginnt vor den Arbeiten des Spätherbstes. Wenn die 4 gesund von der Alp ouflat gekommenen Kühe befriedigt sind, geh ich ins Stüble, angle mir mit der Concertine die Stallgedan­ken und die Rüschersorgen aus dem Kopf und dann gehts ans Schreiben wenn mir irgend etwas gutes einfällt. Den Simplicissimus haben wir mit wahrer Andacht gelesen und ich bitte dich, dem freundlichen Wohlthäter in Dresden noch­mals meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Eichendorfs Taugenichts hab ich von Stettner für 1 Thlr erhalten. Wärs nicht zu machen daß ich meine Bücher etwas billiger von Leipzig beziehen könnte? Jetzt redet man im Ernst von einer Bregenz-Feldkirch-Innsbrucker Eisenbahn. Die Regierung scheint doch auch noch an uns zu denken, und uns nicht ganz verlieren zu wollen. Von unserer Wälschen Besatzung in Bregenz wird erzählt daß sie bei den Übungen nicht blind lud und auf unsere Landwehr schoß - ! Doch genug hievon und schon zu viel wenn allenfalls dieser Brief auch wieder verloren gehen sollte wie die letzten, welche ich von Leipzig aus heim schickte.

    So kam ich dann den Meinigen ganz unerwartet. Ich hatte in Bregenz geschrieben, daß ich nun da sei, aber der Post­beamte, von dem ich eine Marke kaufen wollte sagte mir, dasGeschäft sei vor2Minuten geschlossen. Bitten und Betteln war umsonst und dabei stand er im Zimmer am offenen Fen­ster u hatte die Marken neben sich. Ich wollte den Brief nun unfrankirt einlegen damit die Meinen keine Sorge hätten, wenn ich etwa länger in Bludenz weilen sollte, aber man sagte mir daß er so nicht befördert würde.

    Bir und Seiffertitz traf ich nicht zu Hause und wartete nun mit Schmerzen bis das Zollamt meine Kiste freigab. In der Nacht fuhr ich gi Bludoz wo ich mit Meyer u Moosbrugger, Bickel u. A. zwei schöne Tage verlebte. Der Vorsteher in Bezau, den ich erst in der letzten Woche besucht habe, ist sehr erfreut über den guten Anfang der LK Landwirtschaft­lichen Käshandlung, aus welchem LK Herr Galli in Schnepfau „Lumpen Kumpanie" gemacht hat.

    Daß Bismark etwas fürs Wörterbuch thun werde, hoffe ich und freut das mich dreifach, als Dein Freund, wegen der Sache und wegen Bismarck selbst. Zu bedauern wäre viel­leicht, wenn das dich nun für immer und ganz an diese Arbeit fesseln würde.

    Nun auch das wird sich geben wie vieles Andere sich giebt, anders und wol besser für uns als wir selbst es anfangen könnten. Die Tochter unseres alten Vorstehers hat sich mit einem unbemittelten Vetter von mir für immer vor dem Al­tar verbunden. Ich war mit bei der Festlichkeit und habe auch wie gewöhnlich die Abdankungsrede gehalten. Pfarrer Rü­scher war auch dabei und verhielt sich dabei öffentlich das Gesicht und die Ohren.

    Dem Käshandlungsverein geht [es] zum Anfang recht gut und der Gedanke der Association gewinnt immer mehr An­hänger. Die Leute halten aber auch wacker zusammen.

    29 Oktober

    Ich bin vorgestern am Weiterschreiben verhindert worden und bedaure das um so mehr da nun mein Brief erst am Samstag nach Bezau kommen wird. Der tägliche Postverkehr wird erst bis zum Neujahr eröffnet. Die Posthalterstelle ist einem ausgedienten Soldaten verliehen, der vermuthlich, da er arm ist, mit dem Rößlewirth in Au gemeinschaftlich das Geschäft übernehmen wird, wenn einmal auch Pferde ver­wendet werden müssen. Die Alten (Pfarrerschen) sind seit den Wahlen ganz rasend und wollen den ganzen Vorgang für ungesetzlich erklären. Wir würden eine Neuwahl nicht fürchten, aber bang war uns vor der vorhergehenden Agita­tion. Diese Leute sind ganz unberechenbar in ihrem from­men Eifer, doch ist meine Partei allenfalls stark genug und wir sehen dem Verlauf der Sache nicht ruhig aber getrost entgegen. Doch genug von dem und von allem. Was macht Deine liebe Mutter. Liest sie noch Gartenlaube. Ihr Deiner Frau u allen meine herzlichsten Grüße. Der Rudolf könnte hier jetzt Schneeballenkriege mitmachen. Für Hugo hab ich nebst einem freundlichen Gruße die Nachricht, daß nun der Klausmelker heirathet und für Emmi daß wir nun neue Briefmarken bekommen.

    Heute ist Sitzung auf der Wartburg. Ich werde dabei sein im Geiste. Haben auch jene Lieben mich noch nicht ganz ver­gessen? Grüße mir alle!

    Rüscher hat sich in seiner kirchlichen Pracht „abnehmen" las­sen. Das imponirt und ist zudem - sehr interessant. Doch ich will aufhören. Lebe recht wo l und glücklich. Es grüßt Dich tausendmal

    Dein Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 12. Oktober 1867

    Liebster Freund,

    Ich muß mich doch noch heute, am Sonnabend Nachmittag, wider meine Sitte darüber machen, Dir endlich zu schreiben, damit der Bot den Brief am Dienstag mit in Bäzou abholen kann; Du weißt daß ich sonst nur Sonntags ans Schreiben komme. Ist denn aber Eure tägliche Post noch nicht einge­richtet? sie sollte es ja doch sein um diese Zeit? Gib mir doch darüber Nachricht, sobald es geschehen ist, auch wer die Post überkommen hat - Du glaubst nicht, welches Ver­gnügen es mir macht, in Gedanken in Eurem interessanten und doch so einfachen Thale zu leben und mit fortzuleben, mir ist das ein wolthuendes Gegengewicht gegen das ab­stumpfende Bücher- und Schreibtischleben, ich habe die Bücher manchmal recht, recht satt - obwol ich darum noch nicht mit Kühen zu thun haben möchte, wie Du Armer. Reden möcht ich, oder in Ermangelung dessen selber Bücher schreiben von dem was mir den Kopf füllt und manchmal das Herz abdrücken will, daß es besser werde in der Welt nach dem Ideal zu, das mir so klar vor der Seele steht. Hast Du meinen Aufsatz noch nicht wieder? und noch nicht ge­lesen? Ich habe hier schon manche begeisterte Zustimmung gefunden.

    Doch zu Dir. Die Anfeindung beginnt also aufs neue! Gott es wäre doch besser, Du könntest aus den elenden klein­lichen Verhältnissen herauskommen - wenns nur möglich wäre! In Halle, wo ich vom 30. Sept - 3. Oct. vier bewegte Tage verlebt habe, wie Du richtig geraten hast - in Halle war die Rede davon (mitten im Trubel von Hunderten wein­launiger Gelehrten) zwischen mir und Frau Prof. Gosche, die eine warme Freundin von Dir ist, NB. eine Berlinerin, eine geistvolle Frau. Sie war entschieden der Meinung, Du müß­test wenigstens ein Jahr lang einmal in einer Universitätsstadt Deine Bildung ergänzen, und erbot sich sogar, für diesen Fall in Halle Dir allerlei Förderung zu verschaffen. Kürzlich äußerte auch Prof. Overbeck hier Ähnliches mit großer Wärme und bot mir seine Mitwirkung durch seine Feder in öffentlichen Blättern an, wenn es nötig werden sollte. Aber das gute Wible wird erschrecken über solche Gedanken - es ist nur gut, daß es eben das Wible ist. Du bist einmal ein halbes Schmerzenskind - ach Gott ich aber auch. Mir in meiner Wörterbuchslage soll übrigens jetzt Hülfe werden vom Norddeutschen Bunde aus, das ist in Halle von der alt­deutschen Section beschlossen worden, d. h. Bismarck um staatliche Unterstützung des Wörterbuchs anzugehen. Gott gebe seinen Segen dazu! Ich freilich möchte vom Wörterbuch los, möchte endlich andere Dinge machen! Wie stehts denn mit der Wiener Sammlung für Dich? Hast Du von Meyern nichts darüber gehört? Überhaupt hast Du mir von ihm, ob Du ihn gesprochen usw., gar nichts geschrieben, auch nicht ob Du in Bregenz Baier (so hieß er wol) und Seifertitz be­sucht hast. Dein erster Brief war recht dürr und kalt, ich er­schrak fast drüber. Nichts Genaueres von Deiner Rückfahrt, die mir, die uns solche Sorgen machte, nachdem ich zumal erfuhr (aus einem ankommenden Briefe) daß der Uhrmacher Felder nicht in München war. Ist denn das Ausbleiben Deiner Briefe aufgeklärt? Da sollte man doch wahrlich an Unter­schlagung denken. Und hast Du Deine Harmonika glücklich durchgebracht? und die Kiste? Wie viel haben wir hier in jenen Tagen an Dich und an das alles gedacht, mit sorglich­ster Spannung dem ersten Briefe entgegen gesehen, und der Brief klang dann genau wie von Einem, der großer Reisen schon seit Jahren gewohnt wäre. Ich schmollte wirklich ein wenig mit Dir, aber nur ein wenig, ä bitzle. Von den Sonderlingen ist augenblicklich alles still, auch von einer 2. Auflage - die Welt ist eben die stumpfe Welt und will langsam gewonnen sein. Auf die gedruckten Liebeszei­chen freue ich mich, mich verdrießt aber noch daß sie Hirzel nicht nahm. Auch mit Deinen Heilsgeschäften hab ich Ver-

    210


    druß gehabt. Kurz nach Deiner Abreise kam ein Brief von Keil, er könnte sie so wie sie wären nicht drucken, sie wären unverständlich, das Wichtigste wäre oft so gesagt, daß es wie künstlich versteckt wäre statt ausgesprochen. Ich gieng hin, nahm das als Corectur schon ganz Gedruckte mit nach Hause, um es zu prüfen, und fand denn wirklich bei ge­nauem kritischen Durchgehen, daß Du wirklich an nicht wenigen Stellen gar zu wenig für das Verständniß des Nicht­bregenzerwälder geschrieben hattest, ja daß Du im Stil hier und da wieder einmal - mit Verlaub gesagt - Dich zu sehr hattest gehen lassen, wie damals in dem 2. Theil des Grenz­botenaufsatzes. Manches war in Deiner Fassung wirklich eigentlich nicht zu verstehen, nur zu rathen, die erklärenden Einzelheiten standen manchmal erst hinter dem, was dadurch erklärt und verständlich wurde. So setzte ich mich denn Sonn­tags hin und suchte das Verfehlte einzurenken und das Dunkle klar zu machen, immer mit Gewissensbissen ob ich auch recht daran thäte, und voll Ärger über die Gartenlaube. Dann trug ichs wieder hin, traf aber statt Keils nur sein Fac­totum, einen gewissen Schaube, der in dem Zimmer hinter ihm sitzt und der eigentliche Macher im Gartenlaubenstil ist. Er trat mir ziemlich kühl entgegen, war auf Deinen Stil gar nicht gut zu sprechen, ich erwiderte ihm entschieden, es wurde ein Gespräch über den Gartenlaubenstil überhaupt daraus, in dem er geradezu zugab, daß er für denkfaule Leser berechnet sei und darum prickelnd sein müßte (er brauchte selbst diese Worte); für die höhere Aufgabe, das Publicum zu erziehen, hatte er gar kein Gehör. Wir schieden nicht etwa in einer gegenseitigen Verstimmung, aber der Aufsatz kommt nicht und kommt nicht, und es ist doch nun schon 6 Wochen her. Ich habe auch immer noch Bedenken, ob es gut gethan ist, diese Dinge in einem Protestant. Blatte dieser Farbe vorzutragen.

    Neugierig bin ich auf den Ausfall Eurer Wahlen, und auf Rüschers Angesicht, und auf den Ausfall des Concordats­kampfes in Wien und des Kampfes im Kirchenstaate - ich kann meine Ungeduld kaum bändigen und dächte, Ihr dort müßtet Euch auch vor Ungeduld nicht fassen können! Eure Wiener und die Rothhemden unten stehen jetzt an der Spitze der Menschheitsbewegung, sie stehn recht eigentlich auf der Bresche der uralten Feindesburg, und die ganze Welt sieht ruhig zu wie die Leute für sie bluten.

    Kannst Du uns nicht das herrliche Spottgedicht auf Dich ab­schriftlich verschaffen? mir hätte es noch mehr als bloß per­sönliches Interesse. Halt Dich tapfer, sorge für Deine Ge­sundheit (halt vor allem Wort mit dem Heu und Holzziehen), grüß mir Dein Wible und Deine gute Mutter (meine liegt noch immer), den Uhrmacher, die Rößliwirthin, das Döcterle usw. usw.

    Dein treuer R. Hildebrand

    Ist das richtig, daß bei Euch eine Knutt auch ein dickes Weib bezeichnet? Ich kann eine Notiz von Dir nur so verstehen. ­Bei uns fielen heute die ersten Schneeflocken in die noch grünen Bäume, mit Regen gemischt, in unserm Erzgebirge liegt aber schon fußhoher Schnee, bei Euch vermutlich auch, hat doch Prinz Luitpold des Schnees wegen in Oberstorf die Gemsjagd aufgeben müssen!

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 6. Oktober 1867

    Lieber Freund!

    Von Leipzig in der besten Stimmung über Bludenz, wohin mich ein Schreiben rief hier angelangt, hoffte ich Dich recht bald besuchen u. Dir viel erzählen zu können, was auch mei­nen Freund freuen sollte. Nur noch das Heu wollte ich erst unterbringen und die mir von einem bedeutenden Artzt wegen meinen Augen angerathene Badkur machen. Das letz­tere dauerte, da es den gewünschten Erfolg hatte, gerade so lang als die schönen Herbsttage dauerten. Nebenbei hatte ich die versäumten Geschäfte u. Briefe zu besorgen. Jetzt endlich sitze ich wieder im Arbeitszimmer und suche das früher Ange­fangene wieder hervor, doch vor allem muß ich Dir einige Zeilen schreiben.

    Schöne Erfolge, Beifall - statt daß die mich eitel, unvorsichtig u. trag machen, geben mir neuen Muth und erzeugen in mir eine gewisse Ängstlichkeit, das Gewonnene auch zu verdie­nen u. Seine Wolgeborn, Herr Dr Greber brauchen darum keine Sorgen zu haben.

    Doch da ich Dich nächstens zu besuchen gedenke, werden wir hievon weiter sprechen und ich kann Dich dann auch wieder mit einigen frommen Stücklein erbauen. So wurde hier ein Spottgedicht auf mich, an die Kirche und die Gemeinde Gebäude angeschlagen u. alles gethan, mich doch aus der Gemeinde Vertrettung zu verdrängen. Hier werden die Wahlen sehr interessant werden und zeigen, wie man gesotten ist.

    Wie gehts mit der Association?

    Ich hoffe u. wünsche viel Gutes zu erfahren.

    Nächstens wird  in  der österreichischen  Gartenlaube  eine Novelle „Liebeszeichen" von mir erscheinen. Die Gründe, die mich bestimmten, die Erzählung in diesem noch jungen, aber empfehlenswerthen Blatt erscheinen zu lassen, werde ich Dir mündlich mittheilen.

    Mit herzlichstem Gruß

    Dein Freund

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 4. Oktober 1867

    Liebster Freund!

    Nun wirst Du wieder von der Philologen-Versammlung zu­rük sein. „Ich wollte", daß ich Deinen Bericht selbst hören, „Ich wollte daß ich dabei sein könnte" so rief ich schon oft, wenn ich mir dachte was jetzt wieder geschieht. Als ich mein Liederbuch aufschlug und las, was auf unsern schönen Spa­ziergängen gesungen wurde, ja da kriegte ich ordentlich das Heimweh, und das Wort meiner Landsleute, daß man, „also doch einmal genossen habe", war mir der erste u ein Weil­chen der einzige Trost. Stettner mit 2 Kindern hat mich auch besucht. Er war gerade an dem Sonntag hier, an dem die Frommen, oder doch einige ein Spottgedicht auf mich an die Kirche und die Gemeinde-Gebäude angeschlagen hatten so da beginnt „Dem Marile (meiner Mutter) und seinem Limmel ist und bleibt verschlossen der Himmel", mich dann als Dich­ter lächerlich macht und am Schluß der vielen Verse über die Gemeinde ein „Wehe" ausruft. Dieses schließlich leider während meiner Abwesenheit (ich war in Au) in Pfarrers heilige Hände gekommene Gedicht war am Alpsonntag das Tagesgespräch, während ich einigen Freunden von Cößen erzählte, daß vielleicht auch unsern wakern Stickerinnen ge­holfen werden könnte. Jetzt ist das Ländchen voll von Letzte­rem und es wäre für mich wirklich der höchste Gewinn und würde mir das Leben hier und alles unsäglich erleichtern, wenn es mir möglich wäre, etwas für die Mädchen zu thun, die jetzt um wenige Groschen täglich sich fast blind arbeiten müssen. Wenn hier etwas gethan werden könnte, so hätte ich sicher einen ruhigen Winter und Rüscher, der sich nur noch an die Weiber hält, wäre ein verlorener Mann. Jetzt hat die Hetzerei um so ärger begonnen, weil die Gemeinde­wahlen ausgeschrieben sind und die Frommen mich u die beiden Vorsteher stürzen wollen. Ich aber bin frisch und neukräftig von dem Quell gekommen zu dem Du mich führ­test, muthiges Ringen soll mein Dank sein Dir und allen die mir wohlwollen u mich auch ferner nicht verlassen.

    Bis ich dir vom Ausfall der Wahlen berichte werde ich Rüschers Bild schicken können. Heut aber hab ich sonst noch etwas für jeden wichtiges das aber besonders für uns Beide in seiner Art erfreulich ist. Die Seelenfrage ist nun entschie­den. Pfarrer Rüscher sagte in einer Wirtshausgesellschaft: Schoppernau habe 500 Einwohner aber nur 300 Seelen denn das Andere seien lauter Freimaurer die keine Seele glaubten u wol auch keine hätten.

    Ein ander Bild:

    Der Uhrenmacher Felder will sich verehelichen. Das Sakra­ment der Ehe nun können nur die empfangen, welche vorher beichten. Felder aber will nicht beichten und ist nun ent­schlossen, zur protestantischen Kirche überzutretten, wenn er sich sonst nicht ungestört verbinden könne. Die Sache wird jedenfalls sehr interessant und muß hier viel Lärm machen. Ich gewinn jetzt auch unter den Geistlichen Freunde, welche Rüschern aufs Strengste Tadeln.

    Die  Liebeszeichen  hab  ich verschickt u die  Redaktion der österreichischen Gartenlaube schreibt mir u a: „Herzlichsten Dank für Ihre Sendung die Novelle entspricht sehr und wird noch im Oktober oder November Auf­nahme finden."

    Ich hab mir mehrere Freiexempare ausbedungen, von wel­chen selbstverständlich auch Du Eins erhalten wirst. Von den Heilsgeschäften hab ich noch nichts erhalten, auch keine Besprechung der Sonderlinge mehr gesehen. In den letzten 14 Tagen war ich in Hopfreben, das Heuen ist glück­lich vorbei u wir Wälder haben einen in jeder Weise geseg­neten Herbst nur daß die Stickerei schlecht geht und die Rin­derpest in der Nähe droht.

    Um einem Bedürfniß abzuhelfen, soll nächstens in Vorarl­berg auch ein viertes (ultramontanes) Blatt erscheinen, ob­wol auch das Volksblatt sich noch nicht deckt. Es scheint, ob der Kampf immer heißer werde. Herzog in Rehmen bedau­erte sehr, daß wir ihn nicht besuchten. Die Rößlewirthin u meine Freunde lassen Dich herzlich grüßen. Ich hab nicht mehr Platz alle zu nennen, die ich grüßen lasse, es sind die lieben Deinigen, Hirzel, Meißner, Flügel u kurz alle die mir wol wollen u die ich nie vergesse. Leb recht wol u vergiß nicht Deinen

    ewig dankbaren Freund Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 4. Oktober 1867

    Lieber Freund!

    Deine Zusendung hab ich richtig erhalten, doch sehe ich noch nicht, wie und wann ich an die Umarbeitung kommen werde. Einstweilen bin ich voll von „Reich und Arm", welchen Roman ich in letzter Zeit wieder ganz durchging, weil ich manches fast ganz verlor. Nun möchte ich denn drauf los, da es noch warm ist und komme nur vor lauter Briefschreiben nicht dazu. Also Geduld! Die Liebeszeichen wanderten nach Graz und sind von der Redaktion der österreichischen Gar­tenlaube mit Freuden auf- und angenommen worden. „Die Novelle entspricht sehr", schreibt mir Pröll und fragt noch­mals, ob ich sie ihm unter den gemachten Bedingungen überlasse, d. h. wohl, er würde allenfalls mehr zu zahlen geneigt sein, ich schrieb ihm aber: Keil zahlt mir allerdings für den Bogen 100 Fl., doch das ist ihnen nicht möglich. Sie kennen aber meine Lage und werden mir gern ein längeres Zusammenwirken möglich machen wollen. Das ist im kurzen der Inhalt unseres letzten Briefwechsels. Die Liebeszeichen erscheinen in den nächsten sechs Wochen in der Österreichischen Gartenlaube. Das Stück kommt mir recht von Herzen, ist in meinen besten Stunden geschrieben, und ich sorge nicht sehr für den Erfolg, wie einfach auch die Fabel ist. Ich machte noch die mir in Kosen angeratene Bad­kur und bin daher noch nicht in Bezau gewesen, hab auch nichts Bedeutendes von dort gehört. Hier beginnt die Wahl­bewegung. Die Frommen wollen mich und die beiden Vor­steher stürzen und tun alles Mögliche. In dieses Kapitel gehört wohl auch ein großes Spottgedicht auf mich, welches vorigen Sonntag hier an der Kirche, dem Laden und dem Kaufhaus angeschlagen war. Leider kann ich Dir den Inhalt nicht mitteilen, denn als Kaspar Oberhauser das Blatt weg­nehmen und mir bringen wollte, nahm es ihm Rüscher weg und zerriß es, damit es nicht wieder von neuem Lärm gebe. Den hat's nun aber doch gegeben und der Täter? hat eine schlimme Zeit. Es ist das wahrscheinlich ein gewisser Schnell von hier, ein verwegener Bursche, Soldat und Bedienter, von dem man schon im Sommer mehrere der angeschlagenen Verse gehört haben will, z. B.:

    „Dem Marile und seinem Limmel Ist verschlossen der Himmel."

    So macht man mich als Dichter lächerlich, weil ich eben keiner sei (woher hat Schnell das?), und zuletzt ruft man der Ge­meinde zu: Wehe euch. Da Schnell ein unvorsichtiger Schwät­zer und jetzt wegen Anfeindung sehr aufgeregt ist, so warte ich ruhig auf das, was meine sorglich beobachtenden Freunde allmählich loskriegen und weiß noch nicht, ob etwas oder was zu tun ist.

    Uhrenmacher Felders Liebesgeschichte wird immer interes­santer. Er ist jetzt entschlossen, seine Mariann zu heiraten, und will kurz und gut Protestant werden, wenn Rüscher ihn ohne Beichtgebrummel nicht verknüpfen könne. Merkwürdig ist, daß ihm die stille, ernste Mariann durch dick und dünn nach­läuft und doch auch wieder so viel über ihn vermag. Die Geschichte, bei der ich keine friedliche Lösung sehe, wird in Israel im Lande der Philister unter den jetzigen Verhält­nissen größtes Aufsehen machen. Er behauptet, da Rüscher ihm als Pfarrer die Seele abspreche, brauche er keine Sakra­mente zu empfangen. Dieser Ausspruch Rüschers sollte wohl veröffentlicht werden. Willst nicht Du es tun? Jetzt höre ich, Rüscher wolle eine gedruckte Geschichte der „Felder-Ange­legenheit" unter seinen Freunden verteilen, kann aber noch nicht glauben, daß er sich so weit herauswagen werde. Und nun genug von diesem erbärmlichen Schund. Die Deinen sind endlich mit Heuen fertig. Das Vieh gilt so, daß die Ställe viel zu leer werden.

    Was macht Bickel und was die Lassalleaner? Grüße sie mir und wen Du willst. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund                                                                            F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. Oktober 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Beinahe hatte ich schon darauf verzichtet, auf meine unbe­kannter Weise an Sie gerichtete Zuschrift eine Antwort zu erhalten, und würde, um nicht aufdringlich zu erscheinen, dieselbe nicht wiederholt haben. Um so größer war meine Freude, als ich unverhofft Ihren Brief vom 4. Okt. erhielt. Der­selbe eröffnet mir die erwünschte Aussicht, zu Ihnen in nähere Beziehung treten zu können, und ich halte die unbe­stimmte Hoffnung fest, Sie einmal persönlich kennen zu lernen.

    Man ist hier sehr in Ungewißheit und trägt sich mit verschie­denen Meinungen über Ihre Person. Manche wollen es nicht recht glauben, daß Sie ein gewöhnlicher Bauer, oder Mann aus dem Volke sind; sie meinen, daß Sie wohl ein studirter Bauer sein würden, d. h. einer, der auf Hochschulen gewesen ist. - Von Ihrem Aufsatze in den Grenzboten hörte ich bereits sprechen, konnte ihn aber noch nicht zum Lesen erhalten, da die Grenzboten in ganz Reichenberg (obschon es nicht weit von der Grenze liegt), nicht gehalten werden. Auch eine ver­suchte Bestellung des betreffenden Heftes im buchhändleri­schem Wege mißlang mir. - Wie ich hörte, erwähnen Sie in Ihrer Selbstbiographie Meyers Groschenbibliothek als eines Bildungsmittels, wodurch Ihnen die Geistesschätze der deut­schen Klassiker bekannt und zugänglich wurden. Nun, da sind wir auf einerlei Wegen gewandelt; auch ich fand in dieser Sammlung viel Schönes, was mir früher unbekannt war, und außerdem vielleicht bis heute geblieben wäre. In meinem Leben vergesse ich nicht die Hochgenüsse, welche mir Musäus, Wieland, Herder, Mendelssohn u. A. in diesen klei­nen Bändchen gewährten, von denen ich bei allen Ausgängen immer eines in der Tasche hatte.

    Sie haben eine schöne Laufbahn vor sich, Sie werden ein Schriftsteller; ich, um 20 Jahr älter, werde es nimmer. Auch ich bin nicht arm an Ideen und an Phantasie, aber mein Talent ist viel geringer. Auch nehmen meine Alltagsgeschäfte fast meine ganze Zeit in Anspruch, da ich nebst meiner Mühle eine kleine Bergwirthschaft besitze, welche 6 Kühe nährt, und auch einen Handel betreibe. Hiedurch stelle ich mich unab­hängig.

    Meine Dorfchronik ist die Frucht Sjähriger Mühe, meistens in den Nachtstunden, die ich allein dazu verwenden konnte. Was ich ferner zu schreiben gedenke, ist meist für die eigene Familie und die nächsten Freunde berechnet. Im Sommer des vorigen Jahres schrieb ich meine Erlebnisse in der preuß. Invasionszeit auf; die Schrift ist aber so sehr gegen die (preu­ßenfeindliche) Strömung gerichtet, daß an eine Veröffent­lichung nicht gedacht werden kann. Später begann ich meine Bildungsgeschichte zu schreiben, mit welcher ich mich schon lange Jahre herumtrage, ich mußte sie aber Geschäfte halber schon Monate lang liegen lassen.

    Entschuldigen Sie gütigst, daß ich mir die Freiheit nahm, Sie mit diesen meinen Angelegenheiten zu behelligen, und Ihnen also unaufgefordert ein Stück meiner selbst zu zeigen. Es geschah in der Hoffnung, auch von Ihnen mehr zu erfahren.

    Ich möchte Sie nicht um Ihre kostbare Zeit bringen; doch ist es Ihnen wieder einmal möglich, die Zeit zu einem Briefe an mich zu erübrigen, so würden Sie dadurch sehr erfreuen Ihren achtungsvoll ergebenen

    A. Jäger

    Anton Jäger
    ohne Ort
    Franz Michael Felder
  • 1. Oktober 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Ihr heutiges Schreiben hat mich sehr erfreut. Seien Sie versi­chert, hochgeschäzter „Ackersmann des Geistes", daß ich das Opfer, welches Sie unserem Unternehmen bringen, in seiner vollen Bedeutung erkenne u. daß es mein innigster Wunsch wäre, unser Blatt so situirt zu sehen, dass wir und für dieses Opfer noch auf andere Weise als durch den Ausdruck des herzlichsten Dankes erkenntlich zeigen könnten. Was Ihre beiden Bedingungen betrifft (Berechtigung zum nur einmali­gen Abdrucke u. Übersendung von 10 Beleg Exemplaren an Hirzel, aber kostenlos) so ist deren Erfüllung selbstverständ­lich. Auch ich erweitere den Wunsch eines langen Zusam­menwirkens zu der Bitte, daß Hochdieseiben auch ferner Ihr Vertrauen u. Ihre Neigung dem vaterländischen Unternehmen bewahren mögen, von denen ja diese Mitwirkung allein abhängt. Ich hoffe auf den Sieg des Unternehmens, welchem ich alle meine Kräfte widmen werde, so vollkommen uneigennützig u. ohne jede materielle Entschädigung, wie ich es bisher gethan, da ich die verfügbaren Mitteln des Unterneh­mens lieber der Ausgestaltung des Blattes zugewendet sehe; für mich begnügt, wenn es gelingt den Sinn für echte Freiheit u. echte Poesie (welche beide unzertrennlich von einander sind) unter unseren lebens- u. ideal-verarmten Mitbürgern neu zu erwecken. Dies mein Streben; das Andere liegt in der Macht jenes unenträthselten Wesens, welches aber gewiss die Geister nur berief, weil es im Geiste sich vollendet sehen wollte.

    Ich verbleibe hochachtungsvollst Hochderselben ergebenster

    Karl Pröll

    Karl Pröll
    ohne Ort
    Franz Michael Felder
  • Datum unbekannt
    30. September 1867

    österreichische Gartenlaube

    Hochgeehrter Herr!

    Herzlichsten Dank für Ihre freundliche Einsendung. Die Novelle entspricht sehr u. wird Ende Oktober o. im Novem­ber Aufnahme finden.

    Die Bedingungen, welche ich im Einladebrief mittheilte schei­nen Hochdieseiben (sowohl was Honorarhöhe als Zeit der Effektuirung betrifft) acceptirt zu haben; doch bitte ich zu meiner Beruhigung mir noch hierüber die ausdrückliche Mit­theilung zu machen.

    Wegen der fehlenden Nr habe ich der Administration die Weisung zukommen lassen. Ihres Winkes wegen der Vorarl­berger Blätter werde ich nicht vergessen. Nochmals herzlichsten Dank u. herzlichsten Gruß von Ihrem ergebensten

    Karl Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 27. September 1867

    Lieber Freund!

    Du kannst Dir denken, wie freudig ich überrascht wurde, als ich Deinen Brief erhielt, da ich Dich noch lange in Leipzig oder sonst wo in Deutschland dachte u. mir zuweilen gar der Gedanke kam, Du könntest für immer draußen bleiben. Ich hätte es Dir wahrlich nicht verargt, so sehr sich auch meine Selbstsucht dagegen wehrte. Daß es Dir dort gut gehen werde, war zu erwarten, u. ist auch nicht mehr als billig. Doch noch mehr als Dein Glück, das doch nur einzeln ist, freute mich die Nachricht, daß die Wälder noch in der 11. Stunde zur Besinnung gekommen, u. das letzte Rettungsmittel noch ergriffen haben, das ihnen sonst vielleicht lange nicht mehr gebothen worden wäre.

    Ach, wie oft schon habe ich beinahe geweint, wenn ich an die Mühe u. Arbeit dachte, die Du u. andere Menschenfreunde mit ihnen gehabt haben, die dennoch an der Regungslosigkeit der Wälder u. an der unerschöpflichen Dummheit u. Raserei der Pfaffen zu Grunde gehen sollte. Doch ich sehe es nun aufs neue ein, daß etwas wahrhaft Gutes denn doch nicht so leicht untergeht, oder eigentlich garnie, da es nur eine Zeit lang verdrängt werden kann, u. später mit neuer Kraft durchzu­dringen. Wozu sollte denn noch der Glaube an einen Gott dienen, u. wodurch sollte er bei denkenden Menschen noch erhalten bleiben, wenn uns nicht die Geschichte lehrte, daß noch immer das Bessere nach u. nach über alle Hindemiße gesigt hat.

    Je länger ich die Welt oder eigentlich nur unsere Erde u. ihre Bewohner, verständige u. unverständige betrachte, desto mehr befestigt sich mein Glauben an eine gütige Vorsehung, den ich eine Zeitlang fast verloren hatte. Deßwegen dürfte meine Base Mariann ruhig sein, da ja aus diesem Glauben allein schon natürlicher Weise der feste Wille entspringen muß, auch ein sittlich guter Mensch zu werden, wenn auch freilich nicht wegen Himmel u. Hölle. Das Interesse, das dieselbe für Dich hat, ist verflochten in dasjenige, welches sie für mich schon lange gezeigt hat, besonders, seit der Krieg mit dem Pfarrer ausgebrochen ist. Sie schrieb mir vor 2 Monaten einen langen Brief, woraus mich ihr Kummer um mich u. Dich beinahe lebendig ansah. Sie hatte eben auch viel von Deiner Glaubenslosigkeit u. weiß Gott was gehört, sah daß ich zu Dir hielt, wie Hanf u. Harz, u. so bekam sie eben auch Zweifel. Ich antwortete ihr sogleich, vertheidigte mich u. besonders Dich gegen alle diese Vor­würfe mit aller Beredsamkeit u. Eifer, die mir zu Gebote stan­den, u. es ist mir wirklich gelungen, sie zufrieden zu stellen. Sonst bin ich guten Humors u. gesund, nur die Arbeit geht schon bald aus, ich [werde] vielleicht bis Allerheiligen schon heimkommen, besonders, da ich für den nächsten Winter einen sehr sonderbaren Plan in petto habe, der hoffentlich Deine Billigung erhält, ohne die nichts aus demselben würde. Ich habe nämlich im Sinn, den nächsten Winter anstatt daheim an [der] Industrieschule in Zug zuzubringen, die ich bisher am Sonntage besuchte. Es sind gute Lehrer dort u. nicht viele Schüler, was die Kosten anbelangt, so komme ich eigentlich nur auf die Summe, um die ich die Kost theurer bezahlen muß, als in Schoppernau. Ich glaube auf diese Art den Winter weit nützlicher zuzubringen, als wenn ich daheim faullenze, denn Arbeiten heißt das doch nicht, wozu man keine Lust u. keinen Zwang hat. Ich werde daher nur etwa 8 Tage nach Hause kommen, um einiges zu ordnen u. dann wieder gehen.

    Noch etwas, möchte ich gern, u. zwar etwas Großes in den Augen mancher. Der Strolz, mein Meister ist nämlich ein armer Teufel, u. Du weißt, wie schwer ein Geschäft ohne Kapital zu führen ist. Deßhalb stellte ich ihm gerne mein Ver­mögen zur Verfügung, wenn ich es nur realisiren könnte. Daß ich sein Assossie würde versteht sich von selbst. Du wirst dabei an meine Unbesonnenheit im Handeln u. Wandel denken, u. mit Recht, wenn nicht der Strolz ein klu­ger häuslicher u. biederer Mann wäre, dem man so etwas getrost überlassen kann. Wenn Du also irgendwo hörtest, daß ein Kapital von etwa tausend Gulden zu bekommen wäre, würde ich gern Bürgschaft leisten, mit meinem Vermögen, das wenigstens fünfzehnhundert Gulden beträgt. Es wird wohl schwer halten, allein ich möchte es doch versuchen. Doch bleibt das unter uns, bis ich heimkomme. Die Mariann grü­ßest Du mir, da ich so bald heimkomme, schreibe ich ihr nicht mehr.

    Auch sonst grüße mir, wer mir nachfragt, damit Du wenig Arbeit hast.

    Dein Freund Natter

    Josef Natter
    Unterägeri
    Franz Michael Felder
  • 25. September 1867

    Lieber Freund!

    Anliegend schicke ich Dir die endlich rückeroberten Ge­spräche samt den hiezu gemachten Bemerkungen des Mayer. Ich bin mit letzteren einverstanden und zweifle nicht, daß Du die wünschenswerten Änderungen besser machst, als wir Dir selbe bezeichnen können. Den Ludwig Stein wird man sicher antiquarisch bekommen, aber Du kannst auch in ändern Büchern das Nötigste finden. Eines hat Mayer zu bemerken vergessen: Es soll hervorgehoben werden, daß das allgemeine Wahlrecht bereits in der Schweiz, in Frankreich, wo allerdings mißbräuchlich, annähernd in Ungarn und Italien und insbe­sonders auch in Deutschland, daher rings um uns herum gilt und in Anwendung ist und daß die mächtige Reformliga in England dasselbe auch dort durchzusetzen sich die Aufgabe gestellt hat. Auch in Nordamerika hat es Anwendung, und nur wir Deutschösterreicher sollen unter den Kulturvölkern von dieser Segnung der Zivilisation ausgeschlossen sein. In Süd­deutschland steht dessen Einführung in nächster Zeit bevor. -

    Mayer ist übrigens über die Arbeit und unser Unternehmen erfreut und verspricht sich merklichen Erfolg. Wenn Du die Arbeit fertig hast, schicke sie unmittelbar dem Mayer zu, der dann weiter sorgen wird. Etwa hundert Exemplare wird er an seine Bekanntschaften und hieher schicken, für die dann nichts einginge. - Wir haben hier wieder einige interessante Lassalle-Abende gehabt. Einmal war auch Professor Nachbauer von Feldkirch hier, der sich ebenfalls als Lassalleaner gezeigt hat. - Mayer reist heute wieder nach Wien. - Wie stehen die Aktien im Bregenzerwald? Wenn Du mir schreibst, was ich bald hoffe, schicke mir auch den Brief von Bruder Jakob mit der Rechnung. Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 25. September 1867

    Die Einleitung nicht passend. Wenn es auch im Bregenzer­wald anders gewesen sein sollte, gilt das nicht überall. Ich schwärme nicht für frühere Verhältnisse, die meiner Ansicht nach ungleich schlechter waren.

    - Was Sie (Bogen 3, 1. S.) über die franz. Revolution sagen, scheint mir nicht richtig. Sie sagen, die Bougeoisie kam bald wieder oben auf. Es war aber zum erstenmal daß die Besiet­zenden (Bourgeoisie) die Macht des Staates eroberten. Die Kämpfe der damaligen Zeit finden sich in eminenter Weise geschildert in Steins „Geschichte des Sozialismus u. Kommu­nismus in Frankreich". Mit der Berufung auf d. frz. Revolution müssen Sie jedenfalls behutsam zu Werke gehen; denn die Vorurtheile in dieser Richtung sind in Österreich noch zu groß. Übrigens wäre es sehr intressant, wenn die Klassen­scheidung (Auflösung des 3.ten Standes in einen 3. und 4. Stand) in schlagender Weise geschildert würde. Das Material dazu fände sich in Lud. Steins Werke, das ich oben zitiert habe.

    Was Sie über die Befähigung der Borgeoisie (im 5. B., S. 2) sagen, halte ich für ganz unrichtig. Humbold[t], Göthe u. Las­salle waren reiche Leute u. noch viele Männer, die bei ihren Forschungen staunenswerte Ausdauer bewiesen haben. Die Ideen über Handel u. Verkehr von Carey möchte ich ganz ausgemerzt wissen.

    Die Ansichten für u. gegen das allg. Stimmrecht sollten einan­der schärfer gegenüber gestellt werden. Auf diesen Theil der Arbeit möchte ich  den  Hauptwerth  legen.  Hier sollte das Feuer Lassalle's walten, u. die Ungerechtigkeit der Enterbung der Mehrzahl in den glühendsten Farben geschildertwerden.­Das 3.te Gespräch muß, wie Sie wohl selbst schon sagten, in jenem Theil, der nur lokal ist, ganz umgemodelt werden. Dieses sind in Kürze die Änderungen, die meiner Anschauung nach vorgenommen werden sollten. Es grüßt Sie herzlich Ihr

    Ergebenster L. Mayer

    Lorenz Mayer
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 12. September 1867

    Lieber Freund!

    Ich beeile mich, Dir die glückliche Heimkehr von Leipzig zu melden. Ich komme in jeder Beziehung reicher und gehe nun neugekräftigt wieder an meine Arbeit d h ans Schreiben. Dir zu erzählen, was alles ich erlebte Dir die Nahmen aller neuen Bekanntschaften zu nennen ist im Kurzen nicht möglich, Du mußt Dich daher für jetzt schon mit dem Obigen begnügen. Ich hab nun da und dort Boden, auch hier im Lande sind meine Gegner moralisch todt und mein Gedanke lebt. Ich habe die Geschichten des letzten Winters zum Theil an die große Glocke gehängt und den Geist unseres Jahrhunderts als Gehülfen auf die Kampfstätte gerufen. Er erschien und ich lebe. Auch die von mir angeregte Käshandlungsgesellschaft hat sich bereits konstituirt und den Obmann gewählt. Manche sind freilich nicht zufrieden daß wieder die Großen voran stehen, aber was soll man machen, wenn die Kleinen zu klein­lich [...]

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 12. September 1867

    Lieber Freund!

    „Ein Bauer in Leipzig." So könnte schlechterdings die Auf­schrift eines pikanten Gartenlaube Artikels lauten der über meine letzten Erlebnisse Bericht erstatten wollte. Doch jetzt schreib ich einen Brief und hier dürfte vielleicht genug sein, die glückliche Wiederkehr in die Heimath zu melden. Ich kam in jeder Beziehung reicher und die Reise mit Freund Hilde­brand, welcher mich in Schoppernau abholte, wird mir fürs Leben ein hoher Gewinn sein, dessen Zinsen meinem künfti­gen Schaffen zu gute kommen müssen. Was der Menschen­geist sich in Jahrhunderten errang, ich hab es genossen, hab mich erfreut am Größten, am Schönsten und bin nun neu­kräftig von der Quelle zurück, voll Muth an alles was immer kommen mag. Ich habe so recht das Gefühl gewonnen, daß ich letzten Frühling in meinem berühmt gewordenen Grenz­bothen Artikel „Zwei Geburtstage" meine Stellung sehr rich­tig bezeichnete. Doch da fällt mir eben ein, daß Du davon ja vermuthlich noch gar nichts weißt. Wars mir doch in der letz­ten Zeit rein unmöglich, allen an mich gestellten Anforderun­gen zu genügen. Gott, mir wird ordentlich bang, wenn ich die Menge Briefe sehe, die noch gar nicht - geschrieben sind. Und nun auch noch die Aufträge von Zeitungsredactionenü Und mein Roman! Du siehst, daß an das Heuen kaum noch zu denken ist, besonders da mir auch die nun konstituirte Käshandlungsgesellschaft neuen Muth zu ähnlichem Schaffen giebt.

    Die Aufnahme der Sonderlinge ist im Ganzen eine Günstige. Es dürfte nächstens eine neue Auflage nötig sein. Das Urtheil der Landeszeitung laßt sich hören. Die Ultramontanen schei­nen das Werk mit Verständniß zu lesen und mich als Katholi­ken würdigen zu lernen. Wir können es noch erleben, daß Rüscher auch von seiner Partei aufgegeben wird. Die Beweise freilich behalte ich einstweilen für mich. Es dürfte Dir für jetzt genügen, zu erfahren daß ich meinem Ziele mit Riesenschrit­ten näher gekommen bin und gerade meine Feinde haben hiezu mehr beigeholfen, als sie als Freunde im Stande gewe­sen wären. Verdruß ist auch ein Theil des Lebens. Jetzt sind wieder Neuwahlen für die Gemeinden ausgeschrie­ben. Draußen in Vorarlberg sind die Wahlen bereits vorüber und die geheime Abstimmung hat gar wunderliche Resultate zu Tage gefördert. So z B sind die Dicken in Bludenz mit Glanz - durchgefallen und Posthalter Wolf (Socialdemokrat) ist Bürgermeister von Bludenz. Hier freilich rührt es sich weni­ger und nur die Frommen wollen bei uns andere Vertrettung. Ich lache, denn ich komm erst diese Woche von Leipzig und Du glaubst gar nicht, wie kleinlich mir solch Getriebe vorkommt, seit ich dort größern Volks- und Arbeiterver­sammlungen beiwohnte, seit ich Männer mit Klarheit und Verständniß über Fragen reden hörte, welche für sie die wich­tigsten sind, und deren Lösung erst da recht als Bedürfniß empfunden wird. Erwarte daher nicht daß ich Dir heute in aller Eile den ganzen elenden Dorfklatsch auftische sammt allem was drum und dran hängt und nicht werth ist, auf so schönes weißes Papier geschrieben zu werden. Wahrhaft rührend ist mir das tiefe Interesse, welches Deine Base Mariann für meine Angelegenheiten gewann, Noch gestern war es hier und sprach den Wunsch aus, recht bald einen Brief von Dir zu erhalten. Es werde Dir gelegentlich schreiben. Die tägliche Post ist nun ausgeschrieben u die Bewerber haben sich gemeldet wer weiß ich nicht so genau da ich damahls nicht hier war. Sonst wenig Neues von Bedeu­tung; die Hochzeiten, von denen man jetzt redet werden wol alle noch im Gerede sein wenn Du wieder kommst. Man nennt den kleinen Schuhmacher, das Metzgerle, Koarado­buobo usw. Der letztere beginnt sich denn doch etwas einzu­wäldern. Unser Ländchen war heuer von vielen Reisenden besucht - Auch Bergmann war hier - gerade zur Zeit, als ich in Leipzig weilte. Von Zeit zu Zeit entsteht auch das Gerücht, Rüscher gehe fort; da es aber die gewünschte Wirkung nicht mehr thut, wird es gar bald wieder still. Überhaupt scheint dieses fromme Treiben mit der Zeit auch ändern Leuten lächerlich oder verächtlich zu werden.

    Kunz Feldkircher-Zeitungsmacher ist nach Amerika ich traf ihn den letzten Abend in Leipzig auf dem bairischen Bahnhof. Das Blatt wird vom 1 Oktober ab vom Gaßner, dem Bruder von Vorstehers Magd herausgegeben. Albrecht ist in Dornbirn und kommt zuweilen heim, um beim Heuen zu helfen. Doch nun bin ich zu Ende für jetzt. Leb wol Es grüßt Dich den Strolz u alle Wälder

    Dein Freund Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Natter
  • 9. September 1867

    Liebster Freund!

    Anstatt Wagengerassel hör ich wieder Schellengeläute und Dengelschlag. In der heitersten Stimmung kam ich gestern mit meinem Schwager glücklich hier ein und fand alles ge­sund und über meine Ankunft erfreut. Von Leipzig bis Mün­chen kam ich ohne besondere Erlebnisse wenn ich nicht die gemachten Beobachtungen hierzu rechnen will. In München suchte ich meinen Uhrenmacher vergebens. Ich blieb nicht lange, sondern fuhr am Mitwoch neben einem katholischen Geistlichen, der mich an Rüscher gemahnen wollte, nach Augsburg. Von hier bis nach Kempten litt ich an Bauchweh und fühlte mich so krank, daß ich zweifelte, ob ich überhaupt noch nach Lindau kommen werde. Ich fror und schwitzte, alle Stimmung war weg und nur einem Zustand in dem ich keines Entschlusses mehr fähig war, hab ich es zuzuschreiben, daß ich in Kempten sitzen blieb und mich willenlos vom Dampfroß weiter bringen ließ. Nun sah ich wieder Berge, der Widderstein grüßte mich, meine Stimmung kam wieder und ich kam glücklich nach Lindau wo ich auch meine Kiste fand, welche mir am ändern Tag auf dem Zollamt viele Plagereien machte. In der Nacht fuhr ich nach Bludenz von wo ich gestern mit dem Schwager zurük nach Hause kam. Der Uhrenmacher u das Wible haben meine letzten Briefe gar nicht erhalten und man war um mich in Sorgen, weil man schon 3 Wochen nichts mehr von mir hörte. Um so freudiger war dann das Wiedersehen. Ich denke viel an meine Lieben in Leipzig und grüße alle recht von Herzen, besonders die Deinigen, das liebe Hinterhaus und den Club. Ich will hier mich der Mitgliedschaft werth zu zeigen suchen. Gestern Abends waren wir im Schöpf des Bräuhauses und es wurde viel von Leipzig geredet. Mir ists Bedürfniß, die Gestalten und Bilder, die ich von dort mitbringe, immer wieder vor mir auszulegen, wie meine Kinder die Geschenke, die ich für sie von der Rößlewirthin kaufte.

    Ich hatte viele viele Grüße an Dich auszurichten, von Blu­denz u von hier doch es ist Zeit zum Heuen und ich weiß wol, daß es mich bald wieder an Dich zu schreiben drängt. Lebe wol und vergesse nicht

    Deinen Freund F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 5. September 1867

    Liebes Wible

    In Eile nur einige Zeilen denn ich fahre sofort nach Feldkirch u. Bludenz wohin ein Brief mich ruft.

    Am Sonntag kommt eine Kiste die nicht geöffnet werden soll, wenn ich bis dann nicht eintreffen werde. Ich kehre froh und glücklich [zurück] u. freue mich euch bald zu treffen. Den Uhrenmacher fand ich nicht und blieb von Leipzig bis Lindau 235 Stunden alein. Ich werde in froher Stimmung kommen wenn sie mir nicht noch verdorben wird was unter den jetzi­gen Umständen doch kaum zu fürchten ist. Von der Reise zu erzählen hab ich nicht Zeit, zu dem geht es schon stark gegen Abend. Um 8 Uhr fahre ich ab und treffe Nachts 2 Uhr in Bludenz ein, wenns in Feldkirch geht wie ich meine. Von Kunz hab ich mich in Leipzig am Montag Abends verabschiedet. Mir wurde der Abschied von Leipzig schwer. Ich freue mich auf die Ankunft in Schoppernau wo ich viel zu erzählen habe.

    Also lebt wol auf baldiges frohes Wiedersehen Dein Mindle

    Franz Michael Felder Am Sonntag denk ich bestimmt zu kommen.

    Franz Michael Felder
    Bregenz
    Anna Katharina Felder
  • Datum unbekannt
    2. September 1867

    [...] Keil zahlt mir allerdings für den Bogen 100 Fl, doch das ist ihnen nicht möglich. Sie kennen aber meine Lage und wer­den mir gern ein längeres Zusammenwirken möglich machen wollen. [...]

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Karl Pröll
  • 29. August 1867

    Lieber Freund!

    Am 26. August Abends bin ich von meiner Reise von Paris gesund u. wohlbehalten zurückgekommen ich behalte mir vor Dir meine Reiseeindrücke mündlich mitzutheilen, nur das kann ich Dir sagen, daß man in Paris alles vereinigt findet was die Welt im großen Äußern zu biethen im Stande ist. Ich mußte die Beantwortung Deines Schreibens verschieben um Dir Auskunft über den Käsehandlungsverein ertheilen zu können da erst heute die entscheidende Zusammenkunft statt fand.

    Der Verein ist nun konstituirt ungefähr nach den Hauptgrund­sätzen wie sie entworfen wurden. Und ich mußte mir leider die Stelle des Obmanns aufoctroiren lassen, ob wohl ich die Unvermögenheit diese Stelle auszufüllen klar einsehe; aber ohne daß ich die Wahl angenommen hätte wäre das Ganze in[s] Stoken gerathen. Nun heißts die Sache muthig angreifen und sich durch Hinterniße nicht entmuthigen lassen. Es ist dieß gewissermaßen Dein Werk, u. ich bin das ausfüh­rende Organ.

    Übrigens sind alle Mitglieder für die Sache sehr eingenom­men. Von den Auern erschien heute niemand auf der Ver­sammlung es ist jedoch nicht zu zweifeln, daß sie dessen ungeachtet dem Vereine nicht bei[t]retten werden. Es freut mich Dich wieder bald zu sehen, u. mit Dir unsere beidersei­tigen Reiseerlebniße austauschen zu können; es lebt etwas in Dir das mich mächtig an Dich zieht u. ich wollte nur wün­schen, daß ich Tag für Tag ein Stündchen bei Dir sein könnte.

    Nun lebe wohl auf glückliche Zurückkunft u. einen herzlichen Gruß von mir an Dr Hildebrandt u. seine Familie Dein Freund

    Josef Feuerstein

    Bildhauer Feuerstein in München wohnt: in der Augustiner­straße N 26 im 2ten Stock

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 24. August 1867

    Liebes Liebes Mindle!

    Vor einer Stunde von Hopfreben kommend, mit dem Spren­ger, von wo uns der Regen nachdem wir morgens den letzten, Michlo Bleatz gemäht hatten, vertrieb, kann u. will ich nichts anderes thun, befor ich mich ein bischen mit Dir ausgeplau­dert habe. Morgen istAuer-Kirchweih,-ein rothanzustreichen­der Tag für alle Thresele u. Sefrinen, für alle Liebredenden, hoffenden - erwartenden. Auch ich zähle mit zu welchen, auch ich habe Kirchweih, zwar nicht Morgen in Au, was soll ich dort? Habe sie eigentlich schon seit Mittwoch, wo ich die Briefe von der Mutter nachgeschickt erhielt. Mich freute, daß Du Dich wohl u. behaglich im neuen Freundeskreise in der Stadt der Bildung u. Intelligenz, in der nächsten Umgebung, in der Hildebrandischen Familie fühlst. Weißt Du all den guten Leute[n] auch Dank u. Anerkennung, für alle Genüsse, die Sie Dir villeich[t] durch eigenes Entbehren bereiten? Vor allem aber freut mich, daß Du in diesem großen Leben u. Weben uns Kleine nicht vergißt, auf jener wundervoll reizen­den Fahrt auf der Pleiße nicht vergessen hast, u. ich danke Dir für die zugeschickten Grüße, o, ich habe sie erhalten, hat ich Dich wieder einmal einen Augenblick!

    War ich doch auch so glücklich einmal als Vögelein so eine Mondscheinfarth mitmachen zu können, die den Bauerndich­ter zu einer Rede unter lauter grundstudirten Leuten Begei­stert. Das aber eben ist die Begeisterung, die reißend die Schranken überspringt. Wie Dir wohl König Lear gefällt, die­ses Dein Lieblingsstück, wie die Vorträge der Professoren? O kleines armes leeres Leben das ich lebte, gewiß, so muß es Dich überkommen? Die Landeszeitung will ich mir morgen od. heute noch verschaffen, um zu erfahren auf welche Art die Lawine Deines Lebens ins Rollen gerathen ist, auf die Recensionen bin ich sehr begierig, u. wenn Du mir irgend etwas zuschickest ist es mir sehr lieb. Dich von Lindau abzu­holen, däucht mir ein sehr guter Einfall, es hätte aber seine Bedenken, darum ist es mir lieb daß Uhrenmacher keine Bedenken hat, Dich von München abzuholen, wo es Dir, wie es scheint, sehr gut gefiele. Wenn dieser Brief wieder in Dei­nen Händen ist, hast Du Dich villeicht schon wieder zur Heimreise entschlossen, u. jedenfalls viel gesehen, gehört, Dich vielleicht so Eingeleipzigert, fühlst Dich so in Deiner Sfähre, daß es Dir schwer wird, wieder herzukommen. Aber mußt Du denn hier sein? Ich wünschte es, will es aber nicht. Man hat dem Großen das kleine zu opfern. Es ist denkbar ich hier, Du dort, wenn es zu Deiner geistigen Ausbildung, zu Deinem künftigen Glücke nothwendig ist. Ich glaube daß ich kann was ich muß, ja es freut mich wenn ich Dir ein Opfer bringen kann.

    Der Zustand des Heuer Bäßle hat sich wieder gebessert, doch wird sie heuriges Jahr wahrscheinlich nicht mehr heuen. Bia­rars u. Josefies Lisabeth hat man heute versehen, u. gilt ihr Leben bis Frühjahr verloren. Korado Bub wird von sich selbst nicht, u. noch viel weniger von Mühle Mianno vorgeasso, die ihm Grüße u. Nagele, Nagele u. Grüße schickt. Gestern be­suchte er die brandstätten in Bizau, vorgestern war er in Bad u. Hopfreben, morgen will er auf die Kilbe. Koarado Mottoll freut sich des Fuchses u. des jungen Goggis, Jauko Marile freut sich aber nicht des alten Goggis, hieran sieht man wie­der deutlich, daß nicht alle Leute gleich sind. Für das neue Botenamt hatten sich nun die Bewerber zu mel­den, wie bald aus der Schneckenpost eine Hasenpost entsteht, wird sehen, wer es erlebt. Ich wünsche Dir nun eine gute glückliche Nacht, eine gute Kirchweih, weißt wohl, daß es Morgen Sonntag ist? u. alles was Dir an Leib u. Seele wohl thut, es soll Dir gelten als kleine Entschädigung für das was Du bisher nicht hattest nicht konntest, u. doch nothwendig haben solltest. Grüße mir die Hildibrandischen bringe wenn es möglich ist ihre Porträtz, wenn Hugo ein guter junge ist den Du liebst, so ist er wie sein Vater, der es doch auch so gut mit Dir meint. Deinen Jungen glaub ich immer werden, trotz allem, doch auch noch gut, weil es ihr Vater auch ist. Sie lassen Dich grüßen Kaspar u. Jakob Dich u. den Hildebrand, sie seien Braf. Es grüßt Dich auch Mutter u. Wible. Nun hab ich aber geplaudert, u. ich will nun aufhören, damit Du nicht glaubst, ich sei eine großartige Plaudertasche gewor­den. Es grüßt u. küßt u. liebt u. denkt sehr viel viel an Dich, in Mondscheinnächten, u. heißen Sommertagen, Dein kleines Wible.

    Anna Katharina Felder.

    Gerade jetzt ging Elsensohn mit einer Wälderin hinunter, u. meldet mir seinen Besuch.

    Anna Katharina Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 23. August 1867

    Werthes Herr Vetterchen!

    Vorgestern abends endlich schickte mier das Herr Wible ein stück Briefchen von Hopfreben, wo bei sehr großer Hitze die Schlaudheuari prächtig geht. Nun weis ich doch endlich, daß Du Dich gut befindest u. freut mich auch schon recht hertz­lich, daß Dier das Küssen gefällt, daran erkenne ich doch wie­der, daß Du noch ein gemüthsmensch bist. Fast verwundert las ich in Deinem Briefe: Heute Abend gehe ich mit Lipert ins Theater. Denn ich glaubte sicher, Du werdest mir davon das erstemahl schon zu erzählen wissen. Jedoch bemercke ich, daß Du langsam zu Wercke gehst um nicht überrumpelt zu werden. Jetzt aber will ich Dier die allerneuesten Depeschen von der agens Coradoboube folgen lassen. Gestern wahr ich im Hopfreberbad, u. besuchte das Schlaudheuar Meister Wible, welches einen sehr guten Humor hatte u. mier sagte, daß es Dier am Sonntag schreiben werde, bis dahin das Mindle recht hertzlich grüßen lasse u. Dich mit Tausend küs­sen beschencke, daß Du ja in Leipzig auch welche habest, wenn Du Sie im Fall nothig hättest.

    Auch Deine Mutter läßt Dich schön grüßen u. wünscht daß Du Dich gut Unterhaltest, was die große u. kleine Bettluderei macht, weis ich nicht u. höre gar nichts davon. Heute nach­mittag gehe ich mit den Dockermindle nach Bitzau denn es sind dort vorige Nacht um 2 Uhr 10 Häuser abgebrannt in der nähe von der Kirche. Zum Schluße nun muß ich Dier noch sagen daß ich Dich im Stachusgarten am festgesetzten Tage erwarten werde.

    Doch es ist bald 1 Uhr u. um halbe 2 sollte ich in Au sein, denn Punckt Halb 2 gehts nach der Brandstätte. Es grüßt Dich vielmahl Dein Freund

    Felder

    Johann Josef Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 23. August 1867

    Lieber Freund!

    Ich weiß nicht mehr genau, an welchem Tag ich Dir meinen letzten Brief schrieb, und das müßte ich sehr genau, müßte sogar die Stunde wissen, wenn ich Dir alles Interessante seitdem mitteilen wollte und dazu auch die Zeit fände. Also kurz nur die Brocken, die gerade obenauf schwimmen. Der Besuch bei Hirzel, der mich bald nach der ersten Vorstellung zum Abendessen einlud, verlief zur allseitigen höchsten Zufriedenheit, und Hildebrand ist erfreut über den Eindruck, den ich den anwesenden Herrschaften hinterließ. Gestern ging ich an Hirzels Hause vorbei zu Keil, Hirzel kam auf die Straße und tadelte mich, daß ich nicht ein bißchen hineinkam. Keil sprach viel und war sehr freundlich. Er wünscht Beiträge von mir. Ich bring ihm vielleicht heute noch etwas. Ich habe hier viele, viele Bekanntschaften gemacht, die mir zum Teil von hoher Bedeutung sind, bin auch zum Ehrenmitglied des Germanistenklub ernannt und stehe in einem Kreise von Freunden, der sich auf jede Weise bemüht, mich die Stadt sowohl genießen als auch kennen lernen zu lassen, wenn das in so kurzer Zeit möglich wäre. Hildebrand opfert mir einen großen Teil seiner kostbaren Zeit, die ihm schon durch seine Berufsarbeit so sehr zersplittert wird. Ich fühle schon jetzt, wieviel ich durch diese Reise in jeder Beziehung gewinne, und auch meiner Heimat werde ich manches Gute mitbringen. Wir stehen und ringen nicht etwa allein. Der Knabe Karl könnte noch fürchterlicher werden, seit er sich vom deutschen Geiste angeweht fühlt.

    Die Wahlbewegung ist von Tag zu Tag im Wachsen, so daß der Brand in Hohen Georgienstedt bald wieder etwas ver­gessen sein dürfte. Sachsen hat denn doch noch viele Sachsen; in Leipzig suchen die Nationalen einen beliebten Kandidaten, um auch das Volk für ihn zu haben, aber es geht schwer, da schon zwei ablehnten: S. Hirzel und Stephani, Dr. Josef und Bindermann aber nicht durchzubringen [sind]. Jetzt redet man von Eckstein, dem Stuhlmeister der Freimaurerloge, einem Mann, den ich persönlich kenne und der mir einen bedeutenden Eindruck hinterließ. Letzten Freitag besuchte ich eine Versammlung der Nationalen, wo auch ein Arbeiter, Vogt, eine Rede hielt, über die Du gestaunt hättest. Seine Zuhörer waren die angesehensten und bedeutendsten Leip­ziger, was ihn aber nicht hinderte, frisch von der Leber weg zu reden. Interessant ist, wie ich jetzt mit Leuten aus aller Herren Länder deutscher Zunge und den verschiedensten Klassen verkehre. Die Sonderlinge sollen jetzt in keiner der vielen Leihbibliotheken mehr zu bekommen sein. Ich habe von Tüchtigen viel Gutes über das Buch gehört, und die Berliner Nationalzeitung wurde von bedeutenden Männern sehr getadelt, daß sie Kranzels Urteil über das Buch brachte. Die Kritik ist mehr gegen die Dorfgeschichte überhaupt ge­richtet als gegen mein Buch, welchem er nur weniger Re­flexion wünscht. Ich werde vieles Interessante in der Tasche und im Kopfe mitbringen. Hildebranden hätte Dein Kommen wirklich sehr gefreut. Ich habe dem Uhrenmacher den Tag meiner Abreise bereits gemeldet. Es ist der 3. September, an dem ich ihn abends 1/210 Uhr in München im Stachus treffe, wenn er kommt. Es wäre also möglich, daß ich Dich am 5-7. in Bludenz besuchte, sonst aber werde ich Dir von Bregenz aus noch einmal schreiben. Von Dir hoffe ich bald einen Brief hier mit recht viel Berichten aus Vorarlberg zu lesen. Deine Auffassung meiner Mitteilung des Inhalts einer Besprechung meines Buches im Magazin war richtig. Es gibt übrigens Leute, die mich nicht ungern hier behielten, und ich glaube, daß das auf meinen Wunsch auch bald möglich gemacht würde. Anfangs schien entschieden daran gedacht zu werden, Freund Hildebrand ist jetzt mit mir in diesem Punkte einig, wünscht aber, daß ich jedes Jahr eine Zeit hieher oder in eine andere Hauptstadt gehe, und seine Freunde sagen, das werde und müsse möglich werden. Mir wäre das durch­aus lieb, denn es ist mir hoher Genuß zu weilen, wo Kunst und Fleiß schon seit Jahrhunderten ihre Schätze sammelten.

    Eine neue Auflage der Sonderlinge wird im Winter er­scheinen, aber nicht zu herabgesetztem Preise, und es scheint mir, ob Mathis auf so ein Exemplar noch ziemlich lange warten müßte. Hier wird jetzt viel von Vorarlberg, dem sonst unbekannten, geredet und im hiesigen Tagblatt laden sich Gesellschaften zu „Sonderlingsabenden" ein.

    Meine wohl hundertmal verwünschte Binde steckt endlich zum ewigen Andenken in der Tasche. Dr. Meißner verhalf mir zu einer Brille, die mir sehr behagt und die ich künftig auch daheim zu tragen gedenke, denn sie gewährt mir den Vorteil, daß ich den Leuten viel herzhafter ins Gesicht zu blicken wage.

    Was macht Mayer? Ich freue mich, ihn zu treffen und manches mit ihm zu besprechen. Ihm, Dr. Bickel und Herrn Gaßner meinen Gruß. An diese drei denke ich, wenn ich an Bludenz denke, bei Leipzig werde ich an viele zu denken haben und an vieles. Die leere Tafel meines Gedächtnisses hat sich schon anständig gefüllt, und reich, wenn auch mit wenig Barem, werde ich zurückkehren in die Heimat, aus der gestern ein Brief vom Wible mir alles Gute meldete. Sogar die Mutter hatte einen Gruß hinzugeschrieben.

    Ich werde Dir von hier vielleicht nicht mehr schreiben, da ich mit der Abschrift der Liebeszeichen und auch sonst sehr be­schäftigt bin, von Dir aber hoffe ich, doch noch einen Brief zu erhalten. Lebe wohl! Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund                                            

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Kaspar Moosbrugger
  • 16. August 1867

    Lieber Freund!

    Glücklich und gesund sind wir am letzten Samstag abends hier angekommen und wurden von Hildebrands ganzer Fami­lie hier am Bahnhof abgeholt. Wir wären früher hergekom­men, wenn wir nicht einen Tag in München verweilt hätten. Und was ist ein Tag für alle Herrlichkeiten dieser wunder­baren Bier und Kunststadt? Mein Rückweg geht jedenfalls wieder über München und ich möchte Dich recht herzlich bitten, mir doch, da Du mir ja ohnehin schreiben und über die Erfolge deiner Agitation berichten wirst, nicht die Adresse des Bildhauers Feurstein zu vergessen damit ich dort zu München einen Bekannten und Führer finden kann. Von Leipzig könnte ich Dir viel erzählen. Selbst erleben ist doch ganz etwas anderes als Lesen, wenns Einem auch nicht gerade an Einbildungskraft fehlt. Erst im Leben wird diese recht thätig und fähig, für alles eher das richtige Maaß zu fin­den. Ich fühle mich in Hildebrands Hause schon recht ordent­lich daheim, fühle keinen ändern Zwang als den der Binde, an die ich mich nie gewöhnen werde. Ich habe schon manche liebe Bekanntschaft gemacht, habe schöne Stunden erlebt die mir für immer ein reicher Gewinn sein werden.

    18 August

    Die Art, wie ich Briefe schreibe, läßt Dich wol auch meine Lebensart errathen. Ich bereichere mich innerlich von Tag zu Tage. Meine Freunde hier sind aufs zärtlichste bemüht, mir den Aufenthalt angenehm u. segensreich zu machen. Hier beginnt die Wahlbewegung und der Kampf der preußischen und der sächsischen Partei wird von Tag zu Tage leidenschaft­licher. Hier ist politisches Leben und ich halte es für ein Glück, schon mit Leuten aus beiden Lagern bekannt zu sein. Ich denke, bis nach der Wahl hier zu bleiben dann aber sofort nach Hause zu reisen.

    Wir werden viel zu reden haben, von der Generalversamm­lung am 24. aber möchte ich schon brieflich etwas erfahren. Du findest doch Zeit, einen kurzen Bericht zu machen und auch zu sagen, was Du von Dr. Leitner über die Sammlungs­angelegenheit erfahren konntest und was es sonst noch neues im Ländchen giebt.

    Nun   aber  ans  Abschreiben   der   Liebeszeichen,  damit  die Arbeit noch vor der Abreise fertig wird. Mit herzlichstem Gruß, auch Deiner Frau Dein alter treuer Freund

    Felder

    Bei Dr Hildebrand in Leipzig Windmühlenstrasse 29.

    Josef Feuerstein
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 16. August 1867

    Lieber Freund!

    Dein wertes Schreiben habe ich gestern erhalten und mit vielem Vergnügen ersehen, daß Du die rechte Methode des Lernens und Bildens auf dieser für Dich und uns so wichtigen Reise in Anwendung bringst. Am meisten erfreulich scheint mir, daß Du unter den Urteilen über die Sonderlinge das des Magazins für die Literatur des Auslandes mitteilst, weil hier­nach die Vermutung gerechtfertigt ist, daß es Deinem Gefühl am meisten zusagt. Wohlan, werde Bahnbrecher für das Deutsche in Österreich und schreibe, wie vom Volk, so für das Volk! - Ich habe den Brief gleich im Kaffeehaus - es war Feiertag - verlesen, und man hörte andächtig zu. Man gratu­lierte und besonders Dr. Bickel und Andreas Gassner. Ich schrieb gleich dem Kunz wegen der Schriften und ging dann zu Mayer, der jetzt hier ist. Er las den Brief und war erfreut. Die Zwei Geburtstage können wohl nur in der Feldkircher Zeitung veröffentlicht werden, aber Kunz scheint wegen seiner Abreise gleichgültig zu sein und wird daher die Ände­rung in der Redaktion abzuwarten sein. Mayer zeigt sich sehr eifrig und studiert fleißig die Lassalleschen Werke. Er hat von mir das System der erworbenen Rechte und ist in der Haupt­sache mit uns derselben Überzeugung. Über die Verhältnisse in Wien ist er sehr gut unterrichtet, und ich wünschte nur, daß er am Hildebrandsabend bei uns gewesen wäre. Mayer wird Dich, wenn Du auf der Rückkehr von Leipzig nicht hieher kommst, vor dem Weggang nach Wien noch be­suchen. - Ich käme sehr gern nach Leipzig, Dich abzuholen, aber es wird unmöglich sein, weil eben Dr. Grebmer einen dreiwöchentlichen Urlaub erhalten hat und mein Abgang daher nicht mehr statthaben kann. Auch ist Schohmann [?] von Innsbruck noch hier, und die Grundlastenverhandlungen müssen mit ihm gepflogen werden.

    Dieser Tage schrieb mir Feurstein von Bezau, daß am 24. d. Ms. eine Versammlung wegen der Käshandlungsgesellschaft stattfinde und er mir den Entwurf der Grundsätze für dieselbe bis dahin mitteilen werde. Übrigens geht er nach Paris und will bis 24. wieder zurück sein. - Unter den vielen Erschei­nungen hoher Kultur wirst Du die des Lassalleanismus, wie er dort vorkommt, zu studieren nicht unterlassen, dabei aber nicht vergessen, daß die Lassalleaner bisher in Sachsen und Schleswig-Holstein sich am schlechtesten bewährt haben. -

    Von Jochum, den beiden  Dr. Fetz und Moosmann, daher von den Vorarlberg'schen Juristen  in Wien  erzählt Mayer nichts Gutes. Kein Wunder, da die Juristerei in Österreich durch und durch vergiftet ist. -

    Nach Hildebrands Weggang hatte ich einige Zeit mit den erhaltenen Eindrücken zu kämpfen, nun sehe ich, daß sie

    doch gut waren wegen der Anregung. -

    Übrigens herrscht hier die alte Monotonie des Lebens, und man bescheidet sich mit den Gemütsfreuden, die es bietet.

    Ich freue mich auf baldige weitere Nachrichten. Dem Herrn Hildebrand bitte ich meine Empfehlung zu melden. ­Mit Gruß und Handschlag, Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 13. August 1867

    Liebes Wible!

    Ich lobe mir mein Leipzig - es ist ein klein Paris und bildet seine Leute. Mit diesen Worten Göthes, der auch den Einfluß dieser Stadt empfand, glaube ich den ersten eigentlichen Bericht über das jetzige Walten und Geschaltenwerden Deines Minchens ein­leiten zu dürfen. Erwarte aber ja nichts Ausführliches! Wann um Gotteswillen sollte ich Zeit finden, das Einzelne bis ins Einzelne zu verfolgen? Also kurz ein Abriß des Ganzen im Sinne eines Tagbuches. Am Sontag blieb ich so ziemlich ruhig und still, Alles war mir fremd, und selbst in dem freundlichen Entgegenkommen der Hildebrandschen sah ich etwas, das mir zuweilen fast als etwas gemacht erscheinen wollte. Nun aber schon gestern lernte ich mehrere Mitglieder des vielgenannten Germanisten Klub kennen, und diese scheinen mich durchaus nicht an langer Weile leiden lassen zu wollen. Du darfst nun den Brief lesen, den ich für den Uhrenmacher beilegte, damit ich nicht alles doppelt zu schreiben brauche. Ich habe nämlich hier allerlei zu thun. Jetzt z Z lese ich die bisher bei Hirzel eingegangenen Besprechungen meiner Sonderlinge. Unter diesen interessiert mich voraus eine im Magazin f d Literatur d Auslandes, von der ich auch jeden­falls eine Abschrift mit heim bringen werde. Aber nun ists Zeit sich zur verabredeten Fahrt aufs Land vorzubereiten. Also morgen mehr!

    Morgens am 14 August

    Gestern Abends großer Ausflug. Der Germanisten Club hatte zwei Kähne gemiethet, auf denen wir Abends 5 Uhr über die Pleiße hinaus fuhren. Denke Dir einen stillen tiefen Strom über dem sich 1 Jahrhundert alte Eichen wölben, den Vogelsang den nur der kräftige Klubgesang unterbricht, dann wieder das Hereinbrechen der Sonne ins grüne Halbdunkel. Und hier, in einem Kreise lieber Freunde denke Dir dein Mindle, dem zu Ehren das alles veran­staltet war. Ich habe nicht Zeit, Dir von der Sitzung im Fichtenwäldchen zu berichten wo ich die erste kleine Rede hielt aber der herrlichen Heimfahrt im Mondschein muß ich hier und werde ich immer gedenken. Hildebrand, Meißner u Flügel führ­ten die Boote, die ernsten Eichen lauschten dem kräftigen Männergesang. Rechts im Fichtenwäldchen Feuerwerk, links von der Stadt Konzert, hinter uns auf dem Wasser lieblicher Mäd­chengesang, und vor uns das Strahlenmeer, das der Mond über die dunkle Fläche ausgoß. O ich wollte, Du wärest dabeigewe­sen. Der nämliche Mond lächelte uns zu, der Dir vielleicht eben beim Trockenlegen Hermanns leuchtete wenigstens hab ich ihm meine Grüße an Dich übergeben und ich hoffe, Du werdest sie auch gehörig erhalten haben. Heut oder Morgen gehe ich zu Hirzeln und bin schon begierig wie wol diese Audienz für mich ausfallen wird. Ich halte das für wichtig wenn auch nicht mehr geradezu für entscheidend, indem ja die Lawine meines Lebens bereits zum Rollen gekommen ist. (Siehe Vorarlberger Landes­zeitung.)

    Wenn ich Dir in diesen Tagen eine Zeitung oder so etwas zusen­de, so lese es ganz durch. Ich denke Dir einmal so etwas zu schicken, daß Du ein Bild vom hiesigen Leben bekömmst. Von meiner Heimreise läßt sich jetzt noch nichts Bestimmtes sagen. Einstweilen bleibe ich hier und werde den Tag meines Eintreffens in München noch früh genug angeben, daß der Uhren­macher mir entgegen zu kommen im Stande ist. Stettner in Lindau machte den Vorschlag, Du sollest mir bis Lindau entgegen kom­men. Ich weis nicht, ob sich das machen läßt. Wenn der Uhren­macher nicht Wort hielte, wärs mir sehr lieb, doch ich denke Dich im nächsten Sommer wol weiter als nur bis Lindau mitneh­men zu können.

    Wie lebt ihr? Seid friedlich und froh, reiniget euer Wesen von aller Kleinlichkeit, damit ihr würdig seid, mich wieder zu emp­fangen!!

    Ich muß denn doch an den Schluß meines Briefes denken, damit er euch noch am Sontag zukommt und ihr neugierigen Fragern er­zählen könnt wie ich lebe und daß es mir gut gefällt und daß ich mich einen Sch..ß D...k um unsere Frömmler kümmere, daß ich aber den ersten Hetzern für sehr Vieles danken müßte, wenn ich ihren Willen und Absicht nicht gar zu gut kennen gelernt hätte. Der Weltfrieden scheint für dieses Jahr uns denn doch sicher zu sein und die Cholera bleibt bisher im Süden sollte sie auch da heraufrücken, so würde ich fliehen und früher als ich sonst beab­sichtigte, zwischen unsere Berge eilen. Hier in Leipzig ist alles zu haben nur nicht frische Luft, staubfreie Strassen, gutes Wasser gute Milch, frische süße Butter u d g. Die erst vierjährige Hedwig deklamirt. Emi lernt Französisch und das Liebste der Kinder ist mir der fleißige und herzgute Hugo, der schon den ersten Tag mein Herz gewann.

    Hier wird auch viel geküßt und zwar nicht nur im stillen Kämer­lein, sondern - überall und bei jeder Gelegenheit, das kannst Du der Mutter recht laut vorlesen und auch meine Bemerkung, daß mir das recht gut gefällt. Nun aber muß ich denn doch bald schließen und mich ordentlich anziehen denn in 20 Minuten kommt einer aus dem Klub, mich ins Museum abzuholen, das Frühstück d h z Nünni hab ich eben gehabt u zwar Leipziger Wurst, Doppelkümmel und Schwarzbrot.

    Du siehst es läßt sich hier ganz gemüthlich leben ob sich auch arbeiten läßt wird sich nachmittag zeigen, denn ich denke an das Abschreiben der Liebeszeichen zu gehen, um wenn möglich Hrn Keil das Ganze selbst vorlegen zu können.

    Sind noch keine bedeutenden Briefe für mich da? Andere brauchst Du nicht zu schicken, sondern es genügt, mir den Inhalt derselben kurz anzugeben, Du wirst mir dann auch Neues schrei­ben wenn wirklich etwas in der Gegend geschehen sollte, was ich aber fast für unmöglich zu halten geneigt bin.

    Lebe wol, liebs Wible. Es grüßt und küßt Dich Dein

    Franz M Felder

    bei Dr Hildebrand in Leipzig

    Windmühlenstrasse 29

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Anna Katharina Felder
  • 12. August 1867

    Lieber Freund!

    Das, was man bei uns den Franzmichel nennt, wurde wirklich noch so ziemlich in derselben Form hier abgeladen, in welcher er unter Euch zu wandeln pflegte, mit dem einzigen Unterschied, daß mein linker „Lug ins Land" den Blicken empfindsamer Leute durch eine Binde entzogen wurde. Denke Du Dir mich mit dieser Binde, recht klar stelle Dir mich vor, und Du weißt auch, wie der Gemütsmensch Felder hier lebt. Aber ich bin ja erst 36 Stunden hier, so daß ich noch kaum von etwas anderem als meiner Herreise berichten kann, wenn ich nicht die Schubladen meines Denkens und Fühlens aufziehe - und das will ich heute nicht. Daß wir noch Vaduz besuchten, weißt Du sicher schon längst, ich sage das nur noch, weil sich damit erklärt, warum wir erst am Dienstag von Schoppernau abreisten. Die letzte Gestalt meiner Heimat, die ich sah, war der etwas beduselte Pfarrer von Schwarzenberg, neben dem wir am Mittwoch bis Schwarzach fuhren, in Lindau verweilten wir nur kurze Zeit, da der Zug schon 1 Uhr 35 nach Augsburg dampfte. Beamte grob, Gesellschaft still zum Schlafen geneigt. Hildebrand hatte seine Freude an dem altertümlichen Augs­burg, mir aber war das an Kunstschätzen aller Art so reiche München lieber, und unvergeßlich wird mir der Tag bleiben, wo ich in der Stadt herumstrich, die mir eine neue herrliche Welt erscheinen ließ. Am Samstag fuhr ich ungern weg und wir langten abends 1/2 11 Uhr hier im Südbahnhof an, wo Hildebrands Familie uns erwartete. Eins fiel mir von München her besonders auf: Je mehr es nach Norden geht, desto besser werden die Wagen, größer die Bahnhöfe, artiger die Beamten und gebildeter die Gesellschaft. Von Eger (Böhmen) hörte ich nur noch hochdeutsch reden. Man fühlt sich gleich in die Unterhaltung hineingezogen, und auch in dritter Klasse triffst Du Gesellschaft, der gegenüber viele unserer Damen und Frauen nur Küchenmägde sind. Mir ward anfangs etwas wunderlich, hier jedes Kind ungezwungen und rein hoch­deutsch reden zu hören, doch fühl ich schon, daß man daran sich leicht gewöhnt. Ich erkläre mir nun durch mich selbst, was hier einen Goethe so anzuziehen vermochte. Auch mir wird es ein hoher Gewinn sein, die hiesigen Verhältnisse auf mich wirken zu lassen und dann bereichert in unsere düstere starre Heimat zu kommen, um alles das zu ordnen und wenn möglich, für uns fruchtbar zu machen. Schon die letzte Woche war mehr für mich als sonst ein Jahr mit hundert Bänden in Großquart. Doch Du wirst vielleicht nach diesem sorgen, daß mich etwa die höflichen Sachsen schon eingesackt hätten. Da laß Du nur mich. Ich will alles offen und liebevoll in mich aufnehmen und dann sehen, was daraus werden wird. Von Leipzig hab ich noch nicht viel gesehen, denn gestern waren wir doch noch etwas müde von der langen Fahrt. Heute ist Freund Hildebrand wieder in sein saures Tagwerk einge­spannt und befindet sich augenblicklich in der Thomasschule, während ich an seinem Schreibtische sitze im hohen Arbeits­zimmer, welches so ziemlich dem Gewölbe einer Buchhand­lung gleicht und mit den seltensten Schätzen unserer Literatur gefüllt ist.

    Dem Wible hab ich noch gestern meine Ankunft und mein Wohlbefinden gemeldet. Auch da mußte ich auf den nächsten Brief vertrösten, denn erst heute denk ich, mich in die Stadt und ihr Getümmel hineinzuwagen und wenn möglich auch das Theater zu besuchen, um es mit dem in München zu vergleichen. Auch von Besuchen bei Keil, Hirzel, Freytag im Germanistenklub u. a. wurde schon geredet. Nächstens sollst Du mehr und viel von Leipzig hören, vorher aber erwarte ich Nachrichten von Dir. Die Allgemeine Zeitung wird sich bald über die Sonderlinge vernehmen lassen. Das wurde Hilde­branden von der Redaktion freundlich zugesagt. Meine Heils­geschäfte werde ich vielleicht in der österreichischen Garten­laube erscheinen lassen, deren Herausgeber mir schon einen zweiten Brief mit nicht zu verachtenden Zusagen schrieb. Ich wollte, Du wärest hier, die Herfahrt kostet etwa 20 Fl., wenn man von München die neue Ostbahn über Eger be­nützt. Hier beginnt die Wahlbewegung, Hildebrand hat mir versprochen, mich in eine Lassallesche Arbeiterversammlung zu führen. Das würde auch Dir sehr interessant sein, be­sonders das Lassallefest am letzten August. Hübsch war's freilich, wenn Du nachträglich Dein vor einem Jahr schon halb gegebenes Wort einlösen und herkommen würdest, daß wir dann zusammen heimreisen könnten. Da Du mir doch recht bald schreibst, bist Du doch so gut, mir mitzu­teilen, ob denn gar nicht daran zu denken sei.

    L. Mayer ist nun wohl von Wien zurück, ich bedaure sehr, daß ich ihn nicht mehr antraf, doch ich hoffe, daß das auch noch nach meiner Rückreise anfangs September möglich sein werde. Grüße ihn mir herzlich und sag ihm in meinem Namen herzlichen Dank um alles, was er für mich getan hat. Engelbert Keßler hat mich um Übersendung der Zwei Geburtstage ersucht. Das ist aber jetzt nicht möglich, ein Exemplar befindet sich noch in den Händen des Kunz. Sei so gut, dieses und die „Gespräche" (Manuskript) sofort nach Bludenz zurückzusen­den, damit beim Redaktionswechsel mir nichts zugrunde geht.

    Du kannst dann die Zwei Geburtstage auch dem jungen Bargehr und anderen geben, bis ich weiter darüber zu ver­fügen in der Lage bin. Sollte Mayer den Abdruck des er­wähnten Grenzbotenartikels wünschen oder für zweckmäßig halten, so wäre mir es hier ein leichtes, die Bewilligung des Nachdruckes für ein vorher zu nennendes Blatt zu erwirken. Ich bitte Dich, mit Mayern von der Sache zu reden. Wie ich zuverlässig erfuhr, will Bergmann nach Schoppernau. Ich hoffe, daß er meine Abreise noch früh genug erfährt, um einen Gang, der für den - alten Mann gewiß ein harter wäre, nicht mehr machen zu müssen.

    Dem Dr. Bickel meinen und Hildebrands herzlichen deut­schen Gruß. Was machen die Herrn in Bludenz, und was gibt's Neues im Land, welches, wie Du siehst, „im Strudel der Eindrücke" von mir noch nicht vergessen, sondern nur allen­falls ein wenig bedauert wurde, das aber darf, soll und muß, wer mit einem Herz im Leib und freiem Blicke zu vergleichen beginnt. - Hier redet man ziemlich laut davon, Beusts Stellung wäre bedeutend erschüttert und man würde nochmals zurück­zugehen versuchen auf das liebe Alte.

    Einen Tag später

    Nun sind es gerade 24 Stunden, seit ich abbrach, und schon hätte ich Dir eine Fülle von Erlebnissen zu melden. Hirzel schickt mir ein Päcklein Urteile über die Sonderlinge, mit denen ich im ganzen zufrieden sein darf. Das Magazin für die Literatur des Auslands möchte mich als Bahnbrecher für das Deutsche in Österreich sehen und daß ich nicht nur vom Volk, sondern auch für das Volk schriebe. Gestern abends und heute morgens hörte ich Roschers nationalökonomische Vor­träge. Im Theater sah ich Shakespeares König Lear, heute abends - mir zu Ehren vom Germanistenklub Festfahrt nach Kunnwitz u.s.w. Ich habe schon liebe Bekannte, die mich zu jeder Tageszeit besuchen und mich begleiten, wohin ich will. Die Sächsische Zeitung hat schon mit gesperrter Schrift die Ankunft des bekannten Bauerndichters Felder gemeldet, und heut ergänzen die Leipziger Nachrichten diesen Bericht durch das Beifügen, daß Felder mehrere Wochen hier verweilen werde. Nun, das denke ich auch, denn hier ist das Leben so reich, und mir tut es so wohl, an der Quelle zu stehen und zu trinken. Hildebrand versichert mir wiederholt, daß ich mich sehr gut halte, und Dr. Flügel hält mich schon für ordentlich eingeleipzigert.

    Morgen soll ich zu S. Hirzel, der, nebenbei bemerkt, von den Nationalen für den Reichstag vorgeschlagen wird, sein Gegen­kandidat Dr. Josef hielt gestern bei der Versammlung gegen ihn eine Rede. Von den hiesigen Lassalleanern scheint man nichts zu  erwarten,  als  daß  sie wieder  in  den  Sack der Partikularisten kommen. Doch genug für heute. Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

    Felder

    bei Dr. Hildebrand in Leipzig Windmühlenstraße 29

     

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Kaspar Moosbrugger
  • 11. August 1867

    Liebes gutes Wible!

    Also wirklich und wahrhaftig in Leipzig wie hereingeschneit. Ich hätte zu lang wenn ich Dir des Langen und Breiten berichten wollte wie und in welcher Stimmung mein Leichnam am Mittwoch von Bezau bis Augsburg, Donnerstag von Augsburg bis München und gestern von München bis Leipzig (140-160 Stun­den), geschoben wurde, daher bleib ich für jetzt in München, wie wir es auch am Freitag wirklich gemacht haben. Doch was soll ich Dir in Eile von all den Herrlichkeiten erzählen, die die Kraft und der Gedanke von Jahrhunderten schuf. Heute kann ich Dir eigentlich nur meine glückliche Ankunft in Leipzig melden auf daß man in Israel wisse, der Herr der Dampfwagen habe mich beschützt und nicht ganz zu Grunde gehen lassen. Ich wüßte Dir auch sonst schon viel Interessantes zu berichten, aber dazu gehört die Stimmung, die ich mir erst wieder gewin­nen, oder eigentlich ordnen muß zudem hab ich Eile, denn ich denke, dieser Brief soll Dir noch am Mittwoch zukommen. Von Leipzig hab ich noch gar nichts gesehen als den Bahnhof und auch den nicht recht, denn wir dampften Gestern Abends 1/2 11 Uhr ein und wurden gleich von Hildebrands Familie empfangen. Daheim angelangt, waren wir müde, und heute ist der Brief an Dich meine erste Arbeit vor der keine Andere mich recht freuen könnte. Die Leute hier sind ungemein freundlich herzlich und zuvorkommend. Ihre Sprache auch die des kleinsten Kindes ist eine hochdeutsch[e] und das geht so ungezwungen und gemäch­lich gemüthlich daß man unter lauter Professoren und Gelehrten zu sitzen meint.

    Ich selbst komme mir hier etwas wunderlich vor, aber es ist mir durchaus nicht unbehaglich, wie etwa bei unseren Aristokraten in Feldkirch und Bludenz. Je mehr man auf der Eisenbahn nördlich fährt, desto gebildetere Gesellschaft sieht man neben sich und desto artiger werden auch die Angestellten beim Bahnwesen.

    Nicht wahr ich käme schon fast zu einer Lobrede auf sächsisches Wesen, aber auch daran könntest Du Deine Freude haben, da sie Dir ja nur bewiese, daß ich einstweilen recht gut aufgehoben bin. Von Dir erwarte ich bald Nachrichten aus der Heimath und ver­spreche Dir auch nächstens mehr zu schreiben. Grüße mir die Mutter und alle die nach mir fragen, dem Uhrenmacher schreib ich wol bald selbst. Doch nicht heute, wo ich am liebsten gar nichts thun, nichts sehen und nichts hören möchte.

    Sorge dafür, daß die Mutter es nicht zu streng hat, doch schone auch Dich selbst. Mit einigen erbärmlichen Batzen die wir doch wol anderwärths werden einbringen, können wir ja einen Tagwerker bezahlen.

    Es grüßt und küßt Dich mit inigster Herzlichkeit

    Dein

    treuer

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Leipzig
    Anna Katharina Felder
  • 9. August 1867

    Lieber Herr Felder!

    Endlich war es mir gegönnt Wien wieder einmal zu verlassen und den mir so theuren Bregenzerwald zu betreten. Dießmal komme ich nicht allein, sondern in Begleitung meiner Frau, einer warmen Freundin der Natur, und meiner Tochter, welche beide in den salzburgischen u. steiermärkischen Gebirgen gewesen sind, nirgends aber das einfach Schmucke, die Nettigkeit im Hause und in dem ehrbaren Haß gefunden haben. Die vorigen zwei Wochen weilten wir zu Hittisau, meinem Geburtsorte, unter Brüdern, Vettern u. Basen; vor­gestern am 7. Aug. übersiedelten wir nach dem gastlichen Schwarzenberg, von wo aus bei gnädigerem Himmel als im vordem Walde Frau u. Tochter leichter den innern Wald ken­nen lernen können.

    Was mich betrifft, muß ich meine alte, vielgebrauchte Lunge sorgsam schonen, damit sie - so Gott will - noch ein paar Jahre ihre Dienste thue.

    Ich veranlaßte daher am schönen Morgen des 9. Aug. die Fahrt auf einem Wägelchen nach der Au, von wo sie nach Schoppernau hinüber zu wandern gedenken. Sie bringen Ihnen zwei Hefte, welche zur nähern Kenntniß der Belage­rung von Bregenz im J. [1408] u. dessen Retterin Ehrguta, ferner der Grafen v. Montfort-Bregenz-Pfannberg u.s.w. bei­tragen. Wollen Sie diese Heftchen wohlwollend als freund­liches Andenken annehmen, wobei ich mir erlaube Ihnen anzuzeigen, daß ich den Betrag für das Exemplar der mir zugedachten Sonderlinge in der Braumüller'schen Hofbuch­handlung auf meine Rechnung setzen ließ u. somit dasselbe nicht auf Ihre Rechnung kommen darf.

    Nach meiner Rückkehr soll meine „Landeskunde Vorarlbergs" unter die Presse kommen.

    In vollster Hochachtung verbleibe ich wie immer ihr alter Landsmann

    Jos. Bergmann

    Josef von Bergmann
    Schwarzenberg
    Franz Michael Felder
  • 1. August 1867

    Lieber Freund!

    Wie wir verabredet, so theile ich Dir mit, daß ich mich ent­schlossen Deine u. des Dr. Hildebrandt gemachte freund­schaftliche Einladung zur Reise nach Leipzig nicht anzuneh­men, obwohl ich diesen Antrag im Herzen sonst mit tausend Freuden angenommen hätte. Die Gesellschaft des Hr. Dr., dessen Wesen mich ganz für ihn eingenommen hat, dann der Genuß mit Dir die Eindrücke von allem was Jahrtausende geschaffen theilen zu können, das waren reizende Versuchun­gen. Auf der anderen Seite aber war der Gedanke - /: Wir sprechen allezeit offen mit einander:/ entscheidend, daß ich doch nicht eine solche Summe Geldes, wie sie diese Reise kosten würde, zu meinem Vergnügen ausgeben dürfe, das sei meinen jetzigen Vermögensverhältnissen nicht angemessen. Zudem wäre ich, wenn ich in Leipzig in Gesellschaft gezogen worden wäre, immer wie auf Kohlen gewesen. Also recht glückliche Reise, u. wenn Du zurückkömmst mußt Du mir von allem erzählen.

    Gestern war ich bei der Tafel des Hochw. Bischofs; sie war eigentlich nicht interessant, denn er erzählte immer, so daß sonst gar Niemand zu Wort kam. Bei der Tafel waren außer den geistl. Herrn der Hr. Bezirksvorsteher u. Dr. Leit[n]er. Nach der Tafel verfügte sich der Bischof noch ins obere Zimmer zum Vorbereiten auf die Abreise, der Hr. Bezirksvorsteher benützte diese Zeit um den zurückgebliebenen geistl. Herrn mitzutheilen, daß die Untersuchungssache Felders zu gar nichts führe, u. daß namentlich die letzten Zeugen die Felder berufen, gar nicht Stand gehalten. Indessen kam der Bischof zurück, u. Hr. Bezirksvorsteher sagte, daß man eben von Fel­ders Angelegenheit gesprochen habe. Hochw. Bischof fing hierauf gleich von der Klarstellung an zu reden, u. sagte er habe dieselbe studirt u. das Ergebniß sey gewesen: Klarstel­lung - Sillabus - Sillabus - Klarstellung - Klarstellung - Silla­bus. Das heiße entweder man sei Katholik u. verwerfe die Klarstellung oder man trette der Klarstellung bei u. höre auf Katholik zu sein. Er kam noch auf das Vorarlberger Volksblatt zu sprechen, u. sagte daß man ihm Artikel zur Prüffung vor­gelegt, daß er diese Prüffung aber zurückgewiesen, daß er also mit dem Volksblatt sich nicht eingelassen habe u. auch mehrere Artickel desselben nicht billige. Mittlerweilen mußte man abreisen bevor man noch vom Fel­der sprechen konnte u. Hr. Bezirksvorsteher küßte der fürst­bisch. Gnaden herzlich die Hand. Ich zweifle nicht, daß nicht der Gdevorsteher v. Schoppernau wirt vorgeladen werden u. bin begirig auf das Resultat der Verhandlung, hoffentlich wird er fest auftretten, es kömmt hierauf sehr viel an.

    Ich war auch nicht am Schwarzenberg wegen schlechten Wet­ters, jedoch war Kaufmann draußen, und hat mit Feurstein geredet, der selbst einen neuen Entwurf der Hauptgrundsätze gemacht habe, jedoch mit Hirschwirth u. Ignaz wegen des Schießens keine Gelegenheit zur Rücksprache hatte. Bis Du wieder von Bludenz kömmst hoffe ich werde ich Dir genaues schreiben können. Es grüßt Dich Dein Freund

    Josef Feuerstein Viele Grüße von meiner Frau u. mir an Dr. Hildebrandt

    Josef Feuerstein
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 30. Juli 1867

    Verehrter Landsmann!

    Bergmann ist bereits abgereiset u. werden Sie ihn in Hüttisau treffen.

    Dr Hildebrandt- Ihr Freund u. Gönner- besitzt ein Verdienst nicht blos um Sie, auch um Vorarlberg, dem er durch die Ein­führung Ihres Namens in die deutsche Literatur einen Dienst erwiesen.

    Ich bitte mir diesen Mann aus ganzer Seele zu grüßen u. ihm zu sagen, daß ich mich freuen würde, seine ausgezeichnete Bekanntschaft zu machen.

    Weßhalb ich in Mitten dringender Geschäfte mich veranlaßt finde Ihre liebwarmen Zeilen sogleich u. daher kurz zu beantworten, hat zunächst den Zweck, Sie zu bitten, mit Ihre Gei­stesprodukte nicht vorenthalten zu wollen - wenigstens mich in Kenntniß zu setzen, wo etwas erschienen. Wenn aber immer thunlich, mir etwas zu schicken, namentlich jetzt, wo ich mit einem Plane für Sie umgehe - daher sehr gerne den Artikel: „Zwei Geburtstage eines Bäuerleins" lesen möchte. Ebenso intressirt mich die zeitgemäße Idee der Gründung einer Käshandlungsgesellschaft.

    Wollen Sie mir doch auch gefälligst mittheilen, wie lange H Dr Hildebrandt im Walde zu verweilen gedenkt? Stehen Sie nicht mit Auerbach in Korrespondenz? Das nächste mal mehr - wo möglichst recht viel. Wie gehts H. Dr Feuerstein?

    Führen Sie H. Dr. Hildebrandt auch ins Walserthal. Erweisen Sie mir diesen Gefallen. Herzlich grüßend Ihr ergeb.

    Eng Keßler

    Engelbert Kessler
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 29. Juli 1867

    Gartenlaube für Österreich.                         

    Hochgeehrter Herr!

    Ihren so freundlichen Brief heute erhalten. Werde das Mög­lichste thuen, um dem Blatte einen gediegenen Inhalt u. eine echt freiheitliche Richtung zu geben. Denn so sehr ich Deut­scher vom ganzen Herzen bin, so ist doch mein oberster Grundsatz: Zuerst die Freiheit u. dann die Nationalität u. ich kann mich nur mit jenen nationeilen Bestrebungen befreun­den, die zugleich der staatlichen, religiösen u. socialen Befreiung dienen. Ich glaube in diesen Ansichten berühre ich mich nun mit Ihnen u. ich liebe die deutsche[n] Nationen nur deshalb so innig: nicht weil ich zufällig das Kind einer deutschen Mutter bin, sondern weil ich hier die meisten Ele­mente einer echten Culturfreiheit finde, die sich auch trotz einzelner Verirrungen von Parteien u. Parlamenten, die wohl­erworbene Rechte opferten, siegreich Bahn brechen werden u. müssen. Dann werde ich mit Stolz Deutscher sein, weil ich es nicht aus Chauvinismus, sondern aus Liebe zum Fort­schritte bin. Wenn ich je daran zweifeln müsste, wäre ich lie­ber in Inner-Afrika geboren.

    Gütige Einsendungen nehmen wir mit Freuden entgegen. Bie­ten können wir freilich bei unserem jungen Unternehmen wenig. Wir bieten, was wir [Vämburg], Thaler, Glaser etc. boten, d. i. für unsern Druckbogen (der übrigens nur 900 Zeil., während er bei allen gross. Blättern zu 2000 Zeil. gilt) 32 fl, zahlbar am Ende d. Semesters d. i. 31. Decem[ber]. Indem ich hoffe, dass Hochdieseiben Ihre bedeutende Kraft dem Unternehmen oft widmen werden, mich auch gerne zu grösseren Besprechungen Ihrer Publikationen, auch Voranzei­gen beabsichtigt. Publikat. (im Tagebuch Cultur) bereit erkläre, zeichne ich mich achtungsvollst Ihr ergebenster

    K. Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 28. Juli 1867

    Euer Wohlgeboren!

    Ebenso mächtig als die Freude und Überraschung, die E. W. Schreiben mir bereitete, mich zur schleunigsten Erwiederung antrieben, legten die Umstände dagegen ihr Veto ein. Die Hauptschuld an dieser scheinbaren Nachlässigkeit, - derent­halben ich sehr um Vergebung bitten muß, - trägt wol der Zufall, daß leider mancher Tag hinging, bis ich in Wien, - der Hauptstadt Wien! - des Werkes habhaft werden konnte, nach deßen Lesung ich durch Ihre so freundliche Andeutung noch mehr mich sente. So mußte es wirklich von Leipzig verschrie­ben werden und darüber verstrichen wieder manche Tage, ­als ob wir gar nicht im Jahrhundert der Eisenbahnen lebten. Ferner war und ist mir E. W. gegenwärtiger Aufenthalt unbe­kannt, ich vernam zwar aus dem Briefe den Entschluß der Rückkehr nach Schoppernau, doch wußt' ich nichts weiter, die Herren von Bergmann, Keßler nichts mehr als ich, auch die Vorarlberger Blätter schweigen schon seit geraumem. Als ich das Buch nun hatte, begann die Lecture mit großem Eifer, nun bin ich zwar am Ende, doch scheue ich mich war­lich mit einem Ausspruch darüber vor Jemanden zu treten, vollends vor den Dichter selbst. Denn ich weiß, daß jedes Werk mit einem solchen Satze nicht abzufertigen ist und nun besonders eines, das so eigentümlich in seiner Art, so ganz aus dem Genre des alltäglichen hervortritt! Betrachten daher E. W. was ich, - vorzüglich durch Ire ebenso schmeichel­hafte als unverdiente Aufforderung veranlaßt, - sage, als ganz bedeutungslose und vor allem ganz individuelle Äußerungen; ich würde aus eignem mich wie beim Nümmamüller so auch bei den Sonderlingen nie an ein beurteilendes Wort gewagt, sondern abermals mit dem Geständniße des Beifalls und Dan­kes begnügt haben, das der Zuhörer einem Erzähler macht, nie die Stellung des Critikers eingenommen haben. Und so mögen meine Worte trotz E. W. gütiger Ermunterung ja nicht wie ein Urteil klingen, das ich im allgemeinen über Ihr Werk ausspräche, sondern nur als einfache Wiedergabe deßen, was es in mir selbst wachgerufen hat.

    Ich glaube, daß dem Werke: die Sonderlinge das richtigste Characteristikon gegeben ist, indem man einen Grundgedan­ken den der Versöhnung nennt u. dieß läßt sich durch die Darstellung, sowie durch das Dargestellte nachweisen. ­Schon im Nümmamüller trat es mir ziemlich klar entgegen, daß der Dichter auf eine wundervolle Weise Idealistisches und Realistisches zu verweben weiß, daß von diesem aus­gehend, vorwiegend sich mit ihm beschäftigend, er überall jenes mit seinen Sequenzen durchblicken und -leuchten läßt, das materielle aufs glücklichste zum Mittel der Idee und zwar der schönsten Idee zu machen versteht. Ich sah, wie der Ver­fasser dadurch den raschen Streit beider zu vermitteln weiß, wie er den leitenden Gedanken zum Siege führt und ebenda­durch das Werkzeug gleichsam mit dessen Widerschein ver­goldet. Und diese Art finde ich nun noch viel ausgesproche­ner im neuen Werke, hier haben wir es mit so vielfach mate­riellen Dingen und Tendenzen zu thuen, hier erwuchs in eini­gen Gemütern andrerseits wieder ein seltenes idealistisches Streben, aber es bricht sich zugleich im dritten Element Bahn und triumphirt endlich nicht blos, sondern es versöhnt u. heilt die Wunden. Der goldne Mittelweg ist nirgends besser gefeiert als in diesem Gemälde. Dieß die allgemeinen Umrisse.

    Mit küner kraftvoller Hand hat der Dichter zwei Menschen­herzen gegenübergestellt wie zwei Pole der Gesinnungen, zwei feindliche Lager, - beide Kinder dieser, ihre Eigentüm­lichkeiten mehr als eine vorhergegangene auch auf den ein­zelnen ausdehnenden Epoche, - aber beide entschiedene Antagonisten. In Sepps Character hat das Unglück seiner Jugend durch Verbitterung den Grund gelegt, (eine weise Fürsorge des Dichters, denn manche Handlung des raschen Mannes erhält Gnade und Nachsicht durch die Erwägung die­ses), ein glücklicher Zufall brachte seinem offenen Sinn in der Fremde Nahrung u. Erleuchtung, wenngleich keine solche, die durch Regelmäßigkeit, weise Einteilung u. Anleitung sowie durch Gründlichkeit eine wahre genannt werden kann. Hätte er auch nicht besonders unter der Unzahl von Übeln gelitten, die teils angeborne Starrköpfigkeit u. Feindseligkeit gegen jede Abweichung vom alten schlichten, teils absichtliche Nie­derhaltung neuerer und freierer Bestrebungen von Seiten der Regierung u. Kirche in der schönen Heimat eingeführt u. angesiedelt hatten, - auch ohne diese wäre einem Sepp diese neue Welt nicht umsonst aufgetan worden sein, nun aber stürzt er sich um so rückhaltloser u. unbedenklicher in ihre Tiefe, eine Tiefe, wo zwar viele Perlen, aber daneben auch Moder u. Unrath genug liegen. Diese zu sondern hätte es eben eines Herzens bedurft, das nicht im vorhinein seines Unglük­kes gedenkend die alte Welt mit finstern Blicken nur betrach­tet. Mit diesem ungeordneten Wüste kehrt er heim zu den mehr als conservativen Wäldlern, in denen er- und das ist ein Characteristikon, - eine Heerde sieht, die seinen aus der Fremde mitgebrachten Ideen, weil sie die bessern sind, auch augenblicks und willenlos beinahe folgen soll. Er meint, das Gute gefunden zu haben und stellt sich damit nun auf einen isolirten Standpunct, zu welchem die bisher so ganz ent­gegengesetztgesinnten Landsleute wallfahrten sollen wie zu einem Wunderquell, es fällt ihm nicht ein, daß sie den alten Adam noch keineswegs ausgezogen, daß, wer in bekehren will, zuerst zu ihnen kommen müsse, wenn er das Ziel zu erreichen wünscht, wie Mahommed zum Berge ging als dieser nicht herbeigekommen. Er vergißt, daß die Menge selbst sich nie um ein Gut bestreben wird, sondern dieses sie gewinnen muß, er hält's nicht der Mühe wert, die Wesenheit der Men­schen mit allen Tugenden u. Schwächen kennenzulernen, damit er auf Grundlage dieser seine Reformpläne so gestalte wie sie die zu bekehrenden am leichtesten annämen, sanft u. unvermerkt durch einstweilige Schonung des veralteten, das allmälig nur dem neuen waren Lichte weicht. Und da er nun unverhofft Widerstand findet, wird er natürlich verbittert u. gereizt, rauh, beinahe mysanthropisch. Gute Absichten leiten ihn zwar aber nicht Milde, nicht Kenntnis der Menschen und ihrer Eigentümlichkeiten.

    Wie so ganz anders, wie ebenso trefflich gezeichnet ist Barthle's Gestalt! Welch' vollendetes Bild des im letzten Grunde so achtenswerten Strebens, welches das alte, das seit der Wiege liebgewonnene heimische Wesen, wenn es auch zuweilen Besserungen erheischend und abgelebt scheint, mit den letzten Kräften zu wahren u. zu verteidigen sucht, nicht weil es absolut gut, sondern lieb und teuer, selbst als mangel­haftes teuer geworden ist! Wie trefflich ferner auch alle Aus­artungen, die sich an diesen Armen angesetzt haben, vom Fanatismus angefangen bis zur robusten Gewalttätigkeit gegen alles feindliche. Stünde dieses Wesen allein u. wenig beeinflußt vom Gang der Ereignisse da, - sie wäre schon unübertrefflich gegeben, nun aber erst, da so zalreiche u. gewaltige in jedem Augenblicke dasselbe in neue Lagen ver­setzen, wie schön ist die dem Character zu grund liegende Starrheit und Unduldsamkeit in Bezüge gebracht zum feind­lichen Neuerer, zum Freunde seines Hauses, zu den eigenen Kindern, zum allgemeinen Interesse! Sepp und Barthle stehen in den Tropenlande und am Eispol, dazwischen regt und erhebt sich eine reiche bunte Welt, aber das glückliche Land der gemässigten Zone liegt gerade in der rechten Mitte, da ist Glut und Küle heilbringend vereinigt. Sepp wie sein Sohn Franz, diese waren Sonderlinge, (welche sich nicht allein in Bezug auf das allgemein menschliche über das gewönliche erheben, sondern auch speziell über ihres Gleichen, sowohl durch Wissen als durch bewußtes Streben und Denken) ­beiüe wollen mit warmem Eifer die Triebe, welche bei ihnen nicht wie bei den übrigen frühzeitig erstickt worden, zu deren Wole entwickeln, aber gewaltig weicht Franz vom Vater ab, nicht von Ursprung an aber im Verlauf seiner Entwicklung. ­Und somit sind wir bei der Hauptsache angelangt, hier überzeugen wir uns vollends von der ganzen Kraft der Darstellung. Geschickt ist das geistige Leben Franzens wärend jener ersten Jugendzeit, weil er in dieser ganz das Bild des Vaters im klei­nen ist, durch die zu Anfang diesem ausschließlich gewidmete Sorgfalt u. ausführliche Schilderung gleichzeitig geschildert. Auf in hat Sepp alle Hoffnungen gesetzt, er soll vollenden, ­was dem Vater wie er glaubt nur durch die Schuld der zu bekehrenden, mißlungen. Und anfangs scheint auch Franz gänzlich diesen Hoffnungen zu entsprechen: unduldsam u. anmaßend wie Sepp wird er nach den gleichen Erfahrungen „Sonderling", weiß nur aus seinen Büchern zu sprechen und verspottet so manches, was den ändern achtenswert. Nur vor­übergehend gedenke ich, wie unendlich mildernd in diese sie den Menschen entfremdenden, traurigen Verirrungen die edle Mutter wie ein sanfter Engel eingreift, wie sie des Weibes Mission auf Erden so herrlich erfüllt, das feindselige Verhält­nis beider Teuern zur Außenwelt und sie selbst wieder um­faßend mit der heißesten Liebe der Gattin und Mutter, Ver­söhnung stiften wollend zwischen allen Conflicten. - Franz strebt wie der Vater nach einem fremden Werte, dessen Seg­nungen er später in einen Baum einimpfen will, ohne die Wesenheit dieses nur im mindesten zu erforschen. Ja, er liebt sogar oder vielmer er glaubt zu lieben, dem Mädchen so fremd, so kalt, so anmaßend gegenüberstehend wie allen ändern, von denen er meint, sie sollten entzückt in seiner Weisheitssphäre sich bewegen. Daher kömmt er ihr nicht ent­gegen, lebt, - wie so viele für immer - in dem thörichten Wahn, sie müsse um ihn, den sie weit überragenden werben, nicht umgekehrt; was sich selbst noch bei seiner Heimkehr von der Alpe kundgibt. Aber er ist ausersehen zum Heile, zur Versöhnung und dazu dienen wieder zwei gewaltige Mittel. In seinem innern schlafen die uns warsten Gefühle u. Regun­gen, doch bedarf es eines Zaubertones, sie wachzurufen. Ein echter Sohn der Berge, der Prototyp des Gebirgsmenschen, treuherzig, schlicht u. offen, ehrlich und gradeaus, tritt ihm entgegen, der Senn. Der hält innigliebend fest an dem hergebrachten heimischen, zwar nicht verschlossen für neues war­haft gutes, aber das dem Menschen teure will er gewaret wis­sen, weil nichts ganz schlecht ist, selbst im Aberglauben liegt oft ein verborgner aber großer moralischer Wert. Vorzüglich weist er den Reformator darauf hin, daß man vorerst die Men­schen erforschen müsse, ehe man sie zum bessern führen will u. an seiner Hand tritt Franz aus der starren blütenlosen Welt seiner Bücherweisheit, die ihn feindlich gegen die Menschen gemacht, in die Welt der Erfahrung, des frischen Selbstken­nenlernens derselben. Er begreift allmalig, daß die Menschen Anspruch darauf haben, daß man um sie sich kümmere, selbst wenn man sie nicht reformiren will u. das entscheidet, von nun an wird er selbst reformirt. Was des Sennen freundschaft­liches, väterliches Sorgen eingeleitet, vollendet die Allvollen­derin, nun erst liebt der Jüngling wirklich, vorher hat er sich beinahe nur einem hergebrachten Brauche nach selbst damit getäuscht.

    Mit Schrecken geware ich, wie breit ich geworden bin, wie lästig ich E. W. gefallen sein muß, darum nur noch weniges mehr. Ich ließ mich so sehr gehen, u. E. W. deutlicher zu zei­gen, ob u. wie ich Ihr schönes Werk verstanden, indeß ich fürchte gewaltig trotz alledem! - Selten hat mich die Darstel­lung eines weiblichen Wesens so lieblich angemutet als die Mariannens, das ist das holdseligste Bild einer stillen süßen Mädchenblüte! Was soll ich sagen von den herrlichen Scenen im Walde beim Brombeersuchen u. am Fenster Mariannens? Ich stelle sie den schönsten Schilderungen der Augenblicke, in denen die Liebe im Herzen keimt, zur Seite. Kurz: jede Per­son, und sei es die unbedeutendste, das Weberle u. Hans­michel so gut wie Sepp u. Franz u. Marianne selbst sind keine allgemeinen nebensächlichen Romanfiguren zur Ausfüllung, jeder ist ein ausgeprägter, ganz entschiedener u. bis in's feinste dargelegter Character, ein selbständig Interesse er­regendes Ganzes; die große Anzahl solcher bietet daher Abstufungen aller möglichen Färbungen von den drei bewun­dernswerten Frauenbildern: Marianne, Maria u. das zarte Röschen jenem kalten Verstandesmenschen, dem Doctor, dem engherzigen Pfarrer, dem schwachen, im Grunde nicht schlechten Klausmelker bis zu den mannigfachen Typen der hartköpfigen Bauern, - es ist ein Mosaique von lauter schö­nen Gebilden, die vollkommen harmonirend den prächtigsten Gesammteindruck darbieten. Durch die ganze Folge der Ereignisse, die wachsende Erbitterung der Gemüter, geht es wie schwüler Wetterwind und wie die feindlichen bis zum äußersten erregten Gewalten ausbrechen, - das ist meister­haft, psychologisch vollkommen war gefolgert, das Ende war­haft dramatisch und alle Charactere erscheinen nochmals im Vollglanze ihrer Kraft und Schönheit bei der Catastrophe, nach deren letztem Donner ein milder Abend des Friedens u. der Versöhnung hereindämmert.

    Gerne will ich glauben, daß das materialistische Volk von heute manches gegen die Dichtung einzuwenden haben wird, daß man von Versetzung des wirklichen in einen geträumten Zustand schwatzen wird; - wie's ja gewöhnlich geht, wenn sie sich nicht so jämmerlich im Buche wiederfinden als sie im Leben sind, - die weitausgrößere Zahl der Leser aber wird sicherlich anders denken und nicht nur in den Sonderlingen einen mächtigen Fortschritt gewaren, sondern überhaupt die­ßes Werk auf dem Gebiete der Dorfgeschichte, des Lebensbil­des, eine That nennen, diese waren, entschiedenen Character­schilderungen und ebenso natürlichen Verschlingungen ihrer Schicksale als Merkmale einer mehr als gewöhnlichen Erzäh­lung anerkennen.

    Mit der Furcht, allzulästig geworden zu sein, schließe ich mit diesen, wie das meiste von heute aus meinen über Ihr Werk gemachten Notizen genommenen Worten, aber ich kann nicht unterlassen zu gestehen, daß jeder Gedanke an dasselbe neue in mir hervorbringt. Ich kann nicht hoffen, die Meinung des Dichters mit meinen Ansichten über sein Werk getroffen zu haben, sollte ich jedoch im Gegenteil allzuwenig dieselbe erreicht haben, so würde mich nichts mehr erfreuen als eine kurze Unterweisung und Belehrung. Ich will nun auch unter ändern die Urteile sammeln, und ist etwas bemerkenswertes dabei, so erlaube ich mir wol ein andermal davon zu berich­ten. Nachrichten von E. W. Aufenthalt und den übrigen äußern Umständen wären mit mir zugleich allen Ihren Freun­den u. Bekannten in Wien erwünscht und so ein Schreiben gar willkommen. -

    Indem ich E. W. nochmals um Entschuldigung ob meines ungebührlich langen Geschreibsels ersuche und um die Erhal­tung Ihres so werten Wolwollens bitte, empfehle ich mich hochachtungsvoll als Ihr von Herzen dankbarer

    Albert l Ig

    Albert Ilg
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 22. Juli 1867

    Geehrtester Freund!

    Verzeihen Sie, daß ich Ihnen heute mit dieser Anrede nenne. Denn meinem tiefen Gefühle, den rechten Ausdruck zu geben, konnte ich nicht anders, als Sie mit „Freund" anzu­reden, und das sind Sie auch im wahren Sinne des Wortes.

    Es war am 18 d. Mts. als ich, in trüben Gedanken über die Zukunft traurig und niedergeschlagen an meiner Werkbank stund, als der Briefträger mir einen Brief hinlegte. Der Adresse sowie dem Postzeichen nach, erkannte ich gleich von Wem er komme. Ich öffnete ihn und was mich ungemein freute und aber auch überraschte, war, Ihre mir so theure Photographie. Ach wie leicht wurde es mir wieder um das Herz, in dem Gedanken einen Freund, ja einen wahren Freund erworben zu haben, der trotz seiner äußerlichen Stellung, trotz seinem Umgange mit wissenschaftlich gebildeten Männern, sich nicht genirt einen Proletarier unter die Zahl seiner Corespondenten aufzunehmen. In der That einen Liebesbrief von meiner ersten reinen Liebe, von meiner lieben Sophie, wäre mir nicht erwünschter gekommen, als der Ihrige. Sie können es gar nicht begreifen, wie wohlthuend und erquigend es für einen Menschen sein muß, der sich von allen verlassen und vom Schicksale verstoßen fühlt, wenn dann ein einziger wahrer und gebildeter Freund sich seiner annimmt, und so gleichsam wie ein heller Stern am dichtbewölkten Himmel ihn anlä­chelt. Ja tausend Dank für Ihre werthe Freundschaft. Gebe Gott! daß sie nie getrübt werde. - . Nun will ich an die Beant­wortung Ihres lieben Briefes.

    Die Zeitschrift: „Der Sozial-Demokrat" habe ich zwar persön­lich noch nie gelesen, wohl aber schon öfter davon gehört. Was nun meine Schrift anbelangt, so werde ich dieselbe noch einmal genau revidiren, umschreiben und erst dann Ihnen zuschicken. Ihr Urtheil darüber wird dann über dessen Schicksal zu entscheiden haben, somit ist also dieser Gegen­stand vorderhand abgemacht.

    Eine Reise nach Leipzig? Ei, wie wird Ihnen das freuen. Ist das Reisen ohnehin ein Mittel um Bildung, Kenntnisse, und andere Anschauungen zu erwerben, umso mehr für Ihnen, indem Sie dadurch einen großen Theil von Bayern und Sach­sen, mit ihren schönen Gegenden und Städten besehen, und was noch ein weit größern Werth hat, mit Männern der höch­sten Geistesbildung in Berührung kommen werden, denn Leipzig ist der Stappelplatz und Centralpunkt deutscher Bil­dung und menschlichen Wissens u. Denkens. Diese Reise wird Ihnen ein größerer Nutzen sein, als wenn Sie in Ihrer Abge­schiedenheit ganze Stöße von Zeitschriften u. Büchern lesen. Ich will zehn auf Eins wetten, daß einige Wochen nach Ihrem Aufenthalt, Ihr Bild in der Gartenlaube erscheinen wird. Es könnte sein, daß ich um meine Schrift vollständig auszufüh­ren, in die Lage komme, mich schriftlich bei Schultze­Delitzsch um eine Frage anzugehen, so möchte ich Ihnen hie­mit höflichst ersuchen, ob Sie mir viejleicht angeben könnten, wo sich Schultze aufhält?

    Ihre Frage, woher ich wisse, daß Sie wieder zu Hause seyen, will ich Ihnen sehr gerne beantworten. - . Als ich so lange nichts mehr von Ihnen hörte, und mein Geist einen so theu­ern Freund auf die Länge nicht vermissen konnte, so schrieb ich am 30 Juni an den Redakteur d. Gartenlaube, Herrn Ernst Keil um ihn über Ihre werthe Person um Auskunft zu fragen. Herr Keil antwortete] mir sogleich zurück, daß Sie wieder zu Hause seyen. Daß Sie mit einem Freunde über mich schon gesprochen haben, freut mich sehr, und ich versichere Ihnen, daß ich gegen diejenigen der höhern Klasse, die eine echte Bildung und einen edlen Geist haben, gewiß keine Vorur­theile hege, insbesondere wenn Sie mir solche empfehlen. Bei solchen wissenschaftlich gebildeten Männern könnte ich mich freilich für mein Fach besser ausbilden, allein sie sind eben nicht so leicht zu erobern. Deßhalb ist mir auch Ihre Core­spondenz so schätzenswerth, einestheils um mich in geistiger Beziehung zu bilden, anderntheils um meinem mittheilsamen Geiste einen Kanal zu verschaffen. Ich versichere Ihnen, würde man mir die größten Schätze der Erde anbieten, und dürfte aber mit gelehrten und gebildeten Geistern keinen Umgang pflegen, ich würde dieses Anerbieten entrüstet zu­rückweisen . - . Wie gerne würde ich mir die Freiheit nehmen Ihnen meine Photographie zu schenken, wenn ich könnte; allein da meine Geldmittel immer so schlecht stunden, konnte ich an eine solche Ausführung nicht denken. Vielleicht später.

    Aber wissen Sie was mich unbeschreiblich freuen würde?? Ihnen persönlich sehen und sprechen zu können! Sie kom­men doch hie und da nach Lindau, wie wäre es, wenn ich einmal an einem gewissen Tage, von hier nach Lindau per Dampfschiff fahren würde. Die Fahrt ist nicht lange und die Unkosten wären auch nicht groß. Welchen Vortheil gewährt eine persönliche Zusammenkunft, wo ein ungenirter und ungezwungener Gedankenaustausch stattfinden kann. Wie viel habe ich Sie zu fragen und wie viel könnte ich Ihnen über meine Schicksale erzählen. - . Sie werden fragen, wie ich nach Friedrichshafen komme? - . Da ich in Folge des schlech­ten Verdienstes, und der Verleumdungen die ein ehemaliger Werkführer über mich ausstreute, mich in Memmingen nicht mehr länger zu halten glaubte, so schrieb ich hierher an den Vorstand der königl. Maschinenwerkstätte, welcher mir sogleich zurück antwortete, daß ich bis 22 Juli eintreten könne; und so fuhr ich am Samstag Nachmittag über Ulm hierher, bezog eine hübsche Schlafstelle, wo ich in den Frei­stunden der Muse obliegen kann, und werde morgen früh 6 Uhr anfangen zu arbeiten. Ist der Lohn dann meinen Erwar­tungen entsprechend, so werde ich meine Frau und mein 23/4Jähriges Büble nachkommen lassen. Leider finde ich hier alles unverschämt theuer, und mit der Einnahme im größten Wiederspruch. Es scheint mir, daß ich hier meine Kenntnisse wohl um etwas bereichern, aber auch manche bittere Erfah­rung werde machen müssen, doch sei die Sache Gott befoh­len.

    Inzwischen leben Sie wohl, und vergessen Sie nicht Ihren aufrichtigen Freund u. Verehrer

    Fried. Riedlin

    Meine Adresse bitte ich zu richten: Friedr. Riedlin Schlosser wohnhaft bei

    [...] Scheu Schuhmachermstr. Friedrichshafen

    Friedrich Riedlin
    Friedrichshafen
    Franz Michael Felder
  • 22. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Hildebrand ist nun da und hält eben Mittagsruhe. Er scheint mir sehr angegriffen, und ich glaub ihm gerne, daß er sich in der letzten Zeit sehr überarbeitet habe. Er ist ein ernster, strenger deutscher Gelehrter, im Umgang ein recht lieber Mann. Gestern waren wir bei der Feier des Heusonntags. Auch die Musikanten von Au waren da und ließen den deutschen Bruder hoch und dreimal hoch leben. Hildebrand war tief ergriffen und hielt eine Rede. Wir blieben bis ein Uhr sitzen und Hildebrand gab sich Mühe, mit allen zu reden, was ihm denn aber doch noch nicht recht gelingt. Jetzt ist er noch müde von der Reise, und es wäre mir nicht möglich, Dir den Tag unserer Ankunft in Bludenz zu bestimmen. Kommen werden wir jedenfalls, diese oder die nächste Woche. Gestern wurde in Au verlesen, es werde nun eine tägliche Fußpost bis Au errichtet und sollten sich Bewerber so schnell als möglich melden. Meine Eingabe wegen Schnepfau hat eine derbe Abfertigung erhalten, die mich wohl nun verblüfft machen soll. Ich werde das interessante Schriftstück mit­bringen. Sonst scheint in meiner Sache nichts mehr geschehen zu sein. Gegen hiesige Lügner schreitet jetzt der Vorsteher entschieden ein, und indem er mit Anklagen droht, werden Strafen diktiert. Näheres mündlich, denn Hildebrand kommt und es wird Zeit zum Schluß, damit der Brief heut noch nach Au komme. Also auf baldiges Wiedersehen mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund                                                         

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 16. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Ich war wegen des Abdruckes ihrer „zwei Namensfeste" bei der Redaktion der fr. Presse, habe jedoch Hr. Lecher nicht getroffen. Ich habe ihn dann schriftlich um den Abdruck ersucht, aber keine Antwort erhalten. Den Grenzboten habe ich ihm nicht zugesendet, da die Redaktion ohnehin im Besitze desselben ist. Die Kritik der Sonderlinge scheint auch eingeschlafen zu sein samt meinem Manuskript, das derselben angeschlossen werden sollte. Ich habe schon Ihrem Schwager berichtet, daß mit der fr. Presse nicht gut zu fahren sei, wenn es sich nicht um ein speziv. Bourgeoisintresse handelt.

    Zudem ist Gustav Freitag den Herren unserer Presse vorläufig verhaßt, weil er im letzten Herbst die gesammte österr. Presse wegen ihrer letztjährigen Haltung an den Pranger gestellt hat. Übrigens mag die polit. Situation, wie sie jetzt bei uns ist, den Herren auch viel zu schaffen geben. Weil es in unserem Reichsrathe noch keine fest abgeschlossenen Parteien gibt, (die Partei Herbst scheint im Verfall begriffen), so heißt es für die fr. Presse, welche unter allen Umständen wegen des mate­riellen Intresses die Majorität vertreten will, vor allem genaue Fühlung mit den Abgeordneten zu halten. ­Sie fragen mich, was man über Ihre „Sonderlinge" in Wien urtheile. So weit ich ein Urtheil vernommen, lautet dasselbe sehr günstig. Auf einen größeren Leserkreis können Sie jedoch vorläufig in Wien nicht rechnen; denn die Politik nimmt jetzt alle Geister zu sehr in Anspruch. Zudem pflegt man hier der­artige litter. Erscheinungen aus den Leihbibliotheken zu ent­lehnen. Ich habe auch bereits in Erfahrung gebracht, daß die Sonderlinge in der That in mehren Leihbibliotheken zu haben sind. Die Kritik in den deutschen Blättern (Beilage der Gar­tenlaube) habe ich gelesen, u. ich wie andere finden, daß der betreffende Kritiker kein Sachverständniß hat. Derselbe scheint mir ein Städter zu sein, der das Landvolk nur vom Sehen aus kennt, u. dasselbe als dumme rohe Masse be­trachtet.

    Es wird Ihnen intressant sein zu vernehmen, daß unter der hiesigen Arbeiterbevölkerung sich ein reges Leben entfaltet. Die Bourgeoisblätter müssen das freilich verschweigen. Der Name Lasalle's wird von einem großen Theile der Arbeiter oft, u. mit Ehrfurcht genannt. Petitionen an den Reichsrath von Seite der Arbeiter wurden viele eingereicht, u. Beust u. Taafe haben Arbeiterdeputationen empfangen. Eine rege Agitation um soziale Reform findet allenthalben statt. Es ist auch ein Arbeiterkongreß in Wien beabsichtigt. Wenn nur nicht etwa die Regierung durch die Bourgeois gedrängt hinderlich entge­gentritt, so ist der Zusammentritt gesichert. Seifferitz sitzt im volkswirthschaftl. Ausschuß, an welchen obige Petitionengeleitet wurden. Ich bin begierig, wie er sich verhalten wird, nachdem er mir vor Wochen erklärt hat, es existire für ihn keine soziale Frage. Sie werden sehen, wie sich die Herren winden u. drehen werden, bis sie den Arbeitern ein Vereins­recht gestatten werden.

    Anfangs August komme ich nach Bludenz, wo ich mich dann mit Ihrem Schwager verständigen zu können hoffe. Über die Ziele sind wir zwar einig, aber kaum noch in der Wahl der Mittel. Vor Allem ist meiner Ansicht nach nothwendig, die Arbeiterfrage in möglichst populärer Weise durch eine Bro­schüre dem Volke klar zu machen.

    Vielleicht finde ich während meiner Ferien auch Gelegenheit, mit Ihnen einmal persönlich zu verkehren, wenn Sie sich etwa nicht die ganze Zeit hindurch in Leipzig aufhalten. Daß mir von einer Sammlung für Sie nichts bekannt ist, werden Sie schon v. Ihr. Schwager erfahren haben. Es grüßt Sie freundlichst Ihr Ergebener

    L. Mayer

    Lorenz Mayer
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 14. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Dem Hildebrand, der beim Anlangen dieses Briefes in Schop­pernau sein wird, biete ich deutschen Gruß und Handschlag. Es freut mich, wenn er auf dem Gang durch Vorarlberg mit Dir hieher kommt, und hoffe und wünsche, daß der Genius Deutschlands Euch geleite in allen Landen und Städten, in die er Dich führen will. Glück auf die Reise, die Dir Kraft und Mut geben wird zu neuen Taten für die Befreiung des Vater­landes. Nimm das Gefühl, das sich gegen das gerichtliche Ver­fahren in Deiner Prozeßsache empört, mit Dir, läutere es in der Kulturwerkstätte des deutschen Geistes und laß es dann frisch und wuchtig mitzimmern an den nächsten Werken Deiner Muse. Dein Standpunkt wird ein so imposanterer sein, je bedeutender die Mächte sind, denen Du gegenüber stehst. Nach meinem letzten Brief wird es Dir klar sein, daß bereits das offizielle Österreich im Lager Deiner Gegner sich befindet. Das Österreich des Konkordats muß Dir den Krieg erklären, und erwarte daher nicht, daß es Deinen Gegnern wehe tun wird. Nach Artikel 13 und 14 des Konkordats fordert der Heilige Stuhl mit Rücksicht auf die Zeitverhältnisse nicht, daß die Geistlichen wegen Verbrechen oder anderen Vergehen vor das weltliche Gericht gestellt werden, und nach Art. 15 ist den Kirchen Immunität gewährt. Nach Art. 16 wird der Kaiser nicht zugeben, daß etwas geschehe, was die Diener des Heiligen Stuhles herabsetzen und verächtlich machen könnte. Müller kennt diese Gesetzes-Bestimmungen genau und berechnet sicher, was er tut. Wer weiß, ob er nicht schon Winke von oben bekommen hat. Mein Rat in Deiner Sache ist daher dieser: Laß Dich durchaus in keinen Ausgleich ein, außer es werde Dir die Satisfaktion geleistet, die Du begehrst. Wenn dies nicht geschieht, begehre ein Urteil und daß Dir dasselbe mit Gründen schriftlich zugestellt werde. Bist Du mit demselben nicht zufrieden, so melde alsogleich die Be­rufung an und sage zu Protokoll, daß Du mich bevollmäch­tigst, die Berufungsausführung zu machen. Schicke dann das Urteil mit Gründen und eine kurze Beschreibung der Schluß­verhandlung ohne Verzug mir, damit ich in der gesetzlichen Frist von acht Tagen die Berufungsausführung nach Bezau schicken kann. Bewahre bei der Prozedur den Gleichmut, beobachte alles, was geschieht und bereichere hiedurch den Kreis Deiner Erfahrungen. Der Prozeß soll, wenn Dir nicht Genüge geschieht, in die obern Instanzen getragen und bis nach Wien getrieben werden. Du mußt einen Einblick in die österreichischen Justizverhältnisse erhalten, damit Du dann so viele auffallende Erscheinungen unseres öffentlichen Le­bens Dir leichter erklären kannst. Dein Standpunkt sei der des Philosophen und des Erfahrungslustigen. Du kannst und wirst in den Werken Deines Geistes tausendfach Deinen Gegnern heimzahlen. Laß Dich durch das offizielle Österreich - Ultra­montanismus im Sinne der Klarstellung - nicht einschüchtern. Dieses Österreich hat schon schmähliche Löcher. Sehe auf die Verhandlungen des Reichsrats in Wien und das kleine Bild, das die Landeszeitung, dieses offizielle Regierungsblatt, da­durch bietet, daß sie die Besprechung der Sonderlinge durch den wackern Bayer [?] in dem Augenblick bringt, in dem der Statthalter unsere Grundsätze bedenklich findet. Dort wünscht die Offizielle Dir Glück zur Reise, hier perhorresziert der Offizielle Deine Grundsätze. Die Leiter des lecken Staats­schiffes können die eindringenden Fluten des Geistes eben nicht mehr zurückdrängen, und sie müssen das Schiff ent­weder zu Grunde sinken oder von diesen Fluten an ein sicheres Ufer treiben lassen. -

    Dem Mayer habe ich, wie ich im letzten Brief anzeigte, bereits geschrieben und beiliegenden Brief von ihm erhalten. Ich weiß jetzt bestimmt, daß er das vor sechs Jahren erschienene Freie Wort an die Vorarlberger schrieb, wogegen dann die Berchtold'sche Broschüre losgelassen wurde. Ich erwarte von diesem energievollen und wißbegierigen Mann einen tapfern Mitkämpfer im Weinberge des Herrn. Er kommt nächstens in die Ferien, und Du wirst ihn hier treffen, wenn Du nicht schon in diesem Monate kommst. - Wie steht es mit der Sozial­demokratischen Partei in Deutschland? Bringe oder schicke mir die neuesten Nummern des Demokraten, damit ich ersehe, ob ich ihn bestellen soll oder nicht. ­Wegen der Geldsammlung bleibe ich bei meiner Ansicht und wundere mich, daß Mayer hievon nichts weiß. ­Laß kein Gift in Deiner Seele sich sammeln und mische in die Bitterkeiten, die das Pharisäertum und die Borniertheit Dir bereiten, die Agenzien des Geistes und der Ästhetik. Du bist für Höheres da und sollst Dir kein Jota des Arguments von diesen Rittern der traurigen Gestalt korrigieren lassen. Ich freue mich auf Deine und des Herrn Hildebrand Ankunft und bin mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund                                                    ....      ,

    K. Moosbrugger

    Pius hat mir dieser Tage geschrieben, melde ihm meinen Brudergruß mit dem, daß wir wegen der Bizauer Heimat gelegentlich reden werden. -

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 13. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Nachdem am Montag der Regen in Strömen floß, war ich am Ende selbst herzlich froh Deine Person in unserer Alpe nir­gend auftauchen zu sehen; denn am Montag hätten wir unsere Reise nach Vorderwald doch nicht antretten können, u. am Dienstag wäre es zu spät gewesen. An der Scheie erwar­tete man Dich u. Du wärest einer freundlichen Aufnahme von Seite der Gesellschaft gewiß gewesen. Die Gereitztheit des Dr. Greber dauert fort, u. hat durch den Artickel der Allg. Zeit, in dem wir als Tiroler angesehen werden neue Nahrung gefunden.

    Ich beschäftige mich immer in Gedanken mit dem Käse-Pro­ducenten-Verein, u. es regt sich ein Gefühl in mir, dieße Sache müsse jetzt in Angriff genommen werden, oder sie ver­schlafe sich auf lange, u. es sey dießmal hauptsächlich Sache der Bezauer, nachdem sie vorigesmal zurückgeblieben, dieß­mal in vorderster Linie zu stehen.

    Ich habe deßwegen schon einige Anregungen gemacht u. werde Dir, sobald ich etwas bestimmteres weiß, mehr berich­ten. Wenn Du mir wieder schreiben solltest bevor wir einan­der treffen, so berichte mir, auf wieviel Sennereien man in den inneren Gemeinden beiläufig rechnen könnte. Es freut mich Deinen Freund Hr. Hildebrand auch kennen zu lernen. Am 21. und 22. bin ich aber wahrscheinlich nicht zu Hause indem ich auf das Feuerwehrfest nach Lindau gehen werde.

    Über das stattgefundene Verhör habe ich noch nichts gehört, indem ich wegen dem Heuen mit Niemand in Berührung kam. Du hast mir nicht geschrieben, aus welchem Anlaße oder Gründen man in Schnepfau dazu kam, Dich zu bedro­hen, jedenfalls rührt die Gereitztheit gegen Dich in dieser Gemeinde nicht von der Geistlichkeit sondern vom Galli her. Meine Schwägerinnen haben die Sonderlinge gelesen u. die­selben ganz gemäßigt u. leidenschaftslos gefunden. Anderer Meinung ist Dr. Greber, dem Deine Schilderung] des Dok­tors in den Sonderlingen großen Anstoß gegeben hat, indem er meint das sei geradezu eine Anfeindung des ganzen Stan­des. Die Sonderlingspfeifen sind noch nicht in Angriff genom­men, da zum Texte ein Überdruckverfahren nothwendig ist, das [Karl] noch nicht weiß, u. das Feuerstein von München mittheilen soll. Indessen steht diese sonderbare Illustration Deiner Werke als bestimmter Plan fest. Lebe wohl es grüßt Dich Dein Freund

    Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 12. Juli 1867

    Liebster Freund Bauer,

    Doch noch ein Brief statt meiner, damit Sie nicht in Sorge sind meinetwegen und mich im Schnee verunglückt denken, wenn Sie mich am Dienstag nicht auf dem Schrecken treffen. Der Schule wegen könnt ich zwar schon morgen fort, wie ich eigentlich wollte, denn heute ist die Schule geschlossen wor­den. Aber das Wörterbuch und andere Geschäfte dringen mir doch noch einige Tage ab, und ich werde nicht vor Mitt­woch fortkommen. Aber da will ich bestimmt fort und fahre noch am Mittwoch bis München, wo ich übernachte, und dann am Donnerstag über Augsburg, wo ich mich nun nicht aufhalten will, um die Zeit möglichst einzuholen, nach Oberstorf. Dann will ich Freitag früh von da fort über den Schrecken, wo ich doch wol am Spätnachmittag eingetroffen sein kann und - Sie zu finden hoffe.

    Ich werde Ihrem Rathe gemäß über den Paß einen Führer nehmen, von Mittelberg aus, falls ich nicht durchs Rappen­alpenthal gehe, was ich noch nicht sicher weiß. Ich freue mich unsäglich auf unser Zusammensein, auf Ihre Heimat und Familie, auf das was ich dort sehen und hören soll, ich ahne frisches, volles Leben wie es so ein Büchermensch (mit einem sehr durstigen Herzen) so sehr bedarf von Zeit zu Zeit.

    Aber es muß genug sein für jetzt, ich muß bis zum Dienstag noch gewaltig schanzen, Arbeit für Wochen thun, um  mir mein  Ferienglück, das schon wie Morgenroth am  Himmel heraufzieht, zu verdienen. Also auf Wiedersehen bei Jochum!

    Mit herzlichsten Grüßen an Sie und das brave Wible, auch von den Meinigen,

    Ihr R. Hildebrand.

     

    FRANZ MICHAEL FELDER:

    LEIPZIGER TAGEBUCH, 14.-31. AUGUST 1867

    Reise Tagbuch

    Leipzig am 14 August 1867

    Die-Zeit, wo ich regelmäßig das Tagbuch führte, ist längst vorüber. Ich sagte mir, weil ich glücklich meine Selbstbespie­gelungssucht los wäre, doch ganz und so ganz wie ich wähnte muß ich mich doch noch nicht aufgegeben, dem Allgemeinen untergeordnet haben, sonst würde ich nicht noch ein Heft von Hause mit haben, um allenfalls ein Tagbuch führen zu können.

    Und nun fange ich wirklich und wahrhaftig an, das dient mir zum Beweise dafür, daß ich so ziemlich der Leipziger wurde, der ich zu werden erwartete. Ich fühlte, es werde nötig wer­den, mit Manchem innerlich gleichsam aufzuräumen, damit neues Platz habe, ohne daß Früheres mir ganz oder theil­weise verloren gienge.

    Über meine Heimath kann ich schnell hinaus, denn sie mit allem ist ja ein Stück von mir, das mit auf Reisen geht, ich bin da mit allem so verwachsen wie die guten Bludenzer mit ihren Bergen. Mit Allem? Nun ja! Ich bin in königlicher Stimmung und „unser Schuldbuch sei vernichtet". Um des Pfarrers von Schwarzenberg Willen, sie alle, die wollen, sol­len mit in den Kreis gezogen sein. Aber! Der gute Pfarrer von Schwarzenberg, der mit einem ebenfalls geistlich ge­kleideten Herrn mit uns von Alberschwende nach Schwarz­ach fuhr, versicherte mich, daß er mir und dem deutschen Wesen durchaus nicht feind und auch sonst gar nicht so wäre, wie man sie Tiroler in Deutschland draußen zu verschreien gewohnt sei. „Sie, Sie kein Ultramontan?" frug der andere langberockte Herr mit Richterblick. So daß der greise Pfarrer dem jungen Hitzkopf schluckend antwortete: Ja wol-aber­Dieses „Aber" war so zu sagen das letzte Wort das ich in meiner engern Heimath hörte, und es liegt mir mit dem norddeutsch gegebenen R immer in den Ohren. Noch auf dem Dampfwagen, fast die ganze Strecke von Lindau bis Augsburg beschäftigte ich mich mit diesem Aber. Hildebran­den hatte ein Brief von daheim die Stimmung verdorben. Er sorgte, wie er seine Emmi treffen werde und ich kam mir da neben ihm zuweilen recht überflüssig vor. ­Zum Schlafen kam ich nicht, wie einladend weich die Polster und wie „still die Stille" im Wagen auch sein mochte. In Augsburg kam ich ganz wirbelig an, und die hier angelegte Binde machte meinen Kopf noch verwirrter. Herr Kleindienst, ein Angestellter bei Himmer den wir abends in der Ludwig­straße d 170 fanden that mir einen großen Dienst, als er mir sagte, wo Ost und West liege. Am Tage darauf wurde das Friedens- und Versöhnungsfest von Protestanten und Katho­liken gefeiert. Recht aber scheint diese Versöhnung noch nicht zu Stande gekommen, sonst würde es keine speziell katholische Frauentracht mehr geben. Das war wol der letzte Gedanke, die letzte Betrachtung über das Elend das durch religiösen Unfrieden geschaffen wurde. Ich verließ mein Dorf, nicht um das Mittelalter, um seine schlimmste Seite, sondern um die Neuzeit zu sehen. Und ich sollte das.

    „Nach München 1 Uhr 35 Minuten!" hörten wir sagen, als wir uns die Fuggerschen Gemälde am Fuggerhaus in der Ma­ximiliansstraße sattsam besehen hatten. Aber schon wars bei­nahe 2 Uhr, und noch schien kein Mensch ans fahren zu den­ken. Hildebrand machte sich noch einmal hinaus und Bieera . . ob man darauf gewartet hätte, giengs ohne Gnade und Barmherzigkeit los. Und es gieng so glatt und prächtig, ob alles in der schönsten Ordnung sei. Da flogen Telegrafen­stangen vorüber so schnell ich 15 zählte, Bäume Häuser Dör­fer Berge schwanden dahin. Neben mir lag das graue Tuch meines Freundes und schien mich ernstfragend anzusehen. Unter dem Sitze das Felleisen und mir zur Seite zwei Reise­taschen. Die Unterhaltung der anwesenden ward bald sehr lebhaft, ich aber vermochte mich noch nicht daran zu be­theiligen. Mit rasender Schnelle giengs nach München, aber was sollte ich dort ganz alein oder wie sollte ich später Hilde­branden finden. Im Gewühl des Bahnhofs konnte er mich leicht konnte er von mir nur zu leicht übersehen werden. Schon waren wir auf der 2 ten Station, Hildebrand also schon meilenweit hinter mir. Wie furchtbar schnell doch Menschen sich jetzt entfernen und verlieren. Man könnte in dieser Zeit des Dampfes verzweifeln an sich und seinen Füßen die man nur noch zu haben scheint um gewichste Stiefel daran zu stecken. Aber die Menschen finden sich heute auch schnell wieder. Der Dampf lebt, es lebe auch die Elektricität die jenen ergänzt. Auf der 2 ten Station schon wartet ein Tele­gram mit der Nachricht von Hildebrands Zurükgelassenheit. Ich hatte irgendwo den Stachusgarten nennen hören und telegrafirte nun zurük, daß ich meinen Freund mit dem Ge­päcke dort erwarten werde. Dieser kleine Zwischenfall brachte den Bauern so recht ganz in unsere Zeit herein. Der Lokomotivpfiff schnitt mir nicht mehr so grell ins Mark die vorbeifliegenden Telegrafenstangen belebten sich und nach­dem ich eine Zeit lang an der Unterhaltung der Mitfahren­den lebhaftesten Antheil nahm, langte ich in der besten Stimmung von der Welt im Münchner Bahnhof an. Ich lud nun aus dem Wagen meine Tasche, Hildebrands Tasche, meinen Rock und seinen Rock, dann den Regen­schirm das Felleisen und das ernste graue Tuch, vielseitigem Gebrauche dienend. Ein münchner Nudelmüller sah mein Bemühen, er both sich als Träger an und mit seiner Hilfe war der Stachusgarten bald gefunden. Ich erlabte mich an einem Bier, wie ichs in meinem ganzen durstigen Jammerdasein noch nie getrunken hatte. Dann begab ich mich auf mein Zimmer Nr 38 wo ich eine herrliche Aussicht über ein altes Ziegeldach hatte. Im Zimmer 37 war ein verliebtes Pärchen. Ich habe nicht gehorcht, aber da geblieben bin ich trotz der dünnen Thür um mich zu sammeln, und hiezu hatte ich ein Recht. Ich setzte mich und schlief bald ein. Abends wagte ich einen Spaziergang, suchte dann meinen Freund im Bahn­hof, fand ihn aber später im Stachus wo er mit Schmerzen auf mich gewartet hatte.

    Wir schliefen gut und lang auf Nr 44 obwol die Betten uns manches zu wünschen übrig ließen. Dafür aber kosteten auch die Zimmer nur 30 X. Und nun ein Tag in München. Was ist das für die zahllosen Kunstschätze und Sehenswürdigkeiten dieser merkwürdigen Bierstadt. Ich wage kaum auf Einzelnes einzugehen, ja ich wills noch nicht. Dafür aber auch kein Wort vom Hofbräuhaus. Die Bibliothek zählt über 700000 Bände. Ich durchschritt die Saale und es wurden uns die sel­tensten Herrlichkeiten gezeigt.

    Am ändern Tage nach 5 Uhr dampften wir über Regensburg bis Schwandorf wo die Wagen gewechselt wurden, dann wechselten wir wieder in Eger die Plätze und fuhren in luf­tigen Wagen mit guter Gesellschaft, die kaum noch im Dia­lekt redete bis Altenburg, wo die Wagen sich gewaltig füll­ten. Die Beamten wurden in dem Grade höflicher, wie wir uns Leipzig näherten.

    Zehn Uhr war vorüber. Ein glänzender Streif zog sich am Himmel hin. Das war das mit Gas beleuchtete Leipzig. Mir war beim letzten Pfiff der Lokomotive zu Muthe, wie damahls als ich am 24 November 66 des Uhrenmachers Stimme nach 10 Jahren wieder hörte und mich fragte wie wirst du ihn finden. Etwas stramm und unbeholfen vom 18 stündigen Sitzen, folgte ich meinem Freunde durch das Gewühl des Bahnhofs, aus dem plötzlich seine Familie heraus und ihm an den Hals flog. Sie alle küßten sich und Vetter Karl trug das Gepäck heim, während die Ändern erzählten, daß sie schon zum sechstenmal dem Zug entgegeneilten in der Hoff­nung uns zu treffen. Was war ich diesen Leuten? Was konnte ich ihnen werden? Nun ich war einmal da und das Übrige sollte sich finden wenn ich erst wieder ordentlich ausgeruht hatte. Emmi bemerkte vor der Thür, „er sieht aber doch nicht so bös aus". Nun wußte ich nicht, ob damit ich oder der schon besprochene Schnurrbart meines Freundes gemeint sei. Jedenfalls stand ich nun da wie eine Art - Schauthier für die, welche in diesem Gewühle allenfalls noch Zeit hatten, sich um das hereingeschneite Bäuerlein zu kümmern. Was mir im Kopf umgieng, hätte mich zu Hause sicher nicht schla­fen lassen, jetzt aber schwanden alle Hoffnungen und Sorgen, die Sonne stand schon hoch, als ich meiner wieder bewußt wurde. Es war Sonntag den 11 August, während man daheim bethete und Gott anschrie, schrieb ich ans Wible, dem ich doch vor Allem meine glückliche Ankunft melden wollte. An diesem Tage lernte ich noch die Bewohner des sg Hinter­hauses kennen; so viel ich weiß, sind wir die ganze männ­liche Besetzung. Nachmittags machten wir einen Spaziergang in die Stadt. Am Montag Fahrt über die Pleiße. Ich lernte dabei kennen Dr Flügel Privatgelehrten, ein herzguter Mann mit freund­lichem Ausdruck Lehrer Köhler, ein armer fleißiger Schulmann Luipold aus Altenburg der sich meiner als Führer und auf jede Weise annahm Hügel - ein blonder Preuße, scharf verständig viel fragend wenig sagend, schloß sich gern an mich an Dr Meißner Hildebrands Hausartzt Ich sollte nun noch besonders der herrlichen Fahrt gedenken und der am Abend hernach gesehenen Vorstellung im Theater, aber ich werde das auch ungeschrieben nicht ver­gessen und warte daher lieber noch, bis ich das alles in mir hübsch geordnet haben werde.

    24 August.

    Heute bin ich nicht recht in der Stimmung, an den Liebes­zeichen fortzuschreiben. Ich denke viel an die, welche schwit­zen und sich plagen müssen, während ich hier sitze. Freilich schrieben mir Wible und Mutter ich sollte mir keine Sorgen machen, aber das würden sie schreiben, wenn sie sich halb zu Tode plagen müßten. Ich schrieb so wenig am Tagbuch, daß ich jetzt selbst kaum begreife was ich mit den 14 Tagen machte, da doch auch an den Liebeszeichen nur sehr wenig geschah. Denke ich aber, was ich alles erlebte, so nimmt mich wieder Wunder, daß ich überhaupt zum Schreiben noch Zeit fand. Ein bedeutender Mann schien mir Rektor Ekstein, bei dem ich wol eine Stunde war, bevor ich zu Hirzeln gieng. Der Letztere ist ein Älterer Mann, etwas kühl schien er mir und seine Art, etwas kurz abzuthun, hat mich nicht besonders angezogen. Als ich am Mittwoch Abends wieder zu ihm ge­laden wurde, hat mich das nicht einmal recht besonders ge­freut, obwol es für eine Ehre zu halten war. Ich fand ihn in liebenswürdigster Stimmung, und mir wurde bei Tische der Ehrenplatz neben ihm angewiesen. Die Unterhaltung dauerte ausnahmsweise bis 1/2 12 Uhr und Hildebrand äußerte sich über den Abend sehr zufrieden. Das nur so, um Hirzeln etwas beisammen zu haben, und nun wieder zur ordnungs­mäßigen Erzählung zurük.

    Der Germanisten-Club hat mich zum Ehrenmitglied ernannt, bei seiner Sitzung am vorigen Mittwoch. Die Heimreise durchs Rosenthal bei Mondschein wird mir unvergeßlich blei­ben. Erst bestiegen wir in heiterster Stimmung eine deutsche Eiche, von der aus Hildebrand von dem Hurrenbuch und mei­nerVerfolgung erzählte, dann besuchten wir den guten Geliert wo humoristische Vorträge gehalten wurden und wir kamen erst um 12 Uhr heim. Donnerstag wieder nach Konnewitz wo ich Döhring kennen lernte. Freitag im Museum sah ich die Landschaftsbilder von Kalame, den Spieler und andere. Luipold zum letzten Mal mein Führer, kaufte mir für alle Fälle einen Gugger, der mir oft zu statten kommen und mich stets an den wakern Altenburger in der weißen Sommer­kleidung erinnern wird. Abends Wahlversammlung. Samstag im Bahnhof traf ich Herrn Time der mich zu sich einlud und mir Tobak und Bücher schickte. Sontags besuchte ich deut­schen Gottesdienst und Abends - das Schützenhaus, wo ich in einer Märchenwelt zu sein meinte, Montags mit Meißner den Botanischen

    am 29 August 1867

    „Garten besucht" wollte ich letzthin noch schreiben, aber ich wurde unterbrochen und es ist schon so lang, daß ich nicht einmal mehr weiß, durch wen oder was. Vermuthlich waren es die Studenten, denen Freund Hildebrand, wie überladen er auch mit Arbeit ist, an jedem Samstag aus und über Wal­ther von der Vogelweide vorträgt. Ich war mit in 2 solchen Stunden und wollte, daß ich jeden Samstag dabei sein könnte. In den alten Dichtern geht mir wirklich eine zum Theil der Meinigen nahe verwandte Welt auf. So hab ich jetzt meine Freude an dem Bild eines Kanzelredners, der die geistliche u weltliche Regierung zwei sich auf einem schma­len Stege begegnenden Ziegen vergleicht. Ich hab aber bei dem Alten das Neue nicht vergessen. Am Dienstag hatte ich es schlimm. Hirzel sagte mir vormittags, daß Heute von Lehfeld Goethes Götz gegeben werde, das Tagblatt verkündete Conzert im Schützenhaus und Lehrer Köhler mit den länglichen Gliedmassen, der sg Klubriese, erbot sich, uns in eine Lassalleaner Versammlung im Kolos­seum zu begleiten. Das Conzert schlug ich leichter aus, den Götz jedoch hätt ich gar gerne gesehen, doch entschied ich mich für die Arbeiterversammlung. Im Garten nahmen wir unser Abendbrot ein, und machten uns dann auf den von Luise für sehr gefährlich gehaltenen Weg. Ihre Glückswünsche begleiteten uns in die weiten Räume, während im Osten ein Gewitter aufstieg, welches wol viele nicht kommen ließ. Die Versammlung war still und ernst. Ihre Beifallsäußerungen verriethen Versändniß dessen, worum es sich handelte. Ihr Humor ist etwas bitter und so eine Versammlung macht einen Eindruck, der sich so in aller kürze nicht wieder geben läßt. Im Klub ists weit denn die Studenten sind heim, gestern saßen unser sieben auf der Wartburg und schmiedeten einen Plan gegen den guten Lotze der nicht wählen will und den wir nun übermorgen mit Gutem oder Bösem auf die Armen­schule nehmen wollen. Übrigens dachte ich mir die Wahl­bewegung etwas lebhafter, doch es haben ja viele den Glauben, daß die erste Wahl doch ohne ein Ergebniß bleiben werde.

    Ich komme bisher nur zu einer flüchtigen Aufzeichnung ein­zelner Thatsachen, die zu verarbeiten ich daheim Zeit genug finden werde. Es kommt mir selbst fast wunderlich vor: daß ich in der belebtesten Zeit wieder zum Tagbuch komme. Freilich zur frühern behaglichen Selbstbespiegelung hab ich keine Zeit gehabt, da ich doch [die] für diese Zeit hinter­legten Liebeszeichen fertig abschreiben wollte was nun ge­schehen ist.

    am 30 August

    In der großen Seestadt Leipzig

    War ne große Wassersnot

    Häuser starben an die dreißig

    Viele Menschen stürtzten Tot,

    Mütter ringen mit den Händen

    Kinder krabbeln an den Wänden

    Auf dem Dache sitzt ein Greis

    Der sich nicht zu helfen weiß,

    Ach die Fluth sie ist so kühle

    Und so duster ist das Grab

    Das erweichet mein Gefühle

    Drum brech ich mein Liedchen ab.

    Tschira tschara Kassanova detscha rentscha, zwei drei vier So sang gestern das Hinterhaus auf dem Heimgang von Kunnewitz wo es den Damen wunderlich vorkam, daß ich die Kühe hauptsächlich „von Hinten" besah. Wir hatten unser 26 bei Sonnenschein den Ausflug gemacht und erlab­ten uns nun an Butter, Gurken Erdäpfeln, Bier und Häringen. Neidlos sah ich die letztern verschwinden, denn leichter ver­söhne ich mich mit gesalzener Butter und mit dem schlechten Wasser, als mit diesen gesalzenen Dingern, die noch todt uns beißen und würgen, dh. mich, denn es ist den ändern unbegreiflich, daß ich erst in der großen Seestadt Leipzig mit den Häringen Bekanntschaft gemacht habe.

    Die Leute hier fragen mich in der Regel, ob ich nicht unsere Berge schmerzlich vermisse, worauf ich ruhig mit nein ant­worten kann. Aber die Dörfer, die ich bisher sah, würden mir wol langweilig werden, ohne Berge. In der Stadt aber hab ich so vieles, daß es mir wirklich an nichts fehlt als an Zeit. Nun noch Morgen - übermorgen und noch ein Tag dann geht es schon wieder der Heimath zu. Ich freue mich darauf, die meinen wieder zu sehen, aber wenn ich an Holz, Streue, Mist u an dergleichen denke, so wird mir unbehaglicher zu muth als je vorher. Warum kann ich nicht der Kunst leben und dem Berufe, den ich in mir zu empfinden wähne! Nun in jedem Gefühl soll auch die Kraft liegen, es zu Geltung zu bringen. Bin ich doch seit 18 Monathen weiter gekommen als ich in meinem Leben zu kommen hoffte und noch ists nicht aller Tage Abend. Ich kehre reicher - wenn auch nicht an Geld, in die Heimath, für deren Werth ich erst hier den richtigen Maßstab zu fin­den glaube.

    Nachmittags 4 Uhr

    Das Mittagsschläfchen ist vorbei, der Kaffee getrunken, und ich hab noch ein Stündchen, bis es Zeit ist zu Dr Flügel der mir ein Kistchen versprach um die von ihm geschenkten Bücher u dgl einzupacken. Ich möchte denn doch einmal das Bild so eines Leipziger Tages aufs Papier bringen und nehme gerade den heutigen, der trotz dem aus der Arbeiterver­sammlung mitgebrachten Schnupfen keiner der schlechtesten ist und roth angestrichen zu werden verdiente. Daß ich nach dem Morgenkaffee, wie gewöhnlich, am Schreib­tische saß, beweißt das Lied von der Seestadt Leipzig. Dann lernte ich auf meiner Conzertine ich habe nämlich so ein Ding für etliche oder einige Thälerchen an der Pleiße gekauft bei einem Händler, dessen Adresse mir von einem Arbeiter gegeben wurde, der das Instrument noch in betrunkenem Zustand anständig [spielte]. „Die paar Thaler" dachte ich, mich in Gedanken vor den meinigen rechtfertigend, wird mir Keil für dieTannbergerreise und die Heilsgeschäfte wol geben. Das Instrument wird mir eine passende Erinnerung an das liebe musikalische Leipzig sein und etwas Lärm machen in meinem eintönigen Schoppernauer Dasein, denn es spielt aus drei Tonarten. Als ich heute nun wieder meine Freude über das Ding ausließ und vielleicht die ändern Bewohner des Hinterhauses ärgerte, - Ja da war es auf einmal 9 Uhr. Luise brachte das Frühstück, Brot Schinken und ein Schnäps­chen, welches geeignet wäre, mich mit diesem Wort auf bes­sern Fuß zu bringen. Nun steckte ich als eingeleipzigertes Menschliches Wesen eine Cigare ins Gesicht und trottete die Windmühlenstraße hinab bog in die Petersstraße ein und kam wie gewöhnlich ins Kafe National wo etliche Zeitungen sind. Es war heute nicht lebhaft und mir sind nur 28 Wagen begegnet. Wir lasen hier, und auf dem Gang in die Königs­straße lachten wir und ärgerten uns über die angeschlagenen Aufrufe an die Wähler Leipzigs. Hirzel war in guter Stim­mung. Er ist freundlich gegen mich und Hildebrand will wis­sen, daß er mir sehr gewogen sei. Ich sagte ihm, daß ich die „Liebeszeichen" fertig habe, er wünschte sie durchzusehen bis zur Abreise und ich ließ sie ihm da. Er scheint geneigt, das Werk zu drucken, was mir ein erfreuliches Zeichen wäre. Allerdings dürfte eine Zeitschrift etwas mehr zahlen, aber es ist doch wol gut, mir den gewonnenen Kreis zu halten u zu erweitern. Jedenfalls wird Hirzel mir gut rathen was mit der Erzählung anzufangen sei. Er schenkte mir Springers Ge­schichte Ostreichs und wir unterhielten uns längere Zeit, giengen dann, Hirzelsche Cigaren dampfend in Keils Palast hinaus, da ich eben auch die Heilsgeschäfte mitgenommen hatte. Keil war freundlich und wir blieben weit über die vor­geschriebene Audienzzeit im Zimmer. Es steht da nämlich für jeden geschrieben:

    Zeit ist Geld   5 Minuten.

    Keil bezahlte mir den Tanberger Aufsatz u die Heilsgeschäfte, die er ungeprüft annahm. Nun - die Concertine ist bezahlt und ich mache noch hübschen Profit so daß ich schon noch ein Glas Nasses bei Steinbach nehmen durfte, dann wars Zeit zum Essen, zum Schlafen und nun zum Einpacken, damit mein Kram mit mir nach Lindau gelangt. Es erfaßt mich beim Gedanken an die Abreise ganz eigen. Nun werde ich bald wieder weit, weit von so vielen guten Menschen sein, die so innigen Antheil an meinem Schaffen nehmen u deren Lebensgang auch ich in Gedanken beglei­ten, aus deren Kreis ich nicht mehr ausgeschlossen sein möchte. Das Wible wird mir diesen Seufzer verzeihen ich glaube nicht, daß es ihm selbst anders gienge. Übrigens ­wenn man's Geld hätte, oder jeden Monath einmal so abge­keilt würde, wie ich heute, ließe sich ja die Fahrt wieder wagen. Eben lud uns Meißner zu einem Abendvergnügen ein, aber leider fehlt es mir an Zeit und ich kann nicht mehr denken; Die nächste Woche dafür aber sehe ich dann die Meinen. Ich habe sie häufig zu mir gewünscht, mich aber seltener zu ihnen zurükgesehnt. Nur das lag auch in den schönsten Stunden wie eine Last auf mir, daß während ich mir so wol sein lasse, das gute Wible Pfenninge spalten und sich plagen muß. O, wir sollten eben recht oft abgekeilt werden. Nun, es ist schon viel niemahls Erwartetes gekom­men. Kehr ich doch nun in jeder Beziehung reich zurük.

    31. August 1867

    Dichter und Schauspieler! Wie oft las ich von Beiden und doch galten sie mir für Leute, die in dieser Alltagswelt nur Auserwählte sehen und sprechen dürfen. Gestern sah und sprach ich Beide. Da war ein gewisser Zacharias von dessen Vergangenheit ich wenig weis von dessen Zukunft ich aber­das beste hoffen will. Freund Hildebrand findet mein Urtheil oft zu rasch. Nun, es wird sich ändern, wenn ich mich recht oft getäuscht sehe. Ich wünsche Herrn Zacharias und seinem wilden Humor, daß das der Fall sein möge. Wir saßen beim Bier und es wurde wieder einmal über das liebe Publikum geklagt, während im Garten die lieblichsten Weisen erklangen. Der Dichter sah im Volk eine Masse, der auf dem Kopf herumgetrommelt wird. Da handelt sichs also für den Künstler drum, die Klopfer in die Hände zu bekom­men. Mir that es recht in der Seele wohl außer Hildebrand ­von dem ichs erwarten konnte auch den Schauspieler - den ich im Lear als Narr sah, jetzt dagegen reden zu hören. Er vertheidigte mit Wärme das Volk welches auch Gefühl habe für das Ächte, Wahre. „Ich fürchte das Volk nicht", sagte er, „und wer das Volk als Richter fürchtet, und nur die Verrenkun­gen der Gebildetseinwollenden Kritiker studiert, der ist nach meiner Ansicht schon gerichtet". Deutschinger heißt dieser Mann und ich drückte ihm mit Herzlichkeit die Hand.

    Heut hab ich meine Kiste gepackt und abgesendet. Ein Nudel­müller brachte sie auf den bairischen Bahnhof. Meine Kon­zertine trage ich selbst mit sie macht mir von Tag zu Tag mehr Vergnügen und dürfte im Stüb[l]e, wo keine Madam Engelhardt mehr hinter der Wand wohnt, für einige Zeit das Mittagsschläfchen unmöglich machen.

    Übrigens bin ich für heute Abend zu der letztgenannten Dame eingeladen und ich werde dort auch den Stadtrath treffen, der mir im Frühling nötigen Falls Geldmittel zu ver­schaffen versprach. Morgen um diese Zeit werde ich in Kößen, also auf preußischem Boden sein und wieder neue Bekanntschaften gemacht haben. Meine Welt wird also auch daheim nicht mehr so eng sein. Ich sehe erst jetzt, wie Hilde­brand für mich wirkte und ich fühle mich wohl in dem Kreis in den er mich führt; ich hoffe, daß der Boden auf den er mich stellte, so fruchtbar ist, und so befruchtend auf mich zurükwirke, daß auch er daran seine Freude haben könne. Wie gönne ich ihm die Anerkennung die ihm im Central­blatt wurde für sein Streben, das ich immer mehr verstehen u würdigen lerne. Mir war das eigentlich mehr ein festlicher Tag des Sieges als der Gestrige der mir wol ein paar Duzend Thaler, der Welt aber darum wenig oder nichts brachte, was eine besondere Feier verdiente!

    Mit der Kiste ist auch ein Stück von mir fort. Meine Gedanken beschäftigen sich mehr als gewöhnlich mit der Heimath. Ich sah, - während Hugo und Rudolf nagelten und die gekauften 100 Stück opfern zu wollen schienen - ja da sah ich die Mutter, das Wible den Jakob und den Kaspar und das Mikle um die Kiste versammelt, an der Hermann sich aufzurichten versucht. Alle spähen, ob unter so vielem für mich nicht auch für sie sich etwas finde. Leider war es nicht zu machen, aber diese Zeilen werden beweisen, daß ich wenigstens ihrer beim Einpacken gedachte.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 12. Juli 1867

    Lieber Freund

    Seit ich fast immer am Schreibtisch sitze, bekommen meine Freunde nur selten noch einen Brief. Sie werden mir aber glauben und sich sogar noch darüber freuen daß ich so man­cherlei zu thun habe. Wenn manches nur etwas fruchtbarer wäre! Ich meine damit nicht meine Dichtungen, sondern ich denke an sehr traurige Wahrheiten. Ich bin nach Bludenz geflohen um geistig u. körperlich sicher zu sein, doch Du wirst ja davon auch im Bund gelesen haben. Auf Ansuchen des Gustav Freitag hab ich dann die ganze Hetze u. meinen Lebenslauf kurz zusammengestellt; der Artikel ist eben in den Grenzbothen erschienen. Auch sonst hab ich durch die Presse gewirkt, doch das gehört nicht aufs Papier - genug - es wurde eine Untersuchung eingeleitet. Leider aber will unser Amt es mit dem Klerus nicht verderben und legt mir immer und überall Ketten an. Mann Gottes es gibt eine verfluchte Geschichte, wenn das Amt mich noch mehr ärgert, mich völlig zwingt seine Pfiffe an die große Glocke zu hängen wie Ichs jetzt könnte. Mir selbst schadet die Geschichte keineswegs ­gerade das war die rechte Illustration zu den Sonderlingen, drum haben auch meine Freunde so für Veröffentlichung gesorgt. Eine Recension soll eben die Europa gebracht haben. Hildebrand hat mir nur kurz davon gemeldet daß ich damit zufrieden u. froh sein dürfe. Er bringt sie wol selbst mit, denn Dienstag den 16 d M kommt er nach Schoppernau, da bleiben wir dann oder in der Gegend wenigstens bis ich am 5 August wahrscheinlich mit nach Leipzig wandere und fahre. Ich freue mich, dort manchen Freund zu finden. So hat mir der Germa­nisten Club zum Geburtstag, den ich in Bludenz erlebte, ein herrliches Gedicht „an den Dichter der Sonderlinge" überschickt aus dem ich Dir heut nur folgende Kraftstellen mit­theilen will

    So wollt ich daß ich wäre

    Dein vielgeliebter Wald

    Ich schüttelt Dir zur Ehre

    Die Tannenhäupter alt

    Die Vögelein ließ ich singen

    Die schönsten Melodein

    Die solln Dir lieber klingen

    Als schwarze Raben schrein.

    Laß krächzen nur die Raben,

    Sie brüten allerwärts

    Laß krächzen nur wir haben

    Für Dich ein treues Herz

    Nie hat das Volk vergessen

    Wers treu mit ihm gemeint

    Blick auf - schon hats gemessen

    Den Kranz für seinen Freund! -

    Doch genug, Du siehst wol, daß ich mich dort wieder auf­richte wenn sie mich hier niederschlagen sollten. Ich bin aber nicht niedergeschlagen, sondern trotzig und wehe, wenn ich die mir zur Verfügung stehenden Schleußen benütze, das gesammelte Gift auszuleeren, daß es ihnen in die Galgenge­sichter spritzt. Meine Corespondenz dehnt sich mehr und mehr aus. Interessant dürfte Dir sein zu erfahren, daß ange­regt durch den Gartenlaube Artickel sich auch Leute aus dem Volk, die über ihre argen Verhältnisse hinausstreben an mich wenden und in mir weiß Gott was sehen. Ich hab leider beim besten Willen nicht Zeit mich mit allen zu beschäftigen und möchte lieber auch Ihre gegenseitige Bekanntschaft vermit­teln. Die Sonderlinge gehen gut und soll die erste Auflage nächstens vergriffen sein. Am stärksten verhältnißmäßig wird das Buch in Innsbruck gekauft - auch ein Zeichen der Zeit. Mit den Grenzbothen hab ich mir einen Platz erobert, von dem aus man überall hin kann, als Freund Hildebrand mir Freitags Ansuchen um Beiträge meldete rief er: Nun sind Sie in der Besten gesellschaft: ein Bauer in diesem Kreise, uner­hört! Nun ich bin begierig, mir das alles mal in der Nähe zu besehen.

    Die Frommen hier platzen fast vor Ärger, weil sie mich nicht mehr gar so erbärmlich leben u. in anständigen Hosen herum­gehen sehen. Nu! Die verderben mir nichts mehr, sondern ihr Treiben wird mir nur noch nützen. Eben lese ich eine Bespre­chung meines Werkes in der Vorarlberger Landes-Zeitung. Sie ist mit Wärme und Sachkentniß geschrieben und im Ganzen außerordentlich günstig. Ich fange doch auch hier Boden zu gewinnen an mit Hülfe der Deutschen. Der erwähnte Artikel ist von R B[ayer] (Robert Byr). Die Allgemeine hat bei Ankün­digung meines Grenzbothen-Artikels meiner Sonderlinge vor­läufig nur kurz gedacht und sie ein vortreffliches Buch genannt. Daß der Verfasser der Klarstellung sich nannte und die Verfolger der Schrift in die Schranken forderte, haben auch die Schweizerzeitungen gemeldet denn auch in der Schweiz hab ich Freunde und nenne Dir heute nur den Natio­nalrath Dr Joos, der sich brieflich an mich wendete und mir, wie noch mancher, seine Unterstützung antrug. Doch darüber läßt sich besser schwätzen als schreiben. Zudem geht mein Platz mir aus und meine Zeit auch. Wir alle sind gesund. Koarado Buob läßt Dich grüßen. Die Deinen auch Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Natter
  • Datum unbekannt
    11. Juli 1867

    Hochgeehrter Herr!

    Der rühmlichst bekannte Herr Verfasser der „Sonderlinge" wird hoffentlich keine Sonderbarkeit darin finden, dass wir ihm den Ausdruck unserer tiefsten Sympathie aussprechen als dem neuesten Opfer einer verblendeten Verfolgungswut. Hoffentlich wird dieser traurige Akt nur dazu beitragen, Ihren jungen Ruhm noch mehr emporzuheben, Ihre so bedeutende Kraft zu stählen.

    Längst schon im Begriffe, mit Ihnen anzuknüpfen (wir schrie­ben in dieser Richtung an Herrn Dr. Ad. Pichler) gab uns die­ser seltene Vorfall endlich Gelegenheit, Ihren Aufenthalts-Ort zu erfahren. Wir beeilen uns, Ihnen eine Probe Nr unseres mit veränderter Tendenz erscheinenden Blattes zu übersenden u. Sie hiebei zu bitten, wenn Ihnen dieselbe entspricht, uns gütig Ihre Mitwirkung zu sichern; zu sichern einem vaterlän­dischen, vom ernstesten Streben u. echtesten Freiheitssinne begleiteten Unternehmen, zu sichern dieselbe Ihren Sie hochachtenden Freunden u. geistig Verbündeten. Bedingungen bitten wir uns mit Rücksicht auf unser noch jun­ges, mit vielen Schwierigkeiten kämpfendes Unternehmen, nicht zu schwierig zu machen.

    Wollten Sie uns Skizzen aus Ihrer Heimat, oder einen offenen Bericht über die letzten persönlichen Vorgänge, die mit Ihrer Vertreibung in Beziehung standen, einsenden u. uns hiedurch Waffen gegen die unverbesserlichen Verketzerer u. Verfolger jeder freieren Richtung liefern, so würden wir Ihnen zum höchsten Danke verpflichtet sein. Für die Redaktion

    Karl Pröll

    Karl Pröll
    Graz
    Franz Michael Felder
  • 10. Juli 1867

    Herrn Franz Michael Felder in Schoppernau.

    Eben jetzt Ihren Roman: „Sonderlinge" mit Vergnügen lesend, ist meine Aufmerksamkeit auf Ihre geschätzte Persön­lichkeit und schriftlichen Arbeiten gelenkt und deßhalb der in der Allgem. Zeitung vom 8. Juli Nr. 189 erschienene, Ihnen zur Ehre gereichende, wiewohl mit einigen Unrichtigkeiten behaftete Wiener Artikel meinem Auge nicht entgangen; und fühle mich daher gedrängt, Sie zu ersuchen, die darin erwähnten, mit der Beschreibung Ihrer Flucht nach Bludenz versehenen „Grenzboten" mir wenn thunlich umgehend per Post zuzusenden, wobei ich zu rügen mir erlaube, daß Sie das für Einheimische am meisten Interesse-Bietende in auswärtige und nicht in die Landesblätter einrücken lassen mögen. Mit Hochachtung zeichne

    Jos. Bargehr

    Josef Bargehr
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 10. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Endlich  gestern  das erste Zeugenverhör: Altvorsteher, das Weib des jetzigen Vorstehers und Kaspar Oberhauser waren vorgeladen. Mein Bericht kommt heute von der Vorsteherin, sie meldete mir:

    „Uns  allen   dreien   ist  es  vorgekommen,   ob   das   Gericht(Müller) dem Pfarrer helfe bis auf den letzten. Als ich zum Bezirksvorsteher kam, sagte ich: Ich sei das Weib des Vor­stehers Albrecht und komme in einer unliebsamen Angelegen­heit als Zeuge.

    ,Hätten Sie das Maul gehalten', fuhr mich der Bezirksvorsteher an; doch ich ließ mich nicht zu sehr erschrecken, sondern sagte: ,Zuerst hätt's aber doch der Pfarrer halten sollen.' Nun begann das Verhör. Ich erzählte alles, was der Pfarrer am 24. April diesbezüglich vor mir und dem Lehrer sagte. Die zwei Hauptpunkte waren, daß Pfarrer Rüscher sagte: Von seinem Anwesen könnte Felder nicht in seiner Weise leben, drum glaube er, Felder müsse von protestantischen u.d.gl. Agenten besoldet werden. Es gebe genug solche in Leipzig, und so wie Felder hätten's noch alle Irrlehrer angefangen, drum müsse er sich dagegen wehren. Auch sei Felder schuld, daß der Uhrenmacher seinem Vater nur noch zwei Messen lesen lasse, denn Felder wolle eben die heilige Messe herab­setzen. Müller wollte in dem allem keine Beleidigung finden. Es wurde nun eine Weile von Rüscher, dem Vetter des Pfarrers, geschrieben, was ich sagte. Dann sagte Müller: Die Sache müsse im stillen und bald abgemacht werden. Felder mache Lärm in den Zeitungen und reiße seinen Pfarrer herum, daß es wahrlich eine Schande sei. Zum Beweis wurden mehrere Blätter genannt."

    Beeidigt wurde die Vorsteherin nicht, obwohl sie sich darauf gefaßt gemacht hatte. Zum Altvorsteher, der es aussprach, ich würde nicht nachgeben, sagte Müller, die Sache müsse durch­aus in Bezau abgemacht werden. Das ist kurz mein Bericht. Es steht schlecht mit meiner Angelegenheit, so lange sie auf unserem Amte liegen bleibt wie das Gesuch um die Post. Im September oder Oktober versprach Müller, die Sache einzugeben, und jetzt kommt unser Dökterle von Innsbruck und sagt, es habe zuverlässig erfahren, daß man dort wohl von Ansuchen wegen Alberschwende u. a. Orte, aber nichts von Au und Schoppernau wisse.

    Ich kenne die wunderlichen vielfach verschlungenen Rechts­wege nicht und habe hier wieder nur ein Gefühl; dieses aber empört sich gegen solches Verfahren. Das Gericht (Müller) will jetzt nur noch mich und den Pfarrer vorladen, und dann sollen wir uns versöhnen, d. h. wohl, das Amt wird mich zum Nachgeben zwingen wollen. Ich erwarte daher mit umgehender Post Deinen Rat und werde, früher vorgeladen als Dein Brief kommt, nicht nachgeben, wenn nicht das Amt und der Pfarrer eine von mir verfaßte Erklärung unter­schreiben und in allen Gemeinden des Bregenzerwaldes veröffentlichen.

    Erfreulicher wird dies sein, zu hören, daß endlich die erste eingehende Besprechung meiner Sonderlinge in der Europa erschien. Ich sah sie noch nicht; Hildebrand aber schreibt darüber: Es sind allerdings ein paar große Dummheiten drin, das Ganze aber wird Sie heben und erfreuen, denn es enthält so viel Anerkennung, als ein Bauer einem alten Literaten gegenüber für jetzt erwarten darf. Über meine Zwei Geburts­tage schreibt er: Mit der Wirkung, die es macht, können wir zufrieden und froh sein. Hildebrand kommt am 16. Juli nach Schoppernau und bleibt bei mir, bis wir am 5. August über Oberstdorf, Augsburg, Nürnberg nach Leipzig reisen, wo ich wenigstens drei Wochen bleiben werde. Hildebrand will auch Feldkirch besuchen und bei dieser Gelegenheit auch Dich in Bludenz kennen lernen. Wann wir kommen, weiß ich natür­lich noch nicht.

    Der Artikel „Felder lebt" im Volksblatt wird hier dem Pfarrer zugeschrieben, ich aber halte den Dr. Greber für den Ver­fasser. Ich stehe mit ihm nicht gut. Er nimmt es uns übel, daß wir das Ländchen und mithin auch sein Bad in Übeln Ruf bringen. O Krämerfreisinn, der sonst so gern für Öffent­lichkeit einsteht.

    Mayern in Wien schreibe nun diesmal Du. Ich tat's gern selbst, aber er sollte mit den Tatsachen auch Dein Urteil und allenfalls Deine Pläne erfahren, denn gemeinsames Vorgehen scheint mir trotz aller Hindernisse so geboten, daß auch ich mich des Giftes, das in der letzten Zeit sich sammelte, nicht ohne Dein Gutachten entledigen werde. Doch hierüber bald mündlich. Von Dir erwarte ich einen Brief so schnell als möglich und noch vor einer neuen Vorladung aufs Amt, wo man anständigen Leuten vorwirft, daß sie nicht das Maul hielten. Feurstein ist mit den Sonderlingen sehr zufrieden, auch Kaspar Oberhauser scheint sie so ziemlich zu verstehen; sonst hab ich hier noch wenig auch nur ein bißchen Ver­nünftiges über das Buch gehört. Ich bin zum Teil für jetzt fast froh, daß es der Menge zu teuer ist. Der Uhrenmacher ist von Baden wieder gerne nach Schoppernau zurück. Er wird mir sehr interessant und ist halt doch ein guter Kerl, seit er wieder gesund und neukräftig dasteht.

    Schlosser Friedrich Riedlin von Memmingen hat mir auch wieder geschrieben. Seine Schrift scheint die soziale Frage sehr gründlich zu behandeln. So gründlich, daß eine Buch­ausgabe von keinem Verleger übernommen wurde. Ich riet ihm daher, sich an die Redaktion des Sozialdemokraten zu wenden.

    Am Dienstag war Alpfahrt, wir Aufelder aber müssen wenig­stens noch bis Samstag im Vorsäß bleiben. Endlich haben wir doch wieder gutes Wetter, aber kalt. Die Heuernte ist kaum mehr als mittelmäßig. Uhrenmacher sagt mir, daß das Vieh in der Schweiz wahrhaftig unerhörte Preise gelte, 300—400­450 Franken. Ich bin sehr gespannt auf ein Schreiben von Dir und erwarte baldige Antwort auf meine letzten drei Briefe, die Dir beweisen dürften, daß ich schon schreibe, wenn etwas zu schreiben ist, sonst aber mir das Dasein im Bregenzerwald so angenehm als möglich mache. Lebewohl!

    Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 9. Juli 1867

    Nr. 205.

    Dem

    Hr. Franz Michael Felder

    in Schoppernau.

    Auf Ihre Einlage v. 4. d. M. wird Ihnen hiemit bedeutet, daß man  darin  nicht einmal  eine Drohung, viel weniger eine gefährliche  Drohung erkennen  könne,  da sie wohl  selber zugeben werden müßen, daß Sie, da dessenungeachtet noch ganz allein nach Hause gegangen sind, selbst nicht an eine Bedrohung geglaubt haben werden. K. K. Bezirksamt Bezau d. 9 Juli 1867.

    Müller

    K. K. Bezirksamt
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 9. Juli 1867

    Geehrter Herr!

    Ihrem Wunsche gemäß sende ich Ihnen hier einige Arbeiten Bergmanns, die auf Vorarlbergs Geschichte Bezug haben ­aus der Museums-Bibliothek, u. lege die heutige Nummer der Landeszeitung bei.

    Ihre Zusage, mich seinerzeit heimzusuchen hat mich sehr erfreut u. dankbar nehme ich Ihr Versprechen entgegen, dem Museum das betreffende Grenzbotenheft senden zu wollen. Genehmigen Sie den Ausdruck der Achtung mit der ich ver­harre Ihr ergebenster

    Bayer

    Emmerich Bayer
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 9. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Bis Dein Brieflein von Bezau vom 3. d. Ms. ankam, hatte ich schon eine scharfe Mosaik für die Feldkircher Zeitung fertig und wäre eigens zum Kunz, um wegen der Veröffent­lichung zu verhandeln. Nach Erhalt jenes Briefleins legte ich den Aufsatz wieder in die Schublade und schrieb gleich an Mayer, ihm mein Verhalten und meine Ansicht, daß man Deinen Wunsch, alles Aufreizende zu vermeiden, respektieren soll, mitteilend. Damit er über das Stadium Deiner Ange­legenheit vollkommen instruiert werde, hielt ich es fürs Beste, Deine Briefe vom 30. 6., 2. 7. und 3. 7. ihm gegen baldigen Rückschluß und unter Empfehlung bescheidener Gebrauchs­nahme mitzuteilen. Ich halte ihn für einen alles Vertrauens würdigen Mann. Über die merkwürdigen Mitteilungen im Briefe vom 4. d. Ms. bin ich nun froh, so rückhaltlos gegen Mayer gewesen zu sein und es ist sehr gut, daß Du ihm auch gleich die Schnepfauer Affäre bekannt gabst. Auch den Grenzboten-Artikel sandte ich dem Mayer. Vor allem wichtig für die richtige Beurteilung unserer Lage ist nun, daß mir der Statthalter von Tirol und Vorarlberg unter 3. d. Ms. schriftlich folgendes bekannt gab: „Wenn die Verbreitung der in den Broschüren /: Ruf und Klarstellung :/ ausgesprochenen Grundsätze schon an und für sich als bedenklich angesehen werden muß, so ist es umso mehr für einen öffentlichen Beamten im höchsten Grade unpassend, als Verfechter derselben vor das Publikum zu treten." Wir wissen hieraus zunächst, was sehr wichtig ist, wie die offizielle Auffassung unserer Grundsätze beschaffen ist. Daß ich jetzt erst diese Verständigung bekomme, hängt sicher mit Er­wägungen politischer Art zusammen. Es werden nun auch für uns Erwägungen geboten und mit Rücksicht auf das zunächst Klare muß ich Deine Meinung billigen, daß kein Wässerlein getrübt werden soll, bis die Untersuchung abge­führt ist. Auch das ist sehr gut, daß Du die Schnepfauer Affäre alsogleich angezeigt hast.

    Für einen sehr wertvollen, jedenfalls auszunützenden Um­stand sehe ich nun das Vorgehen der Vorarlberger in Wien wegen der öffentlichen Sammlung für Dich an. Ich bin ent­schieden dafür, daß Du die Sammlung unter der Voraus­setzung, daß Keßler, Bergmann, Pfeiffer, Seyffertitz, Frosch­auer und andere bekannte Männer den Ruf unterfertigen und daß dieser Ruf nichts Entehrendes für Dich enthält, gestattest. Ich glaube nicht, daß aus Mangel an Beiträgen eine Blamage herausschaut, und wenn auch, so fiele sie nicht auf Dich, sondern aufs Volk. Jedenfalls gibt der Erfolg einen wichtigen Gradmesser für Gesinnungen und Stimmungen, die für Dein weiteres Benehmen von Bedeutung sein werden. Aber eines: Wenn dieser Ruf erschienen und die Sammlung veranstaltet wird, sollst Du nicht im Bregenzerwald sein. Das wird ein zu starker Hieb für Deine Gegner sein, als daß es geraten ist, die Wirkungen in Schoppernau oder im Wald abzuwarten. Überhaupt wirst Du aus dem Wald fort müssen. Die gestrige Allgemeine Zeitung bringt aus der Kölner Zeitung /: Kunz :/ wieder scharfe Rekriminationen, und es nimmt überhaupt der Kampf Dimensionen an, die Deine Gegenwart auf ande­rem Platz notwendig macht, wo nicht mehr ein Gutteil Deiner Spannkraft durch betörte Leute absorbiert wird. Ich teilte dem Dr. Bickel das Programm der Wiener Vorarlberger wegen der Sammlung mit, worüber er sich sehr zufrieden äußerte. Er ist mit mir der Meinung, daß die Römlinge und Dunkel­männer in Österreich, Italien etc. binnen kurzem Schlag auf Schlag erhalten werden und daß es sich wohl nur mehr um eine Spanne Zeit von zwei bis drei Jahren handeln könne, bis auch wir ein ordentliches Maß von Freiheiten und Rechten erhalten, daß es sich dann auch hier ordentlich leben und wirken lasse. Du brauchst daher nicht an eine Auswanderung zu denken und es ist für Dich ruhmvoller, wenn Du im Vater­land - wenn auch nicht im engsten - ausharrst und bessere Zeiten herbeiführen hilfst. In Feldkirch kursiert bereits das Gerede, Du habest das Batschunser Schlößle gekauft. Luger [?] wird Anlaß gegeben haben, obwohl ich ihm abge­schrieben habe. Wenn Du einen klaren, entschiedenen Plan hast und Du wegen Deiner Familie den Anschluß an unsere Assoziation wünschen solltest, so wäre es gut, daß ich recht­zeitig davon weiß, denn da ich nach obiger Statthalter-Eröff­nung eine Art Damoklesschwert über mir hängen weiß, muß ich entschieden auf den Fall denken, daß ich aus der Reihe der österreichischen Beamten austrete und doch noch lebe /:Kauf einer Heimat:/. Damit Du mehr im klaren über unsere Assoziation seiest, lege ich gegen Rückschluß den Brief von Jakob do. 7. 1. 1867 bei samt seiner Rechnung für mich, die Dich auch die Art seiner Buchführung kennen macht. ­Die Sammlung halte ich jetzt auch aus politischen Gründen für geboten und nützlich. Die Bedenklichkeiten der Regierung uns gegenüber können und sollen nicht so bleiben, wie sie jetzt sind und es soll auch in diesem Punkt klar und hell werden. Also Sammlung um jeden Preis. Freiligraths Ruhm ist durch die jetzigen Sammlungen in Deutschland nicht ver­mindert, sondern vermehrt worden, und sie tragen sicher viel bei, daß seine Werke und Dichtungen auch mehr gelesen werden. Er wird dadurch nicht abhängiger, sondern unab­hängiger. Das wird auch bei Dir so kommen. - Unlängst war Bröll von Dornbirn bei mir und zeigte sich ganz entzückt über die Sonderlinge und die Broschüren. Erstere werden in Dornbirn ziemlich gelesen. Das Buch von Dr. Joos in Schaffhausen habe ich jetzt ausgelesen und, abgesehen von der unglücklichen Form, sehr wertvoll gefunden. Für eine Verbrei­tung unter das Volk halte ich es aber nicht geeignet. Es ist nur für denkende, mit selbständigem Urteil und ausgebildetem Charakter versehene Leute. Immerhin sehr anregend, aber mühevoll zu lesen. Ich werde dem Joos bald schreiben und für einige Gebildete unseres Landes Exemplare erbitten. Meine Familie ist jetzt mit Isabella in Schruns auf Kriose. Ich begleitete sie gestern hinein und erfuhr dort, daß wir wirklich daselbst Boden haben, wie Kunz schrieb. Auch die Sonderlinge traf ich an. Vonbun hat sich sehr günstig über sie geäußert. -

    Daß Freytag den Traum abschnitt, gefällt mir nicht. Der jetzige Schluß ist schlecht und psychologisch falsch. Es wäre traurig, wenn Du jetzt, nach dem Erscheinen der Sonderlinge und nach dem, was geschah, Dein Dorf noch sehen solltest wie am 13. Mai 1863. Gegen eine solche Art von Willkürlich­keiten sollten die Literaten sich wehren. Deine Haltung auf dem Gericht scheint ganz recht gewesen zu sein, obwohl ich die Prozedur dort nicht recht verstehe. Mit Gruß und Handschlag, Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 8. Juli 1867

    Liebster Freund!

    Heute in aller Eile noch einige Zeilen als Anhang zu meinem Gestrigen. Ich erfuhr eben, daß das Starzeljoch noch schwer zu überschreiten sei für einen Fremden in fremdlerischen Schuhen, wegen dem Schnee. Wir werden also, wenn Sie es wünschen die Nordseite des Widdersteins uns später einmal ansehen. Ihre Sachen adressieren Sie nur an mich, der Bothe wirds schon herein bringen und sonst kann ichs ja geich holen lassen. Ich nehme an, daß sie auf der Reise da und dort ungerechnet ein Stündchen verweilen und werde Sie daher Dienstag den 16 d M beim Jochum im Schrecken er­warten. Früher, am Montag würden Sie mich noch heuend daheim treffen. Ich zog heute mit den Meinen von Hopf­reben und ich wollte, Sie hätten den Zug gesehen. Voran mein Tagwerker mit der sg Heimkuh, dann Ihr Freund mit seinem Bücherränzlein und dem Mikle auf dem Arm, dann das Wible mit Hermann und Jakob und das Kaspale mit den 2 Ziegen machten den Schluß da das Ahle noch im Vorsaß zurück blieb.

    Ich hätte ordentlich Lust Ihnen das Bild ins Lange und Breite zu malen aber ich hab noch was Anderes zu melden. Morgen Vormittag wandert mein guter Schreiner mit dem Altvor­steher und dem Weib des jetzigen Vorstehers nach Bezau aufs Gericht, wo sie vorgeladen sind, um Zeugniß abzulegen gegen Pfarrer Rüscher u. seinen Anhang. Man trug mir Ver­mittelung, Versöhnung an, doch ich will der erbärmlichen Geschichte ein Denkmal setzen oder verlieren. Alle Angese­henen hier sind für mich und sagen, daß auch sie durchaus nicht mehr lugg lassen würden. Draußen im Ländchen um Bezau u Egg herum ärgerts manchen, daß die Geschichte so öffentlich wurde, besonders ärgerts die Wirthe und Badbesitzer z b Dr Greber in Reute. Doch davon mündlich, und noch von vielem, was mir auf dem Herzen liegt. Ich wünschte schon so oft Sie hier zu haben! Gestern durchgieng ich Ihre Briefe. Es sind 18. Ich las einen nach dem ändern wieder durch und bei Jedem konnte ich noch ganz gut sagen wie es war als ich ihn erhielt und wie dann hernach. Heute suchte ich, während es regnete u stürmte, mehr als eine Stunde in nassen Wäldern u Tobein, kurz in ganz Hopfreben meine Kühe, die sich verirrt hatten, aber meine Stimmung war eine Frohere als früher bei die­sem für einen etwas kurzsichtigen sehr beschwerlichen Gang. Ich dachte an Sie, und ich sah den Weg den Sie mir aufthun wollen da fühlte ich mich nicht mehr beengt u niedergedrückt wie sonst. In der besten Stimmung kehrte ich mit den wakern Thieren heim.

    Doch Sie werden meine Verhältnisse nun kennen lernen! Das Wible freut sich mit mir grenzenlos über Ihren letzten Brief! es läßt die lieben Ihrigen herzlich grüßen Also auf baldiges frohes Wiedersehen in Jochums Bücher­stüblein! Leben Sie wol und reisen Sie glücklich. Mit tausend Grüßen an Sie u die Ihren

    Ihr Freund Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 7. Juli 1867

    Geehrtester Herr Felder!

    Wochen um Wochen sind vergangen, seit ich am 29 Mai Ihr werthes Schreiben, Datum Poststempel, Bludenz 27/5, beant­wortete und noch bin ich in der Ungewißheit, ob Sie dasselbe erhalten haben oder nicht?

    Freilich möchte Dieses als eine Unverschämtheit von meiner Seite, betrachtet werden, daß ich mir die Freiheit nehme, Ihnen schon wieder zu belästigen, allein die Freundlichkeit mit welcher Sie mir in jenem Schreiben entgegengekommen waren, berechtigte mich zu der Hoffnung, daß Sie nicht zu denen gehören, die mir im Bewußtsein ihrer höheren geisti­gen Bildung, noch immer den Rücken gekehrt haben. Oder haben Sie vielleicht meinen Brief wohl erhalten, aber ist dann mir Ihre Beantwortung desselben nicht zugegangen? So viel ich von einer Seite her erfahren habe, sind Sie Gott sey Dank wieder in Ihrer lieben Heimath und im Kreise Ihrer Familie.

    In Ihrem lieben Schreiben vom 27/5 äußerten Sie den Wunsch, über Inhalt und Richtung meiner Schrift etwas Nähe­res, und Bestimmteres zu erfahren; und dieses bilde nun für heute das Hauptthema meines Schreibens.

    Nach reiflicherer Überlegung habe ich den Titel nun anders gestaltet: „Aus dem Leben eines Proletariers." Ein Beitrag zur Beleuchtung der Arbeiterfrage von Friedrich Rau. Meinen Namen sezte ich deßwegen nicht hin, weil ich einen Schwager als Fabrikanten habe und der wie alle seinesglei­chen ein Feind solcher Broschüren ist, und da ich ihn in Geld­verlegenheiten schon oft brauchte, so möchte ich ihn mit meinem Namen unter dem Titel einer solchen social-demo­kratischen Broschüre, nicht vor den Kopf stoßen. In der Einlei­tung gebe ich den Grund an, warum ich die Broschüre verfaßt habe. Sie enthält 8-9 Seiten; und bespricht im Allgemeinen die Ansichten der beiden Rivalen: Lassalle und Schultze. Nun kommen die verschiedenen Abtheilungen der Arbeiterfrage in eine Erzählung oder besser gesagt in eine Novelle eingehüllt, zur Besprechung. Darunter sind: Erstens: Über Herbergen oder Vereinshäuser mit Arbeits-Nachweiß, 2tens Über Demo­ralisation des meisten Theils der Arbeiter, 3tens Wanderunter­stützungskassen, die katholischen Gesellenvereine und die deutschen Arbeitervereine der Schweitz. 4tens Die Staats­Werkstätten. Stens Die Arbeitervereine und ein allgemeines Organ derselben. 6tens Die delikate Lohnfrage. N. B. sehr ausführlich und tabellarisch behandelt. 7tens Die Wohnungs­frage, ebenfalls sehr ausführlich behandelt. 8tens Über Pro­duktiv-Genossenschaften. 9tens Arbeit und Kapital. 10tens Über Humanität in Fabriken. 11tens Eine häusliche Scene. 12tens Über Konsumvereine u.s.w. Das Ganze würde sich aber eben so gut wie in eine Broschüre, so auch in die Spalten einer Zeitschrift oder Zeitung mit social-demokratischer Ten­denz, passen.

    Daß ich hierüber noch nichts thun konnte, ist der Unkenntniß solcher Redaktionen und meiner isolirten Stellung zuzuschrei­ben. Niemand geht mir zu Rathe und so werden Sie mir es wohl verzeihen wenn ich mich wiederholt an Sie wende. Sagt ja schon ein griechischer Dichter im grauen Altherthume: „Wie leichter läßt die Last des Mißgeschicks sich tragen,

    Wenn einen Freund Du hast, dem Du Dein Leid kannst kla­gen."

    In der That, wenn ich in Folge der drückenden Verhältnisse in denen ich mich wirklich befinde, oft recht traurig, mißmuthig und verlassen mich fühle, so ist es gerade wie eine Last von mir genommen würde, wenn ich am Tische sitze, um Ihnen als einem gebildeten, edeldenkenden Manne, meine Gedan­ken und Empfindungen schriftlich mitzutheilen. Wie wehe thut mir nur die Verachtung der gebildet sein wol­lenden höheren Klassen gegen mich als einem in geistiger Beziehung weit unter ihnen stehenden, Proletarier. Bin ich daran schuld, daß mein Vater die Mittel nicht besaß, mich die verschiedensten Bildungsschulen besuchen zu lassen, in Folge dessen ich natürlich nie Gelegenheit hatte mich in den höhern Cirkeln zu bewegen und deren Bildung anzunehmen. Auch Sie waren lange der gebildeten Welt unbekannt, bis es Ihrem unermüdeten Ringen gelang, Ihnen die Achtung die Ihnen gebührte zu verschaffen und bis auch Sie die Fesseln gesprengt hatten, welche die Vorurtheile so Vieler gegen Ihren Stand, noch gefangen hielten. Ob Gelehrter oder Bauer, Fürst oder Proletarier, wir sind alle Glieder einer Kette, sofern wir die Vervollkommnung und das geistige wie leibliche Wohl der Menschheit zu umschließen gedenken. In meinem letzten Briefe vom 29/5 an Ihnen, theilte ich Ihnen mit, daß ich um Ihnen eine bessere Einsicht in meine geistige Produktion zu geben, gesonnen sey das Manuscript unter Kreutzband Ihnen zuzusenden, und wenn Sie ein günstiges Urtheil darüber abgeben, dasselbe noch einmal einer tüchti­gen Revision zu unterwerfen. Oder soll ich die Revision gleich vornehmen und Ihnen die Korekturbogen zusenden? Wie Sie durch eine persönliche Einsichtnahme ein] Urtheil über die Gediegenheit der Schrift, so werden Sie auch näh[eres über m]eine häuslichen Verhältnisse daran erhalten. Bei dem schlechten Lohn, der hier bezahlt wird, bin ich nicht mehr im Stande auf die Länge hier zu bleiben, ja wenn ich durch den Druck der erwähnten Broschüre eine kleine Nebeneinnahme erzielt hätte, damit das Gleichgewicht zwi­schen Einnahme und Ausgabe wieder hergestellt worden wäre, dann wäre ich vielleicht hier geblieben, aber so erfor­dern es die Umstände, daß ich mich wo anders um eine bes­sere Stelle sehe.

    Leider stehen aber allerorts die Lohnsätze im Verhältniß zur Miethe, Holz- und Lebensmittelpreiße zu nieder, so daß die Unkosten des Fortziehens mit Familie oft vergebens veraus­gabt werden. Diese delicate Frage wird in meinem Schriftchen ebenfalls eingehend behandelt. Wann und wohin ich ziehen werde, werde ich Ihnen dann seinerzeit melden. Es grüßt Ihnen freundlichst und empfiehlt sich Ihrem ferneren Wohlwohlen Hochachtungsvoll Ihr ergebenster

    Friedrich Riedlin Schlosser Memmingen

    Friedrich Riedlin
    Memmingen
    Franz Michael Felder
  • 7. Juli 1867

    Liebster Freund!

    Ich wollte, Sie hätten gesehen, welche Seelenfreude mir Ihr letzter Brief machte. Ich erwartete gestern etwas von Ihnen und gieng Abends, als ich den Bothen von Bezau angekom­men [glaubte] trotz Regen Wind und Dunkelheit mit meinem Vetter, dem Uhrenmacher nach Au. Und der Brief war den Gang werth. Ich habe bisher noch kaum Zeit gehabt an die Besprechung in der Europa, die ich wol nicht erhalte, zu denken. Auch ich werde Ihnen manches und fast nur Erfreu­liches über die Aufnahme der Dichtung in Vorarlberg zu melden haben. Ich habe auch mit Ihnen über eine mir zu Theil gewordene vertrauliche Mittheilung zu sprechen und bin auch darum froh daß Sie etwas früher kommen. Aller­dings werde ich mit Heuen noch nicht ganz fertig sein aber ich pflege jetzt ohnehin zuweilen die Gabel bei Seite zu legen und in mein Stüble zu eilen und überdas sollen Sie mich auch als Heuer sehen. Ich würde sehr bedauern, wenn Sie wegen 2-3 Tagen, Feldarbeit, die ein Anderer ja für et­liche Batzen so gut wie ich verrichten wird, Ihre Ankunft hin­ausziehen wollten. Ich war diese Woche in Bezau bei meinen Freunden Feuerstein und Reinhardt (in dem Letztern einem Beamten, werden Sie einen echten lieben Deutschen kennen lernen). Da wurde von meinen Freunden eine Rundreise oder doch ein Kreuzzug durch den vordem Wald verabredet wo ich noch so ziemlich fremd bin. Nun trifft sichs ja herrlich denn wir bestimmten den 21 oder noch einen frühern Tag und da können Sie meine Freunde im Ländchen kennen ler­nen. Auch Dr Josef von Bergmann in Wien, dessen Arbeiten Ihnen sicher bekannt sind, wird bis dahin hier sein da mir sein Besuch bereits gemeldet wurde. (Er ist vom Bregenzer­wald.) Von hier aus haben wir auch einen nahen und inter­essanten Weg nach Bludenz wo mein Schwager sich recht herzlich freuen wird, meinen lieben Freund und Wohlthäter zu begrüßen, denn er liebt und haßt mit mir und jubelt über das Glück, das mir wird, wie ein Bruder. Sie treffen dann auch andere liebe Menschen, deren Bekanntschaft Sie gewiß freuen wird, den ich stehe, dank Ihrer Vermittelung von Leip­zig aus nun auch im Vaterland nicht mehr so ganz alein wie noch vor einem Jahr um diese Zeit. Doch ich komme in meiner Freude ins Schwatzen und vergesse fast warum ich schreibe und daß es schon längst zum Gottesdienst läutete. Nun hab ich als Katholik das Meine gethan und kann noch mit Ihnen plaudern bis der Bothe wieder geht. Die Grenz­bothen hab ich erhalten u bedauert, daß der Traum den ich in jener Nacht wirklich hatte ganz abgeschnitten war. Er hätte dem Ganzen das so trostlos schließt, ein anderes Gesicht ge­geben. Nun ich hoffe, daß er sich noch verwirklichen wird u das war mir die Hauptsache. Aber davon bald mündlich. Den besten aber längsten Weg von Obers[t]dorf hätten Sie über Lechleiten nach Warth Krumbach, wo meine Schwäger auf der Alp sind, Schröcken, Hopfreben, Schoppernau, über die Berge würde ich das Gemsteljoch rathen, wenn Sie nicht den Ihnen neuen Weg oder Paß über Starzel vorziehen. Sie wer­den jedenfalls einen Führer mitnehmen wenn der Nebel so liegen sollte wie heut, denn noch liegt Schnee da droben, auf dem man leicht verirrt, wenn man die Gegend nicht mehr übersehen kann. Vom Schröcken ist mein Haus mit dem klei­nen Gärtchen vor der Stubenwand das erste welches Sie tref­fen so daß Sie gar nicht einmal zu fragen brauchen. Ich würde Ihnen entgegen kommen, wenn ich nicht dadurch Ihnen auf der Reise völlig Zwang anzuthun fürchtete. Ich kann den Tag Ihrer Ankunft kaum erwarten, aber ich möchte doch nicht, daß Sie meinetwegen schneller von Ihren Freunden wegeil­ten, die Sie vielleicht auf der Reise treffen. In Schröcken beim Jochum finden Sie alles recht ordentlich und es ist möglich daß Sie auch mich dort treffen, nur bitte ich Sie, darum keine Frucht auf dem schönen Wege ungepflückt zu lassen. Und nun wäre die erste Abtheilung unseres Briefwechsels zu Ende. Er entstand aus unserm Zusammentreffen in Au. Was alles mag wol aus dem Dießjährigen entstehen?! Ich habe das Gefühl, daß wir noch viel miteinander erleben. Möge es doch für Sie, liebster Freund erfreulich sein wie mir der Tag Ihrer Ankunft. Mit Grüßen an die Ihren u Freundshandschlag

    Ihr Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 5. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Ich hoffe, daß diese Zeilen Dich wieder in Deiner speciellen Heimat treffen werden, und daß die Zeit der Verbannung, wovon ich durch die „neue freie Presse" Nachricht erhielt, vorüber  und  die  Wiedereinsetzung  in   den  vorigen  Stand erfolgt ist. Auch hoffe ich, daß meine 2 letzten Briefe Dich noch in ungestörter Ruhe gefunden haben werden.

    Ob die freiwillige Verbannung von Schoppernau Dir wirklich nothwendig schien, kann ich natürlich nicht wissen, da ein Besuch des H Schwagers von der Feldkircherin auch ohne zwingende Notwendigkeit als Vertreibung aufgefaßt worden sein könnte, von wo die „Presse" schöpfte. Zu der guten Aufnahme der „Sonderlinge" die ich durch die Gartenlaube erfahren habe, gratulire ich, obwohl sie zu erwarten war. Daß nicht die Sonderlinge, sondern die zwei „Rufe" Dir den Haß des Clerus an den Hals geworfen haben sollen, finde ich denn doch etwas zu stark. Wie wollen denn die geistlichen Herrn aus den Innern Merk­malen der Heiligen Schrift ect., deren Echtheit heraus fühlen, wenn sie nicht einmal aus diesen 2 Heften Deine Nichtautor­schaft erkennen können. Von der Sprache gar nicht zu reden, hätten sie doch als Kenner des canonischen Rechtes (das soll­ten sie doch sein) einen Juristen ex professo ohne sonder­lichen Scharfsinn als Autor vermuthen können. Meine Dir schon mitgetheilte, wahrscheinlich von Dir nicht getheilte Meinung über die gedachten Brochuren hat sich nicht geändert. Ich habe seither mit etlichen von mir als ver­nünftige und wissenschaftliche Männer angesehenen Leuten darüber gesprochen, und sie waren wie ich der Meinung, daß Unveräußerlichkeit der Güter und alleinige gesetzliche Erb­folge nicht nur nicht wünschenswert seien, sondern daß gerade im Gegentheile die freie Veräußerlichkeit zu befür­worten und das Fideicommißwesen wo möglich ganz zu ent­fernen sei. Auch begriffen sie nicht, wie diese Forderungen zu der auch von ihnen als wünschenswert anerkannten Associa­tion der Arbeit passe. Wenigstens habe ich dadurch zu meiner Genugthuung erfahren, daß auch meine Ansicht über diesen Punkt bei von mir als Sachverständigen angesehenen Män­nern Theilhaber findet, ja unter allen, mit denen ich sprach, nicht Einen Gegner fand.

    Romanismus, Germanismus ect. kommen mir überhaupt wie andere Schlagworte vor (z. B. liberale Partei in Vorarlberg?) und es kümmert mich nicht so sehr woher etwas kommt, als was kommt. Ein in Wien gemachter Wagen müßte daher, wenn ich Pferde und Wagen halten könnte und wollte, nicht den weiten Weg über Paris und London machen u. etliche Male verzollt werden, bevor er mir recht wäre, wie dies nicht selten vorkommt.

    Im übrigen habe ich meine gute Meinung davon wiederholt ausgedrückt.

    Die „neue fr. Presse" wußte auch zu erzählen von der guten Aufnahme die Dir in Feldkirch zu Theil wurde. Waren es die liberalen, die Dich so gut aufnahmen? Da die Nachricht von dorther kommt, so scheint es. Haben sich vielleicht gar Mei­nungsdifferenzen bei diesem dem in Paris vorangehenden Congresse begleichen lassen? Daß dieses weder zu ernst noch als böswillig aufzufaßen ist, werde ich nicht anzuführen nöthig haben; doch schaden kann es ja auch nicht; so geht es einem, man verliert die sichere Grundlage u. muß von allen Seiten Stützen anbringen, wenn man von subjectiv wichtigen verschiedenen Vorfällen mehr Muthmaßungen als Gewißheit hat; daher wäre es mir sehr angenehm, wenn Du mir wieder einmal und zwar recht balde, wenigstens in Kürze, über die seit Februar vorgekommenen Ereigniße berichten würdest. Ich weiß zwar recht gut, daß jetzt eine Zeit der Arbeit für Dich ist, doch etliche Minuten wirst Du deßungeachtet für diesen Zweck entbehren können. Ich hoffe dies um so mehr, da ich wahrscheinlich bald in eine andere Kanzlei kommen werde u. auch am Ende dieses Monats aus dem jetzigen Quartier ausziehen werde, da auch mein Quartiergeber aus­zieht, da ich Dir somit nur bis Ende dieses Monats eine ganz sichere Addresse geben kann, die lautet: „Wien, Roßau, Servi­tengasse Nr. 14 Thür 11." Allerdings würde mir wahrschein­lich auch unter einer ändern Addresse oder später der Brief zugestellt werden, aber wann?

    Wie es mir geht, wirst Du schon aus den österreichischen Zei­tungen vermuthen können, wenn Du gelesen hast, daß die jungen Juristen etwas schlechter bezahlt werden, als Taglöh­ner, vorausgesetzt, daß sie einen pekuniär guten Posten haben. Verdienen kann sich unserer Einer nur das Allernö­thigste. u. die Arbeit, die mir bisher unterkam, kommt mir höchst langweilig vor. In allem übrigen geht es mir sehr gut.

    Ich luge nach allen Seiten um, finde ich irgendwo ein anderes annehmbares Loch, so schlüpfe ich hinein.

    Lebe wohl, grüße mir Weib, Mutter, Kinder, meine Mutter u. alle Bekannten

    Dein Freund

    F. X. Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 4. Juli 1867

    Löbliches k k Bezirksamt!

    In meiner Angelegenheit habe ich heute folgendes zur Kennt­niß zu bringen und meinen frühern Angaben wegen Bedro­hung meiner Person beizufügen:

    Gestern Abends, beiläufig um Vs 8 Uhr, verließ ich in Möllau Herrn Aktuar v Reinhardt und Feuerstein von Bezau, welche mich bis dort hinbegleiteten. Ich gieng alein nach Schnepfau und es war schon ziemlich dunkel als ich dort anlangte. In der letzen Nacht vorher hatte ich schlecht und wenig geschlafen, ich war daher jetzt ungewöhnlich müde. Ich gieng nun in das Haus des Wirths und Handelsmanns Gallus Moos­brugger zu Schnepfau um das Geld für die von mir gelieferte „Wintermilch" in Empfang zu nehmen und gleichzeitig um ein Fuhrwerk wenigstens bis nach Au zu bitten, da ich heute durchaus heim zu kommen versprach und nun mein Ausblei­ben unter den jetzigen Umständen leicht hätte Besorgnisse erregen können.

    Herr Gallus Moosbrugger war nicht bei den übrigen Hausge­nossen und Heuern am Tisch inwendig neben der Hausthür. Ich gieng in die Stube, wohin die Wirthin mir auch den ver­langten Wein brachte und die Thüre hinter sich offen ließ, so daß ich und die draußen im sg Vorhaus Essenden uns ver­standen, ohne uns zu sehen. Ich erkundigte mich nach Roß und Wagen.

    „Die Rosse sind müd und morgen in aller Frühe müssen sie wieder fort" bemerkte die Wirthin und fügte noch bei, daß man auch keinen passenden Wagen zu Hause hätte. „Das ist mir ärgerlich" sagte ich, denn heute gehe ich wirklich nicht mehr gern durch den langweiligen Wald hinein" „Du brauchst Dir nicht zu fürchten" spottete die Wirthin. „Ich selbst dürfte mir Dir hinein oder", fügte sie, sich an einen draußen beim Tisch wendend bei „oder du könntest ja mit ihm gehen"

    „Ich thät ihm grad das Messer in die Brust stoßen" hörte ich eine Männerstimme sagen die mir nicht die eines Kindes vom Hause, sondern eines Knechtes oder Heuers zu sein schien. „Da könnte man sich allenfalls wol fürchten" wendete ich mich wieder an die sichtlich sehr verlegene Wirthin. Während diese den „dummen Kerl" wegen seiner Rede tadelte, und mir wiederholt versicherte, daß mir heute niemand etwas thun werde, leerte ich hastig mein Glas und gieng alein in meine Heimath zurück.

    Ich bitte, mich in Kenntniß zu setzen, ob in dieser Thatsache, die ich eidlich zu bestättigen bereit bin, und die auch die Wir­thin und die ändern von dieser zu Nennenden, deren Nahmen mir nicht bekannt sind bestättigen müssen, keine Bedrohung und kein Grund zu weiterem Vorgehen gesehen werde. Es zeichnet sich hochachtungsvoll

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    K. K. Bezirksamt
  • 4. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Ich beeile mich, Dir genau die Erlebnisse meiner letzten in jeder Beziehung sehr interessanten Reise mitzuteilen. Vor­gestern abends sieben Uhr kam ich in die Garns in Bezau, wo ich die Wirtin sehr freundlich fand. Sie sagte mir aber, daß es dem Dr. Greber beinahe gelungen sei, sie böse auf mich zu machen. Bald wurde ich von einem von Feursteins Arbeitern freundlich hinauf gebeten. Feurstein war allein, er war erfreut, mich bei sich zu sehen, wir redeten von den letzten Ereignissen, und er sagte mir, daß man überall für mich sei. Dr. Leitner sei in Wien gewesen und habe sich geschämt, auf die teilnehmenden Fragen wegen meiner Per­son nicht mehr zu wissen, so daß die Wiener sahen, wie wenig Teilnahme ich noch gefunden. Feurstein meinte, diese Reise könne in meiner Angelegenheit einen ändern Wind nach Bezau gebracht haben. Nach Dr. Leitners in Wien vorge­gangener Bekehrung sei derselbe von den dort lebenden Vorarlbergern mit einem Auftrage „beehrt" worden, der vor mir und vor jedermann einstweilen noch geheim zu halten sei. Nämlich: Durch Freunde und auf andere Weise zu er­forschen, wie ich über öffentliche Unterstützung der Dichter denke und ob ich wohl ein Geschenk des Volkes von Vorarlberg und derjenigen, die den Bauerndichter liebten, ob ich wohl so ein Geschenk annehmen würde, um von der Zwangs­arbeit frei zu werden und die Augen schonend den Tag zum Lesen und Schreiben benützen zu können. Engelbert Keßler, Bergmann, Pfeiffer (eine sprachwissenschaftliche Größe der­zeit in Wien), Seyffertitz, Froschauer und viele andere haben sich bereits zusammengetan und einen „Ruf" ausgearbeitet, dessen Abschrift sich in Feursteins Händen befindet. Mir und Feurstein gefällt er nicht, was ist zu machen? Er ist überzeugt, daß ich eine Unterstützung zu kräftigerm Wirken von jeder Seite aufnehmen werde, und er bereits den Beitritt zu dem sich bildenden Komitee zugesagt hat.

    Die Abendunterhaltung in der Garns dauerte sehr lang. Meine Zwei Geburtstage wurden vorgelesen und fanden besonders Feursteins, Reinhardts und Leitners Beifall. Dr. Greber war betrunken. Nach der Vorlesung hieß es: Es sei alles recht und gut und auch das Land könne trotz allem mit mir wohl zu­frieden sein, ja mir nur danken, da ich wirklich an der Brücke baue, doch - in ähnlichen Fällen solle ich nur nach Bezau kommen, auch dort sei ich ein lieber Gast und man werde mich schon zu schützen wissen. Unsere berühmte Heimfahrt nannte man „allerdings ein wenig -", aber sie habe jetzt das Gute, dem Gegner Veranlassung zu so einer niedern Verteidi­gung gegeben zu haben.

    Gestern Vormittag zehn Uhr erschien ich bei Müller und erhielt Mitteilung, daß am 25. Mai das Untersuchungsgericht die Akten wegen Ehrenbeleidigung nach Bezau geordnet, aber kein Vergehen nach § - Bedrohung erkenne. Pfarrer Rüscher ist bereits am 25. Juni vernommen, auch Pater Beda. Müller redete nun nach Kräften zur Vereinbarung und versprach, alles Mögliche zur Beruhigung der Gemüter zu tun. Ich aber wollte nur eine amtliche öffentliche Erklärung ohne Pfarrers Unterschrift durchaus nicht annehmen. Nun wurde auch Dr. Leitner ins Zimmer gerufen, um mir einzureden. Leitner aber war in Wien. Er redete pflichtgemäß, aber es war, als ob er lieber das Gegenteil sagte, was ich jetzt auch sicher weiß.

    Mithin kamen wir vormittags zu gar nichts. Nach dem Mittag­essen bei einem Spaziergang auf die Bezegg sagten mir Förster und Feurstein, auch sie würden nicht nachgeben. Dann redeten wir von einer Pferde-Eisenbahn nach Egg. Die Vor­steher haben schon von dem Plan geredet, man glaubt, daß sich eine Aktiengesellschaft bilden werde. Bei der erwähnten Vorsteherversammlung wurde auch ein Schriftstück der Statt­halterei wegen Verlängerung der Schulzeit und Verbesserung der Lehrergehalte verlesen. Feurstein führte das Wort. So lang die Schule nicht der Gemeinde gehöre, werde man gar nichts tun, denn erst dann könne man dieselbe als eine Bildungs­anstalt des Volkes betrachten.

    Müller, der von dem Grenzboten Artikel gehört hatte, schien mir nachmittags in etwas übler Stimmung, während er einen Nachtrag zu meinen Angaben vom 18. Mai schreiben lassen mußte.

    Schon war vier Uhr vorüber, als ich das Amt verließ, und ich schrieb Dir nun, so schnell ich konnte, während ich mich kaffeetrinkend zur Abreise vorbereitete. Nach mehreren zum Teil erwünschten Säumnissen machte ich mich um sechs Uhr auf den Weg. Feurstein und Reinhardt begleiteten mich bis Mellau und erzählten u. a., der Pfarrer dort habe nach Lesung der Sonderlinge gesagt, ich gefiele ihm jetzt viel besser als vorher.

    In der letzten Nacht hatte ich ungewöhnlich schlecht und wenig geschlafen und kam daher jetzt etwas ermüdet in Schnepfau an, als es schon beinahe ganz dunkel war. Ich ging in das Haus des Gallus Moosbrugger, um das Geld für mein Wintermolken in Empfang zu nehmen und mich zu­gleich um ein Fuhrwerk wenigstens nach Au umzusehen. Gallus war nicht bei den übrigen Hausgenossen, Taglöhnern, am großen runden Tisch inwendig neben der Haustür. Ich ging in die Stube, wohin mir die Wirtin den geforderten Wein brachte und die Türe hinter sich offen ließ, so daß wir und die draußen Essenden uns verstanden, wenn wir redeten, ohne uns zu sehen. Ich erkundigte mich nach Roß und Wagen.

    „Die Rosse sind müd und morgen in aller Frühe müssen sie wieder fort", behauptete die Wirtin und fügte bei, daß man auch keinen passenden Wagen zu Hause hätte. „Das ist mir ärgerlich", sagte ich, „denn heute gehe ich wirk­lich nicht mehr gern durch den langweiligen Wald hinein." „Du brauchst dich nicht zu fürchten", sagte die Wirtin. „Ich selbst dürfte mit hinein oder", fügte sie, sich an einen der draußen Essenden wendend, bei, „oder du kannst ja mit ihm gehen."

    „Ich würde ihm das Messer in die Brust stoßen", hörte ich eine Männerstimme sagen, die die eines Taglöhners zu sein schien. Die Wirtin ward verlegen, und die Art, wie sie dem Redenden sein Geschwätz verwies, überzeugte mich mehr, daß es keiner ihrer Söhne gewesen sei. „Da könnte ich mir wohl fürchten", knüpfte ich an die letzten von der Wirtin zu mir gesprochenen Worte an. Hastig leerte ich mein Glas und ging, während die Wirtin in einem fort versicherte, daß man mir gewiß nichts tun werde.

    Erst erschrak ich über diese Rede, jetzt aber freut sie mich wie den Pfarrer Rüscher unser Einzug in Schoppernau. Der Fall wird einen Schuß ins Wespennest Schnepfau geben. Ich bin froh, daß ich da einen Faden fand und werde das noch heute und wörtlich wie Dir dem Bezirksamt melden. Spät am Abend kam ich mit allerlei Gedanken zu Schop­pernau an.

    Josef Anton Ratz ist gestorben. Feurstein meint, jetzt sollte man für die Handlungsgesellschaft reden. In Bezau würde ich kräftige Unterstützung finden. Das Erlebnis zu Schnepfau werde ich wohl veröffentlichen, aber vor der Untersuchung, die auf meine Angaben wohl eingeleitet wird, soll kein Wäs­serlein getrübt werden. Dem reichen Galli könnte die Ge­schichte unlieber sein als 100 Fl. Ö.W.

    Er ist nicht gut auf mich und soll auch den Vorsteher in Bezau bei der letzten Versammlung fast verächtlich behandelt haben, weil er sich öffentlich meinen Freund nannte.

    Das ist, was ich Dir von meiner letzten Reise zu erzählen habe.

    Auch an Mayer will ich schreiben. Ihm den Fall in Schnepfau

    samt dem Übrigen melden und ihn noch um Stillschweigen

    bitten. Ich erwarte eine Kritik meines Verhaltens und weiteres.

    Mit Brudergruß und Handschlag, Dein Freund

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Ich wurde von Müller verständigt, daß die Klage wegen Be­drohung zurückgegeben, d. h. daß die Untersuchung in Feldkirch am 25. Mai beendet und nichts Verbrecherisches gefunden wurde, dagegen die Akten zur Untersuchung wegen Ehrenbeleidigung ans Bezirksamt Bezau übergeben. Heute war ich zum Zweck einer Versöhnung mit Rüscher vorge­laden. Ich lehnte ab, da ich durchaus die Untersuchung will. Feurstein und andere gaben mir recht.

    Genaueres später, ich hoffe, daß die Sache nun schnell geht. Dr. Leitner kam von Wien mit einem gehörigen Respekt vor mir von Wien zurück. Auf Umwegen erfahre ich, daß in Wien eine Geldsammlung für mich veranstaltet werden soll.  Ich halte die Idee nicht für übel, aber der Plan will mir nicht ein. Übrigens kann ich die Sache noch immer hintertreiben. Ich muß aber heim! Übermorgen mehr, ich darf erwarten, daß die Zeugen sofort vernommen werden, melde das Meinen und bleib ruhig, melde es auch Mayern. Lebe wohl und schreibe mir auch über die Sammlung. Dein Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. Juli 1867

    Liebster Freund Felder,

    Ich komme nun sicher und wollte das Ihnen nur heute früh vor der Arbeit noch rasch melden. Und zwar werde ich mich bemühen so lange als möglich dort zu bleiben, es dürften wol 3 Wochen daraus werden. Auf Ihren Brief hab ich mich entschlossen, meine ganze Ferienzeit an Sie und Ihre Inter­essen zu wenden, d. h. so bald als möglich mit Ihnen zusam­menzukommen und so lange als möglich mit Ihnen zusam­menzubleiben, und freue mich jetzt unaussprechlich drauf. Nun komme ich dann aber auch noch eher als ich angegeben hatte. Meine Ferien beginnen am Freitag über acht Tage, und schon am Sonnabend denk ich zu reisen, auf dem näch­sten Wege, sodaß ich schon am Montag d. 15. Juli bei Ihnen sein könnte, falls ich nicht in Augsburg mich länger verweile als ich mirs jetzt denke. Ich will dort zwei Besuche machen und es wäre denkbar, daß man mich den Sonntag fest hielte. Von da will ich aber den nächsten Weg einschlagen, über Oberstorf, wo ich Mayers flüchtig besuchen will und von da zu Fuß über den Gamschelpaß und den Schrecken oder über die Starzel, rathen Sie mir was besser ist. Ursprünglich wollt ich freilich über Lindau und meinen Arzt in Reutte und Ihren Freund Feuerstein mit besuchen; aber dazu findet sich viel­leicht sonst Gelegenheit. Ich möchte auch Feldkirch und Ihren Hrn. Schwager kennen lernen.

    Aber komme ich Ihnen nicht zu früh für Ihre Arbeit? Be­nachrichtigen Sie mich darüber offen und bestimmt, dann könnt ich ebensogut noch eine halbe Woche warten. Ich er­warte noch einen Brief von Ihnen, und werde mich nach dem richten. Übrigens brauchen Sie sich durch mein Dasein nicht zu sehr gebunden zu denken, mir wirds an Beschäftigung nicht fehlen. Unsere Abreise müßte etwa am 5. August geschehen, da ich mit Ihnen zunächst wieder über Oberstorf gehen und Ihnen dann auch Augsburg, Nürnberg, vielleicht München wenigstens flüchtig zeigen möchte, sodaß über unserer Reise 5 und mehr Tage vergehen könnten; am 10. Aug. spätestens möchte ich, am 11. müßte ich wieder in Leipzig sein. Schrei­ben werde ich Ihnen wol nicht wieder, da ich noch viel zu thun habe, um mir für 4 Wochen Luft zu schaffen mit Wör­terbuchsarbeit. Meinen Koffer wollt ich mit Post vorausschik­ken bis Bezau.

    Ich könnte Ihnen erzählen von der ersten eingehenden Be­sprechung der Sonderlinge in der Europa; doch ich muß arbei­ten und Sie bekommen doch wol die Nr. zugeschickt. Es sind zwar ein paar gewaltige - Dummheiten drin, aber doch wird Sies im Ganzen wol heben und befriedigen; die Anerken­nung die drin steht, ist vor der Hand das Äußerste was man von einem alten Literaten einem Bauer gegenüber verlangen kann.

    Die leider nur 3 Abzüge Ihrer Geburtstage haben Sie hoffent­lich erhalten (einen hab ich für mich zurückbehalten). Man­ches wird Sie ärgern, wie michs ärgerte, aber im Ganzen kön­nen wir mit der Wirkung, die es so macht, wol auch zufrieden und froh sein.

    Frischen Muth, Freund, es geht aufwärts - vor der Hand freu ich mich unsäglich auf unser Wiedersehen und unser längeres Zusammensein, das sich menschlicher Berechnung nach doch wol auf 6-7 Wochen erstrecken wird. Bis dahin mit Freundes­handschlag

    Ihr

    R. Hlldebrand

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 2. Juli 1867

    Lieber Freund!

    Achtmal hab ich gestern mit schlechter Tinte an Dich zu schreiben angefangen und endlich im Unmute doch nichts Ordentliches zustande gebracht. Trotzdem komme ich heute schon wieder, nicht um das Gestrige zu widerlegen, aber doch um Dir Halt! zuzurufen.

    Die gemütliche Zeit ist vorüber. Die Tatsachen drängen und die Zeit des besonnenen Handelns findet mich neukräftig auf meinem Posten.

    Heute morgens erhielt ich durch Extrapost von dem Kinde des Kronenwirtseine Vorladung. Morgen 10 Uhr hab ich bei Müller zu erscheinen. Es scheint, daß man uns durch diese Eile, die nicht einmal unsern Boten schnell genug findet, jede Unterredung unmöglich machen wolle. Auch recht! Ich bin kalt und ruhig. Ich werde einen Nachtrag zu meinen Angaben diktieren und hören, was man will. Übrigens hab ich keinen Grund, mich zu verdemütigen. Ich glaube, Du werdest mit mir zufrieden sein. Morgen werde ich Dir Bericht erstatten und Du wirst bis dahin ruhig bleiben. Aber dann soll's los­gehen, denn von Müller erwarte ich nichts, als daß er mich vielleicht in seine Karten sehen läßt. Von Au bis Mellau denke ich zu fahren, denn die Drohungen in Schnepfau haben noch nicht aufgehört und das Wible würde mich nicht gehen lassen. Von Müller erfahre ich überall, daß er ein schmutziger Kerl sei, aber noch hab ich den Faden nicht gefunden, den ich suche. Zum Heuen hab ich fast nie Zeit. Gestern abends war ich beim Kurat. Er ist, wie ich mir ihn dachte, nur das Vorurteil gegen den Geistlichen, das ich vorher nicht hatte, ist bei seiner salbungsvollen oder doch zudringlichen Versöhnungs­rede ein wenig erwacht. Ich ließ ihn meine „Zwei Geburts­tage" lesen, er lobte den Aufsatz, sagte, daß hier alles klar und wahr vorliege und machte meinem Stil manches Kompliment; er gestand auch, mich bisher kaum für einen Dichter gehalten zu haben, sondern für einen sehr nüchternen Denker.

    Vom Kurat, den ich bald wieder zu sprechen wünsche, ging ich ins Rößle. Auf dem Weg erfuhr ich von Deinem Bruder Pius, daß der Hof in Bizau nicht verkauft werden zu sollen scheine, jedenfalls unter 10.000 Fl. nicht zu haben wäre. Die Rößlewirtin gab mir den Brief des Lehrers von Kennelbach, der im lieben langen Sommer für ein - Nudelgeschäft reist. Der Brief handelt von mir, ist an die Rößlewirtin gerichtet und bezeichnet mich in einer fein sein sollenden Umschrei­bung als im Solde der Freimaurer stehend. Die Wirtin hat mir das interessante Schriftstück überlassen, und ich denke, es später in einem deutschen Blatte zu veröffentlichen und so unsern Lehrern ein gebührendes Denkmal zu setzen. Heute schicke ich Dir denselben nicht, denn ich muß ihn einem Reisenden zeigen, den ich zu treffen hoffe. Einen Nord­deutschen!! Herrgott, ist das eine Art, solche Briefe an Wirtinnen zu schreiben. Ist denn die ganze Sippschaft ver­rückt. Der Stil ist übrigens gewählt, alles sieht sich recht unschuldig an.

    Herrn Bayer hab ich gestern noch geschrieben. Von Reisen­den erfahre ich, daß vom Pöbel noch viel über mich ge­schimpft und geflucht wird. So gestern in Bezau. Die Wirte suchen die Sache zu vertuschen oder stellen sich auf meine Seite. Natürlich, der um diese Zeit ungewöhnliche Strom fragt mir überall nach, pilgert nach Schoppernau und bis Hopfreben. Das fängt an zu imponieren. Selbst Leute von Bregenz herein suchen mich auf. Ja, Freund, bis in Bregenz draußen hörte man meinen großen Namen heraufschallen aus Leipzig. Am Ende - doch nein, auf die Wälder ist denn doch nicht mit Bestimmtheit zu rechnen. Jetzt hab ich Material zu Studien und Plänen alle Taschen voll. Vorerst aber denke ich, unter dem krausen Titel „Gleich der Katze auf dem Rücken" einen Artikel über die Angriffs- und Verteidigungsart der Brixner und ihren amtlichen und nichtamtlichen Helfern zu schreiben und weiß Gott wo zu veröffentlichen. Wenn was draus wird, so schicke ich Dir die Arbeit natürlich zu, denn sie soll werden wie ein Ruf zum Kreuzzug und Auf­sehen machen in Israel und Judäa. In der Landeszeitung soll ein Artikel über unsere Heimfahrt sein. Ich gäbe was drum, wenn er so wirklich wäre, wie ich's erzählen hörte. Entgegnungen freilich lassen sich in Bludenz eher schreiben als hier, wo alles viel zu langsam geht.

    Ich will doch gern sehen, was morgen los ist. Wenn ich hinauskomme, gehe ich erst mit diesem auf die Post und dann zur Gamswirtin und zu Feurstein. Leider muß ich schon heute gehen, damit ich diesen Brief mit dem gestrigen zu Dir bringe.

    Noch muß ich Dir eine Stelle aus meinem letzten Brief an Mayer mitteilen. Ich wünschte damals keine Artikel in der Presse, die das Volk zu sehr aufregen könnten, und schrieb etwa so:

    „Doch bitte ich, das Volk, die Menge nicht durch zu gesalzne Artikel in der Presse zu erregen, so lange die Gesetze mich nicht schützen und ich nur von der Gnade des Pöbels ruhig lebe."

    Der Kurat behauptete gestern, Rüscher würde sich jetzt zu einer Versöhnung sogar mit Zugeständnissen und Opfern herbeilassen. Auch sagte er mir: der Mann sei jetzt ganz krank (trübe, mißtrauisch, kurz, herabgekommen). Auch unser Altvorsteher will bemerken, daß der Pfarrer ganz anders sei und herummause wie einer, der etwas nicht in der Ordnung habe. Seine Kreaturen operieren sehr gemein und planlos. Ich hab da morgen noch einige Angaben zu machen, wenn fch heute glücklich durch Schnepfau, Mellau u.s.w. hinaus­komme.

    Lebe wohl mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. Juli 1867

    Dem

    Herrn Joh. Michael Felder

    in

    Schoppernau

    Zu einer Einvernahme in Ihrer Anklagssache wegen Bedro­hung u. Ehrenbeleidigung wollen Sie Mittwoch den 3. d. M. früh 10 Uhr bei mir erscheinen.

    K. K. Bezirksamt Bezau am I.Juli 1867

    Müller

    K. K. Bezirksamt
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 1. Juli 1867

    Sehr geehrter Herr Beier!

    Ich danke Ihnen für die Freude, die Sie mir mit ihrem letzten Briefe gemacht haben. Ich bin begierig, über mein Werk das Urtheil vom Verfasser des „Deutschen Grafenhaus", welche Erzählung ich mit innigem Interesse gelesen, zu hören, und: Ich erlaube mir, Sie um Übersendung der Blätter zu bitten, die eine Besprechung von Ihnen bringen werden. Zwar haben meine Freunde in Leipzig es mir möglich gemacht, auch solche Blätter zu lesen, zu deren Anschaffung meine Mittel nicht ausreichen würden, jedoch erhalte ich dieselben etwas spät und es wäre mir lieb, Ihr Urtheil und überhaupt eine Besprechung noch vor dem Erscheinen der 2ten Auflage also bald, zu lesen. Im Sommer denke ich nach Leipzig zu gehen und ich freue mich schon darauf, Sie dann in Bregenz zu treffen.

    In den Grenzbothen ist eben ein Aufsatz von mir erschienen (zwei Geburtstage eines Bäuerleins). Ich erlaube mir Sie dar­auf aufmerksam zu machen. Sollten die Grenzbothen in Bre­genz nicht zu finden sein, so werde ich den Aufsatz der kurz auch meine Lebens- und Leidensgeschichte erzählt, dem Museum übersenden, jetzt ist mir das leider nicht möglich. Ein Aufsatz über den Tannberg findet sich in Nr 14-15 der Europa/Leipzig Keil und wird von der Feldkircher Zeitung nachgedruckt werden. Ich werde später das Zerstreute sam­meln und übersenden.

    Und nun hätte ich noch eine Bitte, mit der ich mich, aufge­muntert durch Ihre Güte, an Sie zu wenden wage. Ich möchte gerne einige Schriften unseres verehrten Landsmanns J. von Bergmann lesen z. B. über die Walliser, vielleicht ist es Ihnen möglich  mir dieselben auf kurze Zeit zu verschaffen.  Ich

    werde Ihnen dafür sehr dankbar sein.

    Erfreuen Sie mich gelegenheitlich mit einer Antwort.

    Mit vollester Hochachtung

    Ihr ergebenster

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Emmerich Bayer
  • 1. Juli 1867

    Auszug aus dem Protokoll

    Die Anfeindungen, von denen ich hier zu berichten habe, begannen durch Pfarrer Rüscher von Schoppernau. Zuerst und hauptsächlich wirkte er durch seinen Freund Josef Anton Moosbrugger, dem ich verleumderische Behauptungen dutzendweise nachweisen könnte, und durch die Mitglieder des s. g. dritten Ordens, dem Pfarrer Rüscher vorsteht, „weil er", wie er vor zwei Jahren in einer Predigt zu seiner Entschuldi­gung sagte, „nicht will, daß das Kloster in Bezau mit dem (s. g. dritten) Orden die ganze Gemeinde in die Hände be­kommen soll". In Wirtshäusern und „so privatim" hat Rüscher länger gegen mich gearbeitet; offen aber trat er im Winter 1866 gegen mich in einer Kinderlehre auf. Ich hatte in der s. g. Sennhütte angefangen, Vorträge über Genossenschafts­wesen zu halten, nun redete er von den Sozialisten und Kom­munisten der französischen Revolution. Er sagte, das und die Schriftsteller seien die nämlichen gewesen, die dann die Kirchen ausgeraubt und ein schlechtes Weibsbild auf den Altar gestellt hätten als Gottheit, und wenn jetzt in Senn­häusern herum solche Irrlehrer wieder aufträten, so wisse man schon, was man von ihnen zu erwarten habe. Das zündete und es wurde durch Anspielungen auf Schrift­steller u.d.gl. dafür gesorgt, daß der Funke zur Flamme werde. Ernsthaft aber wurde die Hetzerei nach den dies­jährigen Landtagswahlen, die durch einige meiner Freunde entschieden wurden. Die Orte Au und Schoppernau kamen in den Ruf, daß es mir hier gelungen sei, die Leute vom wahren Glauben abzubringen. Auch wurde gesagt, daß ich für mein Wirken als zweiter Luther, Freimaurer u.d.gl. von den Freimaurern und ändern Agenten bezahlt werde. (Pfarrer Rüscher hat, wie ich in den letzten Tagen erfuhr, es mehrfach ausgesprochen, daß ich mein Geld nicht als Schriftsteller, son­dern eher auf diese Weise verdiene.)

    Die Klarstellung erschien im Februar. Pfarrer Rüscher schrieb auf ein Exemplar meinen Namen und schickte es dem hiesigen Vorsteher und dem Ausschuß, während er und seine Werk­zeuge den nicht lesenden und nicht denkenden Leuten aus­einandersetzten, daß die Schrift von mir verfaßt und gegen den Glauben gerichtet sei. Gleichzeitig wurde in Au gegen eine wirklich von mir verfaßte Schrift gepredigt, nachdem es den Kapuzinern in Bezau gelang, den ersten Bogen zu entwenden. Pater Beda sagte über folgende in der Schrift vor­kommende Stelle: „Wie einer ist, so ist sein Gott" unter anderm: Einer ist ein Hurer, also ist Gott auch ein Hurer, ein anderer stiehlt, also ist Gott ein Dieb. Da seht ihr's! Ärger als dieser Schriftsteller kann man's nicht mehr machen. Die von mir im letzten Winter für die Gemeinde auf Kosten des Handwerkervereins und auf Rechnung von ändern Wohl­tätern errichtete Leihbibliothek wurde nie von einem Geist­lichen durchgesehen, trotzdem brachten einige dieser Herren das Gerücht auf, daß von mir Hurenbücher ausgeliehen würden. Als Kaplan Stern beim Buchbinder in Au ein Werk sah, welches eine Besprechung von Renans Leben Jesu ent­hielt, hieß es gleich, ich wolle den Renan unter das Volk bringen, und der Pfarrer von hier sah sich zu einer Predigt veranlaßt, die jedermann auf mich bezog und auf unsern Vorsteher, der mit mir die Neue Freie Presse und die Feld­kircher Zeitung liest

    Den Herausgeber des letztern Blattes nannte Pfarrer Rüscher einen erstickten Studenten, den ein glaubensloser Brotvater aufgenommen habe. Von Schoppernau bis Bezau redete im Frühling alles von mir. Man nannte mich einen Ketzer, Frei­maurer, Gottesleugner, Antichrist - wie das Volk dieses Un­geheuer kennt - und es wurde besonders in Schnepfau öffentlich ausgemacht, es wäre ein gutes Werk, wenn man mich ins Wasser werfen oder so in der Stille auf die Seite schaffen könnte. Meine Freunde warnten mich, allein die Heimat nicht mehr zu verlassen. Der Vater des Pfarrers Rüscher besuchte seinen Sohn und ging dann aus dem Pfarr­hof in andere Häuser, um den Leuten zu sagen, sein Bub wisse wohl, daß nur ich an allem schuld sei und das ganze Dorf in Übeln Ruf bringe, doch man werde mir den Meister schon noch zeigen, wenigstens bei ihm daheim in Reuthe (bei Bezau) würde man jetzt mit so einem wie mir nicht viel Wesen machen, man tat mir das noch gesunde Auge auch ausstechen und mich dann erschlagen. Die Wirkung solcher Reden von Leuten aus dem Pfarrhof ist nicht zu beschreiben.

    Niemand konnte ein beruhigendes Wort an die Leute richten, denn daß die Vernünftigem sich auf meine Seite stellen, galt nur für einen Beweis meiner teuflischen Verführungskunst. Am Kirchweihmarkt in Au am 5. Mai stellten sich ganze Häuf­lein unheimlich flüsternd und mit Fingern auf mich zeigend um mich her, einzelne suchten Streit mit mir anzufangen, und ich mußte mich vom Marktplatz entfernen. Der Versuch, unserm Pfarrer meine Unschuld zu beweisen und ihn zu einer beruhigenden Erklärung zu bewegen, mißlang; Pfarrer Rü­scher fuhr die beiden hiesigen Vorsteher (Albrecht und Alt­vorsteher Moosbrugger) wild an: Packen Sie sich hinaus, denn vor Zeugen werd ich kein Wort mit ihm reden. Trotz­dem blieb ich allein da, bewies ihm dies und jenes und ersuchte in schonendster Weise um die beruhigende Erklä­rung. Verächtlich antwortete er mir zornroten Gesichtes: „Lächerlich! wegen Euch tut man gar nichts." Die Aufregung wuchs von Tag zu Tag und ward völlig zur Wut über mich. In meiner Sennhütte wurde öffentlich be­dauert, daß man mir nicht schon vor Jahren einen Klotz an den Kopf warf, statt mich mit Lebensgefahr aus dem Wasser zu retten (1860). Ich fand nötig, mich zu entfernen und den Schutz der Gesetze von einem sichern Platz aus anzurufen, von hier aus hätte ich das nicht mehr gewagt, denn auch andere meinten, daß das sehr gefährlich wäre. Ich habe auf Ersuchen in Bludenz der Staatsanwaltschaft obige und noch viele Tatsachen mitgeteilt, die Zeugen genannt und meine Aussagen beeidigt (am 18. Mai [1867]). Einige Wochen später glaubte ich wieder zu den Meinen zurückzukehren, da meine Mittel mir keinen Knecht zur Bearbeitung meines Gütchens erlauben. Ich fand die Aufregung größer als vorher und denke mit schwerem Herzen daran, meine Güter zu ver­kaufen und mit den Meinen eine sicherere Stätte in Vorarl­berg oder mit Hilfe meiner Freunde in Deutschland aufzu­suchen, wenn mir weder das Gesetz noch sonst jemand helfen und die Geistlichen zu einer beruhigenden Erklärung verhalten sollte. Der Artikel in dem"Judenblatt" Neue Freie Presse war nur Öl ins Feuer. Pfarrer Rüscher predigte hernach: Recht und Tugend müsse jetzt unterliegen. Als Beweis diene das Schicksal des wackern Greises Rudigier (der wegen Ver­leumdung etc. in seinem Volksblatt abgestraft wurde). So werden Gesetz und Recht von den Kanzeln aus verhöhnt und mißliebige Personen dem Haß, der Wut und Verachtung einer fanatisierten Menge auf jede Weise preisgegeben.

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 30. Juni 1867

    Lieber Freund!

    Meine Tinte ist so schlecht, daß ich Dir mit dem Stifte schreiben muß. Du hättest heut auch ohne Deine Aufforde­rung Nachricht erhalten. Gönne mir übrigens den Hinter­hopfrebner Humor; er ist weg, sobald ich ins Dorf komme. Doch ich hab heut etwas anderes, von dem ich Dir früher nichts sagen mochte, weil ich meiner Sache noch nicht gewiß war. Heut nun bring ich, dank meiner scheinbaren Gleich­gültigkeit, nun so viel Wasser auf unsere Mühle, daß wir die Postangelegenheit wohl noch nicht brauchen, was mir lieb ist, da ich denn doch noch Genaueres sammeln muß, daß unser Schuß kein blinder sei.

    Mit Mayers Nachricht, daß eine Interpellation unmöglich, erhielt ich auch eine Mitteilung von unserm Vorsteher. Der sagte, Müller habe gesagt: Meine Angaben, in denen er aber keine Ehrenbeleidigung finde, lägen auf dem Gericht und man werde nun wohl gelegentlich einmal mich und Rüscher vorladen müssen. (Wohl zu einer rührenden Versöhnung!!!) Auf die Reden des Vorstehers, der sich warm meiner annahm, sagte Müller nichts Merkwürdiges mehr, aber ich hatte schon an dem genug. Müller plaudert gern, dachte ich, und bald stand es bei mir fest, daß er meine Angaben mißbrauche, damit die Herren sich fassen könnten. Ich bat nun Mayern, die Artikel in der Presse nicht zu sehr zu salzen, denn ich dachte: Die Herren und ihr Anhang werden bald unvorsichtig, wenn alles hübsch ruhig bleibt. Heute ist mir, was ich damals vermutete, eine ausgemachte Sache. Gründe habe ich bisher folgende: 1. Gallus Moosbrugger und der Lehrer von Schnepf­au behaupteten vorgestern vor dem Altvorsteher von hier: Ich hätte auf Ehrenbeleidigung geklagt, auch Pfarrer Feßler sei von mir angegeben. Altvorsteher sagte: Daß ihnen das nicht bekannt sein könne; sie aber behaupteten, das ganz bestimmt und zuverlässig zu wissen. 2. Hier wird heute allgemein gesagt: Auch die Maria Anna Jäger sei von mir verklagt (es ist so). Entstanden ist dieses Gerede durch eine Betschwester, die man mir noch nicht nannte. Entstanden ist dieses Gerede in Au. Die Betschwester kam nach demselben ins Kloster und hörte, wie Pater Jakob sich tadelnd über die Jäger aussprach und sagte, die sei auch von mir verklagt. Die Jäger soll für ihr Vergehen vom Orden eine Strafe erhalten haben, und von ihrer Umgebung erfährt man, daß sie sich jetzt wie wahnsinnig gebärde. Überhaupt wird jetzt hier viel über den Inhalt meiner Angaben gestritten und geredet, und ich verhalte mich ruhig forschend. Glaubst Du, daß wir schon genug zum Feldzug haben, so schlage nur los, sonst aber lasse mich Beweise sammeln, daß Müller meine Angaben nicht geheim hält. Wenn Du losschlägst, so teile auch Mayern diesen Brief im Auszug und den Grund mit, warum mein letzter Brief ihm nicht mitteilte, was damals meine Vermutung war, wenn Du noch mehr Tatsachen brauchst, so schreibe nicht an Mayer, da der mir sonst das Wasser trüben könnte. Rüscher läßt aussprengen, er hätte jetzt den Wurf in der Hand, aber er werde essen und vergessen.

    Du erinnerst Dich wohl noch, daß im Mai sich die Geistlichen in Feldkirch versammelten. Da verklagte Pfarrer Berchtold mich und die Schoppernauer beim Bischof: „Es habe sich hier eine neue Sekte gebildet." Ich möchte meine Quelle (Stock­mayer) nicht nennen, auch andere dort Anwesende, z. B. der Pfarrer von Schwarzenberg, müßten ja das bestätigen. Stock­mayer hat's unserm Vorsteher anvertraut, der ihn besuchte. Das ist so alles, was ich heute in meiner Angelegenheit zu melden habe. Das Schwätzen und Lügen dauert fort, doch hab ich nichts zu fürchten, denn immer mehr wird ordent­lichen Leuten das Treiben meiner Gegner widerwärtig oder lächerlich. Ich dachte schon daran, erst von Leipzig aus die Presse und alles Mögliche für mich zu benützen. Zeitungs­artikel regen die Menge umso mehr auf, je weniger sie Gelegenheit hat, sie selbst zu lesen.

    Von den Sonderlingen hab ich noch keine Besprechung ge­lesen, aber von zweien gehört. Von der einen schrieb Hilde­brand nur, daß sie ohne Sachkenntnis verfaßt sei, keine Be­achtung verdiene und wohl auch keine finde, von der ändern sagte mir einer der vielen Reisenden, die mich jetzt besuchen, er wüßte nicht viel davon, doch soll sie günstig sein. Ich erfahre aus Leipzig, daß das Buch verhältnismäßig in Wien am wenigsten und in Innsbruck weitaus am stärksten gekauft werde. Auch in Feldkirch und Lindau. Hirzel sorgt schon für die zweite Auflage, er wartet nur noch auf Berichte aus Paris und London. Hildebrand kommt am 28. Juli oder hernach und bleibt eine Zeit da oder in Oberstdorf. Heute schicke ich Dir den in Bludenz entstandenen Aufsatz, dem Freytag den Traum wegschnitt. Nun wirst Du das Protokoll, welches doch eine ungenaue Abschrift ist, wohl nicht mehr brauchen. Mache mit dem Aufsatz, was Du willst. Er darf in der Feldkircher Zeitung abgedruckt werden. Die Eurigen fuhren erst am letzten Donnerstag, 27. Juni, auf Krumbach, doch hab ich den Pius nicht mehr getroffen, seit ich ihn mit Dir verließ. Dem Mayer schreib ich noch nicht, bis ich mehr weiß, unterrichte Du ihn aber von jedem Deiner Schritte. Es wäre jetzt gut, wenn ich bei einer bessern Post wäre, aber es wäre doch nicht gut, wenn ich die Gegend verließe, da ich hier Manches erfahre, mich auch in Hopfreben wieder gekräftigt habe. Der Aufsatz der Grenzboten sollte auch in der Neuen Presse erscheinen, das wäre wohl die beste Unterlage für das Folgende. Ich sähe ihn lieber dort als in der Feldkircherin. Du kannst ihn Mayern nach Wien schicken. Freytag wird nichts gegen den Abdruck haben, wenn man ihn darum bittet, was ich tun werde.

    Es wäre möglich, daß ich Dich auf meiner Reise nach Leipzig besuchte. Robert Bayer [?] in Bregenz dankt mir im Namen des Museums für die Sonderlinge, und auch in seinem eigenen Namen dankt er mir. Er will das Werk in öffentlichen Blättern besprechen, ganz kurz auch in der Landeszeitung. Ich werde ihm heute noch schreiben, wenn das Wible in ganz Schoppernau etwas bessere Tinte auftreiben kann. Auch Du sollst bald wieder Nachricht haben. Ich muß jetzt immer Briefe schreiben. Gönner und Gegner scheinen sich ver­schworen zu haben, mich keinen Augenblick mehr zur Ruhe kommen zu lassen. Ich wollte ein Dichter werden, und nun machen sie mich zu weiß Gott was.

    Nun bin ich fertig für heute. Der Brief ist, daß ich ihn einem Fremden gar nicht schicken dürfte, er ist das Bild meiner Stimmung, denn ich habe Nerven, und nicht immer will es mir gelingen, so heiter zu sein wie, dem Himmel sei Dank, an dem Tage, wo ich meinen letzten Brief an Dich schrieb.

    Wenn ich aus dem Gezänk nicht herauskomme, soll Deutsch­land kein Werk mehr von mir erwarten. Mit Gruß und Handschlag, Dein Freund

    Felder

    Wenn ich Freytag um Bewilligung des Nachdrucks für die Neue Freie Presse ersuche, geht's doch zu langsam, von Wien aus käme es schneller zurück. Schreibe bald!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 27. Juni 1867

    Geehrter Herr und Freund!

    Meinem Versprechen gemäß erhalten Sie hiermit mein Con­terfei. Es schaut zwar finster in die Welt hinaus, demungeach­tet scheint im Herzen des Originals die Sonne. Da Sie von den Rittern des Löschhornordens für einen Frei­maurer verzollt werden, so  übersende  ich  Ihnen zugleich meine in der hiesigen Zeitung vom 11 Jänner v. J. veröffent­lichte Beantwortung der Frage: Worin besteht das Wesen der Frmrei?

    die mir verschiedene, jedoch ganz unschädliche Angriffe zugezogen hat. Hoffentlich wird es Ihnen möglich, Wort zu halten und mich im Laufe dieses Sommers zu besuchen. Die Meinigen lesen mit großem Eifer „Nümmamüllers" p. p. und freuen sich außerordentlich, den Mann persönlich kennen zu lernen, der so volksthümlich und ansprechend zu schreiben versteht.

    Mit inniger Freude gedenke ich der mit Ihnen verlebten Stun­den, die ich leider nicht so habe benutzen können, wie es hätte geschehen sollen, weil ich von meiner langen Fußwan­derung zu sehr ermüdet war. Wenn mir das Vergnügen zu Theil wird, Sie hier im Kreis meiner Familie begrüßen zu kön­nen, so werde ich mich, das Versäumte nachzuholen bestre­ben.

    Mit den herzlichsten Grüßen an Sie und die lieben Ihrigen Ihr ergebenster

    A. E. Blödt

    Worin besteht das Wesen der Frmrei?

    Über die Frmrei sind die abenteuerlichsten, von der abge­feimtesten Ausbeutung geistiger Unmündigkeit Zeugniß able­genden Gerüchte im Umlauf. Warum auch nicht? Versteht es sich doch von selbst, daß diejenigen, deren Ärntefeld die Fin­sterniß ist, den Credit des Vaters derselben, ihres Nährvaters, ungeschmälert zu erhalten sich abmühen, um in Einfluß und Einkommen keinen Schaden zu erleiden. Für den Einsichtigen hat es aber etwas das tiefste Herz Betrübendes wenn er auf Vorurtheile stößt, die mit dem böswilligsten Vorbedacht ein­geimpft erscheinen, und er kennt keine brennendere Sorge als die, zur Beseitigung solcher Vorurtheile nach Kräften bei­zutragen. Bezüglich der über die Frmrei verbreiteten soll das durch nachstehende, das Wesen der Frmrei offen darlegen­den Zeilen geschehen.

    Der Kern der Frmrei besteht darin, daß sie von religiösem und politischem Glauben, von Stand, Vermögen, Nationalität und sonstigen Zufälligkeiten ganz absieht. Ob der an ihre Pforte Anklopfende Katholik sei oder Protestant, Jude oder Türke; ob er Aristocrat sei oder Democrat, Monarchist oder Republi­kaner; ob er arm sei oder reich, Deutscher oder Südseeinsu­laner: darauf kommt es nicht an, dagegen gilt als entschei­dende Bedingung der Aufnahme, daß er ein Mann sei von gutem Ruf, ein Mann, der alle seine Pflichten als Mensch und Staatsbürger gewissenhaft erfülle.

    Die Frmrei erkennt alle Menschen auf dem ganzen Erden­rund für gleichberechtigt und verpflichtet, sich gegenseitig mit Rath und That beizustehen, ganz besonders aber weist sie diese Pflicht des gegenseitigen Beistandes jenen Männern zu, die sie in ihre Hallen aufgenommen hat. Sie arbeitet an der Verbreitung von Licht und Recht, den 2 Grundpfeilern der menschlichen Gesellschaft, und sucht demgemäß auch das Gefühl der Menschenwürde zu wecken und zu heben. Ihre Angehörigen sind durch das Band der Achtung und der voll­ständigen Gleichheit mit einander verbunden, sind Brüder im edelsten Sinne des Wortes.

    Die Thätigkeit der Frmrei ist sonach lediglich darauf gerichtet, daß die Aufgabe, welche das irdische Leben dem Menschen stellt, zum Frommen der Menschheit gelöst werde. Mit dem jenseitigen Leben, der ureigensten Angelegenheit eines jeden Einzelnen und seiner Kirche, befaßt sie sich nicht, doch hält sie dafür, daß der Mensch, welcher sich hier den Ruf der Rechtschaffenheit verdiene, mit vollkommener Seelenruhe dem Tod in's Auge schaue und „sonder Furcht und Grau'n" die Reise antreten könne in's unbekannte Jenseits. Die Frmrei vereinigt. Ihr Wahlspruch heißt: Duldsamkeit. Geheimniße hat sie nicht. Was sie vor Nichteingeweihten verbirgt, betrifft nur ihre Symbole.

    A. E. Blödt
    Konstanz
    Franz Michael Felder
  • 26. Juni 1867

    Werther Herr Michel!

    Endlich habe ich Zeit, Dier zu sagen, daß ich noch lebe, u. auch meine pfeife rauche. Gerne währe ich diesen abend aus­gegangen, um einen Jass zu machen aber ich erinnerte mich an mein Versprechen, u. so sitz ich nun bei meinem Licht, um mit Dier ein papirenes Geschwätz anzufangen. Es ist wahrhaft dumm reich gebohren zu sein, u. nicht zu wissen wie viel der Gulden Kreutzer hat. Diese behauptung habe ich hier so rich­tig gefunden, daß ich mit meinem Kopfe dafür bürgte. Wo ich da hinaus wiell wierst Du gleich errathen, wenn ich Dier sage; oh die Langweiligen Badgäste. Meiner Ansicht nach hat es bereits nur Zweierlei chanre von Menschen in Bädern, (will sagen hier). Die erste ist Kapital u. die zweite: Dummheit, denn ich muß glauben daß der verständige Mittelmann zu Haus bleibt. Ach wie blicke ich so gerne mit einem Schalckhaf­ten Auge auf die mit Kapital ausgestopften Köpfe, u. wie wohl thut es mier, sie mit Verachtung zu strafen, dencke Dier vor lauter Kapital wissen Sie häufig kein gescheites wort zu spre­chen, nun kommen wier also an die Dummheit. Das sind Leute die sich durch eigne Entbehrung od. durch Schinder­hansen streiche, ein schönes Stück Geld erworben haben, Du kannst dencken, diese halten das Maul auf das Sorgfäl­tigste, damit Ihnen ja nicht ein Stück von Ihren Kenntnißen, vom Kapital od. vom armen Teufel, lächerlich werde. Gerade so verhält es sich an unserer Gemeinschaftlichen Tafel, u. es macht mier eine hertzliche Freude, alle diese Leute zu sehen, ohne daß nur einer im mindesten etwas zu sagen weis od. mag. Gestern abends hatte ich das vergnügen gegenüber einem Freulein vom Kapital zu sitzen. Hätte mir das Essen nicht geschmeckt, ich hätte dadurch wahrhaft nichts verloh­ren. Erlaube mier daß ich Dier geschwind Ihr portrait mahle. 25 bis 30 Jahr alt sehr mager, mitler große. Einen schönen Mund, herrliche Zähne, ich glaube Ihre Augen wahren braun, denn ich konnte Sie wahrhaft nicht recht sehen, so lagen sie so tief im Gesichte, u. dazu wirckte noch daß Ihre nase wie ein Thurm zwischen 2 Laufgräben herfohr strotzte, u. aber ach, wann Sie dann anfing mit Ihrem Munde zu arbeiten (bei­ßen) hätte man geglaubt der untere Theil des Kopfes würde sich vom obern Theilen. Ihre Jupe od. Rock wahr braun, u. grace der Schneiderin gewahrte man den platz wo die Brüste sein selten. Über dieselben hieng eine goldene Kette u. häufig blickte sie verstohlen ob dieselbe zwischen Ihrer Taille u. Brü­sten noch hol lige. Ihre zahrten u. kurzen Finger ließen mich vermuthen daß es eine gebirgsbewohnerin Sei, u. nach Ihrem Lächeln u. übrigen Maniren habe ich Sie zum Kapital Classirt. Doch Teufel ich habe kein papier mehr u. der platz geht mier zu Ende. Entschuldige ich befinde mich zimmlich besser, habe guten Humor u. viel Durst, habe auch bereits Deinen Nahmen gehört,doch ich habe keinpapir mehr. Gestern Schrib ich auch an meine Corespondentin denn bei meiner zurück­kunft muß ich auch bei Ihr wieder im Ansehen stehen. Das nächste Mahl werde ich mit Dier selber sprechen. Grüß mier meine Schwester. Alls ist Hälderibäp. Dein Freund

    Felder

    Johann Josef Felder
    Baden
    Franz Michael Felder
  • 26. Juni 1867

    Lieber Freund!

    Aus Deiner dichterischen Exkursion erfuhr ich nichts von dem, was jetzt zu wissen not tut. Was ist in Deiner Untersuchungs­sache geschehen? Soll man die ganze Angelegenheit ver­duseln lassen! Willst Du anfangen mitzuduseln? Wenn bis jetzt noch nichts geschehen oder bloß wenig, dann ist es Zeit, daß man Lärm schlagt. Erstatte mir daher mit umgehender Post genauen, prosaischen Bericht, was bis jetzt geschehen ist, was Rüscher treibt und wie er sich fühlt und was sonst in dieser Sache seit meinem Weggang sich ergab. - Es ist ein großer Unterschied, ob Zeugen über eine Predigt, eine ge­hörte Rede u. dgl. in drei, in sechs, in zehn Wochen oder noch später verhört werden. Das Bezirksamt in Bezau will offenbar alles vertuschen oder zur Vertuschung beihelfen. Es ist für selbes natürlich keine Ehre, wenn etwas herauskommt. Du und ich, wir sollen blamiert werden, das ist des Pudels Kern und das Geheimnis der Kanzleipolitik. Dieser Politik will ich auf die Füße treten, daß es dem Träger gehörig zuckt. Wie Mayer in Wien durch die Presse wirken will, will auch ich hier dieselbe benützen und das Geschützfeuer eröffnen. Schicke mir daher auch die Zusammenstellung der Verfol­gungsakte, die Du schon hast, und die Erledigung des Staats­anwaltes, die ich Dir gab. Auch den Mayerschen Brief lege bei. Ich will auch wegen Eurer Post vor die Öffentlichkeit treten, d. h. das Bez.-Amt in Bezau scharf interpellieren. Teile mir daher bestimmte Auskunft auch über den Stand dieser Sache mit. Wann ist das Gesuch der Vorsteher beim Bez.-Amt eingebracht, wie lang blieb es liegen, sind mehrere Gesuche überreicht worden, von wem, wann, wie steht die Sache jetzt? Sind sichere Anhalte da, daß Gallus M. die Sache hinter­treiben will? Steht dieser mit dem Bez.-Vorsteher auf ganz gutem Fuß, sind sichere Anhalte, Beweise, da, daß Bez.-Vor­steher Geschenke u. dgl. annimmt? etc.... Wir können diese Sache mit der deinigen trefflich in Verbindung bringen und Schläge versetzen, daß es kracht. Das elende Gebaren der Ultramontanen werde ich auch an dem Benehmen des Feßler und Rüscher gegen mich beleuchten und überhaupt eine arge Suppe den Herrn kochen. Man kann geduldig sein und den Mistgestank sich sammeln lassen, aber wenn's die Nase nicht mehr erträgt, muß man säubern. Schicke mir daher genaue und beweisbare Information. -

    Schicke mir auch die bisherigen Kritiken der Sonderlinge, den bewußten Grenzboten und was sonst von Interesse sein mag. Mayer macht jetzt soziale Studien und ich erwarte von ihm nicht wenig. - Wann sind die Unsern nach Krumbach, was erforschte Pius von der Heimat in Bizau? Auch hierüber bitte ich mir Nachricht, nur nüchterne, prosaische. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Mayer wird Dir auch geschrieben haben, daß es mit der Interpellation nichts ist, es dürfte daher auch angezeigt sein, daß Du durch Deine Freunde in Leipzig an den Beust Dich wendest.

    Eben teilt mir Bickel mit, daß die Sonderlinge ihm außer­ordentlich gut gefallen haben und daß man Dich auf alle mögliche Art unterstützen soll. Er bedauert, daß er nicht früher zum Lesen kam und Dir mündlich seine rückhaltlose Anerkennung aussprechen konnte. Er findet es auffallend, daß man über das Werk sich nicht eifriger hermache. Am meisten habe es ihn an ... Vikar von Wakefield von Gold­smith erinnert, der der beste Roman sei, den er gelesen habe...

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 24. Juni 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Indem ich Ihnen den Empfang der beiden Bände bestätige, sage ich Ihnen gleichzeitig im Namen des Museums Dank. Aber auch in meinem eigenen danke ich Ihnen für die ange­nehmen Stunden, die mir die Lektüre Ihrer Sonderlinge ver­schaffte. Was ich darüber denke, will ich in einigen Zeitschrif­ten, die mir ein Pläzchen zur Disposition stellen, aussprechen u. vielleicht lesen Sie nächster Tage einige Worte darüber in unserer Landeszeitung.

    Führt Sie Ihr Weg je einmal zu uns herein, so hoffe ich daß Sie mir auch das Vergnügen Ihrer persönlichen Bekanntschaft gewähren.

    Es grüßt Sie hochachtungsvoll Ihr ergebenster     Bayer Rittmst.

    Emmerich Bayer
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 24. Juni 1867

    Liebster verehrtester Freund!

    Jetzt bin ich ein Hinterhopfrebner geworden. Nicht etwa so bloß, daß ich hier im Vorsaß esse und schlafe, ich bin mit Leib und Seele im Vorsaß und was das heißt wissen Sie schon aus den Sonderlingen. Heute hab ich Ihnen mehres Erfreu­liche zu melden, doch vor allem muß ich Ihnen recht von Herzen danken für die Freude die Sie mir und den Meinigen mit Ihrem letzten Briefe gemacht haben. Sie glauben mir wol kaum, wie weh es uns that, als wir Sie schon fast von Ihrem Vorsatz, uns zu besuchen abkommen sahen. Über der Frage: Wo Sie hier wohnen werden, wollen wir noch nicht streiten. Ich wünschte, daß es Ihnen in meinem Häuschen gefiele. Jedenfalls würde Ihnen Einfachheit neu sein. Doch hierüber werden wir an Ort und Stelle verhandeln, aber ein Anderes haben Sie erwähnt, dem ich gleich widersprechen muß, Sie sollten doch wenigstens 3 Wochen hier bleiben, nicht in meiner Stube nur sondern bei mir in der Gegend, wo es so viele schöne Spaziergänge giebt. Die von Ihnen angegebene Zeit - nach dem ersten Heuet hab ich so ziemlich frei, das Vieh, dessen Versorgung mir jetzt noch so viel vom Tage wegnimmt, ist alsdann auf der Hochalpe. Es wird mich glück­lich machen, Ihnen auch im Buch der Natur schöne Stellen, im engen Bregenzerwald in ihrer Art große Menschen zu zeigen.

    Nicht als Vergnügungsreisender nur so von oben herab dür­fen Sie meine Landsleute sehen. Meine Freunde freuen sich schon auf Ihre Ankunft. Der Zimmermann und der Schreiner, unser Ortsvorsteher und noch einige, denen ich aus Ihren Briefen einiges vorlas. Erst seit ich ans Fortziehen gedacht habe, fühl ichs, wie sehr ich hier überall eingewachsen bin. Vor 7 Jahren hätte ich mich noch viel leichter losreißen können. Übrigens ist die Frage noch nicht entschieden. Erst werde ich mit Ihnen sprechen, Sie selbst meine Verhältnisse übersehen lassen und sehen, wie ich als Dichter stehe, dem Bauer wird der Umzug nicht vortheilhaft sein. Es ist gut daß Sie kommen, denn erst dann werden Sie mich in Manchem ganz verstehen und auch der Kampf gegen die Brixner wird ihnen im rechten Liechte erscheinen.

    Jetzt ists wenigstens hier und in Au ziemlich ruhig und still. Das Treiben meiner Gegner beginnt auch der Menge lächer­lich oder verächtlich zu erscheinen. Das Häuflein der meinen mehrt sich, in jeder ordentlichen Gesellschaft bin ich wol gelitten und sogar Geistliche, die noch nicht ganz verknöchert sind stellen sich offen auf meine Seite und sagen mir, daß unser Pfarrer hier bald rein unmöglich werde. Ja dieser selbst schon hat gesagt sein Vorgehen reue ihn, ein Bekenntniß das mich nicht an und für sich aber als „Zeichen der Zeit" recht herzlich gefreut hat.

    Also Sie kommen und - ich gehe -. Von Herzen gern gehe ich mit Ihnen nach Leipzig. Das Sechsfache der von Ihnen genannten Summe gab ich drum einmal mit Ihnen durchs Vaterland zu wandern. Ich bin jetzt muthig und zu allem bereit. Nun will ich erst einmal aus der Enge und dann wer­den wir sehen, was sich für die Zukunft beschließen läßt. Ich wäre jetzt eher in der gehörigen Stimmung zum Schrei­ben als im letzten Monathe. Ich finde fast alles damahls ent­standene etwas krankhaft und kümmere mich drum auch wenig um die zwei Wiegenfeste. In Bludenz, so fern von den meinen und besorgt um sie, um die Wirthschaft, meine Angelegenheit und noch so manches, in einer Gesellschaft, die mir im Ganzen nicht recht zusagen wollte, konnte ich die rechte Stimmung nur selten finden und als ich heim kam, wars eine Zeitlang noch ärger. Ihr vorletzter Brief war daran wol weniger Schuld als Sie vielleicht glaubten. Hier in Hopf­reben bei gesunden Menschen in frischer freier Luft hab ich mich selbst wieder gefunden und wol mehr als ich je verlor. Letzten Sonntag hab ich den Roman Simplicisimus erhalten.

    Ich kam noch nicht ans Lesen und werde dem verehrten Geber vielleicht bald mündlich danken. Wie bin ich reich geworden, seit ich Sie in Au antraf, und nur durch Sie! Die Zuschrift der Einsamen trug das Postzeichen Straßburg. Die Rüksendung thäte gar nicht so Noth wenn ich mir nicht sagte, daß damit dann auch wieder ein Briefchen von Ihnen kom­men würde.

    Sollten Sie den Tag Ihrer Ankunft in Bezau, Schwarzenberg oder Lindau anzugeben im Stande sein so würde ich Ihnen entgegenkommen, wenn Sie das wünschten. Sonst werden wir uns wol wieder im Rößle in Au antreffen, wo ich meine Auer Freunde im Sommer zuweilen besuche. Die Wirthshäuser in Schoppernau lassen manches zu wünschen übrig und sind zum Theil vom Pfarrer und den Seinigen unterhöhlt. Doch davon später. Für jetzt und besonders zur Beruhigung der lieben Ihrigen noch die Bemerkung, daß mich jetzt wenig­stens jede Woche Reisende besuchen die ich zuweilen be­gleite und daß daher Ihr Hiersein keinem Menschen auffal­len wird. Auch bitte ich Sie, mir die lieben Ihrigen herzlich zu grüßen und ihnen so nach und nach in einem Tränklein die Nachricht von meiner baldigen Ankunft zu geben. Mir würde wol bang und ich wagte gar nicht zu kommen, wenn nicht Sie mein Führer wären.

    Die Meinen sind gesund und wohl. In der vorigen Woche feierte meine Mutter ihren 69sten Geburtstag und half mir Abends die 8 Kühe melken die wir jetzt zu versorgen haben. Im Reichsrath gehts ja trefflich, für den Bauer zeigt dieses Jahr die herrlichsten Aussichten. Sie werden kommen und mich vielleicht mitlassen ins schöne Deutschland. Da kann man schon auch etwas verschmerzen. Leben Sie wohl!

    Mit herzlichstem Gruß

    Ihr jetzt wieder seelenvergnügter Franz Michael Felder

     

    Franz Michael Felder
    Hinterhopfreben
    Rudolf Hildebrand
  • 22. Juni 1867

    Lieber Michel.

    Endlich da ich ausgeruht bin von den nur zu zahlreichen Stra­pazen der Reise, widme ich die erste mier freie Stunde Dier bester Freund. Ich sage Dier, daß ich am 19 von Hause abreiste, der Vater von meinem Corespondenten führte mich bis Schnep[f]au doch das wahr nicht intressant aber von Schnepffjau bis Bezau habe ich etwas erlebt, woran Tümmel nie gedacht hätte, doch davon im Stübli. Während der Fahrt von Bezau nach Bregenz erlebte ich noch ein zweites Wunder dafon wieder bei einer Pfeife Taback. In Zürich begegnete mier nicht vil neues u. ich kam nach Baden in sehr guter Stim­mung.

    Ich habe ein sehr artiges Zimmer u. ein noch artigeres Zim­mer-Mädchen die mier neuen Stoff zu meinem Programm geben wierd. Heute nahm ich das erste Bad u. ich glaube daß es mier treflich anschlägt. Baden ist eine sehr reizende Gegend, der Spazierweg an der Limmat ist wunderschön auch die Geschöpfe, die Gott dem Menschen zur Freude gemacht, entsprechen vollkommen der reitzenden Gegend. Ich hoffe hier in dieser vom Himmel begünstigten Gegend meine Gesundheit vollkommen zu finden, u. dann Michel werden wier arbeiten aus leibeskräften um das Joch der Schwarzen völlig von uns abzuschütteln. In 3 Tagen werde ich Dier wie­der schreiben, u. Dier sagen wie die Sachen gehen. Jedoch habe ich mier den Vorsatz gemacht, Dier Vorläufig nicht zu fiehl zu erzählen damit ich etwas ins Stübli bringen kann. Grüße mier meine Schwester u. Herr Wible. Es grüßte Dich mit Brudergruß u. Handschlag Dein Freund

    J.J. Felder

    Johann Josef Felder
    Baden
    Franz Michael Felder
  • 22. Juni 1867

    Liebster Freund! Noch  immer trägt Kot und befleckenden

    Unrat

    Jener mächtige Strom, des Quelle in Brixen entsprungen. Froh doch betrat ich den heimischen Boden  in hölzernen

    Schuhen.

    Seit ich am Kreuzweg in Lugen zum Abschied reichte die

    Hand Dir.

    Eins nur sag ich Dir jetzt und Du bewahr es im Herzen: Segen bringt jedes Erlebnis und sei's auch schwer zu ertragen; Dennoch flehte Ben David mit Zwillingen fünfmal gesegnet: „Segne mit Maß, o Herr, und vergiß in der Gnad nicht der

    ändern!"

    Ähnlich nun fleht auch Dein Freund, ein Held der friedlichen

    Feder.

    Nicht ist ruhig im Sturm, wie der wettergehärtete Seemann, Wer nur den Musen zu leben, behaglich zu wohnen gewohnt

    war.

    Gerne  verzeih   ich   ein   Schütteln   des   mächtig  bebarteten

    Hauptes

    Dir, dem Starken, der sicher mich manchmal zu zaghaft ge­sehen.

    Doch vergib auch Du das Zucken, wenn ohne Erbarmen Abgehaun wurden die Bande, die jahrelang stets ich bemüht

    war

    Festzuknüpfen  ans  Herz,  daß  dem   Bauer  sein   bäurisches

    Dasein

    Etwas erträglicher sei und daß er kein Einsamer werde; Daß er hart nun verlor, was einst er so blutig erobert.

    Hier beim gelblichen Gsig und dem Kegel kühlenden Ziegers Zwischen mächtiger Berge Verschanzung, wo Schellengeläute Weidender Kühe mich weckt zu federfuchsendem Tagwerk, Hier empfind ich, was heißt: „Ihm ist wohl wie den Kühen

    im Schalzbach".

    Frisch auf nun schnellet des Geistes schon lang gehemmete

    Spannkraft,

    Wie ein Pfäfflein, das sonntags auf einer dörflichen Kanzel Der Demokrätzlen gedenkt und des Kunz und der gottlosen

    Presse.

    Doch - was sie tun, das wissen sie nicht und verdienen -

    Verzeihung;

    Aber nicht mehr, und es wäre zu viel von den Guten ge­fordert,

    Wollten sie, daß auch ein Felder, berühmt von Vaduz bis

    gen Leipzig,

    Ihretwegen den herrlichen Tag und Papier sich und Stimmung Nochmals verderbe, da doch die Gnade der Reu sich nicht

    reget.

    Liebere Bilder umschweben den Mehltrog, auf welchem ich

    schreibe,

    Seit die Benn in die Mache zu  Natter, dem Wagner, ge­wandert.

    Melde nun, Muse, wie froh und vergnügt am Antoniustage Ich beim Rößlewirt saß mit dem wackeren Herzog von

    Rehmen.

    Nie blieb gefüllet das Glas, und  nimmer geschlossen die

    Lippe.

    Klagen und Trostworte wechselten schneller noch selbst als

    die Lieder,

    Welche der sangeskundige Adel bereitwillig vortrug. Als sich Rüscher entfernte, der wie ein Fremder sich vorkam Unter den Schoppernauern, die nur um Herzog sich drängten, Froh,  ihn  so  fröhlich  zu  sehn   und  vertraulich   plaudernd

    mit Feldern,

    Welchen der gelbliche Wirt noch vor kurzem gar greulich

    verketzert.

    Wenig Neues nur flüsterte Herzog und doch war's erfreulich, Dieses und jenes zu hören vom Manne im heiligen Rocke, Welchen mir nun gegenüber zu sehen ich fast schon gewohnt

    war.

    Fröhliche Stunden verkündete er, die uns noch gemeinsam Werden sollten, denn kurz nur und angenehm stets zu

    betreten Sei ja der Fußweg von Rehmen zu mir und von da bis nach

    Rehmen.

    Möchten die Herren auch lärmen, die keine Beachtung ver­dienen, Wie der gelbliche Wirt und der rötliche Rüscher samt Anhang.

    Viel zu reden gab unser Gespräch, wie wenig gehört ward, Und der wackere Herzog wird jetzt von solchen verketzert, Die mir jede Bemerkung auf Geistliche schrecklich verargten. Aber auch mehrt sich das Häuflein der Meinigen täglich und

    stündlich,

    Seit von jenen der Kampf mit solcher Gemeinheit geführt

    wird.

    Rüscher behauptet,  man  müsse vergessen  und essen  nun

    wieder, Alles scheine zu ruhn, wie es billig sei und  in Ordnung.

    Heute indessen erhielt ich ein freundliches Briefchen von

    Mayer,

    Meldend: Es sei meine Sache in kräftige Hände genommen. Eines nur sagt er mir noch und ich bewahr es im Herzen: „Nimmer werde es hier mir im engen Tale behagen, Wenn der Sturm sich auch legte, wenn Schnepfaus stößige

    Söhne

    Andere Ziele suchten dem längst gern geübeten Hornkampf, Wenn auch Ruhe dem Land und mir Genugtuung geworden."

    Ruhiger höret die Mutter als früher ähnliche Reden, Seit auch mich sie wieder, nicht einzig die Basen nur höret. Eins noch sag ich Dir jetzt und Du bewahr es im Herzen: Schön ist in Bizau das Gut und groß sind und wohnlich die

    Zimmer,

    Aber eng wie hier das Tal und gewiß nicht besser die Leute. Gerne  gedenk  ich  dagegen  des  freundlichen  Schlößchens

    bei Rankweil

    Und  des schönen  Spazierwegs zu   Feldkirchs  freundlichen

    Bürgern,

    Und der Aussicht ins Freie, wie Dichter und Träumer sie

    lieben.

    Dort, Mann Gottes! wird's herrlich! so mit wie ohne den

    Weinberg.

    Meine  Begeisterung  könnte wohl  selbst  noch  die Mutter

    erfassen;

    Reuen würde das „Nein" mich, wenn's wirklich für immer

    entschieden.

    Uhrenmacher reiste nach Baden, den Karren zu schwellen, Der noch lotterte, wie die lange verlegenen Waren. Ich indessen bin hier und forsche zuweilen im stillen, Ob wohl solche sich fänden, die gern mein Hüttchen bezögen. Erst wenn hier ich ganz los bin, wenn Herz und Hand ganz

    frei wird,

    Knüpf ich dort an, daß nimmer den wichtigen Schritt ich

    bereue. Ist dies Briefchen nur dürftig und sind die Zeilen auch

    kunstlos, Werden dem Freunde sie doch als jüngstes Stimmungskind

    lieb sein Und er wird auch sein Urteil dem ersten Versuch nicht

    versagen.

    Grüß mir Dein Weib und auch Bella, die schlankste unter

    den Jungfraun,

    Die nun wohl jubelt und  singt, wie wir es einstens be­schlossen.

    Auch die Herrn  im  Kaffeehaus, erprobt in  der herrlichen

    Jaßkunst. Herzliche Grüße auch Dir vom Freunde

    Franzmichel Felder

    Franz Michael Felder
    Hinterhopfreben
    Kaspar Moosbrugger
  • 17. Juni 1867

    Lieber Freund!

    Ich habe wegen einer Interpellation in Ihrer Angelegenheit den Seiffertitz u. Froschauer gesprochen. Froschauer sagt mir, daß eine Verzögerung von 3 Wochen etwas nicht Ungewöhn­liches bei Gerichte sei, u. falls die Zögerung länger andauere, müßten Sie sich erst an die 2.te Instanz wenden, (nach Inns­bruck), u. von da an die 3.te. Er würde, wie die Sache jetzt liege, nicht einmal die für eine Interpellation nöthigen Unter­schriften (20) erhalten können. Es muß also dieser Weg aufgegeben werden, obgleich ich von den Gründen unserer Abge­ordneten noch nicht ganz überzeugt bin. Als das Geeignetste, was jetzt zu thun, ist der Weg der Presse. Ich werde somit mit dem Redakteur der Fr. Presse sprechen, daß er mir die Spalten seines Blattes öffnet, um Ihre Angele­genheit öffentlich zu besprechen. Heute erhielt ich einen Brief von Ihrem Schwager, worin er mir anzeigt, daß gerade Gefahr für Ihre Person nicht mehr existire. Wenn dieses rich­tig ist, so brauchen Sie gerade keine Furcht zu haben, daß Ihnen das Recht vorenthalten werde. Häufige Mahnungen in den Zeitungen werden die Gerichte schließlich doch zum Handeln nöthigen. Daß Ihr dichterisches Zartgefühl durch das erlittene Unrecht sich sehr verletzt fühlt, finde ich begreiflich. Wenn Sie jedoch bedenken, daß nur die geistige Verkümme­rung Ihrer Gegner, woran selbe nicht einmal Schuld tragen, die Ursache solcher mittelalterlichen Handlungsweise ist, so muß sich Ihr Herz doch auch besänftigen. Ich persönlich wurde von der Dummheit auch oft verkannt, u. verläumdet, u. es hat mich das nicht einmal auf die Dauer bitter stimmen können. Jedoch ich will nicht zum Moralprediger werden; Ihre Sonderlinge beweisen mir, daß Sie darin ebenso gut wie ich wenn nicht besser bewandert sind. Am meisten würde ich es bedauern, wenn Sie unser Ländchen verlassen würden, weil dadurch ein geistiger Kämpfer für Freiheit u. Recht ver­loren ginge. Unser Lädchen bedarf noch vieler Arbeit, um definitiv aus dem Mittelalter herauszukommen, u. nicht min­dere Anstrengung wird es kosten, die tyrannische Herrschaft des Kapitels zu brechen. Weil ich gerade auf diesen Gegen­stand gerathe, bemerke ich Ihnen, daß ich mit dem Vor­schlage des allgemeinen Stimmrechts von Seite Ihres Schwa­gers nicht einverstanden bin. Das würde für unser Ländchen die Herrschaft des Klerus bedeuten, u. die Frage des Unter­richts würde hiemit ewig unerledigt bleiben. Von der Bour­geoisie können wir aber erwarten, daß sie in dieser Frage energisch auftreten werde, weil deren Erledigung im eigenen Interesse derselben liegt.

    Man darf in der Politik die faktischen Verhältnisse nie außer Acht lassen.  Nach  gründlicher Lösung der Unterrichtsfrage kann  das  allgemeine Stimmrecht zur  Lösung der sozialen Frage natürlich nicht entbehrt werden. Mit Gruß u. Handschlag Ihr Ergebenster

    L. Mayer

    Lorenz Mayer
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 16. Juni 1867

    Werther Herr Felder!

    Meinem Versprechen gemäß, sende ich Ihnen beiliegend den mir zur Benutzung übergebenen Brief Ihres - „Seelsorgers" ­bestens dankend, zurück. Derselbe hat seinen Weg durch die Wiener Vorstadt Zeitung in die Öffentlichkeit gefunden, ­natürlich mit Weglassung der Namen, u. somit seinen Zweck, freilich in anderer Weise als der Schreiber gemeint, vollkom­men erfüllt. ­Mit freundlichem Gruße

    Aug. Rahaus

    August Rahaus
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
    1
  • 16. Juni 1867

    Mein lieber guter Freund Felder,

    Ihre Nachricht aus der Heimat klingt freilich wenig tröstlich, die Aussicht die Heimat verlassen zu müssen muß Ihnen das Herz einklemmen. Aber ich muß sagen, daß vom ersten Aus­bruch des Zerwürfnisses an meine innersten Gedanken mir das gesagt haben. Sagt es doch schon Klausmelker dem Franz, daß er mit dem Pfarrer auf die Länge nicht in demselben Dorfe leben könne. Ihre Hoffnung aber, daß der Pfarrer der Weichende sein werde, nicht Sie, hab ich keinen Augenblick theilen können. Wenn nur erst der Umzug schon bewerk­stelligt wäre! Dann muß sich Ihnen nothwendig ein neues Leben aufthun, Sie müssen dann Ihre Kräfte ganz anders frei fühlen, ja Sie werden von dort, auf freierem Boden, der Cul­turwelt näher, wahrscheinlich besser an Ihren Aufgaben wir­ken können, selbst mit besserer Rückwirkung auf Ihr Hei­matsthal. Wer den Stein heben will, darf auch nicht zu nahe daran oder darunter stehen; nur in rechter Entfernung davon kann er den Hebel ansetzen.

    Mich schmerzt es, daß Ihr Brief so weich und wehmütig klingt, und daß ich selbst noch zu Ihrem Weh etwas beige­tragen habe unwissentlich. Ich verstehe aber nun erst recht nicht, wie Sie zu der Frage kommen konnten, es muß da ein Sprachgebrauch Ihrer Heimat unterliegen, den ich nicht kenne. Ich wollte mit kleine Seelen andeuten die Kleinen, die nicht bloß dumme Kinder sind, wie sie so mancher Leh­rer von oben herab behandelt, sondern auch lebendige Seelen in sich tragen.

    Übrigens bin ich jetzt entschlossen, einen Theil meiner Ferien zu einem Aufenthalt bei Ihnen zu verwenden. Ich komme bestimmt von heute binnen 5 oder 6 Wochen, wahrschein­lich in der Woche vom 28. Juli an. Meine Frau redet mir zwar immer noch ab und traut dem Fanatismus nicht, sie denkt man werde in mir Ihren Teufel sehen; aber ich lasse mich nicht abwendig machen, und sollte ich ihr auch versprechen müssen, nur ein paar Tage in Schoppernau zu bleiben und dann nach Oberstorf zu Mayers zu gehen, denn Erholung brauch ich allerdings, nicht Anstrengung. Freilich rechne ich dabei so gut wie sicher darauf, daß ich Sie dann gleich mit nach Leipzig nehmen kann, denken Sie das auch noch? Viel­leicht können Sie nun nicht mehr? Mir liegt alles daran, mit Ihnen einmal persönlich einige Zeit zu verkehren und - Sie einmal aus Ihrer Enge heraus zu führen auf eine größere Bühne, daß Sie endlich einmal frei ins Weite hinaus sähen. Ihre Reisekosten würden höchstens etwa 24 Thaler betragen, wahrscheinlich weniger, und was Sie für Geist und Gemüth gewönnen, wäre nach meinem Gefühl unberechenbar. Neu­lich saß ich mit den Meinen und einigen Freunden hier in einem Concert, mitten im vollsten Kunstgenuß drinnen - da denk ich mir jetzt immer Sie anwesend, und das würzt mir erst den Genuß - und da war mirs klar, Sie müssen nun bald auch einmal an diesem Borne trinken, der Ihnen wie ein Jungbrunnen sein wird.

    Von den Sonderlingen immer noch nichts öffentliches!! Doch ja, neulich eine Besprechung in der Dresdener Constitutionel­len Zeitung, unterzeichnet W. R., d. i. Fedor Wehl wie Be­kannte von mir wissen wollten. Sie war aber so albern, daß ich Sie gar nicht damit behelligen will, echt blasirt literaten­haft, vom hohen Pferde herunter auf den Bauer blickend. Jer. Gotthelf steht viel tiefer in den Ackerfurchen drin, hieß es z. B.! Diese Leute können gar nicht lesen, können Sie nicht lesen, sie drehen sich in einem bestimmten Kreise von ab­stracten Begriffen und Redensarten herum und haben dar­über den natürlichen Menschen verloren, den sie an Ihnen wiedergewinnen könnten. Mir war die Erfahrung schmerzlich, daß selbst Freytag etwas davon an sich hat. Ihr Aufsatz ist in den Grenzboten noch nicht erschienen, ich bin auch nicht wieder bei Freytag gewesen, will aber nächstens wieder hin­gehn. Nur Geduld, Freund, die Einsicht was Sie sind wird schon kommen, sie muß kommen, oder ich müßte an meiner Zeit verzweifeln, und das thu ich gewiß nicht mehr, das ist längst überwunden. In Privatkreisen hör ich übrigens immer wieder einmal von einem, der Ihre Sonderlinge verstanden hat, z. B. kürzlich vom Pastor Howard hier, dem Pfarrer der reformirten Gemeinde, der sich sehr warm darüber aus­sprach; auch meine Freunde helfen mir fort und fort für Sie wirken. Nur ehe ein Literat dazu kommen wird Sie gelten zu lassen, das wird hart halten! ja diese Leute sind ja Ihnen ge­genüber in einer ähnlichen Stellung wie Ihre Geistlichen dort! sie müßten bis auf einen gewissen Grad sich selbst preis­geben oder doch aufgeben, um Sie zu erkennen - und das ist von einem Menschenkinde nun einmal zu viel verlangt. Von Goschen dagegen erwarte ich das rechte Wort, wo es nur bleibt!

    Übrigens ist es merkwürdig, daß Wien Ihre Sonderlinge eigentlich noch nicht kauft, wie mir Hirzels neulich sagten. Dafür wird es verhältnismäßig stark nach Innsbruck verlangt, auch nach Feldkirch, Lindau. Hirzel ist in Verlegenheit wegen einer 2. Auflage, weil er gar nicht sicher weiß, wie viel von den ä condition verschickten (auch nach London, Paris) nicht doch zurückkommen werden.

    Aber nur guter Muth, Freund, es wird und muß noch alles gut werden. Auf Wiedersehn in 5 Wochen! Ich denke übri­gens in Schoppernau im Gasthaus zu wohnen, beruhigen Sie damit Ihre liebe Frau, die sich wol meinetwegen häusliche Sorgen machen wird.

    Herzlich grüßend

    Ihr R. Hildebrand.

    Das Gedicht der Einsamen ist mir doch sehr interessant und meinen Freunden auch. Es steht ja aber Stasburg da? haben Sies aus Straßburg erhalten? Ich wills Ihnen im nächsten Briefe wieder mitschicken.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • Datum unbekannt
    15. Juni 1867

    Verehrtester Freund

    Ich werde ohne Zögerung alle Hebel in Bewegung setzen, um Ihnen behülflich zu sein in Ihrer Lage. Ich habe schon vor längerer Zeit den Abgeordneten Seiffertitz in Ihrer Angelegen­heit gesprochen, u. er wird hoffentlich nicht zögern den Mini­ster der Justiz zu interpellieren. Sie können demnach im Be­ginn der nächsten Woche die Interpellation erwarten, u. die Sache wird dann gewiß einen ändern Gang nehmen. Die gro­ße Sympathie, welche Sie unter den hier lebenden Vorarlber­gern genießen, läßt übrigens noch die Ergreifung anderer Mit­tel zu, falls die Interpellation den erwarteten Effekt nicht haben sollte. Seien Sie der Überzeugung, daß wir den braven Dichter der Sonderlinge (welche ich nebst vielen ändern be­reits gelesen habe) nicht im Stiche lassen werden. Im Falle die Untersuchung in Folge des von hier aus geübten Druckes erfolgen wird, ersuche ich Sie, mir darüber zu berich­ten, damit wir über den Gang der Angelegenheit stets unter­richtet sind. Falls die Lage für die Sicherheit Ihrer Person gefährlich sein sollte, müssen Sie den Bregenzerwald vorläu­fig jedenfalls wieder verlassen. Im Übrigen glaube ich, daß auch in Zukunft, wenngleich die Gerichte sich Ihrer anneh­men, in Schoppernau die Existenz nicht mehr angenehm sein wird. Lassen Sie sich jedoch nur nicht entmuthigen durch Ihr jetziges Ungemach. Jeder Mensch, der über das Niveau der Alltäglichkeit hinausragt, muß auf Verfolgungen gefaßt sein. Die armen unwissenden Menschen wissen eben nicht, was sie thun; von jeher haben sie ihre größten Wohltäter nur gehaßt und verfolgt.

    Unter Versicherung meiner wärmsten Sympathie schließe ich für diesmal mit Gruß und Handschlag

    Ihr ergebenster Lorenz Mayer.

    Lorenz Mayer
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 6. Juni 1867

    Liebster Freund!

    Nun wäre ich wieder da in der lieben alten Heimath, aber das ist doch die liebe alte Heimath nicht mehr. Meine Treuen kommen mir freundlich entgegen und sagen mir bedauernd, es habe sich das Gerücht verbreitet, ich wollte meine Hei­math hergeben und droben bei Bludenz eine Andere kaufen. Diese Leute scheinen zu fühlen, daß ich hier nicht mehr lange bleiben könne und sie haben das Rechte getroffen. Es hat sich hier nur wenig geändert und nichts gebessert. Man redet jetzt da und dort vom Antichrist womit ich gemeint sein soll, und doch konnte mein Betragen, das meiner in den Sonderlingen ausgesprochenen Überzeugung entspringt, un­möglich Grund zu solcher Bezeichnung geben.

    Doch man wird oft ganz falsch verstanden. Das zeigt mir auch Ihr letzter Brief: ich muß mich in meinem letzten Schrei­ben erbärmlich schlecht ausgedrückt haben, daß Sie etwas meinem Wesen so ganz Fremdes herauslesen konnten. Mir war der Ausdruck kleine Seele ganz neu, und ich muß ge­stehen, daß ich ihn gerade so auslegte, wie Sie dann mir meine Frage ausgelegt zu haben scheinen. Ich verstand früher unter „kleine Seele" etwas ganz Anderes und mein Schwager u A auch. Doch lassen wir das bis zur glücklichen Stunde, wo wir mitsammen plaudern können. Sie haben nun schon gesehen, daß ich ein sehr schlechter Philosoph bin. Mir fehlt überhaupt jetzt leider sehr oft die Ruhe mit der man etwas lesen und schreiben sollte, drum glaub ich gern, daß mein letzter Aufsatz an großen und kleinen Fehlern leide. Ich bitte Sie recht von Herzen um Gedult und Nachsicht denn ich hab jetzt eine schwere, eine böse Zeit. Alles reißt, schiebt und zerrt an mir herum Freunde und Feinde quälen mich und kurz - es ist hier nicht mehr auszuhalten. Es wäre viel­leicht gut, wenn jenes unglückliche Stimmungskind der Welt gar nicht vorgestellt würde, sonst aber soll man daran schnei­den und brennen, bis es den gehörigen Schnitt hat, nur nicht zu viel aufpfropfen.

    Als ich jene Wiegenfeste schrieb, hat, das glaub ich gern, meine Feder zu oft gezittert, als daß der Aufsatz ruhigen Kunstrichtern gefallen könnte. Ich fühle wol, daß mir jetzt nichts mehr gelingt drum hab ich mich seit damahls gar nicht mehr ans Schriftstellern gewagt. Ich mußte droben in Blu­denz fort, denn ich will arbeiten und wills Gott! manches verschwitzen, Sie glauben nicht, wie weh es einem thut, fremd geworden zu sein in der Heimath, wo jeder Hügel und jeder Stein zu einem redet. - Aber es ist schon so jetzt, und zurük kann und mag ich nicht mehr. Ich denke mit den Verwandten des Wible irgendwo um Feldkirch herum ein Anwesen zu kaufen und mein Bauerngütchen zu verpachten. Ich kam her, um mit den Meinen von der Sache zu reden, und auch mit den Schwägern, denen der Plan so gut gefällt wie ich und der Adjunct es erwarteten. Es wären dann unser 6 die zusammen hielten, wie in den Sonderlingen der Sen, seine Brüder und die Kinder des Adlerwirths. Ich würde Glied eines ziemlich mächtigen Körpers, meine Kinder be­kämen eigene Arbeit und eigenes Brot, und ich fände wol wieder Zeit und Ruhe, etwas Ordentliches zu schreiben viel­leicht sogar mehr als hier. Nach Pfingsten gehts Hinterhopf­reben, dem Vorsaß zu. Dort werde ich nur wieder den Ge­sang der Vögel und das Schellengeläute weidender Kühe hören. Dort hoffe ich wieder Ruhe zu finden und Kraft sam­meln zu können zu allem was ich noch kommen sehe. Das Gedicht der Einsamen sende ich Ihnen gerne zu. Es ist aller­dings an und für sich nichts Bedeutendes aber Sie werden mir glauben, daß es mir droben auf der Sina (so nennt man den Bergrücken) ungemein wohl that. Schad ists nur, daß in meinem Aufsatz der Traum nicht ge­fällt, ich fühle den Schnitt der ihn vom Ganzen trennt, in der Seele, aber er schmertzt neben noch so manchem weniger. Hier ists Frühling und wir haben herrliche Tage. Schon sieht man zuweilen einen Vergnügungsreisenden daherziehen. Jeder erinnert mich schon beim ersten Anblick an Sie und Ihr Versprechen. Wie bald werden Sie kommen? Im Sommer bin ich schon hier, ich muß noch manches Versäumte ein­bringen. Auch jetzt ruft mich die Arbeit. Ich drücke im Geiste die Hand, die mich hält und führt und verbleibe mit 1000 Grüßen

    Ihr ergebenster F M Felder

    Das Wible welches Sie herzlich grüßen läßt, hat eben einen Blumenstrauß vor mich auf den Tisch gestellt und mich er­inert, daß es heute gerade 7 Jahre sei seit der Zimmermann mich aus dem Wasser zog.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 3. Juni 1867

    Verehrter Herr Felder!

    Heute den 3. Juni brachte uns Deutschen, hier in diesem Erdwinkel am Pacific, der Panama Steamer (:Dampfer:) endlich wieder Briefe und Zeitungen aus der lieben Haimath - u. a. erhielten wir auch die Gartenlaube N. 15 und 16 - und in erste­rer Numer den Sie betreffenden Artikel, von herrn Dr Rudolf Hildebrand „Ein Bauer als Dichter" in welchem Ihr so Edles und mannhaftes Streben - und dessen schöne und ruhmvolle Erfolge geschildert werden. - Schon lange hat mich Nichts so sehr, - so recht vom Herzen gefreut als der Innhalt des obangedeuteten Artikels, - der mittheilt dß. Ihr Streben, kein Vergebenes, Ihre Ausdauer keine Vergebene, waren, und Sie nun Anerkennung und Unterstützung gefunden haben. - Und als ich vom Lesen fer­tig war, - da kamm's dann so über mich als ob ich Ihnen schrei­ben müßte, - um Ihnen zu gratulieren - und recht herzlich Glück zu wünschen für all' die Zuckunft, - um Ihnen meinem herzlieb­sten Landsmann, über alle zwei großen Meere die uns trennen ­geistig die biedere Rechte zu drücken, und zu sagen in unserem Gebirgsausdruck „Gott g'segnes enk" - ich bin aus Kärnten zuhause, daher auch ein Gebirgler, - und noch im engeren Sinne des Wortes Ihr Landsmann.

    Wir sind hier in San Francisco und Umgebung - bis an die ferne Sierra Nevada nur wenige Süddeutsche (:Österreicher:) ­aber meist Kärntner, auch einige Wiener, Ungarn - Böhmen, ­gegen die große Anzahl Norddeutscher, aus allen Gauen des Gesammtvaterlandes - aber, eine verschwindend kleine Zahl. ­Alle Landsleute hier, theilen die Freude, über Ihre ruhmvollen Erfolge auf dem litterarischen Gebiethe mit mir, und grüssen Sie recht herzlich. - Ihre beiden Werke werde ich mir demnächst bestellen - da wir Alle selbe schon gerne kennen möchten, - zu Ihren Verehrern hier, zälen auch einige Bauern, die ihrem Stande getreu, auch hier Farmerei betreiben - und den calif. Urboden urbar machen. - Mit großer, eigentl. größter Spannung warten wir jetzt immer auf Nachrichten v. d. Heimath, - d. h. aus dem „deut­schen Vaterlande", - so weit die deutsche Zunge reicht - wie Arndt singt. - der atlantische Telegraf (:Cabel:) bringt uns Nach­richten zwar in 36-48 Stunden - aber immer nur kurze Andeu­tungen, auf die Details heißt's geduldig 6 lange Wochen warten, - und dß. ist eine gar lange Zeit für ungeduldige Leute, - wie wir es, in Sachen, des alten Vaterlandes sind. -

    Ich benutze nun an Sie zu schreiben die in der Gartenlaube „Seite 236" von Ihnen selbst - an Ihre Gönner angegebene Adresse, - und denke der Brief wird schon in Ihre werthe Hand kommen, - kämme er nicht - so wäre das kein Verlust für Sie, wohl aber für mich - der ich gerne meiner Sympathie und Freundschaft, für Sie, mit diesen simplen Zeilen, Worte geben möchte. - Nun verehrter Landsmann „nix für unguaf leben Sie recht froh, gesund und wohlauf einer schönen und großen Zukunft entgegen - sollte das günstige Geschick über kurz oder lang, meine Schritte nach der ersehnten Haimath lenken, dann ­das weiß ich gewiß, - komme ich auch nach Schoppernau - dem romantischen Winkel - und Dichtersitz, um Ihnen physisch die Hand zu drücken - bis dahin Gott befohlen, es grüßt Sie Achtungsvollst

    Ihr

    Verehrer u. Landsmann Josef Zöckerth

     

    Josef Zöckerth
    San Francisco
    Franz Michael Felder
  • 1. Juni 1867

    Sehr geehrter Herr!

    In der gestern stattgefundenen Sizung des Ausschusses unse­res Landesmuseums wurde mir der angenehme Auftrag zu Theil, Sie um ein Expl. Ihres neuesten in Leipzig erschienenen Werkes „Sonderlinge" zu bitten. Dasselbe hat die Bestim­mung der Bibliothek des Museums einverleibt zu werden. In der Erwartung daß Sie nicht abgeneigt sein werden, diesem Ansinnen zu entsprechen, zeichne ich hochachtungsvoll

    Ihr ergebenster

    Bayer

    Rittmstr.

    als Mitglied vom Ausschuß des Vorarlberger

    Landes-Museums.

    Emmerich Bayer
    Bregenz
    Franz Michael Felder
  • 1. Juni 1867

    Lieber Freund!

    Es dauert wieder ziemlich lange, bis Du einen Brief von mir erhältst, allein die Schuld davon ist, daß ich früher keinen Brief von daheim erhalten, u. auch mein Koffer noch nicht angekommen ist. Ich habe letzten Sonntag zum zweitenmal darum geschrieben, bevor es hier ist, werde ich diesen Brief nicht fortschicken. Wie Du weißt, habe ich meine Reise in Gesellschaft des Aberers angetreten, dieselbe war nicht ganz unintressant. Als wir nämlich nach Schwarzenberg kamen, eröffnete mir der Herr Lehrer, daß er gesonnen sei, nach Altenstadt zu Herrn Stockmair zu gehen, um demselben die neuesten „Schoppernauer Geschichten" mitzutheilen, dann auch, um für sich selbst ein gutes Wort einlegen zu lassen, beim Bischof, da er wußte, daß er schwarz angeschrieben ist, beim Dekan. Nun, wir kamen am ersten Tage glücklich in Altenstatt an, blieben dort Übernacht, am ändern als am Sonn­tage, giengen wir nach dem Mittagessen zum Herrn Pfarrer, der uns freundlich empfing, u. blieben den ganzen Nachmit­tag bei ihm u. erzählten ihm unsere Angelegenheiten. Du glaubst gar nicht, wie aufgeregt der Lehrer dabei war, ich hatte nur Mühe, ihn immer zu ergänzen, da er sonst das Halbe vergessen hätte. Es that ihm herzlich wohl, sein Herz ausschütten zu können, u. zwar genau so, wie wir die Sache am letzten Abend in Schoppernau besprochen hatten. Der Stockmayr sagte nicht viel dazu, er meinte, das sei noch leicht, gegen die Kämpfe, die er hier zu bestehen habe. Und er hat wirklich den nämlichen Kampf zu bestehen, den Du u. Deine Parteigenossen in Schoppernau zu bestehen haben, nur daß er gegen den gemeinen Pöbel in Altenstatt kämpft, u. wir gegen den Pfarrer. Es war nämlich bisher dahier im Brauch, daß man am Charfreitag u. Samstag die ganze Nacht hindurch Betstunden gehalten werden, u. wollte diese nächtlichen Bet­stunden abschaffen, u. auch der Vorsteher u. einige Aus­schußmitglieder waren dafür, u. nun empörte sich das ganze Befrömmelte Volk gegen ihn, man nannte den Pfarrer u. die Gemeinderäthe Freimaurer, am Charfreitag Nachts forderte einer öffentlich in der Kirche ein Vaterunser für die Frei­maurer.

    Am Montag nun fuhren wir bis nach Einsiedeln, besahen uns die Kirche, blieben dort Übernacht, nachdem wir unsere Gedanken über allerhand ausgetauscht hatten. Ich und der Lehrer hatten einestheils eine sehr gemüthliche Reise mitein­ander, ich war gar nicht versteckt gegen ihn mit meinen Ansichten, wir hatten viel von der Geistlichkeit, wie sie ist, u. wie sie sein sollte, u. über den Sozialismus. Ich fand ihn frei­sinniger, als ich erwartet hatte, er hatte doch in der Schweiz etwas anderes gelernt, als nur anstreichen. Von Einsiedeln giengen wir auf unser Reiseziel los, das für mich in Zug war. Unterwegs kamen wir in das Dorf, wo Xaver Strolz arbeitet u. Gesellen hatte. Wir trafen ihn an, unterredeten uns mit einan­der, u. am Ende blieb ich bei ihm. Er ist ein ordentlicher Bursche, der sich mit Fleiß u. Geschicklichkeit sehr gut durch­geschlagen, so daß er jetzt für drei Gesellen Arbeit hat. Ich bin nicht ungern bei ihm, er ist freundlich u. uneigennützig, ein ächter Strolz. Ich bin jetzt freilich nur auf einem Dorfe, doch wiegen die finanziellen Vortheile u. die Gemüthlichkeit der Leute das Stadtleben völlig auf. Auf Zug ist es nur eine Stunde, wo [Bierers] u. der Bader u. noch viele Landsleute sind, was mich zwar nicht so sehr freut, als daß ich dort in die Zeichnungsschule gehen kann. Sonst bin ich gesund u. froher, als daheim, nur daß ich noch immer etwas bitter werde, wenn ich an das zulezt Erlebte denke. Wenn ich Dich bitten darf, so schreibe mir recht bald, damit ich über die Schoppernauer Verhältnisse aufgeklärt werde.

    Das nächste mal mehr, ich grüße Deine Familie recht freund­lich Dein Freund

    Josef Natter.

    Adresse: H Jos. Natter, bei H. Xaver Strolz, Gipsermeister in Unterägeri Kanton Zug, Schweiz.

    Josef Natter
    Neuägeri
    Franz Michael Felder
  • 1. Juni 1867

    Lieber Freund,

    Gut Glück zur Heimkehr. Mir ist es zwar zu früh, aber Sie müssen ja die Verhältnisse genauer übersehen. Ich dachte heute früh in meiner Kaffehausstunde lebhaft und zuversicht­lich an Sie, da ich von dem Antrag auf Revision des Concor­dats in der Addresse Ihres Unterhauses las. Das muß ja wer­den, muß jetzt werden, es ist eigentlich nöthiger als die Finanzlage. Was wird sich das gute Wible freuen, Sie wieder zu haben. Ich bin sehr begierig auf die Stimmung im Dorfe, die Sie finden werden. Wenn Sie freilich Äußerungen wie die von der Seele als einem nur theologischen Begriff auch dort haben fallen lassen, dann sind Sie dort allerdings un­möglich. Ich selbst erschrak darüber, wolverstanden nicht Ihres Seelenheils wegen, nur wegen der Berührung mit der unphilosophischen, materialistischen Richtung, die Sie da auf einmal sehen lassen, und von der die Wissenschaft selbst schon wieder umkehrt. Doch darüber ließe sich nur münd­lich etwas aufs Reine kommen. Aber daß Ihnen in einem praktisch pädagogischen Aufsatze der Gebrauch des Jahr­tausende alten Wortes Seele auffallen kann, das ist mir offen gesagt selbst sehr auffällig, ich müßte Sie denn gänzlich mis­verstanden haben.

    Doch zur Hauptsache. Ihr Aufsatz für die Grenzboten ist richtig eingegangen. Ich wollte eben zu Freytag gehen, als er kam, hab ihn aber dann erst selbst noch durchgesehen und auch im Club vorgelesen, der gerade stark besetzt war. Die Wirkung war entschieden die, daß man, einen ausge­nommen, den ersten Theil für vortrefflich erklärte, den zwei­ten aber nicht. Auch der Unzufriedene hatte am 1. Theil nur auszusetzen, daß Ihre Bauern eine zu abstracte Sprache rede­ten (z. B. hier bist du ganz du selbst, er meinte, im Volke sagte man da: hier gibst du dich wie du bist). Mit dem 2. Theil aber waren alle unzufrieden (NB. 12 Mann), auch ich. Ich hab ihn dann noch mit dem Bleistift durchgegangen und fast einen ganzen Tag drüber gesessen, in der Besorgniß, daß Freytag es unannehmbar finden könnte. Ich habe ge­kürzt, hie und da auch im Stil geändert, den Satzbau aus­geputzt, in dem mir entschiedene Flüchtigkeiten entgegen­traten. Mir kams vor, als wäre es zu früh gewesen, den Vor­gang schon zu beschreiben. Sie hatten es noch nicht genug überwunden; aber mir kam es auch vor, als ob Sie sich da doch zuviel vertraut hätten. Wolverstanden, es sind ja vor­treffliche Dinge drin, aber der Gesamteindruck war ein zu unbedeutender. Dazu war der eigentliche Wendepunkt, das Gespräch mit dem Pfarrer, zu flüchtig behandelt, ja unklar, wie ich nach Ihren brieflichen Mittheilungen darüber deut­lich sah. Ich habe mir da erlaubt, den Satz gänzlich zu ändern. Schade nur, daß darüber nicht eine mündliche Verständigung möglich ist.

    Gestern war ich bei Freytag in der Angelegenheit. Er hatte den Aufsatz gelesen (leider offenbar nur rasch, wie es Viel­beschäftigte geschäftsmäßig machen) und will ihn nehmen. Aber freilich nicht so wie er ist. Er müsse bedeutend kürzen, sagte er, weil beide Theile in eine Nummer kommen müßten, sonst würde der 2. Theil wirkungslos sein. Auch von nöthi­gen Änderungen sprach er, aber merkwürdiger Weise im 7. Theile, an dem ich kein Wort geändert sehen möchte. Ich habe mich vergeblich bemüht, ihn umzustimmen. Er sieht Sie noch nicht mit dem richtigen Auge an, weil er von den Son­derlingen noch zu wenig gelesen hat. Er sieht in Ihnen zu sehr bloß den Schriftsteller, der an Wirkung und Erfolg denkt, nicht den gesunden Menschen der aus bitterer Wirklichkeit schöpft. Ich konnte ihn durch Gründe nicht bekehren, aber den Aufsatz zurückziehen konnte und wollte ich auch nicht, und so hab ich ihm in Ihrem Namen die Vollmacht zu den Änderungen gegeben, die er für nöthig erklärte. Ich bitte Sie, sich das gefallen zu lassen, selbst wenn Sies ärgern sollte, was ich Ihnen nicht verdenken könnte, ich habe mich auch darüber geärgert.

    Er nahm besonders Anstoß an der Art, wie Sie Ihre Bauern reden lassen, das könne Ihnen niemand glauben, das müsse wie gemacht erscheinen. Auch an dem Traum am Ende des 2. Theils nahm er Anstoß, als zu gemacht erscheinend, und will ihn weglassen - mich verdrießt das, obwol mir der Traum auch nicht ganz zusagen wollte aus ändern Gründen. Ich denke mir als möglich, daß Sie sich sehr ärgern über alles das; aber dennoch bitte ich Sie hoch und höchst, gute Miene zum bösen Spiel zu machen - Sie müssen eben noch über manche Stufe hinweg, ehe Sie auf die Höhe kommen. Sind wir doch in einem Jahre so weit gekommen, daß ichs oft bewundere, wenn ich zurückdenke, wie das in der kurzen Zeit möglich gewesen ist.

    Ich darf übrigens nicht vergessen zu erwähnen, daß Freytag an sich von der wärmsten Theilnahme für Sie erfüllt ist und nichts will als Sie fördern und Ihnen nützen. Er will Ihren Aufsatz nur darum umgestalten (aufs schonendste, wie er mir wiederholt versicherte), damit er seinen Lesern möglichst anziehend erscheine, damit sein Publicum für Sie gewonnen werde. Sie bewahren ja wol die ursprüngliche Fassung auf, damit die nicht verloren geht. Übrigens wird, denk ich, die Zeit bald kommen, wo auch das Grenzbotenpublicum Sie gern hinnimmt wie Sie sind. Ich denke auch die Heilsgeschäfte Freytag anzubieten.

    Von den Sonderlingen immer noch keine Besprechung! und Hirzel hat davon 20 sogenannte Recensionsexemplare ver­schenkt! Es mag keiner der erste sein, wie mir scheint. Stegern hab ich vorgestern auf der Kneipe darum gemahnt. „Kommt gleich!" war seine Antwort. Mündliche Anerkennung höre ich öfter in günstigster Weise. Hirzel selbst nannte es neulich ein bedeutendes Buch, nur daß etwa ein Drittel von vorn herein gekürzt werden könnte, und die Wirkung würde grö­ßer sein. Er hatte es aber da lange noch nicht ausgelesen. Übrigens sprach er da auch schon von einer zweiten Auflage, die er bald riskieren wollte, da nur noch 100 Stück auf Lager wären; freilich ist ganz unsicher, wie viel von den versende­ten nicht doch als Krebse zurückkommen. Ich werde übri­gens, wenns dazu kommt, ein höheres Honorar zu erwirken suchen.

    Ich bin höchst gespannt auf Nachricht aus Schoppernau. Mit alter Anhänglichkeit

    Ihr R. Hildebrand.

    NB. Zum Abdruck Ihres Aufsatzes in der Feldkircher Zeitg hat Freytag seine Einwilligung gegeben. Das Gedicht der Ein­samen aus Straßburg interessirt mich aufs höchste, können Sie mirs nicht einmal mitschicken? ich bitte dringend darum. Auch ich bekomme übrigens Briefe von Leuten aus dem Volke, die auch entdeckt sein möchten.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 30. Mai 1867

    Geehrtester Herr!

    Mit Bedauern vernehme ich aus Ihrem werthen Schreiben,

    daß  Sie   in   Folge  der von   der  Priesterkaste  angestifteten Anfeindung, Ihre liebe Familie und Ihre Heimath verlassen mußten. Daß ich nicht vorher davon Kunde erhielt, war der Umstand schuld, daß ich nicht in der Lage bin, auswärtige Zeitungen zu lesen; das Einzige was ich lese, ist ein hiesiges Tagblatt und die Monats Hefte der Gartenlaube. Was es heißt, um seiner Überzeugung willen, das Liebste zu verlassen, kann ich mir wohl vorstellen. Sie haben in Ihrem Vaterlande, dem Lande der Glaubenseinheit, eine sehr schwere Stellung, denn das Volk ist dort noch zu sehr unter der Vormundschaft, der, in Innsbruck nach Jesuitischen Grundsätzen gebildeten Geist­lichkeit, und Sie können mit Recht ausrufen: „Doch zittert nicht, ich bin allein, allein in meinem

    Grimme. Wie könnt ich Euch gefährlich sein, mit meiner schwachen

    Stimme?

    Der Herscher bildet sein Spalier, wie sonnst des Volkes Masse, Und Niemand, Niemand ruft mit mir: ,Der Freiheit eine

    Gasse/'"

    Wie erfreulich und wohlthuend für mich, Ihre Zuneigung und Wohlwollen für meine Wenigkeit, ist, kann ich Ihnen mit der Feder nicht beschreiben. In der That, Sie haben vollkommen recht, wenn Sie sagen, daß ich mich in einer Klasse befinde, die oft vergebens nach Freunde sucht. Welche Abneigung und Vorurtheile alle höher stehenden Klassen, gegen den Arbeiter­stand hegen, ist Ihnen bekannt. Ich frage aber: Ist es ein Ver­dienst, eine Kunst oder Außergewöhnliches, wenn ein in den vornehmern Kreisen geborner Mensch, der alle möglichen Schulen und Bildungsanstalten besucht und sich immerwäh­rend in nobler Gesellschaft befindet, ist es für einen solchen, eine Kunst gebildet zu sein?? Ist nicht viel mehr, das durch sich selbst und oft unter mißlichen Verhältnissen, herangebil­dete Genie, viel mehr zu achten, als solche künstlich erzo­gene Treibhauspflanzen??

    Sie waren der Ansicht, als wolle ich mich nur in materieller Hinsicht, Ihrer Gewogenheit empfehlen. Dem ist, wie Sie selbst eingesehen, nicht so. Eine Verbesserung meiner mate-Hellen Lage, muß ich mir selbst schaffen, obwohl dieses bei den wirklichen industriellen Verhältnissen schwer geht. Erhalte ich auch in einer anderen größeren Stadt Arbeit, so ist dort wieder der Miethzins (70-80 f) und die Holz und Fleischpreise bedeutend höher, so daß es wieder auf das Gleiche herauskommt wie hier.

    Über Inhalt und Richtung meiner Schrift hätte ich gerne schon das letztemal Ihnen berichtet, aber der Raum gestattete es nicht. Der Titel ist wie ich Ihnen schon gemeldet: „Acht Tage aus dem Leben eines Proletariers". In der Einleitung behandle ich den Zweck und Nutzen dieser Schrift. Dann behandle ich in 8 Artickeln die verschiedensten Abtheilungen der Arbeiterfrage. Das Ganze ist in erzählender Weise gehal­ten und aus meinem eigenen Leben gegriffen. Es ist meine Reise, welche ich voriges Jahr vom 20-27 August unternom­men, und die mir hinreichend Stoff zu diesem Werke ge­geben.

    Am Besten wäre es für alle Fälle, wenn ich Ihnen das Manu­script per Kreutzband selbst zusenden könnte. Sie würden dadurch mehr aus meinem Lebensgange erfahren und die Tendenz richtiger beurtheilen können. Ebenso finden Sie darin den Grund, aus welchem ich aus dem hiesigen Arbeiter­vereine ausgetreten. Nur muß ich Ihnen bemerken, daß wenn Sie den Grundgedanken darin gutheißen, ich das Werk bevor es in den Druck käme, noch einmal einer tüchtigen Revision unterwerfen würde. Die vornehme Welt soll erfahren, daß auch der Proletarier berufen ist zur Neugestaltung der Völker beizutragen. Offen gesagt, ich bin weder ein entschiedener Anhänger Schulzes noch Lassalles. Beide sind Rechtsgelehrte, und haben wissenschaftliche Anschauungen; ich dagegen bin Arbeiter und behandle die Sache nach eigener Anschauung. Bin daher weder Nachbeter des Einen noch des Ändern! Leider muß ich in meinem Werke, bald mit dem Staate, bald mit dem Fabrikanten, und bald mit dem Arbeiter ein ernstes Wort reden, wenn ich der Wahrheit Raum geben will. Daß ich mir dadurch eine schöne Zahl Feinde zuziehen und am Ende Ihr Schicksal theilen muß, werden Sie dann bei Lesung meines Manuscripts gleich finden. Doch es muß sein, wenn der Arbeiterstand gehoben werden soll. Es steht geschrieben: „Die Wahrheit wird Euch frei machen"! und das sey auch unsere Parolle. Kennen wir uns auch nicht persönlich, so ist doch der Zweck unseres Bestrebens hinreichend genug, uns in geistiger Beziehung miteinander zu verbinden. Sollten Sie einmal nach Memmingen kommen, so würde es mir zur größten Ehre gereichen, wenn Sie bei mir einsprechen würden, meine Wohnung steht Ihnen jederzeit offen, ob als Flüchtling oder als Schriftsteller.

    Nach dem Postzeichen zu schließen, waren Sie in Bludenz. Dort war ich im Jahre 1859 zwei mal und die Frau Hirschwir­thin ist von Ravensburg.

    In meinem letzten Schreiben, sagte ich daß ich bereits wieder etwas anderes zu verfassen gedenke, nehmlich eine Novelle „Die Schulschwestern". Es handelt darin von einer Converti­tin, welche von Schulschwestern bearbeitet und dann zum Katholicismus übergetreten war. Das Ganze ist Thatsache und ereignete sich während meiner Abwesenheit in Ravensburg. Einige nähere Angaben, besonders über den Akt der Auf­nahme in die Kirche während oder nach dem Hochamte, feh­len mir aber noch, wären aber sogleich zu erhalten, wenn ich nur Zeit zum Schriftstellen hätte. Es würde ein Seitenstück bilden zu dem „Ewigen Licht" Gartenlaube 1864 und in histo­rischer Hinsicht zu dem „Rom am Rhein" Gartenlaube 1867. Daß ich Liebhaber vom Schreiben bin, das sehen Sie, an mei­nen langen Briefen, womit ich Ihnen belästige. So lange ich aber in dieser isolirten Stellung bin, ohne Freund, ohne Gön­ner und ohne Aussicht auf einen Verleger meiner geistigen Produkte, kann ich nichts machen.

    Sie sind der Einzige, der sich meiner nicht geschämt, und trotz der fatalen Lage in welcher Sie sich befinden, Ihre Hilfe mir angeboten haben.

    Wo ich bis jezt hinblickte, überall wendete man mir den Rük­ken. Die höhere Klasse behandelt mich mit Geringschätzung aus Vorurtheil gegen die arbeitende Klasse ohne meine Kennt­nisse nur zu beachten.

    Meine Nebenkolegen, fühlen meine geistige Überlegenheit, und machens mir ebenfalls nicht besser. Ihr rohes ungebilde­tes Benehmen gefällt ihnen eben besser, als eine ordentliche geistige Bildung, daher der Haß dem ich ausgesetzt bin. Wie ich Ihnen schon gemeldet, habe ich eine 149 Bände starke Bibliothek, darunter wissenschaftliche, belehrende und unter­haltende Bücher, allein Niemand benüzt sie, obgleich ich die­selbe unentgeldlich für Jedermann offen halte. Schließlich nehme ich mir noch die Freiheit um Ihnen zu fra­gen, wer denn der Verfaßer des Artickels „Ein Bauer als Dich­ter" in der Gartenlaube, Herr Dr. R. Hildebrand ist, ob ein Doctor der Rechte, der Philosophie oder der Medizin. Es war heute ein prachtvoller Morgen. Ich machte einen Spatziergang in eine nahe luth. Dorfkirche, das Tyroler Gebirge schaute so rein herunter und bildete ein schönes Panorama im Hintergrunde unserer Landschaft, da dachte ich dann unwillkürlich an Ihnen und an Ihr wirkliches Schicksal. Gebe Gott! daß Ihr Schicksal sich bald zum Bessern wende, und daß wenn sich Ihnen die Heimath verschließt, dagegen in der Fremde sich Ihnen Thüren öffnen um Ihre Existenz zu sichern.

    In der Hoffnung, daß Ihnen mein Schreiben aber bald in Ihrer lieben Heimath antreffen möge, schließe ich und es grüßt Ihnen Ihr aufrichtiger

    Friedrich Riedlin

    Friedrich Riedlin
    Memmingen
    Franz Michael Felder
  • 29. Mai 1867

    Liebster Freund!

    Es sind nun mehr als 3 Wochen, seitdem ich meine Heimath verließ. Unterdessen ist auch dort Frühling geworden, und die Leute haben Arbeit bekommen alle Hände voll. Wol manches werden sie wieder herausgeschwitzt haben was in sie hineingezwängt wurde. Wahrscheinlich werden auch die Geistlichen zurükzuhaspeln anfangen, da der Staatsanwalt sich unserer Sache gehörig anzunehmen scheint. Das alles haben wir dieser Tage erwogen, und als dann noch die Neu­gierde, wie es jetzt da drüben zugehe, zum Wunsch, meine Lieben wieder zu sehen, gesellte - Ja da entschlossen wir uns: Morgen die Reise in den Bregenzerwald wieder anzutretten. Briefe von dort, z B vom Gemeindevorsteher melden mir, daß dort jetzt wieder mancher zu bereuen anfange. Mir kam das nicht unerwartet, die Aufregung war zu groß und ruhte auf zu erbärmlichem Grund, um lange dauern zu können. Den Sommer hindurch wird Frieden sein und bis zum näch­sten Winter kann sich vieles ändern. Ich habe schon allerlei Pläne mit dem Schwager gemacht und besprochen. Unter an­derm auch den, uns hier herum etwas zu kaufen und dann mit der Zeit Schoppernau zu verlassen. Dem Wible wärs ge­wiß recht, besorgter erwarte ich, was meine Mutter dazu sagen werde.

    Übrigens können wir über das später mündlich reden, denn ich hoffe, Sie in kurzer Zeit im Walde zu sehen. Die Furcht daß die Leute auch Ihnen etwas in den Weg legen könnten, ist jedenfalls entschieden unbegründet. Sie sind den Leuten eben ein Fremder, wie hundert andere der verschiedensten Bekenntnisse, ich aber gehöre dem Land, und dieses glaubte ein Recht, einzelne meinten sogar die Pflicht zu haben mich zu erziehen und zu strafen. Doch über das alles werden Sie durch meinen letzten Aufsatz ins Klare gekommen sein. Ich bin begierig was Sie und Ihre Freunde zu dieser im Exil ent­standenen Arbeit sagen werden.

    Liebster Freund!

    Die heutige Post hat mir Ihre Schrift vom „deutschen Sprach­unterricht" gebracht. Ich war zum Arbeiten nicht besonders aufgelegt und danke Ihnen doppelt für dieses Schriftchen, welches mich schon einige Viertelstunden sehr angenehm beschäftiget. Nur ein Ausdruck ist mir aufgefallen „kleine Seelen", ich bitte, mir zu sagen woher das Wort Seele stammt. Mir ist es kaum mehr als ein theologischer - Begriff. - Sonst brachte die Post auch eine Nummer des Volksblattes, welches die Erklärung meines Schwagers ins Lächerliche zu ziehen sucht, und es auch bedauert, daß „der berühmte Volksdich­ter Felder so grimmig verfolgt worden sei". Nun, sie sollen nur spotten. Die Untersuchung dürfte manches klar stellen, wenn sie nur gehörig durchgeführt wird. Ich erhalte jetzt häufig Zuschriften und Sendungen von Leu­ten die mir ganz unbekannt sind. Es macht mir das jetzt manche Freude und kann mir zuweilen eine lange Stunde verkürzen. So aber hat mich noch selten etwas gefreut wie das Gedicht, welches Ihrem letzten Briefe beilag. Oft und oft hab ichs gelesen in dieser langen halben Woche seit ich mit der Ihnen übersendeten Arbeit fertig und sonst zu nichts recht aufgelegt bin. Jetzt freue ich mich auf einen Brief von Ihnen, welche Nachrichten er auch immer bringen mag, er wird mir wieder ein Beweis Ihrer Freundschaft sein, die mich hebt und tröstet.

    Leben Sie wol, grüßen Sie mir, die mir wol wollen. Mit Brudergruß und Handschlag

    Ihr

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • 26. Mai 1867

    Lieber Herr Felder!

    Wie innigen Antheil ich für Sie habe, will ich unterlassen, hier zu schildern. Es veranlaßt mich dieses, mich hiemit schriftlich an Sie zu wenden und Sie zu bitten, mir unter Postnachnahme Ihre Dorfgeschichte: „Nümmamüllers u. Schwazokasperle"

    gefälligst zuzusenden. Trotz aller Nachfrage konnte ich die­selbe in keiner Buchhandlung bekommen. Behalten Sie nur Muth u. Gottvertrauen! Unter herzlicher Begrüssung mit aller Hochachtung Ihr ergebener

    Adam Leffer.

    Adam Leffer
    Keps in Oberfranken
    Franz Michael Felder
  • 25. Mai 1867

    Liebster Freund!

    Gestern bin ich mit der von Ihnen und Freitag gewü[n]schten Arbeit fertig geworden und ich übersende sie Ihnen nicht ohne Bangen, Sie möchten denn doch Ihre Mahnung: „Nur ganz ungezwungen zu schreiben" etwas gar zu sehr befolgt finden. Der Faden der das Ganze zusammenhält, ist etwas schwach, überdieß wuchs mir im 2. Theil der widerwärtige Stoff-derart, und war so zahlreich und massenhaft vorhanden, daß ich mich auf der Reise ungemein beeilen mußte, die Aus­arbeitung des ersten Theils, wo ich den Lesern der Garten­laube sowohl als den Ändern „gerecht" zu werden, d h das Bekannte doch wieder aber so kurz als möglich wiederzu­geben suchte, hat mir jene Freude und Fröhlichkeit wieder gegeben, die ich gewöhnlich am Schreibtisch empfinde. Den 2ten Theil aber hätt ich um Vieles nicht mehr selbst ins Reine schreiben mögen und ich war herzlich froh, daß Moosbrug­ger mir Nachmittags einen Kanzlisten schickte. Sollte meine Arbeit für d[ie] Grenzbothen geeignet sein so würde das mich ungemein freuen und ich möchte nur fragen, ob sie dann nach Veröffentlichung in genanntem Blatte nicht auch in ändern Zeitungen mit Angabe der Quelle nachgedruckt werden dürfte. Z B in der Feldkircherin deren Herausgeber auch Ihren Gartenlaube Artikel und meinen Tannbergerauf­satz gern abdrucken möchte. Jedenfalls wünschte ich, daß mir auch von damaligen Aufsätzen immer einige Exemplare zu­geschickt würden.

    Ich übersende Ihnen auch eine Nummer der neuen freien Presse mit einem Artikel aus Feldkirch, der Ihnen, mit meiner eigenen Beschreibung meine traurige Lage völlig klar machen wird. Briefe aus meiner Heimath melden mir im Ganzen sehr wenig Neues. Von weitern Verfügungen des Staatsanwalts will noch nichts verlauten, und so warte ich denn hier auf etwas Entscheidendes. In 10 Tagen zieht das Wible mit Kind und Rind nach dem Vorsaß Hopfreben. Dort würde ich wie­der so sicher und ruhig und wol noch gemüthlicher als hier leben. Wahrscheinlich wird Moosbrugger sich auf einige Wo­chen Urlaub erbitten und mit in seine Heimath gehen. Jeden­falls werde ich Ihnen meine Abreise von hier rechtzeitig melden.

    Von Wien aus ist mir übrigens von einem dort lebenden Vor­arlberger der Antrag gemacht worden, die Sache vor den Reichsrath zu bringen, wenn der Staatsanwalt oder die Be­amten aus Furcht vor den Ultramontanen nicht entschieden vorgehen sollten.

    Von Schoppernau aus werde ich Ihnen in der nächsten Woche schreiben was ich dort antraf. Wir gehen nicht mehr über die Berge, sondern fahren erst nach Feldkirch und von dort über Dornbirn, Schwarzach durch den Wald hinein, der Schwager ist mein Begleiter und unsere Reise dürfte unter den jetzigen Verhältnissen zwar nicht so gefahrvoll, aber interessanter werden als der Ausflug auf den Tannberg. Sind noch keine Besprechungen der Sonderlinge erschienen. Ich bin sehr begierig.

    Ich schließe vorläufig, erwarte aber vor dem Abgeben die Ankunft der letzten Post.

    Ihr ewig dankbarer p M Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • 25. Mai 1867

    Liebster Freund!

    Mit tiefer Bewegung hab ich heut Ihr mir so werthes Schrei­ben gelesen und danke Ihnen von Herzen für alles was aus jeder Zeile, jedem Worte herausspricht und mir sagt, daß nicht nur Gott keinen Deutschen verläßt sondern daß es auch die Deutschen selbst nicht thun, wenn es gilt für eine große Sache einzustehen die des Schweises und Blutes der Edelsten und Besten werth wäre. Die Zeit des Martirerthums ist denn aber doch so ziemlich vorbei, das hab ich am letzten Sonntag in Feldkirch erfahren. Ich wurde recht freundlich aufgenom­men und die Hände drückten sich mir daß ich hätte jubeln mögen. Ich hab auch dort, und nicht vergebens den Geist unseres Jahrhunderts angerufen. Die von Moosbrugger ab­gegebene Erklärung in der Feldkircher Zeitung werden Sie wol schon erhalten haben.

    Und was nun? fragen auch Sie vielleicht leider durch meinen Brief mehrbeunruhiget als die Gemeinheit meiner Gegner ver­dient. Ich meine: Vor Allem abwarten und einstweilen - nicht länger als nötig hier bleiben wo man es mir an nichts fehlen läßt. Vielleicht wird auf Moosbruggers Erklärung strenge Un­tersuchung eingeleitet, in diesem Fall ist eine Versetzung Rüschers unseres Pfarrers ziemlich gewiß und gäbe sich dann alles wieder von selbst. Das Volk darf nur sehen was man wollte und wie man es angieng, dann stehen wieder alle so auf meiner Seite wie viele, ja die Meisten schon jetzt. Ich bin noch nicht erlegen, sondern nur vor den rohesten Fanatikern gewichen. Weiter fort aber kann ich jetzt nicht, denn bei einer Untersuchung dürfte ich natürlich nicht fehlen. Ich habe schon angefangen, zu diesem Zwecke das wichtigste kurz zu­sammenzustellen und werde Ihnen vielleicht nächstens über­senden. „Erst wenn wieder alles Erwarten weder die Geistliche noch die weltliche Regierung einschreiten sollte", sagt der Schwager „erst dann könnte es gebothen sein sich an Beust zu wenden." In 8 Tagen kann sich viel geändert haben, be­sonders da jetzt die Feldarbeit allen Geschwätzen ein Ende macht. Ich denke sogar an baldige Rückkehr, werde aber natürlich auf ein Schreiben des Gemeindevorstehers warten, der treu zu mir hält. Sobald unser Pfarrer und seine Helfer von den Leuten gehörig gekannt und gewürdiget werden, hab ich sogar in Schnepfau nichts mehr zu fürchten. Ich muß Ihnen nämlich bemerken, daß Schoppernau und Au besser gehalten haben, als es bei der niederträchtigen Aufhetzerei zu erwarten war. Aber daß Sie an unsern Pfarrer zu schreiben vorschlagen, das beweist, daß Sie sich gar kein Bild von so einem - Menschen machen können. Zwei Tage vor meiner Flucht war ich mit dem Vorsteher und dem angesehensten Bürger bei ihm. (Ohne Zeugen mag ich mit solchen - Leuten, deren heiligem Rock man immer wieder glaubt - gar nicht reden.) Er jagte wüthend meine Begleiter fort. Ich aber mußte bleiben und dem Mann einmal zuhören. Um der Meinen Willen wollte ich noch fast um jeden Preis einen Friedens­schluß versuchen. Nach langem Hin- und Herreden sagte er: Ich habe nichts gegen Sie sondern nur gegen Ihre Grundsätze. „Gegen welche?!?"

    „Nun gut" sagte der Pfarrer „Es ist ein Glück, wenn Ihr gute Grundsätze habt."

    Als ich ihm nachwies, daß er über mich gelogen was ich durch viele Zeugen beweisen kann, da sagte er, es sei gut für mich wenn es gelogen sei. Ich forderte nur einen sehr gemäßigten, ihm selbst gar nicht angehenden Wiederruf, wie man ihn schon dem schechtesten Kerl gethan hat, da sagte er: Wegen Euch!? Wegen Ihnen thut man gar nichts. Und dieser - ist Hirt von 500 Seelen will der erste Mann in einer anständigen Gemeinde sein. Mir stieg die Sache gewaltig zu Kopfe und ich hätte fliehen müssen, wenn auch nicht des Pfarrers Vater zu Einigen gesagt hätte: Bei ihm daheim wäre man mit so einem wie mit dem Felder gar bald fertig sein man thät und hier werde man schon auch fertig werden. Meine Freunde warnten mich nicht mehr zu weit alein oder bei Nacht zu gehen, denn Einzelne seien gegen den Einzelnen stark genug wenn auch alle Tüchtigen mir unterdessen daheim in der Stube recht gäben.

    Das alles und noch viel trieb mich zur Flucht; Schuld daran ist: Die Klarstellung die Leihbibliothek, die Alianz mit mehreren Gegnern der Brixner, Schuld ist daß ich die Presse und die Feldkircherin lese, Schuld sind die noch nicht einmal erschienenen von Pater Beda - gestohlenen Ge­spräche, die auch Ihnen noch im Gedächtnisse sein werden und Schuld ist, daß die frommen Herren alles gegen mich anwenden, um mich hier zu untergraben seit ich anderwärts - Boden zu gewinnen anfange. Ihr Artikel und die Sonder­linge können meines Wissens noch nichts zur Sache gethan haben. Und wenn auch! Hier behaglich sicher, und um man­che Erfahrung reicher, segne ich das Ereigniß welches diesen Kampf hervorrief. Die Wahrheit und das Recht müssen end­lich siegen dann werden die nur zu guten Leute ihre Hirten kennen lernen. Gönnen Sie der wakern Gemeinde das Glück, einen tüchtigen Pfarrer zu bekommen! Gönnen Sie ihr auch den Schluß der Sonderlinge. Aber Ihren Reiseplan sollten Sie doch nicht schon jetzt aufgeben. Das thäte mir wahrhaftig weh und Schoppernau und Au haben das nicht verdient. Doch hierüber hoffe ich Ihnen schon bald aus meiner ge­säuberten Gemeinde schreiben zu können. Ich habe jeden­falls ungemeine Lust, Ihrer so freundlichen Einladung zu einem Besuch nach Leipzig zu folgen. Daß ich, der überall Fremde, am liebsten mit Ihnen gehen möchte können Sie sich denken drum schicke ich heute hier auch das Wible mit. Es bittet Sie, doch auch seinen Wunsch zu erfüllen und Ihr Versprechen zu halten. Es ist wieder glücklich zu Hause an­gelangt und schickt Ihnen und den werthen Ihrigen seine herzlichsten Grüße. Auch Moosbrugger läßt Sie herzlich grü­ßen und Ihnen sagen Sie sollten einstweilen nur unbesorgt sein, wenn erst die Sache gehörig öffentlich sei, könne uns der Sieg nicht mehr fehlen. Er liest jetzt die Sonderlinge die ihm besser zusagen als dies sonst bei Romanen der Fall. Es würde mich freuen, in meiner Verbannung wieder ein Brieflein von Ihnen zu erhalten. Auch ich werde wol bald wieder bei Ihnen anklopfen da ich zum Plaudern oft auf­gelegter als zum Schriftstellern bin.

    Bei den Heilsgeschäften kommt mir nur der Eingang etwas zu breit vor, vielleicht ließe sich etwas streichen. Wenn Keil sie nicht will, so wird sich wol noch ein Anderer finden. Auch in der Europa hätten sie einen hübschen Platz und etwas Honorar wird da wol auch gezahlt werden. Mit der Richtung der Gartenlaube im großen und Ganzen würde ich doch nicht einverstanden sein, da ich es nicht mit dem Katholicis­mus, sondern einstweilen nur mit einer Rüschenade und viel­leicht mit Brixen zu thun habe. Wie gehts den Sonderlingenf?] Ich hoffe Ihnen bald recht Erfreuliches schreiben zu können. Mit herzlichstem Gruß Ihr Plaggeist

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • 23. Mai 1867

    Liebes gutes Wible!

    Dein Brief war mir eine wahre Labung. Mit Sehnsucht gedachte ich nicht nur des guten Säuleins, das wie noch viele Größen auf der Welt, erst nach dem Tode recht geschätzt wird, sondern auch so manches ändern, waß dem geselligen fühlenden und denken­den Menschen nur die Heimath biethet und waß er gerade am schmerzlichsten vermißt. Trotzdem dürfte ich noch eine Woche wenigstens im Exil bleiben müssen. Wenn Du zum Vorsteher Albrecht gehst, und Du meinen letzten Brief und den darin er­wähnten Zeitungsartikel zum Durchlesen erbittest, so wirst Du das selbst einsehen und ich habe dann auch nicht mehr nötig Dir manches Andere zu schreiben was ich Dich gerne so schnell als möglich wissen lassen möchte. Drum also wo möglich noch vor dem Etzo zum Vorsteher.

    Etwas ausstehen müssen wir nun freilich für unsere heilige Sache, aber Du wirst sehen daß der glänzendste Erfolg uns be­lohnt. Nur den Muth nicht verloren, da wir nun schon so weit auf dem Wege sind.

    In Rankweil draußen steht das s g Schlößlein mit etwa 5 Kuh­winterungen Gut. Ich und Kaspar reden stark davon, wie schön es sich da draußen wohnen und dichten ließe, wenn im Wald die Hetzereien nicht aufhören sollten und vielleicht auch sein Austritt aus dem Staatsdienst gebothen erscheint. Es kann nämlich noch zu allem kommen, da wir durchaus nicht zum Nachgeben ent­schlossen sind. In Feuersteins Brief steckt etwas, das mir gar nicht gefällt. Aber daß ihm auch der Schelley fortkam ist nett da er bei der bereits eingeleiteten Untersuchung ohne hin als Zeuge auf­tretten muß. Davon brauchst Du aber noch nichts zu sagen, außer dem Uhrenmacher, den lasse mir grüßen er soll nur da bleiben und lustig sein, denn nächstens könne er eine interessante Ge­schichte erleben. Am nächsten Mitwoch soll er auch einen Brief erhalten. Heut und Morgen bin ich noch zu varnöth!

    Am letzten Sontag hätt ich Dich besonders gern hier gehabt beim Waldesfest im Wäldchen zu Brunnenfeld. Hunderte, vielleicht Tausende hatten sich im Moos und ander­wärts gelagert. Es wurde gezecht, geschossen gesungen geplau­dert, und die Bludenzer Stadtmusik spielte ihre Weisen bis sie sich abends in den erleuchteten Biergarten beim Kaffeehaus zurükzog. Ich schickte Dir in Gedanken meine Grüße zu wäh­rend ich mit ändern plauderte.

    Vom Germanistenklub in Leipzig hab ich etwas zu spät, ein herrliches Gedicht zu meinem Geburtstag erhalten welches dan der hocherfreute Kaspar den hiesigen Herrn mit begeisterter Stimme Mittags im Kaffeehaus vorlas. Ich habe hier schon meh­rere Bekante, von denen ich Dir jetzt nur den Fabrikanten Gaßner und den Bruder des im Tirol berühmten liberalen Landtags­abgeordneten von Grabner nenne.

    Am letzten Sonntag hab ich von Gustav Freitag durch Hildebrand den ehrenvollen Auftrag erhalten mein Leben meine Flucht und ihre Veranlassung für die Grenzbothen zu beschreiben. Die Arbeit ist im Entwurfe fertig, und da mir beim Abschreiben ein Kanzlist helfen wird, so kann sie schon am Sonntag nach Leipzig wandern.

    Wenn wegen den Sprengern etwas los werden sollte, so müs­sen sie sich an meinen Mitvormund J Josef Felder Wagner wen­den. Der Lindauer Reisende hat mich getroffen und sein Geld erhalten. Ich übersende Dir Deine Photografie und auch die Meine, die unübertrefflich sein soll und vom Photografen zu einem Handelsartikel gemacht wird da manche hier sie möchten.

    So wird man auf jede Weise ausgebeutet, wenn man eben berühmt ist.

    Lebe wol, liebe treue, grüße mir die meinen und gedenke stets Deines Dich 1000 [Mal] grüßenden

    Fr Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Anna Katharina Felder
  • 21. Mai 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Erlauben Sie, daß ich Sie unbekannter Weise mit einem Briefe und mit einer Sendung belästige. Die Veranlassung dazu war ein Artikel in Nr. 15 der heurigen Gartenlaube: „Der Bauer als Dichter". Ich war begierig, den merkwürdigen Mann, von wel­chem dort die Rede war, näher kennen zu lernen, und kaufte mir deßhalb unverzüglich „Nümmamüllers und das Schwar­zokaspale", welches Buch ich mit großem Interesse und vie­lem Beifalle gelesen habe.

    Sie schildern in demselben das Dorfleben durchaus wahr­heitsgetreu, und jeder Leser von unverkehrtem Geschmack wird Ihrem Werke volle Anerkennung zollen, welche durch den Umstand, daß Sie in den meisten Stücken Ihr eigener Lehrer waren, noch sehr gesteigert werden muß. Mein eigenes Interesse für Sie ward übrigens auch dadurch noch sehr erhöht, weil zwischen Ihren Verhältnissen und den meinigen manche Ähnlichkeiten bestehen. Wie Sie, bin auch ich ein gemeiner Dorfmann; wie Ihnen, war auch mir keine höhere Lehranstalt zugänglich, als nur allein die Dorfschule; wie Sie, trieb auch mich der innere Wissensdrang zu weiterer Ausbildung, und endlich zu schriftstellerischen Versuchen.

    Einen Unterschied machen freilich unsere Leistungen, indem die Ihrige weit vollkommener ist, als die meinige. Obgleich ich von dieser Überzeugung durchdrungen bin, wage ich es dennoch, Ihnen die letztere als ein geringes Zei­chen meiner Verehrung darzubringen, und Ihnen im Geiste freundschaftlich die Hand zu reichen - ein Dorfmann dem anderen, aus einem Winkel der österreichischen Monarchie in den entgegengesetzten Winkel derselben. ­Ich schrieb die Geschichte meiner Heimat, behandelte aber die Lokalgeschichte in anderer Weise, als es gewöhnlich geschieht; meine Vorliebe für die in neuerer Zeit (besonders durch Auerbach) zu Ehren gebrachte Dorfgeschichte hat viel darauf eingewirkt. -

    Die von Ihnen geschilderten Dorfverhältnisse haben mit den hiesigen verglichen einige Besonderheiten; im Allgemeinen aber viel Ähnlichkeit, Ihre Nümmamüllers sind auch mir bekannte Leute, und Sie werden im Kapitel von den Mühlen in der Dorfchronik Andeutungen darüber finden. Auf Ihr nächstes Werk bin ich sehr begierig, und ich trage großes Verlangen, zu Ihnen in nähere Beziehungen zu treten. Wenn Ihnen nur mein Entgegenkommen nicht als zudringlich und unbescheiden erschiene, möcht' ich gerne noch die Ver­sicherung aussprechen, daß mich ein gütiges Antwortschrei­ben von Ihnen sehr erfreuen würde.

    Indem ich schließlich den Wunsch ausspreche, Sie wollen meiner Ihnen hiemit übersendeten Dorfchronik einige Auf­merksamkeit schenken, zeichne ich in Hochachtungsvoller Ergebenheit

    A. Jäger

    Anton Jäger
    Maffersdorf
    Franz Michael Felder
  • 21. Mai 1867

    Liebs Wible

    Es dauert denn doch etwas lang bis ich ein Lebenszeichen von mir gebe und da es bis zu meiner Heimkehr wol noch einige Tage währt, so muß ich Dir noch geschwind schreiben, bevor ich ins Kaffeehaus gehe zum hübschen Kinde von Schnifis. Wahrschein­lich mache ich noch am Sonntag einen Sprung nach Feldkirch, und in diesem Fall werde ich erst am Montag heimkommen und zwar über Damüls, da bis dahin der Landtag bereits geschlossen sein dürfte, also in Bregenz für mich gar nichts zu suchen wäre. Natter ist aus dem Montavon zurük und macht heute meinen Abschreiber, um sich die Zeit vertreibend auch ändern etwas zu nützen. Der erste Band der Sonderlinge ist fertig, und dürfte bei den jetzigen friedlichen Aussichten bald veröffentlicht werden. Den Kaspar und die Seinen hab ich gesund getroffen; die Isabell m'acht sich gut und ist a scharmante Motol geworden. Der Julius plaudert und alles ist auf Essen. Recht lächerlich kommen mir unsere Predigten erst hier vor, und der Umstand daß Oberhausers Kaspar sich darüber ärgert, ist mir fast noch lächerlicher. Laß ihn mir grüßen wenn er kommt und auch den Uhrenmacher.

    Doch nun hab ich ein Lebenszeichen gegeben und zu mehr hab ich wahrlich nicht Zeit. Also Leb wohl bis montag Abends und dann natürlich auch noch. Es grüßt euch alle Dein

    berühmter Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Anna Katharina Felder
  • 20. Mai 1867

    Liebes Mindle!

    Mit Sehnsucht erwartete ich ein Lebenszeichen von Dir, mit welcher Freude ich daher das liebe Briefchen las, kannst Du Dir denken, wenn ich Dir sage, daß sie weit über den Emp­fang eines Hildebrandischen ging. Was Hildebrand von Dir, oder für Dich wollte, gleich nach Leipzig zu gehen hätte mich in soweit gefreut, als es für Dich gut gewesen wäre, übrigens fühle ich die Lücke sehr, die durch Deine Abwesenheit in der Familie entstanden ist, u. ich bedaure die Weiber, die ihre Männer in die Fremde laßen müssen, und freue mich wieder Deines kommens, was wie ich sehe sobald noch nicht gesche­hen wird, u. ich daher noch länger genöthiget bin, jedem Laf­fen zu sagen, daß Du nicht da, noch nicht kommen werdest, ich aber wieder da u. mir gut gefallen habe. Der Vorsteher u. Oberhausers Kaspar kamen ins Haus etwas besorgt wie mir schien nach Deinem Ausbleiben zu fragen. Durch die daraus entstandenen Muthmaßungen auch villeicht einiger Äuserun­gen wegen Deinerseits, „in den Tagen des Schreckens" ent­stand das Gerücht, daß wir uns um eine neue Heimath umge­sehen haben, fortziehen, u. hier alles verkaufen wollen, die Mutter aber in Marikathrino Stüble bleibe. Der Metzger von Halden, der uns heute den [Bais-Heß] tödtete, wollte es in Au Niederau u. überall gehört haben, u. fand es sehr unprak­tisch für uns, so auch Oberhausers Bäbele, das ich gestern auf dem Gange in die Mühle, um eine Sendung, traf, wir hättens nicht schlechter als andere, geredet werde über Jedermann, nicht Jedermann aber ziehe fort, zwar schade wärs für Schop­pernau, der Herr Pfarrer habe den Betschwestern das Hand­werk gelegt, er wolle selbst gebieten u. verbieten, wo ers für nöthig halte, u. somit werde sich alles wieder läutern u. ins alte gute Geleiß kommen.

    Die Erklärung in der Feldkircherin habe ich freudig u. auf­merksam gelesen, u. gefunden, daß er sehr keck u. herausfor­dernd geschrieben ist. Man wird im schwarzen Lager anschla­gen u. loßdrücken gegen die Infamen, die es wagen an ihrem Wissen, an ihrer guten Absicht zu zweifeln, und gar noch das unerhörte, Satisfakzion fordern. Bis jetzt hab ich noch nichts gehört, wies den Herren anschlägt. Die Photografien bin ich sehr begierig zu sehen, Du bist doch sehr gut, daß Du sie gleich schickst, natürlich damit auch wieder Nachricht von Dir. Du bist mir sehr viel im Sinn, ich kann sagen, mein Abend u. Morgengebet, ich sehe Dich immer still in Dich gekehrt, nachdenkend, unruhig, doch Du hast Gesellschaft Zerstreu­ung, wenn Du willst, mehr als zu Hause, u. deßwegen will ich ruhig warten, bis du für gut findest wieder zu kommen, mir ist nur recht was Dir recht ist. Mutter wünschte wegen der Erb­schafts-vertheilung die nächstens vor sich gehen sollte, daß Du hier wärest damit der Vorsteher nicht nothwendig würde, doch diese Woche wird noch gewartet.

    Beiliegende Zettel von Feuerstein u. Strobel glaubte ich Dir schicken zu müssen. Vorigen Sonntag wurde mir ein Zettel­chen überbracht, von einem Auer der in der Schweiz arbeitet, der darin die Sonderlinge von Dir so billig als möglich, zuge­schickt wünscht, mit dem Bemerken, daß, wenn sie gefallen mehr nachgeschickt werden müßten. Ich übersandte ihm den Titel u. Preis des Buchs, die Adresse Stettners auf einem Zet­tel, weil ich nichts besseres zu thun wußte, weil ich es nicht direkt schicken konnte, wie es kürzlich ein Torist, der mir begegnete es auch von mir kaufen wollte. Sonst nichts Neues, als Frieden od. eigentlich keinen Krieg, bei uns Geldverlegenheit, doch das ist etwas altes. Koarado Buob hat aber Geld, u. somit bekommen wir auch. Lislars Jodok ist im Himmel u. wirklich jetzt läutets Aloisilosans die Scheidung. Mit 100010 Grüßen

    Dein Wible.

    Wir hätten nun Leber u. Lunge u. Saufleisch, u. Du nicht hier, was man nicht alles versäumen kann.

    Das Feld ist bestellt, u. in 14 Tagen, oder noch früher wird man nach Hopfreben ziehen.

    Anna Katharina Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 20. Mai 1867

    Werther Freund Michel

    Ich muß Dier zuerst sagen, daß ich durchaus nichts zu schrei­ben weis, u. kann mier nicht einbilden, woher diese Kopf­losigkeit herkömmt. Neues gibt es gar nichts. Herr Rüscher wädelt ganz gemüthlich im Dorf herum, u. sonst o ich muß Dier sagen weis ich nichts. Mein Karren geht wieder etwas besser. Gestern wahr ich in der Au spaziren gegangen u. heute bin ich nicht fähig etwas zu machen od. sagen was nur den mindesten Werth hätt. Die gerede hier sind glaube ich so zimlich verhallen, u. ich einmahl werde gar nichts mehr gewahr. Danke Dir auch daß Du mich mit deinem Kühbuch ein wenig in bewegungzu suchen bringst. Jedoch verspreche ich Dier, das Buch an den vom Vorstand bestimmten Ort zu legen, u. dann aufschlagen bis man fertig ist, werde auch Deine Entlassung erbitten. Lebe Wohl ja bes­ser als ich u. komm bald wieder zu Deinem Freund

    Joh. Joseph

    Etat Civil de Schoppernau am 15 Mai der Lislar gestorben am 16 der Schnell am Bach gestorben am 20 Alowiseles mötele gestorben

    Geburten

    nur im Wachsen begriffen sind noch nicht zur reife gelangt

    Johann Josef Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 20. Mai 1867

    Lieber Freund!

    Heute Mittag erhielt ich Dein Schreiben v. 16. d.M. ich beeile mich Dir mitzutheilen was ich weiß, damit die morgige Post Dir meine Antwort ungesäumt zutrage.

    Ich vermisse Deine Gegenwart sehr, schon wegen der vor Deiner Abreise vorgefallenen Vorgänge. Die Aufregung hat sich wieder etwas gelegt, doch der Gedanke an die schnöde Behandlung, wie sie wir in letzter Zeit erfahren haben, läßt das Zutrauen u. die Zuneigung zu unserer geistlichen Behörde nicht aufkommen.

    Ich habe mit Pfr. Rüscher seit jenem merkwürdigen Tage nicht mehr Gelegenheit bekommen zu reden, gestern begeg­nete er mir, ein ganz kurzer Guten Abend! war das ganze Gespräch.

    Ebenso verhält sich Rüscher gegen Altvorsteher. Als wir drei an jenem Dir bekannten Tage im Pfarrhofe waren, hatte Alt­vorsteher im Eifer nicht bemerkt, daß Rüscher uns aufforderte fortzupacken, seitdem ich ihm diese von ihm unbemerkte Rede ergänzte ist er sehr gereizt gegen die Schwk - wie er sich ausdrückte. Nun noch zu Deinen Fragen.

    Pfr. Rüscher hat die in der Landeszeitung enthaltene Erklärung nicht nur gelesen sondern auch mehrere Stellen unterstrichen mit jedesmaliger Randbemerkung, so z. B. als in der Erklärung die Stelle vorkam: „Ich will mit Veröffentlichung von That­sachen zurückhalten, die an barbarische Zeiten erinnern" machte Rüscher ein großmächtiges oho! dazu. Dann wieder als es hieß: „wünsche aber die Aufmerksamkeit des bischöf­lichen Ordinariats u. der kk. Staatsanwaltschaft" kam die Bemerkung: ganz recht/ endlich hieß es in der Erklärung: „daß Du Dich wegen Gefährdung Deiner Person Dich aus dem Bregenzerwald zu enfernen für gut fandest" bemerkte Rüscher: fällt Niemanden ein!

    Dieses sind die weisheitlichen Randglossen u. bedeuten 0. ­Als Freund verzeihst Du mir etwa einen Gedankenstrich. Gestern Abends kam ich mit Altvorsteher noch zu sprechen, er erzählte mir, daß gestern Nachmittag Pfr. Rüscher u. Dr Dünser in der Krone waren, er sei nur so aus Neugirde auch dahin, als er in die Stube kam haben die zwei Herren eben die in der L Zeitung enthaltene Erklärung verhandelt, er habe sehr gut bemerkt, daß Pfr. Rüscher diese Erklärung sehr im Magen liege, er war ungemein gereizt, u. habe unter anderem gesagt, daß wenn er glauben müßte, der Inhalt der genannten Erklärung wäre auf ihn gemünzt, so würde er dem - dem ­(ich kann den Namen nicht wiedergeben.) auch etwas erwie­dern, vermuthlich würde er den Bannfluch über den Verfasser der Erklärung ausgesprochen haben, wie er dem Korado Buben gedroht hat, was Du aber schon weißt. ­Dr. Dünser habe darauf erwiedert: der Inhalt sei nicht auf ihn ./. Rüscher ./. gemünzt, sondern auf den Kapaziner P. Beda. Wer es glaubt, glaubt es, ich nicht.

    Übrigens höre ich von den Schoppernauern nicht viel von dieser Sache reden, nur Tirolerhannesle soll seine Äußerung gegen Dich bereuen u. gesagt haben er werde abbitten, nun diese Person ist auch nicht viel mehr als eine 0. Ich will nun aufhören von diesen kleinlichen, gehässigen u. neidischen Dingen zu schreiben, solche Personen die diese Sprache führen sind nicht des Andenkens werth. Mich würde, wenn Du unser Dorf verlassen würdest sehr schmerzen, ich erkenne es, daß für Deine Thätigkeit draußen im Reiche der geeignetere Platz wäre, doch ich hoffe zuver­sichtlich Du werdest uns nicht verlassen komme recht bald wieder in unsere Mitte.

    Sehr nothwendig wäre es gewesen, wenn Du am Rechnungs­tag der Viehassekuranz dagewesen wärest.

    Wann ich wüßte daß Du 14 Tage noch nicht kommen wür­dest ich würde Dir noch einmal schreiben, ich hätte noch etwas zu sagen, doch das Papir kann es nicht mehr faßen. Ich u. die Meinigen grüßen Dich, auch einen Gruß an Deinen Schwager Adjunkt Moosbr. Dein Freund

    Anselm Albrecht

    Anselm Albrecht
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 19. Mai 1867

    Verehrtester Herr Felder!

    Sie werden es vielleicht unverzeihlich finden, wenn ein Ihnen gänzlich Unbekannter sich die Freiheit nimmt, in Ihre Core­spondenz sich zu mischen. Gestatten Sie mir daher mich zuerst bei Ihnen zu legitimiren, und dann den Grund dieses Schreibens darzuthun.

    Ich bin der Sohn des in Ravensburg (Württemberg) vor 2 Jah­ren verstorbenen Schlossermeisters Jakob Riedlin und wurde geboren Ende Dez. 1837. Nach Vollendung der Schulzeit, mußte ich wider meinen Willen, da es die Mittel meines Vaters nicht anders erlaubten, die Schlosserprofession erler­nen. Weit lieber hätte ich mich zum Studium der Theologie oder für das technische Fach entschlossen. Im Jahr 1855 den 8 Mai begab ich mich in die Fremde und zuerst nach Basel in der Schweitz. Dort arbeitete ich. Dann gieng ich durch Baden nach Heidelberg und Heilbronn. In dem für den Katholiken berühmten Weingarten erhielt ich wieder Arbeit. Im Novem­ber aber gieng ich wieder in die Schweitz und dießmal nach St. Georgen b. St. Gallen, wo ich bis 26 Juli 1856 verblieb. Ich gieng dann zum zweitenmale nach Basel. Als Protestant wurde ich dort mit der evangelischen Mission bekannt und beschloß im Frühjahr 1857 in die dortige Missionsanstalt ein­zutreten um meinem Lieblingsplane, Theologie und über­haupt wissenschaftliche Fächer zu studieren, einmal Genüge zu leisten. Allein der Ausbruch der Neuenburger Revolution zerstörte meinen ganzen Plan. Ich wurde um Weihnachten arbeitslos und genöthigt Basel zu verlassen. Ich arbeitete dann später in Durlach und Heidenheim. Von dort gieng ich wieder nach St. Georgen b. St. Gallen, wo ich bis 8 Juni 1857 geblie­ben. Ich machte dann eine Reise ins baierische über Lindau, Augsburg, München, Regensburg nach Nürnberg, wo ich wie­der arbeitete. Von dort gieng ich nach Sachsen und arbeitete in der großen Fabrikstadt Chemnitz bis 11 Sept. 1857, von wo ich auf einen dringenden Brief meines Vaters, mich der Hei­math zuwandte. Um aber nicht wieder die gleichen Städte und Gegenden zu sehen, wählte ich einen Umweg und gieng über Dresden, Leipzig, Altenburg, Koburg, Würzburg, Hall und Ulm nach Ravensburg. Im Frühjahr 1858 genügte ich mei­ner Conskriptionspflicht, wobei ich eines unbedeutenden Fehlers wegen, als untauglich erklärt wurde. Das ganz Jahr 1858 war ich zu Hause. In diesem Jahr lernte ich auch ein sehr gebildetes, schönes und sanftes Mädchen kennen, eine Müllerstochter aus Bopfingen, Sophie Rau. Jene Tage welche ich in ihrem Umgange verlebte, waren die schönsten meines Lebens, denn sie war meine erste Liebe. Sie kam dann später von Ravensburg fort und ihre älteren Schwestern zwangen sie sodann, das Verhältniß mit mir aufzugeben. Ende dieses Jah­res revidirde ich mein seit 1851 geführtes Tagebuch und der­zeit füllt es bereits 4 Schreibhefte.

    Im Jahr 1859 unternahm ich abermals eine Reise, um meine Lust am Reisen und an der Beobachtung fremder Sitten und Gebräuche und dem Besehen großer Städte, vollständig zu genießen. Ich reiste über Bregenz, Feldkirch und den Arlberg nach Innsbruck, wo ich arbeitete. Von dort gieng ich über Rosenheim, Salzburg nach Ischl, von dort aus der Traun nach Lambach, wo ich dann per Eisenbahn noch vollends nach Lintz hineinfuhr. In Linz bestieg ich ein Transportschiff und fuhr auf der Donau nach Wien. Von Wien gieng ich zu Fuß nach Presburg und von dort wieder per Schiff nach Ofen­Pesth. Von Pesth nach Gratz, Klagenfurt, Brixen über den Brenner wieder nach Innsbruck und zurück nach Ravensburg. Die Eindrücke welche ich auf dieser großen Reise erhalten und meine Erlebnisse, sind alle in meinem Tagebuch verzeich­net. Nun blieb ich zu Hause und führte das Geschäft meines Vaters, bis ich in Folge eines dummen Jugendstreiches, meine Heimath und den alten Vater verließ, hierher gieng und mich gegen den Willen meiner Eltern im August 1864 verheirathete. In einem der hiesigen Etablissement arbeitete ich als Fabrick­arbeiter bis ich im Juli 1868 zum Werkführer jenes Geschäftes gemacht wurde. Aber wie alles Gute und Schöne in meinem Schicksale nur auf kurze Dauer ist, so auch hier. In Folge des Bruderkrieges fallirte die Firma und ich wurde arbeitslos. Ich machte eine kleine Reise in mein Vaterland, in der Hoffnung in einem Staatsgeschäfte (Repratur-Werkstätte) Arbeit zu erhalten. Vergebens. Ich kehrte zur Arbeit zurück. Endlich erhielt ich in einem ändern hiesigen Etablissement Arbeit. Dort hatte ich das Unglück ein Stück von meinem linken Dau­menfinger zu verlieren. 5 Wochen war ich in Folge dessen zu Hause. Vom 19 Oktober - 26 November. Während dieser Zeit konnte ich ungestört einem Lieblingswunsch, nehmlich die schriftliche Abfassung einer sozialen Frage, in Angriff nehmen. Der Entwurf wurde im Laufe der 5 Wochen fertig, und ich verwendete nun jede nur übrige Zeit, nehmlich die Sonntage, dazu um die Sache korrekt zu schreiben. Die übrige Zeit an den Werktagen konnte ich begreiflicherweise nicht verwen­den, indem man gewöhnlich Abends 7 Uhr bei einer 12stün­digen Arbeitszeit zu müde ist, um eine schriftstellerische Arbeit vorzunehmen. Das Werk führt den Titel: „Acht Tage aus dem Leben eines Proletariers" umfaßt 115 Seiten und behandelt die Ihnen gewiß nicht unbekannte „Arbeiterfrage" in erzählender und zugleich belehrender Weise. Bis 1 April hatte ich das Werkchen vollendet, und übergab dasselbe einem mir bekannten Schriftsetzer. Nicht um mir selbst zu schmeicheln oder damit groß zu machen, setze ich Ihnen jene Zeilen hier bei, sondern nur um Ihnen dessen Urteil darüber darzustellen: Hr. Friedrich Riedlin Schlosser hier „Ihr mir übergebenes Manuskript habe ich bereits flüchtig durchlesen und die Überzeugung gewonnen, daß demselben eine wirkliche Sachkenntniß zu Grunde liegt, und halte ich dasselbe für eine durchaus gelungene Arbeit und ein schätz­bares Material, [weshalb eine] Veröffentlichung desselben sehr zu empfehlen wäre; insbesondere da dasselbe nament­lich für den noch nicht so aufgeklärten Stand der Arbeiter von Nutzen sein würde. In anziehender Weise das Leben eines Fabrikarbeiters geschildert und die immer mehr und mehr hervortretende Arbeiterfrage gründlich behandelnd, dürfte das Werkchen auch für den Gebildeteren nicht uninteressant sein. Nächsten Sonntag werde ich Sie besuchen, wenn es Ihnen genehm sein sollte, um Ihnen Näheres mitzutheilen. Achtungsvoll l. B." Ich wartete Sonntag für Sonntag, aber der Schriftsetzer kam nicht. Ich ließ das Manuscript zurückholen, wobei er bemerkte, daß in dieser politischen Zeitlage sich schwerlich ein Verleger für ein solches Werk finden lassen werde. Daß ich dadurch sehr entmuthigt wurde, können Sie sich leicht denken. Ich legte das Manuscript bei Seite, ver­drießlich darüber daß alles was ich zu unternehmen gedenke in den Wind geschlagen seien. Ebenso traurig stimmte mich meine materielle Lage - der schlechte Lohn, 54 X per Tag, mit den theuern Lebensmittel, hohen Miethzinsen und Holzprei­sen, machte mich auch ganz niedergeschlagen. Welche Ent­behrungen ich mir dadurch auferlegen muß, läßt sich begrei­fen. Daß neben Einschränkungen im Essen, Anschaffen von Kleidungsstücken, ans Abonniren von Zeitschriften nicht zu denken ist, versteht sich von selbst. Konnte ich auch keine Zeitschrift selbständig abonniren, so ließ es mir keine Ruhe bis ich die Gartenlaube mit einem gleichgesinnten Freunde mitlesen konnte. In die Vermehrung meiner seit dem Jahre 1855 gegründete[n] Bibliothek, welche derzeit 149 Bände um­faßt, ist nun ein Stillstand eingetreten. Wie lange? liegt in den Umständen der Zeit.

    Als ich vor 8 Tagen von meinem Freunde, ebenfalls einem in den dürftigsten Umständen stehenden, aber nach geistiger Freiheit strebender Fabrikarbeiter, das Aprillheft der Garten­laube erhielt, las ich zum erstenmal von Ihrer geschätzten Persönlichkeit, und bei meiner Kenntniß Ihres lieben Vater­landes, erfüllte es mich mit Staunen über Ihre Leistungen, Ihre Thätigkeit und Ihre literarischen Kenntnisse. Ich weiß was es heißt, im Bregenzerwald zu wohnen und sich durch sich selbst, ohne jede geistige persönliche Beihülfe, auf einen sol­chen Standpunkt zu schwingen, auf dem Sie wirklich stehen. Kaum hatte ich Ihren Lebensgang und die Entwicklung Ihrer hohen Geistesgaben, in jenem Artickel durchgelesen, als der Entschluß in mir reifte, Ihnen mich durch Dieses vorzustellen und Ihnen mit meiner Lage [bekannt] zu machen, ohne daß ich selbst nicht im Geringsten weiß, was Sie eigentlich mit mir anfangen sollen. Sonderbar! Ich fühlte mich gleich nach Lesung obigen Artickels, in geistiger Beziehung zu Ihnen hin­gezogen, obwohl Sie mir das als eine Anmaßung anrechnen könnten, es war mir als könnten Sie mir helfen, obgleich ich über das Wie? selbst nicht im Klaren bin. Der einzige Um­stand, warum ich trotz aller Bedenken, das Herz hatte an Sie zu schreiben, war allein der, daß Sie von Geburt einem Stande angehörten, der von meinem Stande keinen zu großen Abstand zeigte. Wenn ich so in meiner Werkstätte stehe und gerade keine so schwierige Arbeit vor mir habe, so ist mein Geist in voller Thätigkeit und studirt schon wieder an einem neuen Werke „Die Schulschwestern". Allein Mangel an Zeit, die Gedanken auf Papier zu bringen und die gänzliche Hilf­losigkeit, nehmen mir den Muth zur Ausführung. Vielleicht ermöglicht es Ihre wirkliche Stellung, mich bei Ihren werthen Gönnern zu empfehlen, ja mein Glück wäre grenzenlos, wür­den Sie mich in Ihre Corespondenz aufnehmen. Hier ist Nie­mand der mich versteht, soll der Geist verkümmern? Bei Ihnen hat sich die Vorsehung zu Ihnen bekannt, und hat Ihrer Laufbahn Mittel und Wege geschaffen. Wird es auch einmal in meinem Schicksale Licht werden? Das walte Gott! Nochmals um Verzeihung meines frisch gewagten Schrittes bittend, schließe ich und es empfiehlt sich Ihrem Wohlwollen Ihr ergebenster

    Friedrich Riedlin Schlosser in Memmingen

    Baiern.

    Friedrich Riedlin
    Memmingen
    Franz Michael Felder
  • 19. Mai 1867

    Liebster Freund!

    Gestern Vormittag hab ich Ihren Brief mit sammt den mir so werthen Beilagen erhalten, mich auch den ganzen Tag daran gefreut und doch komme ich erst heute zum Antworten. Doch heute kann ich Ihnen etwas Erfreuliches melden. Auf Anordnung der k.k. Staatsanwaltschaft wurde ich gestern ins Verhör genommen oder eigentlich gebethen. Es wird nun eine strenge Untersuchung eingeleitet wie wir es hofften und die Schwarzen müßten, was ich als guter Christ nicht glauben darf, den Teufel im Leib haben, wenn sie dießmal wenn auch nicht den verdienten so denn doch wenigstens einen ordentlichen Denkzettel davon trügen. Ich hab also nicht umsonst gerufen. Hier kommt mir das Gesetz und von Leip­zig aus durch Ihre Vermittelung der Geist unseresjahrhunderts zu Hülfe, wie ichs so nötig brauchte.

    Ein herrlicher Morgen grüßt heute dem Schöpfer seine Ge­schöpfe. Herrlich und groß steigt die Sonne über die Berge meiner verlassenen Heimath herauf, vor meinem Fenster ju­beln die Vögel denen im Baumwäldchen die Antwort zurük. Ich wollte daß auch meine Antwort auf Ihren letzten Brief so ein Jubelruf wäre und nicht nur auf einem Blatt Papier ein schwarzer Gruß an Sie und den wakern Kreis, in den zu gehören und den kennen zu lernen immer mehr mein Her­zenswunsch wird. So viel Theilnahme hätt ich nimmer ver­muthet, aber hier ferne von Weib und Kindern, ausgeworfen von den unglücklichen Werkzeugen einer finstern Macht, denen ich helfen, die ich retten wollte, thaten Ihre Briefe und die Beilagen mir wunderbar wol und ich muß wieder auf eine früher ausgesprochene Ansicht zurückkommen, daß das Böse nicht nur in die Dichtung, sondern wie wir nun einmal sind, auch ins Leben, in unsere Alltäglichkeit hinein gehört und das Beste und Größte an uns und ändern uns zum Be­wußtsein bringt.

    Von der nun eingeleiteten Untersuchung hoffe ich wie ge­sagt viel Gutes für mich und noch mehr für meine Landsleute. Die Geistlichen konnten mich untergraben, weil ihnen das gutmüthige Volk mehr Vertrauen schenkt als sie verdienen, nun aber die Regierung mein Recht und das Unrecht der Ersteren „klarstellen" wird, muß das meinen Landsleuten sehr viel zu denken geben und die Geschichte kann leicht fürs ganze Land und noch darüber hinaus von der wohlthätigsten Wirkung sein. Die Bregenzerwälder sind auf ähnliche Weise schon zu erstaunlichen Nutzanwendungen gekommen. Ich war lang nie so froh wie gestern und heute. Bin ich auch fern von meinen Kindern, so weiß ich sie ja durch das da­heim glücklich wieder angekommene Wible gehörig versorgt und auch die Feldarbeit wird nicht ungethan bleiben. So kann der Bauer der Hausvater und Volksfreund sich beruhi­gen! Der Dichter aber sieht durch Sie sich eine Bahn eröffnet, auf die er sich nie zu träumen wagte, den von Freitag ge­wünschten Aufsatz hab ich in der Weise, die Sie vorschlugen, mich schon auszuführen entschlossen und werde mich daran wagen, sobald ich mich in der rechten Stimmung fühle, was jetzt wieder leicht der Fall sein wird. Mit den Heilsgeschäften machen Sie was Ihnen gut dünkt. Ich möchte den Aufsatz nicht ungern gedruckt sehen und bitte mir ihn zuzusenden. Wegen dem niedrigem Honorar machen Sie sich ja keine Sorgen. Ich kenne manchen, der ein hohes Honorar be­kommt und mit dem ich doch nicht tauschen möchte. Recht gefreut hat mich auch das beigelegte Gedicht und meinem Schwager war es eine Feststunde, in der ich es ihm gab. „Laß krähen nur die Raben!" hörte ich ihn seit damahls mehrmahls ausrufen wenn wir auf unsern Spaziergängen über die Erleb­nisse der letzten Monathe redeten. Am 13 Maj hatte ich einen trüben Tag. Ich sorgte um das Wible, von dem ich wider Er­warten noch keinen Bericht über seine Heimkehr und das Befinden der Meinigen erhalten hatte. Und wenn mir einmal etwas das graue Glas aufs Auge legt, so sehe ich, besonders wenn mein Himmel so trüb ist wie damahls, nur zu leicht alles ein wenig grau. Drum hab ich, und das bitte ich Sie dem Germanisten Club zu sagen, meinen Geburtstag gestern gefeiert, als die werthe Zusendung und eine amtliche Ein­ladung zum Verhör fast in derselben Minute ankamen. Mei­nen neuen Geburtstag vor einem neuen Leben. Mein Vetter, der Franzose von dem ich Ihnen früher schrieb, hat mir ge­meldet, daß Pfarrer Rüscher ihn von der Kirche ausschließen lassen will weil er um Ostern seinen Beichtschein nicht ab­lieferte. Vom Wible hoffe ich Morgen Nachrichten aus der Heimath zu bekommen, wo jetzt alles recht hübsch und lustig sein muß. Hier ist man freundlich gegen mich, aber wenn mein Schwager nicht da wäre, so möchte ich denn doch nicht lange hier bleiben. In Bludenz besteht die sg gute Gesell­schaft aus lauter Geschäftsleuten, das sg gemeine Volk steht hinter meinen Landsleuten, wenn das hie und da einem auf den ersten Blick auch nicht so vorkommen wollte. Abends wird fast in allen bessern Wirthshäusern von Doktoren Beam­ten und Krämern gespielt und ich habe dann das Vergnügen, den dabei entstehenden Streitigkeiten zuzuhören. Nun ganz uninteressant ist auch das nicht denn die Leute haben doch trotz allem „städtischen" noch so viel Ursprüngliches, daß jeder sich kräftig und auf seine Weise ausspricht. Der Tag meiner Heimreise kann jetzt noch nicht bestimmt werden, vielleicht werden Sie bis dahin noch manchen Brief von mir erhalten jedenfalls gedenke ich die Einleitung der Unter­suchung abzuwarten. Haben Sie also meinetwegen keine Sor­gen. Hirzels Banknoten sind zur rechten Zeit gekommen. Ihnen hab ichs zu danken, daß es mich nicht gar zu sehr friert, wenn ich über die Gasse gehe; nach der Ansicht sollen näm­lich die Banknoten trotzdem sie dünn sind, den Wanderer warm erhalten. Hirzel schickte mir bairisches Geld welches ich nicht nur ohne Schaden, sondern sogar vortheilhaft aus­wechseln konnte. Es ist also einstweilen alles gut. Zum Zeitver­treib kann ich in den Büchern lesen, die ich von einigen neuen Bekannten erhalten habe. Dann kritzle ich wieder an meinem Roman, oder ich setze mich hin und schreibe an Sie liebster Freund! dem ich jetzt immer wieder etwas zu sagen hätte. Herrn Flügel und den Ändern werde ich in der Woche einmal schreiben und den Brief an Sie übersenden. Bis dahin geben Sie allen in meinem Nahmen die Versicherung daß ich, dank Ihnen, meinen neuen Geburtstag froh feierte. Und nun leben Sie wohl liebster Freund und verzeihen Sie es mir, daß ich Ihnen in letzter Zeit so viele Sorgen machte. Mit Brudergruß und Handschlag

    Ihr

    Franz Michael Felder

    Nachmittags 5 Uhr

    Nicht umsonst hab ich, in der Hoffnung, daß noch etwas ge­schehen könnte, mit dem Schluß des Briefes über Mittag ge­wartet. Ich wurde vom k. k. Staatsanwalt benachrichtigt, daß eine Untersuchung bereits im Zug ist und ich glaube daher der kommenden Woche froh entgegen sehen zu dürfen.

    Die beiliegende Arbeit ist nicht so umfangreich als sie auf den ersten Anblick scheint: in meinem Entwurf ist der 2te Theil um keinen halben Bogen - breiter als der Erste, aber vielleicht doch schon zu breit? In diesem Fall bitte ich mir nur schonungslos zu streichen, was Ihnen nicht gefallen will, und wenn dann auch gar nichts mehr bleiben sollte. Noch muß ich Ihnen sagen daß Ihnen frei steht die Heilsgeschäfte und ähnliches Gmüdor unterzubringen wie und wo Sie wol­len. Ich überlasse Ihnen das mit Freuden und wünsche nur Ihnen recht viel Schönes u Erfreuliches überlassen zu können. Mit herzlichen Grüßen auch vom Schwager

    Ihr Freund FM Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • 16. Mai 1867

    Liebes Wible

    Deinen Brief und die Schriften hab ich am Dienstag erhalten. Ich war schon besorgt, weil von rechtswegen schon am Montag ein Bericht über Deine Heimreise eintreffen sollte. Nun man muß in diesem Jammerthal - ich meine eigentlich die böse Welt, nicht zu viel verlangen. Müssen doch die Herren hier noch immer auf die in Feldkirch bestellten Sonderlinge warten und ich der dieselben längst erhielt und auch auf Deinen Bericht von Deiner Heimreise nicht mehr warten muß, warte nun auf viel anderes. Vorerst auf den Erfolg dessen was Du in der Dir mit diesem Briefe zukom­menden Feldkircherin lesen wirst, zeig das dann auch dem Uhrenmacher bevor du das Blatt an die Vorsteher giebst die auch in der Lands Zeitung das Nämliche lesen werden.

    Am letzten Sonntag fuhren wir durch Staub und Hitze nach Feldkirch. Es gefiel mir da nicht so übel, doch Dein Ausruf: „Hier möchte ich sein" kam nicht über meine Lippen.

    Am 24 Maj ist Rechnungstag für die Schoppernauer Viehver­sicherung. Ich hab daher im Sinn noch heut an den Vorsteher zu schreiben und ihm zu melden, daß ich wahrscheinlich nicht bei der Rechnung erscheinen könne weil ich jetzt doch nicht mehr bloß den lieben frommen Schoppernauern gehöre.

    Ich habe um Hülfe gerufen und mein Ruf wurde gehört, sein Echo wird vielleicht ein gewaltiges sein, jedenfalls zu groß um Dir für 9 Neukreuzer im Umschlag vom Bothen nach Schop­pernau gebracht werden zu können. Hildebrand ist in schreck­licher Aufregung. Ich schrieb ihm, indem ich mich zur Ruhe zwang, aber schon das Wenigste war für ihn zu viel. Er läßt Dich als Heldin von sich und seinen Freunden grüßen. Ich hab ihm gestern Deine Photografie zugeschickt mit sammt der Meinen, die sehr gut gerathen ist. Du sollst beide am nächsten Mitwoch erhal­ten. Hildebrands Einladung, gleich von hier aus - und wen auch ohne Geld und ohne Kleider - eines Sprungs nach Leipzig zu kommen hab ich dankend abgelehnt. Erst muß der Kampf aus­gekämpft werden, den ich begann. Dazu bin ich hier jetzt ganz auf dem rechten Platz. Schon wegen der schlechten Post wärs jetzt nichts für mich in Schoppernau. Aber die dortige Stimung und die im Thal herum sollte ich doch wieder kennen. Der Uhrenmacher soll mir nur am Montag schreiben und Du auch. Was macht der Pfarrer, was sagen die Oberhauser und was über­haupt ist los? Was bemerkt man über meine Flucht? Das Dökterle grüße mir und sag ihm, es soll den Pater Beda wieder einmal mit Wein und Wiederspruch bearbeiten. Wenn Du die Erklärung in der Feldircherin aufmerksam liesest, und wenn das auch meine werten Freunde auch thun, so werdet ihr begreifen, wie wichtig mir jetzt jede Nachricht und wie nötig uns allen ein festes männ­liches Zusammenstehen ist.

    Mutter soll sich meinetwegen nur keine Sorgen machen. Ich hab jetzt Wichtigeres zu thun als mit den Kühen in die Bunt zu fahren wenn mir das auch gemüthlicher vorkäme. Auch wird sie sich ihres Franzmichels nie schämen müssen, den ich kämpfe nicht gegen den wahren Glauben, sondern gegen Lüge Heuchelei und die erbärmlichsten Leidenschaften die nur um so mehr eine Pest der Menschheit sind, wo sie sich einen Schaafspelz, ein heiliges Kleid umgehängt haben. Dir, gutes Wible, brauche ich nichts mehr zu sagen denn Du verstehst mich. Nur vergiß bei der treu­en Erfüllung deiner Pflichten als Mutter nicht auch an mich recht bald wieder zu schreiben. Die Rechnungsbücher der Assekuranz sind noch nicht angefertigt, Baltasso der Klin soll daher das Versicherungsbuch zum Vorsteher thun, den ich für seine Mühen entschädigen werde.

    Doch ich hab heute noch mehr Briefe zu schreiben. Lebe wol es grüßt Dich 10009 mal

    Dein Mindle F M Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Anna Katharina Felder
  • 15. Mai 1867

    Werthester Herr Felder,

    Gestern Abend theilte uns Freund Hildebrand im Germani­sten-Club, von dem Sie wol schon gehört haben, dem aber leider der Vielgeplagte gerade gestern nur auf ganz kurze Zeit seine Gegenwart schenken konnte, mit, welches herbe Schicksal Sie wenigstens vorübergehend aus dem Heimatsorte vertrieben hat; zugleich, daß Ihr Geburtstag in wenigen Tagen sei. Nach Hildebrands baldigem Fortgang beschlossen wir Übrigen Ihnen ein Zeichen unserer Theilnahme zu senden; es war zu spät, wie wir erst wollten, dies gemeinsam zu thun, jedem mußte die Einzelausführung überlassen bleiben. So komme auch ich, um Ihnen aus wärmstem Herzen Glück zu wünschen nicht nur zu Ihrem Geburstage und zu dem, was Sie auf der noch so kurzen Lebensreise schon Bedeutendes geleistet haben, sondern Glück besonders auch für die Zukunft, Kraft den begonnenen Kampf siegreich bestehen zu können ­in Etwas erhöht sich doch vielleicht Ihre Stimmung und Ihr hartgeprüfter Muth, wenn Sie des Antheils gedenken, den ein Häuflein (wenn auch nie gesehener) Freunde an Ihrem edlen Herzen haben, - wir Alle empfinden mit Ihnen und Ihrer guten Frau und nehmen Ihnen so vielleicht ein Bruchtheil­chen Ihres Leides ab.

    Seien auch Sie tausendmal gegrüßt und erfreuen Sie uns bald in unserem Verein, der sich alle Dienstag Abend an dem End­punkte der Bahnen * versammelt, welche Sie hoffentlich bald nach Leipzig führen werden. Mit aufrichtiger Hochachtung Ihr ergebner

    Felix Flügel.

    * auf dem Bairischen Bahnhof

    Felix Flügel
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 15. Mai 1867

    Lieber, theurer Freund im ruhmvollen Exil,

    Ich komme heute schon wieder brieflich. Schriebe ich doch gerade jetzt lieber alle Tage an Sie nach Bludenz, wie ich alle Tage, ja fast den ganzen Tag außer den Arbeitsgedanken an Sie denke. Ich habe Einiges zu berichten, was hier seit meinem letzten Schreiben geschehen ist, darunter etwas Wichtiges, das ich doch auch gleich vorausnehmen will. Am Montag war ich in Ihrer Angelegenheit auch bei Freytag, der zum Glück eben hier ist. Er ist sonst mehr der Kühle, verständig Überlegene, hatte leider auch von den Sonder­lingen erst den ersten Anfang gelesen (er list sie seiner Frau vor, daraus wird dann was er darüber in den Grenzboten melden muß), und von einer Wirkung war, mir begreiflich, noch nichts zu spüren - sie wird schon kommen. Aber ich fand doch ein entschiedenes Interesse für Sie, das durch Ihr Schicksal und Ihren Brief, den er ganz vorgelesen verlangte, sichtlich gesteigert und vertieft wurde. Seine Äußerungen nachher waren für mich zunächst verständig beruhigend. Er meinte, das Verhältniß zu Ihrer Gemeinde könnte man von hier aus doch nicht klar beurtheilen, geschweige denn richtig eingreifen; das würden ja Ihre dortigen Freunde besorgen. Er freute sich auch, von der angeknüpften Beziehung zu Sei­fertitz zu hören, den er dem Namen nach kannte. Dazwischen bemerkte er übrigens, kühl wie er ist, aber entschieden: wenn erst wirkliche Gefahr für Sie wäre, die dort nicht zu heben wäre, so müßte man Ihnen natürlich von hier aus beisprin­gen, und daran würde und dürfe es nicht fehlen. Er wünscht offenbar eine weitere gedeihliche Entwickelung Ihres literari­schen Talents und ist bereit dazu zu helfen. Als im Briefe Ihre Andeutung kam, Sie möchten wol die Fluchtreise schildern, für die Gartenlaube, da bat er sich das für die Grenzboten aus, und ich soll Sie förmlich auffordern, einen Aufsatz von etwa 20-25 Seiten (es ist ordentliches, eher großes Octav­format) zu schreiben, in zwei Nummern zu vertheilen, sodaß eine Biographie vorausgienge in kurzen großen Zügen und die Flucht mit den Ursachen sich daran schlösse - das Ganze zu dem Zwecke, daß Sie damit sich in den Kreis einführten, dem Sie ja doch nun angehörten, das war der Sinn seiner Worte.

    Ich habe ihm sofort freudig gedankt für den Antrag und rathe Ihnen darauf einzugehen (NB. er wünschte das so bald als möglich); denn damit treten Sie wirklich über die Grenze in den Kreis, der in unsrer schönen Literatur jetzt der gewähl­teste ist und Ihrer der würdigste, auch der beste Durchgangs­punkt zu - allem Weiteren. Ein Bauer in diesem Kreise, und zwar auf Aufforderung des Hauptes - unerhört! Ich gieng sehr froh von dannen. Schreiben Sie den Aufsatz nur um Himmels willen nicht irgendwie ängstlich oder auch nur be­fangen vor exclusiver Kritik, schreiben Sie ganz nach Ihrer Natur, die in sich adelich genug ist, schreiben Sie wie Sie Ihre Briefe schreiben (für die Freytag sehr eingenommen ist), ich kann kaum erwarten, Sie in den Grenzboten zu sehen. Frei­lich zahlen sie nicht 100 fl, für den Bogen, nur 12 Thaler. Vielleicht passen auch die Heilsgeschäfte für die Grenzboten, ich will sie darauf hin erst noch einmal lesen. ­Sonst noch Folgendes. Ich habe seit Sonnabend Tag für Tag hier von Ihrem Schicksal erzählt, es Wissens schon Hunderte, und viele sind warm ergriffen davon und bereit zu helfen; sind mir doch von mehr als einer Seite Geldmittel angeboten worden (unverlangt), wenn die nöthig werden sollten. Gestern Abend war im Germanistenclub (es waren eben 13 Mann beisammen) von Ihnen die Rede, ich las Ihren Brief vor; war der Meinung, Ihr Geburtstag sei am 78. Mai, daher die Glückwünsche aus dem Club, die Sie ja in Gedanken leicht auf den 13. zurück verlegen können, den ich heute zu spät als den rechten Tag entdeckte (eigener Weise ist auch mein Geburtstag ein dreizehnter). Also nachträglich auch meine herzlichsten Glückwünsche zu dem Tage, den Sie in der schmählichen Verbannung haben begehen müssen; ich wünsche, daß Sie übers Jahr an dem Tage mit freudig gehobe­nem Gefühl an den Mai 1867 zurückdenken. Von Ihren Gegnern hätt ich mir für Ihren Geburtstag eins aufs innigste gewünscht: daß sie Ihre Sonderlinge verbrannt hätten! Der eine Umstand würde lange Artikel überflüssig machen. Mir gehts ohnehin im Kopfe herum, man dürfe den Vorfall nicht unausgebeutet lassen, um damit ein großes Loch zu bohren in die unselige Mauer die das katholische Deutschland von dem ändern trennt. Hätt ich nur mehr Zeit! Noch etwas. Ein Mitglied des Germanistenclubs, Studiosus Döring aus Dresden, brachte mir ein Buchgeschenk für Ihren Geburtstag, den berühmten Zeitroman Simplicissimus aus dem 17. Jahrh. - aber ich kann das leider heute nicht gleich mitschicken, es gehört aber Ihnen und liegt bei mir und ich sehe es mit doppelter inniger Freude an. Im Club schwirrte gestern die Rede, daß Sie am Ende in einer der nächsten Wochen einmal unter uns säßen? Er tagt auf demselben (dem bairischen) Bahnhofe, auf dem Sie anlangen würden, und der nur zwei Minuten von meiner Wohnung entfernt ist. Mich verlangt übrigens zu wissen, wie Sie sich befinden, zu­mal Sie von Ihren lieben Kindern getrennt sind - sehen Sie sich als einen zur Geisterschlacht Einberufenen an, der als Sieger heimkehren wird. Mit Freudesgruß und - Freudeskuß

    Ihr R. Hildebrand

    Wärmste Grüße an Schwager und Schwester.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 13. Mai 1867

    Cher ami Michel.

    Mit der schrecklichsten Langweile ringend, ergreife ich die Feder, um mit Dier lieber Freund ein wenig zu plaudern. Seit Deiner abreise ist mein Lebenskarren in mercklichen verfall gerathen. Die letz[t]e Woche hatte ich weder geistiges noch anders leben u. habe mich wahrhaft ins reich der Maulwürfe gewünscht. Nun, Dank dem Zufall, geht es ein wenig besser, jedoch bin ich noch zu schwach an Leib u. Sele, um mein Dasein zu genißen. Auch habe ich bereits den Entschluß gefaßt nächsten Monath von hier abzureisen um wieder ein­mahl Gottes große Natur in einem unverkrüppelten Zustande zu betrachten u. zu genißen. Was hier die Giftschlange seit Deiner abwessenheit geschaffen hat, weis ich nicht, indem ich gar nirgends hin kam, denn Du kannst Dier einbilden, daß ich mit meinem gebrechlichen karren nirgends hin konnte. Nur am Samstag abends erhielt ich ein Schreiben von unserm ge­liebten Freund u. Selsorger Rüscher welches wörtlich lautet: Lieber Johann Joseph.

    Ich bin als ihr Pfarrer u. Selsorger in die sehr betrübende Notwendigkeit versetzt, Sie als Katholicken an die Verpflich­tung der Osterbeicht u. Communion, wofern Sie sich nicht die öffentliche Excum'mikation zuzihen wollen, dringenst zu erinnern u. hiemit aufzufordern, binnen 8 Tagen, das heißt, bis zum 4t Sonntag nach Ostern, den benöthigten Beicht u. Communionausweis (Beichtzedel) bei mier abgeben zu wol­len. Ich hoffe Sie nehmen diese Aufforderung so geneigt an u. kommen derselben nach, damit Ihnen etwaige Unbelibsam­keiten u. mier neue Verdrißlichkeiten ausbleiben werden. Mit Gruß u. Einschluß ins Gebet Ihr Wohlwollender Pfarrer     

    Georg Rüscher

    Schoppernau am Samstag

    vor dem 3t Sonntag nach Ostern 1867

    Kann Dir dieses Actenstück im 19t. Jahr Hundert ein späschen machen so beneide ich Dich darum wahrhaft nicht, was es auf mich wirckte kannst Du leicht errathen. Herr Wible ist heute in Hofpreben am Schaffen herrlicher Mistdüfte (wirt diesel­ben wohl auch sehen). Das Etzen sagt Deine Mutter gehe gut, u. nächste Woche ist man willens die Gelder der guten Base Maikatrin großartig zu vertheilen, verstanden, doch ich wil fertig machen mit meinem Geplauder u. hoffe Du befindest Dich jedenfalls besser als Dein Freund

    Felder

    Johann Josef Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 12. Mai 1867

    Liebster Freund, Sie tapferer Kämpfer und ­Märtyrer für die heiligsten Angelegenheiten der Zeit, Trost brauch ich Ihnen nicht zu geben, den finden Sie in sich selbst genug, und es ist wol auch ganz überflüssig wenn ich Ihnen sagen wollte, daß Sie unmöglich glauben konnten, Ihr Einfluß reiche schon weit genug, daß er, wenns zum Treffen kam, dem Einflüsse der Kirche, dieses uralten, tief gegrün­deten Gebäus, die Wage halten konnte. Die Gebildeten und Studirten gehen ruhig um dieß Gebäu herum oder mit Heu­chelgebärde mitten hindurch. Sie allein konnten es unmög­lich über den Haufen rennen mit dem bloßen Hauche des Geistes. Sie werden sich sicher nicht entmuthigen lassen, und wenns möglich wäre, den Kampf auf ein größeres Kampffeld zu versetzen, dann möchte ich mit Ihnen in den Kampf ein­treten, wenns meinen Wünschen nachgienge. Das ist mir das Bewunderungswürdigste an Ihren Sonderlingen, daß Sie die brennende religiöse Frage in die Hand nahmen, und wie geschickt und wirksam - und gewiß die Wirkung wird nicht ganz verloren gehen.

    Doch das ist jetzt nicht die Hauptsache. Jetzt gehen Sie selbst vor. Ich danke Ihnen, daß Sie zunächst der Faust gewichen sind, nicht nutzlose Tapferkeit gezeigt haben; auch dank ich dem Geschicke und Ihrem trefflichen Schwager, dem ich meine Hochachtung zu bezeigen bitte, daß sie Ihnen eine nahe Zuflucht gewähren. Höchsten Dank auch Ihrem braven Wible, der Heldin, der ich gleichfalls meine Hochachtung und Bewunderung ausspreche zugleich im Namen meiner Freunde hier. Ich gäbe was drum, wenn ich Sie beide hätte können wandern sehen, von oben, oder lieber von innen, wie es Gott sehen müßte; was muß das gute Wible gelitten haben! gewiß mehr als sie Ihnen selbst hat merken lassen! ­Aber was nun? Welche Hülfe brauchen Sie? Ich kenne die Verhältnisse zu wenig, um ermessen zu können, was von einem etwaigen Frieden, den Sie dort schließen könnten, auf die Dauer zu halten ist? Meiner Ahnung nach dürfte ein Frieden und ein Bleiben für Sie auf die Dauer unmöglich sein. Ich verspreche Ihnen für den Fall alle mögliche Hülfe, die ich hier etwa beschaffen kann; wie weit die freilich grei­fen würde, kann ich jetzt selbst noch nicht ermessen. Aber am Einsetzen aller meiner Kraft für Sie, und aller Ausdauer und Zähigkeit solls Ihnen nicht fehlen, mir ist augenblicklich nichts heiliger als Ihre Angelegenheit.

    Wie wärs, wenn Sie jetzt von Bludenz, her nach Leipzig kämen? Wenn Sie das Reisegeld Ihren Kindern nicht entzie­hen können, so nehmen Sie es als kleine Gabe für die Lebens­freude, die ich Ihnen verdanke, von mir an-falls Sie irgend von einem Besuche Leipzigs jetzt etwas für sich erwarten, und wäre es nur Trost und Zuversicht, so beschwöre ich Sie im Namen unsrer Freundschaft, seien Sie hochherzig und schreiben Sie die Reisekosten auf Ihres Freundes Rechnung­ich werde jauchzen in meiner Arbeitsstube, wenn ich lesen sollte, daß Sie kommen. Zudem ist auf meinen Besuch in Schoppernau nun wol nicht mehr zu rechnen, ich wäre wol dort ebenso gefährdet wie Sie, meine Frau denkt das schon lange. Sie wären hier mein Gast und könnten bleiben so lange Sie wollten.

    Ich erhielt Ihren Brief gestern Abend um 6, las ihn im Garten zuerst, meine Frau und mein Hugo dabei stehend-wir konn­ten alle drei die Thränen nicht halten. Dann hab ich ihn noch­mals gelesen mit einem Freunde, der zugleich zu Ihren innig­sten Verehrern gehört, der gab mir den ersten Trost. Dann lief ich damit zu Hirzeln, der war sehr bewegt, bat sich den Brief aus und hat ihn bis heute Mittag behalten. Von da gieng ich zu meinem Rector, Prof. Eckstein, der zugleich Meister vom Stuhl in der Freimaurerloge ist und neulich vor ein paar hundert Freimaurern einen Vortrag über Ihre Sonderlinge in der Loge gehalten hat; er sagte mir, im Nothfall sollte Ihnen die Hülfe der Freimaurer nicht fehlen, er ist sehr erwärmt für Sie. Heute früh war ich auch bei Keil, fand ihn freilich etwas kühl, er nahm Ihre Flucht mehr wie eine Zeitungsmerk­würdigkeit hin, ließ aber dann auch Worte fallen von etwai­ger Beihülfe seinerseits. Ihre Heilsgeschäfte erwähnte ich da­bei gegen ihn, aber er zeigte sich nicht sehr begierig, die alte Wärme für Sie ist bei ihm offenbar verraucht. Ich fürchte, auch die Heilsgeschäfte würden das Schicksal des Tannbergs haben. Erst wenn Ihre Sonderlinge in Blättern gepriesen wür­den, könnte ich wieder den Muth haben, sie ihm anzubieten; sie kommen mir übrigens auch etwas zu gedehnt vor in eini­gen Partien und ohne recht kräftigen Abschluß. Keil rieth mir übrigens, ich sollte in Ihrer Angelegenheit mich geradezu an Minister Beust wenden, was meinen Sie dazu? Ich wills gern thun, wenns was nützt. Wollen Sie nicht an Baron Seiffertitz gehen? brieflich oder persönlich? Mir fiel auch im Bette ein, ob ich mich etwa brieflich an Ihren Pfarrer wenden könnte? versöhnlich, verständigend, mahnend, was meinen Sie dazu? Hirzel sprach von der Öffentlichkeit, an die man appellieren sollte, Keil wollte eine Erzählung Ihrer Flucht, mit den Gründen derselben, gern in die Gartenlaube nehmen. Aber die Hauptfrage ist ja, ob Sie Frieden machen können mit Ihrer Gemeinde, und wenn das möglich ist, daß der dann durch nichts gestört wird. Ich wollte, ich wäre ein reicher Mann und könnte Sie mit den Ihrigen ganz hierher nach Leipzig ziehn, daß wir an Ihrer Aufgabe zusammen weiter arbeiteten.

    Ihre Äußerungen über Ihre Ästhetik waren mir sehr ange­nehm, sie ist die rechte, die beste, und wenn Sie das Ge­schwätz nennen, so schwätzen Sie ja so weiter, mir ist jedes Wort Gold das von Ihnen kommt.

    Nun denn, frischen Muth, Braver, ich ahne daß auch diese furchtbare Erfahrung Ihnen und Ihrer Sache nur zum Segen ausgehen wird. Mit herzlichstem Händedruck und innigen Grüßen, auch für Ihren Schwager und Ihr Wible

    Ihr treuer R. Hildebrand

    Was hat denn eigentlich dem Fasse den Boden ausgestoßen? mein Aufsatz über Sie? bitte geben Sie mir das bestimmt an, überhaupt wäre mir Genaueres über den Vorgang sehr will­kommen. - Sehr gefreut haben mich die Grüße von dem Arzt und von Feuerstein, sagen Sie ihnen das wenn Sie können, und grüßen Sie wieder.

    NB. Wenn Sie etwa kommen, so machen Sie sich wegen Ihrer Toilette nicht etwa die geringste Sorge, Sie glauben nicht wie unnöthig das ist gerade in einer großen Stadt. Verzeihung für die kleine und kleinliche Sorge. Eine Paßkarte können Sie wol in Bludenz bekommen, aber Sie kommen wol auch ohne die fort.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 10. Mai 1867

    Liebes Mindle!

    Die Sendung der Manuskripte zwar ohne Briefe, weil keine hier waren, wird Dir beweisen, daß ich gestern her kam, u. zwar mit Ausnahme einiger Kreuz u. Querzüge, gut. Die erste Station, nachdem Du mich verließest, machte ich beim Ruf, labte mich mit Kafee, ging mit einem Raggaler bis nach Sonn­tag, wo mir seine Gutmüthigkeit den nächsten Fußweg durch Wald und Tobel zur Kirche von Obergricht zeigte. Das Resul­tat war, wieder Kehrum zu machen, nachdem ich mich nicht entschließen konnte, über eine Lawine ohne Weg einen schlechten Steg zu erreichen, um an der ändern Seite durch einen verrutschten Pfad wieder hinauf zu klettern. Beim Wirth in Obergricht sagte man mir daß mehrere Wälder heute mit Vieh über Sino seien, der Weg war zimlich gut, u. ich wollte von dort nach Damüls, fand aber im Tobel wieder nichts als eine Tannlatte über das halbe Wasser, u. ich ging abermal zurück, u. kam so bis Abends nach Au, u. erst mit Mond­schein, u. der Schwester Mari nach Schoppernau. Mutter hatte auch Dich erwartet, findet es aber so auch recht.

    Als ich heute Koarado Buobo nach seinem Befinden, u. nach Neuigkeiten fragte, tadelte er ersteres, indem wie er sagte sein Karren nicht mehr vorwärts wolle, u. das Kraut, das ihm sicher helfen würde, nicht im Bregenzerwald gedeihe u. in Folge seines ungewöhnlich Schmerzenden Fußes, habe er gar keine Correspondenzen, seines Correspondenten erhalten. Er halte Papier um wichtige Brief zu schreiben, u. von Besuch wisse er noch nichts zu sagen. Von Neuigkeiten will Niemand etwas wissen, aber daß Ritters Bub an der Egg, derjenige, der an der Kilbe, in der Au den Preisschuß gethan hat, Mittwoch schon gestorben ist, hingegen aber Schwester Barbara ein Kind bekommen hat.

    Heute richte ich den Garten, Morgen gehts in die Streue. Die Kühe thun wie gewünscht u. die Ziegen trieb heute ein Ober­länder auf die Weide, Gras zimlich viel aber zu trocken. Im übrigen alles gesund. Mitt vielen Grüßen,

    Dein Wible

    Das Maike tribelierte um den Brief zum Bothen daher die häßliche schrift u. der karge Inhalt

    Anna Katharina Felder
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 9. Mai 1867

    Lieber Herr Felder!

    Nehmen Sie für Ihre Zeilen vom 29. April, die mir ein Lands­mann überbracht hat, meinen verbindlichen Dank. Leider habe ich diesen Landsmann nicht gesehen, somit auch nicht gesprochen, was mir recht willkommen gewesen wäre, indem ich stets gern Etwas über unsern Wald vernehme. Vorgestern habe ich aus Leipzig her Ihre „Sonderlinge" erhal­ten, bin aber wegen mehrerer Sitzungen, denen ich beizu­wohnen hatte, bisher verhindert worden deren Lectüre anzu­fangen. Indeß sage ich Ihnen für Ihre Gabe meinen schuldi­gen Dank, werde aber bedacht sein für dieselbe etwas Ent­sprechendes zu übersenden.

    Da ich wegen meines Katarrhs keine Besuche mache, konnte ich auch nicht an der partienweisen Vorlesung Ihrer ersten Publication, nämlich Nummamüllers, Theil nehmen, die bei einer angesehenen u. gebildeten Dame gehalten wurde. Wohl war meine Tochter zugegen, der Vorleser, selbst ein Poet u. Beamter an der kais. Hofbibliothek, war über dieses Lebens­bild ganz entzückt u. erfreute die ganze Gesellschaft. Es steckt in demselben Wahrheit u. eine Frische wie Alpenluft; der Leser soll ausgesprochen haben, er besorge nur daß Sie von der einfachen Natur, die so wohlthuend bezaubert, abirren, u. sich vom vielen Lobe verleitet mehr dem Kunstroman an­heimfallen.

    Bewahren Sie treu die Eindrücke der Mutter Natur und folgen Sie treu ihrer wahren Stimme!

    Jener oberwähnte Vorleser, der eine gute Feder führt, will nach meinem Wunsche seiner eingehenden Anzeige Ihrer bei­den Publicationen als Unterlage einen lebensgeschichtlichen Abriß vorausschicken, wann u. wo Sie geboren, u. wie sie zu dieser Richtung u. Ausbildung gekommen, wer und was vor­züglich auf Ihre Entwicklung Einfluß genommen hat. Den Stu­fengang der Lectüre, der nicht gleichgültig ist. Diese Notizen wollen Sie mir, wenn thunlich recht bald in aller Einfachheit zukommen lassen.

    Leben Sie recht u. verleben Sie einen glücklichen Sommer in den  Bergen,  in  denen  ich  auch  noch  einmal  vor meines Lebens Ende übersommern möchte! Mit herzlichem Gruße Ihr wohlmeinender Landsmann

    Jos. Bergmann /:lll. Rennweg Nr. 6:/

    Josef Bergmann
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 9. Mai 1867

    Liebster Freund!

    Schon wieder in Bludenz und gerade während daheim die Feldarbeit beginnt? Werden Sie mich fragen und ich will da­her von Allem erzählen wie das gekommen und gegangen ist. Ich hab Ihnen schon früher von der Hetzerei unserer Brixner erzählt. Es war damahls noch so ungefährlich, daß ich, da die bessern auf meiner Seite standen, darüber lachen konnte. Meine Freunde und noch viele stehen auch jetzt noch zu mir, aber es ist den frommen Bemühungen unseres Pfarrers, einiger Berufsgenossen und der Kapuziner in Bezau gelungen, die Gedankenlose Menge in eine Aufregung zu versetzen, daß meine Freunde für meine Sicherheit besorgt wurden. Es thut mir recht weh' Ihnen so etwas von meinen wackern Wäldern erzählen zu müssen, aber ich kann zu mei­nem Tröste beisetzen, daß ich mir von allen Gegnern keinen Einzigen zum Freund wünschte. Ich werde Ihnen daher auch nicht von der bösen abergläubischen undankbaren Welt, sondern nur noch von dem erzählen, der Ihnen schon so viele Mühe und Sorge machte, nämlich von mir. Einiges, was ich in der letzten Woche erleben mußte, machte auf mich einen Eindruck, wie ich Einen sogar in diesem kampfreichen Winter noch nie erfuhr. Ich sah neben und unter mir alles wanken und brechen. Ich wäre ein schlechter Vertheidiger meines Lebens, muß mich auf den Schutz der Gesetze ver­lassen, und Gott sah mich mit dem Wible daher nicht, wie ich schrieb durch das unglaublich aufgeregte Land hinaus nach Lindau, sondern zum lieben Schwager nach. Bludenz wandern.

    Schon in den nächsten Tagen sollen Sie Wibles Photographie erhalten, hier kommt und geht die Post täglich und ich werde mich nun zuweilen mit Ihnen unterhalten. Nach Hause geh ich. nicht so schnell, sondern ich warte bis der Schwager mit­gehen wird, um den Frieden wieder herzustellen wenn das nicht sonst möglich sein sollte. In der nächsten Nummer der Feldkircher Zeitung, die ich Ihnen zusende, veröffentlicht der Schwager eine geharnischte Erklärung die auch Ihnen nicht uninteressant sein dürfte, und Sie einen tiefen Einblick in unsere verbrixnerten Verhältnisse thun lassen wird. Nun bin ich, und hoffentlich für immer mit der elenden Geschichte fertig.

    Es war eine wunderliche Reise. Die Vögel haben das mir nur zu stark noch in den Ohren liegende Gebrumm der Röm­linge und ihrer Papageien bald weg gehabt, auf einem Berg­rücken wo der letztfe] Fluß in den Wald zieht wusch, ich mir den Staub von den Schuhen und nun auf einmal von meiner krankhaft aufgeregten Einbildung wunderbar geheilt, zogen wir jauchzend ein ins frühlingsgeschmückte Oberland. Wenn Keil mit den Heilsgeschäften zufrieden ist, werde ich ihm und sonst Ihnen nächstens eine Beschreibung meiner Reise, frei von aller Selbstbespiegelung schicken, wenns nicht inter­essanter sein sollte, auch die Veranlassung derselben als Hin­tergrund aufzustellen. Hier in Bludenz hab ich freundliche Aufnahme Zerstreuung und schon wieder Stoff und Lust zum Arbeiten gefunden.

    Ich denke die Erzählung mit nach Leipzig zu nehmen und wir werden also noch darüber reden können, wenn nur der Kanonendonner uns nicht stört.

    Mein Wible geht wieder zu den Kindern zurük. Es hielt zu mir in der Plagerei der letzten Wochen wie eine Heldin. O erst am Abend ließe ich mir den Tag tadeln. Ich glaube an den Sieg der Wahrheit und des Rechtes nur der Faust werde ich weichen schutzsuchend beim Gesetz, und hoffend auf den Geist des Jahrhunderts, den verkanzelten Zeitgeist als dessen Kind man mich, ohne vielleicht besser als ich zu wissen warum, verfolgen lassen will. Mit 1000 Grüßen

    Ihr

    F M Felder beim Adjunct Moosbrugger in Bludenz Vorarlberg

    Die Sonderlinge wurden in unsern Blättern angekündet als das Werk „eines Bauern" „ein Umstand den der Leser schwer­lich bemerken würde". Das Werk wird hier zahlreicher be­stellt als ich erwartete, da ich den etwas hohen Preis erfuhr. Ich bin begierig ein Urtheil von Steger Gottschall Scheffel und der Allgemeinen Zeitung zu lesen. Morgen gehts wieder an mein jetziges Werk und ich werde meine Heldin einmal vor den Beichtstuhl zu bringen suchen. Ich lasse nämlich, wie ich Ihnen schon früher schrieb, meine Personen selbst ringen und sehe gleichsam nur zu was aus ihnen werde, oder ich ringe mit ihnen, jedoch ohne die Absicht einen Mustermenschen aufzustellen. Mir kommt das immer un­schön und unwahr vor. Ich meine, der Dichter darf die Welt nur nehmen, wie sie ist. Will er das Herz erfreuen so muß er ihre Schönheiten und das Gute der Menschen wie sie sind zeichnen, nicht verschönern. Er soll auch aus dem Bösen etwas zu machen wissen. Mir ist das Böse zur Läuterung des Guten nötig. „Es müssen Ärgernisse kommen, aber wehe dem Menschen, durch welchen Ärgerniß kommt!" Erschrecken Sie nur nicht, das Bäuerlein wird Ihnen keinen Vortrag über Dichtkunst halten, aber Sie haben ihm Muth ge­macht, mit Ihnen zu plaudern, und auch von dem etwas mit­zutheilen, was es ohne Abhandlungen gelesen zu haben, in den trüben Tagen dieses ungewöhnlich strengen Winters zu­sammenspann.

    Sie haben sich schon so theilnehmend nach meinem neuen Werke erkundiget und Dichter lieben nicht zu schweigen aber das - Gestell meiner Dichtung kann ich jetzt noch nicht vor Ihnen aufführen, meine leitenden Gedanken aber kann und Gottlob! darf ich Ihnen mittheilen und Sie um Ihr Urtheil darüber bitten. Die Erzählung „Liebeszeichen" ist im Entwurfe fertig. Das ist ein Kind der schönsten Stunden dieses und der letzten zwanzig Winter. Hoffentlich wird es Ihnen beweisen, daß ich von der Luft aus dem Norden den Schnupfen nicht be­kommen habe.

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • 6. Mai 1867

    Verehrtester Herr u. Freund!

    In Folge Ihres Werthen vom 10. vor. Ms. habe ich Hrn. Strobel seine Abreise nicht beeilen lassen. Er ist nun heute fort u. wird in den nächsten Tagen das Vergnügen haben, Sie zu begrü­ßen.

    Daß Sie dieses Frühjahr mit Ihrem lieben „Wible" noch früher kommen wollen, freut mich sehr, u. bitte ich nur diesen Vor­satz recht bald auszuführen. Das Wetter scheint jetzt doch endlich einmal sich zum Bessern gekehrt zu haben, u. wird hoffentlich eine Zeitlang gut bleiben. Da sieht sich dann unsere schöne Gegend noch schöner an, u. wir wollen sie jedenfalls bei Ihrem Hieherkommen recht genießen. Ihre „Sonderlinge" sind inzwischen eingetroffen, und von mir bereits an manchen Freund in Vorarlberg vertheilt, auch bereits in der „Landeszeitung" angekündigt. Es sind 2 ganz stattliche Bände, und hoffe ich in nächster Zeit die gehörige Muße zu finden, sie durchzulesen.

    Den „Ruf" habe ich voriges Jahr an viele, namentlich österei­chische Handlungen, in Commission verschickt; es kommen jedoch die Ex. so ziemlich alle wieder zurück. Eben so wird es wohl mit der „Klarstellung" gehen. Anonyme Broschüren fin­den eben vielfach keine große Beachtung. Das wird in jedem Falle anders werden, wenn Sie einmal etwas Derartiges unter Ihrem Namen erscheinen lassen. Also auf baldiges Wiedersehen! Einstweilen mit den herzlich­sten Grüßen von uns Allen an Sie u. die lieben Ihrigen Ihr ergebenster

    Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • Datum unbekannt
    5. Mai 1867

    Von Herzen dem Herrn Felder gewidmet.

     

    Sonn', werfe deine Strahlen, Zum Künstler, idealen Dem

    Landmann poetischer Natur. Flöß ein ihm das wahre Licht, Sei

    stets seine Zuversicht; Segen spende ihm die Flur.

     

    Treuer Mond, auch du schweb hin, Begeistre den Dichtersinn,

    Wonach er lang - gestrebet.

     

    Erhelle ihm sein Zimmerlein,

    Reich' die Botschaft still hinein

    (Daß ich für ihn gebetet).

     

    Sternlein, ziehet rasch, rasch fort,

    Dringt ein in den stillen Ort, Wo

    unser Landmann lebet. Plinkert

    ihm in's Zimmerlein, Wo er

    einsam, ganz allein Auf seinen

    Knieen betet.

     

    Bin ich gleich dir unbekannt, Du

    von meinem Dichterstand

    Niemals hast was erfahren, Ruf

    ich Gott dem Vater zu! Eröffne

    dem Dichter du, Die

    Künstlerbahn zum Wahren.

     

    Naht auch ein betrübter Tag,

    Der viel Sorgen haben mag

    Heran im Pilgerleben. Kämpfe

    dennoch rüstig fort Vertrau stets

    auf Gottes Wort. Nur er wird dich

    erheben.

     

    Eine Einsame.

    L....... B...

    in Strasburg.

    L. B.
    Strassburg
    Franz Michael Felder
  • 4. Mai 1867

    Rechnung

    für Herrn Frz. Mich Felder, Schoppernau von der M. Rieger'schen Buch- Kunst- Musikalitäten- &

    Papierhandlung

    (Joh. Thom Stettner)

    über

    1866

    Neue Rechnung

    OctblO    1    Romanzeitung 1866 IV Quart                   fl     1,48

    V   Gartenlaube f 1866 IV Quart

    (cptt. berechnet)                                         — 00

    1   Brockhaus Lexikon 81 Lfg                                          —18

    //     25 100  Couvert l Qualität                                                          — 36

    1   Brockhaus Lexikon 82-83                                           — 36

    1   Bibliothek ausl. Classiker Lfg. 40                              — 18

    Novb 7     1     Ergänzungsblätter II Bd 2-3                                        —42

    1   Bibliothek ausl. Classiker II L. 41-42                           Ty^

    4-   Griech & römisch. Classiker 73-75                            — 36

    1   Pfeifer Nibelungenlied                                                  1,18

    1   Gros Piusfedern                                                              1,36

    4   Buch Briefpapier a 12                                                  —48

    10  -„_       ------ „------------------------------------------------ 1,24

    p. Stempel                    — 12

    Novb 21    1        Ergänzungsblätter II Bd 4                                            —21

    1   Brockhaus Convers. Lexikon Lfg 84                         — 18

    25   Ruf aus Vorarlberg

    1   Lassale Criminalprozeß 2/3                                         1,12

    1   -//-          ind. Steuern                                                     — 57

    1   -n-          Wissenschaft                                                  — 30

    Decb 4      1    Brockhaus Convers. Lexikon 85 Lfg                         — 18

    1   Lassale, Der ital. Krieg                                                 — 36

    1   Ergänzungsblätter II Bd 5                                            — 21

    -//- 6         1      Brockhaus Conversations Lexikon 86-87       — 36

    1   Schweizer Lucinde l 1-3. II 1.2                                     2,24

    1   Bibliothek ausl. Classiker 43 Lfg                               —45

    1867

    Jan. 3         1         Romanzeitung f. 1867. l. Quart                                    1,48

    1   Gerstner, vergleich. Darstellung                                —18

    1   Brockhaus Convers. Lexikon 88-89                          — 36

    -,,-9         1       Gartenlaube f 1867 N 1 -10cptt                                   3,36

    1   Brockhaus Convers. Lexikon 90 Heft                       -=-f-fr

    4-   Griech & römisch. Classiker Lfg 79-84                      b+2-

    R   Meissner, Unterwegs                                                     2,29

    -„-23       1        Ergänzungsblätter II Bd. 1                                           —21

    1   Petri, Fremdwörterbuch                                                3, 36

    1867

    Febr 7       1    Brockhaus Convers. Lexikon 91 Heft                       — 18

    1   Ergänzungsblätter II Bd. 6                                           — 21

    1   Oesterreich u sein Her                                                 — 21

    -„- 20       1        Bibliothek ausl. Classiker 44 Lfg                               — 51

    1    Romanmagazin d. Auslandes 1 Lfg                         — 36

    25   Klarstellung d. vorarlber. Partei

    1    Brockhaus Convers. Lexikon 92-94 a 18                  1,12

    4-   Volksbibliothek griech & romisch Classiker

    85-88                                                                           —^a

    p    Porto eines Paquet n Leipzig                                     — 24

    März 6      1      Ergänzungsband II Bd 7 Heft                                     — 21

    1    Bibliothek ausl. Classiker Lfg 45                              —42

    Feb. 7       1      Hempel National Bibliothek 1 Lfg                             —   9

    März 20    1     Romanmagazin d. Auslandes 2. Heft                     — 36

    1    National Bibliothek 2-3 Heft                                       — 18

    1    Bibliothek ausl. Classiker 46 Lfg                             — 30

    4-   Volksbibliothek römisch & griech.                             ------

    Classiker 89-90                                                              1,12

    1    Ergänzungsblätter II B 8                                            — 2+

    Ar   Schiller Werke 3-10 Lfg                                             —56

    1    Brockhaus Convers. Lexikon 95-96                        — 36

    1     Beumer, populäre Naturgeschichte gb.        2,54

    1    Thiers Geschichte d. franz. Revolution           1,48

    1     Boz ausg. Schriften                                           3,36

    Porto u Provision der antiq Bücher

    aus Hamburg                                                          50

    9,  8

    1     Hempel Nationalbibliothek Lfg. 4               —   9

    1     Paquet von Leipzig an Sie. Porto für dasselb. — 24

    April 25    1     Brockhaus Lexikon 91 Lfg                         —18

    1    Hempel National Bibliothek Lfg. 5               —   9

    1     Bibliothek ausl. Classiker 48 Lfg               — 27

    4-   Schiller Werke 11 Lfg                                  —   7

    -n- 30      p    Porto eines Paquet nach Leipzig

    12 M schwer                                                    36

    fl58,35 in Comission resp. Vortrag

    12   Nümmamüller                                                 9,-

    fl  67,35

    ab Remittenda + Diverse a Conto des J. Natter                 8,27

    Rabatt von Brockhaus Convers Lexikon                            59,8

    81 -91 a 18         4,48

    ab 10% Rabatt          28                                      ab    28

    4,20                                       58,40

    ab als im Herbst von der Rechnung zurück bezahlt     3,—

    55,40

    den 15. Mai den Betrag der Rechnung zu fl 55:40 dankend erhalten zu haben bescheinigt

    p. M. Rieger sehe Buchh. (J. Th. Stettner) Strobel

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • Datum unbekannt
    4. Mai 1867

    Lieber Freund!

    Hiemit übersende ich Dir die mir gelehnten Bücher und Schriften u. erstatte Dir hiefür herzlichen Dank, bitte wegen meiner Saumseligkeit nicht böse zu sein. Und dann habe ich erst noch auf dem Herzen, daß ich die von Deiner Frau ent­behrten Scheling trotz alles Suchens nicht finden konnte ungeachtet ich mich erinnere noch vor 8 Tagen in denselben gelesen zu haben; sollte er auch etwa unter Censur gerathen sein? Ich muß gestehen es wäre mir nicht unerwünscht, zu erfahren wie sich die Herrn in einem etwa so vorkommenden Falle benehmen würden. Natter hat mir Dein Werk über­bracht, u. recht gerne nehme ich dasselbe als ein Geschenk von Dir an, da ich darin ein Pfand Deiner Freundschaft erblicke. Es war mir leid den Natter nicht in meine Dienste nehmen zu können. Die Motive hiezu sind von zweierlei Art. Erstens habe ich durch G. Moosbruggers verunglückten Ver­such das Vertrauen in mich selbst verloren andere Menschen leiten zu können.

    Anderseits hatte ich keine Aussicht Natter zu einer ehren­werthen Stellung zu verhelfen, denn der Lohn ist für einen der nicht bei der Familie leben kann, immer kein glänzender. Was Du mir unlängst sagtest, daß die Menschen auf gewisse Äußerlichkeiten viel geben, sehe ich sich bewahrheiten, denn gegenwärtig geht die Nachricht, daß Du durch die Post von Leipzig 200 Thaler erhalten herum und man sieht es den Men­schen an u. hört es aus ihren Äußerungen daß sie hierauf mehr Gewicht legen, als die günstigste Beurtheilung in dem berühmtesten Journale v. Europa.

    Ich habe von Deinen jüngsten Conflikten gehört, bin aber der Ansicht, daß sie sich ganz ruhig verlaufen werden, wenn man sie mit gehöriger Kälte behandelt, bei einigen Graden Wärme würde der Brei des Fanatismuß in Gährung gerathen, u. der ganze Koch einen wiederlichen Geschmack annehmen. Nun habe ich beabsichtigt über Dein Werk noch dieß u. das zu plaudern aber es ist keine Zeit, wenn ich den Both noch erreichen will, deßwegen hievon das nächste mal. Es grüßt Dich Dein Freund

    Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 2. Mai 1867

    Lieber Freund!

    Wenn Du mich besuchen wolltest, so melde das vorher, damit wir uns nicht vergehen, wenn ich auch auf einer Reise sein sollte.

    Die erwähnte Erklärung wäre mir lieb bälder, als ich gestern sagte, in der Landes- und Feldkircher Zeitung zu lesen. Ich bitte Dich, als Veranlassung zur Erklärung unlieb deutlich anzugeben.

    Der Pfarrer Rüscher hielt die Schrift eine schlechte und schrieb daher meinen Namen auf ein Exemplar, das er weitergab. Es gelang ihm, die Geistlichen und noch mehr das Volk zu über­zeugen. Statt nun zu untersuchen, ob das mehr Mangel an wissenschaftlicher Bildung und an Fähigkeit, einen bäuer­lichen Dichter von einem Juristen zu unterscheiden, oder mehr fromme Gehässigkeit sei, diene diese Erklärung, dem Dichter die ihm nötige Ruhe und Sicherheit vor den Aufge­hetzten wieder zu geben.

    Das wäre, was ich ohne das bereits Gesagte besonders betont wünschte. Die Stilisierung werde ich Dir überlassen.

    Die Vorsteher wollen Rüscher den Text lesen. Auch ich bin nun zu einer Bekanntmachung auf dem Kirchenplatz ent­schlossen. Es ist alles überlegt. Den Jahrtag für den Vater des Uhrenmachers hat Rüscher nicht verkündet und nicht ge­halten, weil Felder nicht vier, sondern nur zwei Messen und für 4 Fl. Armenbrot für seine Eltern zahlen wollte u.s.w., u.s.w. Mit Gruß

    F. M. F.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. Mai 1867

    Hochgeehrter Herr!

    Möchten doch E. W. verzeihen, daß ein fremder, durch nichts Ihnen verbundener Mensch sich erlaubt, Ihre Zeit und Auf­merksamkeit auf diese Weise in Anspruch zu nehmen, vor­züglich, da er Ihnen so wenig nur und so unbedeutendes zu sagen weiß. Aber er wagt es und hat er auch keine andre Motivirung seines Thuns, als daß der mächtige Einfluß Ihres reichen Gemütes, Ihres hohen, reinen Geistes ihn geheimnis­voll angezogen hat! Es gibt ja eine Sphäre, in deren Umhül­lung die Hinderniße der Zeit, des Ortes, aller äußeren Ver­hältniße schwinden, die Sphäre der geistigen Berührung. - So sage ich denn, daß ich Ihnen, hochgeehrter Herr, reichen Dank für die Freude und Erquickung schulde, die Ihr Nümma­müller mir bereitete und wage hiermit dieses Bekenntnis, wenngleich ich freilich einsehe, daß E. W. mit änlichen lästi­gen und unnützen Schreiben überflutet würden, erlaubten sich alle, die denselben Genuß hatten, ein gleiches. Mir war jenes Buch, von dem einer Ihrer größten Landsleute in Wien zu mir sagte, daß es frischer Heu- und Alpenduft sei, was mir der Anblick Ihrer herrlichen Heimat wäre, könnte ich dieselbe nocheinmal schauen; es war in dieser sonderbaren, vielfach leidenvollen und unerquicklichen Welt der Residenz ein unendlich erfreulicher Gruß der Idylle, der tausendfache Sehnsucht aufs neue wachrief. Diese herrlichen, biedern Menschen mit ihrem stillen Leiden und ihrer stillen Freude, mit ihrer klaren, Gottvertrauenden Lebensanschauung, ihrem arglosen, wackeren Wesen, die aber trotzdem keineswegs das unwahre von Gessnerschen und änlichen Puppen in sich tra­gen, sondern vielmehr nur wahres, echtes, frisches Blut und Leben, - sie machten auf mich einen beinahe heilenden Ein­druck, ihr Wesen flößte gerade durch seine Verschiedenheit Balsam in die vielfachen Wunden, die wie allem fühlenden auch mir das Schicksal geschlagen, ich sah aus dem unruhi­gen, unklaren und verworrenen Gang des eigenen Seelen­lebens da plötzlich wie in eine freundliche, sonnige Land­schaft, in einen reinen Spiegel und der Trost, das Labsal, das teilweise auch dem schwersten Leide durch ein so lichtes Gegenbild erwachen mag, danke ich Ihnen, hochverehrter Herr! Und wenn Sie bedenken, daß selbst ein so unbedeuten­des, schwaches und schwankes Wesen wie das meine auf solche Weise durch Ihr Werk erhoben u. erfreut werden konnte, wenn E. W. ferner davon die Wirkung desselben auf große, bedeutende Menschen in's Auge faßen, dann mag dieß doch einiger Trost sein für das reichliche Leid, das Ihnen wie allem Edlen die Gemeinheit zu bereiten im Stande war, es darf E. W. wol dagegen erquicken, daß der Ruf Ihres Strebens nun schon alle deutschen Gaue durchzieht.

    Nur Ein Wort noch. - Ich wünsche nichts sehnlicher, als daß Sie, hochgeehrter Herr, dieses so auffaßen, wie ich es in War­heit meine, denn nur allzuleicht könnte es mißverstanden werden. Wenn ich nemlich E. W. versichere, allenfallsige Bedürfniße, die von Wien aus zu befriedigen sind, mit größter Freude besorgen zu wollen, so thue ich dieß nicht in der Absicht, mich eines Schreibens von Ihrer Hand rühmen zu können, (so wert es mir auch sein müßte) ich weiß eben, was recht ist u. erlaubt, auch sind nicht Sucht zu prahlen und Unverschämtheit die Motive meines Briefes gewesen, sondern lediglich ein mächtiger, inniger Drang zu danken, - aber, wie gesagt, es gereichte mir zu hoher Ehre und Freude. - Noch einmal, verzeihen Sie, hochverehrter Herr diese Äußerung der Freude und des Dankes. Hochachtungsvoll

    Albert llg

    Studirender der Philosophie. (Wien, Universitätsplatz.)

    Albert Ilg
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 1. Mai 1867

    Lieber Freund!

    Beiliegend übersendet Dir das Rehmer Naglerle, Muxel, einen Schuldschein und bittet Dich, der jetzigen Besitzerin des versetzten Anwesens, Christian Beisers Witwe zu Bürstegg am Lech, die Aufkündigung auf Martini 67 zu besorgen. Mühen und Kosten werde ich vergüten, da das Kapital jetzt unserer Gemeinde gehört. Näheres auf Verlangen später. Die Sonderlinge sind in aller Welt und auch Du wirst sie nun schon lesen. Hildebrands Artikel scheint Echos zu wecken. In den Zuschriften, die ich schon aus Nord und Süd erhielt, ist Dir vielleicht interessanter als Bergmann, Proelß u. a. eine von Engelbert Keßler, dem Herausgeber der Beamten­Korrespondenz in Wien. Der Eingang seines Schreibens, welches ich beilege, verspricht nicht besonders viel; ich hab einstweilen geantwortet, ich müßte erst den beigelegten Pack etwas durchgehen, damit ich mich über seinen Antrag er­klären könnte. Die gute Lehre, die er mir schließlich gibt, im kurzen: Einfachheit bleibe deine Größe! findet sich fast mit seinen Worten auch in ändern Briefen. Was er vom Berg­mann und dem Myrtenkranze sagt, hoffe ich gar nicht recht verstanden zu haben. Meine Lust, etwas für's Völklein zu tun, ist jetzt verdammt klein geworden. Die Leute hier herum sind zu erbärmlich. Fort!!

    Ich war heut abends mitsamt dem Wible bei Dir, um noch im letzten Augenblick dem Verrücktwerden zu entrinnen, aber das schlechte Wetter hat uns eingesperrt. Ich halte mich bisher noch für zu aufgeregt, um den Pfaffen in den heiligen Pelz zu fahren, etwas aber muß nun geschehen. Ich bitte Dich, mit der Abfassung Deiner Erklärung wegen der Klarstellung auf unser Zusammenkommen zu warten. Wir müssen bald uns sprechen, es muß etwas geschehen, nachdem die gotts­erbärmlichen Gegner so aufziehen. Bald werde ich hier meines Lebens nicht mehr sicher sein, seit die Frommen es bedauern, daß vor sechs Jahren mich einer aus dem Wasser zog, statt mir einen Klotz nachzuwerfen. Jetzt hetzt das Kloster das ganze Land. Schoppernau und Au hielte sich ziemlich gut, aber da sonst bis nach Alberschwende mich alles für ein Kind des Teufels hält, so fangen doch manche zu wanken an. Kein Wunder, wenn man hört, was alles von mir gesagt wird. Die guten Leute wissen noch nicht, daß so ein Pfaff sich ans Haßrädlein setzen und Lügen spinnen kann trotz einer Heldin des Brunnens. Ich aber weiß es und hab's auf der letzten Reise zum hundertsten Mal erfahren. Auch über die Viehversicherung hab ich mit Feurstein und ändern geredet. Es hieß, so lange die Versammlung nur in Feldkirch sei, werde man gar nicht weiter prüfen. Es soll sich aus dem hintern Wald bisher auch noch niemand zum Beitritt erklärt haben. Wir Schoppernauer haben - aber ohne mein Eingreifen - bei dem unsern zu bleiben beschlossen. Ich  bin  heut gar nicht in  der Stimmung zum  Schreiben, sondern möchte lieber reden oder - dreinschlagen. In der Kirche feiern sechs Lügenfabrikanten St. Philipp und Jakob. Ein Mann ist der siebente, Kurat Herzog. Ich möchte nichts davon sehen, obwohl man gegen mich predigen wird. Lebe wohl, Dein Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 29. April 1867

    Liebster Freund!

    Von Berlin und Wien sind mir Briefe Sendungen, Glücks­wünsche, Schmeicheleien u dgl zugekommen. Mir pflegen Lob und Tadel das Köpfchen unruhig zu machen wenn ichs übertrieben finde. Mehr diesem Umstände, als weil ich noch auf allen Seiten mich zu bedanken haben werde ists zuzu­schreiben, wenn mein Brief an Sie, der erste den ich schreibe, etwas kurz und kraus werden sollte. Vor allem die Meldung, daß ich das Honorar sorgfältig verpackt und wohl gezählt erhielt. Auch die Exemplare sind angelangt und haben mich und die Meinen in der hübschen Ausstattung ungemein ge­freut. Daß dem Baron in Bregenz ein Exemplar zugesendet wurde, ist mir recht nur hätte ich auch gewünscht, daß dem Dichter Scheffel Eins zugeschickt werde. Nun ists zu spät für dießmal da ich seine Adresse nicht habe. Meinen Freunden hier und im Ländchen hat Ihr Aufsatz große Freude gemacht und ich habe Ihnen ihren herzlichen Gruß und Dank auszurichten. Ich erwähne nur Feuerstein und den Doktor in der Reute (Greber) die Übrigen brauche ich jetzt nicht zu nennen, da sie für Sie noch unbekannte Größen sind und mehrentheils Josef heißen. Im Lager der Gegner ist großes Wehklagen, man hat mir ungemein Weh gethan ich hab wieder eine böse Erfahrung gemacht, bin aber dadurch nicht reicher, sondern viel ärmer geworden. Doch eben das wollte ich an Sie schreibend vergessen. Froh war ich, wenn ich einmal eine Zeitlang in frische freie Luft kommen könnte. Nun, Morgen werde ich mit der Mistgabel wieder manches verwerchen und werde so verschwitzen kön­nen, was ich heute noch nicht ins Reine zu bringen vermag. Wenn mir nur nicht der so viel zerstörende Krieg meine Freude verdirbt. Nur, man kann dann doch auf etwas anderes hoffen. Unsere Blätter sind auf Preußens Seite. Wenn alle Deutschen eins würden, wärs bald vorbei. Sie könnten dann doch noch kommen und unser Wiedersehen wäre ein dop­pelt und dreifach Fröhliches.

    Meine neue Arbeit wächst erfreulich. Der Plan wäre nun so ziemlich ausgearbeitet. Nur schade daß mir in diesen schö­nen Tagen noch mehr die Stimmung, als die Zeit zum Arbei­ten fehlt. Der erste Band ist im Entwurfe fertig und ich werde nicht mehr viel mehr als abschreiben müssen. Hier sind nicht mehr Männer des Gedankens, sondern der That gezeichnet. Über die Nahmen werden wir uns besprechen und auch sonst möchte ich über Manches Ihre Ansicht hören. Wenn Sie wie­der einmal ans Schreiben kommen, so melden Sie mir, ob Sie den Brief mit den Heilsgeschäften erhielten. Jetzt wird jener Aufsatz mir nichts mehr verderben, denn der Riß ist offen, das werden auch die religiösen Parteien wissen oder glauben. Ich habe von Preußen, Guben „die Morgenröthe" aus Salzburg ein verschrieenes Betrachtungsbuch erhalten. Bergmann in Wien hat zuerst durch Dr. Keßler, einen in Wien angesehenen Vorarlberger, seine Freude über Ihren Artikel erzählen lassen, 2 Tage später schrieb er mir selbst einen Brief und sprach seinen innigsten Glückwunsch aus. Martin Perels in Berlin sendet mir 16 Hefte seiner „Deutschen Schaubühne" und ersucht mich in einem freundlichen Schrei­ben um Zusendung meiner Dichtungen zum Zwek einer Be­sprechung in seinen Heften. Ich werde seinen Wunsch noch heute erfüllen.

    Ists also nicht fast, als ob Sie schon „für mich gereist wären"? Wenn ich doch auch für Sie etwas thun, oder wenigstens auch so vieler Mühen und Sorgen werth werden könnte. Nun Sie werden mich wenigstens mit gutem Willen und reu­müthig die von Ihnen mir eröffnete Bahn wandeln sehen. Meine enge Heimath würde ich ungern verlassen, und doch fühle ich, daß schon für die neue Dichtung der Schauplatz denn doch fast zu eng ist. Wären hier alle Kämpfe ausge­kämpft, dann würde ich mit Freuden einmal ins Weite. Von den Zeitschriften wünschte ich Europa, Museum, Westermanns M. Hefte am liebsten zu behalten, ich habe aber mit meiner Sendung an  Quellmalz  auch  einen  Brief abgehen lassen.

    Nächstens mehr und viel. Mit herzlichen Grüßen

    Ihr F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 28. April 1867

    Lieber Freund!

    Den mit Deinem Werten vom 16. d. Ms. übersendeten Brief von Hildebrand schicke ich mit der englischen Notiz und einer Übersetzung wieder zurück. Den von Hildebrand er­wähnten Aufsatz habe ich in der Gartenlaube gelesen. Das sind alles schöne Sachen und geeignet, Dir und Deinen Ideen Boden zu verschaffen. Nun, das Wahre und Echte dringt immer durch und man darf sich nie bang sein lassen, daß die Tugend nicht ihren Lohn erhalte. Daß Hildebrand für Dich so eifrig eintritt, scheint nur eine natürliche Folge des Ver­hältnisses zu sein, in dem das Sentimentale von jeher und auch zu Goethes und Schillers Zeiten zum Naiven steht. Nach Hildebrands Schreibart und namentlich nach der Art, wie er von einer merkwürdigen Kette von Zufällen und einer höhe­ren Hand schreibt, kommt mir vor, daß in Eurem Verhältnis der Sentimentale vom Naiven jedenfalls mehr zu profitieren hat als dieses von jenem. Mir kommt die Hildebrand'sche Sentimentalität beinahe wie Romantik vor, hoffe aber, daß sie Dir nicht schadet, selbst wenn Du mit ihm auf Reisen gehst. Etwaigen Überreizen gegenüber wird Deine Natur das Gleichgewicht schon wieder finden. Immerhin aber wäre es vielleicht besser, wenn die Überreize gar nicht stattfänden. ­Der Scheffel'sche Standpunkt wäre mir viel sympathischer, da er ruhiger, objektiver und viel sinniger ist. ­Daß Keil Geschäftspolitik trieb, war mir nie zweifelhaft, und ich hätte Dir nicht Anlaß zu unangenehmer Gemütsbewegung gegeben, wenn ich nicht nach Deinem Schreiben vom 4. d. Ms. gemeint hätte, die Autodidaktenstelle, die von Keils eigener Hand /: von Nostradamus eigener Hand :/ kam, habe Dir gefallen. Doch diese Sache sei nun zum Guten abgetan und nebenbei konstatiert, daß man alles, auch Briefe, vor­sichtig lesen muß, was auch daraus sich ergibt, weil Du meinst, ich habe Dich gefragt, ob Hildebrand mich wegen meines Rechtsstandpunktes für ein Original halte. ­Wenn die Ultramontanen Dir so stark zusetzen, daß sie Dir lästig werden, will ich gern einen Teil der Bürde auf mich nehmen. Ich will durch eine entschiedene Erklärung in un­seren Zeitungen mich als Verfasser der Klarstellung bekannt­geben und die Herrn einladen, ihre Stiche und Witze gegen mich zu wenden. Das könnte dann ein nicht uninteressantes Zeitungsturnier absetzen. -

    Wegen der Viehassekuranz ersuche ich eine baldige Auskunft. Ich bin nun dem landwirtschaftlichen Verein beigetreten, um meiner scharfen Assekuranzkritik mehr Halt zu geben, hatte es übrigens schon lange im Sinn. -

    Hier ist jetzt schönster Frühling und Gras zum Mähen. Wahr­scheinlich suche ich bald um Urlaub von einigen Wochen an und werde ihn lieber auf einer Alp als auf Reisen in Deutsch­land oder sonst verbringen. ­Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 27. April 1867

    Lieber Herr Felder!

    Beiliegend erhalten sie mit vielem Dank die Romanzeitung und das Ausland wieder zurück. Entschuldigen Sie, daß ich erstere so lange bei mir behalten habe.

    Gleichzeitig benütze ich die Gelegenheit Ihnen zu der in der letzten Gartenlaube erschienenen, von Dr Hildebrand verfaß­ten Biografie von Ihnen zu gratulieren, die für Sie sehr ehrend, schmeichelhaft, aber auch wahr und aufmunternd ist. Mit wenigen Mitteln hat Herr Hildebrand treu zu schildern und dem persönlichen hart erworbenen Verdienste den Ehrenplatz zu wahren gewußt. Pflegen Sie aber auch die warme Freundschaft des H Hildebrand und das ausgespro­chene Wohlwollen aller Ihrer Freunde in Leipzig, das nicht allein einem jeden in einen abgelegenen Erdenwinkel und ungünstige beschränkte Verhältnisse verschlagenen Men­schenkinde wohlthut, erhebt u. stärkt, sondern auch auf der betrettenen Bahn als leitende Hand unentbehrlich ist. Sie haben sich Gottlob auf der Bahn des Schriftstellerthums einen Sitzplatz errungen, Freunde werden schon für weitere Errun­genschaften und Erhebung Ihres Namens sorgen, ich, der ich seit Jahren mühevoll auf diesem Wege ringe hat heute noch eine bei Weitem kürzere Strecke zurückgelegt obwohl ein halbes Hundert größerer literarisch rein wissenschaftlich technischer Aufsätze, in verschiedenen Fachblättern zerstreut, bekannt sind, obwohl bereits fünf größere Arbeiten, lauter selbständige Schriften in den Händen der Verleger u. eine sechste am Wege der Vollendung ist. Doch ich glaube mit Ausdauer auch mir einen Namen, allerdings nur bescheidenen Andenkens zu sichern, doch gehört hiezu auf dem von mir betretenen Wege noch viel Mühe Schweiß und - Tinte, dieses schwarze Beamtenblut, welches erst vergossen werden, und in Strömen fließen muß, ehe man unseren Namen nennt. Doch was schwadronire ich von Namen etc von Thatsachen, die noch im Nebel liegen.

    Künftige Woche, Freitag reise ich nach Paris auf etliche Tage zur Ausstellung, vielleicht werde ich auch London besuchen. Sie können sich denken, daß ich mich auf diese Reise freue, weil sie mir für mein Steckenpferd „Mechanik, Physik etc" viel Sehenswerthes biethen wird. Auch verbinde ich damit ein Geschäft, nehmlich den Ankauf einer neuartigen Holzschneidemaschine mit der man täglich circa 2000 bis 3000 Käsedek­kel von 24 Zoll Durchmesser fabriciren und alle Arten harten u. weichen Holzarten von obiger Schnittbreite bis zur Dicke eines Papierbogens schneiden kann. Preis circa 4000 Frank. Dieser Tage habe ich einen Mann vermocht hier auch eine Schneidemaschine aufzustellen mittelst welcher man täglich bei 1000 drei Fuß langen Fugenschindeln aus jedem selbst dem verdrehtesten Holze, selbst aus dem Stockholze machen kann. Die Maschine kostet nur 380 fl u. kann mit einem kleinen Wasserl getrieben u. von einem Men­schen bedient werden. Mit diesen Schindeln würde man die Dächer mit dem Vs bis 1/4 Theil Holz decken können, weil die Fugen einen dichten Verschluß gestatten u. keiner dop­pelten Holzlage bedürfen, wie dieß bei den Spaltschindeln der Fall ist.

    Die Dachdeckung würde alsdann wie nebige Zeichnung mit bedeutender Holzersparniß ausfallen, in der aa die Sparren, | die Schnittlatten bbb die Schindeln, welche mit leichten und wohlfeilen Stahlnägeln zu befestigen sind. Solche Dächer sind sehr leicht, nicht Schneehaltig und wohlfeil, weil hiezu kein schönes spaltbares Holz sondern nur das mindere Abfall­holz verwendet werden kann.

    Auch habe ich dieser Tage das Projekt der Strassenverbindung über die Schnepfegg angeregt. Nach der von mir projektirten

                                                                                                                                                                Lienie würde man höchstens 2 Zoll Steigung auf die Klafter erhalten also noch weniger als jene von Egg bis Alber­schwende. Ich u. der Techniker, von Bezau Rüscher werden die Lienie vermessen, berechnen u. das Ganze samt Plan in Brochürform herausgeben, wenn sich hiezu Beiträge von circa 80 bis 100 fl finden um die Druckkosten zu bestreiten u. circa 200-300 Exemplare im Walde umsonst zu verbreiten. Nur auf diese Weise wird die Sache erwogen und der Beweis mittelst Ziffern geführt, daß die Lienie Schnepfau Mellau samt ihrer Streckenführungen über die Ache u. Mellauerbäche oder der Felsensprengungen bei Hirschau ungleich kostspieliger ausfal­len müssen. Dieser Tage wird die Nivelirung vorgenommen werden.

    Ist dieses geschehen so werden wir das Projekt einer Pferde­bahn von Egg bis Lautracher Bahnhof längst dem Wasser geführt in die Hand nehmen. Sie sehen, daß auch ich für den Wald etwas thue.

    Ich möchte noch mehr schreiben, doch die Zeit des Bothen­abganges rückt heran u. ich muß schließen. Bis ich von Paris zurückkomme schreibe ich mehr. Ihr aufrichtiger

    Hanns Koderle

    Hanns Koderle
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 25. April 1867

    Liebster Freund,

    Heute nur in Eile ein kurz Briefchen, früh vor der Arbeit ge­schrieben. - Ich danke zunächst für Ihre Aufnahme meines Aufsatzes über Sie, ich war mir doch unsicher, ob Ihnen dieß und jenes darin nicht peinlich oder sogar schädlich sein würde, namentlich Ihren Gegnern gegenüber. Nun so ist ja alles gut oder wird noch gut werden. Ich bin zu begierig, die Verhältnisse dort selbst kennen zu lernen, obwol ich mich gerade auf diese Seite meines Besuchs nicht freue. Heute schreib ich wesentlich einer kleinen Geschäftsfrage wegen. Ich hatte Ihnen bei Hirzeln 18 Freiexemplare ausbe­dungen - er fand das „ein bischen viel" und hat Ihnen dann richtig auch nur 12 geschickt! So sind die Verleger, d. h. die großen. Ich könnte mich darüber ärgern, oder thue es viel­mehr wirklich, nicht weniger über das geringe Honorar für Sie bei 1000 Auflage; doch er wird wol noch etwas heraus­rücken, wenn die Auflage erst vergriffen ist. Indeß ist dabei doch ein glücklicher Zufall, ich meine bei den 12 Ex., daß die Exemplare die Sie von hier aus besorgt wünschten, nun hier geblieben sind, und ich habe noch gestern je eins an Gottschall, Bergmann, Dr. Lecher und Scheffel als zu besor­gen bei Hirzel notieren lassen. Wegen Scheffels aber bin ich über Ihren Ausdruck nicht klar, und das ist der eigentliche Grund meines heutigen Schreibens: ist das von Ihnen be­stimmte Ex. für Baron Seifertitz gemeint oder für Scheffel selbst? Ich hab das erstere angenommen und wollte Ihnen das möglichst rasch melden, damit in diesem für Sie doch nicht unwichtigen Punkte kein Misgriff vorfalle. ­Nun doch rasch noch einige Neuigkeiten. Zuerst eine weni­ger angenehme, daß nämlich bis jetzt die Sonderlinge nicht so stark bestellt werden als auch Hirzels erwartet haben; die Kriegsfurcht ist dran schuld, Jeder fängt zuerst bei Bücher­käufen zu sparen an.

    Außerdem ist das Wichtigste mir, daß mir Hirzel sen. kürz­lich endlich so zu sagen seine Bekehrung in Betreff Ihres Werkes erklärt hat, ein Augenblick auf den ich ruhig gewartet habe, ohne ihn irgendwie hervorzurufen oder auch nur her­vorzulocken. Er sollte ganz von selbst kommen. So sagte er mir denn am Sonnabend vor Ostern von freien Stücken, er hätte gestern (am Charfreitag) ein Stück gelesen, von dem müsse er doch sagen, daß es ihn „gefangen genommen habe", es war das Stück vom Verhältniß des Winters zu den Bauern. Endlich ist der Aristokrat in die Falle gegangen und wir haben ihn, dacht ich bei mir, sagte aber ganz andere Dinge; die doch wol den Triumph nicht ganz verbargen. Es ist mir für Sie und für mich unendlich lieb, daß wir Hirzeln endlich haben, sein Urtheil ist fein und durchaus achtbar, und wen er einmal gelten läßt, der empfindet dann die lie­benswürdigsten Seiten seines Wesens, die ich selbst aufs innigste lieb habe (bei allem bittern Ärger über ihn). Kurz, dieser für mich persönlich am meisten ins Gewicht fallende Punkt ist also in Ordnung. Sie können Hirzeln als einen rechten Vertreter der norddeutschen hohen Geistesaristokra­tie ansehen, die wesentlich in dem Cultus Goethes (des Spä­teren) ihre Unterlage hat. Doch daß Sie die Bekehrung und meine Freude darüber noch schärfer ermessen können, muß ich Ihnen doch nachträglich sagen, was Hirzel vor dem Druck einmal sagte, nachdem er sich einmal ein gut Stück in den 1. Band hineingelesen hatte: „Ich befinde mich nicht wohl in der Gesellschaft." Er hats wahrscheinlich seitdem nicht wie­der angesehen.

    Seit meinem letzten Briefe hab ich übrigens zweimal wieder über Sie Vortrag gehalten und von Ihnen vorgelesen, am Montag vor acht Tagen hier in der Deutschen Gesellschaft zur Erforschung vaterländischer Sprache und Alterthümer (ge­gründet von Gottsched), deren Mitglied ich bin - Wirkung glänzend - und vorgestern in Altenburg in einer kleinen Gesellschaft aus höhern Ständen, wo bei meinem Erscheinen die Rede bald auf Sie kam, und ich hatte aufs Gerathewohl ein paar Correcturbogen von Ihnen eingesteckt - Wirkung glänzend, Damen und Herren gleich entzückt. Meine Frau scherzt schon länger, ich könnte und sollte auf Sie reisen in Deutschland, wie es Vorleser machen, und vorgestern hab ich unwillkürlich dazu den Anfang gemacht. Mir wärs recht, wenn ich könnte, mir wärs lieber als die Wörterbuchearbeit, wenigstens so zur Abwechslung.

    Aber ich muß zur Wörterbuchsarbeit. Mit Quellmalz will ich nächstens einmal verhandeln wegen Ihrer Schuld und sonst, möchte aber freilich dazu gern genau wissen, welche Blätter Sie behalten wollen.

    Herzlichen Dank für die Bildchen aus vorigem Briefe und für die Gedichte im letzten nebst dem liebenswürdigen Gruß Ihres Wibli. Ich und die Meinigen grüßen aufs herzlichste zurück, es verlangt mich immer mehr danach, auch die lieben Ihrigen von Angesicht kennen zu lernen, obwol wir uns ge­genseitig anfangs wol etwas spanisch vorkommen werden. Wenn nur der Krieg nicht wieder dazwischen kommt, der ja jetzt kaum noch zu vermeiden scheint. Na, hoffen wir das Beste, in herzlicher Freundschaft

    Ihr R. Hildebrand.

    Viel Vergnügen zu der Reise nach Lindau! Ich wollte ich könnte dabei sein. Meinen Glückwunsch an Ludmilla, wenn Sie ihn anbringen können, sie hatte ja einmal kein Nonnen­fleisch, wie die Frau Wirthin von ihr sagte!

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 23. April 1867

    Lieber Herr Felder!

    Sie werden vor etwa zwei Tagen von Herrn Engelbert Keßler aus dem Mittelbergischen u. Beamten der Eisenbahn, einem jungen, talentreichen u. strebsamen Manne, einige Zeilen in Betreff Ihres Buches, dem man mit Spannung entgegensieht, erhalten haben.

    Sein Schreiben soll des Inhaltes sein, daß ich als Landsmann die Vorrede schreiben möge. Wenn Sie oder Jemand Anderer an mich dieß Ansuchen stellen, so müßte ich es ablehnen, indem ich seit 1815 hier bin und so vielen Erscheinungen und Veränderungen in der Heimat fremd geworden bin. Mein Gebiet ist die Geschichte, die auch ihren Pfleger haben muß. Zudem stecke ich im 71. Lebensjahre, stehe zweien Instituten vor und bin außer Stand abends beim Kerzen- oder Lampen­licht zu lesen und zu schreiben; daher ich meine anderwei­tige Thätigkeit sehr einschränken muß.

    Dermals muß ich das Haus hüten  indem  mich die leidige Grippe befallen hat u. so herabgestimmt bin, daß ich nur langsam die „Landeskunde v. Vorarlberg", die in Innsbruck gedruckt werden soll, überarbeiten kann. Mit dem herzlichen Wunsche, daß Ihnen Ihre Arbeit Nutzen und Freude bringe, u. daß Sie einen guten Sommer auf den Bergen verleben, verbleibe ich in vollster Hochachtung Ihr aufrichtiger

    Jos. Bergmann

    Josef von Bergmann
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 20. April 1867

    Dem lieben, strebsamen, mir durch die Hildebrandschen Mit­theilungen in Freund Keils trefflicher „Gartenlaube" unend­lich theuer gewordenen „Vorarlberger Bäuerlein" übersende anbei die sämmtlichen auf Lager befindlichen Hefte meines Journals „Deutsche Schaubühne", und bitte die kleine Gabe als Angebinde zum Osterfest gütig aufzunehmen. Die Fortset­zung folgt stets prompt nach Erscheinen franco sous bände die zwei bei Stettner in Lindau und Hirzel in Leipzig erschie­nenen „Dorfgeschichten" bitte mit gütigst zur eingehenden Besprechung einzusenden, und wünschte ich Sie dadurch auch meinem Leserkreise recht bekannt zu machen und vor­zustehen; 1865 war ich in bayrisch Lindau, Romanshorn, Ror­schach, Zürich; hätte ich gewußt, daß in Schoppernau „Franz Felder" wohnt, von dem man was lernen kann, ich hätte den Abstecher nicht verabsäumt! - Doch trösten Sie sich, Sie wer­den bald überlaufen werden, selbst die spleenigen Engländer werden kommen. Vederemo. Bewahren Sie sich Ihre prunk­lose Einfachheit als - „Größe"! Besten, Herzlichen Gruß! Allzeit Ihr ergebener

    Martin Perels

    Martin Perels
    Berlin
    Franz Michael Felder
  • 20. April 1867

    Werthgeschätzter Herr Felder!

    So eben habe ich gestern /:Charfreytag:/ in der Gartenlaube, von dessen trefflicher Zeitschrift ich alle Jahrgänge besitze, ­den Artickel gelesen, der die Beschreibung von Ihnen enthält, was mich sehr intreßirte. Sie hat also der Geist schon auf diese Stuffe getrieben. Ich hoffe wohl bald Ihren „Sonder­linge" zu erhalten; vielleicht durch Austausch mit dem was ich so eben schreibe, u. vorläufig in einem Exemplar durch Kreutzband sende.

    Erlauben Sie, daß ich ein Bischen weiter ausholle. Ich der Ver­faßer u. Verleger dieß Büchleins „Betrachtungen über Gott" bin auch ein Bauerssohn, von Piesendorf Gerichtsbezirk Zell am See. Dort besaß mein Vater ein großes Bauerngut, dazu gehört eine Alpe im Kaprunerthale deßen Grenzgebirge an Tyrol u. Kärnthen zugleich grenzen.

    Durch 13 Sommer nun hüttete ich auf dieser Alpe an welcher auch 2 Nachbarn Antheil haben, ganz abgesondert von den Kühen, das Jungvieh und Pferde. Da ich religiös erzogen ward, u. dabey einen Sinn für Wißenschaftliches hatte, so eig­nete ich mir einige geographische und geschichtliche Kennt­niße an, schaffte mir auch durch leihen u. kaufen manch andere Bücher an.

    Das letzte Jahr meines Alpenhirtens dachte u. schrieb ich nun diese Betrachtungen über Gott, wovon Sie das Exemplar das ich unter Kreutzband sende, wohl erhalten werden. Ich ler­nete im Jahre 1846 die Buchbinderey, da ich mich für die Folge zu den landwirtschaftlichen Arbeiten zu schwach am Körper fühlte. Im Jahre 1856 verheyrathete ich mich dann hieher nach Zell, wo ich Haus und Garten besitze; u. vor eini­gen Jahren erwarb ich mir auch noch von der Landesregie­rung in Salzburg die Befugniß zum Buchhandel. Voriges Jahr

    nun, angeregt durch mehrerley Ursachen, ließ ich nun dieß mein Büchlein drucken. Allein kaum ein Monat darnach, als ich den Vertrieb begonnen hatte, zogen 2 Salzburger Clerikale gegen mich u. das Büchlein mit ihren Verdächtigungen, Ver­drehungen u. Warnungen, u. gleich darauf manche Pfarrer u. Gehilfen auf den Kanzeln in Hauslehren u. privatlich dagegen zu Felde. Doch können sie nicht alle mehr davon zurück­schrecken. Sollten Sie nun mehrere solcher Büchleins zu ver­wenden wißen, so wollen Sie mir gefälligst berichten. Ich gebe Ihnen dabey 20 % Rabatt. Habe gebundne u. broschirte vorräthig.

    Ich habe am Lager besonders eine bedeutende Anzahl anti­quarischer Bücher, die ich zum Theil für sehr niedrige Preise hindan gäbe.

    Besonders zu lesen möchte ich auch empfehlen: Die Ruinen, von Volney. Braunschweig. Es ist ein treffliches völkerrecht­liches, kirchliches, religiöses Gemälde, das an Klarheit u. inter­eßanter Darstellung wenig seines Gleichen haben dürfte. Es [ist] bey mir vorräthig, kostet broschirt 1 f 34 X geb. 1 f 60 X. Für mein Betrachtungsbüchlein wollen Sie mir einstweilen 36 X ö W gutschreiben.

    Sie sind noch jung, Sie kommen ohne vergleich weiter als ich gekommen bin; ich habe soeben das Sechzigste Jahr angetret­ten.

    Laßen Sie mir bald ein paar Worte zukommen. Es grüßt Sie nur Ihren Geist kennen gelernt mit vorzüglicher Achtung Ihr ergebenster

    Josef Gruber

    Buchhändler u. Buchbinder im Markte Zell am See in Pinzgau, im Kronland Salzburg, Oestreich.

    Josef Gruber
    Zell am See
    Franz Michael Felder
  • 19. April 1867

    Geehrter Landsmann!

    Längst eingeweiht von Ihren Talenten und rühmenswerten Bestrebungen las ich mit seltener Freude in der Gartenlaube eine Offenbarung an das ganze deutsche Volk über Ihr Wir­ken u. Wesen.

    Bei dieser Gelegenheit fühlte ich mich wahrhaft beschämt, die Ehre der Einführung Ihres Namens in das große Publicum - die Ehre der Entdeckung, mir entgehen haben zu lassen, so sehr ich auch mir diese Angelegenheit zur Aufgabe machen wollte.

    Daß gleich wohl - längst vor der unvergleichlichen Schilde­rung des Dr Hildebrand auch ich Gelegenheit nahm, Ihren Namen der Öffentlichkeit vorzuführen, möge Ihnen ein Blatt der Beamten Correspondenz beweisen, das ich Ihnen hiermit anschließe, wenn Sie nicht schon bereits im Besitze desselben sein sollten.

    Aus den Schilderungen des Dr Hildebrand entnehme ich zu meiner Überraschung, daß Sie auch mit den socialen Schriften von Schulze-Deutsch u. Lasalle vertraut u. Ihren Einfluß auch auf diesem Felde zu bethätigen suchen; u. dieser Umstand ist es insbesondere, der mich bestimmt, ungesäumt diese Zeilen an Sie zu richten u. Ihnen einige Blätter und Druckschriften zu übersenden.

    Eben habe ich meinem Gevatter dem kaiserl. Rathe Dr Berg­mann einen Besuch abgestattet u. demselben jene Nummer der Gartenlaube übermittelt, worin Ihr Leben u. Wirken so schön dargestellt wurde.

    Welche seltene Freude dieser Mann daran genommen, dürfen Sie um so mehr versichert sein, als es ja einer Erscheinung desjenigen Ländchens gilt, das dem gelehrten Manne geistiges Eigenthum geworden.

    Vorarlberg kann wahrhaftig stolz sein an dieser Größe seines Landes.

    In Bezug auf die Andeutung des Dr Hildebrand, daß Dr Jos. Bergmann Ihre Correkturbögen zugesendet erhalte, erklärt mir der letztere, daß darüber ein Irrthum obwalten müsse, indem er nur im Besitze eines einzigen Schreibens von Ihnen sei.

    Sollten Sie in Bezug auf Ihre Leistungen auf passende Art in die Lage kommen, dem kaiserl. Rathe einen Mirtenkranz zu flechten, so würde mich das nur freuen, ja Sie würden sich dadurch den Dank des Volkes ärnten.

    Was mich betrifft, so bin ich erbötig, Ihnen in jeder erwünschten Richtung beizustehen, wogegen ich ersuche, mir von den Erfolgen Ihres Wirkens auf wirthschaftlich-socialem Gebiete von Zeit zu Zeit Mittheilungen zu machen, zumal ich mit verschiedenen Punkten der Monarchie in Verbindung stehe und der Gründung von Erwerbs- u. Wirthschaft-lnstitu­tionen Vorschub leiste. -

    Wollten Sie mir Statuten Entwürfe u.d.gl. einsenden, so möch­ten Sie mich sehr erfreuen.

    Ich bin eben im Begriffe eine Zusammenstellung der österr. Genossenschaften, deren Beruf u. Stellung in Österreich, zu schreiben u. befinde mich im Besitze des reichhaltigsten Materials.

    Daß ich mich zu Ihrem Landsmanne zäle u. nur über dem Widdersteine /Walserthal:/ meine Heimat besitze, erwähne ich nur nebenbei.

    Auch denke ich, daß sich auch Bauerleute geneigt finden dür­fen, Lebensversicherungen einzugehen.

    Den billigsten Tarif bildet die von mir gegründete Lebensver­sicherungsanstalt des Beamtenvereines.

    Ich denke mir, daß Ihr Lebensunterhalt in Etwas befördert werden könnte, wenn wir Ihnen eine Agentie übertragen. Die Geneigtheit zu diesem Antrage bitte ich mir bekannt zu geben.

    Im Beamten Verein kann nämlich jedermann versichert wer­den.

    Schließlich mache ich Sie auf die Schriften von Pestalozzi und Diesterweg u. Prof. Kletzinsky aufmerksam, wenn Ihnen diese in Ihrer umfassenden Belesenheit noch weniger bekannt sein sollten.

    Weichen Sie nicht ab von Ihrer Bahn - lassen Sie sich aber ebensowenig verleiten Ihrer Einfachheit und Bescheidenheit ungetreu zu werden, um denjenigen Boden nicht zu verlieren, in dem Ihre Originalität und Fruchtbarkeit wurzelt. Grüßen Sie mir den hochverehrten Dr Feuerstein in Reute, wenn Sie Gelegenheit haben, denselben zu besuchen. Für diesen  Fall bitte ich ihm einen Geschäftsausweis des Beamten Vereines zu übergeben.

    Dr Feuerstein kennt mich von meiner Kindheit an u. besitzt das meiste Verdienst, in mir ein Talent erkannt und durch mannigfachen Einfluß gefördert zu haben, obgleich meine Lebensrichtung nach einer ganz anderen Seite ausgeschlagen, als nach den ursprünglichen Wahrnehmungen zu vermuthen war.

    Jedenfalls ist es eine herrschende Zeitrichtung in der ich mei­nen Beruf zu erfüllen trachte, nachdem auch ich mit selt­samen Erlebnissen zu kämpfen hatte.

    Mit der Versicherung der ausgezeichnetsten Werthschätzung zeichnet Ihr aufrichtiger Landsmann

    Engelbert Keßler

    NB Dr Bergmann läßt Sie herzlich grüßen.

    Engelbert Kessler
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 18. April 1867

    Geehrter und lieber Herr Felder!

    Möge diese Sendung glücklich in Ihre Hände gelangen und der Tag ihrer Ankunft Ihnen ein so froher sein als mir heute der des Abgangs ist.

    Gestern ist das Buch nach allen Gegenden versandt worden. Nun wollen wir es eine Zeit lang in unser Abendgebet ein­schließen, bis es sich bei den fremden Leuten bekannt gemacht und sich Ihre Zuneigung erworben hat. Hildebrand hat ihm schon einen schönen Empfehlungsbrief mitgegeben, für den wir ihm beide dankbar sein müssen. Sie empfangen 12 Exemplare, außerdem 350 Gulden in bayri­schen Banknoten. Lieber hätte ich Ihnen einen Wechsel auf Lindau geschickt, aber ich konnte keinen bekommen und denke, daß Sie die Banknoten in Lindau jederzeit in die bei Ihnen cursirende Münze umsetzen können. 350 Gulden machen gerade 200 Thaler Preuß.

    Zeigen Sie mir zu meiner Beruhigung den Empfang an, direct unter der Adresse: Hr. S. H. Buchhändler in Leipzig. Behalten Sie mich in gutem Andenken. Herzlich freuen würde mich, wenn wir einander einmal von Angesicht zu Angesicht zu sehen bekämen. Mit den besten Wünschen und herzl. Grüßen

    Ihr S. Hirzel

    Das gelbe Zettelchen hinten am 2. Band zeigt, daß auch große Gelehrte manchmal blöde Augen haben.

    P.S. Ich muß die Exemplare aparte und das Geld aparte schik­ken. Also erhalten Sie 2 Packete.

    Salomon Hirzel
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 17. April 1867

    Liebster Freund!

    In der Freude über Ihren letzten Brief und besonders über die Nachricht, daß Sie nun ganz bestimmt zu kommen ge­denken, hab ich Ihnen die gebeichtete Sünde verziehen. Die Buße werden Sie erleben, wenn Sie in mir einen ändern und vielleicht keinen Bessern finden, als Sie schilderten. Ja für den Artikel wärs doch gut gewesen, wenn Sie zuerst einige Wochen hier neben mir gelebt hätten. Doch sie haben meine Sonderlinge, dieses Stück von meinem Ich und wer­den daraus gesehen haben, daß nicht nur die Gartenlaube es war, die mich zog; daß ich auch meinen Landsleuten und sogar meinen Gegnern viel zu danken habe. Erst in den letz­ten Tagen hat mir der Buchhändler No 10 zugeschickt und nicht ohne Staunen hab ich von mir gelesen, daß die Garten­laube mein A und mein O gewesen was denn doch zu viel gesagt ist. Nun - das wird schon noch berichtigt werden! Den Tannberger Aufsatz fand Keil wol zu lang, aber er hätte mir schreiben, oder doch die Nummer der Europa zuschicken sollen. Ich möchte ihn darum und um Ihren Artikel möchte ich ihn bitten.

    Dem letzteren sehe ich nicht ohne Bangen entgegen. Es ist mir bang, so wie ich bin und noch bänger, etwas anders auf­geführt zu werden. Mit dem Spruch, Klimpern gehört zum Handwerk, hab ich mich noch nie recht versöhnen können und stimme daher freudig ein in Ihre Klagen übers Publikum und über die Verleger. Freudig klagen? Ja lieber Freund, man findet einen Trost darin, einem lieben Menschen, der ein mitfühlendes Herz hat, von seinen Leiden zu erzählen wenn man sich verstanden sieht. Schon im vorletzten Brief hab ich geklagt über die Gemeinheit der Gegner; im Kampf gegen diese sah ich schon manchen untergehen, wenn die gegen ihn gebrauchten Waffen seinen Zorn und seine Leidenschaft­lichkeit weckten. Ich habe, so viel ich weiß, Versinken geschrieben, hätte aber auch sagen können, wieder ein Sonder­ling werden. Ich mußte mehr Platz bekommen als ich hier hatte. Nur der Umgang mit Gleichstrebenden, und dichte­risches Schaffen vermag mein leicht erregbares Wesen in jedem Sturm zu beruhigen. Während ich die Sonderlinge schrieb, gab es Wochen, wo ich alles wegwerfen wollte, der erste Theil hat mich fast krank gemacht, denn ich lebe mich noch mehr in alles hinein als man in meinem Alter es sollte. Ich war mit dem Roman erst nach seiner Vollendung im Ent­wurf so zufrieden, daß ich mich an Sie zu wenden wagte. Erst da stand ich wieder ob meinen Helden während ihrem Wachsen hatte ich mit ihnen gelitten, gestritten und gerun­gen. Auch mit der jetzigen Arbeit gehts mir so. Ich ringe mit den Helden nach dem mir selbst noch ziemlich unbekannten Schluß, der daher wieder kein zufälliger, sondern ein aus ihrer Eigenart herausgewachsener sein wird. Scheffels Brief hab ich lang überdacht. Ich sende Ihnen denselben mit herz­lichem Dank und meiner Meinung zurück: Er wird die Son­derlinge nicht mehr so naiv, dafür etwas belebter finden, viel­leicht den Dichter tadeln, daß er seinen Standpunkt schein­bar ganz verließ. Ewas mehr Leben aber finde ich denn aber doch auf meinem Schauplatz und ich glaube, es ist nur mein Fehler, wenn ich unsrem Volksleben auch nur hier im Wald nicht noch manche interessante Seite abgewinnen werde. Der Brief hat uns recht gefreut und ich habe beherzigens­werthe Wahrheiten darin gefunden, daher eine Abschrift zu­rükbehalten. Baron Seifertitz ist mir eine bekannte Persön­lichkeit, obwol ich ihn noch nie sah. Er ist neben Feuerstein auf den Landtag gewählt und wird von den Geistlichen offen und heimlich angefeindet. Das wenigstens haben ich und er gemein.

    Seite 60 finde ich keinen Fehler. Mariann giebt Franzen Bee­ren und redet nebenbei mit oder eigentlich zu den sie um­gebenden Thieren. Es macht mich glücklich, daß eine Gesell­schaft sich mit meiner Schilderung so theilnehmend beschäftigte. Ungemein begierig bin ich und sind auch meine hiesigen Freunde, wie ein Werk im Großen und Ganzen auf­genommen werde, welches so vielen den Krieg erklärt. Ich wünschte wenigstens die Urtheile einiger Blätter zu erhalten, wenn das zu machen wäre, noch bevor ich mein jetziges Werk weiter führe. Die Zeitungen, die ich von Leipzig erhalte pflegen mir - wol durch Stettner nicht besonders schnell ­zugeschickt zu werden. Im ganzen ist mir das gleichgültig, nur die Artikel über mich möchte ich früher lesen. Die Frei­exemplare meines Werkes, wenn Sie dieselben nicht auszu­dingen vergessen haben, wünschte ich für einige Freunde vor allem einige für Sie, Scheffel, Gottschall, die andren werde ich sebst versenden, da ich hoffe, Herr Hirzel werde für Verbreitung des Buches auch auf diese Weise sorgen. Beson­ders wünschte ich meinen Landsmann Dr Lecher, Redacteur der neuen freien Presse, und kais. Rath und Direktor Josef Bergmann in Wien, diese beiden Bregenzerwälder nicht ver­gessen. Wenn ihnen 2 meiner Ex. zugeschickt werden, so will ich gern das Porto bezahlen, was mit meinen Leihgebühren für dieses Jahr im Sommer verrechnet werden soll. Die ge­nannten sind Bregenzerwälder. Der Letztere hat mich letzthin in einem freundschaftlichen Schreiben um eine Characteristik seiner Landsleute ersucht. Ich habe mir dann erlaubt ihn auf die Sonderlinge zu verweisen; obwol sie, wie ich ihn kenne nicht besonders zusagen dürften.

    Das beiliegende empfehle ich Ihrer Nachsicht, ich könnte mehr schicken, bin aber sicher daß schon das für Sie, Ihre Gedult und Ihre Zeit genug sein wird. Das Gedicht in unse­rer Wäldersprache mag Ihnen wegen dieser erwünscht sein. Ich finde, daß unsere Sprache sich zum Hexameter am besten und vielleicht besser als das Hochdeutsche eignen würde. Früher hatte ich fast Lust zu einem Versuch Kund: Eohr*) Lüttle, und laund ü ar-

    zello ä lustigs Histörle

    klingt so gut als Sing unsterbliche Seele von Klopstock *) Eohr Lüttle - ihr Leutchen. Arzello - erzählen

    Di vorliobt Wäldari muß ich noch jetzt für ein Spiegelbild un­serer Mädchen halten. Erinnern Sie Sich noch, was ich im auer Herrenstüble bei unserm Gespräch von Herrmann Schmied über unsere Liebschaften sagte! Damahls war das genannte Gedicht schon geschrieben und ich hält es Ihnen gewiß gege­ben, wenn es nicht mich selbst zum Verfasser gehabt hätte. Sonst finde ich wenig was ich Ihnen schicken dürfte und auch das Geschikte wäre bei meinen alten Schriften (Basolzüg: Spielzeug) geblieben, wenn Sie mich nicht drum ersucht hätten. Sie niemandem zu zeigen brauche ich Sie nicht zu ersuchen, darum flehen die Arbeiten selbst laut genug, mir aber sind sie wie Denksteine auf der zurükgelegten Weg­streke lieb und werth. Im Sommer werde ich Ihnen auch in den 50ger Jahren auf der stillen kalten Kammer in schlaf­losen Nächten geschriebnen Hefte „aus der Welt des Her­zens" zeigen. Mir wird jetzt ganz eigen, wenn ich in jene stille ernste heilige Welt blicke. O wie war ich damahls ein so frommes Gemüth. Ich hätte mir noch wie in den Buben­jahren statt mit hölzernen Rossen und Kühen zu spielen, einen Altar bauen können. Doch genug von dem! Die Zeit des Rückblicks ist eigentlich vorbei. Vorwärts.

    Der Stickerpeter - so hab ich ihn vor Wochen umgetauft ­hat seinen Nahmen von der Mutter, das muß so sein, doch könnte allenfalls der Nähme der Stickerin geändert werden. Der Peter also hat etwas mit dem Kaspale gemein. Doch ist er kühner als dieses Seite 24 und sein Mädchen ist kein Mikle. Ich zeichne die Entsittlichung der hiesigen socialen Gegensätze bei Reichen und Armen. Vertretter der Erstem sind der herzgute Stighans, die stolze nicht schlechte aber irregeführte reiche - Krämerszusel (Susanne) und ihre Schwe­ster Angelika, ein Blaustrumpf ohne Buch und Cigare, wie sie hier nicht selten sind. Doch davon mündlich. Bis Sie kom­men, werden wir vom ersten Band reden können. Zu der Novelle Liebeszeichen fehlt mir augenblicklich die Stimmung. Der Plan ist wie fertig, wenn sichs macht ein küssendes Paar von einer Bauerngesellschaft überrascht werden zu lassen. Das ist das Gewagteste, alles Übrige ergiebt sich von selbst. Was sagen Sie zu den Heilsgeschäften? Ich glaube, es hat mit der Veröffentlichung keinesfalls Eile. Die Zeichnung von Schröcken können Sie behalten, dann werden wir ja sehen, ob und was dazu und damit zu machen ist. Preußens Auftretten Frankreich gegenüber war mir das Erfreu­lichste, was ich noch in den Zeitungen gelesen. Unsere Lan­deszeitung bringt noch Schimpf- oder doch Hohnartikel über die neue Ordnung der Dinge; in Wien aber scheint man sich denn doch anders zu besinnen.

    Ich freue mich darauf, so Gott will mit Ihnen ein geeinigtes starkes Deutschland zu sehen. Hoffen wirs und wünschen wir uns Glück, in einer so großen Zeit die Erdenbahn durch­wandeln zu dürfen. Mit den Herzlichsten Grüßen an Sie und Ihre Lieben Ihr heute plauderhafter Die Europa u Gartenlaube 15 hab ich eben erhalten

    Freund Felder

    Nachmittags 4 Uhr Nachschrift Liebster Freund

    Vormittags konnte ich meinem Brief an Sie nur noch bei­fügen, daß ich Gartenlaube und Europa Nr 14/15 erhielt. Der Both wollte nicht warten, bis ich gelesen und geschrieben hätte. Nun aber muß ich noch geschwind jenem Brief einige Zeilen nach Au nachtragen wenns keine Gelegenheit zum Schicken geben sollte. Ich schrieb Ihnen, daß ich Ihnen Ihre Sünde verzeihe. So konnte ich nur schreiben, weil ich die­selbe noch gar nicht kannte. Verzeihen Sie, liebster Freund! mir nun dagegen jenes „Verzeihen".

    Ich fürchtete vielleicht zu sehr fürs große Publikum zugeschnit­ten oder so dargestellt zu werden, daß der mir geliehene Mantel mir zu lang, zu groß, zu prächtig sein werde, so daß es lächerlich wäre, wenn ich mich jemahls hineinstecken wollte. Ich danke Ihnen von Herzen, daß das nicht geschah. Ist mir auch noch manches, was ich wollte und anstrebte, nicht gelungen, so darf ich doch sagen: Das wollte ich, so bin ich und es würde mich freuen, unendlich freuen, wenn die guten und bessern, wenn unser Volk so mich lieben könnte denn ich gehöre sein, gehöre dem Vaterland wie ichs mir lange geträumt und gewünscht habe, dem großen deut­schen Vaterland, welchem Arndt so wehmütig nachfragte. Lange sah ich mich von Ihnen verstanden und es gieng mir gut seit Sie an mich dachten; dennoch hat das Bäuerlein Ihrem Artikel bangend entgegensehen müssen ohne selbst den eigentlichsten alleruntersten Grund zu wissen. Ich hätte nie geglaubt daß er mich so freuen, mir so wohl thun könnte. Meinen Landsleuten wirds auffallen, wenn mich jemand ernsthaft nennt, da viele mich für den ersten Humoristen im Ländchen halten. Ich gebe mich auch so ohne mich verstellen zu wollen, und gerade wenns recht unruhig in mir ist, bin ich - „am kurzweiligsten" nicht der ändern sondern meinet­wegen - ich muß.

    Der Tannberg, besonders der erste Theil hat mich befriedigt, der 2te (Schluß) ist doch zu breit. Es ist zum Theil ganz gut damit gegangen. Interessant war mir der von Keil beigelegte Verlegerbrief. Keil schreibt: Er bitte um Entschuldigung daß er mir nicht gleich geantwortet. Unpäßlichkeit - Geschäfte ­usw dann ist vom versprochenen Honorar die Rede, oder es ist eigentlich davon nicht mehr die Rede (Doch lassen wir das) und schließlich ersucht er mich, der Gartenlaube treu zu bleiben. Dann geeignete „Vorwürfe" aufzählend hofft er bald etwas von mir zu erhalten. Nun machen Sie mit den Heilsgeschäften was Sie wollen. Ich weiß, ich fühl es daß Sie schon an mich denken und das Beste finden. Von „Liebes­zeichen" aber sagen Sie noch keinem Menschen etwas als mir.

    Bei Lesung Ihres Artikels dachte ich daran daß ich Ihnen im­mer zu melden vergaß, die Ludmilla sei seit Feb[r]uar glück­liche Hausfrau eines (Protestant.) Fabrikaufsehers.

    Wenn Sie nur schon hier wären, daß wir mitsammen den Spaziergang zum Bothen in Au machen könnten. Der Schnee auf den Gassen ist geschmolzen, da und dort donnern die letzten Lauinen und alles wird hübsch und steht auf und jubelt und ich froh mit, denn auch ich hab nun Sonnenschein und Frühlingsluft so daß es meine Schuld ist wenn ich nicht wachse. Ihr Wegweiser war übrigens ungenau. Mein Vater gehörte zu den aufstrebenden Oberdörflern und mein Häus­chen mit dem Wingolf, so nenne ich mein Schreibzimmer­chen, das ich mir vor 2 Jahren wenigstens wohnlich einrich­tete, steht neben dem Wegweiser „nach Schröcken". Das können Sie Ihren Freunden sagen, wenn etwa einer der­selben mich mit einem Besuch erfreuen wollte. Hier lebe, lache, liebe und schwitze ich. Hier sorge ich an schönen Tagen mir und den Meinen ums Brot damit ich an Trüben in einer ändern weniger düstern Welt ungestört leben und schaffen könne.

    So wird einem Bäuerlein

    Sonnenschein und Regen Durch Beruf

    und Neigung stets Nur zu Lust und

    Segen.

    Doch es sind nun genug meiner Gedichte abgeschrieben Mit tausend Grüßen

    Ihr Felder

     

    Frohe Wanderschaft

    Pfarrdorf Sonntag den 24 Fbr. 1867

    Willst du reisen froh wie ich Meide das

    Gepäcke Dieb und Schmeichler kümmern sich

    Nur um volle Säcke.

     

    Reich o Freund ersetzet dann Deines Glücks

    Genossen Wer dem armen Wandersmann

    Nicht die Thür verschlossen.

     

    Ohne dich zu achten fährt Stolz und Neid

    vorüber Wer sich jetzt noch treu bewährt, Sei

    dir um so lieber.

     

    Fröhlich gehts durchs Leben hin Auf dem Pfad

    der Weisen Leicht Gepäck und leichten Sinn

    Macht ein lustig reisen.

     

     

    Regenwetter

     

    Alle loben schönes Wetter Und den lieben

    Sonnenschein Darum schrein sie Mord und

    Zeter Wenn der Nebel zieht herein. Aber ich

    bin frohen Muthes Wenn es schüttet, wenn es

    gießt. Auch der Regen hat sein Gutes Dunkle

    Wolken seid gegrüßt.

     

    Lange troken Wochen machen Troken

    Menschen-Knechte nur Wunderselten singen,

    lachen Diese Diener der Natur. Roher wird der

    Menschen Sinnen Nur gerichtet auf Gewinnst

    Und des Hauses Priesterinnen Finden kaum

    noch Zeit zum Dienst.

     

    Da wird nun ein frischer Regen Wie der halb

    verdorrten Flur Auch dem Hause nur zum

    Segen Was schon manches Weib erfuhr. Froh

    erkennet nun der Gatte Was er fern dem

    heimschen Herd Leider schnöd mißachtet

    hatte Seiner Hausfrau hohen Werth.

     

    Einsam schlich an schönen Tagen Ich durchs

    Dorf der Liebsten nach Heute darf man etwas

    wagen Vorwärts unters Regendach*

    Plaudernd schreiten wir nun weiter Keinen

    Menschen kümmert daß Nie noch war ein Tag

    so heiter Und der Regen macht nicht naß.

     

    Nennts darum nicht schlechtes Wetter Es

    bringt Wonn frohen Muth Ruhe für die müden

    Vetter Macht die Söhne fromm und gut Viele

    laue Christen bleiben Vor der Kirche öfter

    stehn Nur der Regen kann sie treiben Daß sie

    selbst zur Predigt gehn.

     

     

    Das Beständige

     

    Es war der Lenz ins Thal gezogen Als ich

    von ihr der Liebsten schied Die Flur glich

    einem Regenbogen Und Lerche sang ihr

    Morgenlied.

     

    Nun sind die Blüthen abgefallen Die

    Fluren ihres Schmucks beraubt, Des

    Waldes Sängern schauderts allen Sie

    fliehn den Baum vom Sturm entlaubt

     

    Mein Mädchen hat vor Freude glühend

    Den Wanderer von fern erschaut Du

    meine Rose, du noch blühend! Rief ich

    voll Freuden überlaut.

     

    O sprach die Gute froh und drückte

    Zum Gruße herzlich mir die Hand, Von

    allem was die Erde schmückte Hat nichts

    Geliebter, nichts Bestand.

     

    Und so wird mit dem Lauf der Jahre

    Was noch so schön geblüht vergehn

    Doch ewig theurer wird das Wahre Das

    Glück der Liebe fortbestehn!

     

     

    Di vorliobt Wäldare

    Am Tag nach der Kirchweih 1860

     

    1    Gestn Gestn Annilee Gestn ischt äs rar

    gsin! Ih und Nazis Tunile Seand a

    zeachods Paar gsin



    5    Bessor viel äs Bier und Win Lioblichor äs s

    Gigo Seand mor sinne Wöatle gsin Doch ih

    wills vorschwigo

     

    Frühor hean ih vilmol dinkt Tuni war a Rehta

    Welar dea dor Herrgott schinkt Die heats

    nümma schlehta.

     

    Vielmal ischt meor ku in Sea Ischts Gottswill so

    gschiohts dinn, Babol hett o ou geen ghea Die

    hat gseit Ma siehts din!

     

    Und itz sioht mas, win ma wil Babol siohts und

    andor Jau mit Tunin wärod vil Geen aluo

    salbandor.

     

    Christi! ischt ar zum Voarus Jede thät o grüozo

    Giong geen mit is gmaulot Hus Föor o z kocho,

    z büotzo

     

    1    Gestern Gestern (heiliges Annchen) (Ausruf der

    Freude, Annelee,  2 Gestern ist es herrlich

    gewesen  3 Ich und Nazis Tonchen 4 Sind ein

    zechendes Paar (zusammen im Wirtshaus)

    gewesen   5 Besser viel als Bier und Wein  6

    Lieblicher als das Geigen (die Musik)   7 Sind

    mir seine Wörther gewe­sen, doch ich will sie

    verschweigen.

     

    Ich weis diesen häufig vorkommenden Ausruf

    Annelee nicht anders zu erklären.

     

    9    Früher hab ich vielmal gedenkt (gedacht)

    10                Toni war ein rechter. Welcher

    11  den der Herrgott schenkt, die

    12                hats nicht mehr schlecht (im Allgemeinen)

    13                Vielmal ists mir (gekommen) in den Sinn  14 Ist es Gottes Wille so geschiehts noch   15 Barbara hätt ihn auch gern gehabt 16 Sie hat gesagt: Man siehts dann

    allgemein   übliche   Redensart

     

    17                Und jetzt siehts mans wen man will

    18                Barbara siehts und andere

    19                Ja mit Anton wären viele

    20                Gern allein selbander,

    21  Christlich ist er zum Voraus

    22                Jede thät ihn grüßen, er wäre willkommen

    23                Ginge gern mit (ihm) ins gemahlte Haus

    24                Für ihn zu kochen und (sogar) alte Kleider zu flicken.

    Nachschrift

    Dieses Gedicht entstand in einer Zeit, wo ich noch etwas leidenschaftlich den Materialismus hervorzuheben pflegte.

     

    Die Heimath Entstand im Frühling 1859.

    Ins Thälchen von Hügeln umkettet Hatt sich

    noch die Freiheit gerettet Und bringet uns

    Wonne und Glück. Ihr alle des Weltgewühls

    Müden O kommt in die Heimat des Frieden Zur

    Einfalt der Väter zurück!

     

    Laßt Thoren den Thoren befehlen Einander die

    Freude sich stehlen Und fliehet zur Mutter

    Natur. Die Lämmer, so frei aller Sorgen O

    sehet sie hüpfen auch Morgen Wie heute auf

    grünender Flur.

     

    Hüpft fröhlich durchs Leben und pflücket Was

    jeden von Herzen beglücket Und bringt es

    zum Kranze herbei. Es lebe was Kräfte und

    Leben Noch fühlet zu muthigem Streben Ihm

    lacht noch der freundliche Maj.

     

    Ich war ja das Beste gegeben Den Samen fürs

    glückliche Leben Beliebig zu streun ins

    Geschick. Ins Thälchen von Hügeln umkettet

    Hat sich noch die Freiheit gerettet Und bringet

    uns Wonne und Glück.

     

    Mit herzlichem Gruß an Sie und die lieben Ihrigen

    Anna Katharina Moosbrugger

    oder das Sie freudig erwartende Wibli

     

    * Regenschirm

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 16. April 1867

    Lieber Freund!

    Dein letztes Schreiben hab ich nicht ohne Bewegung gelesen. Du bist besorgt wie genau vor einem Jahr, wie Du Hilde­branden den Erbärmlichen nanntest und mir seinen ersten Brief mit einem Begleitschreiben zuschicktest, welches mich nur als ein Beweis, ein Ausdruck Deiner Freundschaft freute. Der Sozialdemokrat hat den Grundsatz, immer da hinauszuspringen, wo eine Lücke offen ist, aber nicht der Lücke, sondern der Freiheit wegen. Kann ich dafür, wenn ein Keil aus dem, was er von mir hörte, nun macht, was er will. Ich habe gesagt: Sein Blatt, die Gartenlaube, hat mich zuerst auf unsere Kulturschätze aufmerksam gemacht. Hab ich denn das nicht an Hildebrand schreiben dürfen? Was kann ich, was kann er dafür, daß Keil das für sich so nimmt, wie er - der Händler - es braucht? Wenn Goethe jede falsche Auslegung hätte berichtigen wollen, würde sein Wirken bald nur noch ein Kampf mit Verehrern, Gönnern und Gegnern gewesen sein.

    Ich traue der deutschen Kritik zu, daß jene Notiz, die auch uns ärgerte, schon nach dem Erscheinen der Sonderlinge berichtigt wird, sonst allerdings müßte ich selbst es tun, aber, Freund, erst wenn ich einmal so viel Boden hätte, daß meine Berichtigung nicht mehr lächerlich wäre. Ich werde mich von jedem unterstützen lassen, kann auch jetzt noch nichts machen, wenn er's auf seine Weise tut, aber meine Werke sollen erzählen, wer und was ich bin und nicht bin. Zur Illustration der jetzigen Lage übersende ich Dir erstens einen Auszug aus einem Schreiben des Dichters Scheffel über das Schwarzokaspale und seinen Verfasser, zweitens eine Notiz aus dem ersten wissenschaftlichen Blatt Englands (Du kennst es aus der Allgemeinen), das Du Dir vielleicht übersetzen lassen kannst. Es soll das sagen, was das Augsburger Blatt sagte. Drittens einen Brief Hildebrands, aus dem Du siehst, daß er selbst mit Keil übers Kreuz ist, und auch manches andere könntest Du darin sehen. Die Stelle, deren er zuletzt gedenkt, lautete in meinem Briefe beiläufig so: „Unsere Leihbibliothek gedeiht und macht mir mächtige Feinde. Ich danke dem Himmel, daß er durch Sie mich aus der Enge führt und mir Boden für mein Tun schafft, denn die gemeinen Mittel der Gegner haben schon manchen, der den Kampf allein führen wollte, herabgedrückt und zum Sinken gebracht. Ich aber stehe, gottlob, fest, kann mich an andere halten, und andere halten sich auch an mich." Ich glaubte, Dir diese Stelle gleich mitteilen zu sollen, obwohl ich eigentlich Deine Warnungsrufe nicht fürchte, sondern von Herzen wünsche, da ich oft fühle, wie nötig sie mir sind. Das ist heilige Wahr­heit, und nun denke Dir, was man aus dieser Stelle wieder machen könnte, wenn man gewisse Zwecke zu erreichen glaubte. Ich kann einmal keine Geschäftsbriefe schreiben, weder an Dich noch an andere. Wo mein Inneres nicht beteiligt ist, schreib ich gar nicht.

    Eigenheiten bleiben haften, Drum kultiviere Deine Eigenschaften.

    (Goethe)

    Den Tannberger Aufsatz wird Keil für die Gartenlaube zu lang gefunden haben. Mich hat's, wie Hildebranden, geärgert, daß Keil so eigenmächtig verfuhr. Laß mich nur einmal fest stehen, dann werde ich mit ihm rechnen. Wenn Hildebrand recht hat, werde ich das bald können. Jetzt muß ich mir noch den erbärmlichen Spruch: Klimpern gehört zürn Handwerk, gefallen lassen.

    Das zur Klarstellung und hoffentlich zur Beseitigung des Miß­trauens, das mir denn doch einesteils ein bißchen weh tut. Vor vierzehn Tagen hab ich einen Artikel „Heilsgeschäfte" an Hildebrand geschickt, aber wie die Sachen jetzt stehen, ist's zweifelhaft, ob er in die Gartenlaube kommt. Er be­handelt, wie der Titel sagt, die Heilsgeschäfte und ihre dazu abgemalten Diener, den Gebet- und Meßhandel; die Lohn­wallfahrterin, das Auftreten eines für alte Bücher Reisenden, wie wir es hier sehen mußten. Das Heilsgeschäft ist dort nicht halb so gemein dargestellt, als unser Pfarrer es am letzten Sonntag illustrierte, doch davon vielleicht später, ich darf mir durch diese Herrn und ihre Erbärmlichkeit die Stimmung nicht verderben lassen, nicht mit ihren unglaublich elenden Waffen, sondern in und mit Deutschland will ich sie be­kämpfen. Du kannst Dir nicht vorstellen, was es hier zu erleben gibt. Durch das ganze Land hat die fromme Partei mich als den Verfasser der Klarstellung und einer Schrift, die gar nicht einmal gedruckt werden durfte, an den Pranger stellen, mich begeifern und ganz Schoppernau mit Ausnahme von drei Männern, Rößlewirt, Greber und einem Schnepf­auer, verdammen müssen. Ich stehe trotz meinem Anhang oft allein und muß wahrlich froh sein, daß ich anderwärts Boden gewinne. Wer weiß, wie ich bin, wird sich mit mir freuen. Hier sind die Leute noch nicht reif. Ich bin froh, daß sie einmal gerüttelt und gesondert werden, ihnen schadet's nichts, und ich werde anderwärts aufstehen, wenn ich hier sinken sollte. Ich kann das Hetzen der Schwarzen bisher nicht begreifen. Es ist, ob schon ein Sturm aus den Sonderlingen sie angeweht hätte.

    Doch für heute nichts mehr, als daß ich auf dringendes Anraten meiner Freunde an die Türe meines Arbeitszimmers ein besseres Schloß bekommen mußte. So ein Schloß ist zuweilen gut, um Vorkommnisse wie die Entwendung der Schriften in Bezau zu vermeiden. Mit Frau Feurstein bin ich nicht zufrieden. Ich bin erst jetzt froh, daß ich Dir im Herbst nicht folgte, als Du mir befahlst, dem Mann Deinen Brief zu schicken.

    Dem Artikel Hildebrands muß ich etwas lang entgegensehen. Jedenfalls ist er gut gemeint; aber wie wird sich das äußern? Nun, man wird sehen. Ich betrachte alles eben als Ereignis, erwarte auch von Dir das Beharren auf dem Standpunkt der Objektivität. Da ist's möglich, sogar vom Autodidakt gelassen zu lesen und zu bemerken, daß Keil denn doch nicht ganz deutlich zu sagen wagte, was er eigentlich sagen wollte, Dir scheint das entgangen zu sein, sonst würdest Du mich nicht zur Rechenschaft gezogen haben, besonders da ich Dir schrieb, ich hätte damals, als jene Nummer 10 erschien, mit Keil noch gar nicht verkehrt, daher von jener Anfrage nach meinen Bildungsmitteln noch gar nicht die Rede sein konnte.

    Ob Hildebrand durch Deinen Rechtsstandpunkt darauf kam, Dich ein Original zu nennen, ist eine Frage, die ich nicht zu beantworten vermag. Mein jetziger Roman hat in der Form eine Änderung des ursprünglichen, künstlerisch allzu freien Planes erlebt. Ich bin begierig, was daraus werden wird. Von ändern Plänen ein anderes Mal und auch von der Vieh­versicherung, deren Statuten wir erst erhalten und noch nicht durchgelesen haben. Moosbrugger, der alte Vorsteher, ist für die von mir begründete Assekuranz. Meine Meinung sollst Du das nächste Mal hören. Ich möchte mein Werk einem besseren größeren gemeinsamem opfern, das ist mein Stand­punkt, von dem aus ich mein hausbackenes Urteil loslassen werde.

    Die drei Beilagen, womöglich mit einer Übersetzung von Nr. 2, wirst Du mir bald mit Antwort und Urteil zurück­schicken. Über die von Hildebrand erwähnte Reise hab ich noch nichts beschlossen. Sie setzt vor allem eine zweite Auflage der Sonderlinge voraus, die H. bestimmt in Aussicht stellt. Jedenfalls war's mir angenehm und erfreulich, mit ihm zu reisen und wohl manche werte bedeutende Bekanntschaft zu machen. Ich lasse jetzt das alles kommen und arbeite unterdessen getrost und unbekümmert um den Staub, der aufgewühlt wird. Nicht die Krittler und Lober, ich selbst muß mir ein Denkmal setzen oder ich will gar keins. Beschäftigung und der Umgang mit den Musen beruhigt mein Gemüt, wenn die böse Welt den Bauern auf Abwege lockt und seine Leidenschaften weckt. Das ist mein Gottesdienst, meine Welt. Ich bin nicht wie Du, aber immer mit Brudergruß und Hand­schlag Dein Freund

    Felder Schreibe bald!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 14. April 1867

    Lieber Freund

    Dein letztes Schreiben hab ich als einen herzlichen Ausdruck Deiner Freundschaft mit Vergnügen gelesen. Ich wußte ziem­lich bestimmt, daß Dir der Autodidakt die Stimmung verder­ben werde wie mir und meinen Freunden. Der Satz ist von Keil, ohne daß er vorher an mich schrieb, auf die Nachricht hin in das Blatt gekommen, daß die Gartenlaube mir zuerst Kunde von der Welt, von den in Jahrtausenden errungenen Kulturschätzen brachte. Wenn Du den Satz aufmerksam durchliesest, wirst Du finden was Keil daraus machen wollte aber sich dann schließlich doch nicht recht getraute. Sollte ich nun gleich gegen ihn auftretten, oder ihn durch die That widerlegen wo er zu weit geht? Ich habe das Letzte vorgezo­gen da ja eben der Beweis erscheint und Hildebrands Freunde schon für eine Berichtigung sorgen werden. Ich habe mich gottlob daran gewöhnt, die Meinungen über mich sich klären zu lassen ohne daß ich drein schlage und mit dem Bad auch das Kind ausschütte.

    Ists doch jeder gewöhnt, lieber sich selbst aus einem Buch oder einem Brief herauszulesen statt dem Schreiber; ich fürchte, Du werdest das an meinen und Deinen Arbeiten noch oft erleben. Auch Dein Mißtrauen gegen meine Aussich­ten spricht mir ein wenig dafür und ich freue mich, Dir sagen zu können, daß es meines Wissens ganz unbegründet ist. Für die Aufnahme der Sonderlinge sind die günstigsten Vorzei­chen da; man redet mir schon von einer Übersetzung ins eng­lische, die Übersetzerin ist bereits gefunden. Es ist die, die auch den Auerbach übertrug. Man wird sehen wenn ich im Sommer nach Leipzig bin. Hildebrand kommt nämlich im Juli, bleibt einige Wochen da und will mich dann mitnehmen um mich auf dem Weg auch mit seinen Freunden in Augsburg, Stuttgart Frankfurt Weimar u a O bekannt zu machen. Heut hab ich einen Brief des Dichters Scheffel über meine Arbeiten gelesen; derselbe verspricht mir eine große Zukunft, was mich von diesem mehr freut, als von hundert Anderen Literät­lein.

    Mein Tannberger Aufsatz ist schon, aber nicht in der Garten­laube, sondern in der Europa erschienen. Überhaupt sind Hil­debrand und Keil meinetwegen übers Kreuz gekommen. Der Erstere hat einen Artikel über mich für die Gartenlaube geschrieben und ist nun in der übelsten Stimmung daß Keil beim Coregiren so eigenmächtig damit verfuhr. Hildebrand beklagt die jetzige Geschmacklosigkeit und will in mir den Mann sehen, der da reformierend auftretten könne. Das wird genug sein daß Du Dich mit mir freust, daß ich ein Feld gefunden hab für meine Thatenlust. Nur da im Kampf mit dem täglich elendern Pfaffenthum gieng ich jetzt zu Grund wenn ich noch so abgeschlossen wäre wie früher und das verdanke ich Hildebrand und den Seinen. Hier hat unter denen, die es konnten, als Schriftsteller kein Mensch außer Dir etwas für mich gethan, und jetzt würde es bald noch schlimmer wer­den.

    Und nun genug von dem, vom Pf äffen klatsch mag ich gar nicht mehr reden. Ich bin froh, daß ich meine Arbeit daheim meinen Boden aber einstweilen nicht nur im engeren Vater­ländchen habe. Du wirst meine Stimmung heute kaum ver­stehen denn Du lebst nicht hier und hast Deine Seele noch nicht verkauft für lutherisches Geld.

    Die erwähnten Statuten hab ich erst erhalten und so wenig als Andere noch gelesen. Ich kann Dir also erst später davon schreiben.

    „Reich und arm" wurden im Plan etwas geändert, die Rich­tung bleibt die Alte was Du mir denn doch endlich für ein und allemal glauben solltest.

    Ich hab kaum noch Zeit, Schrift und Stil zu entschuldigen denn der Bothe wartet und ich bin noch nicht fertig mit Brief­schreiben. Leb wol Dein Freund

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 11. April 1867

    Sehr geehrter Herr Felder!

    Zuvörderst habe ich um Entschuldigung zu bitten, daß ich erst heute meiner Pflicht nachkomme. Dringende Redaktions­arbeiten u. leider auch mehrtägiges Unwohlsein machten die frühere Beantwortung Ihrer beiden liebenswürdigen Zuschrif­ten unmöglich, welche Verzögerung Sie wohl freundlichst entschuldigen.

    Ich komme dagegen heute nicht mit leeren Händen. Das mir gütigst übersandte Manuscript war meiner Überzeugung nach doch nicht ganz für die Gartenlaube geeignet, da die darin gegebene Schilderung eine Kenntniß des Bregenzer Waldes voraussetzt, die ein sehr großer Theil meiner Leser schwerlich besitzt. Ich habe mir deßhalb erlaubt, den Beitrag der eben­falls in meinem Verlage erscheinenden Zeitschrift „Europa" zu überweisen u. finden Sie d. Abdruck in den anliegenden beiden Nummern. Freilich ist die in einer Auflage von nur 1000 Ex. erscheinende „Europa" nicht im Stande das hohe Honorar der Gartenlaube zu zahlen, indeß werden Sie bei diesem ersten, aus freien Stücken eingesandten Beitrag doch weniger den merkantilischen Maaßstab anlegen u. sich mit dem begnügen, was als höchstes Honorar d. Redaktion zu zahlen vermag.

    Auf meine Veranlassung hat Herr Doktor Hildebrand sein erstes Begegnen mit Ihnen geschildert u. für d. Gartenlaube bearbeitet. Von d. morgenden Tage ab, wo die beifolgende Nummer ausgegeben wird, nennt man Ihren Namen auf der ganzen bewohnten Erde, da selbst nach Asien u. Afrika, wohin sonst wenige deutsche Literatur sich verirrt, Ex. der Garten­laube in ziemlicher Anzahl versendet werden. Von allen Sei­ten werden Ihnen von jetzt ab Glückwünsche u. Anerbieten zuströmen - möge Ihnen d. Himmel beistehen, daß dadurch Ihr schönes Talent nicht gestört u. eingeengt werde. Wenn Sie d. Gartenlaube ein wenig lieb haben u. behalten, was ich wohl hoffen darf, so erfreuen Sie mich recht bald mit einem neuen Beitrag, aber wenn ich bitten darf, von etwas kleinerem Umfang als d. erstgesandten. An Stoffen kann es Ihnen nicht fehlen. Ein Winter im Gebirge - ein Erlebniß auf d. Schneehöhen - Schilderung von Land u. Leuten, vielleicht auch die frische u. lebensvolle Beschreibung eines industriel­len Etablissements des Bregenzer Waldes, das poetische Cha­rakterbild eines Voralberger Bauern-Originals - das Alles sind Stoffe, die sich unter Ihrer Hand zu ansprechenden abgerun­deten Bildern formen werden. Erfreuen Sie micht recht bald mit einer Zusendung. Mit den besten Grüßen Ihr ergebener

    Ernst Keil

    Ernst Keil
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 11. April 1867

    Lieber Freund!

    Wegen der Gespräche bin ich mit Deinem Vorhaben einver­standen. Ich bin überhaupt in unserer Gemeinsache für eine zuwartende Haltung. Es stürmen und drängen bereits die Ereignisse und predigen lauter, als wir es vermögen, die Wahrheit unserer Thesen. Die Zeit wird uns recht geben. Die Mitbürger stehen noch zu tief, um in Reih und Glied auf bessere Zustände hinzuarbeiten. In dem Kunz'schen Brief liegt daher viel Wahres. Wir haben nun allerdings Zeit, auch mit dem Gemüt zu rechnen, wenn es bisher nicht geschehen sein sollte. Das allgemeine Vernunftarrangement mag aber immerhin den Rahmen für das Gemütliche geben. Es ist demnach schön und recht, wenn Du Novellen und überhaupt für die Gartenlaube schreibst, aber daß Du Erklärungen abgibst, die den Keil zu der ergänzenden Mitteilung in Nr. 10 „Ein Autodidakt" berechtigen, das hielte ich weder für schön noch für recht. So etwas ließe ich mir um viel Geld von der Gartenlaube nicht nachsagen, geschweige, daß ich es selbst sagte. Was sollen denkende Leute von Dir halten, wenn nur dieses Blatt Dich so gefördert und geweckt hat? Derartige Vorkommnisse, wenn Du sie gelten läßt, müssen Dich notwendig untergraben. Das Urteil Feursteins über Bickel sagt mir, daß Feurstein ein oberflächlicher Mensch ist und nicht imstande, den Kern unter der Schale zu finden. Wenn Hildebrand mich für ein Original hält, hat er sich im Gebiet des Rechts nicht viel umgesehen. ­Den Goethe magst Du dem Doktor geben, da ich keine Bücher kaufen will, die ich wahrscheinlich nicht mehr lese. -

    Was nehmen die Wälder für eine Haltung gegenüber der Viehversicherung unseres Landes ein und wie gedenkst Du es mit Deiner Versicherung zu halten? Die Antwort hierüber ist mir interessant, weil ich mit den hiesigen Weisen deshalb schon in Konflikt gekommen bin. Was sagst Du zu den Statuten? - Ich hatte schon länger vor, der Redaktion des Sozialdemokraten mehreres zu schreiben, aber mein der­zeitiger Objektivismus ließ mich nicht einmal zur weiteren Bestellung des Blattes kommen. Wenn ich einmal zum Schrei­ben komme, werde ich Dir es vor der Einsendung zuschicken. Ich wünschte, von der Dir in Leipzig eröffneten Zukunft Details zu wissen und hoffe, daß Du Dich nicht von der dortigen Bourgeoisie zu stark beeinflussen lassest. ­Sage den Meinigen in Au, daß ich den Butter und Käs von Jakob richtig erhalten habe und bis Herbst auszukommen hoffe, wonach ich frühlings nichts mehr brauche. Sage ihnen auch, daß ich es bedaure, daß sie nicht die letzten Jahre schon, wie ich beantragt habe, wacker Vieh gezogen haben, da jetzt selbes sehr teuer /: teurer als verhältnismäßig die Viehprodukte :/ ist und auf den Sommer sehr schwer zu bekommen sein wird. Der Pius soll heiraten und nicht auf Geld, sondern auf Tüchtigkeit schauen. Alles gesund. Mit Gruß und Handschlag, baldiges Schreiben erwartend, Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 7. April 1867

    Liebster Freund,

    Heute muß ich an Sie schreiben. Wenn der Himmel nicht hartnäckig nebelgrau wäre, würd ich spazieren gehn; aber es will dießmal durchaus nicht Frühling werden, die Büsche in unsern sehr schönen und ausgedehnten Stadtanlagen put­zen sich zwar schon grün und thun damit was sie können, aber die Luft ist noch rauh oder der Himmel grau, und die Büsche und Bäume und die Amseln und Staare und ihre Brü­der darin thun einem leid, sie müssen denken es ist dießmal ein falscher Kalender ausgegeben worden. So will ich denn ein Stündchen mit Ihnen verschwatzen, da wird mirs auch wie Lenz.

    Ich hab aber auch mancherlei zu berichten, darunter auch eine Sünde zu beichten.

    Zuerst die Meldung, daß die Druckerei nun endlich mit den Sonderlingen fertig ist. Es ist damit zuletzt langsamer vorge­gangen worden, jedenfalls weil Hirzel sie nicht vor Ostern ausgeben will, aus buchhändlerischen Rücksichten: Die Sor­timenter haben vor Ostern zu viel mit den sog. Remittenden (Krebsen) zu thun und lassen darum die sog. Novitäten ohne­hin gewöhnlich liegen. Übrigens war im März und Februar mit dem Satz so rasch verfahren worden, daß ich Wochen lang hintereinander täglich einen Bogen zur Revision erhielt - das war ein Vergnügen für mich, zumal ich diese Neben­arbeit zum Glück ohne Beschwerde in die fortgehende Wör­terbuchsarbeit einflicken konnte. Mit welcher Freude sah ich so rasch das Werk, dessen Inslebentreten mir so lange als Sorge auf dem Herzen gelegen, nun Schritt für Schritt oder Stück für Stück gleichsam über die Schwelle heraus­treten an das Licht des buchhändlerischen Daseins. Ich wollte, die Arbeit wäre mir nie alle geworden, und als sie alle war, hab ich mir ernstlich gleich Ihr neues Werk ebenso unter die Hand gewünscht, auf das ich unsäglich gespannt bin, und nicht nur ich, alle meine nächsten Freundeskreise mit mir, die überhaupt ein ganzes Häuflein von innigen An­hängern und Freunden von Ihnen darstellen. Sie schrieben doch schon vor Wochen von 30 bereits geschriebenen Bo­gen? Nur die Namen der Helden, offen gestanden, wollen uns nicht munden, besonders der Strickerpeter führt - viel­leicht nur für Andere als Ihre Landsleute - etwas Derbes, Grobes und Lächerliches mit sich, soll er das? Von den Son­derlingen bekam ich gestern freudig das Letzte im Reindruck, dabei zwei hübsche grüne Umschläge, auch ein Carton für Bd. 1 S. 61, wo das Wort ausgefallen war; einen ändern Druckfehler hab ich auf dem letzten Blatte noch berichtigt. Aber ist nicht auch das ihnen auf S. 64 des 2. Bandes ein Fehler? muß es nicht heißen: als aberMariann . .. freundlich mit ihm redete? Es stand doch so (ihnen) im Manuscript. Bestellungen auf die Sonderlinge laufen schon seit Wochen ein, z. B. vor 14 Tagen waren zwei aus Bamberg auf einmal gekommen, auch eine Anfrage von Gerold aus Wien an Hirzel, was denn an den Zeitungsnachrichten von dem Bre­genzerwälder Bauerndichter wäre? Diese Nachricht ist nun übrigens auch schon nach England gekommen, ich schicke sie Ihnen mit, wie mir sie Dr. Flügel gegeben hat, es ist die Nachricht aus der Augsburger mit geringer Umänderung. Ich träume darauf hin schon von einer Übersetzung ins Englische, wie z. B. Auerbachs Auf der Höhe kürzlich englisch erschie­nen ist, gedruckt hier in Leipzig bei Tauchnitz, übersetzt von einer in Heidelberg lebenden Engländerin, die zufällig mit Dr. Flügel bekannt geworden ist (eben dadurch) und diesen Sommer zum Besuch nach Leipzig kommt; da wird sichs vielleicht machen lassen, daß sie auch Ihre Sonderlinge vor­nimmt. Sind doch auch Freytags beide Romane ins Englische übersetzt worden, sogar zweimal, wie auch ins Französische, Holländische, Ungarische, Polnische, Italiänische u.s.w. Das Neueste ist, daß ich heute früh auf dem Cafe Ihren Tannberg gedruckt gelesen habe; ein Freund, Mitglied mei­nes altdeutschen Clubs, hatte die Nachricht von einem Freunde erhalten und ich eilte, mich zu überzeugen. Aber wissen Sie wo? nicht in der Gartenlaube! in der Europa, die ja auch in Keils Verlag ist! Mich ärgert das, er hat es also für die Gartenlaube nicht passend gefunden! Ich muß von ihm selbst erfahren, warum, und werd ihm nächstens meinen Besuch machen. Oder hat er bei Ihnen darum angefragt? Das hätte sich wenigstens gehört, und die versprochenen 100 Gulden sollte er Ihnen doch trotzdem auch zahlen, der Mann der förmlich im eingehenden Gelde schwimmt (in 230000 Exempl. wird jetzt die Gartenl. gedruckt). Übrigens nimmt sich Ihr Aufsatz in der Europa ganz gut aus, ich freue mich drauf, mit Dr. Steger (er ist aus Braunschweig) näch­stens einmal darüber zu reden, er hat mich dieser Tage auch um Ihre Briefe mahnen lassen zu einem Aufsatz über Sie. Doch das wird nun kaum noch nöthig oder thunlich sein; ich habe sie nämlich neulich selbst schon verarbeitet, und das ist die Sünde die ich zu beichten habe. Keil drängte mich förmlich darum, und so gieng ich denn dran, nachdem ich Hirzels Zustimmung eingeholt hatte. Am Charfreitag wird die Nummer erscheinen, in der 7 Spalten lang ein Aufsatz von mir über Sie steht. Er ist mir theilweis nicht nach Wunsch gelungen, weil er in der Klemme zwischen Keils und des Wörterbuchs Drängen gemacht werden mußte und ich nicht völlig über die rechte Stimmung gebot; zwischen dem wis­senschaftlichen Stil und dem Gartenlaubenstil ist aber eine gar zu große Kluft, und ich bin ja in dem zweiten Sattel gar nicht zu Hause. Auch hat mir Keil zu meinem Ärger noch viel gestrichen, was vorbereitend von Ihrem Ländchen han­delte und dem Leser die Stimmung geben sollte, in der ich damals an Sie kam. Ich bin ordentlich böse auf die Garten­laube und bereue beinahe meine Arbeit: was ist den Herren dort Stimmung! pikante Thatsachen wollen sie haben, das ist das Futter für ihre abgestumpften Gaumen. Ich habe Kampf gehabt, um Titel abzuwehren wie: Ein Dichter im Bauernkit­tel! Die Überschrift, die ich gesetzt hatte, war durchaus nicht durchzubringen, dreimal sind nur deshalb am Donnerstag Briefe hin und hergegangen zwischen mir und dem Garten­laubenschlosse. Auch Ihr Tannberg ist Keiln oder seinem Redacteur sicher nicht pikant genug gewesen (mich dauert nur die schöne Zeichnung); ich fühlte das voraus und hab ihn deshalb so lange bei mir liegen lassen. Ich dachte bei mir, als ich heute Mittag vom Cafe national, meiner alten Stammkneipe, heim gieng: Wie dem Tannberg, so wäre es vermutlich auch den Sonderlingen gegangen, wenn die Ent­scheidung allein dem Geschmack der Verleger überlassen geblieben wäre. Unser ganzes Lesepublicum hat augenblick­lich, mit nicht vielen Ausnahmen, einen verdorbenen, über­reizten Gaumen, daß ihm das Echte, was Sie bieten, fade schmeckt. Gut daß Sie kommen, um der deutschen Lesewelt einmal wieder zu zeigen, was echte, ewige Natur ist. Ich fühle mich glücklich, dabei als Helfer etwas thun zu können, mir ists jetzt manchmal als könnte bei der merkwürdigen Kette von Zufällen, die uns zusammengeführt hat, wol gar ­eine höhere Hand im Spiele sein, das ist so ein verwegener Kindergedanke, aber ein hübscher. Ich würde ihn auch nicht aussprechen, hätten mir ihn nicht Andere ins Gesicht gesagt. So am Freitag Abend. Da erstattete ich Bericht über Sie in einer Gesellschaft, deren Mitglied und langjähriger Vorsteher ich bin. Sie dient dem Vergnügen, mit Gesang, Declamation, Vorstellungen aller Art (auch Theater haben wir schon ge­spielt), Tanz und Schmaus u.s.w., und nennt sich Sinecura; ich habe sie i.J. 1851 mit gegründet, die Mitglieder sind vor­wiegend Lehrer. Da erzählte ich denn von meinem Bekannt­werden mit Ihnen und von Ihnen und las zwei Ihrer Briefe vor - die Wirkung war eine zündende, bei Männlein und Weiblein, die nach und nach sogar die Stricknadeln ruhen ließen, wie mir nachher meine Frau berichtete. Hält ich die Äußerungen alle niederschreiben können, die nachher um mich fielen, auch von Solchen die sonst immer als Flache erscheinen, Sie würden staunen; der verdorbene Gaumen war auf einmal - gesund. Ich hatte die Aushängebogen der Sonderlinge mit, und nun war keine Ruhe, ich mußte auch daraus vorlesen,obwol es vor Gesang und Pianofortevorträ­gen dazu zu spät geworden war. Ich mußte mich wieder an mein Tischchen setzen und nahm die Geschichte dran, wie Franz vor Mariannens Fenster erscheint und dann das Schä­ferstündchen mit Kälbern und Reisigbündel zu Besen. Die Spannung war dieselbe, die meisten saßen mit vorgebeugtem Oberleibe da, alle Stricknadeln ruhten, ich sehe plötzlich nach der Uhr und finde 7 Minuten vor Mitternacht und er­kläre das mit Schreck. „Ich erkläre mich in Permanenz" rief ein sonst etwas im Pikanten stark Verlorener, Advocat Krug. So las ich bis ein Viertel nach Mitternacht, und es kam neue Ernde von Dank und Freude, wie ichs noch kaum oder nicht erfahren beim Vorlesen. Ich habe noch nicht so erlebt, was es heißt, eine Gesellschaft elektrisiren. Manche erklärten, sie hätten die ganze Nacht zuhören wollen. Es waren etwa 60 Personen. Eine Dame, die mit uns nach Hause gieng, Frau Obersteuercontroleur Schwede, gestand mir unterwegs, sie hätte den Einfall gehabt, wir sollten gleich auf der Stelle eine Dankadresse an Sie aufsetzen und sie alle unterschreiben. Nehmen Sie es für geschehen an, da es nun nicht mehr aus­zuführen sein wird, weil das der letzte Unterhaltungsabend für diesen Winter war. Frau Schwede hat mir auch auf die Seele gebunden, wenn Sie - nach Leipzig kämen, sie ja mit Ihnen bekannt zu machen, und habe ihr das feierlich ver­sprochen. Sie sind nun so schon in drei Kreisen, denen ich ähnlich angehöre, als Gast versprochen, in der Sinecure, im Germanistenclub, und in unserm Hinterhause, wie ichs scherzhaft stolz nenne. Das ist derselbe Familienkreis aus unserm Hause, deren Namen ich Ihnen schon einmal ge­schrieben habe. Da les ich heute Abend das vorletzte Kapi­tel des 2. Bandes, meine Kinder könnens nicht erwarten, wer denn den Sepp aus dem Vorsaß holen wird; Barthle müsse und werde es thun, behaupten sie, und ich freue mich über diese Behauptung. Von mir hören nämlich 3 Kinder zu (Emmy 13 Jahr, Hugo 11 Jahr, Rudolf 9 Jahr), außerdem noch 4 an­dere Kinder, sie werden diese Abende in ihrem Leben nie vergessen. Ein Knabe aus dem Hause, der sonst nicht dabei war, hatte sichs neulich zu seinem Geburtstag als Gunst mit ausgebeten, zuhören zu dürfen, ein Deutsch-Amerikaner 11 Jahre alt.

    Ja, Ihr Besuch in Leipzig wird immer mehr eine moralische Notwendigkeit, und auch die von mir dafür gestellte Vor­aussetzung wird wol nicht lange auf sich warten lassen. Ich komme im Juli bestimmt nach Schoppernau (wenn Friede und Gesundheit es erlauben) und dann - nehm ich Sie gleich mit nach Leipzig, damit Sie unter meiner Führung Augsburg, Nürnberg, Weimar kennen lernen, und wir werden da so ziemlich überall liebe Freunde finden, die uns den Besuch mit Geist und Gemüth und Ortskenntniß weihen helfen. In Weimar hab ich Sie schon angemeldet bei Dr. Reinhold Köh­ler, Bibliothekar an der großherz. Bibliothek, ein Herzens­freund von mir, der mein Interesse an Ihnen theilt. Doch ich muß schließen. Merkwürdig ist mir Ihre neuliche Äußerung, daß Sie in den Kämpfen dieses Jahres ohne meine haltende Hand untergegangen wären. Ich verstehe das nicht ganz - aber reden wir nicht von Untergehen, von fröhlichem Aufsteigen wollen wir reden! Ich habe seit meinen Jugend­jahren nicht wieder so ein sicheres, fröhlich frisches Blicken in eine - große Zukunft gekannt, wie jetzt, seit ich Sie kenne und seit Bismarck das alte Elend des Vaterlandes ausfegt. Ich schicke Ihnen auch Scheffels Brief mit, mit Bitte um nicht zu späte Rücksendung; die misrathene Photographie von Ihrer Familie möcht ich gar zu gern doch haben, auch Ge­dichte von Ihnen, wenn das liebe Wible sie abschreiben kann, so viel als möglich - wo möglich solche die Sie für die gelungesten und solche die Sie für die wenigst gelungenen halten.

    Herzliche Grüße von den Meinigen und mir (besonders auch von Emmy) an Sie und die Ihrigen, es dauert ja nun nicht lange mehr daß wir uns genauer kennen,

    in treuster Freundschaft Ihr R. Hildebrand.

     

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 4. April 1867

    Lieber Freund!

    In den letzten Wochen haben dichterische Arbeiten und die immer wachsende norddeutsche Korrespondenz mich ganz in Anspruch genommen. Auch heut muß noch manches getan werden und ich habe nur Zeit, ein wenig aufzuräumen. Der erwähnte Pater hat in Au gegen meine Gespräche gepredigt, da er sie wohl nun erschienen wähnte. Das geht aber nicht so schnell. Ich glaube, jetzt wäre zur Veröffentlichung nicht die rechte Zeit, und H. Kunz hab ich, beiliegenden Brief beantwortend, ersucht, mir die Handschrift zu schicken. Je­denfalls werde ich erst die verpredigten Stellen ändern oder mit einer Anmerkung versehen. Die Schwarzen sind noch ärger auf mir, seit ihnen die Notiz in der Gartenlaube Nr. 10 eine Waffe gab. Die Stelle unter: Ein Autodidakt im ge­nannten Blatt ist von Keils eigener Hand. Ich bitte Dich, sie der Merkwürdigkeit wegen zu lesen. Keil hat sich schon vor längerer Zeit an mich gewendet und mich - ein hübsches Honorar versprechend - zur Mitarbeiterschaft eingeladen. Es war also gut, daß Hildebrand den Tannbergeraufsatz noch behielt, denn ich stehe viel besser, da Keil den ersten Schritt mir entgegen machte. Nun befindet sich die Zeichnung zu meinem Aufsatz beim Holzschneider und wird nächstens erscheinen. Die letzten Briefe aus Leipzig eröffnen mir eine schönere Zukunft, als ich sie mir je geträumt hätte. Mit diesem Briefe geht auch einer nach Leipzig ab, dessen Echo Du auch hier noch hören dürftest. Er enthält einen Artikel, der für die Gartenlaube bestimmt ist und ganz gewiß ange­nommen wird, nur hab ich gewünscht, noch ein wenig zu warten. Die Sonderlinge sind vermutlich schon fertig. Der zweite Band hat uns recht erbaut. Die Geistlichen arbeiten dem Roman in ihrer Weise vor. Du glaubst gar nicht, was alles sie über mich unter die Leute bringen, doch ich mag mich heute, von solchen Gemeinheiten erzählend, nicht um die gute Stimmung bringen. Feurstein hat mir vom Landtag berichtet, die Klarstellung hätte ohne den Zehnmillionenplan dem Ganahl nicht übel gefallen. Feurstein ist mit diesen Landesvertretern nicht besonders zufrieden, am wenigsten hat ihm der scheue, ängstliche Bickel gefallen, weil er von dem etwas erwartete. Seyffertitz liest jetzt meinen Lassalle, den ihm Feurstein gegeben, der letztere zeigte mir auch einen Brief, den ersterer - unter dem Eindruck der Broschüre über Verfassungswesen - schrieb: Es finden sich viele treffliche Schlagwörter, die auch bei uns angewendet werden könnten und müßten.

    Über die Klarstellung schrieb mir Hildebrand: Eine interes­sante Schrift, die mich mehr anspricht als die erste. Ihr Schwager muß auch ein Original sein und ein warmherziger Mensch.

    Mit der neuen Arbeit geht's langsam, aber es geht. Früher noch als diese scheint jetzt eine Novelle für die Gartenlaube fertig zu werden. Du wirst den Kopf schütteln und mich einen gemütelnden Duseler schelten. Aber warum immer nur stürmen und drängen? Meine Natur vertrüge das nicht. Zudem darf ich sogar im Interesse der Gleichberechtigung eine so schöne Stellung nicht aufgeben. Die Gartenlaube ist mir viel gewesen und es machte mich glücklich, wenn ich auch ihr etwas werden könnte, versäume also nicht, sie zuweilen durchzublättern und auch in der Nr. 3 den Artikel „Aus guter alter Zeit" oder doch dessen der Klarstellung verwandte Einleitung zu lesen. In den nächsten Wochen werde ich einmal nach Lindau kommen und dann auch das Wible mitlassen, es war noch nie dort. Der Uhrenmacher ist aus der Schweiz mit Werkzeugen u.d.gl. beladen „freudig" zu den - Wälderinnen zurückgekehrt. Er hat jetzt ein Ver­hältnis, das mir psychologisch sehr interessant ist, so daß ich froh bin, sein Vertrauter zu sein. Natter ist Soldat, wenn er tauglich befunden werden sollte. Du kannst der Isabell sagen, daß es in Schoppernau auch Sprengers Hans und Schnidarles Kaspar verspielt haben. Ich war am Spieltag in Bezau und hab unterm Volk und im Herrenstüble Studien gemacht, die Du noch verwertet finden wirst. Das gute Einvernehmen mit den Schoppernauern besteht noch trotz allem und allem. Die Bibliothek findet Zuspruch, daß man es nicht so erwarten konnte. Der Pfarrer läßt in der Kirche alles ruhen und arbeitet in den Wirtshäusern. Bisher mit dem gleichen Erfolge wie dort.

    Die Gespräche denke ich im Herbst zu veröffentlichen, wenn die Klasse, für die sie sind, wieder Zeit zum Lesen hat. Ich hoffe, daß Du einverstanden sein wirst? - Und nun noch Geschäftliches: Durch Bestellung eines großen Sammelwerkes komme ich in die Lage, den Goethe um ein ziemlich Billiges verkaufen zu können. Sollte Dir mit dem vielleicht gedient sein, so würde ich den Antrag unseres Doktors nicht an­nehmen. Mir wäre es fast lieb, wenn Du auch mal was Gemüt­liches in die Hände nähmest.

    Doch mein Platz ist bald aus und die Zeit auch. Leb wohl mit Gruß und Handschlag Dein gottloser, deutschkatholischer, blutroter, hochmütiger, verführerischer, verkommener, eigen­sinniger, arbeitsscheuer, vom protestantischen Gelde sich mästender, auf Kosten der Seele berühmter, mit Freimaurern verbündeter, von der Gartenlaube gelabter und verzogener - und honorierter Freund und Schwager

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 4. April 1867

    Liebster Freund!

    Das letzte Mal sind wir so ziemlich zur gleichen Zeit am Schreibtisch gesessen und haben uns beinahe das Nämliche mitgetheilt. Wie viel würden wir uns mündlich in jenen fro­hen Stunden zu sagen gehabt haben! Ich freue mich so recht von Herzen auf den Sommer, der Sie zu mir lassen wird. Ich hoffe, daß Sie recht lange da bleiben werden. Keils Antrag macht es mir nun auch möglich, meinen Lieblingsplan, die Reise nach Leipzig auszuführen, ohne vielleicht Jahre lang auf eine zweite Auflage der Sonderlinge warten zu müssen. Ich hab in diesen Tagen so nebenbei ein Artikelchen über „Heilsgeschäfte" geschrieben und lege es, Sie um Ihr Urtheil bittend hier bei. Sollten Sie es für die Gartenlaube geeignet halten, so bitte ich, es später an Keil zu senden, wenn die Aufnahme des bis dahin von mir Erschienenen zur Veröffent­lichung desselben ermuntern sollten. Die bisher gekomme­nen Bogen der Sonderlinge haben wir mit Andacht gelesen und ich muß gestehen, daß ich mit mir selbst zufrieden bin. Seite 185 steht Bauerntrog statt Brunnentrog aber der Fehler ist so leicht zu bemerken, daß er kaum sinnstörend sein dürfte.

    Meinem Wible, das schon so manche Freude und auch trübe Stunden mit mir erlebte, hab ich längst versprochen, es ein­mal, sobald sichs schickt, nach Lindau mitzunehmen. Nun, da ich Keils Wunsch zu erfüllen entschlossen bin, wird es dazu Gelegenheit geben. In den nächsten Wochen einmal wenn der Schnee weg ist, wird Gott eines schönen Morgens das „wunderlichste Paar" von Schoppernau zum Dorfe hinaus­schreiten sehen. Eine Reise nach Lindau ist schon etwas! Viele, ja die Meisten Leute hier herum sind noch ihr Lebtag nie so weit gewesen. Sie werden in beiliegendem Aufsatz finden, wie man es machen muß, um nur einmal nach Rank­weil zu kommen. Ich werde jedoch nicht nur den Anfang des Frühlings erwarten, bevor ich gehe sondern auch das Er­scheinen der Sonderlinge. Diese werden von unsern Jung­brixnern etwas mürrisch erwartet. Unser Pfarrer thut alles um nicht nur mich, sondern auch meinen „Anhang" zu ver­ketzern. Man soll meinet wegen und wegen der Klarstellung schon an den Bischof geschrieben haben. Die Herren kennen mich so, daß sie mich für den Verfasser der genannten Schrift halten, besonders seit es dem Kloster in Bezau gelang, den Entwurf meiner Gespräche durch seine Werkzeuge heimlich wegzunehmen. Später nahmen die Kapuziner so bestimmt an, die „Gespräche" seien nun heraus, daß einer derselben am vorigen Sonntag schon von der Kanzel in Au dagegen don­nerte und den Auern befahl, das Buch, von dem er leider den Titel nicht anzugeben wußte, sogleich zu verbrennen. Wie die Herren in den Besitz der Handschrift kamen hab ich durch den befreundeten Doktor in Au erfahren. Dieser fieng mit dem Pater von dem Atheisten nämlich von mir zu reden an und hat dann durch Wein und Widerspruch, diese beiden W das Geheimniß glücklich herausgebracht, das ist meine Quelle, die jede Woche fließt, da der Pater Stellvertreter des kranken Pfarrers ist und der Doktor ihm keinen Sonntag mehr Ruhe läßt. Das alles sind bedeutungsvolle Vorzeichen für die Aufnahme der Sonderlinge und - das Urtheil über mich aus Brixen. Ich bin wirklich begierig was von da ver­lauten wird. Mich hat die He[t]zerei, deren Schreier ich nur zu gut kenne, anfangs ein wenig geärgert, dann war sie mir lächerlich und jetzt ist sie mir bereits so gleichgültig, daß ich se[l]bst kaum begreife, warum ich Ihnen so viel darüber schreibe. Nun jetzt bin ich aber damit fertig es wäre schade, sich die schönen Frühlingstage so zu verderben! Sehr dank­bar sind wir Ihnen auch, daß Sie uns ein so schönes Abend­vergnügen verschafften. Ich hab ja jetzt all die Blätter, die ich zu lesen oder doch zu erlesen wünschte. Aber wenn der Eigenthümmer nicht geneigt wäre, einige zu verkaufen, so müßte ich ihm das Gelesene wieder schicken. Vielleicht fin­den Sie einmal Gelegenheit, ihn zu fragen. Was hat Keil über meinen Aufsatz gesagt? Ich möchte sein Urtheil so gern hören als das Gosches und Scheffels über das Schwarzo­kaspale. Mit meiner neuen Arbeit geht es langsam voran, unterdessen hab ich auch die Geschichte eines Kusses nicht ganz vergessen. Bereits entsteht in mir ein Plan zu einer Novelle: „Liebeszeichen". Wenn mir das Ganze gelingt, so dürfte die Arbeit sich für die Gartenlaube eignen. Doch das alles liegt noch im Weiten. Bald kommt die Feldarbeit und dann muß ich die Feder wol wieder zeitweilig ruhen lassen, die Sonderlinge werden nun wol fertig sein. Ich wollte ich hätte der Vorlesung bei Ihnen beiwohnen können. Noch wenige Wochen, so wird mich vielleicht die Kritik verhageln, wenn sie gerade sonst nichts zu thun hat. Moosbrugger fürchtet es werde Leute geben, die das Ganze ein Gewitter in einer Flasche nennen würden. Ich fürchte eigentlich gar nichts und bin mit der Dichtung zufrieden da ich doch noch nichts von Belang zu ändern wüßte. Doch jetzt fangen die Kühe an zu läuten. Es ist die höchste Zeit zum Abendfutter. Also leben sie wol mit Gruß Ihr

    F M Felder

    Sie wünschen Landestrachten! Hier sind 2 Blättchen, nicht recht gelungen aber in der Eile hab ich auch bei Feurstein nichts Besseres auftreiben können nach der Lindauer Reise folgt Wibles Photografie - Etwas kirchen, kirchlich in oder jetzt vor der Kirche bekannt machen.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 1. April 1867

    Lieber Wagerschwager; dazu auch mager Ich habe vernommen du habest gesternd in Au, Deine ver­fluchten, vermaledeiten, u. auch noch gewis scheamleg Sün­den abgelegt. Nachmittag hat der Kaplan kristenlehrt. Seinem gespräch an, hab ich gedenkt Du habest ganz gewis dem Kaplan gebeichtet. Daß du mich nicht besucht schreibe ich Deiner großen Reue u. Buße zu. Du bist gewis nüchtern auf allen fira auf einem abgelegenen Weg nach Hause gekrochen. Ich u. der Anton Ruf grüßen Dich freundlich Du sollest uns die Zeittung abstellen das Virtteljahr wird aus sein. Dem Anton gefälts nicht gut, u. im Sommer werde ich nicht viel leßen es würde auf Krummbach wol unregelmäßig kommen. Mit Gruß Dein Freund

    Josef Pius Moosbrugger

    Josef Pius Moosbrugger
    Au
    Franz Michael Felder
  • 24. März 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Durch einen glücklichen Zufall erfuhr ich vor einigen Tagen Ihren Namen u. gleichzeitig die mir sehr angenehme Nach­richt, daß Sie ein langjähriger Leser u. Freund der Gartenlaube seien. Auf diese geistige Bekanntschaft fußend, erlaube ich mir die Anfrage, ob es Ihnen genehm wäre dann u. wann für meine Zeitschrift Beiträge zu liefern, die ich Ihnen sehr gern mit 100 fl pro Bogen honoriren würde. Ich verstehe unter die­sen Beiträgen Erzählungen, welche allerdings den Raum von 2 Bogen nicht überschreiten dürften, Schilderungen von Land u. Leuten des Vorarlberges, Bilder aus d. Gebirgsleben etc. etc. - Haben Sie die Güte mich recht bald mit einer zustim­menden Antwort zu erfreuen. Hochachtungsvoll

    Ernst Keil

    Ernst Keil
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 21. März 1867

    Lieber Freund!

    Dein Wertes vom 28. v. Ms. habe ich mit Freuden, mitunter mit Lachen gelesen. Lachen war auch mein Teil, als die Landeszeitung zum zweiten Mal über die Klarstellung herfiel. Die Art, wie dies geschah, ist wirklich komisch. Etwas auf­fällig war mir, daß sie eine ihrer Ansicht entgegenstehende Auffassung erwähnt und ohne sie bekanntzugeben gegen sie und die Klarstellung polemisiert. Mir ist der Gedanke ge­kommen, die Frau Stöckl in Bregenz könnte dahinterstecken und ihrem Schwiegersohn ein Mahl bereiten wollen. Dieses Kapuzinervolk läßt so was erwarten. -

    Du bist daran, die demoralisierenden Wirkungen des heu­tigen Besitzes bloßzulegen, Du wirst nicht umhin können, hiebei auch bloßzulegen, was von dieser Demoralisierung den Römlingen zufällt. Ein Beispiel in dieser Richtung bietet die Frau Sepp, Schwester des Altvorstehers Feurstein in Bezau, die jetzt wegen Betruges zu mehrjähriger Kerkerstrafe ver­urteilt ist. Die Frommen in Innsbruck büßen bei ihrem schmählichen Konkurs große Summen ein. Der Elmenreich wüßte die beste Auskunft von ihr. Daß Altvorsteher Feurstein mit dem Pfarrer Blaser sehr intim war, hat sich bei seiner Untersuchung auch herausgestellt. Mathis erzählt auch von großem Schwindel, den diese Feurstein bei der Beerbung ihres in Bregenz verstorbenen Bruders getrieben haben. Doch genug hievon, und ich wünsche nur, daß Dein Freund in Bezau von dem bösen Samen der Römlinge nicht leide und von den Früchten desselben Erkenntnis hole. Daß Du diese Früchte kennst und gehörig schildern wirst, daran zweifle ich nicht. -

    Mit Kunz und Ganahl habe ich nicht geredet und mich über­haupt seit Deiner Abreise ganz passiv verhalten. Diese Hal­tung sagt mir jetzt am besten zu und ich halte sie, vielleicht aus diesem Grund, für die zweckmäßigste. Ein Zufall brachte mir die von Auerbach übersetzten Spinozischen Werke in die Hände, die herrlich zu meiner jetzigen Stimmung passen. Ein stilles, ruhiges Denkerleben wird immer mehr mein Wunsch und Sehnen. Ich höre es deshalb ungern, daß die Organisierung wieder sistiert ist. - Die Belehrung für Könige und den Schluß über Passavant wirst Du gelesen haben. In den letzten drei Nummern sitzt die Allgemeine Norddeutsche über Ketteier zu Gericht und liest ihm gehörig die Leviten. Ich imputierte ihm nur Unverständnis der sozialen Frage, Bismarck auch mit Recht Unverständnis der deutschen Frage. - Die Allgemeine von gestern konstatiert, daß Preußen jetzt bis an den Bodensee grenzt, und es ist daher das Gerücht glaubwürdig, daß bald mehr Militär nach Vorarlberg kommt. Gestern   mußte  hier die  Losung verschoben  werden   und konnte erst heute ruhig vor sich gehen. Eine unzweckmäßige Regierungsorder war schuld. Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 14. März 1867

    Lieber Freund!

    Du wirst wohl nicht recht zufrieden mit mir sein, daß ich solange kein Lebenszeichen von mir gebe, da ich doch trotz meiner consequenten Läßigkeit im Schreiben doch wenig­stens jährlich um Neujahr herum sicher schrieb u. da ich Dir schon lange eine Antwort schuldig bin.

    Auch heuer hätte ich sicher keine Ausnahme gemacht, wenn ich nicht verhindert worden wäre. Als ich von Feuerstein in Bezau die Aufträge zur Übersendung von Lettern und Papier erhielt, war ich eben im Begriffe einen Brief an Dich mit einer längern Kritik des „Rufes" zu schreiben. Ich besorgte nun das mir aufgetragene, schrieb auch ein Paar Zei­len an Feuerstein und wurde kurz nachher- krank. Eine Brust­fellentzündung nöthigte mich über einen Monat das Bett zu hüten, u. so blieb der bereits angefangene Brief sammt der Kritik liegen. Diese war in manchen Beziehungen zimlich herb angefangen und fast gänzlich gegen die 2 letzten Blätter gerichtet. Ich habe sie Dir hier nicht beigelegt, weil ich sie erstens noch nicht fertig gemacht habe, u. zweitens das zweite Heft einen etwas mäßigern Ton dem Romanismus gegenüber anzuschlagen scheint. Wenn es Dich interessiren sollte, was ich im Eifer gegen die kolosalen Anschuldigungen der alten Römer schrieb, werde ich es noch fertig machen u. überschicken.

    Offen gesagt kann ich auch mit dem zweiten Heftchen nicht ganz übereinstimmen, wenn auch das Eigenthum nicht mehr so an die Familie gekettet ist, daß Arbeitervereine keinen ändern Zweck haben könnten als reiche Familien bei Putz u. Stingel auszurotten, da ich glaube, daß der Romanismus durch die Art u. Weise des Einführens durch die rasche Oktroirung mehr geschadet hat, als durch die innere Lehre. Ich glaube man soll immer von dem bestehenden ausgehen, wenn man an bürgerlichen Gesetzen ändern will u. nicht umstürzen. Und ich bin überzeugt, wenn die im „Ruf ausge­sprochenen Grundsätze sollten realisirt werden, ich nehme an erst bis in 5 Jahren, so hätte die Welt noch nie eine heillosere Verwirrung gesehen, als uns die nächste Zukunft bringen würde. Wir sind keine Germanen mehr, die nichts thun, als rauben und jagen, und Weiber kaufen u. Mütter verkaufen; ich für meine Person mag auch keiner sein. Auch dann wenn ich mit jemanden im Prozes wäre, würde ich ihre Gerichtsbar­keit nicht herwünschen, weil sie nach meiner Ansicht nie eine hatten, die diesen Namen verdient. Faustrecht mit und ohne Eideshelfer, das heißt die unter diesem Namen helfen drein­schlagen, und im Strafverfahren die Folter, sind lauter Sachen, die mir weniger behagen, als die römischen Institutionen. Doch ich habe nicht von diesem reden wollen, und will nur noch vom 2ten Hefte ein Paar Worte sagen, ehe ich nach mei­nem Plane fortfahre. Offen gesagt, ist außerdem, was sich aus obigem ergibt, nach meiner Ansicht noch ein anderer Vor­wurf zu machen. Es fehlt, so glaube ich, die Einheit; das ganze dürfte kaum aus Einem einzigen klaren Bilde von Gedanken hervorgegangen sein, es fehlt, so glaube ich, sogar nicht an Widersprüchen. Es kömmt mir vor wie eine blose Blumenlese, worunter auch solche sind die mir nicht einmal so ganz recht gefallen. Und trotzdem ist das Heftchen sehr zu loben, nicht sosehr seines Inhaltes wegen, denn es biethet einem Juristen blutwenig Neues, wohl aber deßhalb, weil es ein Weg ist wie das große Publikum zu politischer Reife geführt den alten Römern hierin ähnlicher gemacht wird.

    Diese Ansichten sind alle meine höchsteigenen, weil ich mit Niemand umgehe, mit denen ich darüber sprechen kann. Daß das Römische Recht - genug von dem Thema, sonst komme ich heute wieder zu keinem Schluße u. somit der Brief wieder nicht auf die Post.

    Also der Joh. Jos. Felder ist wieder zu Hause; so hast Du wie­der einen alten Jugendfreund in Deiner Nähe, u. die Resel eine Abendunterhaltung; so geht es eben, wenn das Eigen­thum nicht unlöslich ist.

    Bis Du diesen Brief in die Hände bekommst, werden auch bereits die Sonderlinge aus der Presse hervorgegangen sein, ich hoffe daß sie recht günstig werden beurtheilt werden u. alle Erwartungen noch übertreffen; ich freue mich schon sie zu lesen, umso mehr, da ich schon einiges im Entstehen davon kennen gelernt habe. Leider bekomme ich sehr selten ein ausländisches Blatt in die Hand und werde daher auch die Kritiken größtenteils nicht zu sehen bekommen. Überhaupt komme ich zu Lectüren, die mich mehr interessiren würden, nur sehr wenig, da alle Zeit, die mir bleibt, wenn ich für mei­nen Cadaver nothdürftig sorgen will, der Erholung zu widmen ist, falls ich meine überhaupt nicht zu starke Gesundheit nicht ruiniren will. Die Jurispudenz ist wahrhaftig in gegenwärtiger Zeit für arme Anfänger eine miserable Gönnerin. Für die Gegenwart bewahrt sie einen kaum vor dem Hungertode und für die Zukunft stellt sie einem bei uns ein in Aussicht.

    Diese Weltwende dürfte in der Theorie schöner sein, als sie manchem in der Praxis erscheint.

    Ist der Feuerstein, von dem Du für den Landtag so viel erwar­tetest derselbe, welcher mich um Überschickung von Letter u. Papier angieng? Von diesem kannst Du statt meiner pr Gelegenheit 50 X einkassiren, die ich ä conto für das Papier zahlte; die zwei Gulden, die ich bei Bestellung der Lettern auslegte, bekam ich zurück nachdem das Geld eingegangen war, da sie nicht abgerechnet worden waren. Ich wäre auch begierig zu wissen, ob er mit dem angekommenen zufrieden ist und wie hoch der Frachtpreis, wie schwer die Waare war, und wie lange die Zeit der Fracht dauerte, damit ich einen genauen Maaßstab hätte, für allfällige spätere Sendungen. Eine solche könntest Du mir in späteren Zeiten vielleicht besorgen; es möchte nämlich hier ein Herr gerne Scheren­pelze haben, wenn er eine hinreichende Anzahl bekäme, Du weißt, wir haben auch schon davon gesprochen, daß diese Thierchen sehr feine Peltze haben, die zur Fütterung wohl verwendet werden könnten. Dieser ist derselben Ansicht. Wenn Du daher glaubst, durch Buben eine hübsche Anzahl abziehen lassen u. mir zuschicken zu können, so schreibe es mir; schreibe mir auch im bejahenden Falle, was so durch­schnittlich für das Stück etwa zu zahlen wäre, damit ich mich weiter besprechen kann. Wenn dann dieser gefütterte Rock gefällt u. man alle Juristen zum Teufel jagt, oder sie doch ohne Einkommen vielleicht Einkommensteuer sollten zahlen müssen, so wirft dann vielleicht der Scherenpeltzhandel wenigstens die Einkommensteuer ab - in der Zeit der Welt­wende.

    In unserer Kanzlei geht gegenwärtig das Geschäft sehr schlecht, u. der Herr Prinzipal ist öfters übler Laune, obwohl er sich schon in frühern Zeiten zum Zurücklegen verdient hat, überhaupt ist in Wien gegenwärtig eine Zeit allgemeiner Geschäftsstockung u. glücklich der der sich das Kapital selbst kann Kapital werfen lassen.

    Genug für diesmal, ich werde wenn nichts dazwischen kommt, wie dieses Mal, nicht mehr so lange auf einen Brief warten lassen. Ich bin wieder gesund, wie vor meiner Krank­heit, bitte meiner Mutter u. dem Franzosen meine Grüße aus­zurichten mit dem Bemerken, daß ich ihnen auch bald einmal schreiben werde, letzterer soll mir den Resel nicht anrühren.

    Dich, die Deinigen  u.  meine Bekannten vielmals grüßend hofft auf baldige Nachricht Dein Freund

    Franz Jochum Addressire in meine Wohnung:

    Wien, Rossau, Servitengasse Nr. 14, l Stock. Thür 11.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 10. März 1867

    Lieber Freund

    Ich kann heute so wenig zur Ruhe kommen als das Herr­mindle welchem - wie das Wible entschuldigend sagt - wie­der ein Paar Zähne kommen sollen. Es ist wirklich eigen wie der Mensch unruhig und aufgeregt wird wenn er - etwas Neues bekommt. Dann will er seine Lieben um sich haben wie jetzt mein kleines Kind seine Mutter. Ich erfuhr das im­mer, wenn ich einen Brief von Ihnen erhielt. Nur hab ich immer bedauert, nicht auch Ihnen einmal eine Freude machen zu können. Nun endlich, liebster Freund, endlich ist dieser Wunsch erfüllt, denn ich denke Sie und fühle Sie mir so nahe, so - eigen möchte das Wälderbäuerlein gern sagen, daß ich weiß: Meine Mittheilung wird auch Ihnen Freude machen.

    Heut hab ich einen Brief von Ernst Keil erhalten. Er schreibt: Vor einigen Tagen hab er durch einen glücklichen Zufall meinen Nahmen erfahren und daß ich ein Freund der Garten­laube sei. Er ersucht mich dann um Beiträge die er mit 100 fl a Bogen zu honoriren verspricht und bittet um baldige zu­stimmende Antwort.

    Auch das, lieber Freund, ist ein Wellenschlag von Ihrem Wurf! Nun denke ich zu antworten daß sich ein Aufsatz in Ihren Händen befinde, der vielleicht geeignet sein könnte, denn Sie werden nun „zum Angriff" meine Briefe bei Gosche nicht mehr nötig haben. Für die Zukunft verspreche ich mehr, denn immer noch sind bei den größeren Arbeiten auch so Bröcklein abgefallen, aus denen [sich] vielleicht etwas Ordent­liches geschnitzt werden könnte.

    Seit meiner etwas lebensgefährlichen Heimreise von Bludenz sitze ich unermüdet im Zimmer bei Feder und Buch, lasse all die politischen und socialen Fragen beantworten wer will und kann, denn ich hab jetzt mit den Helden meines jetzigen Werkes zu thun, die ich schon etwas genauer kennen lerne. Mein kleines Zimmer und meine Arbeit in diesem werden mir immer lieber. Zwar hab ich meine „Schreiberei" nie als „Handwerk" betrachtet, doch wenn sie auch für mich wenig­stens einen silbernen Boden haben wird, so werde ich doch mit Freuden die meinen etwas schwachen Körper allzusehr anstrengenden s g Würgerarbeiten, Holzziehen udgl einen Tagwerker verrichten lassen da solche hier für 7 Ngr. leicht zu bekommen sind. Ich selbst habe früher für diesen Lohn allerlei gethan nur um die Klassiker und die Gartenlaube zu verdienen. Der aus der Allgemeinen auch in unsere Blätter gekommene Artikel hat mir manchen zugeführt der dem s g Erfolg nachgeht, aber es ist darüber auch, großes Wehklagen entstanden in Israel. Jetzt soll ich gar der Verfasser der „ver­dammten deutschkatholischen Klarstellung" sein, der Pfarrer von hier hat schon Predigten gegen mich und die erfreulich gedeihende Bücherleihanstalt gehalten, doch er klagte letzt­hin es sei nichts mehr zu machen denn die ganze Gemeinde halte jetzt zusammen und zu mir, früher wäre das ganz an­ders gewesen.

    Doch genug hievon für heute.

    Sie haben mir eine schöne Zukunft eröffnet. Ich werde Ihnen ewig dankbar sein und werde werth zu sein suchen der Hand, die mich hält und führt, während andere mir Gruben graben, mich zu schreken oder zu verloken suchen und mir nur dar­um nicht schaden, weil Sie mich halten und führen. Ich hoffe, daß Sie den Kreis in dem ich lebe, gut genug kennen, um das nicht etwa für eine Schmeichelei zu halten. In den Kämp­fen und Nöthen dieses Jahrs war ich wol versunken, wenn nicht Sie mir festen Boden verschafft hätten. Ich danke dem Himmel daß er mich zu Ihnen führte. Von meinem neuen Werke hoffe ich Ihnen im Sommer schon einiges vorlegen zu können. O wir alle freuen uns recht von Herzen auf die Wochen, die Sie hier verleben werden. Könnten Sie nicht auch etwa Eins der Ihrigen mitbringen, Vielleicht Ihre Tochter? Ich bitte, mir sie und alle recht herzlich zu grüßen. Bei Keil werde ich Sie melden, Sie können ihm dann meinen Aufsatz zustellen wie und wann Sie es für gut halten. Mit tausend herzlichen Grüßen

    Ihr ewig dankbarer F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 10. März 1867

    Liebster Freund,

    Heute muß ich. an Sie schreiben, obwol Sie eigentlich heute noch nicht darangekommen wären. In der gestern erschiene­nen neuesten Nummer der Gartenlaube im Feuilleton kom­men Sie mit vor, wie neulich in der Beilage dazu, den deut­schen Blättern, beidemal von Keils eigner Hand. Die gestrige Notiz besagt, daß die Gartenlaube selbst an Ihrer Bildung einen wesentlichen Antheil habe, wie aus guter Quelle in Erfahrung gebracht worden sei. - Nun durfte ich denn nicht länger zögern, selbst meinen Gang zu Keil zu thun und mich persönlich als beste Quelle vorzustellen, nachdem bei Keil das Interesse an Ihnen von selbst so weit gediehen war. Ich hatte den Gang, der mir aus ändern Gründen nicht ganz an­genehm war, deßhalb noch immer verschoben, weil ich Ihre ersten Briefe immer noch nicht zurück habe aus Halle. Nun aber brauchte ich sie nicht mehr, und machte mich also heute vor Tische auf, nachdem ich Ihren Tannbergaufsatz in die Tasche gesteckt, samt der allerliebsten Zeichnung von Schröcken, auch Ihrer Photographie und einigen Briefen von Ihnen, gerade wie eine Batterie Munition einlädt ehe sie in die Schlacht fährt. Keils Haus ist mir zufällig nahe, etwa acht Minuten Weges, in unserm Stadtviertel, unmittelbar an einen großen Raum anstoßend, der mit lauter Gärten besetzt ist, das sogenannte Johannisthal, in das es von einer kleinen Höhe hinein schaut, wie ich aus meinen Fenstern etwas ferner hinein schaue. Da steht das Palais, das sich Keil von den Erträgnissen seines Blattes vor einigen Jahren gebaut hat. Ich hatte es noch nie betreten, nur im Vorbeigehen mit eignen Gedanken von außen bewundert. Jetzt aber trat ich hinein durch die Vorhalle, steinerne Treppe, Corridore, alles wahr­haft fürstlich, mit schönstem Geschmack, ich kam mit dem Gefühl des sichersten Erfolgs, innerlich, lächelnd; ich wußte ja voraus wie ich nun aufgenommen wurde.  Keil war im Comptoir, wohin mich sein anmuthiges langlockiges Töchter­lein führte. Ich nannte mich und Ihren Namen. „Ah das ist ja vortrefflich!  Ich  habe vor acht Tagen dorthin  geschrieben und ihn aufgefordert, ob er mir nicht ein Charakterbild von seinem Ländchen schreiben wolle, ich wollte ihm 100 fl. für den  Bogen geben."  Denken Sie sich  mein  Erstaunen  und meine Freude.  Ich klopfte auf meine Tasche, „das hab ich hier!" langte auch die Zeichnung heraus, die ihm sehr gefiel und die er noch heute zum Holzschneider geben wollte. So war das Geschäft abgemacht, ehe ich noch kaum zu reden angefangen - Sie sind ein Glückskind, Freund. Ich blieb dann noch über eine Stunde bei ihm, die uns sehr rasch vergieng, erzählte von Ihnen und wie ich Sie kennen gelernt, und von Nümmamüllers und von den Sonderlingen, auch warum ich jetzt erst mit dem Aufsatze und Ihrem Briefe an ihn käme, und es war alles gut, als hätte alles mit einander nur gerade auf diesen Augenblick gewartet. Er bat mich dringend, ein­mal überhaupt aus meiner Wissenschaft ihm zuweilen Bei­träge für die Gartenl. zu liefern (dieß als Schmerzensgeld für die damalige Zurückweisung, die ich nicht verschwieg), be­sonders aber, so bald als möglich einen Aufsatz über Sie zu machen, wozu er denn Ihr Bild wünscht. Die jetzige Photo­graphie, meinte   er, würde   dem   Zeichner zu   viel   Mühe machen, ein gutes Bild daraus zu gewinnen; er bat, ob Sie sich nicht etwa in Lindau bei einem besseren Photographen könnten abnehmen lassen. Ihre Antwort an ihn könnten Sie ja in einem Brief an mich einschließen. Ob ich in der näch­sten Zeit den Aufsatz über Sie werde machen können, weiß ich gar nicht; es ist mir eigentlich auch noch zu früh, obwol ich längst schon entschlossen bin, eben so das Publicum mit Ihrer Person bekannt zu machen. -

    In Gosches Aufsatz über Sie wird nun auch schon von den Sonderlingen die Rede sein. Das wird möglich, weil in der Ausgabe des 2. Bandes seines Jahrbuchs eine Verzögerung eingetreten ist, wieder ein Glücksumstand für Sie. Gosche bat mich neulich um Einsendung der Sonderlinge, und Hirzel hat ihm den damals eben fertigen ersten Band geschickt. Ich bin unsäglich gespannt auf Gosches Urtheil. Auch der Redac­teur der Europa, Dr. Steger, den ich neulich kennen lernte, seine Bekanntschaft Ihretwegen suchte, ein frischer interes­santer Mann, der schon von Nümmamüllers her sehr für Sie eingenommen ist, erwartet die Sonderlinge mit Ungeduld und spitzt schon seine Feder zu einem Artikelchen über Sie. Meine Bekanntschaft mit Steger machte mir übrigens sehr wenig Mühe (um Sie zu beruhigen), ich brauchte nur in einer Bierwirtschaft zwei Häuser weiter auf meiner Windmühlen­straße Abends mein Glas Bier zu trinken, wo Steger am Stammtische sitzt und die Unterhaltung beherrscht, unter Leuten die zum Theil zu meinen Freunden und guten Be­kannten gehören - sehen Sie, so ist in Leipzig alles hübsch nahe beisammen, wenn sichs darum handelt, für einen Vor­arlberger Bauerdichter Propaganda zu machen. Auch Hirzels Geschäft und Wohnung ist nur etwa acht Minuten von mir entfernt und vier Minuten von Keil, es ist dieß unser Buch­händlerviertel, wo die Verleger zu Dutzenden beieinander sit­zen. Diese Erwähnungen sollen Sie einstweilen auf Ihren Besuch hier ein wenig vorbereiten, auf den sich schon so mancher freut.

    Ihre Flugschrift war mir sehr interessant. Die Einleitung ist der ganze gute Felder, das Weitere, wo Sie Geschichtsphilo­sophie nach Lassalle vortragen, erweckt freilich meine Kritik; es fehlt da genauere Kenntniß der wirklichen geschichtlichen Vorgänge, und mir behagt der Begriff Staat nicht, dieser eigentlich romanische Begriff, mit dem man jetzt zu viel hantirt, er birgt eigentlich so viele Verdunkelungen der Wirk­lichkeit wie der Begriff Kirche, der in der Geschichte so viel Unheil angerichtet hat, doch das wäre zu weitschichtig für heute. Ich wünschte aber sehr, daß Ihr Aufsatz ganz gedruckt würde, hier geht das wol nicht gut. Die Flugschrift Ihres Schwagers hab ich noch nicht ganz lesen können, sie spricht mich aber mehr an als die erste, ja manches hat mich lebhaft angesprochen, Ihr Schwager muß auch ein Original sein ­und ein warmherziger Mensch. Aber mein Papier ist alle und meine Zeit auch, also Gott befohlen,

    Ihr R. Hildebrand.

    PS. I. Nächstens werd ich Ihnen auch eine Flugschrift von mir schicken, die in meinen Wörterbuchsferien zu Stande gekom­men ist, sie wird Sie theilweis wol auch interessieren, sie kämpft auch gegen Zopf und verknöchertes Herkommen, freilich auf einem ganz ändern Gebiete, das sich aber doch mit dem Ihrigen nahe berührt.

    PS. II. Neulich lief bei mir ein briefliches Urtheil von dem Dichter des Ekkehard, Scheffel, über Ihr Schwarzokaspale bei mir ein, Sie können damit sehr zufrieden sein, ich werde Ihnen den Brief schicken, jetzt hat ihn Hirzel noch, der dar­über sehr erfeut war.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 9. März 1867

    Sehr geehrter Herr!

    Ihre „Dritte Parteischrift" habe ich, wie Sie aus der Aufnahme

    des Inserats schon gesehen haben werden, erhalten und zwar in Bregenz während der letzten Landtagssession. Wenn ich mein Urtheil über dieselbe abgeben soll, so muß ich sagen, daß die in der Schrift entwickelte Theorie über die thatsäch­liche Durchführung der Idee der Gleichberechtigung mir in logischer und faßlicher Weise aufgebaut erscheint, so daß sie selbst dem Nichtstudirten mit einigem Nachdenken eingeht ­aber für unsere Verhältnisse in Österreich ist sie - das ist meine Ansicht - vielleicht erst in 10-20 Jahren praktisch, erst dann, wenn mehr Wissen in die Massen des Volkes einge­drungen ist. Um Ihre Theorie mit Erfolg auf die Tagesordnung setzen zu können, muß die Bourgeoisie noch gewaltige Vor­arbeiten machen; sie muß zuerst die Hindernisse, welche der Demokratisirung des Wissens und dem freien geistigen und wirtschaftlichen Verkehre des Arbeiterstandes entgegenste­hen, wegschaffen. Solcher Hindernisse gibt es noch gar zu viele, wie Sie wohl selbst wissen. Um nur Eines hervorzu­heben: Darf sich in Österreich eine noch so harmlose geistige oder wirthschaftliche Assoziation bilden ohne das vergiftende Dreinschnüffeln der politischen Behörden außer den kirch­lichen Bruderschaften? Mehr Freiheit, mehr Licht braucht unser Volk, dann kommt Leben und Gesundheit von selbst. Sie beklagen sich, daß Sie Ihr Manuskript immer im Auslande drucken lassen müssen. Was die „Dritte Parteischrift" betrifft, so würde ich keinen Augenblick anstehen, wenn ich sie hier drucken lassen wollte. Wenn Sie dieselbe hier drucken lassen wollten, so wollte ich schon dafür sorgen, daß sie möglichst korrekt gedruckt würde. Der Kostenpunkt dürfte nicht so bedeutend sein.

    Für den Fall, daß Sie auf diesen Gedanken eingehen sollten, behalte ich das Manuskript vorläufig bei mir; wenn nicht, so sende ich es Ihnen auf das erste Aviso zu. Gibt es keine Neuigkeiten im „Wald"? Ich hoffe, diesen Früh­ling den Wald einmal zu durchstreifen, und werde dann nicht ermangeln, Sie in Ihrem Ausculum aufzusuchen. Hochachtungsvollst grüßt Sie Ihr ergebenster                                                             Carl Kunz.

    Carl Kunz
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
  • 28. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Von meiner glücklichen Heimreise ist nur wenig zu singen und zu sagen. In Au traf ich den Doktor, der mir interessante Mitteilungen machte. Am Tage vorher hatte er einen Kapu­ziner durch Wein und Widerspruch derart in Hitze gebracht, daß der gute Mann allerlei dummes Zeug schwätzte, wofür ihm seine frommen Brüder nicht danken werden. Man kam natürlich auf mich zu sprechen, und der Pater, der mich persönlich nicht kennt, äußerte u. a.:

    „Man hat allen Grund, das Ärgste von ihm zu vermuten, nämlich daß er der Verfasser der Klarstellung sei." „Aber er versteht ja kein Latein!"

    „Man sollte glauben, er verstände noch viel nicht, womit er sich abgibt, aus einem Gespräch, das wir kaum zur Hälfte gedruckt, mit Hilfe frommer Leute zum Lesen in die Hände bekommen haben, ergab sich, daß er ein Atheist ist. Man hat dann Feursteins Frau zugeredet, bis die Vollendung des Druckes aufgegeben wurde. - Sein neuer Roman muß auch recht schlecht sein; denn die Anzeige wurde zuerst von der Feldkircherin abgedruckt, so daß sie das Volksblatt gar nicht mehr aufnehmen mochte u.s.w." Ist das nicht interessant? Der erste Band der Sonderlinge liegt nun in siebzehn Bogen vor. Auch einen höflichen Brief von Bergmann samt seinem Werk über die Gemeinden Vorarlbergs hab ich erhalten. Der gutmütige Herr ersucht um einen größeren Beitrag für ein Werk, an dem er schon lang arbeitet, um eine Charakteristik unseres Völkleins. Ich hab höflich abgelehnt und ihn auf die Sonderlinge verwiesen. Jetzt also kriechen die - wieder her und nennen mir ihre Titel und ihren Einfluß, früher wollte sich keiner rühren. Das werde ich ihnen danken! Zur Bemerkung über die Klarstellung in der Landeszeitung schrieb unser Pfarrer: Ganz richtig. Er wußte, daß nur noch ich sie lesen werde und die Vorsteher. -

    Gestern erhielt ich das Mannheimer Journal zugesandt und fand folgendes angestrichen: „Eine interessante Schrift unter dem Titel: Klarstellung der Partei der Gleichberechtigung u.s.w. ist dieser Tage erschienen. Dieselbe zieht vorerst die österreichischen Zustände im allgemeinen in den Kreis ihrer Betrachtungen, geht dann auf die Religions-Verhältnisse über und bringt dabei sehr beherzigenswerte Schilderungen der Mißstände in Vorarlberg, die bei den ultramontanen Bestre­bungen allerwärts auch sehr gut auf andere Länder passen. Die Darstellung der sozialen Gebrechen und deren Herein­ziehen in die politischen und religiösen Fragen ist sehr gut gegeben, überhaupt das Schriftchen empfehlenswert."

    Diese Abschrift ist wörtlich, wenn Du sie etwa zu einem zweiten Inserat in der Feldkircherin benützen wolltest, nur um die Herren der Landeszeitung zu ärgern und zu zeigen, daß sie das Kraut weder fett noch mager machen können.

    Was macht Kunz? Hat er sich noch nicht geäußert? Hier verbreitet sich mit erstaunlicher Schnelle das Gerücht, Pfarrer Rüscher habe nach Dornbirn angehalten. Man hält seine Stellung für so unhaltbar und unerträglich, daß der Unsinn von vielen geglaubt wird. Freilich wollte er auch seinerzeit nach Bezau, aber so eitel wird er denn doch nicht sein. Ich und meine Freunde - hoffen auf dieses Gerücht hin noch nichts. Mit der Bibliothek fängt's langsam an zu gehen. Kunz - das hätt' ich fast vergessen - der Redakteur soll wirklich nach Amerika wollen. In diesem Fall solltest Du doch mit Ganahl reden, wenn Du selbst allenfalls etwas Lust und ­freie Zeit bekommen solltest. Die Zumutung ist wohl etwas stark. Aber wenn Du die Feldkircherin nicht möchtest, hättest Du als ihr Adoptiv-Vater das Recht, auch ihren Namen zu ändern und sie als „Volksstimmen" in die Welt, nicht nur nach Vorarlberg zu schicken. Die Sache verdient Überlegung.

    Daß Kunz geht, sagte mir der Wirt zum Sonntag, er be­hauptet, es ganz bestimmt zu wissen.

    Auf der Heimreise hab ich im Oberland mehrfach Gelegenheit gehabt, den Eindruck zu beobachten, den das schon überall bekannte Vorgehen des Landtages gegen Rinderer machte. Es wurde viel über Mathis geschimpft, „der ja nach Durch­sicht der Akten eine Neuwahl noch vor der Hauptwahl hätte vornehmen können". Auch Dr. Bickel als Komitee-Mitglied könnte diesen unangenehmen Eindruck noch kennenzulernen Gelegenheit bekommen. Mir ist wieder recht närrisch wohl bei meinen Bauern und ich arbeite, daß es klepft. Isabellens Freundinnen sind erfreut über die guten Nachrichten, die ich von ihr brachte und lassen sie freundlich grüßen. Heut ist schmutziga Dunstag, nachmittags werden ich, Felder und der hiesige Adel nach Au fahren oder gehen. Beim Rößle in Au hat man Stubata und Musik, hier soll man sich nicht mehr regen, damit der Pfarrer in dekanliche Gnade komme. Also fort nach Au, wo man sich regt! Mit Gruß und Handschlag Dein treuer Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Februar 1867

    Lieber Herr Felder!

    Wie oft denke ich im fernen Wien an unseren, in vielem Betracht so schönen Bregenzerwald u. Ihr Lebensbild, das Mancher meiner Freunde mit Vergnügen gelesen hat. Ich fühle mich verpflichtet Ihnen einen Sonderabdruck der „chronologischen Entwicklung sämmtlicher Pfarren in Vorarl­berg" zur Erinnerung unter Kreuzband zuzusenden. Die Einleitung, welche wie die ausführlichere Angabe der Jahre aus Urkunden, wann sie entstanden, dann sämmtliche Anmerkungen u. die Zuthaten unter A.B.C. von S. 24-34 von meiner Hand sind, gibt über die Entstehung dieser Arbeit ge­nügenden Aufschluß. Schon im vorigen Jahre vollendete ich eine „Landeskunde von Vorarlberg für Schule u. Haus", welche ich vor der Drucklegung noch einmal durchsehe u. ausführlicher darlege, zumal durch das neue Ministerium einige Veränderungen auch in unserem Ländchen getroffen werden sollen, welche ich abwarten will. Es wäre mir recht erwünscht eine Charakter-Zeichnung des Bregenzerwälder Völkchens von Ihnen zu erhalten, da mir dasselbe, wie es dermals leibt u. lebt, fremd geworden ist. Seit den 52 Jahren meines Aufenthaltes in Wien hat sich so gar Vieles in der Heimat verändert.

    Leider habe ich jene Notizen über Ihre Person, die Sie mir vor ein paar Jahren zukommen ließen, verlegt und kann sie nicht finden, daher wären mir derlei in Kürze recht erwünscht. Wenn Sie meinen alten Freund, Herrn Pfarrer Raidt in der Au sehen, melden Sie ihm meinen herzlichen Gruß. Auch Herr Ingenieur Jos. Willam aus der Au, der vor etlichen Tagen mich besuchte, läßt Sie grüßen. Sie sollen ja eine neue Arbeit unter der Feder haben - wessen Inhalts? Ich verbleibe in aller Achtung

    Ihr aufrichtiger

    Jos. v. Bergmann

    kk. Director.

    /: III. Rennweg, N. 6:/

    Josef von Bergmann
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 18. Februar 1867

    Lieber theurer Freund!

    Sie sehen mich in letzter Zeit im Ländchen herumrennen wie wenn ich sonst nichts zu thun hätte. Das letzte Mal schon schrieb ich von einer kleinen Reise und nun bin ich wieder über Haushohe Lauinen und kirchthurmtiefe Tobel nach Blu­denz heraufgeklettert zu meinem Schwager. Vielleicht finden Sie hierin eine Bestättigung dessen, was Sie in Ihrem letzten mir so werthen Schreiben etwas verdekt aussprechen zu wol­len schienen. Es ist wol schön in meiner Heimath, und das Leben ist dort, wo mir jeder so offen entgegen kommt, und mich an seinen Freuden und Sorgen Theil nehmen läßt, ist reicher als Sie wol glauben würden. Wie Franzen kommt es mir aus jedem Hause warm entgegen. Und doch wird es mir dort zuweilen fast zu enge. Die Kämpfe mit dem Brixnertum können mich recht anekeln, drum flüchte ich mich denn zum Schreibtisch.

    Hier - ärgere und sinne ich, bis ein Übergang kommt; das ist meine Geschichte der letzten Monathe. Seit ich Ihnen schrieb, hat der Pfarrer wieder Erstaunliches geleistet. Mich hat eine eigene Wanderlust erfaßt und ich hab ihr nachgegeben da daheim meine vielen wakern Freunde sich schon wehren werden wenns nöthig ist, der Artikel in der Allgemeinen (mit der Anzeige) wurde von unsern Blättern abgedruckt, doch den Brixnern scheint er nicht zu gefallen. Zum lieben Glück werden sie bald andere Arbeit bekommen. Eben wird eine zweite Parteischrift von der Partei der Gleichberechti­gung (verfaßt von meinem Schwager Moosbrugger) versen­det an der auch Sie im Norden Ihre Freude haben werden, wenn Sie auch mit Einzelnem nicht einverstanden sein soll­ten. Ich werde Ihnen Morgen ein Exemplar übersenden. Und nun genug Politik und wol schon mehr als genug Brixen. Das Ausarbeiten einer neuen Erzählung wollte in der Aufregung der letzten Wochen wo alles ins Gewühl des Wahl­lärms und anderer Kämpfe gezogen, getrieben und gerissen wurde, nicht recht gut gehen. Ich habe zu einer „dritten Par­teischrift" einige Gespräche ausgearbeitet und Feurstein wollte dieselben durch die Lithografiepresse verfielfältigen. Der Versuch ist mißlungen wie Sie an dem ersten Bogen sehen werden, den ich Ihnen Morgen ebenfalls zu übersen­den gedenke. Ich bitte Sie dringend, mir Ihre Meinung dar­über zu sagen. Die Schrift würde den Titel führen: „Ge­spräche des Lehrers Maagerhuber mit seinem Vetter Michel". Das erste Gespräch werden Sie bis auf wenige Zeilen erhal­ten, das Zweite kommt auf das allgemeine Wahlrecht, das dritte auf die Associationen. Leider sind hier viele Druck­fehler, aber ich kann mir doch nicht versagen, Ihnen den Ver­such von mir und Feurstein, der von einer Seite schon miß­glückte, zu übersenden.

    Ich wollte, ich könnte Ihnen die bereits geschriebenen 30 Bo­gen vorlesen und auch die in letzter Zeit entstandenen Ge­dichte, einige zwanglos gereimte Beweise einer immer hei­terer werdenden Stimmung. War ich daheim, so müßte das Wible noch geschwind eins abschreiben denn für mich wärs nun bald Zeit in den Stall, den jetzt ein armer Bursch aus der Nachbarschaft besorgt. Wenn ich daheim bin so verrichte ich die Bauernarbeit selbst, so weit das einem alein möglich ist, da - offen gesagt, meine Mittel und mein Einkommen zu klein ist um Knechte udgl zu erhalten. Nur eine Arbeit, das Sammeln von Streue in den Wäldern hab ich auf Befehl des Doktors seit einem Jahr nicht mehr gemacht, eine Arbeit die meinem einzigen Auge gefährlicher als manche Andere sein könnte. Glauben Sie aber darum nicht, daß ich unglück­lich sei! Die Feldarbeit ist mir manchmal eine recht liebe Abwechslung und sogar Gefahren haben einen gewissen Reiz. Was Sie einen Dorn nannten, der mich stechen könnte, ist nur, was ich mir früher, mich selbst etwas überschätzend, selber oft gesagt habe. Jetzt und besonders da es mir auch daheim nicht an Gesinnungsgenossen fehlt, denke ich anders oder ich dachte eigentlich gar nichts, bis Sie mich nach Leip­zig einluden. Leipzig war mir - die Welt, denn ich lebte Jahre lang nur in den Büchern die meistens von dorther kamen. Einmal versuchte ich, von Schillers Dramen begeistert, auch eins zu schreiben, aber ich sah, daß meine Welt dazu zu eng, zu ruhig sei, und an dem Tag, an welchem ich auf die Welt und ihre Herrlichkeiten, auf Theater Leipzig u a verzichtete am 16 Juni 1859 als mir Nanni zum erstenmal die Hand reichte, hab ich mein Drama und sonst noch manches ver­brannt. Nur einige Blätter, die mir damahls entgiengen wur­den gerettet und ein im Winter vorher geschriebenes Heft „Aus der Welt des Herzens". Dieses Heft ist ein wunderliches Schriftchen das ich Ihnen einmal vorlesen werde nur damit Sie sehen, wohin mich Zimmermann und meine Einsamkeit beinahe gebracht hätten.

    Wenn Sie sähen wie ruhig und still ich ganze Monathe lang lebe, so würde es Sie nicht wundern wie ich auf so etwas Aufregendes habe kommen können. Ich nehme an den Zeit­ereignissen lebhaften Antheil, denn das ist bisher das Einzige, was das Bäuerlein trotz aller noch bestehenden Zunft- und Klassenschranken mit ändern vernünftigen Menschen gemein hat. Und glauben Sie ja nicht, daß ich mich darum zu weit fortreißen lasse! Der Stighans und der Strikerpeter und des Erstem von beiden umworbene Magd gewinnen Leben und, Ihnen darf ich das wol sagen - sie fangen bereits schon an mich zu freuen. Die Tendenz ist wenigstens im Plan noch sorgfältiger verarbeitet als in den Sonderlingen. Doch Sie haben Recht, ich fühle, daß mir meine Welt zu klein zu wer­den beginnt und bin schon halb entschlossen, die Helden dieser Dichtung meine bisher sorgfältig beobachteten Gren­zen überschreiten zu lassen. Der erste Theil steht fertig vor meiner Seele und - Sie werden es kaum glauben - für den 2ten ist noch nichts gethan als eine Menge Fragen geschaffen, die in denselben hinüber geschleppt werden sollen. Ihren Brief hab ich vor einigen Stunden erhalten, und ich freue mich recht darauf ihn Abends dem Schwager vorzulesen wenn der Beamte von der Versteigerung in Frastanz zurükkommt. Wenn er, der gewiß herzinnigen Antheil an meiner Freude nimmt, Ihre Worte liest, dann werde ich meine liebsten Freunde auf einmal hören. Schade, daß das Wible nicht hier ist, doch es kommt eben im Winter nicht aus der verschneiten Heimath heraus und das ist auch der Grund, warum es noch keine Photografie übersendete. Der Photograf in Au arbeitet so schlecht daß ich Ihnen das Blatt von Ihm, welches meine ganze Familie darstellen soll nicht zu übersenden wage. Daß ich es sonst mit Freuden gethan hätte, es im Frühling oder noch früher möglich machen werde können Sie sich denken. Ziehts ja auch das Wible wie mich oder doch mit mir immer mehr in die schöne Welt, die Sie uns öffneten.

    Doch ich muß schließen, da die Post bald abgehen wird. Ich hoffe, daß Herr Hirzel die Sonderlinge auch in Vorarlberg anzeigen werde. Begierig bin ich die letzten 2 Kapitel des ersten Bandes zu lesen. Ihre Neugierde auf den Brixnerbrief ist mir begreiflich ich habe letz[t]hin ein Urtheil eines Pfar­rers über meine Tannbergerreise erhalten, die der Schwager ihm zeigte. Das Urtheil von Brixen wird wol ähnlich aus­fallen.

    Entschuldigen Sie die Schreibfehler denn ich werde oft ge­stört.

    Grüßen Sie mir herzlich die lieben Ihrigen Dr Flügel und alle die sich um das Bäuerlein kümmern.

    Leben Sie wohl, lieber lieber Freund, an den ich mich mit allem wende. Tausend Grüße von Ihrem Freund

    F M Felder Ich gehe bald wieder heim

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • 16. Februar 1867

    Lieber Herr Felder!

    Sie werden meinen vorgestrigen Kreuzband u. damit die Überzeugung empfangen haben, daß die „Klarstellung" (end­lich!) ihren Gang durch die Welt angetreten hat. Leider konnte ich trotz alles Drängens u. Treibens kein früheres Fer­tigwerden erzielen. Es wollen eben solche Broschüren, wenn sie in anständigem Äußern sich präsentiren sollen, auch ihre Zeit, u. die gegenwärtige ist 72 Seiten stärker wie die frü­here.

    An die Abgeordneten u. die ändern Adressaten wurde die Broschüre noch am Donnerstag hier zur Post gegeben; ich hoffe daher, daß solche doch noch überall rechtzeitig einge­troffen sein wird.

    Inzwischen habe ich davon auch Sendungen in Commission an die Buchhandlungen Wagner in Feldkirch u. Teutsch in Bregenz gemacht, so daß Sie, wenn Sie Annoncen in Zeitun­gen einrücken, gleich bemerken wollen, daß die Broschüre (sowie auch der „Ruf") daselbst zu haben - was jedenfalls dem Publikum erwünscht sein wird.

    Den Verkaufspreis habe ich vom „Ruf" auf 9 X u. von der „Klarstellung" auf 12 X gestellt, u. werde, was eingeht, Ihnen später gutbringen.

    An Ihren Hrn. Schwager habe nach dessen Wunsch gleich am Donnerstag 6 Ex. der Broschüre mit Post geschickt, u. ihm heute auch über meine vorgenommenen Versendungen aus­führlich geschrieben.

    Um nochmal von den Versendungen zu sprechen: ich habe die neue Broschüre, gleich der ersten, noch an einige weitere Adressen (bekannte Zeitungsredaktionen, distinguirte Persön­lichkeiten) gesendet, was Ihnen recht sein wird.

    Nächste Woche mache ich Ihnen auch wieder eine Sendung p Bregenz, u. werde Ihrem Paket dann 25 Ex. der Broschüre beifügen; oder wünschen Sie mehr? Wenn Sie bei Ihren Inseraten beifügen wollen, daß die beiden Broschüren auch bei mir zu haben sind, habe ich natürlich nichts dagegen.

    Mit den freundlichsten Grüßen

    Ihr

    Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 14. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Auf Dein Wertes vom 11. d. Ms. sitze ich, wie Du merkst, am Schreibtisch. Ich fasse mich kurz, da ich Dich so bald erwarten kann.

    Stettner hat mir auch geschrieben, und zwar versprach er schon unter achtem baldigste Versendung der Klarstellung. Doch ist bis heute noch nichts hieher gelangt. Das ist schon wohl lang, und es scheint die ganze Sache überhaupt zum Verschlepptwerden berufen zu sein. Nun, das muß man hinnehmen, wenn nur bis Samstag die Abgeordneten, die ich dem Stettner bekanntgab, die Broschüren haben. Die Rech­nung der ersten wirst Du mitbringen. Ich freue mich sehr auf Deine Ankunft, und wir werden Vieles zu besprechen haben, doch sollen die Stiefel nicht allein den Ausschlag geben. Jetzt ist eine ungesunde Jahreszeit, und ich muß Dich nochmals ersuchen, auch bei diesem Ausflug, wie erwünscht er mir ist, im Interesse einer hohen Sache, alle Faktoren zu berücksichtigen. Freilich ist auch Mut der beste Glückmacher und hält manche Übel ab, die Verzagtheit dem physischen Befinden schlagen kann. -

    Über die Erfolge in Leipzig freue ich mich mit Dir und es wäre herrlich, wenn selbst Hildebrand dem Lassalleanismus gewonnen würde. Bei den jetzigen, d. h. eben gewesenen Wahlen zum Parlament wird übrigens wohl mancher Gelehrte seine Studien über Lassalle ergänzt haben. Seine Sache scheint nach dem Sozialdemokrat einen großen Aufschwung ge­nommen zu haben und nach der Norddeutschen Allgemei­nen, die wir jetzt hier auch haben, ist Bismarck hierüber erfreut. Ich begreife es, wie auch, daß in dem gut preußisch gesinnten Leipzig die demokratische Strömung die Obhand gewinnt und Hildebrand hievon berührt wird, was ihn auch gegen Dich wärmer machen kann. Diese Strömung wird noch ganz andere Leute mit sich reißen. Überraschend ist nur, daß die Sache so schnell geht. Wenn Du am Sonntag hieher­kommst, kannst Du schon den Ausfall der Parlamentswahlen erfahren, wie ich glaube. Daß Dich der heilige Geist ver­lasse, fürchte ich nicht, er wird Dir vielmehr immer ge­wogener werden, wann Du auf der betretenen Bahn aus­harrst. Die Predigten der Geistlichen werden und sollen nur zur Stählung Deines Charakters beitragen. Ich werde wohl auch ihren Pfeilen verfallen und habe für diesen Fall auf eine ihnen gefährliche Gegenwaffe gedacht. Ich will nämlich den Ruf und die Klarstellung an die in dieser genannten schrift­stellerischen Katholiken /: Döllinger, Ketteier, Moufang, hist.-pol. Blätter :/ schicken und ihr Urteil erbeten, welches ich mir als ganz vernünftig vorstelle. Doch das gehört als Parteisache zu unserer Besprechung. Die Gespräche solltest Du je eher zum Druck befördern, sie können und werden uns sehr förderlich sein. Stettner hat mir auch versprochen, zur Verbreitung unserer Sachen durch Annoncen etc. mög­lichst beizutragen. Bring den Natter mit. Mit Gruß und Handschlag Dich erwartend Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 11. Februar 1867

    Lieber verehrter Herr Förster!

    Recht herzlichen Dank Ihnen und allen Freunden und Förde­rern der Volksbildung für die werthen Beiträge für unser Unternehmen. Wenn ihm auch die Gebildeten und Tüchtigen ihre Unterstützung, ihren Einfluß nicht versagen, so wird es bald schöne Früchte tragen trotz aller Anfeindung von Seiten derjenigen die Privatleidenschaften und anderes im Panzer der Religion auf den Kampfplatz bringen wollen. Gestern ists in der Predigt einmal gehörig gesagt worden, pro 1 wurde das Volk vor dem Lesen gewarnt. Es solle sich die wenigen Ruhestunden nicht verderben. Er, Redner, sei ein Studirter und ziehe doch ein Gespräch oder einen Spazier­gang dem Lesen bei Weitem vor.

    2  Vor der Feldkircherin wird gewarnt und der Redakteur ein erstikter Student genannt der bei einem gottlosen Brodherrn aufnähme fand.

    3  Napoleon und St Augustin seien nicht durch Roman und Zeitungslesen groß geworden.

    4  Vor- Renans Leben Jesu wird gewarnt.

    Doch ich will Sie mit dem Weitern verschonen, das hier Mit­getheilte können Sie als zuverlässig betrachten, obwol ich selbst nicht in der Predigt war. Ausgerichtet wurde mit dem allem recht erbärmlich wenig. Die, die ich mir wünsche, ste­hen alle zu mir. Ich weis nicht was noch werden wird. Ich hatte mir nicht getraut, dem Pfarrer hier so viele Gegner zu rufen, wie das seiner Kunst gelang. Schoppernau war eine so ruhige fromme Gemeinde als der schmerzlich vermißte Stock­meier (früherer Pfarrer) sie verließ. Eben weil ich ein Christ und vielleicht sogar fromm bin, muß ich diesen - Streich herzlich bedauern. Ich schließe und danke Ihnen herzlich für alles was Sie für mich u. den Verein gethan haben und noch thun werden. Mit Gruß an alle Ihr ergebener

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Hanns Koderle
  • 11. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Dein in jeder Beziehung erfreuliches Schreiben hab ich gestern erhalten und bin einverstanden, einstweilen zu beob­achten und sich auf Sturm vorzubereiten. Ich dachte das schon vorige Woche, als Stettner mir schrieb, daß er eine mit meinem Namen gegebene Schrift auch ungeprüft mit größtem Vergnügen verlegen werde. Das kann uns noch zugute kommen, einstweilen aber behalte ich die Gespräche noch hier. Ich werde sie mit ändern rohen Entwürfen nach Bludenz bringen. Jetzt arbeite ich an einem Werke, welches, wenn der heilige Geist mich nicht verläßt, an poetischem Wert noch über den Sonderlingen stehen dürfte. Jetzt ist jedoch das Ganze noch so unfertig, daß Du keine Vorlesung zu fürchten hast. Die Herrn in Leipzig tun jetzt alles für mich, ich erhalte eine Anzahl der besten Zeitungen und Schriften und ich merke überall, daß nicht mehr nur Hildebrand für mich tätig ist, dieser aber äußert sich so freundschaftlich, daß ich das kaum begreife. Das Intermezzo (Lassalle) hat uns einander nur noch näher gebracht. Doch davon mündlich, denn ich werde Dich überfallen, sobald ich wieder ein ganzes Paar Stiefel habe, also vielleicht schon am nächsten Sonntag abends. Mitbringen werde ich mancherlei, und vielleicht begleitet mich der Schneider Natter, der uns jedoch nicht zur Last fallen würde, da er nur das Oberland zu sehen und einen Freund im Montafon zu besuchen wünscht. Natter hat von mir natürlich nichts erfahren, als was er ausgerechnet haben mag. Er ist auch taktvoll genug, nicht zu fragen. Jetzt schwört er nur auf mich; im Ganzen bin ich mit ihm zu­frieden, doch muß ich Vorsicht brauchen, da die dem starren Zwanzigjährigen noch fehlt. So viel zur Klarstellung. Ich lerne jetzt hier meine Leute schon kennen, denn ich brauche sie. Unter allen hitzigen und spitzigen Predigten gegen mich und meinen großmächtigen Anhang war die gestrige die ärgste. Ich werde viel davon zu erzählen haben. Der Redak­teur Kunz wurde wörtlich ein erstickter Student genannt, den ein gottloser Brotherr zu sich nahm, vor - Renan wurde direkt, vor mir und der von mir errichteten Vereinsbibliothek indirekt gewarnt. Ich werde Dir von diesem Unternehmen sagen und erwarte, daß es auch Du, wie meine - Freunde in Bezau unterstützen wirst. Die gestrige und auch noch mehrere Predigten kannst Du vielleicht noch in der Feld­kircherin lesen, es sind mehrere hier, die zum Schreiben Lust bekommen, auch der Uhrenmacher, den ich immer noch nicht fallen lassen kann. Daß bei der Wahl die Liberalen siegten, haben sie hier dem Wirt von Schröcken und unsrem Vorsteher, also auch mir, zu danken. Ich hatte mich hinter diese gesteckt. Jetzt hab ich unsern Ausschuß, wo ich ihn will, und den Vorsteher im Sack, sowohl den neuen als den alten. Alles, wer nicht zum alten Eisen will, wird gegen „Rütti Weothles Buobo" ausziehen, wenn ich „Marsch" rufe. Und es kann, muß dazu kommen. Ich hoffe von den Herrn recht verdammt wenig! Die gestrige und vorletzte u.s.w. Predigt hier und in Bezau förderten einen Unsinn zutage, zu dem eine Valdunaer Phantasie gehört. Gestern sagten die Auer, es sei gut, daß Rüscher und die Seinen schon Stricke anhätten, wenn man sie allenfalls- -. Siehe oben.  Ich glaube, Dir diesen Ausdruck der öffentlichen Meinung trotz seiner Derb­heit mitteilen zu sollen.

    Von den Sonderlingen erscheinen wöchentlich drei Bogen und werden dieselben also in sieben Wochen vorliegen. Ich hab heute das 5/6. Kapitel mit recht innigem Behagen gelesen. Unser Vorsteher will den Pfarrer an dem Artikel in der Allgemeinen (Vorarlberger Bauer) schmecken lassen. Den Erfolg kann ich mir denken. Gegen die Andelsbucher Schrift, also noch nichts als eine erbärmliche Predigt, gegen „Habt acht" detto, gegen die Wahlen detto u.s.w. Brrrrr! Bummmm! Es geht los, daß es eine Lust ist. Der Tannbergeraufsatz wird als Lärmer für mich erst mit oder nach den Sonderlingen in der vielgelesenen Gartenlaube erscheinen. Bis dahin wird Dr. Gosche in Halle, Steger in Leipzig u. a. auch lostrommeln. Also nur wohlauf! Mir ist, ob ich einen Berg erstiegen habe und mit Feurstein und noch mehreren ist mir ein Berg vom Herzen. Hildebrand fängt an, sich uns zuzuwenden. Doch ich werde Briefe von ihm und die interessantesten von Feurstein bringen. Einen Brief vom Donnerstag würde ich noch hier sonnabends erhalten. Lebe wohl auf baldiges frohes Wieder­sehen. Mit Freundesgruß und Handschlag Dein Freund

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 10. Februar 1867

    Lieber Freund,

    Drei Briefe von Ihnen und erst einer von mir! Ach Gott, meine Zeit ist mir beschnittener als je! Ich muß micb auch heute kurz fassen, obwol es Sonntag ist und ich augenblick­lich Wörterbuchsferien mache, was mir seit zwei Jahren nicht widerfahren ist.

    Vor allem die Meldung, daß der 1. Band im Satz und in der Correctur fertig ist, er umfaßt 17 Bogen, außer dem Titel. Ich lese eine zweite Correctur, und die Stunden sind mir seit­her die angenehmsten gewesen in meinem Tagewerke, ja wahre Freudestunden. Ich muß gestehen, daß mir das ganze Gewebe Ihrer Dichtung erst jetzt vielfach deutlich geworden ist, daß ich ihre ganze Tiefe und Feinheit erst jetzt recht er­faßt habe, da ich es durchkauen mußte, oder wollte; damals habe ich es noch zu rasch gelesen, weil mich die Ungeduld trieb, zum Gesamteindruck zu kommen, mit Gedanken an Hirzels Richterspruch. Ich wünsche von neuem Ihnen und der deutschen Literatur Glück zu dieser Schöpfung, sie wird, ahnt mir, nie vergessen werden. Ich hab am Sonntag angefan­gen, dem nächsten Freundeskreise, von dem ich Ihnen schon schrieb, es sind hauptsächlich die uns näher stehenden Haus­genossen, Ihre Sonderlinge vorzulesen, und heute Abend geht es weiter. Nicht ohne Zagen fing ich an, da ich von Haus aus eine für Tadel und Kälte überaus empfindliche Natur bin und genau wie Ihr Franz lange gewohnt bin, in jedem Urtheil eines Ändern ängstlich zu suchen, was daran Wahres sein müsse, sodaß ich selbst auf beleidigende Worte im Augenblick zu antworten noch jetzt meist unfähig bin (aber hinterdrein volle Rache in aller Güte einzuheimsen ist mir auch schon geglückt) - aber weg mit der Selbstbespiege­lung, die ich sonst schon überwunden habe - kurz die Vor­lesung verlief durchaus befriedigend, es war in den nächsten Tagen von Barthle und Sepp oft die Rede im Hause, meine älteste Tochter, die bald 13 Jahre alt ist, brennt drauf weiter zuzuhören, und man kann den heutigen Abend kaum erwar­ten. Könnten Sie doch unter uns sein, das ist der innige Wunsch Aller! und Ihr gutes Wible dabei, deren Handschrift mich so angenehm anheimelt.

    Der Druckfehler auf Bogen 4 ist höchst verdrießlich, ich kann mir nicht denken, daß ich dran schuld bin. Zu helfen ist nicht anders als daß ein Carton gedruckt würd, ich wills morgen Hirzeln melden. -

    Ihr letzter Brief war uns sehr angenehm-endlich ein Schwätz­brief! rief ich bei mir aus, wie ich sie von Freunden so gern habe. Die Schilderung Ihres Tagewerkes fand bei den Mei­nigen sehr dankbares Gehör, und ich bitte Sie förmlich, künf­tig recht viel von solchen Kleinigkeiten zu schwätzen, das sieht hier im fernen Flachlande und in der Großstadt ganz anders aus, als bei Ihnen an Ort und Stelle. Aber überarbei­ten Sie sich um Gottes Willen nicht! mir machte schon Ihr Übergang Sorge, obwol ich das auch sehr gut kenne - der mit Arbeit übernommene innere Mensch schuppt oder häutet sich dabei zugleich. Auch bei uns, wenigstens in Thüringen, nennt man übrigens so einen kleinen Krankheitsanfall, eine Grippe oder ähnlich, wobei kein Arzt geholt wird, tröstend ein Übergängelchen. Noch fällt mir dabei ein, machen Sie denn das gefährliche Holz und Heuziehen immer noch sel­ber? Schreiben Sie mir doch einmal nein! Überhaupt - ich sollte es eigentlich nicht sagen — überhaupt wären Sie doch wo anders besser am Platze! na, Sie sind noch jung - ich halte Sie für stark genug, auch den Dorn der Sie in diesen Worten stechen wird, zu überwinden. — Interessant war mir im drittletzten Briefe was Sie von Ihrer „wunderlichen" Art zu dichten sagten - ja das ist die rechte, die beste Art, die kein Ästhetiker besser angeben kann. Machen Sie nur so fort, aber wird sich Ihr Stoff nicht erschöp­fen? wenn Ihr Erfahrungskreis nur erweitert werden könnte. ­Noch etwas muß ich da doch auch gestehn - ich dachte dun­kel, Sie würden sich einmal an ein Drama wagen, zumal auf die Anregung im Lindauer Theater. Ich traue Ihnen den rech­ten Griff zu, wenn Sie die Motivirung genug zusammenzu­drängen vermögen.

    Die Andeutung in der Augsb. Zeit, geht nicht von mir aus, ich habe sie leider nicht einmal gelesen, aber erzählt wurde mir davon von mehrern Seiten; spaßhaft war mirs sehr: das ist ein Wellenschlag, der weit von Dir doch von Deinem ersten Steinwurf ins Wasser kommt, dacht ich bei mir. Es ist auch schon in die angesehenste hiesige Zeitung übergegan­gen und wird wol weiter gehen. Ihr Wahlbericht hat mich gefreut, auch daß Feuerstein mit gewählt ist (von dem ich übrigens ein Buch in meiner Bücherei habe, den „Lands­brauch des Inner-Bregenzerwalds, den ich mir damals in Schwarzenberg im Hirsch kaufte, da ich ihn da ausliegen fand, der Fund gehörte mit zu den Dingen, die mir, ehe ich Sie kennen lernte, Ihr Land mit köstlichster Romantik umspan­nen, ich bin tief entzückt von Schwarzenberg bei einem prächtigen Gewitter ganz allein weiter gewandert - Feuer­stein hat noch mehr, z. B. Landestrachten die ich dort im Hirsch sah, das werd ich mir diesen Sommer mitnehmen aber mein Satz ist aus Rand und Band über der herrlichen Erinnerung von der ich am liebsten weiter redete - ich wollte eigentlich sagen, daß mir Ihre Angaben von dem politischen und kirchlichen Leben dort sehr angenehm sind, sie sind mir sehr werthvoller Denkstoff, mögen Klagen mit unterlaufen so viel Sie wollen. Jetzt bin ich gespannt auf einen Brief über Sie aus, rathen Sie! aus - Brixen. Ein Freund von mir, Mitglied unsres altdeutschen Clubs (der insgesamt zu Ihrem treuen Publicum gehört, das ich Ihnen hier geschaffen habe), Dr. Lotze, steht in wissenschaftlichem Briefwechsel mit Prof. Mit­terrutzner und hat da kürzlich beiläufig und arglos natürlich angefragt, ob man dort von Ihnen wisse und was man hier von Ihnen sage - wir sind höchst gespannt was von dort ver­lauten wird. So rücken Sie, der Vorarlberger, vom Norden aus, unter dem Schirm norddeutscher, akatholischer Anerken­nung in die Hauptburg des katholischen Tirol ein! eine ganze Lustspielscene steckt in dem Gedanken und ein gut Stück modernster Romantik dazu.

    Auch bei uns ist lebhafte Wahlbewegung, fürs norddeutsche Parlament, der Kampf ist, ziemlich erbittert, zwischen Preu­ßenfeinden und Preußenfreunden; ich gehöre, trotz Prep­ßens schwerefr] Sünde, zu den letzten - ich wittre deutsche Morgen- und Frühlingsluft aus dem norddeutschen Parlament, meine liebsten Hoffnungen sind seit 1848 nicht so hoch ge­gangen wie seit kurzem. Und unser Beust beißt sich doch wol auch durch bei Ihnen? ein Sachse in Wien und Pesth. Doch genug; grüßen Sie mir die lieben Ihrigen,

    Ihr R. Hildebrand, was heißt denn das Kirrhen in dem Landsbrauch S. 49?

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 6. Februar 1867

    Lieber Freund!

    In der Eile nur wenige Zeilen. Die Adressen der Landtags­abgeordneten mußt Du nach Lindau schicken, wenn auch die Schrift an diese verschickt werden soll. Von Stettner hab ich natürlich noch keine Antwort. Das ist eine Post! Den Sams­taggang machte sie des Festtags wegen am Freitag. Und dann mußte ich noch selbst halbkrank nach Bezau, da ich nicht warten wollte. Nun! Die Reise hat mir wohlgetan, auch Feur­stein hat mich weder erschreckt noch überrascht. Seine sehr charakteristischen Briefe werde ich Dir zeigen. Er ist mehr gegen Deine Art vorzugehen als gegen unsere Sache, für die er auch fortan treulich und mit aller Kraft einzustehen versprach.

    Die Wahlen haben nicht nur dem Bezauer Sonntagsprediger böses Blut gemacht, und ihn „ebenfalls rufen und schreien lassen: Habt acht!" Einnehmer Ratz hat die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.

    Die Schrift vom Andelsbucher Jahrtag ist hauptsächlich vom Vorsteher in Mellau (dem Alten). Mitherausgeber waren auch Feurstein u. a. von Bezau. Es ist eine Schande, daß die Pfarrer sich nur in Predigten wehren. Wie? - Das denke Dir, Rüscher macht sich sehr. — Auf meine Veranlassung hat der hiesige Verein eine Bibliothek zu errichten begonnen. Jetzt müssen alle seine Werkzeuge mit Händen und Füßen dagegen zappeln. Ich aber lache, und viele, ja alle, die ich wünsche, lachen mit.

    Nächstens   mehr.   Muxel   wird   bald   fahren   und   ich   muß machen, daß meine Briefe durch ihn nach Bregenz kommen. Mit Gruß Dein Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 6. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Von einer kleinen Erholungsreise heimkehrend finde ich hier Bogen 4-6 der Sonderlinge, die ich eben mit innigem Be­hagen lese. Auf Bogen 4 Seite 61 ganz unten ist leider ein Wort ausgelassen es heißt „indem sie ihn kopfschüttelnd" (verließen ist ausgelassen) und ich beeile mich Ihnen meine Entdeckung so schnell mitzutheilen als das durch unsere Post nur möglich ist. Der Übergang ist glücklich vorübergegangen und ich sitze wieder jede Stunde am Schreibtisch in der ich nicht die Rolle des Haus-, Stall- oder Fuhrknechtes oder sonst eine von den Hunderten zu spielen habe. Es sind schöne Tage für mich, denn obwol ich mich bereits ans Leben einzig für mich und die Meinen zu gewöhnen anfangen wollte und „die Welt" in der ich lebte und webte für eine bloße Traum­welt, eine Spielerei zu halten mich mühte, es gelang mir nicht und wäre mir nie gelungen, das fühl ich erst, seit ich durch Sie wahrhaft zu leben begann.

    Und nicht nur die Tage des freien Schaffens, auch die langen Winterabende sind schön und mir nie zu lang obwol ich unglaublich wenig geschlafen haben muß. Um 6 Uhr bin ich mit der Stallarbeit fertig und eile dann in Holzschuhen und behaglich mein Tobäkle rauchend mit der Milch in die Sen­nerei wo ich meinen Nachbarn und Freunden aus den Zei­tungen u dgl erzähle oder vom Vereinswesen, wenn nicht von der letzten Predigt berichtet u geredet wird, die in der Regel eine sehr hitzige und spitzige war. Nun wenns 7 Uhr schlägt, gehts heim zur Milchsuppe u den Erdäpfeln. Bald ist der runde Tisch von den meinen und etwa mitkommenden Freunden besetzt, daß ihn uns sicher niemand mehr nimmt; meine Mutter bethet voran um den Segen Gottes und die liebe Gesundheit und fragt dann was es heute im Dorf wie­der Neues gegeben habe. Nach dem Essen liest uns das Wible etwas vor und zehn, eilf, zwölf Uhr wirds man weiß nicht wie. Nun löscht das Wible das letzte Liecht in unserm Dorf, und ich träume vom Vorsaß von Leipzig und von meinen Lieben dort, bis Morgens 5 Uhr die wieder erwachte und hungrige Schellkuh im Stalle draußen mich aus dem Bette zu läuten beginnt. Das ist so in wenigen Zügen das Bild meiner jetzigen Tage. Die aus Leipzig mir zugeschikten Zeitungen haben uns schon viel Vergnügen gemacht. Woran ich auch jetzt denke, immer finde ich etwas, das ich Ihnen zu danken habe!

    Doch ich bin da, wie es mir lieben Freunden gegenüber leicht geht, ein wenig ins Schwatzen hinein gekommen und hätte Ihnen doch auch sonst noch manches zu sagen. Der ehmali­gen Sorgen Mariens wegen Sepps Seelenheil könnte im letz­ten Kapitel des 2 Bandes erwähnt werden, wo Maria so froh bei Franzens Ho[ch]zeitmahl sitzt und sich aller frühern Sor­gen ledig fühlt. Hier könnte auch dieser Sorge noch erwähnt werden, ohne daß man darum noch ins Weite u Breite zu schweifen brauchte. Wenn Sie mit meinem Vorschlag einver­standen sind, so bitte ich Sie, die Stelle einzufügen die ich, keine getreue Abschrift des betreffenden Kapitels besitzend, nicht zu stilisiren wage, daß in Bezau 2 Band K. 7. der Gens­darm nach „verbothener Waare" sucht weil kein Grenzjäger zu Hause ist, glaub ich Ihnen schon früher einmal bemerkt zu haben.

    Der Schnee beginnt auf der Sonnseite schon zu schmelzen, das halbe Heu ist verfüttert und schon gehts wieder dem schönen Frühling entgegen, der so herrlichen Zeit, auf die wir uns immer freuen wenn wir auch unterdessen wieder um ein Jährlein älter geworden sind. Schon in der Zeit, wo ich ganz nur mir selbst, und eigentlich mit der ganzen Welt, d h meinem Dorf u meinen Einbildungen im Krieg lebte, hat das Nahen der schönen Zeit mich immer zu einem Gedicht oder etwas derartigem begeistert. Heuer freue ich mich aber ganz besonders auf jene Tage, da ich hoffe, Sie werden Ihr Versprechen halten und zu denen kommen die Sie so glük­lich machten.

    Hier wird unglaublich viel politisiert, sogar auf den Kanzeln. Die Wahlschlacht wurde von den so hitzig mitkämpfenden Brixnern verloren. Sie fielen mit Glanz durch und zwar bei­nahe überall. Auch mein Freund Feurstein, von dem ich Ihnen schon erzählte, ist in den Landtag gewählt. Unser Ruf hat doch schon die geheime Abstimmung fürVorarlberg [erwirkt], was selbst die Feldkircher Zeitung zugestand. Jetzt macht in dieser Gegend die Ankündigung meines Werkes in der all­gemeinen Zeitung viel Aufsehen (vom 31 Jänner). Meine Freunde und Gegner, besonders letztere glaubten kaum, daß ich noch ein Lebenszeichen von mir geben werde. O sie wußten nicht, wie rührig ich an der Hand meines lieben lie­ben Freundes werde. Tausend Grüße von Ihrem

    dankbaren FM Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 6. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Heute erhalte ich Deinen sehr geschätzten Brief von Bezau und danke vor allem Gott, daß Du wieder gesund und mutig bist, zugleich muß ich Dich bitten, Deine Gesundheit und Deine Kräfte richtig zu schätzen und methodisch und vor­sichtig damit zu wirtschaften. Sie sind ein so wertvolles und schätzbares Gut, daß die möglichste Schonung und vernünf­tigste Behandlung derselben nicht nur für Dich und Deine Familie, sondern für Volk und Staat von höchstem Wert sind. Wie unlieb es mir wäre, daß die Druckung der Klarstellung noch mehr verzögert worden wäre, hätte ich in keinem Fall gewünscht, daß Du deswegen Dich gesundheitlichen Ge­fahren aussetzest. Ich hoffe, daß die kleine Reise nicht ge­schadet habe und Kraft und Mut Dir wieder gewährt und gesichert bleiben. Den Abfall Feursteins habe ich geahnt und ihm gestern einen Brief geschrieben, der in seiner Seele noch lange nachklingen dürfte. Wenn er wirklich Dein Freund bleibt, möge er Dir ihn mitteilen. Es ist gut, daß er fort ist, denn in Wahrheit war er uns nur eine Fessel. ­Wenn ich heut und morgen keinen Brief von Dir oder Feur­stein erhalten hätte, wäre ich auf und zu Euch gekommen.

    Jetzt bin ich wieder ruhig und heiterer Seelenfrieden lagert sich, Gott sei Dank, auf meinem Geist. ­Ich gebe zugleich mit diesem Brief einen an Stettner auf die Post.

    Ich gratuliere Dir zu den in Aussicht stehenden Erfolgen der Sonderlinge. Die Annonce in der Allgemeinen war mir ein Labsal und machte hier viel Aufsehen. Die Herrn des Tages werden stutzig und lauschen schon auf jedes Wort, das unseren Lippen entgleitet. Es ist merkwürdig, in wieviel Sachen man sich auf unsere Autorität schon beruft. Die Klar­stellung dürfte merkwürdige Erscheinungen zutage fördern. Ich halte dafür, wir sollen die Wirkungen derselben und allenfalls auch die der Sonderlinge für unsern weitern Opera­tionsplan abwarten. Das sind zwei kecke Würfe und können für uns entscheidende Erfolge haben. Es ist möglich, daß wir den Karl Ganahl soweit gewinnen, daß er seine Zeitung uns zur Verfügung stellt oder zu einer ändern uns mitver­hilflich ist. Ich bin einverstanden, mit ihm und Kunz einen Versuch wieder zu machen, aber wir wollen wenigstens noch die Wirkung der Klarstellung abwarten. Eine bringt dann das andere. Wir dürfen aber die Klerikalen nicht aus dem Kalkül lassen. Unter diesen wird es zu großen Gärungen kommen, wenn - noch ein Funken Gesundheit in ihnen steckt. Sie werden uns entweder zu Ketzern machen oder uns entgegen kommen. Wir werden sehen. -

    Ich danke Dir sehr für Deinen Eifer und preise mich glücklich, zu gleicher Zeit mit Dir die Erdenbahn zu durchwandeln. ­Eine mündliche Besprechung wird gut sein und ich glaube, es ist nützlicher, daß Du herauf-, als daß ich hineinkomme. Du kommst in die Welt und ich käme abseits, wir könnten dann vielleicht miteinander zu Kunz etc. Du bist willkommen, wann Du kommst, aber schau auf Deine Gesundheit, das Wetter  etc.   Die   Ministerkrisis   ist  fertig,   die  Weltwende räuspert. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 4. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Glücklich hergestellt und neu gekräftigt reich ich Dir die Bruderhand. Mutig vorwärts! Wir werden Mut brauchen, denn nun sind wir einstweilen allein, Feurstein ist abgefallen.

    Wenigstens geht er nicht mehr offen mit uns. Dein Auftreten gegen Rom hat seine nur schlummernden Bedenken geweckt.

    Nun meint er nicht mehr mit uns gehen zu können, doch werde er uns so viel als möglich folgen. Meine bereits gesetzten Gespräche hat er mir zurückgegeben, und ich kann nun damit tun, was ich will. Wenn ich im Land jemand wüßte, der den Verkauf der Schrift übernähme, würde ich sie gleich drucken lassen.

    Deine „Klarstellung" nun, die zweite Parteischrift, ist endlich fort, ich bin ihretwegen noch vorgestern abends fünf Uhr, als ich sie durch den Boten von Feurstein zurück erhielt, nach Bezau gerannt und hab sie aus Gründen nach Lindau (Augs­burg) geschickt. Allfällige Aufträge u.d.gl. sind also an Stettner zu richten. Gestern hab ich mit Feurstein verhandelt. Er ist verloren, Dein Wort über die Reichen im Evangelium erfüllt!?

    Ich werde Stettner schreiben, daß man die Schrift an die Pfarrer und Redaktionen schickt, weitere Aufträge (Land­tagsabgeordnete) hast Du zu schicken und zu besorgen. Es wird nun bei unserer schlechten Post bald eine mündliche Unterredung nötig werden. Feurstein will bei uns, will mein Freund bleiben, aber nicht in Reih und Glied mitkämpfen. Er verweist dabei auf das Motto von Goethe: Wer nicht vor 3000 Jahren u.s.w. Die ändern Gründe gehören nicht auf das Papier, da es Familienangelegenheiten sind, deren Mitteilung Du mir gern erlassen wirst.

    Von den Sonderlingen - die in der Allgemeinen Zeitung schon angesagt sind: Ein Vorarlberger Bauer - hab ich die ersten sechs Druckbogen, vortrefflich ausgestattet, bereits gelesen. Die Geschichte macht sich im Ganzen überraschend gut. Ich werde als Dichter vielleicht mehr für unsere Sache tun können, als mir publizistisch in der Tagespresse wirkend möglich wäre. Ist denn mit Kunz wirklich gar nichts zu machen? Beim Lesen seiner Zeitung denk ich jetzt doch zuweilen, man sollte noch einmal versuchen. Die gewünschten Beifügungen hab ich Deiner Schrift ge­geben, das gelbe Blut gestrichen und erwarte begierig den Erfolg. Die Schrift kann jetzt in Augsburg sein und wird also doch bis 10./11. erscheinen, wenigstens an mir hat's nicht gefehlt und wird nie an mir fehlen, da ich ja gottlob wieder frisch und gesund, nur noch etwas schwach und empfindlich bin. Schreibe sobald als möglich, da ich diese Woche wohl schwerlich kommen werde. Die Rechnung für den Ruf hab ich erhalten. Lebe wohl auf baldiges Wiedersehen. Mit Gruß und Hand­schlag Dein Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Ich muß gestehen, daß Dir u. Deinem Freunde u. Schwager Moosbrugger das, was nach meiner Ansicht nach eigentlich das Haupterforderniß guter Polliticker ist, - klare Übersicht des Ganzen, nicht abgeht, sondern, daß ihr derselben voll­kommen mächtig seid.

    Eben stand der Streit, ob ich den Druck der von Dir verfaßten Broschüre fortsetzen solle auf der Tagesordnung, u. ist kaum vor einer Viertelstunde mit - nein entschieden worden, erhalte ich von Dir Deinen Brief, der entschieden Zeugniß davon ablegt, daß Du mich in diesem Streite mit mir selbst in Gedanken begleitet hast. Ich brauche Dir nicht zu erklären, daß dieser Streit nicht aus dem sachlich inhaltlichen von Nr. 2. sondern Nr. 3. hervorgegangen ist. Du weißt es selbst daß ich vom Standpunkte Nr. 3. nie nie unterrichtet war, oder ganz unklare Anhaltspunkte hatte.

    Auf eine so gefaßte Angriffnahme der kirchlichen Frage war ich nicht gefaßt und bin mit derselben auch gar nicht einver­standen. Hätte die dritte sich nicht auf die zweite u. erste viel­fach bezogen, so wäre ich nicht in den Fall gekommen, mein einmal gegebenes Wort brechen zu müssen. Nun aber ist dieß nach meiner Ansicht -/: u. auch Du scheinst dieselbe eigent­lich zu theilen :/ dringende Nothwendigkeit geworden. Indessen glaube ich, daß sich die Zweite auch als Dritte behandeln lasse, u. so wäre denn die Sache einigen Zeitver­lust nicht gerechnet abgethan, ich sende Dir daher das Manu­skript beiliegend zurück.

    Wie ihr meinet ihr könnet auf diese Art beim Volke Fort­schritte machen kann ich freilich nicht begreifen; aber ich erinnere mich an das Motto der „Dritten" u. deßwegen will ich mich darüber nicht weiter einlassen. Wenn Du nach Bezau kömmst bringe die Sonderlinge mit, u. wenn wir uns auch in politischen Fragen mißverstehen u. uns vor der Hand nicht einigen können, so bleibe doch der Freund des Dir alle­zeit ergebenen Freundes

    Josef Feuerstein

    NB. Wegen dem Aufgeben, deß Drukes antworte ich auf Fra­gen die an mich ergehen, daß Du das betreffende Schriftstück zurückgefordert.

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 1. Februar 1867

    Lieber Freund!

    Von Bregenz zurückgekehrt erhalte ich von Hrn. Adjunkt Moosbrugger beigeschlossenes Schreiben, woraus ersichtlich, daß die von ihm eingesannte Schrift nun sogleich dem Druke übergeben gewünscht wird. Ich beeile mich also Dir dieselbe sogleich zu übersenden, u. bedaure nur, daß hiedurch wieder einige Tage Zeit vergehen, bis dieselbe zum Drukort gelangt.

    Durch Schoppernauer Vorsteher u. sonst wirst Du bereits erfahren haben, daß ich zum Landtagsabgeordneten gewählt worden bin, eine Wahl, die eigentlich nur in Folge unge­schickten Vorgehens der Conservativen Parthei zu Stande gekommen ist.

    Daß ich der demokratischen Parthei vermöge meinen eigenen Überzeugungen von Nutzen sein werde, wenn derlei Gegen­stände zur Verhandlung kommen, darüber sind wir, glaube ich, beide einig.

    Mit der Drucklegung Deiner Schrift geht es leider sehr lang­sam, da erst die 23. Seite gesetzt ist. Den ersten Bogen lege ich Dir bei. In 8 bis 10 Tagen könnte dieselbe erscheinen. Übrigens zweifle ich nicht, daß sich nicht ein bedeutender Reinertrag herausstellen wird. Das beiliegende Schriftstück kann selbstverständlich von mir nicht zum Drucke übernom­men werden, da eine viel zu lange Zeit bis zu deren Erschei­nen verstreichen würde. -

    Ich hoffe, daß Du mir Deine bisherige private Freundschaft erhalten werdest, u. daß Deine Gesundheitsverhältniße sich wieder gebessert haben. Mit freundschaftlichem Gruß

    Dein ergebener Freund Josef Feuerstein

    Es ist uns allen leid daß wir die ersten Bogen deiner Sonder­linge nicht hören können

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 30. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Ich lese so eben Dein letztes noch einmal u. sehe, was mir früher nicht aufgefallen, daß Du gleich eine entscheidende Antwort erwartest. Dieß ist mir aber bei der Zeit die ich noch habe nicht möglich mit den Auseinandersetzungen meines Standpunktes den ich Dir gegenüber einnehme, denn in einer Viertelstunde muß ich nach Bregenz zur Wahl abreisen. Deß­wegen nur kurz das Resultat.

    Ich bin nicht geneigt mich in eine Verbindung einzulassen, wo ich je in die Lage kommen könnte meine Überzeugungen ändern ohne meine Erkenntniß opfern zu müssen. Deßwegen thäte es mir sehr leid wenn Du Deine Bekehrungs­versuche als im strengen Dienste der Wahrheit gemacht, gar als ein beschwerliches Werk betrachtet hast. Ich tröste mich indessen damit, daß bei dieser Arbeit noch mehr unbelohnter Schweis fallen wird. Mit dem Druck der Zeitung wäre es unklug, wenn ich dieselbe übernehmen würde, da ich hiezu eine Druckpresse [und] anderes nothwendige anschaffen müßte.

    Nach meiner Meinung wäre es das Beste, wenn ihr die eige­nen Unternehmer würdet, um tausend Gulden kann mann sich eine ganz genügende vortreffliche Druckerey einrichten, vorher würde ich die Zeitung zum Versuche aber in einer Druckerei auf eigne Rechnung drucken lassen. Aber approbos ein Mitglied der Volksfreunde bin ich denn doch noch, u. ich lasse mich nicht sogleich hinaus deckreti­ren; ich bleibe halt jetzt so ein Halbbekehrter. Aber ich muß nun gleich abreisen, u. kann Dir heute nicht mehr berichten ­Es grüßt Dich Dein Freund          J Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 30. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Auf Dein vorletztes Schreiben hin habe ich gleich nach Bezau einen Brief abgehen lassen, welcher, da poste restante darauf steht, dort liegen wird. Da Du zu meinem großen Bedauern unpäßlich geworden bist, habe ich dem Feurstein gestern ge­schrieben, er soll, falls er die Klarstellung noch bei sich hat, jenen Brief abholen und das Manuskript nach der im Brief angegebenen Richtung richtigstellen und die Drucklegung sofort besorgen, d. h. befördern. Falls er das Manuskript nicht mehr hat, soll er den Brief an Dich abgängig machen. In diesem Fall ersuche ich Dich zu beurteilen, ob die Druck­legung ohne weiters und ohne Rücksicht auf die von mir beantragten Änderungen vor sich gehen soll. Meine Meinung ist, die allfallsigen Änderungen seien zu wenig wesentlich, als daß die Drucklegung noch mehr verzögert wird, als sie es bereits ist. Die Broschüre sollte jedenfalls längstens bis 9. in den Händen der Adressaten /: Pfarrer, Zeitungsredaktionen und Landtagsabgeordneten :/ sein. Ich glaube, es vollzieht sich bis dahin schon derart viel, daß man es merkt, daß die Broschüre nicht neuesten Datums ist. Sollte sich die Druckung noch mehr verziehen, müßte unbedingt eine Nachschrift bei­gesetzt werden, denn schon haben wir Nachricht von dem Ausbruch der Ministerkrisis und Kaisersfeld soll ernannt werden.

    Es ist mir fast als ob man fluchen sollte, daß unsere Sachen so schneckenartig vor sich gehen. Wenn man geht, soll man recht gehen, nicht so natur- und sachwidrig. Das Gesetz wegen der geheimen Abstimmung ist sanktioniert. Gestern war hier Wählerversammlung, und man sagte mir hiebei, wenn ich kandidiere, komme ich in den Landtag. Ich lehnte aber ab. Dr. Bickel kommt wieder und ist ein guter Bahn­brecher für uns. Ich würde im Landtag zu entschieden auf­treten und daher in unfruchtbare Opposition kommen, was unserer Sache vielleicht nicht förderlich wäre. Ich sehe, daß auf dem von uns betretenen Weg unsere Ideen still, aber nachdrucksam und auf wenig gefährliche Weise ins Volk kommen.

    Ich wünsche Dir baldigste Besserung und mir je ehere Nach­richt über das endliche Erscheinen unserer Schriften. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 28. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Eben hab ich die ersten 3 Bogen der Sonderlinge gelesen und ich gestehe offen daß ich mit Vergnügen wieder zu den mir schon fast entschwundenen Gestalten zurükkehrte. Ich habe aber auch auf den ersten Seiten meine Eigenheit be­merkt der es beim besten Willen nur selten gelingt der Schön­heit eine Wahrheit zu opfern. Es ist gerade, ob mich ein recht wahrer Zug immer so freue, daß ich unmöglich mehr davon wegkomme, und ich danke Ihnen recht von Herzen, daß Sie da u dort mit der Scheere dran giengen, z B im 3 Ka­pitel. Es ist so wirklich besser und ich bitte Sie, ähnliche Kürzungen nur ohne Bedenken vorzunehmen wo sie Ihnen nötig scheinen.

    Ich habe nun das erste Kapitel des zweiten Theils aufmerk­sam durchgelesen und da hier sehr wenig geändert wurde, so glaube ich auf meinen Entwurf so gehen zu dürfen, daß ich darauf hin meinen Vorschlag wegen Franzens von der Mutter bisher nicht beachteten Wunde nicht nur angeben, sondern auch formulieren zu können meine. Wie wärs, wenn die Mutter mit der Sorge wegen dem Doktor zugleich ihre Freude über sein Wohlbefinden ausspräche? Zuerst redet sie vom Jauchzen u Singen, dann, Sie werden gleich finden wo, könnte sie fortfahren: -" denn ich kanns dir sagen; Ich erschrak fast mehr darüber, dich da beim Doktor zu er­bliken, als ich mich freute über dein gutes Aussehen und darüber, die Wunde, die dir nicht übel steht, wenn man weißt wie du sie bekommen schon wieder so schön und be­reits am Zuheilen zu sehen.“ Wenn Sie das für eine Verbes­serung halten, wie ich, so bitte ich, die Stelle so einzufügen. Andere Vorschläge wage ich heute nicht zu machen, schon weil ich merke, daß ich heute nicht viel rechtes zu Stande bringen würde. Ich bin nämlich etwas unwohl, leide an einem s g Übergang, wie man hier kleine, häufig vorkom­mende Unpäßlichkeiten, Kopfweh, Schnupfen u d g l zu nen­nen pflegt. Ich mochte diese Tage weder lesen noch schrei­ben, weder essen noch trinken, als ich aber die Bogen erhielt, hat mich das denn doch wieder etwas rühriger gemacht und heute war es mir gerade Bedürfniß, einige Zeilen an Sie zu richten. Hier ist jetzt alles in Wahlaufregung wer zu wählen hat, es sind aber z B unter 106 Schoppernauer Hausvätern nur 35 Wahlberechtigte und unter diesen 35 sind erst wieder 11 todte Steuergrößen, nämlich die Alpen. Denken Sie nun welchen Eindruck so ein Wahlgesetz in einem Ländchen machen muß, wo, wie Herr Landgraf sehr richtig bemerkte, im Ganzen die Armen die Pioniere des Geistes sind! Jetzt müssen sich unsere Pfarrer um die behaglichen Steuergrößen herumdrehen daß es zum lachen ist. Es ist aber auch das das einzige Lächerliche an der ganzen Geschichte. Man ist hier - ich rede nicht gerade von den Bauern - in einem Zu­stand wo man wenig hofft und nichts fürchtet. Daß die Geist­lichen mit alier Kraft die Regierung unterstützen, wird dieser, außer in Tirol, nur sehr wenig oder gar nichts helfen. Aber warum mitten im Fasching diese Litanei? Doch etwas muß der Mensch haben, und ich möchte nur wissen, mit was die frommen Bauern nun den langen Winter herumbringen sollen. Vor 3 Wochen wurde ihnen die Feldkircher Zeitung vom Pfarrer verbothen, vor 8 Tagen sprach er sich gegen meine Leihbibliothek aus, gestern hielt er eine ganze Predigt gegen Stubat und Tanz. Er drohte mit allem möglichen und brachte Worte und Vergleiche, daß ordentlichen Weibern und Mädchen „siedig heiß" geworden sein soll. Nun haben Sie so ein Bild vom hiesigen Leben. Ich bin zum Theil froh, daß man den guten Bauern alles auf einmal nehmen will, was sie jetzt haben, sich zu unterhalten zu erfreuen und sich der Welt etwas zu nähern.

    Wenn ich nicht einen „Übergang" hätte, so wüßte ich nicht was ich thäte. Ich möchte der Welt schon einmal erzählen, wie man uns erzieht; doch wäre der Schauplatz zu unbedeu­tend und die Thatsachen zu unglaublich, daß ich irgendwo geneigte Zuhörer finden würde. Auch Sie werden meiner Klagen herzlich müde sein. Doch hoffe ich, Sie werden mich entschuldigen, wenn so etwas mich ärgert. Denken Sie sich in meine Lage! Ich glaube bewiesen zu haben, daß ich die Wälder liebe. Aber ich achte sie auch und weiß, daß man sie nicht mehr so leicht an der Nase führt u das ist mein Trost. Heute haben wir seit Monathen den ersten schönen Tag, gerade so schön wie vor 6 Jahren, da ich als Hochzeiter mit dem Wible in den vordem Wald fuhr.

    Das Wible hat die erhaltenen Bogen mit Freude gelesen und fürchtet nur daß meine Bauern in vornehmen Zimmern doch vielleicht gar zu grob auftretten, Ich aber freue mich darauf am meisten, aus dieser trokenen Welt doch das Ideale, aus den verknöcherten Bauern das rein Menschliche herauswach­sen zu sehen.

    Die gewünschte Photografie wird das Wible baldmöglichst übersenden; einstweilen schikt es Ihnen und den Ihrigen viele herzliche Grüße. Am Neujahr hab ich so oft nach Leip­zig gedacht, daß das gewiß auch in der von Ihnen erwähnten Stunde der Fall war.

    Aber nun wartet mein Bothe                                Ihr dankbarer

    Mit herzlichen Grüßen                                             

    F M Felder

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 25. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Was schon, als ich den letzten Brief schrieb, sich leise regte, ist seitdem in mir zum Ausbruch gekommen, das ist der Grund, daß ich nicht von Bezau aus an Dich schreibe. Ich bin unwohl und habe mich, wenn auch schwer, zum Aufgeben der auf heute bestimmt gewesenen Reise nach Bezau ent­schließen müssen. Wie hart das gegangen, könnte Dir das Wible sagen, aber der Doktor, der mich auch in gesunden Tagen häufig besucht, hat mir ernstlich geraten, mich in Acht zu nehmen, um nicht einen ungefährlichen Zustand zu einem sehr gefährlichen zu machen. Ich werde Feurstein meinen Zustand melden und ihn ersuchen, mich zum Zweck einer ihm etwa nötig scheinenden Verhandlung hier zu be­suchen, wenn mein Magenleiden doch länger als einige Tage mich festhalten und plagen sollte.

    Da ich Leib und Seele noch so ziemlich beisammen habe, und mir auch der Appetit nicht fehlt, so hab ich guten Mut und erwarte bald wieder rüstig einstehen zu können für die heilige Sache des Volkes. In der letzten Zeit hab ich fleißig gelesen und manche Lücke in etwas zu ergänzen auszufüllen gesucht. Jetzt freilich würde mich das nur noch fieberischer machen, und es gibt mir nichts Besseres, als auf dem Kanapee liegend alle Viere auszustrecken und als echter Schüler Epiktets alles ruhig gehen zu lassen. Es ist mir das jetzt auch leichter, als man glauben könnte. Doch genug vom kranken Mann!

    Deine Schrift wanderte Dienstag nach Bezau und ich ver­sprach, heute nachzukommen. Nun werde ich, wenn Du nichts anderes mehr bestimmst, dafür sorgen, daß sie so schnell als möglich gedruckt wird, doch wohl nicht bei Feur­stein, da sich doch, wie ich glaube, zu viele Fehler ein­schleichen dürften. Das Erscheinen der Zeitung ist noch in Frage gestellt durch Feursteins Unentschlossenheit. Er hat eigentlich noch gar nichts getan. Ich stehe zwischen Dir und ihm wie zwischen Tür und Angel und wer mich die letzten Wochen in einem gemütlichen Zustand glaubte, der - durfte wenigstens unbesorgt sein. Ich habe meinen Freund Uhren­macher nicht gefunden, wie ich hoffte und bin doch zu schwach, ihn aufzugeben. Ich - genug. Feurstein soll zu den Wählern gewählt sein. Ich glaube, er könnte in den Landtag kommen, doch kenne ich die Resultate der Vorwahlen im Ganzen noch zu wenig, um etwas nur ernstlich vermuten zu können. Und jetzt hab ich recht genug geschrieben und gäbe gern etwas, wenn nur auch Feurstein schon abgefertigt wäre. Du siehst, wie trag und selbstsüchtig ich heute bin. Entschuldige mich, es wäre mir z. B. unmöglich, einen Ge­danken eine Minute festzuhalten, und von so einem Men­schen kannst Du auch keinen bessern Brief erwarten, schon dieser hat mich, daß ich's offen sage, Anstrengung genug gekostet.

    Ich hoffe, bald Besseres von mir sagen zu können. Bis dahin lebe wohl.

    Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 24. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Ich beeile mich, den heute erhaltenen werten Brief recht­zeitig zu beantworten.

    Das vom gelben und blauen Blut bitte ich auf Deine Bemer­kung hin zu streichen.

    Die Regierung müssen wir „als Christen" lieben, sie ist doch unsere Regierung, und wir müssen sogar unsere Feinde lieben.

    in den beiliegenden Bogen meines rohen Entwurfes wirst Du sechs rot angestrichene Stellen finden und dabei sechs mit Blei geschriebene Zitate, die ich in das zum Druck bestimmte Manuskript eingeschalten wünsche. Wenn Du sie liest, wirst den Grund und Zusammenhang finden. Wo das + ist, muß die betreffende Stelle als Anmerkung unter den Strich. Diese Stelle scheint mir besonders wichtig, weil sie einen Zu­sammenhang herstellt und ich wirklich die Lücke früher über­sah. Die Bemerkung wegen der Statuten, wie die ändern Einschiebsel, scheinen auch zu mehrerem Licht nötig. Ich ersuche Dich, das Manuskript in diesen Punkten zu ergänzen. Auf dem letzten Bogen findest Du auch einen Entwurf der Zeitungsannonce, den Du vorkommendenfalls dem Manu­skript anhängen sollst. Es hätte mich gefreut, Deine Literaten­bemerkungen zu hören, wenn offenbare Fehler oder Mängel vorkommen, so sei so gut, ohne weiteres zu korrigieren.

    Mit der Sendung nach St. Gallen bin ich einverstanden.

    Es freut mich, wenn Du mich besuchen solltest, wir könnten

    Manches besprechen.

    Die Andelsbucher Schrift las ich, wer schrieb sie?

    Auf baldige gute Nachrichten harrend

    Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 21. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Dein Brief scheint wenige Bemerkungen zu der Klarstellung zu erwarten und wirklich kommen meine Literatenbedenken gar nicht in Betracht bei einer Schrift, wo es sich mehr um das Was als das Wie handeln muß. Der Inhalt ist streng wissen­schaftlich dargelegt, vielleicht fast zu streng, ich gestehe, daß ich meine Bibliothek benützen mußte, um nicht vor Einigem zu stehen wie der Esel am Tor. Die Anspielung auf unseren Eulenspiegel ist ein wahrer Ruhepunkt und paßt wie eine Faust auf ein Ohr, ich hatte mehr volkstümlichere Bilder, wenn auch nicht gerade humanistisch gewünscht. Doch wenn ich bedenke, daß wir uns im Volk nicht durch diese Schrift, sondern nur durch eine Zeitung Boden schaffen können, so muß ich eine Ausführung loben, die sich auf die Geschichte stellt, die ich, nebenbei bemerkt, jetzt fleißig lese, um mich zu dem vorzubereiten, was vielleicht noch kommt, bevor ich gehörig vorbereitet bin. Gestern hab ich den ersten Bogen meiner Gespräche erhalten und bin nun umso fester über­zeugt, daß wir Deine Schrift weiterschicken müssen. Ich werde schon Druckfehler verzeichnen müssen, die sehr sinnstörend sind. Feurstein wünscht einen bedeutendem Titel. Vielleicht hieße es wirklich am besten Gespräche u.s.w. zweite Partei­schrift der vorarlbergischen Partei der Gleichberechtigung. Und meinen Namen? Wenn der Zeitungsplan nicht wäre, könnte er wegbleiben. Was meinst Du? Ich werde Dich über­haupt noch manches fragen müssen, besonders wenn die Zeitung erscheint, und ich werde in diesem Fall schon bald einmal kommen müssen. Einstweilen werde ich mit Feurstein so oder so fertig werden und am Freitag abends in Bezau Deinen Brief von der Post holen. Am Samstag aber Deine Schrift versenden, da Feurstein wohl nichts zu bemerken hat, was wir ändern möchten. Daß Du bei Aufstellung des Plans bei Vorarlberg bleibst, ist gut, aber das gelbe Blut würde ich doch nicht fließen lassen, da durch diesen Ausfall unnötig gewonnener Boden genommen wird. Zwar hat die Feld­kircherin die Bourgeoisie vom Fortschritt zu trennen versucht, aber wer soll über den Witz lachen bei uns? Mein Bedenken ersteht einzig, wie Du wissen könntest und solltest, aus dem Wunsch, daß die Schrift Erfolg haben sollte. Dieser wird ihr auch nicht fehlen, wenn wir bei der heiligen Sache bleiben und die unheiligen Personen so viel als möglich aus dem Spiel lassen. Die Ultras haben ihr Teil, aber daß wir unsere Regierung lieben, hätte ich nicht schreiben können. Die Wahlen machen unseren Herrn viel Arbeit. Feurstein schreibt, in Bezau z. B. sei eine Wahlpredigt gehalten worden. Mich freut, daß nach den letzten Nachrichten Ungarn und Deutsche sich einmal gefunden haben. Mit direkten Wahlen, wenn dann oktroyiert sein sollte, hatte die Regierung die Deutschen doch noch weniger verletzt, da doch jedes Land seine öffentlichen Personen hat.

    Ich habe nicht mehr Zeit, es ist Abend, mein Extrabote wartet Schreibe bis zum Freitag, da ich abends den Brief erwarte. Dann mehr. ­Mit Gruß

    Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Eben hab ich Deine letzte Sendung erhalten. Ich kann noch nichts darüber sagen, als daß ich mich nun mit Lust und Eifer daran machen werde, sobald ich den beiliegenden Brief beantwortet haben werde. Das scheint mir zur Klarstellung sehr nötig zu sein. Ich gebe freilich eines Weibes wegen nichts auf, aber ich habe keine Druckerei und auch nicht die Mittel, eine solche einzurichten. Insoweit ist also unser Unternehmen - wenn wir in Bezau bleiben wollen oder müssen, von einem sehr gemütlichen Mann und einem etwas berechneten Weibe, die ich Aristokratin nennen muß, umso abhängiger, da der Mann diesen Winter unwohl ist, worunter seine Kräfte, auch des Geistes, zu leiden scheinen.

    Ich werde nun Deine Schrift lesen und sie dann dem Feurstein morgen schicken. Donnerstags gehe ich selbst nach Bezau und hoffe, dort bei und mit Feurstein einen Brief von Dir zu lesen. Manches sollten ich und Du wohl mündlich be­sprechen und ich denke bereits daran, Dich bald einmal mit einem Besuche zu beehren. Deine Schrift sollte wenigstens bis 11. Feb. heraus sein, ich möchte sie daher nicht bei Feur­stein erscheinen lassen, der meine Schrift schon lange in den Händen hat und nicht weiter zu kommen scheint. Die Schrift über den Andelsbucher Jahrtag (ich weiß den Verfasser), die Du doch auch erhalten hast, wurde in St. Gallen sehr billig gedruckt, ich denke, mich auch mit Deinem Manuskript dorthin zu wenden, wenn Du nichts dagegen haben wirst. Daß ich zum Leiter unseres Blattes einen der Post näher Wohnenden, Tüchtigern wünschte, beweist vielleicht eher meinen Eifer als meine Gleichgültigkeit. Ich wenigstens möchte das von mir behaupten. Meine Kraft würde ich doch jedenfalls der Sache zur Verfügung stellen, wie ich schon früher gesagt zu haben glaube.

    Fände sich ein tüchtiger Leiter, so wäre mir das der Sache wegen, nicht aus Bequemlichkeit, sehr lieb, sonst aber stehe ich mit Freuden ein, sobald wir einen Verleger haben. Ich werde nun Feurstein recht ernstlich ins Verhör nehmen und ihn zu ja oder nein drängen. Sagt er ja, so ist's gut, aber wenn er „nein" sagt? Weißt auch dann Du einen Ausweg, so bitte ich Dich, die Anzeige der Volksstimmen Deiner Schrift noch selbst beizufügen. Ich wünschte das aus begreif­lichen Ursachen aus Deiner Feder, besonders wenn Du für nötig halten solltest, für den Herausgeber ein Wort einzu­legen. Ich habe jetzt in Leipzig drunten vielleicht mehr Freunde als hier herum. Freilich bei unseren Parteigenossen und Gegnern werden die Gespräche mich vorstellen, ich habe auch hauptsächlich darum meinen Namen dazu gegeben. Wenn es nur schon (endlich) heraus wäre!! Die Wahl ist hier vorgestern nach Wunsch ausgefallen. Schoppernau tut für jetzt genug, wenn es nichts verdirbt und das ist geschehen, indem Albrecht gewählt wurde, ich hatte unter den Herren fünf Stimmen. Aus Au kommt Vorsteher und Ritter. Mein Vetter, der Uhrenmacher, lärmt jetzt ge­waltiglich gegen unser Wahlunrecht und wollte seine Stimme durchaus der Alp Vorderünscher geben, da das ja die größte sei und die erste Stimme habe. Von Bezau aus mehr. Ich werde schon wieder unterbrochen.

    Schreib auch, ob Du für ein Wochenblatt oder eine Monats­schrift oder zwanglose Flugblätter mit auf den Bogen ge­stellten Preis sein würdest. Letzteres wäre, wie Feurstein bemerkt, ganz kautions- und stempelfrei und mir bei jetziger Post allerdings das Bequemste. Ich bitte, ja die Zeitungs­anzeige nicht zu vergessen, zurückbehalten kann ich sie immer noch!

    Mit Brudergruß und Handschlag Dein schnelle Antwort hoffender Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Eben hab ich Deine letzte Sendung erhalten. Ich kann noch nichts darüber sagen, als daß ich mich nun mit Lust und Eifer daran machen werde, sobald ich den beiliegenden Brief beantwortet haben werde. Das scheint mir zur Klarstellung sehr nötig zu sein. Ich gebe freilich eines Weibes wegen nichts auf, aber ich habe keine Druckerei und auch nicht die Mittel, eine solche einzurichten. Insoweit ist also unser Unternehmen - wenn wir in Bezau bleiben wollen oder müssen, von einem sehr gemütlichen Mann und einem etwas berechneten Weibe, die ich Aristokratin nennen muß, umso abhängiger, da der Mann diesen Winter unwohl ist, worunter seine Kräfte, auch des Geistes, zu leiden scheinen.

    Ich werde nun Deine Schrift lesen und sie dann dem Feurstein morgen schicken. Donnerstags gehe ich selbst nach Bezau und hoffe, dort bei und mit Feurstein einen Brief von Dir zu lesen. Manches sollten ich und Du wohl mündlich be­sprechen und ich denke bereits daran, Dich bald einmal mit einem Besuche zu beehren. Deine Schrift sollte wenigstens bis 11. Feb. heraus sein, ich möchte sie daher nicht bei Feur­stein erscheinen lassen, der meine Schrift schon lange in den Händen hat und nicht weiter zu kommen scheint. Die Schrift über den Andelsbucher Jahrtag (ich weiß den Verfasser), die Du doch auch erhalten hast, wurde in St. Gallen sehr billig gedruckt, ich denke, mich auch mit Deinem Manuskript dorthin zu wenden, wenn Du nichts dagegen haben wirst. Daß ich zum Leiter unseres Blattes einen der Post näher Wohnenden, Tüchtigern wünschte, beweist vielleicht eher meinen Eifer als meine Gleichgültigkeit. Ich wenigstens möchte das von mir behaupten. Meine Kraft würde ich doch jedenfalls der Sache zur Verfügung stellen, wie ich schon früher gesagt zu haben glaube.

    Fände sich ein tüchtiger Leiter, so wäre mir das der Sache wegen, nicht aus Bequemlichkeit, sehr lieb, sonst aber stehe ich mit Freuden ein, sobald wir einen Verleger haben. Ich werde nun Feurstein recht ernstlich ins Verhör nehmen und ihn zu ja oder nein drängen. Sagt er ja, so ist's gut, aber wenn er „nein" sagt? Weißt auch dann Du einen Ausweg, so bitte ich Dich, die Anzeige der Volksstimmen Deiner Schrift noch selbst beizufügen. Ich wünschte das aus begreif­lichen Ursachen aus Deiner Feder, besonders wenn Du für nötig halten solltest, für den Herausgeber ein Wort einzu­legen. Ich habe jetzt in Leipzig drunten vielleicht mehr Freunde als hier herum. Freilich bei unseren Parteigenossen und Gegnern werden die Gespräche mich vorstellen, ich habe auch hauptsächlich darum meinen Namen dazu gegeben. Wenn es nur schon (endlich) heraus wäre!! Die Wahl ist hier vorgestern nach Wunsch ausgefallen. Schoppernau tut für jetzt genug, wenn es nichts verdirbt und das ist geschehen, indem Albrecht gewählt wurde, ich hatte unter den Herren fünf Stimmen. Aus Au kommt Vorsteher und Ritter. Mein Vetter, der Uhrenmacher, lärmt jetzt ge­waltiglich gegen unser Wahlunrecht und wollte seine Stimme durchaus der Alp Vorderünscher geben, da das ja die größte sei und die erste Stimme habe. Von Bezau aus mehr. Ich werde schon wieder unterbrochen.

    Schreib auch, ob Du für ein Wochenblatt oder eine Monats­schrift oder zwanglose Flugblätter mit auf den Bogen ge­stellten Preis sein würdest. Letzteres wäre, wie Feurstein bemerkt, ganz kautions- und stempelfrei und mir bei jetziger Post allerdings das Bequemste. Ich bitte, ja die Zeitungs­anzeige nicht zu vergessen, zurückbehalten kann ich sie immer noch!

    Mit Brudergruß und Handschlag Dein schnelle Antwort hoffender Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 19. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Ich wollte Dir nicht schreiben, bevor ich Dir über den Erfolg unseres Versuchs des Lithografischen Drucks der Broschüre berichten könnte. Die ersten Vorbereitungen gingen zimmlich langsam indem es uns an allem gebrach. Jetzt ist die Sache eingerichtet, u. ich übersende Dir die ersten 2 Seiten die gesetzt worden sind.

    Nur kann ich deinem Wunsche die Correctiturbogen zu über­senden nicht entsprechen, indem, wenn die Schrift überhaupt einmal auf dem Steine ist, sich nur mit unendlicher Mühe noch korrigiren ließe, indessen wenden wir aber alle Mühe an, daß keine bedeutende Fehler einschleichen. Übrigens wird die Schrift größer, als ich anfänglich geglaubt; es wird wohl etwa 36 Seiten geben.

    So sehr mir aber die Stilisirung des Ganzen gefällt, so wenig befriedigt mich der „Titel". - Er ist gar nicht geeignet die Auf­merksamkeit des Publickums auf sich zu leiten, u. nur solche die Deinen Namen kennen, werden Notiz von einer Ankündi­gung in Zeitungen nehmen; zudem wenn Du beabsichtigst von Zeit zu Zeit pol. Artickel nachfolgen zu lassen, wäre es nicht besser wenn dieselben einen gleichartigen Titel führen würden. Jedoch das ist nur meine Meinung, die Entscheidung fällt Dir zu.

    Da ich sah daß Du das ganze Manuskript selbst abgeschrie­ben beabsichtigte ich Dir wieder eine Augenpredigt zu halten, doch ich habe nicht Zeit, deßwegen führe Dir meine früheren Zusprüchezu Gemüthe.

    Bei den Wahlen ist die Geistlichkeit thätig u. unser Hr. Pfarrer hielt letzten Sonntag eine ganze Predigt von denselben. ­Dieselben sind in Bizau u. Reute u. Schwarzenberg schon vor­genommen worden. Bizau wurde gewählt Chirurg Feurstein, Reuthe, Vorsteher.

    Dank für Deinen Kathrinatag, er gefällt allen, wenn ich ihn vorlese, mit etwas humoristischen Dichtungen hättest Du ent­schieden Glück.

    Übersehe die Feldkircher Zeitung von 16/1  nicht, es ist die Landtagsverhandlung über geheime Abstimmung darin. Wie steht es mit Dr. Jussel? Es grüßt Dich Dein Freund

    Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 17. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Das Dökterle hat die Verletzung des Uhrenmachers unter­sucht und findet gerichtliche Anzeige geboten. Das geht dem Rößlewirt umso näher, weil eben die Wahlen dahier für ungültig erklärt worden sind. Das Männchen will durchaus Vorsteher werden, und was zum Pfarrer hält, unterstützt diesen Wunsch auf jede Art. Unsere Parteien sind sich jetzt an Zahl so ziemlich gleich, und ich wage nicht zu sagen, wie es gehen werde. Am Vereinsfeste ließ sich zum Glück kein Gegner sehen, und so lief es denn trotz einer dem Fremden sicher unbegreiflichen Aufgeregtheit ganz ruhig ab. Unerhört ist bei uns, daß der Pfarrer gar nicht eingeladen wurde. Es hieß, den brauche man nicht. Der Unglücksmann flüchtete sich nach Au, aber auch dort traf er es nicht gut. Es war eben von den ehemaligen Zünftlern eine von mir entworfene Ver­einsordnung allgemein angenommen. Am vorigen Sonntag wurde in Au von einem Kapuziner folgendes gepredigt: „Ein Mitglied des Reichsrats hatte geheiratet, da sagte ein anderer Herr dieser Art, er möchte die Braut noch zu seinem Weibe haben - und solche Männer machen die Gesetze!" Wie unschuldig - und dann ging der Gottesmann nach Schoppernau und log über Feurstein in Bezau, daß er bei der Vorsteherwahl durchgefallen sei „dieser Seyffertitz". Deine Meinung über meinen letzten Artikel teile ich und hab ihn daher etwas verändert abgeschickt mit weniger trockenen Tatsachen und in milderer Form. Was ist denn der Hofer­Verein? Ich habe nichts davon als eine letzten Sonntag zufällig aufgelesene Notiz im Boten. Ich faßte die Sache mehr als einen Gruß auf und habe noch gar keinen Schritt getan, werde auch keinen tun, bis ich mehr weiß. Man wird es mir doch melden. Bergmann wünscht Mitteilungen aus meinem Leben für seine Landeskunde. - Dein letzter Brief war sehr geheimnisvoll, was ist's mit den Hindernissen in Feldkirch. Von einer Aufforderung des Sozialdemokrat hab ich in den mir zugekommenen Nummern nichts gelesen. Ich halte das Blatt nicht allein, und es kommt mir sehr unregelmäßig zu. Die Neue Freie Presse lese ich sehr fleißig. Letzthin erhielt ich eine Zeitung aus Minnesota, die aus dem Grenzboten meine Verfolgungsgeschichte bringt.

    Dein Bruder ist etwas besser, zum Dökterle aber will er nicht, das haben sie ihm nun einmal in den Kopf gesetzt. Sollte es aber noch nicht gehen, wie er glaubt, oder sollte er sich gar nur verstellen, so werde ich die nötigen Schritte tun. Was sagst Du zur Novelle in der Gartenlaube? Reich und Arm würde eine hübsche Arbeit, wenn mir nur nicht so oft die rechte Stimmung fehlte. Übrigens bin ich gesünder als je. Nun wird's dunkel. Lebe wohl,

    mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    Felder

    Kannst Du das Beiliegende lesen? Ich brachte viel nicht heraus im einen Brief.

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 16. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Deine zwei letzten Briefe habe ich erhalten. Über den letzten glaubte ich, meine Arbeit, von der Du weißt, beschleunigen zu müssen. Sie liegt nun fertig bei. Der Grund meiner Be­schleunigung ist der, weil mir vorkommt, Du kommest über die Festes- und ändern Gemütlichkeiten in einen Zustand der Legerität. Wie würdest Du sonst wegen eines Weibes­wunsches Dein Vorhaben mir nichts Dir nichts aufgeben wollen. Wie es hier mit der Nichtdruckerei und in Bregenz mit der Druckerei aussieht, sollst Du wissen, auch daß ich in meiner jetzigen Stellung keine Zeitung leiten kann. Ich habe eine Änderung meiner Stellung allerdings in Aussicht ge­nommen, die hängt aber zusammen mit den bevorstehenden Änderungen in unserm Staatswesen und - vielleicht auch mit meinem Broschürenwesen. Diese neueste Arbeit kann einen mitwirkenden Faktor geben. Es kann sein, daß es mir unmög­lich wird, im Staatsdienst zu bleiben. Vorläufig muß ich aber zusehen und abwarten. Ich habe die Zeitung auf Deinen letzten Brief hin, wie zu ersehen, nicht angekündigt. Wenn die Klarstellung auf Euch die Wirkung macht, die sie machen kann, werdet Ihr vielleicht wieder wacher und rühriger für unsere gemeinsame Sache und dann kannst Du die Ankün­digung hinten nach eigenen Gunsten anbringen. Diese Klar­stellung wird Dir die Zeitungsleitung jedenfalls viel leichter machen. Es ist mir nur leid, daß Ihr meine Argumente auf Treu und Glauben werdet hinnehmen müssen, wenigstens zum Teil, da Euch die einschlägigen Vorstudien fehlen. Doch der Hauptsache nach könnet Ihr Euch ein richtiges Urteil bilden, und ich bin dankbar, wenn Ihr mir eine scharfe Kritik entgegenstellt. Ich erwarte sie so präzis, wie ich sie Dir lieferte. Randbemerkungen bitte ich zu unterlassen, da ich einen rohen Entwurf noch hier habe und Verbesserungen nach Deinen Zitaten anbringen kann. Das Dir geschickte Manuskript soll zum Drucker wandern, und da die politischen und andere Ereignisse drängen, soll der Druck und die Aus­gabe so schnell als möglich erfolgen. Ich stehe wieder in ähnlicher Lage wie bei dem Ruf. Zur rechten Zeit die rechte Wirkung. Wenn Feurstein den Druck übernehmen will, soll er es mir gleich anzeigen, sonst werden wir es wieder ähnlich wie beim Ruf machen, nur glaube ich, sollten wir nicht mehr so viele Exemplare frei verschicken, dafür aber durch An­noncen und dergleichen für weitere Verbreitung sorgen. Den Pfarrern werden wir die Broschüre doch schicken müssen. Ich konnte sie bei dem massenhaft zu verarbeitenden Material nicht kleiner machen, es mußte so noch, fürchte ich, zu viel verschwiegen werden. Meine weitere Arbeit konnte ich auch nicht ankünden, weil sie auch mit meinem Geschick als Beamter kohäriert und ich dazu jedenfalls mehr Muße brauche, als ich habe. Ich habe jetzt schon lange zu beißen an dem, was ich des Vorbegründens wegen aufschob. - Ich ersuche Dich, den Fortgang der Veröffentlichung zu be­schleunigen, da ich wegen Mangel an Zeit vorderhand mich nicht mehr mit dem abgeben kann. - Deine Broschüre habe ich schon täglich erwartet und wundert mich, daß Du so den Schneckengang mit ihr gegangen bist. Auch diesfalls täte Beschleunigung not. Zu Deinem Erfolg bei Hirzel gratuliere ich und hoffe das Beste. Wie gefallen Dir die Ungarn? Jetzt sind sie teuflisch wegen der Militärverordnung. Dr. Bickel sagt, diese Verordnung breche der Regierung den Hals. Also baldige Kritik und gute Antwort erwartend mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 9. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Ich beeile mich, Ihnen zu schreiben, da Sie die beiliegenden Fra­gen sicher schnell beantwortet wünschen, daher froh sein wer­den, daß ich Gelegenheit finde, den Brief schneller nach Bre­genz zu bringen, als das durch die Post möglich sein würde. Ich wünsche recht von Herzen, beim Lesen des bereits Ge­druckten und auch hernach bei Ihnen sein zu können, ja meine Sonderlinge müssen freundliche Aufnahme finden, wenn es mir möglich sein soll, meine längst gewünschte aber für unmöglich gehaltene Reise zu Ihnen bis zur 2ten Auflage zu verschieben. Herzlich freuen wir uns schon darauf Sie bei uns zu sehen, die von Ihnen angegebene Zeit des Besuchs, Ende Juli bis Mitte August hab ich so ziemlich frei, nur auf das Vorsaßleben werden Sie da verzichten müssen, doch wer­den Sie auch hier alles noch älpisch (einfach wie in den Al­pen) genug finden. Nanni (Anna) das Wible fürchtete fast daß Sie es denn doch gar zu älpisch finden dürften, doch haben Ihre Briefe seit damahls diese Besorgnisse glücklich zerstreut.

    Ihre Briefe verkünden immer ein Familienfest aber daß Sie auch der Sonderlinge wegen noch so viel Zeit versäumen und schreiben müssen, das muß ich, obwol es mich als ein Beweis Ihrer Freundschaft und Theilnahme ungemein freut, dennoch einestheils für Sie bedauern und ich möchte Sie auf das Wörterbuch zum Gotthelf - Jeremias Gotthelfs Schriften Band 23 Berlin bei Springer 1861 - verweisen in welchem Sie, da es doch in Leipzig leicht zu bekommen sein muß, ähnliche Fragen beantwortet finden werden. Daß ich so lange keine Wörter mehr schike, kommt davon, daß ich erst mit der Winterarbeit, Holz und Heuziehen etc fertig machen und mir freie Wochen machen wollte. Auch nehmen meine Be­strebungen für das Vereinswesen mir Zeit hinweg: vorgestern haben wir 64 Personen hier das Vereinsfest mit Gottesdienst für die Verstorbenen Mitglieder !! dann mit allem Möglichen (Reden halten, Festmahl, Tanz) gefeiert. Es wird mir nun, wie es scheint gelingen, für den Verein der hiesigen Handwerker eine kleine Bibliothek zu gründen. Ich fange mit einem Kapi­tal von 15 Gulden an werde aber bald über mehr zu verfü­gen haben wenn es mir nur wenigstens eine Zeit lang gelingt den Pfarrer neutral zu erhalten, Ihrem Freunde danke ich herzlich für seine Theilnahme, der von ihm gefürchtete Fall würde der Viehversicherungsgesellschaft nicht schaden. Ich bitte Sie ihm das ihn mir grüßend zu sagen, gelegenheitlich werde ich ihm die von mir verfaßten Statuten übersenden, die von Ihnen erwähnte Familie in Lindau kenne ich nicht, Herr Stettner ist, obwol ich schon oft dort war, meine fast einzige Bekanntschaft geblieben. Er ist ein freundlicher wie mir scheint etwas unglücklicher Mann, der selbst die Gesell­schaft zu wenig liebt, als daß er bei unser Einem Bedürfnisse dieser Art vermuthen und zu befriedigen suchen sollte. Auch nimmt sein Geschäft ihn oft in Anspruch. Im Theater sah ich Müllers Haberfeldtreiben, und glaube Ihnen schon gesagt zu haben, was es für einen Eindruck auf mich machte. Hier wurde umarmt und geküßt und ich wollte Sie hätten die zornige Miene einer nicht weit von mir sitzenden, mir unbe­kannten Wälderin sehen können. Der Kuß oder Schmutz ist hier als eine fremde-Bettlermode sehr verrufen, womit ich jedoch nicht sagen [will] es werde gar nicht geküßt. Es giebt hier viele Fremdler, aber wenn man von einem sagte er küßt seine Geliebte, so würde ihm diese Nachrede die öffentliche Meinung [unfreundlich, gegenüberstellen. Im Rößle in Au logirte im letzten Jahr ein Junges Ehpaar, die strenge Wirthin sah die beiden sich - küssen und theilte mir dann mit, die müßten noch unverheiratet sein, sonst würden sie keine sol­chen Dummheiten machen. Wir haben schon oft über diesen Schluß gelacht u ich hätte ihn in die fliegenden Blätter ge­geben wenn ich nicht früher etwas eigenthümlich zurükge­wiesen worden wäre. In meiner nächsten Arbeit, von der sich jedoch eigentlich noch gar nicht reden läßt, werden Sie viel­leicht die Geschichte eines Kusses finden. Bei meiner wun­derlichen Art zu dichten, oder eigentlich, in mir entstehen zu lassen, bin ich noch kaum im Stande, vom Neuesten mehr zu sagen, als daß es wol wieder etwas groß werden wird. Ich lasse meine Einbildung wochenlang arbeiten, bis eine Person, die eigentlich keinen Lebenden genau gleicht, ganz fertig ist. Erst wenn sie zum Hören und zum Greifen vor mir steht, greife ich zur Feder und schreibe das - erste Kapitel einer Erzählung. Hier stelle ich die Person fest auf einen Platz, in Conflikte und erst dann frage ich mich was nun aus ihr zu machen sei. Und da stehen sie auch der soge­nannte Stighans mit den dicken Backen, dem gemüthlichen Lachen und dem so biedern festen und doch auch wieder so unsichern unbeholfenen Wesen, gegenüber dem bittern, listigen leicht gewonnenen und wider verlorenen Stricker­peter. Fast wieder die Verhältnisse vom Kaspale und dem Sennen aber eine andere Zusammenstellung ein anderer Schauplatz, andere Erziehung und andere mitwirkende Ele­mente. Ich habe hier die Folgen der zwar verborgenen, je­denfalls kleinen Klassenkämpfe in unserm Ländchen zu zeich­nen angefangen. Glauben Sie aber ja nicht, daß mir der Haß gegen die Besitzenden die Feder führe! Sie werden das auch im Bisherigen nicht gefunden haben? Meine Freunde hier im Ländchen, mit denen einverstanden ich für das Vereinswesen thätig bin, sind meistens Leute aus s g guten Häusern. So er­wähne ich den Vorsteher in Bezau (Feurstein) dessen Bekanntschaft zu machen Sie gewiß freuen wird. Seine Frau ist eine sehr gebildete Wälderin und ich habe schon manchen frohen Tag in diesem lieben Kreise, zu dem auch einige Beamte u. A. gehören verlebt. Auch in den Weihnachtsfeiertagen war ich dort um meinen mit der Post ankommenden Klausmelker zu erwarten dem es leider nicht so gut gelang sich mit seinem von der Stiefmutter und vom Pfarrer beherrschten Vater aus­zusöhnen. Am 25 Abends ist der „Weltflügel" gekommen, das war meine Bescherung. Sonst wird hier im Allgemeinen Weihnachten nur kirchlich gefeiert; die Bezauer Liberalen und auch Ihr Freund bekamen heuer eine wahre Philipika zu hören. Mein Klausmelker ist ein Uhrenmacher und war 8Jahre in Bordeaux. Wol schwerlich wird jemand daran denken, daß der mir stand als ich meinen Helden zeichnete. Auf meine Landsleute macht der ziemlich belesene etwas Leicht­fertige Mann einen schwer zu beschreibenden Eindruck der nur für den Kundigen des Landes und Volkes in den 3 Wor­ten: Er französelt überlaut (daß es jeder hören muß) zu fin­den ist. Da ich nun einmal von alten und neuen Freunden zu reden angefangen habe so muß ich auch der von Ihnen in meinem Manuscript entdeckten 3 ten Hand gedenken. Es ist das mein Schwager Moosbrugger in Bludenz dem ich das Werk zur Durchsicht überbrachte u der einige Bemerkungen hineinschtrieb die ich dann zum großen Theil als Verbesse­rungen stehen ließ. Er ist sonst kein Freund des Romans den­noch hat ihn mein Werk zu einer Punschnacht begeistert. Sie werden ihn im „Ruf aus Vorarlberg" genauer kennen gelernt haben, dessen Redakteur er war, obwol ihm seine Stellung als Beamter das kaum erlaubte. Sie haben Recht. Es geschehen bei uns wunderliche Dinge, dazu zähle ich auch den Eifer mit dem hier herum der Social-Demokrat gelesen wird, wäh­rend sonst kein politisches Blatt aus Berlin nach Vorarlberg kommt. Es wäre wol gut, wenn es uns gelänge, die Strömung etwas zu regeln und etwas rechtes tragen zu machen, blos mit bejahen oder Verneinen wärs wol nicht gethan, doch davon werden wir reden. Es freut mich, daß ich die erwähnten Stellen stehen lassen kann obwol ich Ihrem Urtheil schließlich nachgegeben und sie geändert hätte. Die Liebe durfte ich hier nicht zarter schildern. Der Mutter macht der Doktor bei Franzen mehr Sorge als die Wunde. Später aber dürfte sie darauf kommen. Jedoch ist Mari etwas streng und achtete auch in Sepp nur den Mann der streng ein Ziel ver­folgt. Liebe empfindet sie nur für Franzen. Ich. glaube, was sie durch die gewünschte Änderung als Weib gewänne, würde sie als Wälderin verlieren. Die Religion ist ihr nicht im Kopfe, sondern ist Herzenssache. Ihr Verstand begreift die beiden Männer ganz gut sie ist keine Verehrerin des Pfar­rers, und nun wähnt sie den Mann unglücklich ohne ihr so gemüthliches Verhältniß mit Gott. So viel ich weiß, redet sie nirgends von der Hölle und dem Teufel: Das wäre nach mei­ner Ansicht der größere Fehler vom Dichter denn ich zweifle, ob sie so recht daran glaube, darüber mag sie sich wol selbst nicht fragen, eben um dieses gemüthliche Verhältniß nicht zu stören. O glauben Sie mir, unsere Frauen sind zum Theil nicht so streng und unduldsam, als viele vermuthen lassen und verzeihen Sie mir, daß Ihre gutgemeinten Worte meine Überzeugung mir nicht nehmen können. Entschuldigen Sie Ihren geraden und Ihnen besonders zur Wahrheit verpflich­teten Freund F M Felder

    Soll ich mir vielleicht zugesendete Bogen zurükschiken? nächstens mehr.

    Ader, die Kraft, das Vorgesetzte ist das sie Beherrschende a Zornader sein. Werchen, arbeiten, eine Werchader sein,

    nichts können und wollen und schätzen als arbeiten.

    Den Wurf in den Händen haben, werfen können wohin man will ohne Gegner fürchten zu müssen, überhaupt Mittel und

    Spielraum zur Ausführung haben.

    beigen, bigo/Gotthelf.  in  Form eines Vierecks aufschichten (Häufeln) was mit Bohnen unmöglich.

    Lärmer sagt man gewöhnlich nicht, doch sollte Barthle damit unwillküh[r]lich  seinen   Gedanken  verrathen.   Wir  können allenfalls dafür setzen das Ding da denn Barthle kann sicher die Gewehre etc nicht leiden. Brechen heißt losgehen.

    Wir sagen lau   gau   lau   gaust   laust  ebenso haulto haultst, daher glaubte ich mit a schreiben zu sollen. Ein Kampel  der Mann zu etwas  doch darum noch nicht im­mer zum Rechten.

    Der Kampel ist immer pfiffig, andere Eigenschaften hat er, wie er sie im gegebenen Fall bedarf.

    Feld - überhaupt fruchtbare Eben, Weod (in wie eo) Ebne Viehweide   Etzplatz Man sagt nur Klingol   Klingel das einmalige Anschlagen gläunggo Gläunggar mutloser, unbeholfener Redner nicht entschieden

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 9. Januar 1867

    Lieber Freund!

    Vorgestern feierten wir unser Vereinsfest und ich habe dabei eine Ehrenstelle bekommen. Mehr aber als das freute mich den Tag hindurch das wirklich vereinliche Leben. Abends kam der Lehrer von Rehmen, machte Dummheiten, fing Händel an, und das so schön angefangene, von 64 Mitgliedern be­suchte Fest endete mit einer Schlägerei, wobei der Lehrer von Rehmen das Messer zog. Bedeutende Verletzungen gab es nicht, und schließlich hat auch der erbärmliche Unheil­stifter sein Teil erhalten. Wir und alle gingen spät heim aus Furcht vor den Racheschnaubenden, welche Furcht so all­gemein war, daß man nun wenige gar nicht allein fort ließ. Auch der Uhrenmacher Felder ist Vereinsmitglied geworden. Er ist am 25. Dezember hier angekommen und arbeitet nun an alten „Zwiebeln", wie er unsere Uhren nennt. Er hat überhaupt für das Unsere die wunderlichsten Bezeichnungen, und ich möchte unser Wiedersehen fast mit der Szene in Schillers Don Carlos vergleichen, wo Posa seinen Jugend­freund „so anders" und kein Herz für die Provinzen findet. Und doch ist er wieder ganz der Alte, ganz der, der er werden mußte. Der Sinn für das Hohe fehlt ihm nicht und ist nur mit französischen Fetzen behängt, die ich ihm etwas wegzu­reißen suchen werde. Der Natter ist so ziemlich der Alte geblieben.

    Feursteins Frau scheint die in Aussicht stehende Vergrößerung des Geschäftes nicht zu wünschen. Das ist umso mehr zu berücksichtigen, da sie sozusagen Geschäftsführerin ist. Wenn in Bludenz eine Druckerei wäre? Vielleicht könnte eine in Bregenz gewonnen werden, Du wärest derselben durch die Post etwas näher und könntest dann vielleicht die Leitung übernehmen. Die Gespräche druckt Feurstein. Ich habe sie ins Reine geschrieben, einzelnes klarer gemacht und vorgestern fortgeschickt. Natter ist noch so ziemlich der Alte, in der Fremde hat er nicht besonders viel - jedoch die Montafoner - kennengelernt, und Deine Theres würde ihm für seine kulturgeschichtlichen Beiträge wohl wenig Dank wissen. Er hat („leider!!") neben sechs bis acht solchen Dingern leben müssen.

    Eben kommt ein Brief von Hildebrand, der Aufruf zu den neuen Wahlen und der Doktor mit der Nachricht, daß in Au für Dich agitiert werde. Wenn ich Deiner sicher wäre, würde ich hier für einen sein, der bei der Hauptwahl sicher durch­fiele. Hildebrand nimmt seine Vorschläge zu Änderungen in den Sonderlingen zurück, nur eine läßt er stehen. Ich werde noch nachdenken, denn nur aus Höflichkeit geb ich nicht gerne nach. Die ersten vier Bogen sind bereits gedruckt und ich werde selbe am Sonntag erhalten. Die Korrektur liest Hildebrand selbst. Er sagt, daß es sich gedruckt recht ange­nehm lese. So sei er erst ins Ganze gekommen, nur aus Franzens Mutter will er eine Betschwester haben. In einem bereits ausgedachten, etwa für die Feldkircherin bestimmten Artikel, den ich Dir jedenfalls sende, wenn und bevor es ernst wird, wirst Du viel Interessantes ersehen und die Strömung hier beurteilen lernen. Pfarrer Rüscher ist moralisch so gut wie tot und den von ihm im Schweiße des Angesichts eroberten Gegnern bleibt nur das Begraben, während die Unzurechnungsfähigen, auf die der Eitle sich stützte, ihm Klagelieder singen. Vor einem Jahr ließ ich ihn höchstens sechs Jahre hier sein, jetzt konsequent etwa fünf. Es gibt aber jetzt so viele unter mir als damals ober mir waren. Doch genug für heute. Beiliegender Brief an Isabell erzählt Dir, warum ich mich über den jetzigen Zustand der Schule ärgere. Schreiberin ist ein etwa zwanzigjähriges Mädchen, ich aber bin auch im neuen Jahr Dein alter Freund

    Felder

    Schreibe bald!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. Januar 1867

    Dem Dichter der „Sonderlinge"

    Herrn Franz Michael Felder

    zum Wiegenfest 1867.

     

    Es weht aus weiter Ferne Bis zum Bregenzer

    Wald, Dies Blatt zu Dir, das gerne Dich grüßt

    und dann verhallt. Und ist's auch nicht der

    beste Der Wünsche, die Dir nahn, So nimm

    zum Wiegenfeste Auch trockne Blumen an!

     

    Wie warn wir guter Dinge, Kein Äug' ward

    abgewandt, Wenns Thun der „Sonderlinge"

    Las Meister Hildebrand! Wie röthet sich die

    Wange, Wenn's tönte stark und zart, Von

    Franz und Marianne Und von der Wälder Art.

     

    So steht uns eingeschrieben Uns

    Germanistenchor, Was ewig jung geblieben,

    Zum Dichter Dich erkor: Das deutsche Volk

    zu schildern, Und was es liebt und haßt, Das

    hast in lichten Bildern Zusammen Du gefaßt.

     

    So wollt ich, daß ich wäre Dein vielgeliebter

    Wald, Ich schüttelt Dir zur Ehre

     

    Die Tannenhäupter alt! Die Vöglein ließ ich singen Dir helle

    Melodein Die solln Dir anders klingen, Als schwarzer Raben

    Schrein!

     

    Laß krächzen nur die Raben, Sie brüten allerwärts­Laß

    krächzen nur-wir haben Für Dich ein treues Herz. Nie hat das

    Volk vergessen, Wers mit ihm treu gemeint Blick auf! Schon

    hat's gemessen Den Kranz für seinen Freund!

     

    Franz Hirsch. Mitglied d. Leipz. Germanistenclubs

    Franz Hirsch
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 1. Januar 1867

    Lieber Freund,

    Glück zum neuen Jahre vor allen Dingen, Ihnen und den lieben Ihrigen und Ihren Sonderlingen, und auch, dem neuen Entwurfe von dem Sie zu reden scheinen, Sie haben mich damit neugierig gemacht, daß ich mich kaum enthalten kann eindringlicher zu fragen. Der Sepp und der Barthle usw. tre­ten nun ihre Wanderung an zunächst durch die Druckerei, vier Bogen sind schon gesetzt und durch die Hände des Cor­rectors gegangen, der freilich manchen Fehler hatte stehen lassen. Ich habe nicht ohne Mühe von Hirzel die Erlaubniß erwirkt, selbst eine letzte Correctur lesen zu können, und das ist mir sehr lieb, denn Ihre Handschrift ist oft nicht gut zu lesen, und es gibt auch in Orthographie und Interpunction mancherlei dran zu bessern und zu regeln. Auch Anmerkun­gen zur Erklärung uns fremder Wörter und Dinge sind doch hie und da nöthig, Hirzel wollte auch daran nicht, und nur mit Kämpfen hab ich ihn zu einiger Nachgibigkeit gebracht. Manches freilich ist mir auch dunkel, ich habe heute in aller Eile das aus der Druckerei noch einmal losgeeiste Manuscript rasch noch einmal durchgegangen und bitte Sie um Auskunft auf beiliegende Fragen.

    Übrigens hab ich die ersten Capitel im reinlichen Druck mit innigem Behagen wieder durchgenommen, und auch was mir beim ersten Mal hier und da nicht recht gefallen wollte, sagt mir jetzt durchaus zu, und ich sehe dem Verfolg mit wärmster Erwartung entgegen; bis Ostern denk ich, oder früher wird das Buch vom Stapel laufen können in das Meer der Buchhandlungen und der Lesewelt. Hirzel selbst treibt nun mit wahrem Eifer.

    Bei den ersten Bogen wäre es mir aber doch lieb, wenn Sie sie selbst sehen  könnten, vielleicht kann  ich  morgen von Hirzeln erwirken, daß er sie Ihnen zuschickt. Die Stelle, wo Franz die Mariann aufsucht und den Pfeifenköpf zerklopft, hab ich vorhin wieder gelesen, und bin von meinen damaligen Bedenken eigentlich zurückgekommen; lassen Sie es doch lieber beim ersten, ich wills Ihnen dießmal noch nicht zuschicken, falls Sie es nicht doch noch verlangen. Aber meine Bedenken wegen Mari's Verhalten gegen ihres Mannes kirchlichen Freisinn sind noch nicht beschwichtigt, auch daß sie von ihres Sohnes Wunde beim ersten Zusam­mentreffen mit ihm gar keine Notiz nimmt; das letztere er­scheint mir entschieden nicht recht mütterlich, wie ich Ihnen schon einmal schrieb.

    Ein Umstand ist mir in Ihrer Bauernwelt noch sehr merkwür­dig, schon im Schwarzokaspale, daß nämlich die Liebenden auch in den innigsten und vertraulichsten Augenblicken nicht ans Küssen denken; das muß ja nach Ihrer Darstellung dort wirklich so sein. Dabei fällt mir ein, daß Sie mir einmal sagen wollten, wie Kuß und küssen bei Ihnen heißt, bitte sagen Sie mirs doch, das geheime Wort, ich bin ordentlich neugierig darauf.

    Und noch etwas möcht ich wissen. Sie schrieben mir einmal, daß Ihr tapfres Wible (heißt sie nicht Mari? oder Mariann?) mit an den Sonderlingen geschrieben habe, ein Umstand der mich durchaus mit Respect vor ihr erfüllt (haben Sie etwa eine Photographie von ihr nach Sachsen zu schicken??); aber es ist ja noch eine dritte Hand darin zu sehen, wem in aller Welt gehört denn die? -

    Ihre Wünsche in Betreff der Blätter will ich nächstens Hrn. Quellmalz mittheilen, ich bin noch nicht dazu gekommen; wir werden uns ja damit nach und nach einrichten. Auch zu Keil bin ich noch nicht gekommen, weil ich das dazu nöthige Rüstzeug, Ihre ersten Briefe, noch immer nicht aus Halle von Prof. Gosche zurückhabe; auch der 2. Band seines Jahrbuchs, den ich bestimmt vor Weihnachten noch erwar­tete, ist immer noch nicht erschienen. Ich werde ihn nun ein­mal mit einem directen Executionsbriefe heimsuchen. Zum Glück brauchen wir sein Urtheil nun nicht mehr, um die Sonderlinge von ihrem Banne zu erlösen.

    Sie haben mir neulich nicht auf meine Frage geantwortet, welches Stück das war das Sie im Lindauer Theater sahen, ich möchte es doch wissen. Kennen Sie etwa zufällig die Familie Ostermeier in Lindau? Der Mann ist Lehrer an der Armenschule, seine Frau lernte ich zufällig kennen auf mei­ner Wanderung von Lindau nach Bregenz, die mich auch zu Ihnen führen sollte. Es wäre mir sehr angenehm, einmal wie­der von ihr etwas zu hören; ja ich möchte gern ihre Photo­graphie für mein Album haben und hab schon dran gedacht, ob ichs etwa durch Sie möglich machen könnte, natürlich mit Gegenseitigkeit. Andernfalls schreib ich vielleicht einmal direct an Ostermeiers.

    Haben Sie denn eigentlich ein häusliches Weihnachtsfest? bei uns ist es der eigentliche Mittelpunkt des Familienlebens im Jahre, mit „Bescheren" und Christbaum. Kennen Sie diesen Christbaum? er wird wie ich höre allmälich auch in Süd­deutschland Sitte, was mich sehr freut, haben Sie ihn auch schon? auch in England, Rußland, Frankreich gewinnt dieß Kleinod norddeutscher Gemüthlichkeit immer mehr Boden, und dort zwar von den Höfen aus.

    Nun denn, gute Nacht, liebster Felder, Ihre Bekanntschaft ist mir in meinem persönlichen Leben der Hauptgewinn dieses Jahres, und in dem eben angetretenen hoffe ich auch, einige Zeit mit Ihnen von Angesicht zu Angesicht verkehren zu kön­nen. Der Himmel schütze uns nur vor einem zweiten Kriege; bei uns richten sich die Gedanken auch der Widerstrebenden doch immer mehr auf die von dem halb dämonischen Bis­marck mit Gewalt gebrochene Bahn, wir sehen an deren Ende das heißersehnte neue große Vaterland. Was aber mit Ost­reich wird? Dort gährt es ja unheimlich - ich wollte Sie kämen bald alle mit zu uns, das ist der höchste Wunsch den ich jetzt habe. Aber nicht naseweis vorgreifen - Glück zu, lieber neuer Freund, wir arbeiten inzwischen nach Kräften am geistigen Vaterland fort,

    Ihr

    R. Hildebrand.

     

    2. Jan früh nachts!

    Vom Schwarzokaspale ist neulich ein Ex. nach Amerika ge­gangen mit einer neugegründeten deutschen Bibliothek, die Dr. Flügel, mein nächster Freund hier, zu besorgen hatte; ich schicke nächstens eins nach Norwegen an einen Norweger, dem ich eine Gegengabe schuldig bin. - Gestern Mittag hab ich mit den Meinen Sie in Rüdesheimer leben lassen, mir wars als müßen Sie da auch nach Leipzig denken.

    1) l. Band Cap. 4: Therese war im Dorf nicht nur das reichste Mädchen,  sondern  sie war eine  Werchader  (?)  wie  es deren nur wenige [g]ab.

    2) Cap. 5: Es ist für die ganze Gegend ein Nutzen, wenn der Fink den Wurf (?) nicht mehr allein in der Hand hat. Hand­habe an der Sense?

    3) Cap. 7:  Es wäre sicher ein  Leichtes, den  und jenen zu einem vernünftigen Menschen zu machen, wenn man ihn nur allein hätte; mit dem Haufen aber ist nichts anzufan­gen; da ists ob man Bohnen auf beigen (?) wollte.

    Im 2. Bande, wie Barthle den Gemeindediener fragt mit dem Gewehr: „Ist

    4) der Lärmer da geladen?" Sagen Sie so? Dann lassen wirs stehen. Gleich

    5) drauf: Ich geb Dir einen Gulden, wenn Du brechen las­sest? was heißt da

    6) brechen eigentlich? und sagen Sie wirklich lassest, nicht lassest? Ebenso kommt haltest Du für hältst Du vor, sagen Sie so?, dann lassen wirs stehen.

    7) Was bedeutet bei  Ihnen ein Kampel? von einem Men­schen gesagt.

    8) Nicht wahr, Feld bedeutet bei Ihnen nur Wiesengrund, Wiesenfläche? wir hier können dabei nur an Getreide­felder denken.

    9) Sie schrieben mir einmal mit der Klingel = Glockenschwen­gel; heißt das nicht genauer der Kiengel? d. i. i nur Aus­sprache von e? Ihr Hermindle bringt mich auf den Ge­danken und die Frage ist mir wissensch. von Wichtigkeit. Wie nennen Sie das helle Läuten mit der kleinen Glocke oder ähnlich (anschlagen u. a.), nicht klengen? oder klenken?

    oder klingo? Sie könnten die Antworten gleich hier auf die Rückseite schreiben, ich will die Fragen numeriren.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 21. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    Um diese Jahreszeit, wo alles eingeschneit ist und doch noch, die wenigsten Winterwege schon gangbar sind, sitzt der Bauer daheim, liest den neuen Kalender, macht die Jahres­rechnung und ist dann je nach dem Ausfallen derselben ein lustiger ergebener oder unerträglicher Hausvater. Auch ich, obwol ich mein Anwesen leicht übersehe, habe eine Jahres­rechnung gemacht und die hat mich so befriediget wie noch keine. Meine Freunde sagen mir, ich hätte 10 Jahre nicht mehr so gesund und so vergnügt ausgesehen wie jetzt, und ich wills gern glauben, denn dieses Jahr war für mich trotz allem und allem das Glücklichste seit lange und hat für mein Leben über manche Frage entschieden. Vor einem Jahr um diese Zeit packte ich mit ungerechtem Unmuth mehrere recht gut gemeinte Briefe von Reisenden zusammen und sagte mir: „Diese Theilnahme, was Anderes ist sie als Mitleid mit dem Tropf der etwas mehr als ein Lastthier sein will. Man küm­mert sich um mich wie um ein Thier welches recht unnatür­liche recht wunderliche Sprünge macht, sagt allenfalls, ich hätte für mich genug gethan und laßt mich dann mitleidig gehen." Ja, lieber unermüdlicher guter Freund! so dachte ich, bevor ich den Muth hatte, mich an Sie zu wenden, den mir, offen gesagt, nur die immer lebhafter werdende Erinnerung an die Stunde in Au gab, wo wir schon über die sociale Frage und Hermann Schmied verhandelten und Sie meine derben Würfe so nachsichtig und doch treffend erwiderten. Ich habe mich diese Tage neben Ihr Bild gesetzt, das da im Zimmer neben denen meiner übrigen Freunde hart bei mir ist, und die in diesem Jahre gewonnenen Schätze, Ihre Briefe gezählt, geordnet und mich dem behaglichen Gefühl überlassen, das sie mir gewekt. Da ist dann auch noch Ihr letzter und der von Hirzel dazu gekommen und Sie können Sich denken, wie froh ich meine Jahresrechnung abschließe. Hoffentlich wird man meiner nächsten Arbeit ansehen unter welchen Eindrücken sie entworfen wurde!

    Also die Sonderlinge werden Ihre Wanderschaft von Hirzel empfohlen, nun bald antretten! Es ist eigen: daß die Bauern aus dem Süden im Norden, und nicht etwa bei Bauern, die freundliche Aufnahme gefunden. Das hätt ich vor einem Jahr nicht zu hoffen gewagt. Ich hätte zu dem Werklein eine Vor­rede beigegeben, und mich um allfällige Mängel zu entschul­digen als Bäuerlein vorgestellt, aber ich hielt dafür, das Werk sollte an sich gut sein und man sollte vom Verfasser nichts wissen müssen ja ich fürchtete, daß ich durch eine solche Mittheilung mehrere vom Lesen abschreken, als gewinnen würde. Ich glaube auch, Ihnen das einmal gesagt zu haben. Was Sie über Mariannens Bruder sagen, hab ich mir selbst auch gesagt, nur würde sein Humor den Barthle in ganz an­derem Liecht haben erscheinen lassen. Klausmelker ist zuwei­len Satiriker, für den Humor aber ist er zu troken, er macht da und dort einen Anlauf etwas Witziges zu sagen, aber es ist alles bitter und etwas kalt. Seine Kraft ist noch zu wenig gebrochen, um ein Humorist zu werden. Ihm und den än­dern Stürmern 2. Gattung steht das Weberle mit seiner Bärbel gegenüber, wie der Senn dem Haupthelden gegen­übersteht. Zu ändern wünschte ich auf Ihren freundschaft­lichen Rath hin da, wo Franz die Pfeife zerschlägt im 9 Kapi­tel des ersten Theils. Ob ich auch die Selbstgespräche im 10 Kap 1 Th. kürzen sollte, weiß ich nicht. Es sind die Conse­quenzen des Individualismus die ich an edlen Charaktern zeigen wollte. Franz sollte hier nach meiner Ansicht fast widerlich werden. Vielleicht aber wird er lächerlich? Ich bitte mir Ihre Gedanken über die Meinen mitzutheilen und die erwähnten Kapitel bald zu schiken, damit ja die Sache recht schnell vorwärts geht.

    Die erste Sendung aus dem Leih-lnstitut hab ich erhalten und bin noch, damit beschäftiget. Das Zurüksenden kann, wie gesagt, nur langsam gehen. Es wären noch mehrere hier, die die Sachen gern lesen möchten und ich bitte, Herrn Quelmalz zu fragen, wie theuer jährlich er mir die Sachen, die er erst beliebig lang behalten könnte, als Eigenthum über­lassen würde.

    Am liebsten möchte ich das Ausland, Museum Monathefte und die Europa behalten. Wenn in letztgenanntem Blatt allen­falls, wie Sie mir einmal schrieben, ein Aufsatz über mich vorkommen sollte, so möchte ich um Übersendung der Num­mer bitten. Wenn die Gartenlaube meinen Aufsatz zurük­weist, so machen Sie sich darum ja keine Sorgen. Villeicht läßt er sich dann anderwärts herausgeben und sonst liegt ja gar nicht viel daran. Ich wünschte nur einmal der Welt von der Wirthschaft der Herren Schwarzröke ein wenig zu schil­dern.

    Die Meinen sind wol, sie Alle, die Mutter das Wible und ich wünschen Ihnen ein „recht glückseliges neues Jahr" der Jakob, der Kaspar (Kaspale) das Mikle und das Hermindle (männchen) werden es thun, wenn sie uns besuchen, worauf wir uns schon jetzt alle recht herzlich freuen. Jetzt aber lärmen meine 4 Kühe und wollen ihr Abendfutter haben. Also leben Sie wohl, mit vielen Grüßen an Sie und die Ihrigen, Ihnen und allen die ich kenne und die es gut meinen frohe Festtage wünschend verbleibe ich

    Ihr dankbarer

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 20. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    Ich habe Feurstein meine Gespräche vorgelegt und er ver­spricht, sie zu drucken, sobald ich mit Feilen fertig sein werde. Über die zu gründende Zeitung haben wir viel hin und hergeredet. In der Hauptsache sind wir eins, und wir bemuhen uns im schönsten Frieden einen Plan aufzustellen, der unsern und allen Verhältnissen und Meinungen gerecht zu werden sucht. Meine Ansicht hab ich Dir vorgestern mitgeteilt, trotz­dem wäre mir Feursteins Vorschlag, die Volksstimme nicht streng regelmäßig oder nur monatlich erscheinen zu lassen, sehr lieb und meinen Verhältnissen angemessen. Wir warten mit dem Entschluß, bis er durch eine gemeinsame Verhand­lung herausgeschält wird aus allen Verhältnissen, Furchten, Bedauern etc. Jedenfalls wird Feurstein bei uns stehen. Hildebrand hat mir gestern geschrieben, d. h. ich las gestern seinen Brief, und zwar sehr begierig, denn ich hätte fasl gefürchtet, daß mir nicht gelinge, was der letzte Brief von mir wollte.-Sieg!

    Hildebrand rückt mir immer rascher näher. Er sieht, daß wir noch viel und wichtigeres verhandeln werden. Der Brief­wechsel mit mir sei ihm unentbehrlich geworden und er bitte mich, oft zu schreiben.

    Auch Hirzel hat geschrieben und mir die baldige Druck­legung der Sonderlinge höflich zugesagt. Das Honorar ist klein. Hildebrand sagt: Hirzel pflege sich für den schlimmsten Fall zu decken, aber nobel nachzuzahlen. Auch sei sein Verlag mir viel mehr wert als Geld. Hirzel verspricht 200 Taler = 361 Fl. für die erste Auflage.

    Noch eins: was sagst Du zu meiner Charakteristik der Vor­arlberger Parteien? Du hast die Stelle angestrichen und nichts gesagt.

    Gestern war ich bei  Babel  in Mellau  und  habe die guten Leutchen mit eigenen Gedanken verlassen. Einstweilen wünschen sie Dir Glück zum Neuen Jahr, näch­stens werden sie Dir selbst schreiben und Dich bitten, ihnen wieder Götte zu sein.

    Lebe wohl mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

    Felder

    Feurstein läßt Dich, Margreth Deine Frau grüßen!

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Kaspar Moosbrugger
  • 18. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    Die letzte Sendung hab ich erhalten und Deinen Brief mit Vergnügen gelesen. Ich glaube, ihn auch dem Feurstein geben zu sollen, zu dem ich morgen gehen will, um selbst mit ihm zu reden, da unsere Post einem wirklichen Brief­und Ideenwechsel nicht dient, indem man selten noch genau weiß, was man sagte, bis eine Antwort zurückkommt. Eine mündliche Unterredung wird nötig, wenn es so schnell vor­wärts soll, und es soll!! Das Resultat der Unterredung werde ich Dir morgen mitteilen und erlaube mir heute, ein Klaglied über unsere Post anzustimmen: Wie sollte man hier die Her­ausgabe einer Zeitung leiten, das Neueste im Auszug bringen, neue Leiter gegen noch nicht veraltete schreiben? Ich hab alles erwogen und bin zu folgenden Entschlüssen gekommen: Das Blatt müßte ich in Bezau zusammenstellen, bis die Post etwas besser. Es sollte daher ein Wochenblatt, zwei Bogen in Form etwa der Feldkircher Zeitung mit einem Stempel, werden und den Namen Volksstimme*) haben. Wenn Feur­stein einmal eingeschaffen ist und wir mehr Kräfte gewonnen haben, werde ich von hier aus das meiste tun können. Anfangs aber muß ich doch dabei sein, wenn ich nun einmal dabei sein muß. Verstehe mich recht! - Ich hätt es gern gesehen, wenn Kunz oder ein anderer Geübter hätte ge­wonnen werden können, denn ich fürchte, daß ich eine geregelte Schulbildung oder wie man das Ding nennen soll, immer schmerzlich vermissen werde, was ich nicht nur aus Bequemlichkeit und Ehrgeiz, sondern besonders der Sache wegen recht von Herzen bedauern würde. Doch davon wer­den wir noch reden. Was ich kann, werde ich gern tun, und manches noch läßt sich lernen. Übung macht die Kunst, und wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand. Mein Gespräch soll mich dem Publikum vorstellen. Ob auch bei uns die Zünfte aufgehoben seien, werde ich bald erfahren. Siegen tut im deutschen Dichterhain, „wem Gesang gegeben" (Uhland), Zeitungen schreiben nach Lassalle verkommene Leute. Ob wir ihn wohl ganz bekehren würden? Man lernt viel von diesem Mann, wenn man auch fertig zu sein glaubte, aber Carey hat nicht von ihm gelernt, seine Schriften erschienen in Philadelphia in den Jahren 35-39 bis 58 und 59. Nur meine Ausgabe, nicht mein Werk ist neu. Die Gegner Lassalles machten es dem „Ehrgeizigen" zum Vor­wurf, daß er in keinen Schriften seine reiche Quelle nenne;

    Tiroler Stimme Volksblatt X [= kontaminiert]; unseres darf keinen lokalen Titel haben.

    doch sind sich die beiden nicht so ähnlich, als es diesen Schwätzern vorgekommen sein muß. Das Wort Dienst darf ich in einem wörtlichen Zitat nicht vermeiden, mit Deinen übrigen Bemerkungen bin ich einverstanden und danke Dir. John Stuart Mills Idee von der Gleichberechtigung des Weibes hab ich auch außer der „männlichen Vernunft" nicht als unsere erscheinen lassen, doch das ziehende Weib ist mir beim zweiten Lesen vorgekommen wie Dir. - Was ich von Handel und Verkehr sage, gilt nur für jetzt. Die Stelle auf Bogen 6 ist denn aber doch nicht gar so unklar. Der Lehrer beweist, daß er keine Revolution wünsche, und sagt dabei u. a.: Auch könnte man nicht wünschen, daß die untern Klas­sen sich leiden sollten, bis sie zum Äußersten gezwungen würden. Doch da der Satz nicht deutlich genug zu sein scheint, werde ich ihn ändern oder streichen. Gestern hab ich hier in der Ausschußsitzung einen Sieg errungen. Ich bin jetzt der Majorität so ziemlich sicher. Pius ist noch auf Krumbach verschneit; doch diese Tage wird der Weg gemacht und er wird sicher die Gelegenheit benützen und sich vor Weih­nachten noch herausmachen. Am 7. Jänner ist unser Genos­senschaftsfest beim Adlerwirt, zu dem ich auch Dich einladen möchte. Das Wible, welches schon mehrere Jahre durch Mut­tersorgen an der Teilnahme ausgeschlossen war, hat sich schon mit mir darauf gefreut, wieder einmal zu tanzen und zu springen mit den Schoppernauern wie ledig und los. Lebe wohl, morgen vielleicht mehr.

    [Felder]

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 17. Dezember 1866

    Abends 7 Uhr

    Mein lieber Freund aus dem Herrenstüble in der Au,

    Jetzt komm ich denn nun officiell und amtlich und in aller Form mit Hirzeln an der Hand - endlich.! Gott Lob und Dank. Vor einer Stunde lief der Brief bei mir ein, und da ich just mit dem morgenden Pensum für den Setzer fertig bin, muß ich doch vor dem Essen noch gleich an Sie schrei­ben, wenn der Frau die Kartoffeln nicht zu hart werden. Das Angebot Hirzels ist so, wie ich mirs dunkel vorstellte; er sprach zwar anfangs von 300 Gulden und meinte wahrschein­lich rheinische, gieng aber später freiwillig auf 200 Thaler über, als ich nach den Gulden fragte, ob rheinische, ob öst­reichische. Er setzte übrigens das erste Mal hinzu, ich. möchte Ihnen nur andeuten, falls das Buch etwa einschlüge (das ist der Geschäftsausdruck), wollte er gern nachzahlen, und ich kann Ihnen da nur hinzufügen, daß er in dem Punkte durch­aus nobel ist, wie man das nennt. Von einer etwaigen zwei­ten Auflage zu reden hab ich versäumt, ich kanns wol gele­gentlich nachholen; aber auch ohne Contract können Sie ganz unbesorgt sein, daß Sie irgendwie zu kurz kämen. Aber wenn eine 2. Auflage wird, dann müssen Sie mir für den Fall jetzt schon versprechen, daß Sie etwa 25 Thaler davon zu­rücklegen zu einem Besuch in Leipzig. Übrigens ist jetzt mein entschiedener Gedanke, nächsten Sommer zu Ihnen zu kom­men, ich freue mich lebhaft darauf und möchte wo möglich 14 Tage unter Ihren Bauern leben, um einmal das Bücher­wesen gründlich los zu sein und aus der Volksquelle zu trin­ken, was mir immer die tiefste Erholung ist: Weihnachten ist ja bald da, und über das hinweg gehts wieder bergab zum schönen Sommer. Anders als zwischen Mitte Juli und Mitte August kann ich freilich nicht, ich weiß nicht ob Ihnen das paßt; Sie tranken ja damals aber auch ruhig Ihren Morgen­schoppen in Au, den Sie mit auf unsern schwelgerisch besetz- ten Tisch hereinbrachten - denken Sie nicht daß ich immer oder auch nur oft so lebe. Aber es war eine schöne Stunde oder Stundentraube die ich da genossen habe, eine der an­genehmsten in meinem Leben. Vielleicht sind wir Ihnen da ein wenig übermüthig vorgekommen, daß wir fürchten müs­sen in einer Geschichte von Ihnen mit aufzutreten als Rei­sende wie sie nicht sein sollen? Wußte ich doch nicht und konnte doch nicht ahnen, daß in dem bescheidnen oder gar demüthigen Bäuerlein sich uns ein solcher scharfsehender Protokollant gegenüber setzte.

    Mein Geschwätz ist Ihnen wol zugleich Antwort auf Ihr Be­denken wegen meiner letzten Äußerung; wie kann ich das so gemeint haben! Der Verkehr mit Ihnen ist mir eine so frische tiefe Freude, daß ich ihn gar nicht mehr missen möchte, im Gegentheil, wir kommen nun wol in die Periode des vertraulichen Schwatzens im Briefe, und ich hoffe das auch von Ihnen. Zeit zum Briefschreiben hab ich freilich außerordentlich wenig, gar mancher mir liebe Briefverkehr in ganz Deutschland herum kann von mir nur spärlich ge­pflegt werden; aber wenn ich auch einmal nicht geantwortet habe, und Sie wollen ein Stündchen mit mir plaudern, dann bitte ich Sie immer zu schreiben. Gerade die Verschiedenheit unsrer Stellung und unsres Bildungsweges reizt mich so im Verkehr mit Ihnen, und ich hoffe auch noch wichtigere Fra­gen mit Ihnen zu verhandeln als bis jetzt geschah, das frei­lich am liebsten mündlich.

    Nun möchten Sie mir aber auch bald bestimmt bezeichnen, an welchen Capiteln Sie noch ändern wollen, daß ichs Ihnen schicken kann. Hirzel hat schon eine Druckprobe angeordnet, ich kam neulich dazu als er mit dem Drucker verhandelte, derselbe bei dem er Freytags Sachen drucken läßt. Eins übrigens fällt mir da noch als Wunsch ein; ich dacbte immer, es würde wie im Schwarzokaspale eine humoristische Person mit vorkommen, und mir scheint es, als hätte sich der Bruder der Mariann dazu geeignet; haben Sie das mit Willen unterlassen? Neben seiner Faulheit und Verbitterung und Selbstmisachtung hätte sich etwas Galgenhumor recht gut ausgenommen.

    Aber ich muß ans Ende denken. Was war das für ein Stück das Sie in Lindau als Ihren ersten Theatergenuß gesehen haben? ich möchte es gern wissen.

    Auch sprachlich werd ich noch manches fragen müssen, denn ganz ohne einige erklärende Bemerkungen wirds nicht ab­gehen, obwol Hirzel nicht gern dran will. Das Verschicken der Correcturen an Sie hat er nicht erwähnt, es scheint ihm auch nicht ein zu wollen, aber wünschen Sies bestimmt, so muß es möglich gemacht werden. Eine große Erleichterung dabei wäre es, wenn Sie dabei das Manuscript nicht brauch­ten.

    Nun denn, da meine Frau ruft, weil die Kartoffeln fertig sind und hart werden, glückliche Weihnachten Ihnen mit Ihrer lieben Frau und Mutter und Kindern (was macht denn Her­mannele? wie heißt er im Hause?) und eine ganze glückliche Zukunft, das wünscht Ihnen herzlich

    Ihr R. Hildebrand.

    Mein College Heyne, von dem ich Ihnen wol schon schrieb, läßt Sie warnen, sich ja mit der Viehversicherung vorzusehn, weil da leicht viel Geld verloren gienge.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 14. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    So eben komme ich von Arcachon zurück wo ich Deine Sen­dung richtig erhalten habe. Morgen werde ich Vetter Hans sehen. Und Montag od. Dinstag den 24 od. den 25 Dezember werde ich in Bezau eintreffen, u. würde jedenfalls sehr froh sein, Dich in Bezau zu treffen. Wenn es Dier möglich ist, so hoffe ich, Dich in der Gans zu treffen, wo wier dann persön­lich mit einander plaudern werden. Ich Hoffe, Dich in Bezau zu treffen u. bleibe bis dahin Dein

    Seppel

    Clouture de la Corespondanse

    Frangese

    Johann Josef Felder
    Bordeaux
    Franz Michael Felder
  • 12. Dezember 1866

    Sehr verehrter Herr Felder!

    Selten ist wol ein armer Sünder mit so schwerem Herzen zur Beichte gegangen, als ich heute vor Ihnen erscheine. Hoffent­lich hat unser gemeinschaftlicher Freund, Hr. Dr. Hildebrand, dann und wann ein Fürwort für mich eingelegt, und da ich auch heute unter seinem schützenden Geleite zu Ihnen komme, so werden Sie mich nicht zurück weisen wollen. Als ich Ihren freundlichen Brief erhielt, war ich gerade von schwerem Familienleid betroffen, das mich ganz in Anspruch nahm und keine geschäftlichen Gedanken aufkommen ließ. So mußte ich Ihr Manuscript für einmal bei Seite legen, dachte aber nicht daß es so lange liegen bleiben müßte, denn wer sah die Zeiten, die bald darauf folgten, voraus? Über den ungeheuren Ereignissen, die einen Monate lang in Athem erhielten, lernte man wol vergessen, an sein eigenes geringes Dasein zu denken, und in so fern ist die gewaltige Zeit auch mir persönlich zu gute gekommen. Aber als man dann endlich auch sich seines Berufes wieder erinnerte, - ja da war es, als ob kein Buchhandel mehr existirte. Niemand kaufte ein Buch, es war auch kein Geld im Land, und Bücher sind den reichen Leuten ein Luxusartikel. Da wurde man auch zaghaft, neue zu drucken, denn was hilft es, die Bücher zu drucken, wenn keine Käufer, also auch keine Leser da sind?

    Aber schreiben hätte ich Ihnen sollen, das fühle ich wohl, und daß ich es immer aufgeschoben, trotz Hildebrands unermüd­lichen, oft von Blicken des Unwillens begleiteten Erinnerun­gen, dafür muß ich Sie sehr um Verzeihung bitten. Nun aber von Ihrem Werke. Wir wollen es mit gutem Muth in die Welt schicken, und ich werde das Vertrauen, das Sie mir erweisen, nicht zu Schanden machen. Was ich Ihnen dafür bezahlen kann, sind Zweihundert Preußische Thaler. Lassen Sie mich wissen, ob Sie damit einverstanden sind. Unterdes­sen lasse ich den Druck anfangen, der im Frühjahr beendigt sein kann.

    Wenn sich etwa ein Anstoß findet, so werde ich unsern ge­lehrten Freund zu Rathe ziehn.

    Bleiben Sie mir freundlich  gesinnt und seien Sie herzlich gegrüßt von Ihrem ergebensten

    S. Hirzel.

    Salomon Hirzel
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 11. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    Dein mit Erfreulichem vom 6. d. Ms. übersendetes Manu­skript habe ich begierig gelesen und geprüft. Ich halte es für eine recht gelungene Parteischrift und bin mit Freuden einver­standen, daß es als unsere nächste Manifestation vom Stapel gelassen werde. Die Form ist gut gewählt und geeignet, der Sache Vorschub zu leisten. Die Einleitung ist trefflich. Im ersten Gespräch hat mich die Art, wie Du das Weib in die gesellschaftliche Stellung eingeführt hast, bedenklich gemacht. Abgesehen davon, daß es unästhetisch ist, das Weib als Fuhr­mann zu sehen, wäre ich nicht einverstanden, das Weib als Arbeiterin neben den Mann zu stellen. Soweit soll die Gleich­heit nicht getrieben werden. In dem Ausdruck „gereifte männliche Vernunft", den auch Du mit Recht gebraucht hast, dachte ich auch an die weibliche Stellung in der Gesellschaft und wollte diese zu Gunsten der Familie in ihrer Reinheit bewahrt wissen. Konsequenter Weise müßtest Du auch dem Weib das Stimmrecht zuerkennen. Mit dem würden wir aber gerechtes Fiasko machen. Ich beantrage daher die betreffende Stelle S. 4 etwas zu ändern. -

    Ein zweiter Punkt in diesem Gespräch, der sich aber durch die ganze Schrift hindurchzieht und mich auch bedenklich machte, ist die Gegenüberstellung der Begriffe von Handel und Verkehr als etwas Ungleiches dem Wesen nach. Ich glaube, das ist nicht richtig. Handel ist, auch nach Deinen Definitionen beider Begriffe, nur eine Spezies des Verkehrs. Das Wesen beider ist „Tausch". Es ist recht, daß der Tausch für andere zum Tausch für sich werde, daß also statt Handel Verkehr sei, ganz so, wie wir wollen, daß neben den jetzigen Unternehmern, die es nur sind durch den Schweiß anderer oder statt der­selben, diese anderen Unternehmer werden. Dem Carey schwebte die Lassallesche Idee vor und er verbreitete sie in seiner Art. Ich bin daher mit der Unterscheidung von Handel und Verkehr allerdings einverstanden, aber damit nicht, daß man sie als wesentlich ungleich einander gegenüberstelle. Handel ist gut und notwendig, er geht kulturhistorisch voran, besser aber ist seine Erweiterung (sein Kind, das von ihm Hervorgerufene) der Verkehr. Also auch in diesem Punkt würde ich eine bezügliche kleine Änderung beantragen. Ich würde es sogar für zweckmäßig erachten, daß Du andeutest, die Erweiterung des Handels zum Verkehr beruhe auf dem­selben wirtschaftlichen Prozeß, auf dem die Vermehrung der Unternehmer beruht, d. h. er sei derselbe. Hiedurch würde mehr Harmonie zwischen diesem und unserem ersten Mani­fest erzielt und damit mehr Klarheit und Einfachheit, Eigen­schaften, auf die wir in unserer Sache natürlich sehr sehen müssen. Die Köpfe unserer Leser werden sonst leicht kon­fus.-

    Den Ausdruck „Dienste" in Deiner Definition wünsche ich durch einen ändern ersetzt, da er nach Lassalles richtiger Ausführung im Schulze-Bastiat (bei „Arbeit") keine ökonomi­sche Kategorie ist. Im 2. Gespräch wußte ich mit den von mir eingeklammerten Sätzen auf S. 6 nichts anzufangen. Sie pas­sen nicht auf das Vorgehende. Wenn im Entgegenhalt zu demselben gesagt werden soll, daß wir nicht wollen können, daß mit den Massen und uns weiter geschehe, was jetzt geschieht, so soll dieser Gegenhalt hervorgehoben werden. Beiläufig bemerke ich, daß Du etwas animiert gegen die Pri­vilegierten, d. h. gegen das Privilegium zu sein scheinst, und daß Hildebrand, wenn er dem Lassalle Haß gegen jene vor­wirft, auch mit Dir nicht zufrieden sein wird. Ich will aber hiemit keinen Tadel aussprechen, das Böse darf man hassen und soll es in Andacht. -

    Ändern geringeren Bedenken habe ich durch Randbemer­kungen Ausdruck gegeben. Mit Deiner Ansicht über das Ver­mögen der Wälder bin ich einverstanden, wenn Du mein „vielleicht" gelten läßt. Auf S. 10 wäre das „jetzt" auf dem Rand zu streichen, da noch viel ärmern Leuten als den Wälder Bauern geholfen werden wird. In meiner nächsten Schrift werde ich einen bezüglichen Vorschlag bringen. ­Ich hoffe, daß Du nach den vorgebrachten Andeutungen einige Verbesserungen anbringst und daß die Schrift dann je eher unter das Volk komme. - Der Feurstein soll sich die Druckerei baldigst errichten und bei der Behörde erwirken. Wir bringen unsere Erzeugnisse dann viel besser unter das Volk. Man hat sich bei mir schon beklagt, daß man nicht wisse, woher man unsern Ruf beziehen könne. Der Stettner hat keine Ankündigung und nichts gemacht. Mit dem Kunz ist es nichts, er war letzten Sonntag hier und ließ sich mit mir in ein Gespräch über unsere Sache ein. Er erwartet vom Volk gar nichts und ist reiner Pessimist. Es ist besser, wir machen auf Unserm vorwärts und gründen eine eigene Zeitung. Die Feldkircherin machte nur einen Coup aus Gewissensdruck und Angst. Nun, wir könen und wollen ihr nicht helfen. ­Daß ich den Demokrat bestelle, habe ich glaublich Dir ge­sagt. Was ich schrieb, kannst Du aus beiliegendem Schreiben ersehen. Die bisherigen Nummern des Pester Lloyd schicke ich auch; ich finde darin keine Erwähnung unserer Broschüre, was ich begreife und auch Du begreifen wirst, wenn Du die Zeitung liest. Ich empfehle Dir ihre Lektüre, die Dich über vieles belehren und mit großem Respekt vor Dir noch unbe­kannten Leuten, die uns eifrig in die Hände arbeiten, erfüllen wird. Zum Verständnis und besserer Würdigung meiner nächsten Schrift wird diese Lektüre auch beitragen. - Vielleicht bis Neujahr oder im Jänner kann ich sie übersenden. Bis dahin soll die Deinige ausgegeben sein und soll dann unsere Zeitung erscheinen können. Was sagt Ihr zu dem? Ist Pius noch auf Krumbach und wann kommt er heraus? Sag dem Bot, er soll bei derartigen weitern Sendungen nicht mehr Schriften deklarieren, sonst kostet es zu viel, z. B. die letzte 40 Kr.ö.W.

    Ich mache besonders auf die Reden im Lloyd aufmerksam! ­Mit tausend freundlichen Grüßen Dein Freund

    K. Moosbrugger

     

    12.12.

    Eben komme ich von der Post und las die Seyffertitzischen Anträge über Abänderungen der Wahlordnungen des Land­tags und in der Gemeinde zur Einführung der geheimen Ab­stimmung. Interessant ist die Äußerung des Dr. Bickel hiebei: „Sehen Sie, Herr Adjunkt, was das macht, es brauchte nur einen Anstoß, daß man sah, daß man herausrücken könne und die Sache im Volk Anklang finde." - Er gestand dann offen, daß dies eine Wirkung der Broschüre sei! Die Herrn fangen an, an die Zukunft zu denken. Der Postmeister (unser Angehöriger) meinte, dieser Schritt werde viel Kampf ge­kostet haben. Bickel ist da und geht wieder, er ist im Innern für uns, durch seine Antecedentien aber auf der anderen Seite zu stark engagiert. Hieraus erklärt sich seine Haltung. ­Du wirst dem Feurstein Deine Arbeit, wie sie ist, mit meinen Bemerkungen zusenden und er kann und wird auch noch Bemerkungen machen, die gut sein können. Die fertige Arbeit brauchst Du mir nicht mehr zu schicken, ich stimme im vor­hinein für dieselbe, wenn Du nicht noch schärfer wirst. ­Die Nummern des Demokrat, die Dir sind, schicke ich auch und das Tannberger Manuskript. Sag den Unsrigen, bis ca. Neujahr werde ich etwas Geld schicken und schreiben. -

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 10. Dezember 1866

    Guter Freund.

    Heute erhielt ich Deinen brif hier in Bordeaux, denn ich habe Arcachon schon vor 8 Tagen verlassen. Geld habe ich noch nicht gesehen u. werde heute 11 Uhr nach Arcachon reisen u. sehen was da steckt sobald ich das selbe in Empfang genom­men habe so werd ich abreisen. Von Paris aus werde ich Dier dann schreiben wann ich nach Bezau kommen werde. Bies dahin lebe wohl u. Grüße mier meine Schwester

    ton ami

    Felder

    Johann Josef Felder
    Bordeaux
    Franz Michael Felder
  • 6. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    Hiemit übersende ich im Entwurf die früher versprochene Ar­beit. Ich bitte Dich, dieselbe sorgfältig zu prüfen und dann mit dem Manuskript, von dem ich noch keine Abschrift habe, auch Deine Meinung über Form und Inhalt zu übersenden. Am schwächsten ist vielleicht der dritte Teil, auch wirst Du wunderliche Ansichten finden, wie z. B. die von mir aufge­stellte über unser Vermögen (Bogen 8). Prüfe und erwäge! Zu meiner Entschuldigung hätte ich viel vorzubringen, doch hier handelt es sich nicht um mich, sondern um das Werk, das wir unsern gewonnenen und noch zu gewinnenden Par­teigenossen vorzulegen haben. Die Konservativen wären nach meiner Ansicht nicht besser daran, wenn ihr Aussprechen bewiese, daß sie wirklich wüßten, was sie tun, denn nur in der Voraussetzung, daß sie es nicht wissen, wurde ihnen verziehen. Die Zuschrift im Sozialdemokrat glaubte ich aus mehreren Gründen nicht von dem Beamten, ich meinte auch, er werde ohne sein Zutun die Wirkung abwarten, auch hattest Du mir nichts davon geschrieben, und wie mein letzter Brief beweist, nichts davon, daß Du den Sozialdemokrat jetzt hast. Ich dachte, daß auch unter den Setzern bei Himmer in Augs­burg ein Lassalleaner sein könne, daher ich denn bei Stettner verdeckt anzufragen beschloß, von wo aus die Schrift nach Norddeutschland versendet worden sei. Es wäre wohl gut, wenn wir uns sagten, welche Blätter wir lesen, unsere Kor­respondenz würde dadurch erleichtert. - Jochum schreibt, die Schrift habe er erhalten und sie werde fleißig gelesen. Anhänger aber würden wir in Wien unter den Vorarlbergern, außer ihm selbst, nur wenige finden. Nun, den Jochum laß nur mir, er könnte unserer Zeitung noch nützen. Besonders hab ich es immer geschätzt, daß er ein ungemein klarer, nüchterner Kopf ist, was bei einem Zeitungskorrespondenten etwas wert wäre. Der in meiner Schrift kritisierte Aufsatz über Arbeiterfragen findet sich im Abendblatt der Neuen freien Presse vom 21. November. Der im Sozialdemokrat besprochene soziale Roman ,ln Reih und Glied' wurde zuerst in der Roman-Zeitung abgedruckt, und ich werde jetzt mit Lesen fertig. Es ist ein riesenhaftes Stück Arbeit, aber teil­weise so interessant, daß es auch mich beinahe zu einer Be­sprechung verleitet hätte. Ich begreife, daß sogar in Leih­bibliotheken, wie die Zeitungen melden, 40-50 Exemplare ä 6 Taler bestellt wurden. - Spielhagen zeichnet Volk und Adel in seiner Kraft, dämonisch, und der Bürgerstand fließt wie ein schönes Bächlein zwischen diesen Felsen, von deren Abfällen es zuweilen, doch Gottlob! nur vorübergehend, getrübt wird. Darum durfte auch der Lassalle dieses Romans kein Bürgerkind sein. Doch genug hievon. Soeben ist Natter, der erste Franzos, angekommen, und ich freue mich darauf, mit ihm zu plaudern, dem Uhrenmacher hab ich die gewünschte Summe aufgetrieben und bereits übersendet.

    Ich bin begierig, Dein Urteil über diese meine Probeschrift bald zu vernehmen. Der Gedanke an und für sich ist, glaub ich, ganz klar heraus gelegt. Ich wählte diese Form als die volkstümlichste, doch hat sie mir, wie Du sehen wirst, etwas weniger gepaßt, als ich meinte. Dein letzter Brief hat mich gefreut und auf Deine neuen Leistungen begierig gemacht, jetzt müssen wir uns allerdings rühren.

    Die Bessern bei uns wären mit dem Inhalt der Broschüre gern einverstanden, wenn nur das Volk des ihm geschenkten Vertrauens würdig wäre, aber das Volk gleicht einem unge­waschenen, trotzigen Kinde und sein Freund dem, der es waschen will.

    Meine Antwort findest Du in Beiliegendem. Jetzt ist Natter da! Lebe wohl! Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 4. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    Obwohl ich noch nicht bestimmt weiß ob ich Dir das bewuß­te Exemplar der Vorarlberger Zeitung heute übersenden kann so will ich wenigstens das Versprechen eines Schreibens heute lösen.

    Was unsere Angelegenheit betrifft so muß ich Dir bemerken was die Meinung solcher ist, die die Broschüre über Gleich­berechtigung gelesen, aber keine weiteren Kenntniße als die Anschauung des praktischen Lebens sich erworben haben. Schöne Ideen aber nicht ausführbar. Das Volk kann sich auf keine so hohe Stufe erheben um von den höheren Ständen nicht ausgenützt zu werden. -

    So eben bin ich in meinem Schreiben unterbrochen worden durch einen Besuch des Christian Moosbrugger; er hat sich den Plan gemacht nach Amerika zu gehen, und will sich den­selben nicht nehmen lassen. Ich habe ihm das Anerbiethen gemacht als Freund bei mir in meinem Hause 10 Tage zu ver­weilen sich die Sache noch zu überdenken, und wenn es ihm bei mir gefalle wolle ich ihm einstweilen, bis er sich aus wirk­lich freien Stücken etwa eine andere Laufbahn gewählt für angemessene Beschäftigung sorgen sonst aber könne er sei­nen Plan immer noch ausführen. Ich bin wirklich im wahren Sinne des Wortes sein Freund u. wenn ich mit eigenen Opfern für ihn etwas thun könnte, so würde ich es thun. Vor der Hand hat er mein Anerbiethen rund weg abgeschlagen auf mein Zureden noch die Entscheidung bis heute Abend ange­nommen oder vorbehalten. -

    In Bezug Deiner Mittheilung den Redakteur der Feldkircher Zeitung zur Gründung eines geeigneten Blattes zu gewinnen wäre ich einverstanden. Jedoch ist mir nicht klar wie ein Pro­vinzialblatt mit einem Besoldeten Redakteur finanziell beste­hen könnte u. zweitens würde es die geistliche Partei nie ver­gessen können, daß er früher Redakteur der Feldkircher Zei­tung gewesen. Dieß sind jedoch Gedanken eines Laien. Hät­test Du nicht die Güte mir Dein Gedicht über Kathrina Tag in Au zu übersenden. Die Zeit drängt lebe wohl auf Wieder­sehen

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 3. Dezember 1866

    Theurer Freund!

    Deine beiden  letzten  Briefe habe ich  richtig erhalten.  Ich hätte sicher den ersten beantwortet, bevor mir der zweite zugekommen wäre, wenn ich über den lieben Auftrag der Kronenwirthin in Schoppernau etwas zu berichten im Stande gewesen wäre. Aber auch jetzt nach so langer Zeit kann ich ihr nicht viel mehr sagen, als ich gleich anfangs gekonnt hätte. Ich gieng zur Informirung in dieser Angelegenheit mehrmahls zum Herrn Bergmann oder besser gesagt in seine Wohnung; anfangs traf ich ihn nicht, weil er verreist war, und jetzt nach seiner Rückkehr treffe ich ihn nie, weil ich ihn nicht treffe. Er wohnt beinahe eine Stunde von mir entfernt, und ich kann von meiner Arbeit vor sechs Uhr Abends nicht loskommen, wenigstens nur selten; er hingegen scheint eine große Nei­gung zu haben, Abends nicht zu Hause zu sein. Übrigens werde ich auch, nachdem was ich von seiner Frau erfahren habe, durch eine persönliche Besprechung mit ihm selbst wenig gewinnen. Seine Frau erzählte mir, daß der erblas­serische Albrecht in Ungarn in den Diensten ihres Mannes gewesen sei, bis er schon ganz heruntergekommen gewesen wäre, er sei dann zu ihnen gekommen in der Absicht nach Hause zu reisen, sei aber immer kränker geworden und end­lich im Spitale an Lungentuberkulose gestorben. Obwohl er in der letzten Zeit seiner Kränklichkeit wegen eigentlich nichts verdient hätte, habe doch ihr Mann bis auf den letzten Tag ihm 3 fl täglich bezahlt und nach seinem Tode seinen ganzen Baarnachlaß sowie alle Kleider mit Ausnahme eines Rockes, den der Hieronimus genommen habe, hinausgeschickt. Es kann sich also, wenn dieses Alles wahr ist, woran ich nicht zweifle, nur um das handeln, was Albrecht in seiner Heimat allenfalls besitzt (ererbt oder sonst erworben hat) und was er in seinem Testamente wird vermacht haben. Dieses soll beim Gerichte in Pest gelegen sein, welches Gericht jedoch schon ersucht worden sei, das Testament nach Vorarlberg zu schik­ken.

    Wenn die Sache sich wirklich so verhält, so weiß ich nicht was ich hier thun soll, um der Frau Kronenwirthin zu nützen. Gerichtliche Schritte könnte ich auch auf keinen Fall mit der mir überschickten Vollmacht unternehmen, denn, um nicht davon zu reden, daß an einem Orte wo Advokaten und Notare bestehen, die Schritte der nicht selbständig berechtig­ten Personen dieser Stände, sehr beschränkt sind, es ist die Vollmacht nicht dem Gesetze entsprechend. Erstens sollte nämlich die Vollmacht über einen 50 X Stempel geschrieben sein, zweitens ist es in einem ändern Kronlande, als wo die Vollmacht ausgestellt ist, absolut nothwendig, daß die Unter­schrift beglaubigt ist; das müßte in diesem Falle beim Bezirks­gericht in Bezau geschehen und es wäre dazu neuerdings ein Stempel von einem Gulden erforderlich, endlich müßte, wenn ich wirklich eine Erbschafts Abhandlung hier durchzuführen hätte in der Vollmacht ausgedrückt sein, daß ich berechtigt sei, einen ändern Bevollmächtigten nach meiner Wahl mit gleicher oder beschränkterer Gewalt zu substituiren, denn wenn es zu einem Prozesse wegen irgend eines Punktes mit jemanden käme, dürfte ich sogar dann, wenn ich selbständi­ger Notar wäre, nicht immer selbst vor Gericht die Sache aus­machen, sondern ich müßte einen Advokaten dazu bestellen können u. bestellen.

    Nach meinem Dafürhalten ist es das beste, einfachste u. wohlfeilste, falls sich die Sache wirklich so verhält, wie ich oben angegeben, daß sich die Frau Kronenwirthin an das Gericht in Bezau wendet, und schaut, daß das Testament von Pest dorthin geschickt wird, und falls das Gericht sich für unzuständig zur Verlassenschaftsabhandlung ansehen sollte, dasselbe ersucht, es möge bewirken, daß es im Wege der Delegation zuständig werde. Damit es aber dieses nicht braucht, soll sie angeben, ihr Bruder habe weder in Wien noch in Pest domizilirt, sondern sei nur zeitweilig dort gewe­sen, habe nie die Absicht gehabt an einem oder dem ändern Orte sich bleibend aufzuhalten, sondern er sei auf dem Wege nach Hause in Wien gestorben u. habe kein anderes Vermö­gen hinterlassen, als was sich in seiner Heimat befinde. Was das ist weiß ich nicht?

    Hier hast Du nun einen juridischen Roman u. Du wirst sicher zugeben müssen, daß er interessant ist. Vorläufig komme ich auch zu keinem viel größeren, weil ich zuviele kleine habe die mich beschäftigen.

    Du wirst auch vielleicht etwas öhl für Deine Preusenflamme daraus ziehen wollen, aber ich kann Dir nur sagen, daß ich von Berlin aus auch so und noch etwas dazu hätte schreiben müssen, wenn ich in dieser Angelegenheit dort hätte operiren sollen.

    Die Erwiderung auf die Preusenabhandlung bleibe ich Dir jedoch für diesmal schuldig, weil dieser Brief sonst für meine zu erübrigende Zeit zu lange würde, und weil auch Du die Erwidrigung einmal verschoben hast, nur das Eine will ich gleich diesmal schon erwähnen, daß nach meiner Ansicht auch in Preusen nicht alle Kaspale und Mariegrethle zum handlungsfähigen Volke gezählt werden können, daß, wenn es überhaupt einmal dazu kommen sollte, noch Jahrhunderte dazu gehören, um die Masse nicht nur in intelligenter, son­dern auch in Beziehung auf Charakter dazu zu bilden. Daß die Preusen u. überhaupt die Norddeutschen in dieser Beziehung weiter sind als wir, habe ich nie in Abrede gestellt. Aber das Schicksal jener Männer, die uneigennützig die Menschheit zu heben sich bestrebten, zeigt daß auch in jenen Landen das Geld der Bourgoise dem einzelnen fast ohne Aus­nahme mehr zusagt, als die Idee der wahren Humanität, was sage ich das Geld, sogar die Hochachtung vor diesem Gelde; und wenn solche Leute doch wenigstens zu Ehren gekommen sind, so geschah es wieder durch Einzelne u. zwar solche in der Regel wenigstens die für sich keinen Nutzen aus deren Bemühen gezogen haben.

    Wie mir die übermittelten Broschürchen gefallen, wirst Du wohl ziemlich errathen haben. Manches finde ich vortrefflich und zeitgemäß, manches gut aber zu bekannt, im eigent­lichen Juristischen bin ich aber nicht vollkommen einverstan­den. Zwar gebe ich zu, daß die Einführung des römischen Rechtes u. die Verdrängung des einheimischen ein sehr gro­ßer Mißgriff war, da es in manchen Beziehungen in zu gro­ßem Widerspruche stand, mit dem damaligen deutschen Rechte, u. für die damaligen Verhältniße nicht paßte, wie das allgemein zugegeben wird; aber daß man jetzt wieder, da doch die meisten von dorther stammenden in unsere Gesetze aufgenommenen Bestimmungen nach und nach volksthüm­lich geworden sind und sich unsere Anschauungen darnach gerichtet u. gebildet haben, das nämliche Manöver in umge­kehrter Weise wiederholen soll, daß man altdeutsche Grund­sätze von denen nur die Rechtshistoriker wissen, wieder ein­führen und damit das verdrängen soll, was im Volke schon in Fleisch u. Blut übergegangen ist, damit kann ich mich unmög­lich einverstanden erklären. Wahrlich es würde mir herzlich wehe thun (um mich auf eine in der Broschür angezogene dortgenannte Verbesserung zu beziehen) wenn ich ein 100000 fl werthes Vermögen in meiner Sterbestunde besäße, einige nichtsnutzige Geschwister hätte die mich während meines ganzen Lebens sekirt hätten u. dazu noch selbst reich wären, wenn ich in diesem Falle durch das ersehnte neue Gesetz gezwungen würde, diesen alles zu hinterlassen u. einen mir stets treu ergebenen armen Freund in seiner Armuth zurückzulassen. Überhaupt habe ich vor den guten alten Zeiten insbesondere vor den altdeutschen vollen Respekt u. sehne mich nicht dieselben zurückzurufen. Das ist zwar auch in den meisten Punkten der Broschüre nicht für wünschenswerth hingestellt, warum denn gerade in dieser? Warum will er im ganzen die Menschheit entfeßeln und zu freien selbstthätigen Handlungen fähig machen, und doch wieder die am und aus demselben Fleck gebornen mit eiser­nen Banden an einander und auf Scholle u. Boden feßeln? Mit Ausnahme der rein juridischen Punkte bin ich wie gesagt vollständig mit dem Juristen einverstanden. Du weißt ja wie mir die zwei bei uns bestehenden antipodischen Parteien gefielen; auch würde ich gerne nach meiner besten Möglich­keit mit euch correspondiren u. leisten was ich leisten könnte, /. und Nachrichten hätte ich wenigstens im letzten Jahre oft viel früher liefern können, als die größten u. berühmtesten Journale es im Stande waren./ wenn von euch jemand für ein Blättchen Geld opfern will. Ich hoffte, man könnte ihm über das Kronland hinaus nach und nach einen Weg bahnen. Aber Geld geopfert müßte doch wahrscheinlich werden. Der Enthusiasmus? des Volkes für dessen Interesse gearbeitet würde, dürfte dasselbe nicht sobald ernähren. Ich beurtheile unsere Landsleute nicht so günstig, daß ich glaube, die näch­sten Ereigniße werden dafür sprechen, daß die Partei der wahren Gleichberechtigung die stärkste des Landes ist. Aller­dings wäre es sicher zu erwarten, wenn man nicht wüßte, daß das Volk (ich glaube hier den Ausdruck richtig zu gebrau­chen) einem schmutzigen Kinde gleicht, welches schreit und beißt, wenn man es waschen will.

    Ich hoffe bald Nachricht zu bekommen, was für Schicksale der neuen Partei beschieden sind u. hoffe, daß sie nicht etwa gar schon wieder gestorben oder Scheintod ist. Von den 3 Broschürchen, von denen ich nicht wußte für wen sie bestimmt sind, sind mir gleich anfangs 2 entrissen worden und werden durch manche Hand der Vorarlberger gehen. Bisher habe ich noch kein einziges Urtheil, das diesen Namen nur halb verdient, darüber gehört. Ob die Gebrüder Fetz sie schon gelesen haben, kann ich nicht sicher sagen. Ich komme überhaupt ungemein wenig mit Landsleuten zusammen, oft ganze Monate nicht. (Einen ausgenommen.) Die Meisten sind Ganahlisten, also wenig Aussicht für die sich constituirende Partei, unter ihnen Propaganda zu machen. Schließen wir die­ses Thema für heute.

    Ich lebe hier wie ich Dir schon das letzte Mal schrieb. Mei­nem Bruder u. der Schwägerin lasse ich meine Gratulation übermitteln, wenn ihnen nur zu gratuliren ist. Mir wäre Angst und bange, wenn ich jetzt ein Weib zu erhalten hätte. Lange braucht man in unsern Zeiten um einen Herd zu bauen u. hinreichend Holz dazu zu schaffen; meine Mutter lasse ich herzlich grüßen. Mutter, Wible, Gögla, Resle u. alle in den frühern Briefen angeführten ebenfalls, so wie Dich grüßt Dein beständiger

    Freund

    NB in allem habe ich Dir gehorcht nur das weiße Papier geht mir heute ab.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • Datum unbekannt
    2. Dezember 1866

    Lieber Freund!

    Soeben reisen wir von Bezau ab u. werden bis Du diesen Brief

    erhältst in Au sein.  Dich dort zu  unserer Gesellschaft zu

    haben erwartet

    Dein Freund

    Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 29. November 1866

    Lieber Freund!

    Aus drei sich feindlich gegenüberstehenden Lagern hab ich nun das Echo unseres Rufs gehört, alle drei wollen etwas mit uns gemein haben, aber -. So tönt es überall, auch der Sozialdemokrat sagt aber, sagte es schon, als er, die Schrift kurz anzeigend, das Ereignis freudig begrüßte. Mit dem sozialistischen Teil, den er ganz abschreibt, ist er natürlich einverstanden. Ganz vortrefflich, sagt er. Aber mit dem politi­schen Teile nicht.

    Wir wollen gute Deutsche, aber auch gute Österreicher sein. Nach seiner Doktrin kann und soll man das nicht. Am Schluß des Artikels sagt er: „Sollte man noch zweifeln können, welches Gewicht die Herren Verfasser der Broschüre auf die soziale Seite des Programms legen, so müssen wir die be­zeichnenden Worte anführen, welche sich in diesem Betreff in dem mit der Broschüre uns zugegangenen Begleitschreiben (von wem???,) finden. Hier heißt es: Sie werden es freudig begrüßen, daß man Lassalles Hebel anwendet, um den Kaiser­staat aus dem Moraste zu heben. Es gibt hier viele, die meinen, wenn dieser Hebel nicht ausreiche, sei die Hebung überhaupt unmöglich.“

    Ich habe Dir schon aber angedeutet, daß diese Worte nicht von mir sind. Nach meiner Ansicht mußte der loyale Ton schon darum angeschlagen werden, damit überhaupt die Verbreitung der Schrift bei uns möglich war, wir haben erst A gesagt. Auch Lassalle mußte sich den Schein geben, eine Revolution zu vermeiden, die er eigentlich wollte. Mir schien die Sache wichtig genug, um sie Dir gleich mitzu­teilen, besonders da ich Dir noch etwas für mich wenigstens Wichtiges mitzuteilen habe. Hirzel druckt die Sonderlinge. Hildebrand schreibt: Es sei entschieden und gleich nach Neu­jahr werde angefangen. Ich möchte um so lieber wissen, wie Hirzel endlich doch zu diesem Entschluß kam, da ich ganz eigene Vermutungen habe. Doch davon später! Hildebrand meldet den Empfang der Broschüre und schreibt dann: „Ist das Ihr Stil? Dieses Sprunghafte des Gedankens, dieses - ist das Ihr Stil, und doch finde ich wieder und wieder Sie und Ihre Art zu denken."

    Dann sagt er, daß er, obwohl arm, der Lassalleschen Richtung abgeneigt sei. Er tadelt, daß Lassalle Haß den Besitzenden predige, spricht dann aber wieder im alten freundschaftlichen Tone von unsern Angelegenheiten.

    Ich hätte Dir die erwähnten Nummern des Sozialdemokrat geschickt, aber ich glaube, das Blatt wird noch mehr bringen, zudem wollte ich jedes Aufsehen vermeiden. Die für Nord­deutschland bestimmten Exemplare wurden, soviel ich weiß, von Augsburg aus versendet, doch werde ich in Lindau fragen. Das zu einer Volksschrift gesammelte Material hab ich zu ordnen angefangen und hoffe, auch bald etwas Fertiges vor­legen zu können. Jetzt hat man schon Zeit zum Schreiben, denn alles ist verschneit, sogar die Wege, so daß Vetter Jok bei mir eingeschneit sitzt und von den Mühen des Ka­tharinentags ausruht. Hier hat es über vier Fuß Schnee. Hilde­brand hab ich noch gestern abends geantwortet. Ich habe dem Guten viel zu danken, doch hindert das mich nicht, unserer Fahne treu zu bleiben, das ich auch offen bekannte. Er darf mit meinem Briefe zufrieden sein. Vom Förster hab ich einen Brief bekommen, den ich Dir zeigen werde. Der Mann ist sehr zudringlich. Mit Feurstein hab ich am Sonntag in Au geredet. Er sagte: Er werde mit uns gehen, werde zur Partei gehören und tun, was er könne, doch sehe er ein, daß uns sein Einfluß mehr nützen werde als seine Kraft. Das glaub ich nun nicht, aber im Mann steckt noch etwas vom alten Adam, das ich oft und zuweilen unerwartet auf­schießen sehe. Doch hat er mir gern versprochen, uns seine Korrespondenz (resp. Briefe von Landtagsabgeordneten) mit­zuteilen, wenn etwa noch einer kommen sollte, was er nicht zu erwarten scheint. Heute reist er nach der Schweiz ab und will sich nun auch in einer Zeitungsdruckerei nach dem Ge­schäftsgang erkundigen.

    Mit unserer Post ist's kaum auszuhalten. Das wirst auch Du fühlen. Ich will gern oder eigentlich ungern sehen, wie es zu machen ist, wenn unsere, wenn meine Korrespondenz mit den Freunden im Norden noch lebhafter werden sollte, wenn ich die Korrekturen zu lesen habe. Ich sagte Dir schon im Frühling, daß ich Dich um die tägliche Post beneide, um das abendliche Vergnügen beneide ich Dich nicht. Doch es wird Zeit, daß ich schließe. Schreibe bald und viel. Mit herzlichem Gruß Dein Freund

    Felder

    Ich beziehe nun aus einer Leihanstalt in Leipzig eine Menge der besten Blätter für vierteljährlich 1 Fl. 12 Kr.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 28. November 1866

    Abends Lieber Freund

    Der letzte Brief von Ihnen hat mich, wie jeder, schon uner­öffnet recht herzlich gefreut obwol ich noch keine, und am wenigsten diese Auskunft über meine Sonderlinge erwartete. O ich wollte auch Sie hätten gesehen, wie ich aus meinem Zimmerchen in die Stube eilte um meine Freude mit meinen Lieben zu theilen, dem Wible das mir immer treu zur Seite stand und der Mutter, die ihres angefeindeten verlästerten Sonderlings wegen schon so viel viel hat ausstehen müssen. Ja lieber Freund! wenn Sie das und alles so gesehen hätten, dann wüßten Sie auch, wie ich, wie wir Ihnen danken möch­ten. Schreiben kann ich es Ihnen doch nicht. Wenigstens kommen mir diese Zeilen so arm vor, daß ich froh bin, die von Ihnen mir gegebene Gelegenheit benutzend, Sie an selbsterlebtes erinnern zu können. Aber als Ihnen Sich Ihre schöne Laufbahn aufthat, da waren Sie lange nicht, wo ich war und ohne Sie wol immer bleiben würde. Ich armer, freundloser Tropf möchte nun so gern etwas Rechtes für Sie thun, aber ich könnte Ihnen gar kein Freudle machen, wenn ich Sie aus Ihren lieben Briefen nicht genug kennte um zu wissen daß auch das Bewußtsein, einen Menschen glücklich gemacht und ihm Muth und Schaffenslust gegeben zu haben, Sie erfreuen würden mehr als meine Worte es könnten. Aber, lieber Freund! lassen Sie michs offen sagen, eins in Ihrem Briefe hätte mir fast weh gethan. Sie schrieben mir, daß ich Sie nun wol nicht mehr groß brauchen müsse. Sie werden doch wills Gott damit nicht meinen daß ich mich nun nicht mehr so oft an Sie werde wenden können, bittend, erzählend, Rath, Trost oder Hülfe suchend, wie der Freund an den Freund. O ich stehe so alein in der Welt und war bisher nirgends als in meinem Hause verstanden, nirgends recht glücklich als da. Ich hoffe daß diese Sorgen grundlos sein werden und doch hab ich Sie fragen müssen. Die Ihnen zugeschikte Broschüre ist, wie Sie sagten, nicht von mir geschrieben, obwol ich was ich Ihnen geschrieben zu haben glaube, bei der Sache nicht unbetheiliget bin. Über Lassalles Wirken sind die Meinungen sehr getheilt wozu viel­leicht häufig seine leidenschaftlichen Ausleger auf beiden Seiten Veranlassung gegeben haben. Ich kann weder in sei­nen Schriften noch in den Unsern Haß gegen die Reichen als solche finden. Der Kernpunkt seiner Schriften ist das allge­meine Wahlrecht, das andere soll die Massen in die Bewe­gung ziehen wie er das in seinem Arbeiterlesebuch ausein­andersetzt. Das Wahlrecht wird aber die Besitzenden wol um keines der Rechte bringen die ihnen kraft ihres hohen Bil­dungsgrades gebühren. Nur die Vorrechte des Kapitals ge­genüber dem Arbeiter werden in ihr wahres Licht gesetzt. Wir Bregenzerwälder hatten und übten Jahrhunderte das all­gemeine Wahlrecht und unsere alten Gesetze beweisen, welch eine treffliche Volksschule es ist. Jene Zeit ist vorbei aber die Erinnerung an sie lebt noch im Gedächtniß und noch mehr im Wesen des Volkes fort. Sie da droben werden dieses Recht bald haben, auch wir wollen es. Wir forderten es wenn wir auch fürchteten, hier nicht durchzudringen. Un­sere Liberalen wünschen kein einiges Deutschland, da sie den österreichischen Markt und den Schutzzoll brauchen. Sie sorgen nur für die „Manufakte der Fabrikation" nicht für uns wie Sie in der Feldkircher Zeitung vom 4 August, die ich Ihnen schikte, sehen können, ich habe damals nicht ohne Erfolg einen bedeutenden Schritt gethan. Doch genug hievon und schon zu viel, so daß ich Sie bitte diesen Brief nie in fremde Hände zu geben nie zu veröffent­lichen.

    Wenn ich die entlehnten Blätter behalten könnte, ohne mei­nem Beuteichen allzuweh thun zu müssen so wäre mir das sehr lieb. Es läßt sich aber nur auch versuchen wie es gehen wird, leb werde mich nun wieder mit neuem Fleiß und neuem Muthe meiner Lieblingsbeschäftigung zuwenden. Freie Zeit hab ich jetzt schon, denn die „Arbeit" und die Wege sind verschneit (in unserm Dorf hats 4 Fuß Schnee) und den letzten Vorsaßlern donnern auf dem Heimweg tod­drohende Lauinen entgegen wie meinem Sepp. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie es mich nun auf das Erscheinen des Werkes freut. Bis heute wagte ich mich nie recht der Hoffnung hinzugeben, daß Hirzel es drucken werde. Viele trübe Erfahrungen, zwar nicht bei den Buchhändlern, haben mich sehr - vorsichtig im Hoffen gemacht. Ja lieber Freund, es wäre schön auf der Welt und man würde ein ganz anderer, wenn Einem nur so liebe, aufopfernde großmüthige Men­schen begegneten wie Sie. Ich wenigstens habe noch nie so einen Freund gefunden und wol die Wenigsten und dieses Bewußtsein, daß ich doch auch etwas, und etwas sehr Großes vor Tausenden voraus habe versöhnte mich mit meinem Schiksal. Sie dürfen nicht etwa glauben daß ich Ihnen, mei­nem lieben Freund, in meinem Leben die erste Schmeichelei sagen werde. Aber eben weil ich so an Ihnen hange, dürfen Sie mich nicht verlassen. Wer von starker Freundeshand ge­führt, einen Felsen erklimmt, der darf auch droben nicht allein gelassen werden. Schon jetzt wieder muß ich mich um Ihren Rat bittend, an Sie wenden und einige Fragen an Sie richten: Ich weiß nicht, wie es mit den Corecturbogen anzu­fangen sein wird, da ja ein Brief von Ihnen zu mir im besten Fall 5 - sonst 8 Tage braucht. Am besten wärs wol, wenn mehrere Bogen auf einmal geschikt werden könnten, lesen möcht ich die Corectur doch auch. Und nun noch Eins. Ich möchte Herrn Hirzel keine Bedingungen machen, daß er etwa, dadurch verletzt, noch gar ablehnen würde. Auch glaub ich, Ihm die Sache überlassen zu dürfen. Lieb wäre es mir, wenn Herr Hirzel, im Fall daß Sie das nicht abmachen könn­ten oder möchten, mir gleich auch seine Bedingungen mit­theilte daß ich dann gleich. - ja sagen könnte und so die Sache nicht mehr verzögert würde. Herrn Dr Landgraf werde ich nächstens einen Brief an Sie übersenden, wenn Sie die Güte haben werden ihn zu adressiren. Unser Zusammenkommen und Miteinandergehen bestättigt wieder einmal recht die alte Redensart: Wenn man einem den Finger reicht, will er die Hand, und hat er auch die, so wird man ihn gar nicbt mehr los.

    Und Sie sagen ich werde Sie nun nicht mehr brauchen. ­Ich hätte Sie freilich nicht so lang in Anspruch nehmen sollen, da ich Ihnen doch nicht sagen kann was ich Ihnen sagen möchte, aber draußen stürmts und tosts und auch in mir ists noch nicht ruhig von der Erregung des heutigen Tages. Den Zustand, in dem ich mich befinde, würden immer nüchterne Leute Schwärmerei nennen, nun gut, dann schwärme ich für Sie.

    Und nun leben Sie wol. Mein Wible hat mir aufgetragen, ja die herzlichsten Grüße an Sie nicht zu vergessen. Lauter solche Tage, wie der den ich heut erlebte wünscht Ihnen Ihr ewig dankbarer Freund

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 28. November 1866

    Lieber Freund!

    Deine zwei werten Briefe erhielt ich vorgestern miteinander. Das Wichtigste ist jetzt eine bessere Postverbindung, auch scheint es, daß man dem Boten den Kopf ein wenig zurecht richten sollte. -

    Ich bin sehr erbaut über Dein letztes Schreiben; Du kannst es mit Deiner Andacht und Deinem Ernst noch weit bringen. Dein Kriegsplan ist ganz gut, und ich habe nichts zu berich­tigen. Du bist schon praktischer und weiter, als ich gemeint habe. Ich halte Dich für vollkommen fähig, die Redaktion unserer Zeitung zu übernehmen. Deine scharf beobachtende Umschau und berechnende Vorsicht lassen ein gedeihliches und rühmliches Werk hoffen. Insbesonders finde ich Deine Vorsicht zu rühmen. Sie ist jetzt, wie sie sein soll - für ihre weitere Entwicklung. Wenn Kunz so vorsichtig gewesen wäre, hätte er die größten Schlappen, die er erlitt, sich erspart. In unserer Lage soll die Vorsicht ans Ängstliche streifen, denn wir müssen sozusagen aus nichts etwas schaffen, und das ist, wie sogar die Theologen wissen, keine Kleinigkeit. Diese ans Ängstliche streifende Vorsicht, welche sich in Dir bis zur Opferlust verschönert, finde ich darin, daß Du den Tann­berger Aufsatz zurückziehen willst. Ich habe ihn heute noch­mals durchblättert, aber ich finde durchaus nichts Ordnungs­widriges darin. Im Gegenteil, wir haben jetzt einen Bauplan fertig und das Material am Platz, jetzt dürfen wir auch nieder­reißen. Der Aufsatz soll, wie er ist, erscheinen, und es ist gut, daß von mehreren Seiten Bomben und Granaten fallen. Ich wünsche auch mit Dir, daß die Sonderlinge bald veröffentlicht werden und hoffe, Hildebrand werde anderwärts sich ver­wenden, wenn Hirzel zu kleingeistig ist. Einem Hildebrand sollte doch leicht sein, ein Werk wie dieses zur Veröffent­lichung zu bringen. Wenn dieser Mann nur nicht zu tief in der Sauce der Gemütlichkeit und Romantik steckt! - Ob unser Landtag unsere Broschüre positiv zur Sprache bringt, weiß ich nicht. Dr. Bickel meinte bei seinem Abschied von mir, sie werde zur Sprache kommen. Ich habe mir seit der letzten Session es angelegen sein lassen, diesen Adressenmann und Bourgeois mit Geist zu bekehren. Ich zweifle nur, auf ihn bedeutenden Einfluß geübt zu haben. In letzter Zeit war er gegenüber unserm Staat Pessimist und er schrieb ihm keine Zukunft mehr zu. Er faßte unsere Broschüre auch demgemäß auf und meinte, sie sei vortrefflich und gereiche den Ver­fassern (mir) zur Ehre, ihre Taktik gehe auf eine Auflösung Österreichs. Ihr schwächster Satz (wenn er ernstlich gemeint sei) sei der auf S. 9 über das staatliche Band. Das Unterbleiben einer Adresse im Sinne der vorjährigen ist sicher das Werk der Bekehrung Bickels und - unserer Broschüre. Unser Pfeil steckt den Kerls fest im Leib. Sie haben vielleicht nicht den Mut, die Broschüre zur Sprache zu bringen, aber die stille Wirkung ist gesichert, und das ist die Hauptsache. ­Der Sozialdemokrat faßt die Sache anders auf. Aber ich ver­mute oder halte es wenigstens für möglich, daß er nur aus Diskretion gegen mich (Begleitschreiben) das nicht heraus­finden will, was Bickel herausfinden zu sollen glaubt. Er will unsere Stellung vielleicht nicht erschweren, und ich bin ihm für die Kritik sehr dankbar. Wir haben den Bestand Österreichs allerdings scharf betont, aber wir sagten auch S. 7: Die Magyaren wußten wohl, daß etc. Was die Magyaren wissen, können wir auch wissen und auf uns anwenden, und es wird die Zeit kommen, wo wir es tun werden und tun müssen, wenn wir sonst, durch Österreich, nicht zum Ziele gelangen. In dem Staat, in dem wir sind, muß Wahrheit und Recht herrschen, und eher gehe der zufällig vorhandene Staat zu Grunde als Wahrheit und Recht, das sei unsere Devise. ­Die Landeszeitung, d. h. das Volksblatt hat mich bei Be­sprechung unserer Broschüre wegen der in der Besprechungs­art verborgenen Ignoranz wild gemacht. Ignoranz nicht des­halb, weil die Zeitung von uns nichts wußte, sondern weil ihr die Broschüre, d. h. die Gedanken originell erschienen sind. Sie weiß die Erscheinung offenbar in ihrem Schachtelsystem nicht unterzubringen. Wahrlich, auf diesem „Feld" muß man niederreißen und von diesem Feld soll Dein Name eine Weihe erhalten. - Mit Ganahl oder Kunz habe ich noch nicht konversiert, ich will vorerst die Rückkehr des Dr. Bickel von Bregenz in die Ferien abwarten und dann sehen. Man muß zuerst sondieren. - Unsere Zeitung glaube ich mittels eines zweiten Rufes inaugurieren zu sollen. In demselben werden wir die Wirkung des ersten „konstatieren", für unsere Sache weiter Reklame machen, mehrere Punkte mit Bezugnahme auf die verschiedenen Kritiker präzisieren, besser beleuchten etc. und die Zeitung ankünden. Zugleich wäre gut, wenn wir ein wissenschaftliches Werk ankünden könnten, das den Kern unseres Systems bloßlegt. Ich habe bereits eine Idee des­selben und mache bezügliche Studien im - theologischen Fach. Das Werk könnte ,Das Christentum und Lassalle' heißen, obwohl es richtiger ,Das Christentum und die Wissenschaft' hieße. Ich kann noch nichts Näheres sagen, nur das, daß die Lehre des August Nicolas (dessen Werk vom Papst belobt und honoriert wurde) über Toleranz und Intoleranz der Kirche, die in dem Satz gipfelt: „Das sind also die verschie­denen Standpunkte der Menschen zu Gott, zu seinem Wort und zu seiner Kirche. Diese letztere umschließt in ihrer Ge­meinschaft jeden Menschen, den Katholiken, den Häretiker, den Juden, den Heiden, kurz, wer immer Gott ehrt dem­gemäß, was er von ihm weiß oder von ihm wissen kann.“ S. 331, 3. Band; zum Lob und zur Ehre der Wissenschaft und daher auch bezüglich der modernen, zum Lob und zur Ehre ihrer Inkarnation des Ferdinand Lassalle illustriert würde. ­Doch das sind Sachen, die sich noch zu entwickeln haben und die ich nur andeute, damit wir stets über uns im Reinen und Klaren sind und unsere Dinge ineinander greifen, wie sich's gehört. Natürlich werde ich Euch stets zu Rate ziehen. - Den Demokrat und das Manuskript werde ich bald schicken. Deine Bemerkungen über Feurstein gefallen mir und Dein Operie­rungsplan zu ihm auch. Nur munter und wohlgemut so zu und die Sache wird gut. - Die ungarischen Zeitungen werde ich Dir mit oberwähnten Schriften schicken. Silber wüßte ich hier keines aufzutreiben als teuer, und Du bekommst es dort sicher leichter. -

    Der hiesige Postmeister ist ganz für unseren Standpunkt, ein Fabrikant, Herr Blum, meinte, die Broschüre könnte offiziellen Ursprungs, allenfalls von Froschauer sein, der Stadtschreiber Rohner aber hielt sie für so revolutionär, daß er sie nie­manden lesen lassen wollte. Solche Bürger sind hier in Ehren und Ansehen.

    Grüße mir freundlich die Franzosen! Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 24. November 1866

    Lieber Herr Felder

    Eben habe ich um 11 Uhr Vormittags Ihren Brief erhalten, ging allso gleich zum Feuerstein, ließ ihm den ihm betreffen­den Theil lesen. Er sagte er kommt Morgen nach Au auf Kirch­weih wohin er die gewünschten Bücher mitnimmt wo er Sie zu treffen sicher glaubt. Auch wird er betreff der Anleihe dort mit Ihnen sprechen. Trachten Sie also dorthin zu kommen. Da der Bothe um 12 Uhr abgeht so kann ich nur in größter Eile Etwas über den Inhalt meines letzten und Ihres Schrei­bens beifügen. Als Sie letztesmal in Bezau waren habe ich per Zufall erfahren, daß Sie dort mehreren, darunter selbst dem Dr v. Andelsbuch König Vorsteher etc. eine Arbeit sehen u. lesen ließen. Ich vermuthete es sei irgend eine volkspolitische Arbeit von Ihnen u. es schmerzte mich auch in constanter Weise von der Einsicht ausgeschlossen gewesen zu sein. Sie reißten nach Lindau, ich vermuthete in Verlagsgeschäften dieser Arbeit. Da las ich kurz darauf in der Feldkircher Zei­tung die Erscheinung einer politischen Brochüre „Ruf aus Vor­arlberg" u. es wurde erwähnt daß darin stark gegen Bürger­thum (Bourgeoisie) zu Felde gezogen ist. Ich dachte augen­blicklich das sei die geheimnißvolle Arbeit. Nach einigen Tagen sandte mir der Vorsteher die Brochüre. Ich las sie und wußte nun woran ich war. Ich habe weder vor noch darnach mit dem Vorsteher darüber ein Wort gewechselt und schweige auch über meine Ansicht betreff des Autors auch ferner. Augenblicklich erkannte ich daß Sie damals nicht allein die eigene Arbeit sondern vielmehr die gediegene Arbeit Ihres H Schwagers zu wahren hatten. Ich als Beamter weiß am Besten die Gefahr eines freisinnigen Beamten bei derlei Ansichten und [Drucklerzeugnissen zu schätzen und wundere mich nicht mehr warum Sie so geheimnißvoll tha­ten. Doch wäre es im Interesse desselben angezeigt gewesen noch mehr Schweigen zu üben. Ich meinestheils unter­schreibe vollkommen durch u. durch diese Ansichten, doch einen Angelpunkt des Ganzen um den sich Sein u. Nichtsein alles dessen dreht das Fundament haben sie vergessen: „Mini­sterverantwortlichkeit" ohne diese ist alles windbrüchiger Wald.

    Ich bitte Sie daher im Angesichte dieses Bekenntnisses um Vergebung.

    Schweigen Sie so viel Sie können Sie wissen nicht welchen Schikanen ein Beamter ausgesetzt ist im Interesse Ihres H. Schwagers. Ihr Theil konnten Sie als freier Mann zehnmal leichter vertretten. Was macht der „v. Hohenstein"

    Leben Sie wohl Ihr aufrichtiger Koderle Nächstens bis Sie kommen mehr.

    Ihr Brief war offen, siegeln Sie anderesmal besser.

    Hanns Koderle
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 23. November 1866

    Lieber Freund!

    Also der Keil wäre eingetrieben und nach den ersten Zeichen zu urtheilen wird der Erfolg nicht fehlen. Die Feldkircher Zei­tung, die die neue Partei anerkennt, wagt es einstweilen nicht, mit uns zu brechen, obwol sie sich noch eine Menge Hinter­thüren nach allen Seiten offen läßt. Mann Gottes, jetzt gilts Ernst. Moosbrugger schreibt mir: Am letzten Sonntag hätten ihn die Größen von Bludenz zu einem Spaziergang eingela­den, was früher nie geschehen war. Den bisherigen Gegner, der wegen vieler Äußerungen für den Herausgeber der Schrift, etwas gewisses weißt man nicht, und sucht ihn neu zu gewinnen. Moosbrugger spazierte nicht mit, sondern schützte dringende Geschäfte vor und schrieb an mich. Er warnt uns mit Recht, die Augen offen zu halten und auf uns und Andere wohl Acht zu geben, „bisher waren wir" schreibt er „uns selbst und sonst niemand verantwortlich, das hat nun aufge­hört da wir aus dem Dunkel hervortretten". Er warnt ohne vorherige gemeinsamme Berathung keinen öffentlichen Schritt mehr zu thun und öffentlich könnte jetzt alles werden was wir thun meine ich und bin daher fest entschlossen, nichts mehr zu veröffentlichen ohne Dich und Moosbrugger darüber vernommen zu haben. Auch Du wirst vorsichtig sein und bethen: Gott schütze mich vor meinen Freunden, mit den Feinden wollen wir schon fertig werden. Ich sage Dir das mit Bezug auf Dr. König und andere deren Standpunct wir nun wol kennen zu lernen Gelegenheit bekommen. Sollte Dir Hr v. Seiffertiz, oder sollten andere bei Dir, den sie aus dem Schritte gegen die Handelskammer als einen der Unsern erkennen werden, etwa anklopfen, so bitte ich Dich um sofortige Mittheilung an Moosbrugger oder mich. Du weißt doch wol, daß ich das nur im Interesse unserer großen Sache fordere. Dr Bickel gehört zu uns, meint Moosbrugger und hofft, daß sich das bald zeigen werde. Es werden bald meh­rere, und was das Wahre, die Tüchtigsten zu uns gehören wenn wir die nun entfaltete Fahne rein bewahren. In unserem Programm ist uns unsere Haltung vorgezeichnet und wir können aus derselben viel, alles lernen. Übrigens werden wir in Bezau zusammenkommen bevor einer von uns wieder aus der beobachtenden Stellung heraustritt. Ich arbeite jetzt wenig und lese viel, ein Parteiorgan werden wir bald haben müssen, wenn es nicht möglich sein sollte, die Feldkircherin zu gewinnen, wer einmal A gesagt hat muß auch B sagen.

    Schreibe mir bald von dem Eindruck den die Broschüre in Bezau machte und was du sonst hörst. Unser Vorsteher hat sich wieder als der gezeigt, der er immer ist. In Bludenz muß die Wirkung eine erstaunliche sein.

    Noch Eins: Am letzten Sonntag erhielt ich vom Förster einen Brief in dem er sich mir gegenüber über Mangel an Vertrauen beschwert, und mir sagt, er möchte mein Streben unterstüt­zen.

    Nun, das wird sich zeigen bis jetzt glaub ich es noch nicht und habe dafür meine Gründe. Ich hab ihm dann in einer sehr diplomatischen Antwort, aus der er je nach seinem Standpunkt auslegen wird gesagt, er müsse einen Mangel an Art dem Mangel gesellschaftlicher Bildung zuschreiben. Von der Broschüre und Dir sagte ich gar nichts und wenn er deutsch zu lesen versteht, wird er den höflichen Ton verste­hen. Ich schrieb den Brief, bevor die neuesten Nachrichten da waren, die mich nun veranlassen an Dich zu schreiben und übergab ihm daher auch einiges an Dich. So ersuchte ich Dich unter anderem mich zu benachrichtigen, ob Du nicht bis in 8 Tagen einem meiner Freunde 500 Franken Silber auf einige Monathe aufzutreiben wüßtest? Der Freund ist der Uhrenmacher Felder, der in letzter Zeit beim Handel mit Uhren so bedeutend einbüßte, daß er nicht leicht heim zu seinem nun verwaisten Anwesen kann, wenn ich ihm nicht so viel zuschike. Banknoten wären schon aufzutreiben aber ich möchte Silber für einige Monathe und verbürge mich dafür mit Kind und Rind.

    Wenn Du uns helfen kannst und, was ich nicht zweifle, auch willst, so schreibe mir so schnell als möglich, das Geld aber schike nicht herein, denn ich möchte alles aufsehen vermei­den, auch dem Bothen keine Kopfarbeit machen und werde Dir daher, wenn Du meinem liebsten und einzigen Jugend­gespielen und mir die Gefälligkeit thust, die Adresse und einen Brief hinausschiken, damit alles so schnell als möglich an seinem Bestimmungsort anlangt.

    Diese Bitte wird Dir, etwas ungenauer wol auch der Förster mittheilen. Die Antwort aber wünsche ich von Dir selbst, da ich doch eine bekommen werde. Horche dann, was der Mann über meinen Brief sagt oder ob er Deine Rechtlichkeit noch beleidigend findet. Ich nenne es Rechtlichkeit, daß Du weder ihm noch sonst Einem meine oder Moosbruggers Briefe zeigst, wenn wir das nicht ausführlich wünschen oder zuge­ben. Übrigens weiß ich, daß ich auf Dich zählen kann, und sage das nur so im Vorbeigehen. Der Gartenlaubeartikel wird noch nicht so schnell erscheinen, ja es kann sein, daß ich ihn im Interesse unseres Parteistrebens wieder zurük fordern und einstweilen bei Seite legen werde. Doch darüber wirst dann auch Du mitzubeschließen haben. Ich schrieb jenen Aufsatz zu meinem Privatvergnügen, jetzt aber könnte er auch für eine Manifestation genommen [werden] was mir (uns) nicht lieb sein könnte da er das nicht ist. Ich habe auch dem Moos­brugger meine Bedenken mitgetheilt. Jetzt heißt es aufpassen! Wir sollen nicht nur niederreißen, ja wir dürfen das gar nicht wenn wir nicht auch aufbauen können.

    Die Sonderlinge aber sollen und müssen nun heraus. Ich ärgere mich schon etwas über den „Bürger" Hirzel, der die Richtung anstößig findet und dem, wie Hildebrand schreibt, das Bäuerliche an und für sich fremd ist. Das Ladendiener­liche in „Soll und Haben" war diesem Aristokraten nicht fremd, sollte er wirklich im Bäuerlichen das Menschliche nicht so gut finden können wie dort? O diese!!! Hildebrand, dem wie Du weißt, das Werk außerordentlich gefällt, schreibt mir, er fange an ganz grimmig zu werden, ich hab ihn dann in der Antwort auf die Konsequenzen einer Hir­zelschen Weltanschauung aufmerksam gemacht, und bin begierig, was der gute Stubengelehrte darauf erwidern wird. Auch unsern Ruf habe ich ihm zugeschikt sammt einigen Pro­ben unserer vaterländischen Zeitungen.

    Sei so gut mir bald die geliehenen Sachen zuzuschiken die Du nicht mehr brauchst und schreibe. Bald schon werdet ihr mich wieder bei euch sehen müssen. Grüße mir Deine Frau, Meßner und sonst niemand

    Mit Gruß und Handschlag

    Dein Freund und

    Plaggeist Felder

    Von der Gemeinde Bitzau bin ich um eine Abschrift der Ord­nung unserer Versicherungs Gesellschaft ersucht worden. Die Sache scheint dort und anderwärts Anklang zu finden.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 23. November 1866

    Lieber Freund!

    Mein letzter Brief war bereits auf der Schneckenpost, als ich den Deinen erhielt, der mich recht herzlich gefreut hat und mich veranlaßt, Dir sogleich wieder einige Zeilen zu schrei­ben. Was Du dort sagst, ist ganz klar, und Du wirst sehen, daß ich das mir geschenkte Vertrauen rechtfertige. Nun heißt es, fest zusammenhalten und die uns zur Verfügung stehenden Kräfte richtig schätzen. Ich glaube, das zu tun, wenn ich auch zögere, dem Feurstein Deinen Brief zu schicken. Mein Grund ist folgender: Als ein behaglich Lebender geht ihm, wie Du ihm schon beim Reden ansiehst, das Gemütliche noch voran. In der Freude darüber, daß die Liberalen, vielleicht um sich beschwerend an uns zu hängen, eine gewisse Gemeinsamkeit der Interessen herausblicken lassen, und statt unklug zu brechen, wie in der Feldkircherin einstweilen einige Hinter­türen offen lassen, könnte der Mann, obwohl er nach meiner Ansicht bald unser sein wird, doch noch zu weit gehen. Die Liberalen haben ihn, wie mir scheint, bereits als künftigen Landtagsabgeordneten angesehen, und Seyffertitz hat bereits freundschaftliche Beziehungen mit ihm anzuknüpfen versucht. Feurstein hat mir das letzte Mal davon erzählt, bis ein, wie es scheint, grundloser Feuerlärm unsere Unterhaltung störte. Im Sommer stand er an der Spitze der Opposition gegen die Handelskammer, nun wird man vielleicht einen Zusammen­hang ahnen, nun wird es darauf ankommen, daß die Libera­len einen Faden in die Hände bekommen. Ich fürchte nicht, daß Feurstein den Brief in fremde Hände lasse, aber ich glaube, es wäre gefehlt, wenn er, sich mit Ganahl schon wieder eins wähnend, wieder in den alten Dusel käme, aus dem ich ihn jetzt so ziemlich heraus zu haben glaube. Einst­weilen werde ich ihm den Inhalt Deines Briefes und Deine Winke mitteilen, den Brief übersende ich, wenn Du es nach Erwägung des Obigen noch für gut halten solltest. Ich meine, zum Handeln wäre er noch nicht reif, und sonst ist es am besten, wenn er in seiner jetzigen, scharf beobachtenden, etwas isolierten Stellung gelassen wird. Wenn ich selbst nach Bezau ginge, würde ich den Brief allerdings mitnehmen. Ich glaube, wir sollten immer beten: Gott schütze uns nun vor Freunden etc. Doch wir müssen, da unser Krieg kein sieben­tägiger sein wird, uns wohl einrichten. Ich studiere einst­weilen den Kampfplatz und will Dir meine Gedanken kurz zur Berichtigung, Ergänzung oder Beistimmung mitteilen. Die jetzigen Parteien in Vorarlberg werden so nicht mehr fortbestehen, nachdem wir den Keil eingetrieben, wir dürfen daher keine Mauer aufrichten während der Überschwem­mung, sondern müssen auf felsenfestem Boden die Klärung abwarten. Etwas werden die Parteien selbst durch ihre Geg­nerschaft uns zutreiben, eine reaktionäre Masse aber, zu der ich Liberale und Konservative größtenteils zähle, wird immer bleiben. Einstweilen sollten wir, um nicht ins Schlepptau des freisinnigen Fortschritts genommen zu werden, froh sein, da wir noch nicht breit sein können, das sage ich, obwohl ich, wie Du siehst, mich der Hoffnung hingebe, daß wir durch die beiden jetzigen Parteien und ihren Hader stark werden können. Ja, das hoffe ich und habe daher Bedenken, den Tannbergeraufsatz, so wie er ist, erscheinen zu lassen. Glaubst Du nicht, er könnte jetzt und in dieser Form, während der nun entstehenden Gärung im Lager der Konservativen, die doch zum Teil zu klug sind, sich den Forderungen der Zeit (siehe Venetien) entgegenzustellen, unsern Bestrebungen sehr nachteilig sein. Wenn Du meiner Ansicht bist, was ich bald zu erfahren wünsche, so werde ich unserer heiligen Sache mit Freuden ein Opfer bringen und den Aufsatz einstweilen zurückfordern. Das Erscheinen der Sonderlinge wäre mir sehr erwünscht, die würden uns neue Türen auftun und auch von außen Gewicht verschaffen. Unser Vorsteher hat die Broschüre am Sonntag erhalten, aber noch nicht gelesen. ­Das Interessanteste wäre dem Menschen zu wissen, wer das gemacht und was es eigentlich bedeute. So viel, sagte er, habe er heraus gebracht, daß es Gesinnungsgenossen von mir seien, die es freuen würde, wenn sie von mir wüßten. Ich erwarte mit Begierde die von mir und den Oberhausern be­stellten Landtagsberichte. Unterdessen lerne und lese ich, so viel ich Zeit habe, da ich's wohl noch brauchen werde. Damit, daß nun keiner mehr einen öffentlichen Schritt allein tun soll, bin ich einverstanden, wie Du Dir denken kannst, und öffentlich könnte jeder Schritt werden bei der Beachtung, die man uns bald schenken dürfte. Ich bin froh, daß ich jetzt so ziemlich über meine Zeit zu verfügen habe. Das Dorfge­schichtenschreiben laß ich einstweilen bleiben, doch werde ich auch als Dichter stets für unsere Sache einstehen, wie ich es schon im Nümmamüller getan habe. Den heutigen Brief werde ich vom Wible adressieren lassen, damit der Bote nicht zwei mit gleicher Handschrift bekommt. Und nun genug für heute. Ich erwarte recht bald Antwort und hoffe, daß Du Dich auch über diese Auseinandersetzung aussprechen wer­dest. Ein Brief an Feurstein geht mit diesem ab. Den Förster hab ich höflich befriedigt oder abgefertigt, je nachdem er es nimmt. Der Mensch will sich mir zu sehr und zu unver­schämt einnisten; doch davon später. Schreibe recht bald. Mit Brudergruß und Handschlag Dein und unser

    Fr. M. Felder

    Sei so gut, mir auch den ungarischen Landtagsbericht zu schicken!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 22. November 1866

    Mein lieber tapferer Freund Bäuerlein,

    Eh ich an die Arbeit gehe, rasch ein Wörtchen an Sie, ein wichtiges – Sieg! Hirzel druckt Ihre Sonderlinge! Ich darf nicht zögern es Ihnen gleich zu melden daß Sie der quälen­den Unsicherheit entrissen werden. Mir selbst ist, seit ichs weiß, wie Feiertag zu Mute, ich habe keine Lust zum Arbei­ten, mir ist wie vor zwanzig Jahren einmal da ich als Student erfuhr daß ich bei einer philosophischen Preisarbeit den Preis gewonnen hatte (ich. wollte ursprünglich Philosoph werden, und womöglich Dichter daneben).

    Hören Sie Genaueres. Schon vor acht Tagen sagte mir ein Bekannter, Professor Krehl: nun die Sonderlinge werden ja

    gedruckt? Woher weißt Du denn das? fragte ich. „Hirzel hat mirs gesagt." Fragen wollte ich ihn trotzdem nicht, bis er mirs freiwillig sagte, aber ich hätte beinah gleich, geschrieben an Sie. Heute Mittag aber hat mirs Hr. Hirzel junior gesagt (der Vater ist wieder verreist), und zwar freiwillig bei einer Wen­dung des Gesprächs die ihn drauf brachte. Da ich genauer fragte, sagte er mir, der Vater hätte kürzlich zu ihm geäußert: zum Neujahr wollen wir doch nun auch Felders Roman vor­nehmen. Zugleich hörte ich da, daß Hirzels Frau und Tochter Ihr Buch in der Handschrift gelesen haben und davon sehr befriedigt sind. Ich freue mich darauf sie selbst einmal darum befragen zu können.

    Dieser Berg wäre also überstanden - ich athme nicht weniger auf als Sie, mir wars manchmal als stiege ich athemlos einen Berg hinauf der nicht enden wollte - nun haben wir eine weite schöne Aue vor uns mit lustiger Wanderung nach einem schönen, vielleicht stolzen Ziele. Gott gebe Ihnen Kraft und Gesundheit, daß sich die ganze Spannkraft Ihrer Seele frei entfalten könne, Sie werden mich nun nicht mehr groß brauchen. Durch Hirzels Verlag werden Sie nun in einen Kreis eingeführt, der durch sein bloßes Dasein besser für Sie sorgen wird als ichs mit meinen Mühen und Sorgen habe thun können.

    Doch nicht zu vergessen, liebster Freund, daß das nur eine vorläufige vertrauliche Mittheilung ist, die amtliche so zu sagen kann nur von Hirzeln selbst ausgehn, aber es litt mich nicht Sie länger ohne Noth in dem Hangen und Bangen zu wissen. -

    Schönen Dank für die Sendung. Die Artikel Dr. Landgrafs in der Nordd. Zeitg waren mir sehr interessant, es stammt alles nur aus meinen Mittheilungen, die ich Mayers an einem Abend machte und aus der Lectüre von Nümmamüllers; Sie hätten sich eigentlich bei ihm bedanken sollen.

    Die polit. Broschüre macht mich etwas verdutzt. Ist denn das Ihr Stil? Der gelehrte Anstrich, die wuchernden Fremdwörter, das zuweilen Orakelhafte des Stils, das Sprunghafte in Ge­danken - ist das Ihr Stil? und doch erkenn ich oft Ihre Art zu denken und zu reden wieder. Die Sache freilich will mir nicht ganz munden, ich bin überhaupt Lassalles ganz demo­kratisch-socialistischen Revolutionsbestrebungen abgeneigt, und Ihr Österreich, sobald man nicht bloß an einzelne deutsche Theile denkt, ist dieser völligen Entfesselung der allgemeinsten Volkskraft sicher um Jahrhunderte lang noch nicht gewachsen und reif; auch ist mir zuviel Haß gegen die Reichen und Traum an gleiche Vermögensvertheilung in den Gedanken als Hintergrund versteckt - das Unsinnigste was es geben kann (NB. ich gehöre auch zu den Armen, die aus der Hand in den Mund leben), die Reichen sind die Knoten­punkte des Netzes, in dem Arbeit, Verdienst, der Umlauf des Geldwerthes, Streben nach vorwärts, großer Unternehmungs­geist, Credit usw. sich verflechten zu dem Ganzen unsres volkswirtschaftlichen Daseins, und es ist kleine Selbstsucht sie deßhalb weil sie andre Genüsse haben als wir (bessere und eigentlich mehr wahrlich nicht) zu beneiden. Bildung, Vertiefung unseres Geistes- und Gemütslebens, herzhafte und tiefgegriffene Lösung der großen religiösen Frage, das ists was mir die Bedürfnisse der Zeit scheinen, nachdem für uns Deutsche die große politische Frage im Ganzen entschie­den ist.

    Aber ich muß an die Arbeit. Nur noch eins. Quellmalz war der Meinung, Sie wollten die bestellten Journale behalten, aber das andere ist ihm auch recht, und er berechnete die Kosten der von Ihnen angestrichenen Blätter auf vierteljähr­lich 20 Ngr. (2/3 Thaler). Geld schicken Sie nur vor der Hand nicht, es verlohnt sich ja nicht der Mühe, auch läßt er die auswärtigen Kunden nur postnumerando zahlen; ich kanns ja auslegen, bis etwas zusammen ist, oder lassen Sies Hrn. Stettner abmachen, durch Anweisung auf seinen Commis­sionär hier. Die erste Sendung wird wol schon an Sie abgegangen sein; mit der Zurücksendung wird sichs schon ein­richten, wir müssen erst Versuche machen bis sich das Beste und Bequemste findet.

    Grüßen Sie mir Ihr liebes wtbele, sie wird ja an Ihrem Glücke vollgemessenen Theil nehmen, ich wollte ich könnte unge­sehen dabei sein wenn Sie den Brief öffnen - Glück auf!

    Ihr treuer Rud. Hildebrand.

    Die Correcturbogen konnten Sie behalten, sie sind mir ja reine Maculatur. Bitte packen Sie nicht wieder so viel Papier in einen Brief, ich habe stark nachzahlen müssen.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 20. November 1866

    Lieber Freund!

    Endlich mit Kind und Rind wohlbehalten von Hopfreben zurückgekommen, setze ich mich ins wieder erwärmte Stüble, um, von den trockenen Vorbereitungsarbeiten für den Katharinentag ausruhend, ein Viertelstündchen mit Dir zu verplaudern. Du wirst nun zuerst von meiner Reise nach Lindau hören wollen, da ich in Bregenz nicht mehr viel Zeit zum Schreiben hatte. Am Sonntag, als ich Deinen Brief erhielt, hatte ich noch einer Gemeindebürgerversammlung beizu­wohnen, da über die von mir entworfene, schon acht Tage am Kaufhaus angeschlagene Ordnung einer Schoppernauer Vieh-Versicherungs-Gesellschaft abgestimmt und der Bevoll­mächtigte und der Beirat gewählt werden sollten. Ich werde Dir den beinahe unverändert angenommenen Entwurf oder die geltende Ordnung bald überschicken und bin begierig, wie Du Dich über mich als Gesetzgeber äußern wirst. Ich konnte keine ähnliche Arbeit benützen und darf daher das Ganze mein Eigentum nennen. Ich wollte auch die Geiß­bauern aufnehmen, fiel aber dann mit Glanz durch, was mich nur der armen Leute wegen ärgerte. Dann wurde ich ein­stimmig, zum Verdruß des Vorstehers, als Bevollmächtigter gewählt, und da alle noch nicht versicherten Schoppernauer beigetreten sind, hat mir das Ding in den letzten Tagen viel zu schreiben gegeben.

    Abends fünf Uhr war die Beratung zu Ende. Ich packte nun mein Ränzlein und durch Nacht und Wind wanderte ich Bezau zu, wo ich von Feurstein mit aller Freundlichkeit auf­genommen wurde. Feursteins Neigung zu mir ist ursprünglich eine rein gemütliche. Wohl nur seine Freude an Sonderlingen hat ihn mir näher gebracht.

    Es war ihm recht, daß ich die Sache etwas treiben wollte. Er bewunderte meinen Eifer und nebenbei konnte ich be­merken, daß er viel über unsere Unterredung nachgedacht hatte. Du scheinst ihm etwas fremd geblieben zu sein, was er aber Deiner Unpäßlichkeit zuschrieb. Im Postwagen machte ich die Bekanntschaft einiger Händler, die mein Urteil über derlei Leute nur bestätigte, am besten hat mir ein Bildhauer gefallen. Das Dampfschiff war gesteckt voll, denn der Jahr­markt in Lindau lockte viele von Bregenz, und auch ich wurde von meinen Bekannten für einen Märktler gehalten. Stettner stand in Mantel und Kragen. Der Mensch gehört zu den Ge­schworenen, hatte sich aber während der Markttage krank melden lassen und verschluckte Medikamente, daß es zum Erbarmen war, sonst aber zeigte er einen gottgesegneten Appetit. - Er sagte mir, daß es jetzt in Wächters kleiner Druckerei wegen des Jahrmarkts viel zu tun gebe. Er habe daher bis nach diesen großen Tagen warten und sich die Sache noch ansehen wollen. Erst ein von mir nachgeschickter Mahnbrief habe ihn veranlaßt, das Manuskript nach Augs­burg zu senden, von wo er bisher noch keine Antwort erhalten habe. Obwohl ich nun die Sache sogleich durch den Telegraphen in Fluß brachte, so konnte ich Dir doch erst am Mittwoch den guten Fortgang derselben melden. Ist's nicht großmütig, daß ich nicht die schöne Gelegenheit benützte, eine Reise nach Augsburg auf eure Kosten zu machen? Ich nenne es nur- demokratisch. In Bezau zeigte ich Feurstein Deinen Brief. Er bemerkte: Es sei nicht vom Gewinnen die Rede, aber nach dem Bisherigen zu schließen, würden wir noch weiter und sehr weit miteinander kommen. Über die Herausgabe einer Zeitung scheint er viel nachgedacht zu haben. Mir kommt es fast vor, meine Kräfte würden von ihm überschätzt, vielleicht weil er fühlt, daß ich ihm gegenüber festzustehen vermag. Hildebrand schreibt mir, er werde grimmig, daß Hirzel nicht an die Sonderlinge wolle und der Verlag fast fraglich werde. Das wäre allerdings verwünscht, unbegreiflich aber war's nicht. Hildebrand schreibt: „Hirzel ist eigentlich eine aristokratische Natur, der das Bäuerliche an und für sich - fremd ist." - Hast Du das fast zuwider gesehen?!! Ich antwortete beiläufig: Das sei traurig, daß das Bäuerliche fast nur Aristokraten finde. Ich spielte dabei auf Hirzels politische Tätigkeit an, erwähnte dann, daß ich mich beruhige, daß er auch im Bäuerlichen das Menschliche gefunden habe. An meiner Tannbergerreise (um deren Entwurf ich bitte) lobte er mich zu meinem Stau­nen als Landschafter. Sein, nach meiner Ansicht ganz unbe­gründeter, Tadel der Beamtenrolle entstand wohl aus dem Wunsche, mir keine Hoffnungen mehr zu machen, deren Er­füllung doch nicht in seiner Macht steht. Nein, das ginge schon, es möchte gehen, wie es wollte, aber die Sonder­linge hätt ich gern bald ihre Wanderung beginnen sehen. Zagend gehe ich jetzt an die Zusammenstellung des über Vereinswesen gesammelten Materials. Ich bin noch fast zu schwach, aber das Dichten will auch nicht gehen, woran zum Teil andere Schreibereien, zum Teil aber, und vielleicht mehr als ich mir selbst gestehen will, Herr Hirzel in Leipzig schuld sein mag. Wenn's noch lange so fort geht - oder eigentlich nicht geht -, so wird Feurstein mich leichter für seine Zeitung gewinnen. Bisher hielt ich mich nur zum Dichten für be­fähiget. Das Ärgste aber wäre mir doch ein untätiges Leben. Letzten Sonntag erhielt ich einen Brief vom Förster, in dem mir der in Werthertönen Mangel an Vertrauen vorwirft, also scheint auch er mich für den Rufer aus Vorarlberg zu halten und mich zu tadeln, daß ich ihm nichts davon sagte. Auch unser Doktor, der mit den ausgesprochenen Grundsätzen lange einverstanden ist, nimmt mich her, und es wäre um­sonst, ihm meine Teilhaberschaft auszureden.

    Recht glücklich hat es mich gemacht, daß ich in Lindau, zum erstenmal im Leben, das Theater besuchen konnte. Ich möchte doch einmal die Herrlichkeiten der Welt sehen und kosten, um mich zu bereichern und urteilen zu lernen über den Wert oder die Nichtigkeit der Dinge, die die einen für unentbehrlich, andere für schädlich und die meisten für gleichgültig halten. Sehen ist doch etwas ganz anderes als Lesen. Was der Anblick so vieler unsicherer Existenzen, wie der Jahrmarkt sie zusammen lockte, auf mich für einen Ein­druck machte, ließe sich eher in einem Roman sagen. Der Uhrenmacher Felder schreibt mir, daß er am 15. Dez. seine Heimreise anzutreten gedenke. Bis dahin hoffe ich, die ge­wünschte Summe zusammen zu bringen. Solltest Du bei der furchtbaren Silbernot etwas auftreiben können, so sei so gut, mir bald zu schreiben, sonst werde ich mich wohl nochmals an Gallus wenden müssen, da ich hier keinen Lärm machen möchte. Schreibe mir dann auch, was unser Ruf für ein Echo macht, da droben und in Feldkirch, von hier hab ich außer dem obigen noch nichts zu berichten. ­Was unsere liberalen Blätter dazu sagen, kann ich mir den­ken. - Die Historisch-politischen Blätter, die keiner unserer Pfarrer mit mir halten wollte, werde ich nun mit anderen Zeitschriften aus dem Märkerschen Leihinstitut in - Leipzig beziehen. Wunderbar, und doch ganz natürlich und jedem erklärlich, der diese traurigen Gestalten kennt. Du erhältst hiemit auch meine werte Lichtzeichnung, die leider etwas düster ausfiel. Ich hoffe dagegen die Deine und Theresens bald in mein Album aufnehmen zu können. Natter wird auf Weihnachten wieder heimkommen, und ich freue mich, mit den beiden Franzosen zu verkehren und zu sehen, was die böse Welt aus ihnen gemacht hat. Mit Deiner Theres, die ich freundlich grüße, würde er nicht gut aus­kommen, denn auch sein letzter Brief macht sich mit ihren Landsleuten zu schaffen. Schicke mir auch den Demokrat. Mit tausend Grüßen Dein alter Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 18. November 1866

    Lieber Freund!

    Also, der Wurf ist gemacht. Nach den ersten Zeichen der Wirkung ist er gelungen. In Feldkirch hat die Broschüre einen starken Eindruck gemacht. Die liberale Partei sucht bereits unsere Allianz. Ach, wärst Du hier und sähest Du, wie die Doktoren, Professoren und die Gscheiten alle um mich herum schwänzeln. Sie haben mich im Verdacht, aber nix G'wisses wissen sie nicht. Freund, jetzt geht der Ernst für uns an. Wir müssen uns fest zusammen nehmen. Bisher haben wir die Augen unserer Mitbürger nicht auf uns gelenkt und unser Tun und Lassen war daher frei und ging niemanden was an. Aber fortan erwartet man von uns etwas und wir sind nicht mehr ungeschoren. Die Feldkircher Zeitung hat uns schon gestem­pelt, und ihre Partei setzt von uns verdammt viel voraus. Kerl, wir haben A gesagt, wir müssen auch B sagen. Wir müssen fest nach den Ideen der Broschüre fortwirken und sie muß unser Leitstern sein. In Sachen unserer Partei müssen wir daher streng einheitlich vorgehen, und wenn wir weitere Manifestationen, Erklärungen, Allianzen etc. vornehmen wol­len, darf kein Einzelner ohne vorherige Beratung und Gut­heißung vorgehen. Weder Du, noch Feurstein, sollen ohne mich, noch ich ohne Euch für die Partei auftreten. Die Bro­schüre sagt, wie das Partei-Leben beschaffen sein müsse. Du kannst überhaupt aus der Broschüre sicher noch viel lernen. Wir müssen jetzt den politischen Kurs durchmachen, und das ist der schwerste. -

    Vorstehendes glaube ich Dir sagen zu müssen, damit Ihr Euch von den vielen Kritiken und den Dingen, die da kommen werden, nicht hinreißen lasset, gegen die Partei-Disziplin zu handeln. Der Feurstein wird jetzt lieber herwärts schauen, weil selbst Karl Ganahl herwärts schaut! Es kommen Ver­suchungen, wir werden stark sein müssen, wenn wir unsere Fahne rein bewahren wollen. Heute haben mich unsere Mil­lionäre mit Gewalt zu einer Spazierfahrt mit ihnen bringen wollen, was sonst nie geschah (wahrscheinlich wollten sie mir das Geheimnis der Schrift entlocken), aber ich schützte Arbeit vor und schreibe nun diesen Brief. Es ist möglich, daß ich nach Feldkirch und Bregenz komme, um mit der liberalen Partei (d. h. der Partei des wahren Fortschritts Nr. 2) mich zu besprechen. Es wäre für uns gut, wenn wir Herrn der Feldkircher Zeitung würden. Jedenfalls muß die Redaktion in unsere Hände kommen, bis Kunz gehörig eingeschult ist, sonst müssen wir ein eigenes, anderes Organ schaffen. Wenn sich die Sache etwas abgeklärt hat, wird sich das Weitere geben, und bevor ich für die Partei Erklärungen abgebe, komme ich nach Bezau, wo wir beraten und uns besprechen werden. Schreibe bald von der Reise nach Lindau etc. Diesen Brief schicke auch an Feurstein. Unsere Sache kommt im Landtag zur Sprache. Dr. Bickel ist für uns.

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 18. November 1866

    Lieber Freund!

    Es hat mich recht von Herzen gefreut, endlich doch wieder einmal ein Briefchen von Ihnen zu erhalten. Ja lieber ver­ehrter Freund lassen Sie es mich offen sagen Ihr Brief hätte mich gefreut, wenn er das von Ihnen besorgte Nein schon enthalten haben würde. Freilich wärs mir lieb gewesen, wenn meine Sonderlinge gleich bei Hirzel freundliche Aufnahme gefunden hätten. Das Werk ist zu sehr ein Stück von mir selbst, als daß mich sein Schicksal ganz gleichgültig lassen könnte. Für gewöhnlich gilt mir Klopstoks - sonst gerade nicht meines Lieblings Grundsatz: „Wer nicht fürchtet, nicht hofft, nur der ist glücklich", doch bin ich noch zu wenig Stoiker, um auch für meiner Kinder Schiksal gar nicht besorgt zu sein. Daß aber Herr Hirzel Pathenstelle vertretten werde, hab ich schon länger bezweifelt, denn mir ist doch die Welt nicht fremd genug, um nicht zu wissen, daß der Bauer fast überall Aristokraten findet, wo er anzuklopfen wagt. Dieses Gefühl lastet schwer auf dem Volke und ist vielleicht mit eine Ursache der gegenwärtigen traurigen Zeitverhältnisse, eine Ursache, daß die keinen festen Boden unter sich fühlen­den Abgeordneten so viele Fußtritte erhalten von aller Län­der Herren und hauptsächlich in Wien und Berlin. - Doch wohin komme ich? Die beiliegende Broschüre, ein Ruf aus Vorarlberg und aus - dem Bregenzerwald wird ihnen meinen Sprung erklären. Ich habe sie beigelegt als ein Zeichen des­sen, was sich hier zu regen beginnt. Hier scheine ich für den Verfasser zu gelten und ich darf meinem lieben Freunde wohl gestehen, daß mir die Sache nicht ganz fremd. Wenns mit Dichten nicht mehr gienge wenn man im Bäuerlichen, wie ich es zu geben vermag, das Menschliche nicht finden und lieben könnte, so würde ich mich wieder der Wirklichkeit zuwenden. Ich könnte eher noch doch an meiner dichteri­schen Begabung verzweifeln, als an mir selbst. Unthätig sein kann ich nicht und immer mehr macht mir der anfangs dan­kend abgelehnte Antrag eines meiner Freunde Kopfarbeit: Eine Bauernzeitung für Vorarlberg herauszugeben. Zwar weis ich nicht, ob und wie ich auf diesen Platz passen würde, aber ich würde lieber den Versuch wagen als müßig sein und mich, gar nicht rühren in einer so großen Zeit. Nehmen Sie diese Mittheilung für nichts als das was sie ist, einen Beweis meines gränzenlosen Vertrauens, die Bitte eines armen Freun­des um den Rath seines theuern Freundes. Hier hab ich noch keinem Menschen etwas von der Sache gesagt. Dem Freund, der so liebevoll sich meiner annahm, konnte ichs nicht ver­schweigen.

    Dem Aufsatz für die Gartenlaube folgt hier die erwähnte Zeichnung. Den Beamten hab ich durchaus nicht gezeichnet um Theilnahme für ihn zu weken er ist nicht der Mann, mit dem man vom Volke reden könnte, was aus der Stilprobe am Schlüsse zu ersehen. Mein Freund, der Adjunkt, gab mir nach Lesung des Entwurfes das Zeugniß, den verknöcherten § § Helden ganz nach der Natur gezeichnet zu haben. Viel­leicht nimmt jetzt die als stockpreußisch verschriene Garten­laube Beiträge eines Österreichers nicht ungern auf und ich bitte daher, wenigstens einen Versuch zu machen. Den beiliegenden Brief können Sie Herrn Keil mit dem Auf­satz übergeben, wenn Sie ihn dazu geeignet halten. Sollten Sie den Aufsatz aber weder da, noch durch den erwähnten Freund verwerthen können, so machen Sie Sich darum ja nicht zu viele Mühen und Sorgen. Ich kann ihn ja später an den Redacteur der Neuen Freien Presse in Wien - einem Lands­mann - senden. Gegenwärtig beschäftigt mich die Errichtung einer Viehversicherungsgesellschaft zu deren Bevollmächtig­ten ich nach einstimmiger Annahme der von mir verfaßten Statuten ernannt wurde. Sie sehen, daß ich wenigstens die Anfeindungen der Römlinge nicht mehr zu fürchten brauche, da diese mir das mir immer mehr werdende Vertrauen mei­ner Landsleute kaum noch werden in Mißtrauen verwandeln können, wie das im letzten Winter geschehen sollte.

    Mit Aufsätzen zur Veröffentlichung werde ich Sie nicht mehr belästigen, bis über das Schicksal der schon übersendeten entschieden ist was hoffentlich bald geschehen wird. Ich. bin, wie gesagt, auf eine abschlägige Antwort gefaßt und wünschte nur, daß diesem Zweifeln und Hoffen und Fürchten, diesem Zustande des Nichtswissens und Nichtsthuns bald ein Ende gemacht würde. Ja ich bin auf ein Nein gefaßt wenn Sie mir nur Ihre Freundschaft erhalten die ich schon früher den schönsten Lohn meines Strebens nannte. Ihr Verlust wäre das Ärgste was mich treffen könnte. In dem beiliegenden Verzeichniß hab ich die Blätter mit // bezeichnet welche ich vom 1 Oktober d J an durch Herrn Stettner in Lindau zu erhalten wünsche. Nur wegen der Zu­rüksendung wünschte ich Auskunft. Ich habe nicht immer gleich Zeit zum lesen und unsere Post ist jetzt eine wahre „Schneckenpost auf der es keinen Haber kost", lieber ältere Nummern senden und sie mir desto länger lassen wäre mein Wunsch. Das Geld werde ich nächstens, vielleicht in preu­ßischen Banknoten ? übersenden.

    Die Rinderpest hat im Bregenzerwald kein Opfer gefordert, doch zur Zeit der Märkte allen Verkehr abschneidend, hat sie uns doch tausende von Gulden geschadet. Jetzt sind doch wieder alle Wege offen und wir müssen nun das unfreiwillig Versäumte wieder nachzuholen suchen. Die Allgäuer haben heuer ihr gutes Jahr, reiche Ernte und hohe Preise. Ich war vorige Woche, um mir doch auch einmal ein Ausflügchen zu machen auf dem Jahrmarkt in Lindau, wo es bei dem herr­lichsten Wetter merkwürdig zugieng. Die Stimmung des Vol­kes ist ziemlich preußisch, nur die bequemen Bürger fürch­ten die allgemeine Wehrpflicht und sie, die sonst dem Fort­schritt huldigen, fangen an, die gute alte Zeit zu lobpreisen. Einen eigenthümlichen Eindruck hat auf mich die Menge un­sicherer Existenzen (Sänger, Taschenspieler, Lärmer, Schwind­ler) gemacht. Der eigene Anblick wirkt doch ganz anders als das Lesen statistischer Tabellen, die nur die furchtbare Menge solcher Unglücklichen anzeigen.

    Einen bessern und einen erstaunlichen Eindruck hat das Theater auf mich gemacht das ich da zum erstenmal im Le­ben gesehen habe. Zwar wollte mir das Spiel des ersten Lieb­habers, eines hiezu wol etwas zu alten Berliners ein wenig übertrieben vorkommen, doch hab ich einen der vergnüg­testen Abende meines Lebens gehabt und nur gewünscht, daß auch mein Wible, das schon so manches mit mir ertrug auch diesen Genuß hätte theilen können. Hier hat der Winter bereits begonnen und ich sitze wieder beim Schreibtisch. Es gibt nun wieder mehr freie Stunden was Sie schon der Länge meines heutigen Briefes angemerkt haben werden. Entschuldigen Sie mich, daß ich mich so oft und so lang an Sie wende. An wen sonst sollte ich mich wen­den? Auch das Vögelein, dem ich gestern Nußkerne vorwarf, kam heute wieder und ich hab es nicht abgewiesen. Auch Sie werden mich nicht abweisen, das weis ich und darum wag ichs immer wieder, Ihre theure Zeit in Anspruch zu nehmen. Mit tausend herzlichen Grüßen Ihr dankbarer Freund

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 13. November 1866

    Werthester Herr Felder!

    Ihr Broschürchen traf richtig am Sonntag früh ein u. wurden an selbigen Tage Mittags dasselbe an alle Abgeordneten ver­sandt u. Abends u. am Montage der Rest an die übrigen Adressaten per Kreuzbänder zur Post gegeben. 25 Ex. für Sie werden wir mit Nächstem Ihnen überschicken. An alle hervorragende Buchhandlungen Oesterreichs ver­sandte ich heute das Broschürchen, da viele Ex. übrig, ohne Nennung des Verfassers pro novitate.

    Ueber   Ihren   Namen   werde   ich   bei   dem   Schriftchen   die strengste Discretion beobachten, sowie ich auch Alles dem hohen Zweck des Schriftchen Förderliche, gethan zu haben glaube.

    Mit freundschaftlicher Begrüßung

    Ihr ergebenster

    Joh. Thom. Stettner.

    Heute Mittag

    [fahre] ich nach

    Augsburg

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 7. November 1866

    Lieber Herr Felder.

    Mit großem Danke sende ich Ihnen hier die beiden Werke, die mir sehr viel Vergnügen verschafft haben. Lassen Sie sich wieder bald in Bezau sehen, möge die Zeit Ihnen auch gegen meine Person mehr Vertrauen bringen, da es  hart  ist   Ihre  werthe   Freundschaft  zu   suchen   und   im Bewußtsein zu leben Ihr volles Vertrauen nicht zu besitzen. Ich hoffe es wird sich das schon geben und Sie werden die irrige Beurtheilung von Personen ändern. Sein Sie überzeugt daß dieses mein Vertrauen zu Ihren wahr­haft nützlichen Bestrebungen in mir unverkürzt lebt. Mit Empfehlung an Ihre Frau

    Ihr

    Hanns Koderle

    Hanns Koderle
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 7. November 1866

    Lieber Freund!

    Es ist gut, daß ich mich gleich auf den Weg machte, um die verteufelten Kröser zu treiben. Montag mittags kam ich nach Lindau, ließ dann, da ich es für nötig hielt, nach Augsburg telegraphieren. Ich hielt in Lindau aus, bis es ging. Heute hab ich die zweite Korrektur gelesen, also bis Samstag wird die Schrift fertig und versendet werden. Nächstens werde ich Dir ausführlicher schreiben, heute erlaubt es mir die Zeit nicht mehr, da ich mit der Post zurück möchte. Aus lauter Armut, denn meine Stiefel sind so schlecht, daß sie eine Fußreise nicht mehr aushalten würden.

    Die Schrift hat 1 1/4 Bogen und wird von Lindau versendet. Warum, davon später. Lebe wohl, Dein Freund

    Felder.

    Franz Michael Felder
    Bregenz
    Kaspar Moosbrugger
  • 5. November 1866

    eher Cousein!

    Ich beeile mich, Dier auf Dein letz[t]es schreiben zu antwor­ten u. Dier zu sagen, daß Du ja die Zeit hast die mier noth­wendige Somme zusammen zu bringen, in dem ich ja vor dem 15 Dezember kaum abreisen könnte bis dahin mache was Du nur machen kannst. Über alle anderen Gegenstände werden wier dann persönlich sprechen u. sehen was aus unserm Geschäfte werden wirt. Grüße mier recht schön meine Schwester u. sage Ihr, daß ich bald Ihr selbst die Hand drücken werde.

    A bientöt

    Dein Freund

    Felder

    Johann Josef Felder
    Arcachon
    Franz Michael Felder
  • 4. November 1866

    Lieber Freund,

    Ich bin nicht überrascht von Ihrem Mahn- und Fragebriefe, ich war mit leisem Bangen darauf gefaßt, darf Sie aber doch trotz drängender Geschäfte nicht länger auf Bescheid warten lassen.

    Die Seuche ist Gott sei Dank an mir und den Meinen, auch an meinem nächsten Freundeskreise vorübergegangen, nur gekostet gleichsam haben die meisten davon, ich gerade nur ganz schwach - doch sicher ist noch immer keiner, das letzte Aufflackern ist noch nicht vorbei. Es war eine bange böse Zeit, als täglich in die Fünfzig weggerafft wurden, oft binnen 5-6 Stunden nach völliger Gesundheit. Ich danke Ihnen für Ihr herzliches Andenken an mich und die Meinen. Ich habe aber auch, mit Kummer von der Rinderpest bei Ihnen oder in Ihrer nächsten Nähe gelesen, sind Sie davon betroffen wor­den?

    Mein langes Schweigen hatte den Grund, daß ich leider nichts Entscheidendes oder Förderndes melden konnte, und ich habe leider eine ziemlich ausgedehnte Correspondenz auch sonst zu führen, komme aber nur immer Sonntags ans Briefe­schreiben, oft an einem Tage vier, fünf und mehr. Dazu fal­len auch von der Wochenarbeit immer noch Geschäftchen oder Geschäfte für den Sonntag ab, und die Familie nimmt einen Sonntags auch in Anspruch - also beunruhigen Sie sieb nicht wenn ich im allgemeinen immer später schreibe als ich wünschte.

    Die Sonderlinge hat Hr. Hirzel noch bei sieb, hat sie aber wie es scheint noch nicht ganz gelesen. Drängen mag ich nicht in ihn, aus Besorgniß unser Spiel dadurch zu verderben. Das hab ich aber schon weg und darfs Ihnen nicht verhehlen, daß die Wärme seines ersten Angebots von damals nicht mehr so da ist, und daß der entscheidende Entschluß zum Drucke ihn eine gewisse Überwindung kostet; er ist einmal eine mehr aristokratische Natur, der das Bäuerliche an und für sich fremd ist, und wenn er sich für den Druck entscheidet (was ich mit Bangigkeit ersehne), so ist es ein Sieg den wir über seine Neigung erfochten haben. Daß er mit sich und seinem Verlage spröde thut, wird Sie nicht wundern, wenn Sie hören, daß er in der ganzen Zeit seiner Verlegerthätigkeit in Wissenschaft und Dichtung vorwiegend mit Leuten ersten Ranges zu thun gehabt hat, und wie jetzt mit Freytag, so früher mit Rückert, Lenau, Chamisso in Verhältniß gestanden hat. Er äußerte sieb vorgestern von freien Stücken, er wolle nun nach einer vorhabenden Reise auch Ihre Angelegenheit endlich erledigen, in welchem Sinne, danach zu fragen hatte ich nicht den Muth. Wir müssen auf ein nein gefaßt sein ­ich wäre tief betrübt oder grimmig, wenns so käme. Die von Halle aus auftauchende Hoffnung ist leider auch auf die lange Bank gekommen. Gosche hat seit jenem Briefe, von dem Sie wissen, nichts wieder von sich hören lassen. Da­mals war er in den Ferien im Bade in Kosen (10 Stunden von hier), jetzt ist er wieder in Amtsthätigkeit, umspült vom Strom des Geschäftslebens, das wird der Grund sein. Daß ich ihn aber nicht mahne und dränge, hat denselben Grund wie mein Verhalten gegen Hirzeln. Aber wahrscheinlich ist die Ausgabe seines Jahrbuchs mit dem erwähnten Aufsatze, in dem Sie mit vorkommen, in den nächsten Wochen zu er­warten, da Weihnachten vor der Thür ist, und was die Ver­leger noch in den großen Weihnachtskauf gebracht haben wollen, erscheint immer spätestens im November. Ist die Ent­scheidung günstig, woran ja eigentlich nicht zu zweifeln ist, so kann ja auch Hirzel sich einem ja nicht entziehen, und so hoffe ich die Entscheidung für Sie jede Woche, jeden Tag. Gosche hat auch Ihre Briefe noch, das ist der Grund wieder­um, daß ich mit Ihrem Tannbergaufsatz bei Keil noch nicht habe auftreten können. Ich muß Ihnen freilich auch mit Be­zug darauf gestehen, daß der Aufsatz mir für die Garten­laube nicht so recht geeignet scheint. Für eine Nummer ist er zu lang, theilen läßt er sich aber nicht gut, dazu fehlt ein natürlicher Abschnitt. Auch sind die Dinge darin zum Theil doch wol mehr von localem Interesse für Ihre Heimat, als von allgemeiner Anziehungskraft. Die Erzählung der Wan­derung hat oft nicht genug Hintergrund, besonders im letzten Theile, und das Ende verläuft geradezu etwas im Sande, da der Beamte dem Leser doch nicht wichtig genug geworden ist, daß man mit Genugthuung die Art seiner Heimkehr ver­folgen sollte. Sie machen den Leser im Anfang gespannt auf Erörterungen zwischen Ihnen und dem Beamten von allge­meiner Bedeutung (wie in den Sonderlingen auf dem Wege nach dem Vorsaß), aber ich finde nicht daß die Erwartung genügend befriedigt würde, ich wenigstens war nach jener Unterredung von Franz mit dem Arzte auf mehr gespannt, z. B. auf Erörterungen über das Verhältniß der Bauern und ihres Lebens zu den Gebildeten, Studierten, ein reiches Thema von hoher praktischer Bedeutung, wozu der Bauern­tanz und die Hochzeit trefflichen Anlaß gab. Auch ein kleiner Zwist dabei und Humor durften wol nicht fehlen, letzterer auch nicht bei der Schilderung der Bauernhochzeit mit ihren ererbten Unsitten.

    Aber daß ich Sie nicht verstimme, in Ihrem Aufsatz ist auch vieles was ganz vortrefflich ist, Einzelnes von höchster dichteri­scher Schönheit, gerade aus der Landschaftsschilderung, in der Sie nicht Ihre Stärke finden wollen. Ein Freund, dem ich den Aufsatz zu lesen gab, räth mir dennoch mit der Gartenlaube einen Versuch zu machen - aber ich möchte nicht gern eine Abweisung erleben, zumal ich selbst einmal mit einem klei­nen Aufsätzchen von der Redaction zurückgewiesen oder ignorirt worden bin. Aber was ich auch damit noch thue, verloren gehn darf Ihr Aufsatz nicht, der erwähnte Freund traut sich zu, ihn in einem ändern Blatte sicher unterzubrin­gen. Die Zeichnung vom Schrecken wird ja auch zu verwer­then sein, könnten Sie nicht dazu einen Aufsatz für die Gar­tenlaube schreiben? Sollte übrigens Gosche bald über Sie sich günsig aussprechen, so würde ich doch bei Keil einen Versuch machen.

    Daß Sie Walther von d. Vog. lesen und was Sie darüber sagen, war mir höchst interessant; wenn ich nur dabei sein könnte, um Ihnen noch mehr zu erklären, als die Erklärung dort thut, die manches Wichtige außer Augen läßt, besonders das Ästhetische, und rein Menschliche, worin damals manches anders war als jetzt.

    Die Nummern der Feldkircher Zeitung will ich Ihnen doch bei Gelegenheit wieder schicken, da Sie für Sie wichtiger sind als für mich. Die Flensburger Zeitungsnummern möcht ich gern sehen, ich schicke Ihnen als Probe des Leipziger Lebens eine Nummer eines hiesigen Tageblattes mit, [die Sie behalten können].

    Herzlich grüßend                                         

    Ihr R. Hildebrand.

    Ja so, eine Hauptsache hätt ich bald vergessen. Daß ich die Zusendung der Journale von hier aus nicht früher eingeleitet habe, liegt an einem Misverständniß meinerseits, ich glaubte erst noch bestimmte Anweisung von Ihnen erhalten zu sol­len. Nun hab ich aber gleich die nöthigen Schritte gethan, Hr. Quellmalz, Inhaber des Märkerschen Leseinstituts, bei dem ich auch lese, will Ihnen künftig wöchentlich auf Bucb­händlerwege schicken was Sie wünschen, es kann wol durch Steüner gehen? sonst nennen Sie mir einen ändern in Lindau oder Bregenz. Quellmalz schickt Ihnen ein Verzeicbniß seiner Sachen mit (leider ein schon gebrauchtes), da suchen Sie sich aus, er gibt für 7 Thaler vierteljährlich wenigstens 10 Blätter. Ich hab ihm von Ihnen erzählt, er ist ein älterer Mann von stillem Gemüth und höheren Interessen und nahm lebhaften Theil an Ihnen. Freilich werden Sie die Sachen erst 8 bis 12 Wochen nach dem Erscheinen erhalten, aber das thut wol nichts. Da Sie wol der letzte Empfänger sind, kann das Zu­rückschicken wol monatlich geschehen, ich habe danach zu fragen vergessen. Sobald ich von Ihnen Genaueres erfahre, kann die Sache in Gang kommen. Nun Gott befohlen, ver­zeihen Sie mir die Dolke auf der letzten Seite, sie sind im Finstern drauf gekommen.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 1. November 1866

    Lieber Freund!

    Heute ist der 1. und noch ist von Lindau nichts gekommen. Der Spießbürger Stettner wird die Schriften jemandem zur Beurteilung gegeben und Anstände gefunden haben. Die Sache muß aber vorwärts gehen, es ist höchste Zeit. In Prag wird ein neues System ausgeschmiedet, das keine Kopie von unserem ist. Ich halte dafür, daß wir uns hören lassen müssen, denn es wäre gar zu traurig, wenn in dem weiten, großen Österreich gar niemand vor der Katastrophe gewarnt und den Weg der Hilfe gezeigt hätte. Ich meine, es wäre das Beste, wenn Du selbst nach Lindau gingest und dort oder in St. Gallen die Sache zum Abschluß brächtest. Die Reise­kosten sind natürlich unsere Kosten. Derlei Dinge müssen zur rechten Zeit vortreten, sonst sind sie totgeboren. Also vor­wärts! - Ich will Dir die Namen der Landtagsabgeordneten hersetzen, damit [Du] sie gleich angeben kannst. Die Korrektur kannst Du auch gleich an Ort und Stelle vor­nehmen, denn Du sollst nicht weichen, bis der Satz zu­sammengestellt ist.

    [Folgen Namen der Landtagsabgeordneten:]

    Stemmer, Vorsteher und Landtagsabgeordneter in Schruns

    Wächter, Alt-Vorsteher und Landtagsabgeordneter

    int Dalaas

    Dr. Bickel, Advokat und Landtagsabgeordneter in Bludenz Bertel, Handelsmann und Landtagsabgeordneter

    in Thüringen

    Ganahl Karl, Fabrikant und Landtagsabgeordneter in Feldkirch Wohlwend, Privatier und Landtagsabgeordneter in Feldkirch Amberg, Bischof in Feldkirch

    Spieler, Postmeister und Landtagsabgeordneter in Hohenems Ender, Vorsteher und Landtagsabgeordneter in Koblach

    Rhomberg Wilhelm, Landtagsabgeordneter in Dornbirn Schneider, Vorsteher und Landtagsabgeordneter in Höchst Schwärzler, Fabrikant und Landtagsabgeordneter

    in Schwarzach

    Seyffertitz, Privatier und Landtagsabgeordneter in Bregenz Froschauer, Landeshauptmann in Bregenz Feurstein, Alt-Vorsteher und Landtagsabgeordneter

    in Schwarzenberg

    Egender, Privatier und Landtagsabgeordneter in Bezau Schädler, Vorsteher und Landtagsabgeordneter in Sulzberg Bertschier, Vorsteher und Landtagsabgeordneter in Altenstadt

    Der Adjunkt Riedel hat resigniert, und es wird nun hier neugewählt. Einer fällt mir nicht ein. -

    Die Diarrhöe hat sich in der Au noch verloren, und bis ich heim kam, d. i. letzten Samstag abends, war ich wieder gut beim Zeug. -

    Der  Feurstein  in  Bezau  kommt mir vor wie jener  reiche lüngling, der zu den Worten Anlaß gab: Wahrlich, leichter schlieft ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß ein Reicher das Himmelreich an sich zieht. Ich halte ihn durchaus nicht für gewonnen. Die Annehmlichkeiten und Vorzüge des Be­sitzes haben bereits seiner Seele Merkmale angeklebt, die Du wohl nicht auslöschen kannst. ­Mit tausend freundlichen Grüßen Dein Freund

    K. Moosbrugger 

    Diesen Brief kannst dem Feurstein zeigen. 

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 27. Oktober 1866

    Lieber Freund

    Was es für ein Glück ist, daß man Briefe schreiben u. sich auf diese Weise mit einander unterhalten kann, erfährt man erst in der Fremde. Sie sind ein starkes Band, das die Fremdler an die Heimath fesselt, fester als alles Andere. Nicht mit Unrecht hält man bei uns diejenigen für halb verloren, die keinen Briefwechsel mehr mit ihren Lieben daheim unterhalten, ohne daß sie durch besondere Umstände davon abgehalten sind. Nun mit mir hat es in diesem Stücke noch keine Noth, denn ein jeder Brief von Dir weckt in mir die Sehnsucht nach der Heimath, besonders, da Du nur Gutes aus derselben zu berichten hast. Wer hätte geglaubt, daß das kleine Samen-

    körnlein so schnell zum riesengrossen Baume emporwachsen würde. Wenns nur so vorgeht u. der Baum auch Frucht bringt, doch dafür wird jetzt schon gesorgt werden. Wohl ist Lassalle zur rechten Zeit aufgetreten, so daß das Neue schon vorberei­tet war, als das Alte zusammenstürzte. Ich hatte das alge­meine Wahlrecht schon gelesen, als ich Deinen Brief erhielt. Du kannst Dir denken, wie mich das freute, mehr als mich die Niederlage Ostreichs betrübte. Wir werden wohl auch ein wenig Gutes daraus ziehen können, wenn wir zusammen hal­ten, doch das wird in Ostreich eben das Ärgste sein. Zwar ist in unserm kleinen Vaterländchen schon ein guter Anfang gemacht, denn wenn mein Freund im Stande ist, das ganze Land zusammen zu bringen, um ein Petit an das Ministerium des Handels abzuschicken, so ist es sicher, daß dasselbe auch geschieht, wenn es sich um etwas Höheres handelt. Daß Dir dieser Schritt gelungen, freut mich weit mehr, als das Resultat desselben.

    Sonst sind also in Deutschland ein halbes Dutzend Staaten weniger, was wohl ein größerer] Schritt zur Einigkeit ist, als alle fortschrittliche Vereinsduselei. Wenigstens kommt es mir vor, der diesjährige Krieg habe keine ungünstige Wendung oder Ausgang genommen, denn Österreich ist ja doch nicht mehr lebensfähig, es existirt, wie Baron von Seiffertiz auf dem Landtage sagte, nur provisorisch.

    Von hier ist wenig zu berichten, ich arbeite noch immer in dem nämlichen Neste, u. werde wohl hier bleiben müßen, bis ich meinen Koffer packe, um nach Hause zu reisen, was wohl noch bis Weihnachten dauern wird. Es kommt zwar noch auf das Wetter etwas an, wenn es recht kalt wird, so verleidet es mir wahrscheinlich früher, jedoch vor Klaus einlegt, jedenfalls nicht.

    Ich bin froh, daß es nicht mehr lang dauert, ich gehe gern wieder eine Zeit lang heim, um auszuruhen, u. neue Kräfte zu sammeln. Besser hat mans doch nirgends, als daheim. Nicht daß es mich einen Augenblick gereut hat, daß ich fort bin, aber man geht gern heim, wenn mans gut hat. In der Fremde geht man mit den Menschen nicht mehr um, wie mit Porzellan, sondern wie mit Hacke u. Schaufel, die man zur Arbeit braucht. Da hat Mancher eine harte Schule durchzu­machen, bis er ein Handwerk gelernt hat. Oft hat man das Unglück, zu rohen, ungesitteten Arbeitern zu kommen, u. dann ist es fast nicht zum Ausstehen, wenn man nicht thut wie sie, u. ist dies der Fall, so wird mancher verderbt auf sein ganzes Leben. Ich habe einen guten u. ziemlich gebildeten Lehrmeister, u. doch muß ich noch manches herbe Wort, manchen unverdienten Tadel hören, u. dazu schweigen. Da habe ich einsehen gelernt, was für ein Zuckerboppele ich war, als ich noch daheim war. Wie mich das oft kränkte u. schmerzte, nun ist das besser geworden, u. mein Philisterzopf ein wenig kürzer, ich lache jetzt oft über die ungeheure Länge, die er gehabt.

    Sonst habe ich viel gesehen u. gehört, das ich zu Hause nicht erfahren hätte, manches Gute u. auch nicht Gute, manche Einrichtung, die mir gefallen, u. manche die mir nicht gefal­len, im Ganzen sind die Menschen überall gleich, es gibt überall solche, die ihren Leidenschaften freien Lauf lassen u. solche die dieselben beherrschen. Doch gibt es erstere mehr da, wo sie durch keine Form mehr eingeschränkt werden, aber ebendarum auch weniger Heuchler. Wenn sie die Kraft hätten, wie sie in unseren Landsleuten vorhanden, so wäre es wohl weit ärger mit den schlechten Menschen, aber die Städt­ler haben keine Kraft. Man sieht nur selten einen ächten Kraftmenschen. Überhaupt lernt man, wenigstens ich, die Thorheiten im Menschen weit milder beurtheilen, wenn man sieht, in was für einer Gesellschaft sie erzogen werden. Da sieht man es recht ein, wie hülflos, wie abhängig er von seiner Zeit u. Umgebung ist, so daß einer selbst ein Engel sein müßte, um sie streng zu richten. Man erfährt es manchmal selbst, auf wie schwachen Füssen man steht. Schließlich muß ich Dir noch mittheilen, was ich schon für Ungelegenheiten mit Deinem Volks?Blatt gehabt. Es scheint fast, ob ich u. die Gründer desselben nie keine guten Freunde werden sollen. Dein letzter Brief wurde nämlich zu schwer, ich mußte noch das doppelte Postgeld, das heißt ein u. einen halben Franken dafür zahlen.

    Ich mußte noch dazu herzlich lachen, daß mich gerade diese Neuigkeit soviel kostete, für die ich sonst wohl keinen Cen­time ausgegeben hätte.

    Nun kann ich doch sagen, daß ich mich auch etwas habe kosten lassen für das Volks?Blatt.

    Nun schließe ich mein Schreiben mit einem herzlichen Gruß an Deine Familie, hoffentlich reden wir bald mündlich mit einander.

    Dein Freund Josef Natter Bitte beiliegendes Briefchen an seine Adresse zu befördern.

    Josef Natter
    Geneuille
    Franz Michael Felder
  • 26. Oktober 1866

    Geliebter Freund!

    Ich habe Dir heute zwei Briefe zu beantworten, da ich dieselben bereits zusamen erhielt; Die im ersten ausgesprochene Anschicht, vom Hause keinen Kreuzer zu bekommen, ist durch meine Mittheilung schon wiederlegt. Schon heute würde ich Dir die gewünschte und zu Deiner Befreiung nöthige Summe übersen­den, aber bei allem Bemühen gelingt es mir nicht jetzt, vor Kathrinentag (25 November) so viel Silber aufzutreiben. Bank­noten wären schon zu bekommen doch mit solchen wirst Du nichts machen können?? Ich selbst erwarte zwar nächstens von der Redaktion der Gartenlaube sowol als von meinem Verleger in Leipzig Sümmchen zu erhalten mit welchen ich Dir helfen könn­te, doch haben die Ereignisse des vergangenen Sommers derlei Rechnungen sehr unsicher gemacht und wie leid es mir auch thut, ich muß gestehen daß ich keine Hoffnung habe, Dir das Geld früher als in 4 Wochen schicken zu können. Doch am Ende ist damit gar so viel nicht verloren! Du hast gerade noch Zeit, Deine Verhältnisse zu ordnen und Dich zur Heimreise vorzube­reiten.

    Und was dann? Wir können uns zwar»noch über diese Fragen Besprechen wenn Du da bist, doch auch jetzt dürfte es schon an der Zeit sein Dich auf Einiges aufmerksam zu machen. Das Anwesen, das nun bereits schuldenfrei Dir und der Schwester gehört, hat 3 Kuhwinterungen Gut Feld, Waldungen, Sommer­weiden u d g I. Nun wirst Du nicht Lust haben, zur Mistgabel zu greifen, doch das müßtest Du nicht, wenn Du auch da bliebest. Den Stall könnten Schwester und Magd besorgen, und zur Feldarbeit hat auch der Vater Tagwerker anstellen müssen und ist doch nicht zurükgekommen. Wärs Dir nicht erwünscht, bei Deinen Lieben und Getreuen, in sichern geordneten Verhältnis­sen bei Deiner Schwester im eigenen Haus zu leben und mit mir Dich an den Errungenschaften deutscher Cultur zu erfreuen. Das Leben ist nicht so leer hier, wie wir Bürschlein in unserer Abge­schlossenheit dachten. Kenntest Du die Geschichte meines Lebens in den letzten 10 Jahren so würdest Du wie mich auch meine Heimath ganz anders ansehen, als wen Du Dich nun an frühere trübe Erfahrungen erinnerst und diese zum Maaßstab Deines Urtheils machst, Hier, in meinem Arbeitszimmer werde ich Dir bald meinen Lebenslauf seit Deiner Abwesenheit erzählen wenn Du ihn nicht schon in der norddeutschen Zeitung gedrukt gelesen hast. Darum für heute nichts mehr von mir, doch noch einige Wort von den Meinigen.

    Mein Wible sorgt für unsere 4 Kinder, hilft arbeiten und theilt Meine Freude über meine Erfolge. Wir lesen zusamen die Meisterwerke deutscher Dichter und Denker die anerkannt über den Franzosen stehen und wir freuen uns Dich bald als den Dritten im Bunde hier zu sehen. Du wirst nicht alein bei uns sein, den viele Freunde und Gleichstrebende hab ich hier und ander­wärts in den verschiedensten Schichten der Gesellschaft von den Gelehrten und Poeten in Leipzig, Halle, Koburg u a bis zum Bauersmann von hier gewonnen. Meine Mutter nun 67 Jahre alt ist noch immer gesund und hilft uns durch Rath und That in guten und bösen Tagen. Sie und ihre Schwester freuen sich auf Dein Kommen und lassen Dich recht herzlich grüssen. Das Du kom­men wirst, sobald ich so glücklich bin, die gewünschte Sume auf­zutreiben, ist nun wol keine Frage mehr. Es muß hier alles geord­net werden und alles ist von Deinen Entschlüssen abhängig. Fort köntest Du immer wieder, wenn Du das Haus Deines Vaters nicht anstellen möchtest wenn es Dir hier nicht zum dableiben gefallen sollte was ich aber gar nicht fürchten zu müssen glaube. Noch haben wir keine Kühe verkauft, auch ist nicht einmal das Inventar aufgenommen da ich enschlossen bin mit allem auf Deine Antwort zu warten. Es ist Dein gutes heiliges Recht zu kommen, Deine Verhältnisse selbst zu ordnen, und Deine Sachen in Besitz zu nehmen, es ist das aber auch Deine Pflicht gemeinsam mit der Schwester verhandeln mußt Du und es muß Dich freuen, das endlich Erworbene zu Deinem und ihrem Wohl zu verwalten. Die Objektivität nicht Gemüthlichkeit des letzten Briefes liegt in meinem deutschen Character. Ich wußte, daß es einen Gewal­tigen Eindruck auf das Gemüth meines Freundes ausüben müsse, doch ich wollte Dich Dir selbst in dieser Beziehung überlassen, da ich offen gesagt, in der letzten Zeit zu wenig von Dir wußte um auch mit Dir reden zu könen. Es hat mich daher ungemein gefreut, daß Du mir auch von der entsetzlichen Katastrofe einen Brief schriebst obwol er mir spät erst zugekommen ist. Dein Vater ist im Frieden aus der Welt gegangen. Daß er auch nichts mehr gegen Dich thun wollte, kann ich Dir beweisen. Dein Onkel der s g Kaiser Josef und andere wollten ihn, wieder den Willen Deiner Dich herzlich liebenden Schwester, zu einem Testament zu ihren Gunsten und Deinem Nachtheil bereden. Er aber wies solche Anträge immer zurük und überließ alles mir und meinem Rathe was er sicher nicht gethan hätte wenn die Abneigung gegen uns noch gar so groß gewesen wäre. Sei daher frohen Muthes! Er hat nun die Ruhe die er auf dieser Welt nun einmal nicht finden konnte und er würde sich freuen, wenn er sähe, wie die Tochter und Du sich entschließen, durch friedliches Zusammenstehen alles wieder gut und recht zu machen. Warte also noch geduldig bis ich Dir das Geld schiken kann und schreibe ja sogleich wie­der Deinem Dich aufrichtig liebenden treuen Freund

    Felder

    Nachschrift

    Am 28 Oktober

    Es scheint, ob es denn meinen Bemühungen doch noch gelingen könte, Dir das Geld früher zu senden, wenn das auch Deine Heimreise befördern würde schreibe daher so schnell als möglich Deinem

    treuen

    Post Bezau                                                                  Freund

    Vorarlberg                                                                     Felder

    von Politik das nächste mal.                                          Litterat

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 25. Oktober 1866

    Lieber Freund!

    Erst Nachts 9 Uhr von Andelsbuch zurückkommend, habe ich sogleich Deinen Brief u. das entworfene Programm gelesen. Da Du eine kurze Antwort von mir zurück zu erhalten wün­schest so scheint mir der Grund wohl darin zu liegen, daß Du nach meinem langen hartnäckigen Stillschweigen einen kur­zen Grundzug meiner Ansichten von unserer persönlichen Zusammenkunft erfahrest.

    Über das Programm wie ich dasselbe flüchtig gelesen kurz folgendes:

    Dasselbe ist in streng wissenschaftlichem Standpunkte gehal­ten, u. soweit ich gesehen bin ich in den wesentlichen Punk­ten einverstanden. - Aber hast Du auch die Sendung Moses von Schiller gelesen? Es war ein großes Werk die in der Sclaverei der Aegiptier sich befindenden Israeliten von derselben zu befreien u. sie ins gelobte Land zu führen! Und wie wird es möglich sein das Volk durch das Meer seiner eigenen Unwis­senheit, Verkommenheit u. Ohnmacht durchzubringen? Reicht die Feuersäule der Wissenschaft u. der gute Wille eini­ger Weniger aus?

    Die Werke Lassalls habe ich durchgelesen, habe aber noch nicht begriffen wie sich die Arbeit von der Unterjochung des Kapitals loosschlagen könnte.

    Es ist mir leid daß meine Frau Deinen Both nicht heute wieder retour gehen ließ, da man zu Hause leicht über ihn in Sorgen kommen konnte, allein sie meinte Du müßest unumgänglich nothwendig gleich eine Antwort haben. Auf baldiges persönliches Wiedersehen

    Dein Freund

    Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 24. Oktober 1866

    Lieber Freund

    Aus meinem und dem von Moosbrugger in Bludenz beigeleg­ten Brief wirst Du gesehen, daß wir entschlossen sind, in der Zeit des Schwankens und Schwebens öffentlich Farbe zu bekennen und unser Programm zu veröffentlichen. Vor eini­gen Tagen ist Moosbrugger zu mir gekommen und da wir Dich als den Dritten im Bunde sehen möchten, so übersende

    ich Dir hiemit was durch den Druck bald zu veröffentlichen wir für gut und zeitgemäß halten. Ich bitte Dich es gleich zu lesen, damit wir Morgen darüber mündlich verhandeln kön­nen. Ich wünschte von Überbringer eine kurze Antwort zurückzubekommen.

    Moosbrugger läßt Dich freundlich grüßen und freut sich mit mir Dich bald zu sehen

    Dein Freund

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 24. Oktober 1866

    Lieber verehrter Freund!

    Vor etwa 6 Wochen habe ich Ihr werthes, für mich in jeder Beziehung erfreuliches Schreiben vom 1 September beant­wortet und wenn ich mich nun wieder an Sie wende, ohne länger auf ein Schreiben von Ihnen zu warten, so sind es weniger die Besorgnisse um die Ihnen damals für die Garten­laube übersendete Reisebeschreibung und andere Schreibe­reien als das Bangen beim Lesen der Zeitungsberichte über den in Leipzig herrschenden Gesundheitszustand. Ich möchte so gern bald vernehmen, Sie und all Ihre Lieben befänden sich recht wohl, daß Sie mich entschuldigen müssen, wenn ich jetzt an Sie schreibe obwol ich weiß, daß Sie jetzt ohne mich genug zu sinnen und zu sorgen haben. Zu dem Ihnen hoffentlich zugekommenen Aufsatz liegt auch eine Zeichnung (Ansicht von Schröken) hier, die ich Ihnen nächstens übersende, wenn ich Ihr Urtheil oder Keils Be­schluß erfahren habe und es alsdann noch für nötig halten sollte.

    Ich werde nun bald wieder etwas mehr freie Zeit haben als in den letzten Wochen wo es für das Bäuerlein noch so man­ches zu thun gab. Nun wird auch die Agitation für das Ver­einswesen wieder beginnen und ich hoffe zuversichtlich Ihnen bald Erfreuliches melden zu können. Auch neue Samm­lungen von Sprachspähnen werde ich übersenden; ich finde auch in den Gedichten Walthers von der Vogelweide man­ches mir wohlbekannte Wort, und ich wünschte mir wie bisher nur mehr freie Zeit, da auch meine Sammlung beim Lesen dieses kernigen Dichters sich bedeutend bereichern wird. Ich liebe den wakern in dem ich so viel fast möchte ich sagen nachbarliches finde. Ich habe nämlich schon gefunden, daß nicht nur ich sondern auch andere Wälder sich bei ihm wie daheim fühlen. Meine Landsleute würden ihn schneller fas­sen als die neuen Dichter. Mehr davon werde ich Ihnen schrei­ben, wenn ich einmal weiter gelesen habe. Vielleicht können Sie mir auch bald mittheilen ob Sie noch keine Literaturzeitung für mich „ergatterten". Ihre Auslagen würde ich dankbar vergüten. Ich erlaubte mir, Sie zu fragen und zu plagen, weil ich nach Lesung Ihres so freundlichen Antrages diese Blätter abbestellte und mir für das so erübrigte Geld andere Bücher angeschafft habe.

    Die besprochenen Nummern der Flensburger Zeitung werde ich mit der eben erwähnten Zeichnung oder sonst übersen­den. Ihren Gruß an meinen Freund Moosbrugger in Bludenz hab ich mit Freuden ausgerichtet und er hat mich gebethen, ihn herzlich dankend zu erwiedern.

    Und nun genug für heute! Stil und Schrift zu entschuldigen, muß ich bemerken, daß ich in einer schlaflosen Nacht schreibe.

    Mit den herzlichsten Grüßen von mir und den Meinen und mit den besten Wünschen für Sie und Ihre Lieben Ihr ewig dankbarer Freund

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 20. Oktober 1866

    Werther Vetter!

    Verzeihe mir wann ich Dier auf einen letz[t]es schreiben wo du mier den Tod von meinem Vater anzeigtest, nicht sogleich geantwortet habe. Du kannst Dier einbilden, daß mir die Nachricht die Du mier so gemüthlich darlegtest, sehr tief geschlagen hat u. ich wußte ja selber nicht was ich machte. Nun aber werde ich Dier kurtz u. aufrichtig sagen was ich machen kann. Nach Hause zu kommen ist mier Unmöglich, denn ich kann nicht Geld einkassiren wo ich will. Mein Vetter Hans steht noch schlechter wie ich. Zudem habe ich diesen Sommer meine Baarschaft gäntzlich ausgegeben, ich habe wohl Geld einzuziehen aber darauf ist nicht zu zählen. Meine Miethe ist verfallen u. die muß bezahlt werden.

    Meine Rückständige Zahlungen müßten bezahlt werden, u. so hätte ich bereits 500 Francken nothwendig, um anständig nach Hause zu kommen, welche Summe ein großen strich durch die Rechnung machen würde, denn in seinem letz[t]en Schreiben sagte mier mein Vatter, daß seine Verhältniße nicht die besten währen, u. da kann ich sicherlich schließen, daß Sie durch die letz[t]en Ausgaben noch schlechter stehen. Da kannst Du lieber Vetter wohl sehen, daß es mier unmöglich ist nach Hause zu kommen, in so fern ich nicht die dazu nöthigen mittel besitze. Mache daher so gut als möglich ist u. besonders sorge für meine Schwester. Sollte ihr je etwas man­geln so werde ich im stände sein Ihr zu helfen. Entschuldige mich mit meinem kurtzen schreiben, denn ich habe den Kopf foller Fiber u. weis Dier wahrhaftig nichts zu schreiben.

    Grüße mier meine Schwester u. tröste u. unterstütze Sie so viel Du kannst

    Dein Vetter

    Felder

    horloger ä Arcachon Gironde

    France

    Johann Josef Felder
    Arcachon
    Franz Michael Felder
  • 14. Oktober 1866

    Guter Freund Michel

    Es ist mier bereits unmöglich, auf Deinen letz[t]en Brif zu ant­worten. Nach Hause zu kommen ist für mich ein fast unmög­liches. Erstens meine Verhältniße mit der Bours u. zweitens was wil ich hoffen zu Hause zu machen, wo ich mit meinem Handwerck villeicht einen liderlichen Gulden per Tag verdie­nen würde, das Feld zu bearbeiten u. Kühe zu melchen ist meine Sache nicht mehr. So frage ich Dich um Himmels wil­len was soll ich zu Hause machen, wenigstens würde ich in den ersten 8 Tagen meinem Vater ein ganz überflüßiger Gegenstand sein, u. später währe ich genöthiget das Pech zu kaufen, denn weder in politisch od. Kirchlichen verhältnißen könnten wier zusammen leben. Was meine Schwester anbe­langt bedaure ich sehr seine Schreckliche Lage. Aber was kann ich machen, wo die Bemühung kluger männer gescheitert ist, was mich einigermaßen beruhigt, ist die Hoffnung, daß Sie ja für ihr Leben lang an nichts andrem als an Ihrer Gesundheit leiden wirt.

    Meine Verhältniße sind eben nicht die besten Jedoch habe ich im Überfluß alles was ich nothwendig habe u. hoffe daß im nächsten Jahre meine Börse steigen wirt, u. dann werde ich die Zeit nehmen u. Dich Alter Freund besuchen bis dahin ist nicht daran zu denken mich zu sehen, denn über würde ich im Gefängniße meine Sele aushauchen als je einen Kreutzer von meinem Vater zu verlangen, oder wie Du fürchtest ver­lumpt zurück zu kommen. Was meine Intresse anbelangt will ich durchaus nichts hören denn schon längst habe ich den Gedanken gefaßt niemahls auf den mindesten Groschen von Hause zu hoffen. Du kannst Dier einbilden daß ich mein Leben verdienen kann, u. nicht nothwendig habe, von den misrabl erworbenen Batzen meines Vaters u. meiner armen blinden

    Schwester zu leben. So hoffe ich, daß Du mich in Zukunft mit reise plannen ruhig lassen wirst. Besonders im Winter wo es bei Dier verteufelt kalt macht, u. wo gerade meine Börse ins wasser zu fallen anfängt. Nächstens werde ich Dier anderes schreiben u. Dier mein portrait schicken. Grüße mier recht schön Deine Muter u. seine Schwestern wie auch meine eint­zige Schwester u. sage Ihnen daß ich mich gut befinde u. kein Hunger leide wie Sie villeicht glauben. Was Dich anbelangt bin ich sehr stoltz darauf einen Vetter zu besitzen von wel­chem gebildete leute sprechen u. welcher nicht ein übertribe­ner Katolik ist. Gerne hätte ich mit Dier selbst gesprochen aber wie Du sihst es ist unmöglich.

    Mit tausend grüßen

    Dein Vetter

    Felder Felder horloger

    Arcachon Girond

    Johann Josef Felder
    Arcachon
    Franz Michael Felder
  • 13. Oktober 1866

    Lieber Freund!

    Du wirst böse sein über mich, weil ich mein Versprechen so lange nicht gehalten. Du kennst mich zwar noch zu wenig, als daß Du sagen könntest, es sei mein Flegma Schuld daran; daher will ich Dirs freimüthig eingestehen, daß es so ist. Hier übersende ich Dir nun mein hochadeliches Coterfai; zum Glück sind die Züge desselben etwas besser ausgefallen, als sie in der Wirklichkeit sind, nämlich nicht gar so dumm. ­Übrigens ist es doch schade, daß Du nicht ein Besitzer einer größeren Migagerie bist; denn das wäre ein Prachtexemplar und würde großes Aufsehen erregen in Schoppernau. Wie lebst Du immer, lieber Freund, steht Dein Häuschen noch hart am „Brunnobächle"?, was macht Deine liebe Frau nebst Bekannten? Grüße mir dieselben recht schön, leider weiß ich schon nicht mehr wie sie heißen, daran kannst Du mein schwaches Gedächtniß Beurtheilen.

    Mir geht es, was mich selber anbelangt, gut, was aber meinen Vater betrifft, so verschlimmert sich seine Krankheit täglich mehr u. wahrscheinlich wird er, wie die ganze Natur bald einen längern Schlaf schlafen, nämlich den langen langen Todesschlaf. -

    Neuigkeiten kann ich Dir nicht viele oder eigentlich gar keine schreiben. Der Herr Vorsteher von hier läßt Dich freundlichst grüßen nebst dem Herrn Lithografen.

    Nun bitte ich Dich mir recht bald einen langen Brief zu schreiben u. den Empfang meiner Larve zu bestätigen; denn es wäre höchst schade, wenn dieselbe verloren gienge.

    Mit Gruß

    Dein Freund

    Georg Feurstein

    Georg Feurstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 9. Oktober 1866

    Lieber Freund!

    Seit meinem letzten Schreiben, auf welches ich eine Antwort mit Sehnsucht erwartete, hat sich der Zustand Deines Vaters von Tag zu Tag verschlimmert Darnahls konnte er noch in sein geliebtes Hopfreben gehen, die vorige Wochen aber mußte er heraus getra­gen werden. Samstag wurde er mit den Sterbsakramenten verse­hen, und theilte mir seinen letzten Willen mit indem er mir Deine nun verlassene Schwester anbefahl. Gestern Nachmittags ist er gestorben. Er ruhe in Frieden!

    Ich weiß, wie weh Dir diese Nachricht, die Dir gewiß uner­wartet kommt jetzt thun muß und ich bin froh, Dir mittheilen zu können, daß er mit väterlicher Besorgniß von Dir redete und Dir nur Gutes wünschte.

    Du wirst mir dieses glauben wenn ich Dir sage, daß sein letzter Wille die Schwester nicht anders bevorzugte, als wie es schon die Gesetze thun. Doch davon mündlich denn Du wirst nun wol in Dein Haus kommen?

    Der Vater hat Dir und der Schwester ein hübsches Anwesen hinterlassen hat für euch gesorgt und gespart bis zur letzten Stunde, möget ihr das Erworbene friedlich und froh genießen.

    Ich habe mit der Schwester verabredet, alles beim Alten zu las­sen bis Du kommst und Deine Wünsche und Entschlüsse mit­theilst. Es wäre uns natürlich am liebsten, wenn Du das Haus anstellen und da bleiben wolltest damit das nicht in fremde Hände käme, was den theuren Geschiedenen so viele Sorgen und Mühen kostete.

    Gewis hätte Deine Schwester, die noch so oft und gern von Dir spricht, Dir selbst geschrieben und Dich zu kommen gebethen wenn Sie noch schreiben könnte.

    Sie hat jetzt niemand mehr als mich und Dich bis Du kommst, was hoffentlich bald geschehen wird, da ja Dein Vetter Hans nöti­genfall für Dich wird haften könen. Sollte jedoch das nicht der Fall sein so schreibe so schnell als möglich denn es muß noch diesen Herbst manches geordnet werden. So z B würde Mariann die 7 schönen Kühe verkaufen, wenn du sie nicht anstellen möch­test, nun so wäre noch viel Dringendes. Du wirst also bald an mich schreiben auch wenn Du zu kommen entschlossen bist. Ich hätte Dir noch viel zu schreiben wenn ich nicht zuversicht­lich hoffte, Dich bald sprechen zu können. Einstweilen werden wir hier alles gewissenhaft verwalten. Die nötigen Auslagen bestreiten und das Geld dazu nehmen wo wir es finden Das Boldo Maike bleibt einstweilen als magd.

    Morgen wird Dein Vater begraben und ich werde Deinen Platz dabei vertretten wie in Deinem Hause wo es jetzt so manches zu besorgen gibt.

    Hoffentlich wirst Du mir [den] bald abnehmen den du kennst Deine Bruderpflichen gut genug

    Wenn Du auch Deinen Vater verloren es ist noch einer hier der Dich herzlich liebt und der ist Dein Freund

    Franz Michael Felder

     

    Nachschrift

    Ich hoffe und wünsche, daß nun die Zeit der Mißverständnisse vorüber sei, auch Deine Schwester ist diese Hoffnung der einzige Trost. Sie wie auch die Meinen und alle Deine Freunde wünschen Dich bald zu sehen. Briefe sind an mich zu adressiren. Es wäre Dein Schaden wenn Du nicht bald schreibest. Doch das weißt Du selbst so gut als ich.

    Meine Frau und die Mutter und die Basen lassen Dich grüssen, Lebe Wol,

    Näbis

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 30. September 1866

    Werthester Freund!

    Deinen Brief vom 12 d.M. habe ich, wenn auch nach langen Irrfahrten, richtig erhalten. Der Grund davon, nämlich von dem späten Eintreffen bei mir, wird darin liegen, daß ich nicht mehr in meinem früheren Quartier wohne. Gegenwärtig bin ich während der Nacht in Grinzing, eine Stunde von Wien entfernt, und bleibe bis etwa 15 Oktober, also höchstens noch einen halben Monat; den Tag hingegen bringe ich in der Kanzlei des Dr. Fischer in Wien zu. Es sind jetzt eben 3 Mo­nate verstrichen, seit ich den ganzen Tag in notarieller Praxis mich befinde. Es wird Dich sicherlich wundern, wie mir die­selbe gefällt. Die Praxis faßt nun beinahe jeder so auf wie ich, der in derselben lebt. Es ist eben ein Erwerbszweig, wie jeder andere, man arbeitet um zu leben und um nach und nach auf einen grünen Zweig zu kommen; Hätte man Geld genug, würde man sich beschäftigen, wie es einem gerade angenehm wäre. Nach diesen Prämissen kann ich sagen, daß ich mich recht gut hineinfinde. Der Verdienst ist zwar anfänglich aller­dings klein, doch hoffe ich baldige Aufbesserung. Ein Anfang ist nun einmal gemacht, u. dieser ist immer am schwierigsten, besonders in einer Großstadt, wo alles sitzen bleiben will. Was hat nun ein Notar u. seine Leute zu thun, wirst Du fra­gen? Denn wenn Du auch noch so gute Dorfgeschichten zu schreiben weißt, so wirst Du doch davon sehr wenig wissen. ­Höre: Er fertigt Urkunden jeder Art aus, bestätigt die Echtheit der Unterschrift und die Gleichheit einer Abschrift mit dem Originale, bestätigt, daß Wechsel nicht bezahlt aber zur Zah­lung vorgewiesen wurden, macht Eingaben an Gerichte, aber nicht in Streitsachen und leitet die Verhandlungen in den Fäl­len des Ausgleichsverfahrens (nicht bei Concursen) und Ähn­liches. Nun wirst Du die Art und Weise meiner Thätigkeit be­greifen. Sie ist sehr einfach, trägt aber - für die Notare selbst ­viel Geld. Mein Chef verdient sich sicher jährlich über 10.000 fl und manche andere noch viel mehr. Da ich nun schon im Zuge bin, von meinen Verhältnißen zu reden, so theile ich Dir weiter mit, daß ich nur am Sonntage von den eben angedeuteten Beschäftigungen mich los ma­chen kann. Da mache ich dann etwa einen kleinen Ausflug oder lese etwas was mich interessirt, wohl auch die Freie Presse, zu der ich mir auch an Werktagen Abends Zeit nehme - auch hier als das beste Blatt Wiens angesehen. Zweimal machte ich größere Ausflüge, einmal nach Weidling, einmal nach Baaden, wo ich im letzten Sommer längere Zeit war, wie ich Dir geschrieben, nämlich zum Regierungsrath Engerth, dessen Porträt u. kurze Lebensgeschichte Du sicher in einem oder mehreren Deiner belletristischen Blätter finden wirst ­auch in Deinen norddeutschen. Dies sind seltene angenehme Ausnahmen eines sonst sehr einfachen Lebens. Und nun, warum habe ich Dir solange nicht geschrieben? Die Antwort wird Dir komisch klingen, aber sie ist wahr - weil ich nicht wollte, daß die Umgebung von Dir weiß, daß ich Dir geschrieben. - Jetzt darf sie es wissen. - Nun weißt Du nun jetzt, wie es um mich steht, was ich geworden und nicht geworden bin, u. werde es nicht sobald wieder so lange an­stehen lassen, bis ich wieder schreibe. Aus der Bemerkung, was ich sicher nicht geworden sei, sah ich, daß Du mich nicht falsch beurtheiltest.

    Jetzt habe ich doch sattsam von mir selbst geplauscht, fast wie Deine norddeutschen Brüder, denen das eigene Ich nicht blos der Mittelpunkt, sondern alles ist. Nicht wahr, daraus kennt man wieder den Wiener, der die Nordischen alle fressen möchte; nein so arg ist es denn doch nicht, ich lasse ihnen gerne Gerechtigkeit wiederfahren, aber nicht auf Kosten der Wahrheit mag ich sie preisen. Auch mir hat manches an ihnen gefallen, aber wie es scheint nicht immer gerade das, was Dich zum Bewundern hinriß. Der Erfolg flößt mir durchaus keinen Respekt ein; auch beim Beginn des Krieges schien er mir nicht unwahrscheinlich; noch weniger aber bewundere ich die Reichs- und sonstige Gesetzgebung, die guten Preusen sind in dieser Beziehung vielleicht hinter uns, ganz sicher aber weit hinter den Alten zurück u. nicht blos in juridischer Kenntniß - sicherlich auch an Charakter - lies nur die Ver­handlungen der preusischen Abgeordneten heuer- und vor 1 öd 2 Jahren. Was sie mir aber groß erscheinen ließ, war z. B. heuer der Umstand, daß man Gens d'armen aufs Land schikken mußte, um die Soldaten zu holen, bevor man sie gegen uns treiben konnte. Wäre aber auch hierin nicht noch ein höherer Grad von Größe möglich gewesen? Groß erscheinen sie mir, weil sie die Wissenschaften und Künste zum Gemein­gut zu machen sich bestreben - so weit sie es thun -, u. sie auch praktisch verwerthen, dann weil sie das den Deutschen so sehr mangelnde Selbstbewußtsein vielleicht am meisten besitzen, wenn auch mit persönlicher Arrogans hie u. da etwas vergiftet - der Erfolg im Kriege u. ihre Gesetzgebung macht aber auf mich nicht den geringsten günstigen Eindruck. Du darfst aber nicht etwa glauben, daß meine Ansichten hier­in seit unserem Beisammensein sich geändert haben, sie sind vollständig dieselben, vielleicht nur fester gewurzelt. Von anderm Wissen rede ich hier nicht.

    Für die Neuigkeiten, fast die einzigen, die ich aus meiner Hei­mat erhielt, vielen Dank. Zu Deinem Hermann gratulire ich Euch. Der gute Jenny dauert mich, daß die verhängnißvolle Stiege außer der Kirche ist. Daß ich den Natter richtig beur­theilt, wundert mich gar nicht, ich würde Dir das Gegentheil gar nicht glauben; ich habe viel zweifelhaftere Charakteren in kürzerer Zeit richtig beurtheilt; überhaupt fange ich an auf diesem Felde Selbstbewußtsein zu bekommen, mein Urtheil über Leute hat mich, wie ich glaube, noch selten stark ge­täuscht, allerdings bin ich in dieser Beziehung in guter Schule gewesen u. habe zu lernen gesucht. Zur Bekanntschaft mit Hildebrand wünsche ich Dir Glück; die Sonderlinge hoffe ich so bald als möglich von Dir zu erhalten, auch den Nüm­mamüller hoffe ich damit zu bekommen. Was Du von der englischen Lektüre schreibst, glaube ich Dir aufs Wort. Vor Kurzem las ich [Trevlin hole], sicher den besten Roman, den ich von einem Frauenzimmer las. Die Engländer haben recht klare Köpfe u. oft mehr Naivität, als man ihnen zuschreibt. Aber arbeiten wir auch, so gut wir können u. wir werden sie bald erreichen, die deutschen Köpfe sind von eben so gutem Stoffe wie die Englischen u. die Engländer sollen auch mit dem ABC. anfangen müssen. Was das Beispiel nicht Alles macht? Ich muß Dir sagen, daß ich - nach Deinem Beispiel ­auch schon gedacht habe einen Roman zu schreiben, u. wer weißt, ob es nicht dazu kommt, wenn mir nicht andere zuvor kommen nämlich einen juristischen Roman. Drappenfleisch - sollte es denn nicht möglich sein statt Geschichte u. Lügen, statt Krieg u. Gewalt, die geltenden Rechtssätze die Gränzen u. Beengungen der Menschlichen Gesellschaft ziehen zu lassen?

    Genug für heute, ich werde 1000fach im Schreiben unterbro­chen, u. selten schreibe ich einen ganzen Satz auf einmal, deßhalb entschuldige, wenn Du Stiefel statt Sätzen findest. Viele Grüße an Dich u. Wible, auch sie kann ich sowenig als Dich vergessen, in Wien giebt es wohl viele gebildetere, aber keine gescheidern lernte ich kennen, als Dein Ankle u. sie hält sich, o Wunder unter ihrem Geschlechte eher für weniger als für mehr denn sie ist. Deiner wie meiner Mutter ebenfalls die herzlichsten Grüße, erzähle meiner Mutter alles, was sie aus diesen Zeiten interessiren kann, u. sonst so wenig als möglich. Auch dem kranken? Koaradobuabo, Sieberiis u. Möslars, dem Thresel, Oberhauser, Leou'os, Dünser, Walter ect. lasse ich meine grüße vermelden; schreibe mir bald, ich werde auch fleißiger sein als die letzte Zeit, u. vergiß nicht die Sonder­linge zu schicken, so bald als möglich, Deinem Dich lieben­den Freunde

    Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 20. September 1866

    Lieber Vetter!

    Mein letztes Schreiben von Bludenz aus hast Du unbeantwor­tet gelassen und erst später ein Lebenszeichen von Dir gege­ben. Wenn Du dadurch mir weh thun wolltest so hast Du Deinen Zweck vollkommen erreicht, doch ich will nicht zu empfindlich sein! Noch immer bin ich Dein treuer Freund, der nie aufhört, für Dich zu wünschen und zu hoffen. Als sol­cher nun ist es mir nicht möglich Dich noch länger ohne Nachricht von den Deinen zu lassen.

    Dein Vater ist immer schwächer. Kein Mensch glaubt, daß er noch einen Sommer erleben werde. Mir scheint er aber nicht nur körperlich sondern auch geistig sehr krank zu sein. Diese Kälte und Gleichgültigkeit auch gegen das Nächste, dieser Fatalismus war sonst seinem Wesen ganz fremd. Wer ihn so sieht und hört, hofft nicht, daß er Dir noch schreiben werde. Ich halte mich nun völlig für verpflichtet, im Nahmen Deiner des Schreibens unfähigen, fast blinden Schwester, diese Zei­len an Dich, ihre Sorge und ihre Hoffnung, zu richten. Ich wüßte nichts, wodurch ich mich unwerth Deines Vertrau­ens gezeigt hätte und bitte Dich daher in Deinem eigenen Interesse, mir in einer baldigen Antwort offen, wie es des Freundes würdig, Nachricht über Deine jetzige Lage zu geben und auch die Summe zu nennen durch die Dir geholfen werden könnte. Du darfst nicht so angebunden und abhängig bleiben so lang ich etwas für Dich thun kann. Auch wenn Du nicht Lust hättest nach Hause zu kommen müßte das anders werden und ich bin fest entschlossen Dir zu helfen. Glaube an mich an die Freundschaft, sei offen gegen mich und ich werde wol im Stande sein etwas zu thun. Wenn Du den Vater noch treffen möchtest müßtest Du bald kommen, daß wir alle Dich jubelnd begrüßen würden hab ich Dir schon viel und vielmal geschrieben.

    Jetzt ist Boldo Maiki als Magd bei Deinem Vater, der Dir noch nichts von seinem Anwesen verkaufte. Sie haben mit fremden Leuten das Heu untergebracht. Wer es wol füttern wird?! Nun noch etwas von mir selbst.

    Ich habe bereits vier Kinder, einen Jakob, Kaspar, Hermann und eine Maria Katharina. Alles bei mir ist gesund und läßt Dich recht herzlich grüßen. Als Schriftsteller hab ich wirklich erstaunlich Glück. Du weißt, wie gern ich immer schrieb u. dichtete nun will man in mir ein nicht unbedeutendes Talent sehen. Ich habe mir die bedeutendsten Gelehrten zu Freun­den gewonnen und darf meinem demnächst in Leipzig er­scheinenden Roman eine schöne Zukunft versprechen, we­nigstens haben die Kenner schon mit wahrer Begeisterung davon geredet. Unsere Pfäfflein werden mit dem Werke aller­dings nicht zufrieden sein und großes Wehklagen wird dar­über entstehen in Israel, aber es ist Zeit daß man den Herren endlich einmal auf die Finger klopft und ich kann das, daß Du Deine Freude daran haben wirst. Wohin ist unser Staat durch die Pfaffen und Beamtenwirthschaft gebracht worden! Die Ereignisse der letzten Monathe haben es gezeigt. Sie haben aber auch gezeigt, wo den Deutschen ein Liecht kommt. Wir alle, das heißt meine Freunde erwarten von Preußen die Hebung zum Einheitsstaat, und in Preußen sind so tüchtige Elemente im Volk, daß man nicht verzweifeln darf denn was dort wächst muß schließlich auch uns zu Gute kommen. Auch hier in Deiner Heimath würdest Du Dich freuen, nicht mehr die alten Kaffeesatzhelden anzutreffen. Es regt sich!

    Meine Bibliothek wird auch von den Bauern benützt und ohne mich werden 13 Zeitungen gehalten. Ich habe manchen tüchtigen Wälder kennen gelernt mit dem zu leben und zu Wirken eine wahre Lust ist. Ich sitze nämlich nicht mehr immer nur daheim im Schmollwinkel wovon Dir meine Landsleute zu erzählen wüßten. Jetzt hab ich einen Ausflug zu meinen Freunden in Leipzig (Schriftstellern) im Plan, wie bald er ausgeführt wird, weiß ich noch nicht, der Krieg hat mir durch manche schöne Rechnung einen Strich gemacht und besorgt sehe ich neue Gewitterwolken am politischen Him­mel herauf ziehen. Johann Rüscher, der s g Kapuziner ist in Algier, Albrecht Hironimuß ist gestern verlumpt von Wien hier angekommen, obwol er da keine Heimath und kein Ver­mögen mehr hat. Gottlob, so müßtest Du nicht kommen. Meine Freunde, die Oberhauser, sind noch lustig und ledig. Sie verdienen sehr viel und haben die Gabe, sich wol sein zu lassen ohne zu verschwenden. Unsere Vetter sind tüchtige Bursche geworden, viel größer und stärker als ich den Du noch mager und weis finden wirst. Ich werde Dir einstweilen meine Photografie beilegen und hoffe dafür die Deine oder noch lieber Dich selbst bald zu sehen.

    Ich schließe mit dem herzlichsten Wunsche, bald mündlich mit Dir reden zu können. Jedenfalls erwarte ich baldige Antwort, damit etwas für Dich gethan werden kann. Mit 10000 herzlichen Grüßen

    Dein treuer Freund

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 18. September 1866

    Geehrter Herr Felder!

    Mit Dank sende ich Ihnen die mir gefälligst übersandten Monatshefte wieder zurück. Sie haben mir viel Vergnügen gemacht. Wir haben Abends alle Novellen gemeinschaftlich gelesen. Die naturwissenschaftlichen Artikel sind sehr gut geschrieben, stehen dem Inhalte nach, obwohl populär gege­ben, dennoch auf der Höhe der heutigen Wissenschaft. Wenn Sie mir noch etwas ähnliches zukommen lassen wollen, würden Sie mich sehr verbinden.

    Gegenwärtig lesen wir zu Nacht Ihr „Schwarzokaspale". Ich staune über die Fülle des gesunden lebensfrischen Humors und die Wahrheit der Schilderungen. Oft müssen wir alle hell auflachen über so manche drollige Scene u. kernige Sprüche. Auch der leise Hauch der Liebe zwischen Mikle u. Schwarzo­kaspale spricht mich sehr an. Ich muß Ihnen ohne zu schmeicheln zu dem trefflichen Lebensbild nur gratuliren, und bedauere eben, daß ich das Lesen dieses Buches so lange verschob. Jetzt geht es mit der hiesigen Mundart auch besser. Wenn Ihre Sonderlinge eben einen solchen Kern haben, so können Sie versichert sein, daß Ihre Feder Ihnen nicht allein Namen, Ehre sondern auch klingende Vortheile bringen müsse. Eine solche unerschöpfliche Fundgrube von Wahrheit Zug für Zug u. Humor habe ich selten getroffen. Beifolgend sende ich Ihnen auch das versprochene Bild „Schröcken" mit Gruß von H. Mesmer und Vorsteher. Gestern habe ich (:in 14 Tagen:) ein neues technisches Werk­chen mit circa 80 Bogen „Der atlantische Telegraf" „Lienie Paris-Nev-York" beendet u. freue mich selbst ob des Erfolges resp ob der vielen im selben niedergelegten neuen Ideen, die theilweise reusiren dürften. Die Sache ist l geschichtlich, II phisikalisch-technisch, u. III kommerziell gehalten. S. Ab-

    schnitte. Jetzt gehe ich an die Reinschrift u. Zeichnungen, be­nöthige dazu jedoch noch immer das bewußte No 236, 235 der Allgem Zeitung Beilage 1865. Falls die No in Ihren Händen so bitte ich dringendst darum.

    Ihr aufrichtiger

    Hanns Koderle

    Hanns Koderle
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 11. September 1866

    Lieber Freund!

    Deinem letzten Schreiben, welches ich mit viel Vergnügen gelesen, entnehme ich, daß es sehr gemüthlich ist keine Zei­tungen zu lesen, noch gemüthlicher aber sei es, solche zu lesen. - Gemüthlich ists also auf jeden Fall. Nun dagegen hab ich nichts einzuwenden. Auch ich habe längst nicht mehr Zeit mich zu ärgern denn jetzt muß gehandelt werden. Laut nikelsburger Friedensvertrag mit Preußen vom 23 August sind wir östreicher von Deutschland und dem neuen (nord)deut­schen Bund ausgeschlossen. Jetzt gilts zu zeigen daß wir Deutsche sind trotz Nikelsburg und Prag. Tausendjähriges sahen wir in diesem Jahr zusammenstürzen. Hannover als Königreich ist nicht mehr, Frankfurt, Hamburg etc gehört zu Preußen, im Norden liegt nun faktisch der Schwerpunkt Deutschlands und wir im Süden, besonders wir östreicher haben uns zu rühren, wenn wir nicht ganz überholt und wahrhaft Schmerzenskinder werden wollen wie man uns in Frankfurt schon Vorjahren nannte. Nun an mir liegts nicht wenns nicht geht. Daß ich die Unterdörfler so ziemlich jetzt im Sack hätte und es keine Schande mehr ist bei mir gelesen zu haben, daß nun auch der Pfarrer mir gegenüber den Artigen macht; - das und Ähnliches versteht sich wol von selbst, doch das ist mir jetzt ­offen gesagt zu wenig. Ich gehöre nicht mehr nur meinem Dorf. Ich möchte eben hinausgabeln und es freut mich daß mir einmal etwas, wenigstens theilweise, gelungen ist. Die vorarlberger Handelskammer (Fortschrittspartei) hat laut Feldkircher Zeitung, Veranlaßt durch die Nachricht vom bevorstehenden Friedensschluß mit Italien, ein Petit an das Ministerium des Handels abgehen lassen um die bei den Zoll­verträgen zu erwirkende Begünstigung der Mannufakte der Fabrikation, die Käsproduzenten aber, also die halbe Bevölkerung Vorarlbergs, wurden dabei natürlich!!! nicht berücksich­tigt. Infolge dessen machte ich die letzte Woche eine Agita­tionsreise (Nr 3). Es kamen dann in Bezau auf meine und Feu­ersteins meines lieben Freundes Verwendung die Landtagsab­geordneten, so wie auch die wichtigern Vorsteher Au Hütisau etc (Schoppernau war eben durch Deinen Freund gehörig vertretten) zusammen und es wurde Namens der Käsprodu­zenten eine eigene Adresse ans Ministerium des Handels abgeschickt. Was für Folgen das haben wird weis ich noch nicht außer daß ich durch diesen Schritt als Agitator nur gewann so wie auch mein Verein durch die Folgen desselben unberechenbar viel gewinnen kann. Das genauere dieses Vor­ganges wäre wol interessant und ich freue mich schon recht darauf, Dir bald davon erzählen zu können, für jetzt nur so viel: Es regt sich immer mehr, es muß gehen und - es geht! Auf meinen Reisen im Vaterländchen gewinne ich in jeder Beziehung. Man lernt so allerlei kennen was auch für den Literaten Werth hat. Auch den Professor Elsensohn hab ich getroffen. Es ist ein sehr gewöhnlicher Mensch gerade wie sein Buch über unsere Sagen zu dem ich Beiträge lieferte. Das Werk zeichnet sich durch verschiedenes eben nicht zu seinem Vortheil aus und man kann froh sein, daß es nicht mehr gele­sen wird. - Wahrscheinlich bringt die Gartenlaube nächstens einen größern Aufsatz von mir begleitet von einer Zeichnung meines Freundes Feurstein. Der Aufsatz wird ein würdiger Vorgänger der Sonderlinge sein und hier herum nicht in den Papierkorb geworfen werden. Der letztgenannte Roman wird hoffentlich - wenigstens der erste Band - noch diesen Herbst erscheinen. Jetzt habe ich Beiträge fürs Wörterbuch zu schrei­ben einen Auftrag von Dr. Mannhardt zu erledigen für Feuer­steins lithografische Anstalt Volkslieder zu dichten, die Statu­ten einer Salzhandlungsgesellschaft, die Du wirksam finden wirst, zu entwerfen und kurz so viel zu thun daß es - eine Lust ist. Offen gestanden, lebe ich erst diesen Sommer so ganz auf meine Art. Die Stöße von Schriften und Büchern u d g wachsen mit jeder Woche und es fehlt meinem Schaffen auch nicht an Theilnahme. Nächstens erwarte ich den Besuch zweier nammhafter Gelehrten deren Ankunft mir Hildebrand schon vor 14 Tagen meldete. Ich bin begierig sie kennen zu lernen. Sonst sah man nur selten einen Vergnügungsreisen­den, nur jetzt scheint sich dann und wann einer hieher zu verirren.

    Daß Du gar keine Bücher zu bekommen scheinst bedaure ich einestheils recht von Herzen, doch wills mir scheinen, das Unglück sei nicht groß wenn Du einmal Zeit hast, das Gele­sene zu verdauen. Deine Briefe beweisen dem der Dich so gut kennt wie ich, daß Du gerade diesen Sommer weit vorge­kommen. Glück zu, auf dem eingeschlagenen Wege können wir mitsammen gehen. Dieses Jahr hat so vieles gekrümmt und verbogen, daß es einem wohl thut, etwas aufrechtes zu sehen.

    Hast Du das Norddeutsche Wahlgesetz nicht gelesen.  Ich möchte  Dir die  Freude gönnen, diesen Thriumpf  unserer, Lasalles, Ideen zu sehen. Allgemeines direktes Wahlrecht.

    Wo ein Volk eine Absolut sein wollende Regierung zu solchen Zugeständnissen bringt, da ließe sich dabei sein, doch auch auf uns ferne Deutsche mit dem ? wird ein Strahl dieses Lich­tes fallen wenn wir uns nicht allzusehr ducken und nicht zu der Partei gehören die sich im Volks?Blatt breit macht. Ja so, der tausend! So viel ich mich erinnere, hab ich Dir im letzten Briefe von diesem Wunderkinde noch gar nichts gesagt, während ich doch sogar den Herren in Leipzig schon davon erzählte. Nun verlohnt sichs doch noch einen Bogen herzunehmen.

    Von den sich durch lange Röcke von ändern männlichen Menschenkindern auszeichnenden Vätern unseres engern Vaterlandes wurde längst schmerzlich eine fromme Zeitung vermißt. Nun endlich, im Jahre des Unheils 1866 als die Welt­ereignisse wie noch nie vorher alle Welt zum Lesen drängten, schien der günstige Zeitpunkt zu einem derartigen frommen Unternehmen gekommen und einem Tiefgefühlten Bedürfniß sollte durch das Erscheinen eines - klerikalen Blattes abgehol­fen, wollte sagen, es sollte befriedigt werden. Ich will Dir nicht sagen, auf welche Art das nötige Kapital herbeigezogen wurde. Gut. Im Juli kam unter unsäglich vielen Wehtagen das Probeblatt zur Welt mitsammt dem Landeswappen Vorarl­bergs und wurde sogar bis zum Adlerwirth in Schoppernau versendet. Es war aber damahls eine so aufgeregte Zeit, daß meine guten Bauern nur für Schimpfartikel gegen die Feldkir­cher Zeitung, gegen die Presse usw. nicht vierteljährlich zwei Gulden zahlen wollten. So machte denn das Volks?Blatt mit sammt dem Wappen selbst unter den Bauern nur schlechte Geschäfte. -

    Es sollte aber noch ärger kommen.

    Das Gelächter der Gebildetem könntest Du Dir selbst den­ken, wenn Du das Probeblatt sähest. Man fand das Blättchen unwerth des Wappens welches zwischen dem Titel war wo ich das Fragzeichen hingemacht habe Dir zum Zeichen daß das Wappen schon auf der dritten Nummer des wöchentlich 2 Mal erscheinenden Blattes weggenommen werden mußte. Du weißt, ich rede immer mit Achtung von einem guten katholischen Blatt, doch hier haben wir kein solches und es ist bezeichnend, daß die Herren hier herum doch gar nichts Anständiges zu Tage fördern. (Register)

    Am letzten Sonntag wurde eine neue Bruderschaft verkündet. Die Emporstiege in Schröcken wird vor der Kirchthür gebaut. Unser Pfarrer hat mit der Rößlewirthin in Au, ebenso auch mit dem Doktor Händel bekommen. Die Landwehrler werden demnächst erwartet. Daß es unserm Volk nicht an Kunstsinn fehlt hab ich vorgestern von neuem gesehen. Ich machte mit dem Wible eine Vergnügungsreise auf Schiedein. An der Gadenthür fand ich zu meiner Überraschung vom kleinen Schmiedler Josef folgenden Vers.

    Josef Moosbrugger in Schoppernau geboren

    War sechszehn Sommer hier und  dann  zum  Söldnerstand erkoren

    Er hat es feierlich geschworen Getreu zu dienen Gott und Vaterland Dieses tröstet ihn in seinem Stand.

    Freilich fehlt Platens Glätte, aber was auch wußte der Schrei­ber von Platen und allen Dichtern. Mir war der einfache Aus­druck des Gefühls von diesem Menschen so rührend daß ich Dir ihn mittheilen mußte.

    Eben lese ich die Briefe eines sehr verkommenen Wälders die mir Feurstein mittheilte, sie sind sehr interessant. Das wäre ein Talent gewesen, doch ich fürchte das Schlimmste. Ach nur zu häufig haben die Bauern recht mit ihrem Urtheil über gute Köpfe; aber immer sollen sie doch nicht recht haben. Denn sie hier zu widerlegen wäre eben der schönste Sieg über unsere Aristokraten und alles was in diesen Kratten steckt und drum und dran hängt.

    Über Änderung im Paßwesen war bisher nichts Neues mehr zu erfahren.

    11 September 66

    Also noch in dieser Woche wird die Rückkehr der Landwehr erwartet, die Vorbereitungen zum festlichen Empfang sind getroffen. In Leipzig ist nun die Cholera, Hildebrand, der mich nun als „lieber Freund" anredet ist also in Gefahr doch hoffen wir das Beste! Die Bairische Kammer fordert Anschluß an Preußen! Das scheint bald eine allgemeine Forderung zu werden. Mit der Triäselei ists also aus wie sonst noch mit Vielem. Österreich zahlt 45 Millionen an Preußen davon 30,000,000 baar Geld nun wir habens ja. Die Banknoten sind zu Staatsnoten geworden, also nur Schuldverschreibungen von uns. Unsere Schulden sind heuer mehr gewachsen als Korn und Heu.

    Sonst von hier wenig Neues da ja dumme Streiche und Bett­schwesterhezen etwas Altes sind. Wie bald wirst Du kommen Schreibe bald und recht viel Deinem

    Dich herzlich grüßenden Freund

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Natter
  • 8. September 1866

    Lieber Freund!

    Sie glauben nicht, wie glücklich es mich macht, Sie so an­reden zu dürfen, wie ich es lange wünschte und jede Zeile Ihrer Briefe gleichsam forderte. Wie viel haben Sie Lieber Unermüdlicher schon für mich gethan, und gerade der letzte Brief ist der sprechendste Beweis. Aber das Bäuerlein hat lachen müssen, daß Sie Guter ihm, der so viel Pfüffe und Stöße erhielt, ein kleines Pillchen, das jedenfalls heilsam, aber auch nicht bitter war, wie verwöhnten Kindern in einen Zwetschkenpelz einwikeln wollten. Wenn ich so empfindlich, wenn ich - so - dumm wäre, mich hierüber zu ärgern, dann hätt' ich das Glück Ihrer Freundschaft nie verdient. Ich glaube, Ihnen auch schon geschrieben zu haben, daß ich es bereue, Ihnen von Vonbuns Artikel gesagt zu haben. Die Stelle „ein Dorfbewohner kann keine Dorfgeschichte schreiben" findet sich, wie ich Ihnen angegeben zu haben glaube in einer Bei­lage zur A. Allgemeinen Zeitung „allen Dorfgeschichtschrei­bern" zur Beherzigung. Ich meinte sie auf mich anwenden zu sollen, da mein Büchlein vorher an die Redaktion geschickt worden war. Über meine Versemacherei sind wir ganz eins. Sie ist mir in trüben Stunden ein lieber Zeitvertreib doch hab ich die neuern Dichter zu wenig gelesen, um da auch nur auf dem Standpunkt der Gegenwart zu sein. Mit dem, was Sie über die Zerreißung Deutschlands sagen sind wir ebenfalls eins. Wir sind und bleiben Deutsche trotz Nikolsburg und Prag, das werden wir beweisen. Wenn wir uns nicht zu sehr ducken, wird auch auf uns ein Strahl des Liechtes fallen, das ich jetzt im Norden aufgehen sehe, und das mir Weihrauchwolken und Aktenstaub nur verdüstern, nicht verbergen.

    Ich lege hier auch meinen Aufsatz über den Tannberg bei. Ich habe denselben meinem Freunde Feuerstein in Bezau auf meiner letzten Agitationsreise vorgelesen und derselbe hat ihn sehr gelobt und auf Verlangen eine Ansicht von Schröcken beizugeben versprochen. Wenn er nur nicht zu lang ist für die Gartenlaube. Doch ich glaubte das massenhaft vorliegende Material nicht noch gedrängter geben zu dürfen. Auch eine Gegenüberstellung der beiden Nachbarvölklein hielt ich für nothwendig und beginne daher im Bregenzer­wald um auch meine Landsleute zu zeichnen. Die mitgetheil­ten Tatsachen sind bis aufs Kleinste wahr, wenn auch nicht in diesem Zusammenhange vorgekommen. Ich bin sehr be­gierig, Ihr Urtheil zu hören, bitte aber recht herzlich, es nicht mehr so sorglich einzuwikeln. Sollte Keil den Aufsatz nicht annehmen, so machen Sie sich doch keine Mühe, besonders wenn seine Bedenken auch von Ihnen getheilt werden. Senden Sie ihn auch nicht zurük da er das Porto vielleicht kaum werth und ich überdieß eine ziemlich genaue Abschrift im Entwurf besitze, auch die Zeitungen können Sie behalten. Den Entwurf meiner Sonderlinge hab ich durchgesehen und bin nun entschlossen im 9 Kapitel l Band Franzen etwas an­ders erscheinen zu lassen. Statt daß Mariann dem vor dem Hause auf und abgehenden Franz von der Abwesenheit des Barthle sagen möchte, hätte sie fast Lust ihm zu melden daß er „sein Miüagschläfchen mache". Später nun, wenn sie Fran­zen den Strauß reicht, wenn er in ihre feuchten Augen schaut und das Zittern ihrer Hand fühlt, da will, da muß er reden, doch da ruft ihr Barthle. „Marsch, herein es ist die größte Zeit in die Kirche das ist es."

    Nun erscheint Franz ganz anders u geht doch als der Alte heim.

    Im 10 Kapitel wäre einiges zu streichen. Da Sie selbst weder Lust noch Zeit haben werden, diese Än­derungen vorzunehmen, so bitte ich mir Kap 9-10 l Band bald zu übersenden, und mir Ihre Meinung über meinen Vor­schlag mitzutheilen.

    Meine Antwort auf Mannhardts Bitte ist leider etwas kurz ausgefallen, die Gründe sind in derselben angegeben.

    Auf meiner letzten Agitationsreise (es handelte sich um eine für uns Wälder sehr wichtige Angelegenheit, und niemand wollte etwas thun) lernte ich Professor Elsensohn einen Lands­mann kennen, der mich im Frühjahr brieflich um Mittheilung einiger Gespenstergeschichten ersuchte die ich ihm in unserer Sprache lieferte. Nun hat er mir ein Freiexemplar gegeben seiner Wäldersagen das ich Ihnen der Sprache wegen zu­sende. Daß so ein Herr Sagen u dg erdichtet, um sein Buch zu füllen, will uns freilich nicht gefallen und ich bin im Stande, den Beweis zu liefern, daß z B die Sage Seite 9 der gesottene Kuhhirt nie vorkam, denn meine Alp Schiedeln ist falsch ge­zeichnet, und eine Sage muß auf ihren Boden passen, muß nach meiner Ansicht gleichsam daraus herausgewachsen sein.

    Die mit // bezeichneten Beiträge sind von mir, die zuweilen ungenaue Übersetzung von Elsensohn selbst. Wenn Sie es wünschen, werde ich Ihnen auch die Nummern der Flensburger Zeitung zuschiken. Meine Briefe gehören wie gesagt Ihnen, nur wünschte ich nicht, daß in einem Auszug die Farben noch dicker aufgetragen würden. Das Werk von Gosche möchte ich lesen, wenn es einmal irgendwo zu be­kommen ist, ich bitte daher, mir auch den Verlag anzugeben. Was sagt Hirzel zu den Sonderlingen? Ich lese zwischen den Zeilen heraus, wie viel Mühe Ihnen diese Schmerzenskinder machen und doch kann ich für Sie so gar nichts thun als danken von ganzem Herzen für alles was sie mir gethan haben und noch thun.

    O daß Sie hier wären, um Ihnen das sagen zu können wie ich möchte, hier in der gesunden Bergluft, daß ich nicht mehr zittern müßte für Ihr und der Ihren Leben. Schreiben Sie mir doch recht bald wieder, daß Sie und die Ihren noch gesund und wohl sind.

    Mit tausend herzlichen Grüßen von mir und den Meinigen Ihr ewiger Schuldner

    Franz Michael Felder

    BEILAGE:

    FRANZ MICHAEL FELDER AN WILHELM MANNHART

    Schoppernau den 8 September 1866

    Hochgeehrter Herr!

    Wie gern ich auch Ihr schönes Unternehmen durch Beiträge unterstützen möchte, werde ich aus dem Bregenzerwalde für dießmal doch nur sehr wenig liefern können, da die hiesige Bevölkerung sich einzig durch Milchwirthschaft ernährt und weder Korn noch andere Feldfrüchte - außer Erdäpfel ge­pflantzt werden.

    Es giebt hier eine Menge sogenannter Loostage, die das Wet­ter für die nächste Zeit ankünden, darunter spielen die sg zwölf Nächte von Weihnachten bis zum Dreikönigstag eine sehr wichtige Rolle. Jede Nacht zeigt für einen Monath wie in einem Spiegel das Wetter. Am Dreikönigstag wird in der Kirche Wasser, Viehsalz sammt den in Letzterem versteckten heilsamen Wurzeln geweiht. Das Dreikönigssalz wird dem Vieh beim Gebären und fast in jeder Krankheit gegeben.

    Um Fabian und Sebastian

    Thut das Mark in die Bäume gan*

    Die Sitte des Funkenspringens kommt hier jetzt nicht mehr vor, doch der Funkentag (der erste Sonntag nach Aschermitt­woch) hat seinen Nahmen behalten. An demselben werden die zur Feldarbeit gedungenen Taglöhner, Heuer und Heu­erinnen zum Mahle (Funkenküchlein) eingeladen. Ein zweites Fest das der Bauer mit seinen Arbeitern feiert, ist der Heusonntag. Nach der ersten Heuernte geht er mit seinen Leuten ins Wirthshaus und es ist Ehrensache für ihn da recht viel aufgehen zu lassen.

    Der zweite Heusonntag fällt gewöhnlich mit dem s. g. Alp­sonntag zusammen, dem Feste der aus den Alpen glücklich heimgekehrten Kühe die da die Hauptrolle spielen. Sehr gesucht sind die Holzreste vom (kirchlichen) Charsamstagsfeuer, man braucht sie, um daraus ein Kreuz zu machen welches dann mitten in den Kartoffelacker gestellt wird. Die Kohlen von diesem Feuer werden dem Vieh ins Salz ge­rieben.

    Wenn der Pfarrer am Sonntag ein grünes Meßkleid trägt, giebt es die Woche hindurch Regen.

    Wenn ein Hausvater stirbt, so müssen seine Bienen ihm nach ins Todtenreich, wenn sie nicht gleich nach seinem Tode von dem durch ihn ihnen bestimmten Platz auf einen Ändern gebracht werden.

    Auch den Kühen werden nach dem Tode des Hausherrn die Schellen abgenommen und sogenannte Kleppern von Eisen­blech angelegt die sie dann während des Leidjahres behalten. Wenn ein Hagelwetter kommt, soll man einen Stein (Schlosse) ins Weihwasser werfen, dann werden mit diesem auch die ändern den Feldern drohenden Steine schmelzen und statt Hagel gibts nur wolkenbruchartigen Regen. Wer ein fließendes Wasser verunreiniget, hat der Mutter Got­tes die Wäsche verdorben. -

    Gleich nachdem die Alpen bezogen sind, kommt der Pfarrer des Dorfes zu dem dieselben gehören, um sie zu benediciren und bei im Freien angemachtem Feuer Salz und Wasser zu weihen. Oft schon wurde später auch eine zweite Benedicion des Kessels, Stalles, gefährlicher Stellen u dgl vorgenommen. In „unserer Frauen Zeit", auch Drißgeist genannt, vom 15 August bis 8 September sind alle Pflanzen geweiht und was zu Heilzwecken (für Kranke) geeignet ist, soll um diese Zeit gesammelt werden.

    Am Martinstag werden die sg Brunnenstuben, das Becken in welchem das Wasser sich sammelt, mit Brot, Butter u dgl ge­füttert, damit die Quellen bis zum nächsten Jahre treu blei­ben.

    Mehr Besonderes von der meistens von Männern betriebe­nen Feldwirthschaft weiß ich aus meiner Heimath nicht mit­zutheilen. Reicher wäre wol die Ausbeute auf den Feldern, wo auch das Weib, die eigentliche Wahrerin der Sitte, mit thätig ist. Was ich aber hier mittheilte, hab ich. selbst häufig gesehen und gehört. Mit nur unsicher Gehörtem würde Ihnen sicher nicht gedient sein, da hier, wie es scheint, nur das in neuerer Zeit von den Geistlichen Aufgepropfte schnell wieder untergieng.

    Sollte ich Ihnen später einmal wieder dienen und vielleicht mehr liefern können, so werde ich mich glücklich schätzen etwas zur Förderung Ihres schönen Unternehmens beizutra­gen im Stande zu sein. Mit vollester Hochachtung Ihr ergebenster

    Franz M Felder Post Bezau/Vorarlberg

    * scheint mir fremd, hier sagt man, gau Das Feld soll im Maien-Neumond angebaut (gedüngt) wer­den; das Zeichen des Skorpions soll bei aller Feldarbeit ver­mieden werden. Das Zeichen der Jungfrau macht die Erdäpfel faul, Wassermann gehaltlos, Schütz kleine Frucht der Löwe und die Zwillinge sind die fruchtbarsten Zeichen. Um ein fruchtbares Jahr zu erflehen, werden in der Bittwoche (vor Christi Himmelfart) die Nachbardörfer besucht. Am Him­melfarthstage zieht man singend bethend und den Anfang der vier Evangelien lesend über die Felder. Niemand weigert sich, den frommen Zug über das oft schon ziemlich hohe Gras zu lassen, ja in Au, wo man 1860-61 einige Parzellen des hohen Wassers wegen nicht besuchen konnte gab das Anlaß zu Streitigkeiten, da die Eigenthümer der betreffenden Grundstücke meinten, sie seien einzig darum mit Engerlingen bestraft worden.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 6. September 1866

    Verehrter Herr Keil!

    Ihr geschätztes Blatt, die Gartenlaube ist mein erster Lehrer gewesen und mein Führer in die Welt. Sie würden mir nicht glauben, wie viele Freude mir dasselbe machte und wie viel ich ihm danke. Von meinem etwas wunderlichen Lebenslauf wird ihnen Herr Hildebrand erzählen und dann werden Sie auch begreifen, wie ich dazu kam, der Welt etwas von meiner Heimath und meinen noch unbekanntern Nachbarn erzählen zu wollen.

    Ich erlaube mir, Ihnen beiliegend die Schilderung einer Reise auf den Tannberg vorzulegen die sich vielleicht für die Gartenlaube eignen dürfte. Allerdings ist der Aufsatz etwas lang doch glaubte ich die Stoffmasse nicht noch mehr zusammen­drängen zu sollen, da doch Ihre Leser nicht nur trockene Notizen zu finden gewohnt sind. Die Culturhistorischen und ändern Mittheilungen sind so genau, daß ich dafür bürge. Ich habe Herrn Feurstein in Bezau, von dem ich eine Ansicht von Schröcken im Sommer zu beliebiger Verwendung bei­lege, den  Entwurf meines Aufsatzes vorgelesen, worauf er besonders meine Wahrheitsliebe lobte die auch  aus dem wirklich Vorhandenen etwas zu machen wisse. Was ich daraus gemacht habe, sehen Sie aus beiliegenden Blättern die ich Ihrer Nachsicht empfehlen möchte. Mit vollester Hochachtung Ihr ergebenster

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Ernst Keil
  • 6. September 1866

    Lieber Freund!

    Hier sende ich Dir das Versprochene mit Dank wieder zurück samt einer Abschrift des Gesuchs ans Ministerium, in dem nur die Stelle ausgelassen ist, wo auch auf die Käsproduzenten in ändern Kronländern hingewiesen wurde. Der Abschreiber muß den Satz übersehen haben. -

    Auch liegt eine ziemlich genaue Abschrift meines Aufsatzes über den Tannberg bei, den ich nächstens fortschicke; lese ihn bald, damit ich vielleicht Dein Urteil benützen kann. Ich habe nun Elsensohns Sagen gelesen und den Freunden in Bezau, wie sie es wünschten, meine Meinung darüber gesagt. Ich lege Dir eine vom Wible genommene Abschrift jenes Briefes bei. Mir will das Buch gar nicht gefallen und der Mann auch nicht. Zuerst hab ich mich darüber fast geärgert, zuletzt gelacht, wie aus dem Urteil zu sehen.

    Natter hat wieder einen recht hübschen Brief geschrieben. Sonst hab ich heute wenig Zeit zu schreiben, denn wir sind im Heuen. Feurstein will als Vorschule einen Konsum, einen Salzhandlungsverein gründen. Wie viele Schwierigkeiten so ein Verein hat, wenn er eine Wohltat fürs Volk sein soll, sieht erst, wer die Statuten entwerfen soll. Das Geld wäre von den Aktionären zu bekommen, wenn man diesen Vorteil vor ändern zugesteht. Dagegen gibt es nun wohl kein Mittel, als Aktien zu zehn Gulden auszugeben, daß der Beitritt jedem möglich wird. Das ist mir die Hauptschwierigkeit, ich, der die Ordnung entwerfen soll, möchte Deine Ansicht hören. Wenn der Salzhandlungsverein wirklich eine Vorschule würde, wäre es mir schon recht, und einzig darum hab ich den Plan der Bezauer nicht verworfen. Schreibe bald Deinem Freund

    Felder

    Das für Isabell Verlangte wird gekommen sein. Meine Rech­nung kommt der Deinen vom letzten Frühling gleich, 1  Fl 50 Kr.ö.W., also wären wir von dort wett.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 2. September 1866

    Lieber Freund,

    Ich darf Sie ja wol so nennen nach dem was wir zusammen und an einander nun schon innerlich erlebt haben - es läßt mir keine Ruhe Ihnen sofort Nachricht zu geben von einer glücklichen Wendung in unserer Angelegenheit, mit der wir vielleicht ein für allemal über den Berg sind, sodaß Sie nun freies Feld gewinnen. Vor zwei Tagen erhielt ich von Prof. Gosche aus Halle einen Brief mit der Bitte um Übersendung Ihres Schwarzokaspale zum Behuf einer Besprechung in dem Jahrbuch für Literaturgeschichte, das er seit vorigem Jahre her­ausgibt. Er hat für den 2. Jahrg. einen Aufsatz über die Dorf­geschichte unter der Feder, hatte durch meine dortigen Freunde von Ihnen gehört, und nun sollen Sie da mit ver­arbeitet werden vom literaturgeschichtlich ästhetischen Stand­punkt aus. Gosche ist ein Mann der ernsten Wissenschaft, zu­gleich geistreich im besten Sinn des Worts und hochbegabt, zufällig auch ein Universitätsfreund von mir. Sein Jahrbuch macht in trefflicher Weise den Versuch die Literaturgeschichte des Tages und die ästhetische Kritik wieder auf wissenschaft­lichen Standpunkt zu stellen und ist sehr angesehen, geht auch ins Ausland. Das ist denn der rechte Platz, den ich mir für Einführung Ihrer Arbeiten beim Publicum nur wünschen konnte, und auch Hirzel, dem ich den Antrag auf der Stelle mittheilte, und Freytag (der sehr theilnehmend nach Ihnen fragte) sind sehr zufrieden damit.

    Ich. schickte ihm sofort mein Exemplar, und legte einige Ihrer Briefe bei, die ersten, mit denen ich für Sie Propaganda ge­macht habe; er wünschte nämlich Personalien von Ihnen und wußte schon von den Briefen. Schon heute hab ich nun Ant­wort von ihm, nachdem er das Schwarzokaspale erst zu lesen angefangen. Er schreibt mir über den Eindruck den es ihm macht, und - wir können sehr zufrieden damit sein, Sie wer­den neben Auerbach Figur machen in einer Weise die Ihnen wol große Freude machen wird, und Mut der Zukunft gegen­über; auch wird das sicherlich Ihren Leserkreis erweitern, hoffentlich auch in die Kreise hinein in denen die rechten Kenner zu suchen sind. Vor allem aber ist nun dadurch ent­schieden daß Hirzel die Sonderlinge druckt (deren Anfang ihm nicht recht zusagen wollte), ich denke auch bald, hoffent­lich bald nach dem Erscheinen von Gosches Aufsatz, der in den nächsten vier oder sechs Wochen zu erwarten ist. Inzwi­schen wird auch, über das Schwarzokaspale das Urtheil von Freytag einlaufen, der jetzt erst dazu kommt auf seinem Som­meraufenthalt bei Gotha es mit Muße zu lesen, und von Scheffel in Karlsruhe den ich brieflich darum gebeten habe; daß die beiden den Werth daran aber finden, dessen bin ich gewiß, und dann kann Hirzel nicht mehr widerstehen. Also guten Mut über alle Not hinweg!

    Auch guten Mut in politicis! Deutsch-Österreich gehört zu uns, und es muß uns werden, wie auch immer, und wenn wirs auch nicht mehr erleben. Glauben Sie nur, sobald sich der Aufruhr der Dinge erst setzen und klären wird, wird als­bald ein gewaltiger Drang kommen von allen Seiten, von den Besten und von Vielen die jetzt erst zu national politischem Leben aufwachen werden, um die Zerreißung zu überwinden die man in Berlin jetzt für nothwendig hält und die bei dem dort einmal eingeschlagenen Wege auch nothwendig sein mag. Die ganze Kraft der Deutschen, deren Größe wir noch nicht kennen, hat nun nur ein Ziel und nur einen Weg, ein Glück das in der deutschen Geschichte kaum noch dagewesen ist: Einigung unter Preußens Führung, und das wird auch Ihnen bald zu Gute kommen, wenn auch, anfangs nur auf Umwegen. Sie müssen zunächst die Bureaukraten und be­sonders die Römlinge bekämpfen, und namentlich das Letz­tere wird vielleicht in nächster Zeit durch die Wucht der Dinge unterstützt, die sich in Rom selbst vorbereiten. Ich blicke wieder hoffnungsvoll in die Zukunft trotz der Cholera die jetzt auch hier bei uns stark auftritt, meine Hoffnung ist aber von je her nur an ganz Deutschland gebunden gewesen; während dieses Sommers hab ich in mir entsetzlich gelitten. Gosche bat mich übrigens um Erlaubniß, seinem Aufsatze auch von Ihren persönlichen Verhältnissen das Nöthige ein­verleiben zu dürfen. Daß er es mit Schonung für Ihre Stellung zu den Gewalten Ihrer Heimat thue, darum hab ich ihn schon gebeten; aber wer und wo Sie sind, das muß der Leser wis­sen, um Ihre Leistungen in ihrem rechten Lichte, in ihrem ganzen Glänze zu sehen, und Sie habens mir ja eigentlich auch schon erlaubt.

    Eigen wie Ihnen Nordeutschland entgegen kommt - Gosche ist ein Berliner Kind, sein Jahrbuch erscheint in Berlin, Hirzel ist ein halber Berliner, nur hab ich Mitteldeutscher das alles vermittelt. Der Verf. des Aufsatzes in der Flensburger Nordd. Zeitung ist ein preußisch gesinnter Leipziger, Hr. Dr. Land­graf, aus einer unsrer Patrizierfamilien, der jetzt im Dienst der preuß. Regierung in Flensburg das Annexionsblatt leitet, übrigens ein trefflicher begabter junger Mann, den ich bei Hofrath Freytag kennen lernte und der zugegen war bei Buchh. Mayers, als ich diese mit Ihrer Angelegenheit eines Abends unterhielt, daher der Aufsatz. Ich hab ihn übrigens nicht gelesen, die Zeitung ist hier nicht zu haben; Landgraf konnte übrigens so klug sein mir auch ein Exemplar davon zuzuschicken, vielleicht kann ich ihn noch drum bitten lassen, wenn ich schon Gruß und Dank bestelle; ich. weiß freilich noch nicht wie.

    Die mitgeschickten Nummern der Zeitungen aus Ihrer Hei­mat waren mir sehr interessant, Sie lassen sie mir wol noch ein Weilchen. Aber, lieber Freund, ein Schimpfartikel ist das doch nicht von Vonbun, wie Sie es zuerst nannten - ei ei! Die hypochondrische Dichterempfindlichkeit! Vonbun ist da­nach einer von den selbstgefälligen Studierten, die sich für geistreich halten, wie sie es zu Hunderten gibt, und Ihr Herr Schwager hat ihn wahrhaft vortrefflich abgefertigt (bitte grü­ßen Sie mir doch Ihren Hrn. Schwager bei Gelegenheit); aber Übelwollendes kann ich. in Vonbuns Aufsatz doch nicht fin­den, auch nicht die Meinung, daß ein Dorfbewohner nicht der Mann wäre um eine Dorfgeschichte zu schreiben, wie Sie mir ein andres Mal angaben. Aber nichts für ungut, ich will sie nicht auch noch ärgern.

    Und doch - ich muß Sie wirklich noch einmal ärgern - Ihr Gedicht, das Sie mir mitschickten, war mir sehr interessant durch seinen Inhalt, es spiegelt Sie in liebenswürdiger Weise wieder; aber - als Gedicht, lassen Sie michs offen sagen, ist es mit Ihren Romanen durchaus nicht auf gleiche Stufe zu stellen, es klingt mit Abrechnung einiger vortrefflicher Zeilen zu sehr wie 18. Jahrhundert, an Gleim, Hölty, Salis erinnernd - bitte, ärgern Sie sich nicht darüber. Ich will Ihnen lieber rasch doch noch herschreiben, was Gosche vorläufig von Ihrem Nümmamüllers urtheilt: „Zwar übersehe ich natürlich noch nichts von der Architektonik (dem künstlerischen Auf­bau) seiner Erzählung; aber seine Behandlung des Einzelnen ist so frisch charakteristisch und wirkt so unmittelbar, daß ich in dieser Beziehung an die wirksamsten Momente des Goetheschen Realismus erinnert werde" - was ich wörtlich unterschreibe.

    Aber genug für dießmal. Glück zur Zukunft für Sie und uns Alle, damit grüßt Sie herzlich Ihr

    R. Hildebrand.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1866

    Lieber Freund!

    Von meiner Reise glücklich und vergnügt zu Hause angelangt, hab ich mich gestern an Elsensohns Sagen gemacht und will nun Dir und unsern Freunden (Förster etc) meine Gedanken kurz mittheilen. Gottlob! noch selten hat ein Buch einen so ungünstigen Eindruck gemacht wie dieses. Man   müßte,   um   daran   Genuß  zu   finden,   so   ganz   alles Schwunges, aller Poesie baar sein, wie das von uns Wäldern in der wunderlichen Vorrede behauptet wird. Das sind wir aber nicht was aus meiner Beurtheilung erhellen wird, die ich im Interesse der Wissenschaft und zur Ehrenret­tung der Wälder veröffentlichen zu sollen glaube. Also wir haben kein Gemüth - der Realismus beherrscht uns weil Elsensohn nicht noch mehr Sagen vorfand!!! Haben etwa halbwilde Völker Gemüth, wenn sie die Welt mit Teufeln bevölkern?

    Ist in den im Dialekt gebrachten Sagen kein Gemüth? Und die alle sind von einem ächten Wälder nämlich von mir. Es wäre eine schöne Sache gewesen, wenn Herr Elsensohn das ange­geben hätte wie andere Gelehrte denen derselbe Mitarbeiter diente, doch dazu war der Herr Professor dem realistischen Wälder gegenüber zu - gemüthlich.

    Gemüthlich? Sind es die vom Herrn E gebrachten Übersetzun­gen meiner dialektischen (?) Beiträge. Ein Vergleich wird lehren daß sie es nicht sind. Sie Sind aber auch ungenau um das gelindeste Wort zu brau­chen. Seite 10 übersetzt er Glishose in „eine von Schmutz glänzende Hose", und doch weißt Jederman daß das Wort Gliedshose einen Strumpf ohne Socken bedeutet. So geht es wenn man sich mit fremden Federn schmückt ohne daß man damit umzugehen weiß. Frag ihn doch einmal was eine Glieshose sei, damit Du für eine zweite Auflage ihm die nöthige Auskunft geben kannst, wenn ich bis dahin nicht Zeit finde, das anderwärts zu bemerken.

    Das Buch könnte nämlich auch anderwärts gelesen und aus­geschrieben werden und eben darum hat vieles in demselben mich so geärgert. Um noch so gelinde als möglich zu reden ist es wunderbar, daß ein Professor dem seine Wissenschaft seine Religion sein sollte diese so behandelt, daß er vor Fäl­schungen nicht erröthet und die Stirn hat, so etwas mit gelehrtem Aparat zu behangen, und realistisches Zeug mit gemüthvollen Lügen aufzuputzen.

    „Aber wegen einer Glieshose so viel Staub aufwerfen ist doch zu arg."

    Als ob das die einzige Fälschung wäre. Seite 9, um ein Beispiel anzuführen, findet sich der gesottene Kuhhirt von der Alp Schiedein. Diese Alp kenne ich als ihr Besitzer und langjähri­ger Pfister doch auch ein wenig, die erwähnte Sage aber habe ich nie gehört.

    Nun solche alten Geschichten sind eben zu Grunde gegan­gen. - Gut aber die alte Schiedel ist meines Wissens nie zu Grunde gegangen und wenn Herr Professor etwa das zugeste­hen, so ist ganz klar, daß die Geschichte vom gesottenen Kuhirt bis zum Jahre des Unheils 1866 noch von keinem Auge gesehen und von keinem Ohr gehört wurde. Urkund dessen:

    Jede Sage paßt auf den ihr untergelegten Boden wie eine Faust auf ein Ohr. Die Sagen würden wenig Glauben finden wenn man sie in die Luft hängte, wenn sie nicht fruchtbaren Boden fände[n]. Jede Sage wuchs aus dem Boden, dem Fluß dem Felsen heraus, das weis ich bestimmt vom lesen, leben und beobachten. Herr Elsensohn aber scheint das nicht gewußt zu haben trotz den von ihm in der Vorrede angeführ­ten Werken sonst würde er doch etwas geschikter naturgemä­ßer gelogen haben (Dichtung ist das nicht.) In dem mehr­erwähnten Gesage vom gesottenen Küher vernahm ich mit Staunen, daß der eigenthümlich verunglückte Küher aus der obern Alp (Hefte) einen Kessel holen wollte. Wer hat aber und wozu hat man den Kessel dort hinauf gebracht. Doch nicht etwa zum Sennen? Freilich wurde dort in den 30gerjah­ren ein kleiner Nothstall gebaut aber von einer Sennerei war, seit die Schiedel in jetziger Form da steht wol nie die Rede. Die erwähnte Sage müßte also eine vorsündfluthliche sein; in welchem Fall es dann allerdings begreiflich wird, daß ein realistischer Wälder sie nicht gehörig zu schätzen weiß. Ich für meine Person glaube nicht an Wunder, und erkläre daher die - Sage als eine derjenigen die bei uns nicht vor­kommen. Darum aber hab ich sie noch nicht weg geworfen. Da sie nicht einem so realistischen Volke entstammt, das aller Poesie bar, wird sie sich wenigstens in ihrer Tiefe und Gemüthlichkeit vor den Wäldersagen auszeichnen. ­Und wirklich:

    Ein Alpknecht glaubt nicht an Gespenster und wird dafür von ihnen in einem Milchkessel - gesotten auf der obern Alp Schiedein.

    Wie gemüthlich und poetisch, welche Tiefe und Höhe und dabei  diese Zartheit der  Empfindung  und  der tiefsittliche Grundgedanke so sagenhaft fein umduftet o o o ! Ich bin überzeugt, diese und ähnliche Sagen sind vom Her­ausgeber und diese Überzeugung läßt michs leicht erklären, wie Herr E ein Volk, zu dem er sich selbst zählt ungemüthlich und aller Poesie baar finden kann. Doch genug.

    Dem Förster, der den Lassalleschen Stil auf die Briefschreibe­kunst angewendet zu sehen wünschte, kannst du dieses zei­gen. Ich habe eine Abschrift behalten die ich vielleicht benüt­zen werde —

    Der Salzhandlungsgedanke findet anklang. Eine Schwierigkeit ist die Ungleichheit des Fuhrlohns z B nach Egg oder hieher, da dieß eine Doppelrechnung nöthig macht. Ich habe so mei­nen Plan, aber ich möchte lieber den Deinen hören.

    Mit so herzlichen Grüßen, wie man es von einem der realisti­schen, aller Poesie baaren Wälder nur erwarten kann ver­bleibe ich Dein treuer Freund

    Franz M Felder

    lachend über das rothe Fuder Heu, das Herr Elsensohn uns in den Stadel stellte.

    Die Gartenlaube dankend erhalten. Meine Kritik konnte nur Beispiele herausnehmen von hier, mir scheint, auch Du soll­test ähnliche wissen müssen. Schreibe bald!!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 1. September 1866

    Verehrter Herr Felder!

    Vor allem danke ich Ihnen für die Übersendung der Monats­hefte. Der erste Einblick hat mir gezeigt, daß darin viel Inter­essantes ist. „Schwarzpale" werde ich heute Hrn Elsensohn übermitteln, jedoch von Ihrer freundlichen Erlaubniß, es lesen zu dürfen mit Freuden Gebrauch machen, sobald H. E. damit fertig ist.

    Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir meine Bitte um den Anfang des in der Beilage der Allgem. Zeitung vom d. 1865 erschienen Aufsatzes „W. H. Rüssel über die gescheiterte transatlantische Telegrafenleitung" zu wiederholen. Den Schluß davon Nr. 237 besitze ich, der Anfang dürfte in den Nr. 236 - 235 etc enthalten sein die mir sehr abgehen, weil die Sache dort gründlich behandelt ist und ich es zu der eben

    in Arbeit befindlichen historischen Einleitung benöthige. Falls Sie diese Nr. besitzen, so bitte ich nochmals inständigst mit­telst Auer Bothen darum.

    Ich habe die Absicht gehabt Ihnen heute auch so zu schrei­ben, da ich Ihnen in Ihrem Interesse eine Ansicht mittheilen will:

    In Ihrer Beschreibung der Reise nach Thannberg führen Sie mehrmals die Anwesenheit eines „Adjunkten" die treue Pho­tografie eines verknöcherten Beamten auf. Für die zahlreichen Leser der Gartenlaube in Vorarlberg und Tirol wird es sehr leicht sein, sich Ihren Hrn Schwager darunter vorzustellen, da Sie ihn noch über Stuben nach Bludenz zurückreisen lassen. Das Bild wird seiner Personverwechslung eben nicht schmei­cheln. - Daß es aber aus Rücksicht auf ihn und Ihre Beziehun­gen zu ihm sowohl, gerathener erscheinen dürfte den „Ad­junkten" in den einfachen „Beamten" umzutaufen, werden Sie selbst einsehen. Unter der allgemeineren Bezeichnung „Beamte" wird Niemand Ihren H Schwager suchen, und sich an diesem Typus der Feder und §§ höchstens erfreuen. Ge­genüber den übrigen außerösterreichischen Lesern der Gar­tenlaube erscheint es sogar geeigneter u. passender, da in Deutschland draußen der Adjunktentittel nur ändern Gehül­fen zukommt, in der Beamten Hyrarchie aber gar nicht vor­kommt. Er würde eher eine Verwechslung des Gerichtsbeam­ten mit irgend einem Handreicher (Schreiber) herbeiführen. Ihre Kritik über Elsensons Sagen habe ich mit Vergnügen gele­sen. So treffend gezüchtiget hätte ich mir sie nicht gedacht. Die unverzeihliche Außerachtlassung der Hauptbezugsquelle im Anführungsverzeichnisse hat aber eine solche Beurtheilung mit vollem Rechte verdient. Auch die Folgerungen über einige Sagenunrichtigkeiten sind schlagend durchgeführt. Sie halten sich hauptsächlich darüber auf daß das Bregenzer­volk v. E. als Sagenarm, Poesiearm u. realistisch [gefürt] ist. Ich muß selbst gegen Ihre Anschauung offen u. ehrlich geste­hen, daß etwas Wahres daran ist, da selten ein Völkchen so Liederarm, und Gesangarm ist wie der Wäldler. Die allerdings

    etwas realistische Ausprägung ihrer intensiven Thätigkeit ist für die W. keine Schande, sondern nur ein bezeichnender Vorzug, der keineswegs die poetische Seite und die Gemüths­(Seelen)bildung des Völkchens zu ersticken berufen ist. Die letztere durch einen reichen Liederschatz zu heben und dem realen Drange bestimmte Gränzen zu setzen ist die dank­barste Aufgabe der Dichter des Waldes. Heben Sie daher den Schatz u. das empfängliche Gemüth der Bevölkerung wird denselben aus Ihrer Hand dankbar empfangen. „Wo man singt da laß dich nieder, Böse haben keine Lieder" sollte sich bewahrheiten und mit volkstümlichen Liedern wird so manche rauhe Seite des Volkscharakters gründlich abge­schliffen. Das gute Lied lehrt ja nur die Liebe zum Weibe zum Kinde zur Menschenwürde u. edlen Handlungsweise kennen aber auch die schöne große Natur in ihrem ganzen Werthe u. Größe erkennen etc etc etc Ihr

    Hanns Koderle

    Hanns Koderle
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1866

    Lieber Freund!

    Von meiner Reise glücklich und vergnügt zu Hause angelangt, hab ich mich gestern an Elsensohns Sagen gemacht und will nun Dir und unsern Freunden (Förster) meine Gedanken kurz mitteilen.

    Gottlob! noch selten hat ein Buch einen so ungünstigen Ein­druck gemacht wie dieses.

    Man müßte, um daran Genuß zu finden, so ganz alles Schwunges, aller Poesie bar sein, wie das von uns Wäldern in der wunderlichen Vorrede behauptet wird. Das sind wir aber nicht, was aus meiner Beurteilung erhellen wird, die ich im Interesse der Wissenschaft und zur Ehrenrettung der Wäl­der veröffentlichen zu sollen glaube.

    Also, wir haben kein Gemüt - der Realismus beherrscht uns, weil Elsensohn nicht noch mehr Sagen vorfand!!! Haben etwa halbwilde Völker Gemüt, wenn sie [ihre] Welt mit Teufeln bevölkern?

    Ist in den im Dialekt gebrachten Sagen kein Gemüt? Und die allesind von einem echten Wälder, nämlich von mir. Es wäre eine schöne Sache gewesen, wenn Herr Elsensohn das ange­geben hätte wie andere Gelehrte, denen derselbe Mitarbeiter diente. Doch dazu war der Herr Professor dem realistischen Wälder gegenüber zu - gemütlich. Gemütlich? Sind es die vom Herrn E. gebrachten Übersetzungen meiner dialekti­schen (?) Beiträge.

    Ein Vergleich wird lehren, daß sie es nicht sind. Sie sind aber auch ungenau, um das gelindeste Wort zu brauchen. Seite 10 übersetzt er Glishose in „eine von Schmutz glänzende Hose", und doch weiß jedermann, daß das Wort Gliedshose, einen Strumpf ohne Socken bedeutet. So geht es, wenn man sich mit fremden Federn schmückt, ohne daß man damit umzugehen weiß.

    Frag ihn doch einmal, was eine Glishose sei, damit Du für eine zweite Auflage ihm die nötige Auskunft geben kannst, wenn ich bis dahin nicht Zeit finde, es anderwärts zu be­merken.

    Das Buch könnte nämlich auch anderwärts gelesen und aus­geschrieben werden, und eben darum hat vieles in demselben mich so geärgert. Um noch so gelinde als möglich zu reden, ist es wunderbar, daß ein Professor, dem seine Wissenschaft seine Religion sein sollte, diese so behandelt, daß er der Fälschungen nicht errötet und die Stirn hat, so etwas mit ge­lehrtem Apparat zu behangen und realistisches Zeug mit gemütvollen Lügen aufzuputzen.

    „Aber wegen einer Glishose soviel Staub aufwerfen ist doch zu arg."

    Als ob das die einzige Fälschung wäre?

    Seite 9, um ein Beispiel anzuführen, findet sich der gesottene Kuhhirt von der Alp Schiedelen. Diese Alp kenne ich als ihr Besitzer und langjähriger Pfister doch auch ein wenig, die erwähnte Sage aber habe ich nie gehört. Nun, solche alte Geschichten sind eben zugrunde gegan­gen.-

    Gut, aber die alte Schiedel ist meines Wissens nie zugrunde gegangen, und wenn Herr Professor etwa das zugestehen, so ist ganz klar, daß die Geschichte vom gesottenen Kuhhirt bis zum Jahre des Unheils 66 noch von keinem Auge gesehen und von keinem Ohr gehört wurde.

    Urkund dessen:

    Jede Sage paßt auf den ihr unterlegten Boden wie eine Faust auf ein Ohr. Die Sagen würden wenig Glauben finden, wenn man sie in die Luft hängte, wenn sie nicht fruchtbaren Boden fänden. Jede Sage wuchs aus dem Boden, dem Fluß, dem Felsen heraus, das weiß ich bestimmt vom Lesen, Leben und Beobachten. Herr Elsensohn aber scheint das nicht gewußt zu haben, trotz den von ihm in der Vorrede angeführten Werken, sonst würde er doch etwas geschickter, naturge­mäßer gelogen haben, (Dichtung ist das nicht). In dem mehr erwähnten Gesage vom gesottenen Küher vernahm ich mit Staunen, daß der eigentümlich verunglückte Küher aus der obern Alp (Hefte) einen Kessel holen wollte. Wer hat aber und wozu hat man den Kessel dort hinauf gebracht? Doch nicht etwa zum Sennen?

    Freilich wurde dort in den dreißiger Jahren ein kleiner Not­stall gebaut, aber von einer Sennerei war, seit die Schiedel in jetziger Form dasteht, wohl nie die Rede. Die erwähnte Sage müßte daher eine vorsündflutliche sein, in welchem Falle es dann allerdings begreiflich wird, daß ein realistischer Wälder sie nicht gehörig zu schätzen weiß.

    Ich für meine Person glaube nicht an Wunder und erkläre daher die - Sage als eine derjenigen, die bei uns nicht vor­kommen. Darum aber hab ich sie noch nicht weggeworfen. Da sie nicht einem so realistischen Volke entstammt, das aller Poesie bar, wird sie sich wenigstens in ihrer Tiefe und Gemüt­lichkeit vor den Wäldersagen auszeichnen. ­Und wirklich:

    Ein Alpknecht glaubt nicht an Gespenster und wird dafür von ihnen in einem Milchkessel - gesotten in der oberen Alp Schiedein.

    Wie gemütlich und poetisch, welche Tiefe und Höhe und dabei diese Zartheit der Empfindung und der tiefsittliche Grundgedanke so sagenhaft fein umduftet, o, o, o! Ich bin überzeugt, diese und ähnliche Sagen sind vom Heraus­geber, und diese Überzeugung läßt nichts leichter erklären, wie Herr E. ein Volk, zu dem er sich selbst zählt, ungemütlich und aller Poesie bar finden kann.

    Doch genug!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 28. August 1866

    Lieber Freund!

    Nicht nur mir und Dir, sondern vielen einsichtigen Käspro­duzenten hat der Artikel in der Feldkircher Zeitung Kopfarbeit gemacht. Dennoch wäre wohl ohne Dich wenig oder nichts geschehen. Wie bei uns, so ist auch hier in Bezau, wo ich mich seit gestern befinde, nur geschimpft, nicht aber ge­handelt worden. Auf der Reise hieher hab ich beim Gallus eingekehrt. Ich war noch unschlüssig, was ich da tun sollte. Die kurze Unterredung mit ihm hat entschieden. Hier ist kein Wachswetter, hab ich gedacht, und ihn in seines Nichts durchbohrendem Gefühl allein gelassen. Ich hoffte nun auf Feurstein und ich wurde nicht getäuscht. Du solltest uns herumrennen sehen!!

    Glücklicherweise war auch Bechter, Vorsteher von Hittisau, hier. Ich hab ihm, diesem Gegner der Bourgeoisie, wie auch ändern Vertrauten Deine Korrespondenz vorgelegt und da­durch ihre Urteile über den Kammergeist - bestätiget. Ich zähle nicht auf, mit wem wir da und dort redeten. Ich und Feurstein haben, jeder einzeln, eine Bittschrift verfaßt, und es weichen die beiden Dokumente nur in der Form ab. Wir glaubten das gleich tun zu sollen, um ändern, die wir ge­winnen wollen, etwas Bestimmtes vorlegen zu können. Auch Bezirksvorsteher Müller will sein Möglichstes tun. - Ich und Feurstein hatten unter uns folgende Gedanken für maß­gebend gehalten: Die Kammer hat sich nur für ihre (Ganahl) Interessen zum Bitten entschlossen, also müssen auch wir es so machen, und in Erwägung, daß die Folgen unseres Schrittes weniger den Handelsstand als die Produzenten, auf die von ersterem abgewiesen wird (Lassalle), betreffen, ist die Ange­legenheit eine allgemeine, und sollen daher sämtliche Vor­stehungen in Eile ein Gesuch an das Handelsministerium unterzeichnen. Bezirksvorsteher Müller hat angeraten, eine Abschrift der Petition ans Ministerium auch der Kammer samt höflicher Aufklärung zu übersenden. Heute Nachmittag wird hier über die Sache verhandelt, wobei wohl auch die beiden Landtagsabgeordneten gegenwärtig sein werden. Noch heute hoffe ich, Dir also noch mehr mitteilen zu können. Nun plaudern wir noch bis Feursteins Mittagsschläfchen zu Ende. Wir gingen gestern etwas spät zu Bette.

    Den Demokrat hab ich gleich nach Absendung meines letzten Briefes erhalten - er macht mit Schluß der Landtagssitzungen in Ungarn, als man bei Custozza zu Atem kam, für immer Kehrum und will mit so einer Macht nichts mehr zu tun haben. Das Reichsgesetz hat er schon lange gebracht, seine jetzige Richtung kannst Du Dir denken. Die gewünschten Nummern werde ich schicken, sobald Feurstein damit fertig ist, was wohl nicht mehr lange währen wird. Von Hildebrand hab ich am 20. d. Ms. einen Brief erhalten, aus dem ich, Dir nicht uninteressant, folgende Stellen aus­schreibe (beiläufig): „Wir haben keine solchen Siege Preußens gewünscht, obwohl wir auch Siege Österreichs nicht wün­schen konnten. Nun aber sehen wir die Zukunft klar und heiter vor uns, nach so langem Schwanken und Schweben. Aber Ihr da drunten - doch sind Sie uns nie verloren, be­sonders Sie in Südwesten müssen .. ."

    Die Sonderlinge werden wohl noch in diesem Jahr erscheinen. Etwaige Änderungen wünscht H. bald. Ich habe noch nichts beschlossen. Daß ich etwa Gefühlspolitik treibe, fürchte ich nicht, das werde ich dem Helden überlassen, mit dem der Dichter sich geschwägert. - Doch man wird sehen, heut hab ich sonst noch zu sinnen. Der Isabell soll das Gewünschte bald übersendet werden. Mit meinem Glückwunsch zu Nr. 3 (Mikle) bin ich fast zu spät; doch ist es darum nicht minder herzlich, möge das Kind des lieben Namens wert bleiben. Auf der Auer-Kilbe war es schlecht. Wenig Leute, wenige Ge­schäfte, kein Tanz. Dein Bruder hat seinen Käs wie viele dem J. A. Ratz auf Gnade und Ungnade überlassen. - Den Grund der Färbung meines letzten Briefes hab ich nicht mehr Zeit zu schreiben, er läge Dir doch wohl zu fern. -

    30.8.

    Der Bezirksvorsteher hat, unsere Entwürfe benutzend, die Bittschrift aufgesetzt. Sie wird nun wohl recht sein, obwohl sie mir zu enge scheinen will. Der Freihandel im allgemeinen sollte vielleicht schärfer betont werden. Dein letzter Brief gefällt hier so gut wie mir. Ich werde Dir nächstens die sehr interessante Korrespondenz mit einem Bogen der Bittschrift schicken. Die Sache findet allgemein Anklang, und mein Ver­einsplan wird in jeder Weise gewinnen. Über Elsensohn, Greußing und Dr. Greber ein andermal. Die frohen in schöner Tätigkeit verbrachten Stunden sind gezählt. Ich muß machen, daß ich heim komme. Die Antwort des Königs von Preußen? Wollte man noch nicht trauen oder nur den Rittern einen Spaß machen? Mir ist das unerwartet. Ratz ist sehr wohl, unsere Schritte freuen ihn besser als die - Galle. Ich muß für heute schließen, denn noch werden mich der Förster und Elsensohn besuchen, um mich ein Stück zu be­gleiten. Ich wollte, ich könnte den Feurstein, bei dem ich hier wohne, für immer mit heim nehmen.

    Mit vielen herzlichen Grüßen an Dich und die Deinen ver­bleibe ich Dein treuer, übermüdeter, neuermutigter, froh in die Zukunft blickender, stolzer Bregenzerwälder und Freund Felder, der vor kurzem einen wunderlichen Artikel für die Gartenlaube schrieb und hier vorlas.

    F.

    Franz Michael Felder
    Bezau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. August 1866

    Lieber Freund!

    Du hast nicht ganz unrecht, daß Du sagst, daß es jetzt bequem sei, keine Zeitungen zu lesen, aber noch bequemer ist es doch, von der Weltlage etwas zu wissen, als monatweis nichts davon zu hören. Ich war sehr erfreut, endlich wieder einmal Nachrichten von Dir zu bekommen. Ich habe mir zwar vorgenommen, die jetzigen Ereigniße zur Geschichte werden zu lassen, u. erst dann nachzusehen, wie alles gegangen sei. Auch ist der Mensch immer Egoist, hätte mir der Krieg sehr geschadet, würde ich wohl nicht ruhig geblieben sein, obwohl ich auch so nicht gleichgültig dagegen bin. Ich begreife leicht die Aufregung unserer Landsleute, denn ich habe das Beispiel davon an den hiesigen Montafonern u. deren Briefen die sie aus ihrer Heimath bekommen. Ärger können sie doch nicht wohl thun, als diese. Auch glaube ich, daß ihnen die Agitation jetzt schon von Nutzen, sie wissen jetzt jedenfalls besser, woran sie sind, als früher, wo sie sich selbst überlassen waren. Deine Pläne sind jetzt zwar aufge­schoben, aber nicht aufgehoben, besonders, da Du die tüchti­gen Männer im ganzen Walde herausfindest u. zusammen bringst. Was sagen jetzt die Unterdörfler dazu, die früher so mitleidig auf dieses Treiben herabsahen, als ob es sie gar nichts angienge.

    Den Franzosen hört man es immer an, daß nicht allein ihr Kaiser, sondern das gesamte Volk des Glaubens ist, an der Spitze der Civilisation zu marschieren, immer sind sie voll Lobes über ihre Zustände u. Einrichtungen, den Fremden gegenüber u. nirgends ist es zu leben, wie in Frankreich. Auch der Kriegs- und Eroberungsgeist ist allen Franzosen gemein. Doch wird das auch sein Gutes haben, es trägt wenigstens zur Eintracht bei, die einem Volke Kraft gibt. Dächten die Deut­schen so, es wäre vielleicht manches anders. Über die jetzigen neuen Zustände in Deutschland können wir den Winter mit einander reden, hoffentlich ist der Friede geschlossen, bis Du diesen Brief erhältst, u. dann kann auch Dein Manuskript als ein neues Werk seine Reise in die Welt beginnen, daß man es im Winter zu lesen bekommt. Es freut mich auch sehr, daß es so gut ausfällt, das macht Dir wieder Lust zu neuem Schaffen, wenn einmal Dein jetziger Ärger vergangen ist.

    Am 15. d.M. war ich in Besancon, bei dem glänzenden Feste, das abgehalten wurde. Mich hat es nicht sehr begeistert, obwohl viel Pracht u. Aufwand zu sehen war. Es war auch eine ungeheure Menge Volk dort, von allen Dör­fern in der Umgegend u. lief den ganzen Tag in den Strassen herum. Vormittag zog der ganze Gerichtshof in Amtstracht nach der Kardinalskirche, wo feierliches Amt abgehalten wurde. Nachmittags war grosse militärische Revue der Garni­son, der viele Hunderte von Menschen beiwohnten, unter anderm auch ich, was ich dabei dachte, will ich Dir später sagen, am Abend ein grosses Feuerwerk u. Beleuchtung in der Stadt. Wozu denn das Alles? Ich wüßte keinen hinlänglichen Grund dafür.

    Die „Gottesidee aus der Schule" hat mir schon länger nicht mehr gepaßt, als seit ich von Hause weg bin. Doch bin ich früher nicht so gerade mit der Sprache heraus, wie jetzt, da ich ganz allein stehe, auch war ich mit mir selbst nicht ganzeins, wie auch jetzt noch nicht, denn es ist eben keine leichte Sache, wenn man gründlich dabei verfährt. Ich muß die Geschichte noch einmal gründlich durchnehmen, bevor ich zu einem Ende in dieser Sache komme. Ich begreife jetzt wie es so viele Ungläubige gibt, die an ihrem Lebensende alles wieder glauben u. thun, worüber sie im Leben so oft spotten. Denn sie geben sich nicht die Mühe, über diese Frage nachzu­denken, bis es zu spät ist u. ist ja der Glauben das Bequemste. Doch später mehr davon.

    Wenn ich nur meine Bücher hier hätte, am Sonntag hätte ich den ganzen Tag Zeit zu lesen, da man mit Kirchengehen natürlich nicht viel Zeit verliert. Auch werden jetzt die Nächte länger, so daß man nicht mehr im Stande ist, dieselben ganz zu verschlafen. Deßwegen bin ich froh, daß der Sommer bald zu Ende ist, damit ich wieder in Dein trautes Stübchen hinein­sitzen u. nach Herzenslust in den Büchern herumstöbern kann. Das nächstemal werde ich die Bücher mitnehmen. Letzthin erhielt ich einen Brief von Hause, der nichts enthielt, als das Sterberegister von Au u. Schoppernau. Kein Wort von der Bewerbung um die Posthalterstelle, so daß ich nicht gern das Porto dafür bezahlt hätte, wäre er nicht frankirt gewe­sen.

    Hoffentlich schreibst Du mir bald wieder, da Du doch nichts thust, als Dich ärgern.

    Ich gratulire Dir zu Deinem neuen Sohne, möge er ein wahrer Hermann werden, wie sein - leider nicht heiliger - Namens­patron. Auch danke ich Dir für die Übersendung Deines Por­träts, ich werde das Meinige mit heimbringen. Mit dem freundlichen Gruß für die Deinigen Dein Freund

    Josef Natter

    Josef Natter
    Geneuille
    Franz Michael Felder
  • 21. August 1866

    Lieber Freund!

    Dein wertes Schreiben vom 30. d. Ms. fordert mich auf, über Deinen in demselben angedeuteten Standpunkt mich zu äußern. Du sprichst von einem zu gebärenden Schmerzens­kind und davon, daß Du, um aus dem verdammten Dreck zu kommen, ins Walsertal wolltest, hienach halte ich Deinen Standpunkt für einen etwas sentimental schwächlichen. Ein starker Mann bewältigt den Schmerz und flieht nicht vor einem Dreck. Doch das war Stimmung und Du wirst dich finden. Seien wir praktisch!

    Vor allem müssen wir, um geistigen Fortschritt und Freiheit zu sichern, uns eine solide materielle Basis verschaffen. Da müssen wir besonders in dieser Zeit der Krisis, wo die Fäden unserer Zukunft gesponnen werden, aufmerksam und tätig sein. Für uns und unser Ländchen sind nun die Milcherzeug­nisse unbestritten der Brotkorb. Beim Abtreten Venetiens an Italien verlieren wir wieder eine Hauptprovinz unsers Käs­absatzmarktes, und was wir noch dahin bringen, wird verzollt werden müssen, wenn wir uns nicht rechtzeitig rühren. Die österreichische Monarchie kann unser Produkt nicht mehr bezahlen, da sie in der Konsumationsfähigkeit zu weit zurück­gekommen ist. Wir müssen unbedingt ausländische Märkte haben. Unsere Industrie ist glücklicherweise in der Lage, daß sie keine Konkurrenz zu scheuen braucht, indem sie nicht beliebig vermehrt werden kann und unsere Sennen für tüch­tige Weiterentwicklung sorgen. Wir müssen daher von Haus aus freihändlerisch sein. Du wirst wissen, daß der Kampf zwischen Freihändlern und Schutzzöllnern auch in Österreich seit Jahren gekämpft worden und so heftig als je fortbesteht. Unsere Fabrikanten sind durch den hohen Schutzzoll ge­worden, was sie sind, und sie beharren auf demselben mit aller Energie privilegierter Leute. Denselben ist es recht, wenn Österreich sich ringsum abschließt, weil sie ihr Privilegium und ihren Markt (Die Monarchie) so am leichtesten behaup­ten. Unser Interesse ist das entgegengesetzte und unsere Lage daher eine sehr ernste. Wir müssen sie uns um jeden Preis klar machen, sonst gehen wir der Versumpfung entgegen. Die Fabrikanten sind, wie die Kinder des Lichtes, sehr wach und rührig, lernen wir von ihnen. Ich schicke Dir in der Anlage eine Nummer der Feldkircher Zeitung (Fabrikantenblatt) und einige Korrespondenzen, nach deren Lesung und Prüfung Dir vieles und namentlich unsere Lage zur Handelskammer für Vorarlberg klar werden wird. Ich füge nur bei, daß Kunz meine Korrespondenz nicht veröffentlicht hat und es nach meinem letzten Schreiben, da er nun klar weiß, wo ich hinaus will, auch nicht tun wird. Er hat mir auch gar nicht mehr geantwortet, was ich natürlich, d. h. lagegemäß finde. ­Wir müssen nun etwas tun und einen Feldzugsplan ent­werfen. Vor allem ist aber genaue Kenntnis des Operations­terrains notwendig. Das Studium der Handels- und Zoll­verträge ist unsere erste Aufgabe, und zwar ist Italien und der Zollverein ins Auge zu fassen. Nach dem Zollverein müssen wir aufgrund des Handels- und Zollvertrages vom 11. April 1865 für Käse 1 Taler 20 Sgr. und für Butter 1 Taler 10 Sgr. per Zentner Eingangszoll bezahlen und nach Italien aufgrund älterer Stipulationen, die ich noch nicht habe, etwas mehr. Dies ist das Wichtigste und genügt zu einer vorläufigen Agitation, fürs weitere werde ich die Verträge, wenn nicht die bevorstehenden Friedensschlüsse anderes notwendiger machen, beischaffen. Wenn es uns gelänge, den Zoll weg­zubringen, würde unser Produkt gerade um den Zoll teurer verkauft werden können und - in Silberländer. Du siehst, wie wichtig die Sache ist. Ich halte die Durchführung nicht für unmöglich, nur müssen wir gehörig auftreten. Wenn die größern Käsindustriellen sich zusammentun und eine gut auf­gesetzte Schrift beim Handelsministerium überreichen und wenn es ihnen gelingt, die Augen der Regierung auf unsere Industrie zu lenken, kann es gehen, da die Ausländer unser Produkt gut brauchen können und, besonders in Italien, keine eigene Industrie gefährdet wird. Warum wir bisher so schlecht davonkamen, das kannst Du in meinem letzten Schreiben an Kunz ersehen. - Ich glaube vorderhand über diesen Punkt nicht mehr sagen zu sollen, da ich von Deiner Tüchtigkeit und Rührigkeit die geeigneten weitern Schritte erwarte, und füge nur bei, daß schnelles Handeln uns bei den Friedensschlüssen schon nützen könnte, wie es den Fabrikan­ten allem Anschein nach auch schon genützt hat. Eine Eingabe bei der Handelskammer (höflich) wäre sicher am Platz. ­Der Bezirksvorsteher ist immer noch krank, sonst würde ich eine Agitationsreise in den Bregenzerwald für lohnend und geboten erachten, so aber ist es rein unmöglich, wenn ich meinen Posten noch behalten will. Geh nach Bezau, Dein Freund Feurstein wird die Lage auch so beurteilen. - Übrigens habe ich am 16. d. Ms. (Zahl 6) wieder ein gesundes Kind erhalten und heißt: Maria Katharina. Die Theres ist wieder gut hergestellt. Der Brief des Schneiders Natter hat mich sehr gefreut und sein Objektivismus ist mir besonders sympa­thisch, der Mann kann es weit bringen. Isabell macht sich immer besser und ersucht Dich, freundlich grüßend, ihr das Regendach und eine noch dort befindliche Juppe, welche man aber noch dahin reparieren müsse, daß man aus der Weite nehme und an die Länge setze, je eher zu schicken. Besorge dieses, wir werden schon zahlen. Dein übersendetes Gedicht liest sich leicht und angenehm, doch erscheint es mir fatalistisch, und die „Weisen" unter uns wandern doch nicht gar so leicht durchs Leben. Warum soll man sie zu etwas Unmöglichem auffordern! ­Da, wenn Kunz recht hätte, die von mir gewünschte Agitation nicht notwendig wäre, will ich, wenn Du von der Richtigkeit meiner Auffassung des Standpunktes der Handelskammer nicht überzeugt sein solltest, zu den in der Korrespondenz angeführten Gründen den definitiv entscheidenden Grund anführen:

    In dem Handels- und Zollvertrag vom 11. April 1865 (Reichs­gesetzblatt Nr. 32 Stück X), welches der letzte und fortge­schrittenste derartige Vertrag ist, den Österreich abschloß, erscheint Fettkäse und Butter unter der Rubrik „Mehl, Mahl­produkte und andere Verzehrungsgegenstände" und sind darunter Zollgegenstände von a bis k angeführt und es ist dies die 21. Rubrik, der noch 15 folgen. Meine Behauptung, daß das Ministerium Käs nicht zu den Manufakten rechnet, ist daher offenbar richtig. Übrigens wirst Du herausfinden, wie sophistisch und ordinär Kunz manövriert. Wenn Du zum Feurstein gehst, den ich freundlich grüßen lasse, kannst ihm meine Korrespondenz, die Kunzsche und diese zeigen oder zur Information vorher zuschicken, nur sorge dafür, daß sie nicht verloren geht, da ich noch in die Lage kommen kann, sie zu brauchen. -

    Eben lese ich in einem Wiener Blatt, daß bei den Friedensver­handlungen mit Preußen ausgemacht sei, den Zollvertrag von 1865 provisorisch wieder gelten zu lassen, bis ein neuer ver­einbart wird. Voraussichtlich wird derselbe mehr zum Frei­handel neigen, auch Italien ist vorherrschend freihändlerisch, und wir haben unsere Gegner jedenfalls mehr in Österreich als draußen, und wenn das Gerücht, daß Freiherr von Hock das Finanzministerium erhalte, begründet ist, dann stehen unsere Aktien gar gut, obwohl das jetzige Ministerium schon uns gern hören würde. Die Ungarn sind auch auf Seite des Freihandels. Wir haben daher, wenn wir uns rühren, nicht bloß die Möglichkeit, sondern die Wahrscheinlichkeit eines Erfolges für uns. Darum frisch ans Werk! Ein Erfolg in dieser Richtung würde unsere Assoziations­bestrebungen natürlich auch unterstützen und unsere Wälder würden mit einem Ruck mitten in die Bestrebungen der großen Welt eingeführt und ihre Stellung in derselben dann leichter und klarer erkennen. Ich rufe daher nochmals „prak­tisch"! und hoffe, daß ich nicht umsonst rufe. Wenn Du Dich als tüchtiger Praktiker bewährt hast, dann wird auch Dein literarisches Wirken (Theorie) erst recht praktischen Erfolg haben. Wenn wir praktisch sind, ersparen wir uns die Schmer­zenskindschaft und durchbrechen leicht die Schranken, die nur für Theoretiker, nicht für Praktiker solche sein und bleiben werden. Wir sind und bleiben Deutsche trotz Nikols­burg und Prag und unsere Taten sollen uns als solche kenn­zeichnen. Nur keine Kleingeisterei, wo sie nicht schon ist. Bauen wir ein festes, deutsches Haus, und Ehre ist es, beim Brotkorb anzufangen. Hast Du das Wahlgesetz Bismarcks für die norddeutsche Union gelesen? Bei einem Volk, in dessen Mitte solche Gesetze von oben kommen, braucht man nicht zu schmerzein. Unsere Fahne, die Lassallesche und die des Schneiders Natter, flattert ja lustig, und der Weltdrang hat sie geboren, sie ist auch für uns da. In diesem Zeichen werden wir siegen, wenn wir praktisch sind. Doch zu was viele Worte, sei ein Mann und handle!

    Sobald Friede ist, werde ich den Demokraten auch bestellen und ersuche Dich, die seit April erschienenen Nummern mit oberwähnten Sachen zu senden.

    Mein Bruder Jakob ist Götte meiner Tochter Katharina, be­nachrichtige ihn daher ehetunlichst von ihrer Geburt. Die Theres bekam nach der Geburt Blutfluß und Krämpfe und es war ein Glück, daß Doktor und Apotheke gleich bei der Hand waren, die rechten Mittel zu bieten, sonst hätte sie aus ihren Ohnmächten vielleicht nicht mehr erwachen können. Jetzt habe ich, Gott sei Dank, wieder ein munteres, gutes Weib und ein Mikle dazu, das wirklich ein Mikle ist. Grüße mir alles und schreibe bald viel Gutes und Schönes Deinem Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 19. August 1866

    Lieber verehrter Herr Hildebrand!

    Ich zweifle sehr, ob den Helden des G. Freytag'schen Romans das Finden der „verlorenen Handschrift" so glücklich ge­macht hätte als mich gestern ein von Ihnen überschriebener Brief gemacht hat. Und nicht nur mich. - auch die Meinen ­die Zeugen dessen was ich in den letzten Monathen litt ­tadelten mich heute, daß ich sie nicht gestern Abends noch wekte um ihnen meine Freude mitzutheilen. Etwas müd ge­heuet, gieng ich nach dem Abendessen um nachzusehen was der Bothe wol wieder gebracht habe. Bei der Arbeit und am Schreibtisch gehöre ich noch ganz mir selbst, den neuesten Nachrichten vermag ich nicht mehr ruhig entgegenzusehen. In solchen Zeiten hat es etwas furchtbar Quälendes, die Zei­tungen so langsam zu erhalten. „Was wirds noch geben?" fragte ich mich immer langsamer gehend. Am Ende noch gar eine französisch-österreichische Allianz? Das wäre doch ­wie so manches andere. Kommen wir Schmerzenskinder dann aus dem Ausnahmezustand nie und nirgends mehr heraus. Ist unsere Abgeschlossenheit von Allem das Bild unserer Zu­kunft? In solcher Stimmung traf mich Ihr Brief wie ein recht lieber Freund dem es stets gelingt den Trübsinn zu zerstreuen da ja schon sein Kommen erfeulich ist. Wir haben viel gelit­ten in der letzten Zeit. Wir trauerten mit den Unsern und bedauerten unsere Gegner, wir konnten in diesem Kriege nicht siegen und doch mußten unsere Söhne mitziehen um gegen die Zeit, den Geist des Jahrhunderts zu kämpfen und zu bluten für eine ihnen fremde - Sache. Wir haben ver­loren, wir, das Volk mußte verlieren auch wenn es gewon­nen hätte. Das ist kurz meine jetzt von vielen getheilte An­sicht gewesen. Die Bauern, die sich stets fleißiger bei mir einfinden sind noch muthloser als ich, ihnen gefiel der Wie­ner Brief „aus dem Wiener Leben" / Beilage zur A. Allgemeinen Zeit. Nr. 216 gerade so gut wie den Herren in Bregenz, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz obwol sie ihn nicht ganz verstehen mochten. Das Gerücht, Baiern werde für seine Saumseligkeit mit Vorarlberg belohnt werden entstand sicher nur aus dem Wunsch, bei Deutschland zu bleiben, denn für die bairische Regierung schwärmen die Nachbarn de$ Länd­chens sonst gerade nicht. Unsere deutschen Blätter wissen nicht was anfangen. Die Feldkircher Zeitung sagte neulich es bleibe uns nur eine Allianz mit Ungarn um stark zu werden und auf gesetzlichem Boden etwas zu gewinnen, wofür denn die Zeitung vom Volks?Blatt gewaltig abgekanzelt wurde. Das Volks?Blatt ist die dritte Zeitung in Vorarlberg, sie ist einen Monath alt, und kann wie das bei so jungen Wesen zu erwarten, noch nichts thun als schreien. Das Blättchen ist ein Kind der Tirolerstimmen und soll von den Geistlichen groß und stark gezogen werden. Seine Geburt hat sehr viel „Wehtagen" gemacht. Man wollte dann dem Armen das Vor­arlberger Wappen auf die Stirn drücken wo ich das Frag­zeichen gesetzt habe, doch das hat überall so viel böses Blut gemacht, daß auf Verwendung maßgebender Personen das Wappen schon auf der dritten Nummer weggelassen werden mußte. Zu Ihrer Erbauung werde ich Ihnen einmal einen Fetzen schicken. Sonst wird bei uns neben der A. Allgemei­nen Zeitung die neue freie Presse am liebsten gelesen obwol nur wenige wissen daß der Redakteur Dr Lecher ein Vorarl­berger (Bregenzerwälder) ist. Doch nun von etwas Anderem. Der Aufsatz „Auf dem Tannberg" schildert meine Reise dort­hin, wie ich sie im letzten Winter unternahm um dort einer Hochzeit beizuwohnen. Ich zeichne meine Gesellschaft und er­zähle, mich treu gebend wie ich bin was ich dort sah und hörte. Der noch zu breite Aufsatz entstand in den letzten Regenwo­chen. Etwas Größeres anzufangen war ich nicht aufgelegt und doch wollte, mußte ich die Gegenwart wieder einmal verges­sen. Ich rief meinen Lieblingsgestalten und sie sind gekom­men. Es entstand manches ich könnte selbst kaum sagen wie. Schon das letz[t]e Mal glaube ich Ihnen geschrieben zu haben daß ich Verse „mache". Mir hat das recht frohe Stunden ge­macht, ob es auch andere freut weiß ich nicht, doch leg ich eine Probe bei die Sie beliebig verwenden können. Sie sehen darin wenigstens, wie ganz ich mich einem einmal gefaßten Bilde hingeben kann. Ich. bitte, mir Ihr Urtheil über meine Silbenstecherei mitzutheilen.

    Auch den Aufsatz „Tannberg" hab ich in dieser Zeit entwor­fen und mit Bleistift unausgearbeitet niedergeschrieben wie die Sonderlinge. Auch diese hab ich erst nur flüchtig ausge­worfen und erst beim Reinschreiben gehörig durchgearbeitet. Das Abschreiben wäre mir unerträglich, wenn es dabei gar nichts mehr zu köpfen gäbe. Diesen Bleistiftentwurf hab ich allerdings da, doch ist er im Ganzen eben zu ungenau um dabei etwas ändern zu können. Die von Ihnen erwähnten Kapitel habe ich da vor mir und ich will sehen was mir ein­fällt. Könnte Franzens Monolog gekürtzt werden, ohne den Faden zum Traum und zum Folgenden abzuschneiden? Kann er sich in seiner Lage kürzer fassen? Ich werde über diese Frage nachdenken. Auch Ihre Meinung möchte ich hören. Jedenfalls wäre es genug, mir die betreffenden Bogen zu schicken. Die Scene im Walde aber glaube ich nicht zärtlicher machen zu dürfen wenn Mariann eine Wälderin bleiben soll. Wissen Sie, wie man hier den Kuß nennt? Nein, ich wills dann sagen, wenn einmal das Wörterbuch so weit ist, denn ich hoffe bis dahin noch oft an Sie zu schreiben. ­Jetzt hab ich gerade keine Wörter ausgeschrieben, doch sol­len Sie bald wieder solche erhalten. Auch den oben erwähn­ten Aufsatz werde ich abschreiben so bald ich Zeit finde. Jetzt bin ich jeden schönen Tag mit Rechen und Sense auf den Bergen und im Vorsaß Hinterhopfreben, wohin ich Mitte September auf einige Wochen mit sammt den Meinen ziehen werde. Sollten dann Ihre werthen Freunde kommen, so wird man dafür sorgen daß ich es erfahre. Ich werde ihnen dann mit Freuden entgegeneilen. Sie dürfen nur beim Rößle in Au oder beim Kronenwirth dahier sagen daß sie mich zu sprechen wünschten. Es würde mich freuen, doch auch dieses Jahr noch einen Besuch zu bekommen nachdem ich so manches vergebens hoffte. Auch ein Herr Gustav Wagner Oberlehrer an der Lehranstalt für erwachsene Töchter hat mir von Leipzig geschrieben er werde kommen. Ich habe auf seinen freundlichen Brief geantwortet und möchte nun gerne wissen, ob der Brief, den ich nicht genau adressiren konnte, nicht ins Unwetter gekommen sei. In der letzten Zeit habe ich einiges von Spielhagen gelesen. Ich lese ihn außerordent­lich gern, diese Klarheit der Zeichnung, die schöne Sprache, alles gefällt mir und thut mir wol, wenn er nur nicht durch etwa eine Übertreibung machte, daß man sich zwingen muß, ihm nicht mehr treulich und glaubend zu folgen. Diesem Briefe lege ich die früher gewünschten Nummern un­serer Landeszeitung bei, sammt einer Entgegnung meines Schwagers, den der Aufsatz so geärgert hat wie mich. In der erwähnten Tannbergschilderung spielt dieser mein Freund als Bureaukrat eine traurige Rolle, ich habe nicht ihn gezeich­net, aber ihn genommen, damit ich in keine Verlegenheiten komme. Sein Name kommt nicht vor und wenn auch der vorkomme, er würde mit Leib und Seele lachen wie nur der Gute es kann. Er war lange in Ungarn und hat viel erfahren. Wir haben viel zu thun und zu streiten, da ihm der Bücher­wurm nie Ruhe läßt.

    Mit meiner Genossenschaft wärs wol gegangen, wenn der Krieg den Leuten nicht allen Muth genommen hätte. Doch der Gedanke lebt noch. Sogar im Walserthal redet man viel davon und hat extra einen Bothen hergeschickt der mich um die Geschäftsordnung bath da ich bisher noch nicht dazu ge­kommen bin sie zu veröffentlichen. Ich erwarte viel von den Waisern. Es sind unternehmungslustige tüchtige Leute, dem Tannberger, dem Vetter, in allem überlegen. ­Jetzt stehen die Bauern schlecht. Wir haben in jeder Hinsicht ein schlimmes Jahr. Die Cholera nimmt dem uns so wichtigen Käshandel alle Aussicht, sie schadet uns in der Beziehung mehr als der Krieg, dazu wenig Verdienst, wenig Heu, auf den Alpen schlechtes Wetter und das Beste, der Mut, die Hoffnung, das Vertrauen nach allen Seiten, ohne welches der ruhige Bauer nicht sein kann, sind dahin und nach nirgends regt sich etwas, das diese Gefühle wieder weken könnte. Ich gehöre nicht zu den [Ärmsten] dahier aber ich fühle wie die­sen zu Muthe sein muß. Es [wäre mir] sogar aus finanziellen Gründen lieb, wenn die Sonderlinge bald veröffentlicht wür­den. Das deutsche Wörterbuch werde ich später bestellen und muß leider fast noch froh sein, daß Sie mit Hirzeln noch nicht unter der von mir früher gemachten Bedingung unter­handelten. Aber so muthlos wie meine Landsleute bin ich doch noch nicht.

    Wol hab ich keine Hoffnung aber Kraft, ich will! das ist noch immer genug gewesen. Leben Sie wol. Ich gehe an die Ar­beit, zu der ich da bin, durch die ich die meinen erhalte. Mit tausend herzlichen Grüßen von mir und den meinen, Sie um baldmöglichste Antwort bittend

    Ihr Franz Michael Felder

    Das weiße Hüttchen hinterm Baum.

     

    Das weiße Hüttchen hinterm Baum Das

    Gärtlein dort, das Kleine, Das Gütchen bis zum

    Waldessaum ­O Schatz, das ist das Meine!

     

    Das Gärtlein, gelt, versorgst du bald? Und ich

    indeß das Gütchen; Zum Mahle winkt mich

    aus dem Wald Der Rauch ob unserm

    Hüttchen.

     

    Und dann geht das Erzählen an Was

    uns gelang, uns freute. Beim Mahl, das

    unser Fleiß gewann Sind wir die

    frohsten Leute.

     

    Das kleine Hüttchen wird vom Neid

    Vom Hochmut übersehen Drum kann

    von Außen uns kein Leid Kein böser

    Streich geschehen.

     

    Und drinn? - O du wirst drinnen sein

    Mein Engel auf der Erde! Ich fürchte daß

    dem Glück zu klein Das kleine Hüttchen

    werde.

     

    Doch dann gehn jubelnd wir hinaus

    Und großes soll geschehen; Wenn du es

    willst wird bald ein Haus Auf diesem

    Platze stehen.

    Franz  Michael  Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 15. August 1866

    Werther Herr Felder!

    Die „Schaubühne" sandte Ihnen von Wiesbaden und von hier aus fr. sous bd., ich beabsichtigte nach Vorarlberg zu kom­men, meine beschränkte Zeit ließ es jedoch nicht zu; ich muß Ihnen deshalb schriftlich meine Mittheilungen machen. Hrn Julius Springer nämlich, Berlins erster Verlagshändler, habe ich aufs Lebhafteste für Sie interessirt; er ist der Verleger der Jeremias Gotthelfschen Schriften, von Melchior Meyr's „Erzählungen aus dem Rieß" und war außer sich vor Freuden, als er aus der „Gartenlaube" ersah wie Sie aus Gotthelfs Schriften Ihre Bildung geschöpft. Er hat mich beauftragt, Ihnen zu melden, daß Sie mir nur angeben möchten in einem an ihn gerichteten Briefe, welche Bücher von Gotthelf Ihnen fehlen, um solche zu completiren (gratis selbstverständlich!) ferner, wenn Sie irgend ein Manuscript haben, werden Sie ersucht, mir dasselbe mit Angabe Ihrer Bedingungen für Hrn. j. Springer, meinen ehemaligen Prinzipal, einzusenden. Sprin­ger wünscht gerne eine für beide Theile lohnende Verbindung mit Ihnen anzuknüpfen, und rathe ich Ihnen wohlmeinend, sich das zu Nutze zu machen, und mir ein besonderes Brief­chen für Hrn. Springer hierauf Bezug habend, einzusenden. Ich habe 2 Stunden mit Springer und seinem Sohne von Ihnen gesprochen, der Artikel der „Gartenlaube" wurde Abends im Kreise seiner Familie vorgelesen.

    Sie sehen, ich bin nach schwachen Kräften thätig, weil ich mich für Sie, werther Herr, in der That lebhaft interessire, durch eigene Kraft und rühriges Streben haben Sie Sich emporgerafft, da ist es Ehrenpflicht, Ihnen treu zur Seite zu stehen!

    Ich hoffe in Berlin, wo ich am 23ten August wieder eintreffe, Ihre bezüglichen Zeilen zu empfangen, und zeichne, Ihnen Glück und Wohlergehen, Gedeihen, Segen und gute Erndte wünschend.

    Ihr sehr ergebener Verehrer Martin Perels

    Eigenthümer der „Deutschen Schaubühne" z. Z. Seebad Zoppot bei Danzig (Polnisch Preußen) ab. 23ten August wieder: Berlin Karlstraße 16 1t Stiege

    Martin Perels
    Seebad Zoppot/Danzig
    Franz Michael Felder
  • 13. August 1866

    Liebster Herr Felder,

    Heute fand ich heim kommend Ihren Brief vom 24. Juli vor mit der Photografie und kann nun Ihre Gesicbtszüge Ihren hiesigen Freunden zeigen, die wahrhaft gespannt darauf sind. Vorigen Donnerstag Abend hab ich in einer Hütte unsres Gartens einem Kreise von Bekannten, darunter zwei junge Damen, aus Ihren Sonderlingen vorgelesen, den Besuch Fran­zens vor Mariannens Fenster im Vorsaß und die Liebeserklä­rung beider nachher im Walde - ich wollte Sie wären dabei­gewesen, um Ihren Triumph selbst einzuernden; ich habe dasselbe schon einmal im Juni zwei Frauen vorgelesen, dabei eine Thüringerin aus Arnstadt, ein tiefpoetisches Gemüth ­sie war tief entzückt und begeistert. Ich sage Ihnen hiermit den begeisterten Dank meiner Hörer und Hörerinnen. Aber zum Geschäftlichen. Ihren Brief vom Juni hab ich doch richtig erhalten, er kam schon in die Kriegsluft hinein und war mir in der schweren Beklemmung von damals, als man den Abgrund vor Deutschlands Dasein sich öffnen fühlte, ein rechter Trost, zumal ein so liebenswürdiger Ton heraus klang. Seitdem ist meine sonst ziemlich lebhafte, mir schon zu lebhafte Correspondenz durch den Kriegssturm wie ab­gerissen, hat sich auch, jetzt noch nicht wieder angeknüpft. Daß ich Ihnen nicht bald antwortete, war nur eine Folge der Stimmung, in der ja alles zu brechen und zu reißen schien. Ich wollte nicht eher schreiben, als bis der entsetzliche Auf­ruhr der vaterländischen Verhältnisse sich geklärt hätte, daß man wüßte welchen Ton man anzuschlagen hätte. Nach dem 3. Juli sollte dann bald geschrieben werden, aber jeder Sonn­tag ist mir durch andere Thätigkeit verzehrt worden; gerade heute hätte ich nun ohnehin geschrieben, als Ihr sorglicher Brief kam.

    So haben wir nun Deutschland, wie mit einem riesenhaften Ruck zusammengerüttelt, Ostreich losgesprengt, Norddeutsch­land zusammengeschoben in Eine Masse und Süddeutscbland einstweilen bei Seite geworfen als unbrauchbar für jetzt! Und doch ist nun das Ziel unsrer Entwicklung klar wie die Sonne, endlich nach so langem Schwanken und Schweben: Anschluß an Preußen, in dem die alte Kraft Deutschlands verjüngt wie­derersteht. Ist ja das die entschiedene Losung selbst in Schwa­ben und Baiern, wie mans in der Augsb. Zeitung unzweifel­haft vor sich sieht. Mir ist das das Heldenthum der Vaterlands­liebe, wie es jetzt in Süddeutschland sich aufthut: von Haus aus im Herzen Todfeind Preußens, und nun, da der Geist der Geschichte den Schwerpunkt nach Norden verlegt hat, das heiße Verlangen dem vorigen Todfeind sich anzuschlie­ßen! Ich habe auch keine solchen Siege Preußens gewünscht (obwol wir aus ändern Gründen auch Siege Österreichs nicht wünschen konnten), aber nun bin ich entschieden und sehr freudig hoffend in die Zukunft -

    Aber Sie da unten?! Hundertmal hab ich mich in jenen ent­setzlichen Tagen mit Schmerzen gefragt, was müssen die Deutschgesinnten an der Donau, in den Alpen, was muß Felder und seine Landsleute zu dieser Wendung der Dinge sagen und fühlen?! Aber wirklich verloren können und dür­fen Sie uns ja nicht sein! Gerade Sie im Südwesten sind ja weit näher auf Deutschland angewiesen als das übrige Öster­reich. Ein Mittel sieht man freilich jetzt nicht ab, Sie für uns politisch zu gewinnen; aber im Lauf der Zeiten wird und muß es sich ja finden. Ich möchte schon einmal Sonntags bei Ihnen unter Ihren Bauern sein, oder hören was die Weiter­sehenden in Feldkirch usw. sagen.

    Interessant war mir das Stück Zeitung, in das Ihr Bild geschla­gen war, es ist wol die Feldkircher Zeitung? Ist die Meldung des furchtbaren Unglücks aus Au von Ihnen? Auch Bismarck ist mit zu lesen darauf, leider nicht der ganze Zusammenhang. Wenn Sie mir gelegentlich solch ein Blatt oder ein Bruchstück wieder mitschicken, würden Sie mir eine große Freude machen, ich mach Ihnen wol auch einmal einen Gegenspaß. Hirzel läßt Sie schön grüßen und um Entschuldigung bitten daß er noch nicht geantwortet hat; er ist auch durch die Kriegszeit sehr in Anspruch genommen worden, innerlich und äußerlich, zumal er selbst politisch im Stillen mit sehr thätig ist. Ich hab ihm auf Verlangen heute die Sonderlinge ausgeliefert (das Schwarzokaspale hat der Tausendsasa immer noch nicht gelesen!), mit der Mahnung, sich durch die etwas lange Exposition nicht abschrecken zu lassen - so ein Stadt­mensch, der nicht viel Muße hat, ist nämlich im allgemeinen beim Lesen sehr ungeduldig. Sonst hat er auf eine An­frage neulich sich zum Druck immer noch bereit erklärt, nur meinte er, daß jetzt die Zeit zum Druck noch nicht wäre, ein Verschieben wäre in Ihrem eignen Interesse. Ich denke ihn aber noch von diesem Zaudern zurückzubringen, wenn nicht nun die Franzosen einen zweiten Krieg ins Land werfen, und wenn - Hirzel an den Sonderlingen weit genug list, um Ge­fallen daran zu finden. Aber haben Sie nur Geduld und Ver­trauen, ich werde alles thun, um im günstigen Falle den Druck noch in diesem Herbst durchzusetzen. Daß Sie den ganzen Roman noch einmal durcharbeiteten, würde ich an und für sich nicht rathen; Hirzel müßte dann den ganzen Winter noch nicht daran gehen, dann wäre es vielleicht gut, ihn noch einmal ganz an Sie zu schicken. Aber daß Sie nicht noch eine Abschrift davon haben, ist doch nicht gut bei dem wei­ten Verschicken; haben Sie denn das, was ich habe, gleich so ins Reine geschrieben oder dictiert? ich dachte es wäre abgeschrieben ins Reine. Wenn Sie änderten, würde ich da­zu wieder das Capitel mit dem Pfeifenkopf vorschlagen, da ist mir Franz doch zu blöde, es geschieht zu wenig darin; in diesem Cap. wie in dem nach der Wirthshausscene ist mir Franz zu hypochondrisch, er wühlt zu sehr nur in seinem Inneren (NB. Das Traumbild ist vortrefflich). Ihren Aufsatz über den Tannberg traute ich mir wol bei Keil anzubringen, obschon ich noch nicht mit ihm bekannt bin; schicken Sie mir ihn doch, ich wollte ohnehin einmal bei Keil vorsprechen, um ihn mit Ihrem merkwürdigen Lebenslauf bekannt zu machen. Haben Sie nicht schon daran gedacht, einmal der Redaction der Augsb. Zeit. Correspondenzen über die Verhältnisse und Stimmungen in Ihrem Lande einzu­schicken? Vielleicht warten Sie doch besser damit, bis die Redaction durch die Sonderlinge Ihren Namen kennen lernt; aber Ihre Art und Gesinnung würde der Augsb. Allg. bestimmt zusagen.

    Wegen der Zeitschriften, die von hier Ihnen zu schicken wären, will ich nächster Tage einen Schritt thun, ich denke es wird sich machen. Daß Sie für unser Altdeutsch solches Interesse gefaßt haben, ist mir rührend, ich bin neugierig wie Sie mit Pfeiffers Ausgabe auskommen werden, ich wollte ich könnte Ihnen dabei persönlich behülflich sein; mein Liebling ist Walther v. d. Vogelweide, nehmen Sie nur nicht die Min­nelieder zuerst, sondern die politischen Sprüche. Vieles wird Ihnen z. B. im Nibelungenliede wildfremd oder wunderlich oder lahm oder abgeschmackt vorkommen, was es - nicht ist; wir sind aber mit aller Gelehrsamkeit noch nicht bis zum wirklichen lebendigen Verständniß der Rede und Denkart unsrer Vorfahren vorgedrungen. Wenn Ihnen etwas auffällt, theilen Sie mirs doch mit; es wäre mir interessant zu sehen, was Ihnen unklar oder auffallend ist, ich lerne selber daran. Daß ich dieses Jahr meinen Besuch bei Ihnen nicht ausfüh­ren konnte, ist mir ein wahrer Verlust, aber der Krieg machte es einfach unmöglich; gekommen wäre ich etwa Ende Juli­ich gratuliere übrigens zur glücklichen Heuernte, wir haben hier im Juli und jezt noch entsetzlich viel Nässe gehabt. Auf meinen Besuch zurückzukommen, so ists möglich daß Sie statt meiner von Freunden von mir besucht werden, möglich ists von zweien, die im Sept. nach dem Südwesten wollen. Ich will sie aufs Gerathewol einstweilen anmelden, beide Historiker vom Fach, und beide durch mich mit Ihren Ver­diensten bekannt: Dr. v. Posern, Mitherausgeber des säch­sischen Urkundenbuchs, und Dr. Puckert, Docent für sächs. Geschichte an hiesiger Universität. Letzterer schwärmt für das Vorarlberg, wo er schon gewesen ist, ein guter warmherziger Mann; Sie brauchen von beiden keinen Gelehrtendünkel zu besorgen.

    Ihre Beiträge fürs Wörterbuch kann ich vortrefflich brauchen, sie sind wie ichs nur wünschen kann.

    Hirzels Unglück war ein Familienunglück, Selbstmord eines Bruders, der hier ein hochgeachteter Mann war und durch die Geschäftskrisis vor dem Kriege in schwere kaufmännische Verluste kam. Schreiben Sie ihm nicht etwa darüber. Aber ich muß schließen, Gottbefohlen, sorgen Sie für Ihre Gesundheit, herzlich grüßend        

    Ihr R. Hildebrand

    Was macht die Käshändlergenossenschaft? Sie müssen den­ken, ich habe keinen Sinn für Ihre praktische Reformerthätig­keit, weil ich noch nichts davon erwähnt habe. Ganz im Ge­gentheil, ich thäte selbst oft lieber solche Dinge als in Bü­chern wühlen.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 10. August 1866

    Lieber Freund!

    Herzlichen Dank für Deine letzte Sendung! Ich habe noch nicht Zeit gefunden, die erhaltenen Briefe gehörig zu durch­gehen, da es mich vor allem zur Beantwortung der an mich gestellten Fragen drängte. Beiliegend theile ich Dir meine Gedanken kurz mit. Es freut mich, daß der Artikel in der All­gemeinen, obwol noch etwas ungenau, auch da, draußen nachdenkend macht. Gern würde ich Dir gleich eine hübsche Anzahl Schriften über dieses Thema schicken, aber - sie sind eben bei Weitem nicht alle hier. Unsere Leute lesen so etwas ungemein gern und da viel fast von Haus zu Haus gieng werde ich einige durch Publikation hier und auf dem Auer Kirchenplatz erst wieder zurückfordern müssen. Einstweilen sende ich Dir Lasalle's: Bastiat Schulze. Hier wirst du meinen Mann, in seiner Derbheit und seiner Größe kennen lernen. Solltest Du dann auch den von Lasalle heruntergemachten Schulzeschen Arbeiterkatechismuß zu lesen Lust und Gedult genug haben, so findest Du ihn ebenfalls. Letzteres Buch ent­hält die Schulzeschen Gedanken, gegen die Lasalle auftrat. Auch etwas über das Verfassungswesen hab ich beigelegt. Andere Schriften werde ich auf Verlangen gerne nachschik­ken.

    Möchtest Du nicht das Organ der Lasalleaner lesen? Ich habe einige ältere u. neuere Nummern beigelegt u. das Interessan­teste angestrichen.

    Mein Gedicht vom Regen hab ich wieder gelesen und gestehe gern, daß es gar nicht den Eindruck des ächten Volkslieds macht, jedoch scheint mir das weniger in der Form, die nur etwas zu aphoristisch, als im Inhalt zu liegen, laue Christen bleiben vor der Kirche öfter stehn usw.

    Das ist Spott, nichts als der Regen treibt sie, statt daß es sie ziehen sollte.

    Es fehlt dem Gedichte zum Volkslied die volle warme Hin­gebung an das Vorgetragene. Das Ich steht zu hoch ob seiner Welt und nur die vorletzte Strophe ist mit Leib und Seele dabei.

    Ich hab heut etwas Anderes, jeden Falls Geeigneteres bei­gelegt und möchte recht bald hören, welchen Eindruck es auf euch machte.

    Man sollte fast meinen, daß jetzt kein Mensch zum Dichten aufgelegt wäre; ich aber muß gestehen daß mich die Musen gerade in der letzten Zeit am häufigsten besuchten u. das war auch gut denn sonst hätte man ja völlig verrückt werden können.

    Ich hoffte Dich bald besuchen zu können, doch die schönen Tage müssen jetzt fast immer zum Heuen benützt werden. Einstweilen können wir uns also nur schreibend aussprechen; thun wir das um so fleißiger!!?

    Es grüßt Dich und den Kreis der Deinen recht herzlich Dein Freund

    Franz Felder

    Consum Verein oder Produktiv Assoäation? Diese Frage ist schon häufig aufgestellt worden. Es ist wol eine der brennendsten und um sie ins gern vermiedene Deutsche zu übersetzen, heißt sie: Haben wir zu Schulze oder Lasalle zu stehen? Muß dem Arbeiter oder der Gesammtheit geholfen werden?

    Selbst die eigensinnigsten Bourgeoisen Ökonomen haben zugestanden, daß Richard Cobden durch Abschaffung des Kornzolls in England nicht den Arbeitern, sondern den rei­chen Fabrikanten ein Wohlthäter war. (Brockhaus deutsche Revue 1865 Seite 546.)

    Allerdings könnte in einem Sinn der kleine Consum Verein eine Vorschule für das Genossenschaftswesen sein, wie auch die Bemühungen Schulzes dem Riesenwerk Lasalles etwas vorarbeiteten. Aber dem Arbeiter muß als Arbeiter, nicht als Konsument, als welcher er kaum neben dem Kapital zum Vor­theil kommt, geholfen werden.

    Der Mensch als arbeitendes Wesen kann nur noch als Maschine betrachtet werden, deren Unterhaltungskosten, dank der gebenedeiten freien Conkurenz, seinen Lohn bestimmen. Dieses furchtbare Gesetz, von Ricardo zuerst auf­gestellt, hat noch von keinem geläugnet werden können. Das nun muß anders werden, wenn die Conkurenz unter den Arbeitern aufhört, darum erhob Lasalle die Fahne, darum aber können sich die öffentlichen, für den Geldsak geschriebenen Blätter nicht mit ihm einigen.

    „Dem Kapital", rufen sie, „gehört der Profit fürs Risico!" Wer aber wagt?

    Der Bauer, der Arbeiter. „Wenn die Herrn verlieren", sagt Lasalle in seinem unvergleichlichen „Bastiat Schulze", „so klopfen sie ihren Ärger auf dem breiten Rücken der Arbeiter aus -"

    Ich werde nächstens auch Schweizers unvergleichlich über Schulze stehende Schrift „über das Risiko" zusenden, wo alles, was hieher gehört, viel besser gesagt ist, als ich es sagen könnte.

    Doch genug, damit Du mich nicht einen Pedanten tadelst und mir Prinzipienreiterei vorwirfst.

    Mit dem Kaffeehandel z.B. den Anfang machen wäre gut und schön, aber du lieber heiliger Christoffel! Wie würden da unsere Geldmächte auf und dagegen sein, die ihr Geld so gern in den Handel stecken, die so gern riskieren! Die Ange­sehensten in allen Dörfern würden aufstehen, woraus denn auch folgt, daß der Kaffeehandel noch unter zu vielen ist, um gefährlich fürs Land zu werden. Der Käshandel aber wird gefährlich, denn entweder fällt der Händler und reißt viele mit, oder er bleibt stehen und bereichert sich durch das große

    Geschäft und mästet sich zu einer uns armen Bienen gefähr­lichen Hummel heran. Geh nach Schnepfau (u.a.O.) und frage!

    Und der Vorfahr des Gallus M. war ein armer Mann. Was meinst Du, wenn er nur in einem Consum Verein billig gelebt und gespart hätte.

    Der Zwek meines Strebens ist, das Volk rührig, nicht es zum „sparenden" Philister zu machen. Lieber mit Hindernissen Jahre kämpfen und dann etwas tüchtiges, zeitgemäßes, als mit kleinen Vereinen, die dem Meinen sicher von selbst folgen wie der Troß dem Fürstenwagen, die besten Kräfte im Lande zersplittern und entzweien.

    Die Vereine entstanden aus dem in der übervölkerten Welt nach Errichtung der Maschienen immer größer werdenden Bedürfniß nach Arbeit, um fortzukommen. Siehe Rechte der Arbeit. Nun wollten die Arbeiter sich zusammenthun, um wie in England (Rochdal) ihre eigenen Unternehmer zu werden. Da stand Schulze auf und predigte vom Sparen, vom im klei­nen anfangen, von Consum und Vorschußvereinen. So wurde die Angst der deutschen Geldsäke glücklich zerstreut. Dank­bar dafür schenkten sie Herrn Schulze von Delitzsch 45.000 Thaler, wofür der nun wirken muß.

    Drum sang der Social Demokrat:

     

    Zu unsrem Heil, zu unserm Nutz und Frommen Ist Schulze

    Delitzsch auf die Welt gekommen. Für 45.000 Thaler

    Sündengeld Streut er der Proletarierwelt Sand, Sand, Sand in

    die Augen Sand in die Augen hinein

     

    Doch seit Lasall den Bastiat gebracht

    Ists aus mit ihm, und dem was er gemacht.

     

    Doch ich citire schon wieder, und dennoch wärs unmöglich, Dir kurz zu zeigen, welch ein ungeheurer Unterschied zwi­schen einem Käufer- und einem Verkäuferverein ist. Daher ziehe ich es vor, Dich aus den Schriften, die ich Dir nach und nach, von allen Parteigängern schicken will, Dein Urtheil selbst bilden zu lassen.

    Nicht nur Axt und Säge, auch Brot und Kaffe, Hosen und Hemd sind nöthigzu unserm thätigen Dasein. Gut, wäre, also der Stikerin besser, sie bekäme billige Nadeln, Stücke etc, oder sie bekäme gute lohnende Arbeit, durch die sie als Bregenzerwälderin sich nähren und einen ehrenvollen Platz (durch den Verein) in der Welt bekäme? Würden billigere Lebensmittel den Thätigkeitstrieb wecken? In meinem Verein wird alles neu aufleben, die Wirthschaft wird sich heben, denn es wird erwachen der Wunsch etwas Tüchtiges in die Welt zu schicken.

    Ein Consum Verein kann und wird nur den Krämergeist weken. Hoffentlich zu einem kurzen Dasein. Denn die Tüch­tigsten wehren sich gegen ihn und er wird erliegen wie seine ersten Fahnenträger.

    War ich ein Theolog, dann sollte ich vor allem dem armen Mütterlein helfen. Ich aber möchte vor allem der Kraft unse­res Herrlichen Volkes einstweilen einen Zielpunkt aufstellen, möchte die Bahn aufbrechen helfen, die der Wäldler zu durchlaufen befähigt, berechtigt, bald genöthigt und als Haus­vater verpflichtet ist. Den Eifer, die Arbeitslust, die Freude am gemeinsamen Schaffen möchte ich wecken, nicht den Phili­stergeist, der einige Batzen zahlt und sich wolfeile Waren bringen läßt ohne selbst dabei etwas wagen, etwas thun zu können.

    Und spielend wird dann auch das andere in die Hand genom­men werden. Ich glaube, einer tüchtigen Wäldergenossen­schaft werde nur ein riesiges Holz-, Stickerei- oder Käsfuhr­werk den Weg öffnen.

    Jedenfalls möchte ich mit der Ausfuhr, doch am unliebsten mit dem höchst schädlichen Holzhandel beginnen.

    Wärs aus Holz verfertigte Arbeit, dann war ich dabei. Zu meinen Statuten ist u.a. noch folgende Stelle gekommen: Das Betriebskapital besteht: 4) aus 1 Procent des jährlichen Umsatzes usw., anderwärts wird dann bestimmt, daß später eintretende Mitglieder Ihren Theil einzuzahlen oder zu ver­zinsen haben. Nun war das recht?

    Es wäre mir überhaupt lieb, bald Bemerkungen über diese Bemerkungen zu hören.

    Die sociale Frage ist die wichtigste der Gegenwart, denn sie ist die Frage aller Fragen und Bismark stünde nicht, wo er steht, wenn er sie nicht, wenn er sie nicht besser verstünde als die Mehrzahl seiner Gegner. Darum sagt Lasalle: Er ist unser Gegner immer, doch er ist ein ganzer Mann, drum den Hut ab, bevor wir auf ihn schießen.

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
    1
  • 7. August 1866

    Lieber Freund!

    So eben habe ich in der Alg. Zeitung den Artikel die Roch­thaler Pionir gelesen u. ist in Folge dessen u. Deine[r] mir mithgetheilten Ansichten, dem Genossenschaftswesen meine Aufmerksammkeit zugewannt worden und wird in Folge des­sen in mir der Wunsch rege durch dasselbe betreffende Schrif­ten mit den innern Grundsätzen der Verwaltung u. sonstiger Prinzipen näher bekannt zu werden. Ich möchte Dich daher ersuchen, mir sich mit diesem Gegenstand beschäftigende Schriften mitzutheilen.

    Bevor ich über das Ganze ein richtiges Uhrtheil zu fällen im Stande bin, scheint mir, Du habest die Sache gerade an der

    schwirigsten Stelle angegriffen; denn der Käsehandel ist theils wegen des Kredits den man den auswärtigen Handlungshäu­sern gewähren muß, möglichen Verlusten sehr ausgesetzt, u. wenn dieß sich ereignen würde so erlitte die ganze Verbin­dung einen argen Stoß u. würde möglicher Weise auch die Auflösung derselben herbei führen.

    Wäre des nicht besser gethan, wenn man nach dem Beispiele der Pionire zuerst im kleinen u. sicher vorgehen würde. Wenn man Consum Vereine gründen würde aber vorerst ganz im kleinen d. h. nur mit ein par Gegenständen z.B. Salz, Kaffee, Gerste. Welch eine Menge Salz bedarf der Bregenzerwald, u. wie werden die Bauern übervortheilt, oft bei einem einzigen Sake um zwei Gulden! beim Kaffee ist es das Gleiche auf das Pfund 4 bis 5 Kreuzer also 10 bis 12 Prozent u. hiezu der oft­malige Umsatz in 1 Jahre.

    Ein Verlust nach irgend einer Seite ist eine Unmöglichkeit, u. so schiene mir es ließe sich in dieser Beziehung viel leichter u. sicherer vorgehen; der Consum Verein wäre für das Volk eine Schule genoßenschaftlichen Strebens und man könnte so nach u. nach auf schwirigere Unternehmungen wie der Käse­handlung übergehen.

    Dieß ist so meine unmaßgebliche Ansicht u. ich bitte Dich mir nun auch die Deinige mitzutheilen. Die Briefe vom Christian Moosbrugger lege ich bei ohne daß ich Zeit habe sie durch­zusehen. Mit freundschaftlichem Gruß

    Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 1. August 1866

    Herr Felder!

    Ihnen für die Beiträge herzlich dankend überschicke ich Ihnen zwei Exemplare meines Aufsatzes und zeige Ihnen zugleich an, daß ich Sie im nächsten Monate besuchen werde, und mich sehr freue, Sie kennen zu lernen.

    Jos. Elsensohn

    Josef Elsensohn
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 30. Juli 1866

    Lieber Freund!

    Friede nährt, Unfriede - verzehrt! Mit diesem suchte ein ärgerlicher Sprichwörtersammler sich zu trösten, als er, die Zeitungen wegwerfend, wie der sterbende Herder ausrief: O Gott! nur einen einzigen großen Gedanken. Die Glocken bimmeln wie Grabgeläut und die Fahne des Fatalismus wird den Gläubigen voran nach Au getragen. Alles betet, aber merkwürdiger Weise nicht um Vernichtung un­serer Feinde, das hat der Pfarrer ausführlich gesagt, man betet, damit das wahrhaft Beste geschehen möge. Wahrhaftig, der Krieg erforscht Herzen und Stimmen! Wo sind jetzt unsere Patrioten, die frommen, hoffenden? Ich bin hier wohl der Einzige, der noch nie umsattelte. Nun, Du kennst mich und willst wohl lieber von anderem hören. Nun, Du sollst!

    So ruhig, wie Du meinst, ist es hier nicht. In freien Stunden ist mein Zimmer voll von Bauern, welche Zeitungen lesen und aufbegehren. Dieser Krieg hat doch das Gute, daß die Schoppernauer die Landkarte und den Pfarrer und sonst noch manches ein wenig kennen lernten. Der Baum der Erkenntnis wirkt aber furchtbar und Du als Beamter mit richterlichen An­wandlungen würdest erschaudern, wenn ich Dir zu viel davon erzählte.

    Gar so dorfgeschichtlich still und ruhig, wie Du Dir denkst, ist's auch hier nicht, während unsere Regierung und a. die Früchte ihres Wirkens - genießen. Auch hier kann man viel erfahren und sich ärgern, bis man genug hat. Aber verdammt ruhig ist's doch! Seit langem hab ich keinen Brief aus Deutsch­land herein erhalten. Die Post nimmt auch keine nach Leipzig mehr an, und ich habe mich daher bereits an Stettner in Lindau gewendet. Der Demokrat ist mir seit dem 22. d. M. nicht mehr zugegangen. Die letzte Nummer erzählt von einem - Unwohlsein des Kaisers!... Daß ich jetzt zum Schrei­ben wenig Lust habe, wirst Du begreifen. Nur eine Beschrei­bung meiner Reise auf den Tannberg ist zustande gekommen. Ich werde Dir das Manuskript auf Verlangen zuschicken. Die Gartenlaube ist in Preußen nicht mehr verboten. Ich werde mich rühren, sobald sich der Himmel zu klären beginnt. Meine Stellung wird freilich schwierig, aber ich werde dafür sorgen, daß man mich nicht mit aufräumt. Die Sonderlinge haben in mancher Beziehung Wert, und was der heurige Sommer zur Gärung bringt in einem Schmerzenskind wird in Deutschland draußen auch noch freundlich aufgenommen werden! - Wie gefällt Dir mein „Standpunkt"? Mancher wür­de mir wohl zurufen: Diene der heiligen Sache des Vater­lands! Nun, dem Vaterland will ich dienen mit aller Kraft und dem, was mir heilig ist. Ich bin froh, daß ich Boden gefaßt habe, von Leipzig aus wird sich schon noch etwas tun lassen. Wenn auch vielleicht nicht immer Romanschreiben. Die Briefe meiner Landsleute erzählen von furchtbaren Stra­pazen der Kaiserjäger, Hunger, Durst, Kälte, lange Märsche und eine Behandlung! Mein Vetter warf beim Springen aus Müdigkeit nach dreitägigen Strapazen den Tournister weg und nun schreibt er von Wien aus um Geld, da er alles auf eigene Kosten anschaffen muß. Eine Kugel hat ihm den Bart weggerissen. Doch Du wirst genug Ähnliches hören. Eisen­sohn ist gekommen und kann das humane Auftreten der Preußen nicht genug loben. Die gegenteiligen Berichte der Zeitungen nennt er Lügen. Auch Stülz von Bezau stimmt diesem bei. Du glaubst gar nicht, wie schnell sich hier jetzt Nachrichten verbreiten. Von der Schlacht bei Königgrätz und der Abführung der drei Generäle hörte ich in Hinterhopfreben schon am 5. Juli. Es liegt etwas ganz Eigentümliches in der Luft. Hier kennt man manchen kaum noch. Gelogen wird beim Hin- und Hertragen von Neuigkeiten weniger als in den Zeitungen, worüber sich mancher wundert. Die Neue freie Presse hat hier schon viele Freunde. Neulich sagte einer sogar: Was nicht in der stehe, das möge er nicht hören. Über das neue Volksblatt wird viel gelacht - schimpfen mag man nicht. Und nun genug Politik!

    Es wird aber darum nicht erbaulicher, denn die steckt überall mit drin. Ohne die jetzt gut bezahlte Stickerei gehen die Ge­schäfte schlecht. Da und dort sagt man vom Verderben. Zuerst hat Dein Vetter und Nachbar, Muxels Josef, dran sollen. Er aber glaubte das nicht überleben zu können, daher nahm er einen Strick und erhängte sich. Der geldstolzen Verwandt­schaft ist es dann gelungen, ihn für verrückt erklären zu lassen. Man glaubt das nun auch allgemein (?), und nur der Kaplan von Au arbeitet daran, ihn auf dem Friedhof wieder ausgraben zu lassen. Sonst ist bisher noch niemand verrückt, aber man weiß doch nicht, wie es noch geht. Mich hält man nicht mehr gerade für einen Narren, ja ich nehme zu an Wohlgefallen, und wenn auch heuer vielleicht meine Gesell­schaft noch nicht zustande kommt, so ist doch der Gedanke noch lebendig und zündet wieder, seit ich Hopfreben verlassen habe. Auch unsere Nachbarn, die Waiser, reden jetzt fleißig davon. Sie haben die Statuten von mir durch einen Boten holen lassen und schreiben, daß der Gedanke gefalle. Ich halte dieses Volk, wohlhabend und von edlem Gemein­geist beseelt, für ganz geeignet, den Anfang zu machen und den Wäldern ein Beispiel zu geben.

    Vielleicht reise ich nächstens, statt nach Leipzig, ins Walser­tal, um etwas zu tun, zu erleben, neue Gedanken zu sammeln und ein wenig aus dem verdammten Dreck hinauszukommen. Feurstein in Bezau, sicher einer der tüchtigsten Wälder, schrieb mir letzthin u. a.: Ich danke Dir herzlich für die geschickten Bücher, denn die Zeitungen ekeln mich ordentlich an. - So ist's mir noch nie geworden. Ich verfolge die Be­gebenheiten mit größter Aufmerksamkeit und erprobe meine Divinationsgabe. Sonst findet mich Feurstein in meinen Grundanschauungen ihm ziemlich verwandt, was mich aber nicht etwa zu obigem Lob begeisterte. Er hat am 30. Juni in Schröcken auf mich gewartet und wir haben uns trefflich unterhalten. Allerlei Pläne wurden da gemacht, von denen Du hören wirst, wenn sie sich verwirklichen. Dr. Greber sauft und flucht und soll mich nun vernichten wollen. Das, Freund, gibt keinen Krieg!

    Josef Natter hat letzthin beiliegenden Brief geschrieben. Ich glaube, es wird Dich freuen, etwas von einem Schneider in der Fremde zu hören, besonders von diesem, da ich Dir schon früher von ihm erzählte. Er ist nun 20 Jahre alt. Sei so gut und schicke mir den Brief und Deine Antwort auf diesen bald wieder zurück.

    Obristleutnant Kohler von Au (Argenstein) wurde in der Schlacht bei Custozza erschossen. Ebenso Walch von Schrök­ken bei der Landwehr. Bierners Knecht hat gestern geschrie­ben und sein Wohlbefinden gemeldet.

    Daß die Isabell unter günstigen Verhältnissen etwas werde, hab ich immer erwartet. Es freut mich, Gutes von ihr zu hören. Ich bitte, sie freundlich zu grüßen und ihr folgendes zu melden:

    Mit meinem Nachbarn bin ich sehr zufrieden, auch der Jakob ist gern dort, doch hat er Dich und das Bäsle noch nicht ver­gessen. Sprengers Anton ist Geißhirt, der Hans ist krank aus der Fremde gekommen, auch der Konrad und andere Fremd­ler klagen, daß ihnen die Arbeit bald ausgehe. Severin Felder ist da, Strolzen Josef soll verwundet sein, der Thresel [?] ist lustig, die Mutter gesund. Die Kaminfeger Familie hat Händel mit dem Pfarrer, das Büblein, der Josef, ist im Schwabenland gestorben. Die meinen sind gesund und wohl und ich hoffe, von Dir bald das Gleiche zu hören. So viel für Isabell. Mit der täglichen Post bis Schoppernau wird's Ernst, es sind schon mehrere Bewerber da. Das hab ich klug gemacht, darf ich sagen, denn ich habe gezeigt, daß ich meine Leute sehr gut kenne.

    In den nächsten Tagen wird Elsensohn kommen. Ich bin begierig, diesen in Bezau schon berühmten Schwätzer ken­nenzulernen. Sonst sieht man selten einen Reisenden. Hie und da bringt einer Neuigkeiten und läßt zufällig ein demo­kratisches Blatt liegen. So z. B. im Schröcken. Doch ich komme, auf was ich nicht mehr kommen will und doch immer wiederkomme, drum höre ich für heute lieber auf.

    Mit zehntausend Grüßen Dein schreibmüder zeitungskranker weltschmerzlicher aus dem deutschen Bund ausgeschlossener de- und wehmütiger über alles zorniger Freund

    Franz Michel mit der [. . .]

    Frohe Wanderschaft

     

    Willst du reisen froh wie ich, Meide das

    Gepäcke, Dieb und Schmeichler kümmern

    sich Nur um volle Säcke.

     

    Wer dem armen Wanderer Nicht die Tür

    verschlossen, Reich ersetzt, o Freund, dir der

    Deines Glücks Genossen.

     

    Ohne dich zu achten fährt Stolz und Geiz

    vorüber, Wer sich jetzt noch treu bewährt Sei

    dir um so lieber.

     

    Deines Innern Abbild ist Jegliches

    Verhängnis, Du bist Maler- Farben mischt

    Hoffnung und Bedrängnis.

     

    Sing ein frohes Lied dabei, Das die Herzen

    rühret Und ein Mädchen gut und treu Dir

    entgegen führet.

     

    So geht's froh durch's Leben hin Auf dem

    Pfad der Weisen, Leicht Gepäck und leichter

    Sinn Macht ein lustig Reisen.

     

    Franz M. Felder

    Das  ist ein Zeugnis  meiner  innern  Umkehr,  ich  bitte  um Deine Meinung über das Gedicht, da ich es gelegenheitlich zu veröffentlichen gedenke. Ich glaube, daß bald auch ändern diese Stimmung so wohl tun würde als mir. Bitte bald!

    am 31. Juli

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. Juli 1866

    Lieber Freund!

    Ich bitte Dich Herrn Müller meinen herzlichen Dank auszu­sprechen, der hiesige Vorsteher wird die Zeitung nicht lange lesen mögen, sie könnte daher, obwol ich sie ihm zukommen lasse an mich adressirt werden. Deine Bemerkungen über das Volkslied werden in Herders „Stimmen der Völker", Burns, u. a. nicht bestättiget. Doch wäre mir die versprochene Sen­dung erwünscht. In Deinem Gebethbuch finde ich viel Ge­schrei und wenig-Wolle. Biggel ist unvergleichlich besser. Die Gartenlaube 65 hab ich selbst, 66 wäre mir erwünscht.

    Jetzt schreibe ich an der erwähnten „Reise auf den Tann­berg", habt ihr die Zeichnung bald fertig. Wenn Du mir am Samstag schreibst so sei so gut mir auch das Neueste mitzutheilen.

    Schrift und Stil kann nur die Eile entschuldigen, mit der ich schreibe.

    Nächstens werde ich Dir ein 2 tes Lied schicken. Wie gefällt Dir Burns ich habe hier eine erwähnte Schrift von Hirscher beigelegt.

    Dir für Deine Bemühungen recht herzlich dankend mit Gruß Dein Freund

    Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 24. Juli 1866

    Verehrtester Herr Hildebrand!

    Da ich zweifle, ob Sie mein letztes Schreiben erhielten, hab ich seitdem mehrmals, doch leider stets vergebens, Briefe an Sie zu befördern versucht. Nun hab ich mich an Herrn Buchhändler Stettner in Lindau gewendet um Ihnen wenig­stens die nötigsten Antworten auf die in Ihrem Letzten an mich gestellten Fragen zukommen zu lassen. Ich würde es mehr bedauern wenn Sie dieselben nicht erhalten hätten, als wenn der leicht wieder herzustellende Bogen mit weitern Wörtern verlorengegangen wäre. Also zur Sache:

    Klipso mit einem s Klips Klipslar Griffel mit dem F von Griffel, rechnen Griffeln Echo - das Widergeben es widergibt.

    Klammoro / klammer, etwas sich anklammerndes besonders 1) die Waldameise (daher auch Klammernhaufen) 2) ein eiserner Hacken.

    Lauine wird hier ohne das We ausgesprochen. Der Tannber­ger (Walliser) sogar sagt: d Lauolo und meint, das Wort komme von der lauen Luft, in der die Lauine entsteht eine in kalter Luft entstehende L. nennt man Staub. Klamperle, einem ein - anhängen, wir sagen: Einem einen Schlätterling anhängen, das heißt: Böses oder dummes von ihm sagen um lächerlich zu machen, trotzig antworten. Schlättoro heißt schleudern, rasch hin und her bewegen, schlottern, Schlättorling, der Rest Schwanz eines zusammen­geknöpften Seiles, das Nachgezogene der Anhängsel (der) Klumpo großer Bissen

    (der) Klungol, ein Knäuel wie Gotthelfs Wörterbuch „i d Klamporo" in die Enge Verlegenheit kommen. Den von Ihnen mir zugesendeten Apetitsbissen hab ich ver­schlungen und bin nun ordentlich hungrig worden so daß ich gleich die von Pfeiffer herausgegebnen Klassiker des Mit­telalters bestellte. Das Nibelungenlied kenne ich bisher nur durch Simrock, nun aber möchte ichs in der der unsern so nahe verwandten Sprache lesen. Wenn Sie mir in ruhigem Zeiten die Zeitschriften von Leipzig verschaffen könnten so würde mir das sehr lieb sein wenn ich sie auch gelesen er­hielte. Unsere Post geht so langsam, daß ich doch nur Ver­altetes erhalte. Vielleicht wird das nun anders. Es ist mir ge­lungen, die Rößlewirtin in Au zu bereden, daß sie nun täg­liche Fahrpost bis hieher zu errichten gedenkt. Ihnen geht [es] dabei nicht gut, da ich Sie dann noch öfter in Anspruch nehmen werde. Seit ich an Sie schreiben darf, ist mir ein ganz neues Leben aufgegangen. Vor einigen Wochen hab ich 2 Nummern der Norddeutschen Zeitung erhalten in denen ich einen kurzen Abriß meines Lebens fand. Ich bitte, mir den Verfasser jenes Artikels freundlich zu grüßen auch können Sie ihm mittheilen, daß ich nie in der Fremde war. Wenn der Vorarlberger d h der ächte Deutsche, sich seinem Nachbarn gegenüberstellt, so meint er nur den verbrixnerten Tiroler, und solche sind leider auch hier gar nicht so selten besonders unter den jungen Geistlichen, deren Vorbild ich ohne an den oder jenen zu denken, in den Sonderlingen zu zeichnen versuchte. Wir in Schoppernau hatten früher einen Tiroler als Pfarrer dem wir sehr viel verdanken, während jetzt ein Landsmann gar wunderlich wirthschaftet und mich im letz­ten Frühling von der Kanzel aus verhaßt zu machen suchte. Wenn einmal die Bauern mein Buch lesen, werden sie darauf wetten daß ich es ganz in diesem Sommer schrieb, so ganz hat meine Dichtung, sobald sie vollendet war, zur Wahrheit werden sollen. Doch, hievon ein andermal! Mit meinen Brie­fen machen Sie wie es Ihnen gut dünkt, doch glaube ich daß jetzt ein Aufsatz in der Europa ziemlich unbeachtet bliebe. Wenigstens hier hört man nur noch vom Krieg. An Sonntagen ist mein Arbeitszimmer voll Bauern die die Zeitungen lesen u die Landkarte studiren. Ich wollte, Sie könnten die Leute sehen und hören. Jetzt ist man nicht mehr so gleichgültig wie 1859. Sie haben aber doch Recht, Franz sollte die Zei­tungen wenigstens zuweilen erhalten. Auch sonst möchte ich Ihre werthen Bemerkungen benützen und bitte daher mich zu benachrichtigen ob das nicht noch während des Drucks geschehen könnte wie beim Schwarzokaspale wo ich die Corektur selbst las und beliebig änderte. Sie schrieben mir, daß Hirzel ein schweres Leid erfahren habe. Ich möchte gern etwas mehr davon wissen wenn es mir auch weh thun wird. Ich bitte, mir ihn recht freundlich zu grüßen. Die Heuernte ist nun vorüber und ich hätte Zeit mit Ihnen die Berge zu besteigen denn zum Dichten hab ich keine Lust. So hab ich denn eine Reise auf den Tannberg, einen noch nie geschilderten Strich Landes, zu beschreiben angefangen. Vielleicht würde diese Schilderung meiner Nach­barn sich für die Gartenlaube eignen. Zwar die Landschaftsmaierei ist, wie Sie schon bemerkt haben werden, nicht mein Fach, aber auf einer Winterreise gibts auch für den Scharf­sichtigsten mehr zu hören als zu sehen. Wenn Sie glauben, daß meine Arbeit Aufnahme finden könnte, so werde ich sie an Sie oder Herrn Ernst Keil in Leipzig übersenden. Die gewünschte Photografie werde ich  übersenden sobald ich weiß, daß Sie dieselbe auch erhalten werden*), es würde mich ungemein freuen, bald einmal wider etwas von Ihnen zu hören wenn es Ihnen möglich wäre Briefe an Hrn Stettner in Lindau zu bringen der dieselben gewiß überschicken würde. Die Meinen sind wohl und lassen Sie und die werthen Ihri­gen recht herzlich grüßen. Nächstens in hoffentlich ruhigem Tagen mehr. Es grüßt Sie und all die deutschen Brüder im Norden hochachtungsvoll

    Ihr                                                                  

    Franz M Felder

    *) Ich habe sie beigelegt und hoffe bald zu erfahren daß Sie dieselbe richtig mit diesem erhielten

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 22. Juli 1866

    Lieber Freund!

    Mit Bezugnahme auf unser letztes Krumbacher und Körber Gespräch sende ich Dir anliegend 20 FI.Ö.W., die ich eben entbehren kann. Sobald Du wieder etwas brauchst, zeige es an. - Seit drei Wochen stelle ich hier den Amtsleiter vor, weil ich bei der Rückkehr von Krumbach den Bez.Vorsteher Mathis krank traf und er noch krank, doch auf Besserung ist. - Viele Beamte haben jetzt Kummer wegen ihrer Zukunft, welchen ich jedoch nicht teile. Auch halte ich dafür, daß das deutsche Volk und insbesonders wir Österreicher von der Zukunft im allgemeinen zunächst nichts Gutes erwarten können. Wir verdienen aber wirklich nichts Gutes. Die Kleingeisterei herrscht in erschreckender Weise. Die Menschenschlächterei will nicht aufhören! Wie glücklich bist Du, daß Du in dieser Zeit des Elends und des Jammers ruhig und ungestört den Friedensgesängen der Amseln und Meisen zuhören kannst. Ich brauche meine Philosophie jetzt mehr als je und halte wegen ihrer ausgezeichneten Leistungen dafür, daß ich die rechte habe. Sie läßt mich die außerordentlichen Vorgänge in der Welt ziemlich ruhig ansehen und gestattet getreuliche Verfolgung derselben. Doch braucht es alles auf in dem Meer aller gemeinen Leidenschaften, die da hin- und herfluten. Unsere Schützen haben jetzt schlechte Zeiten und selbst die Studenten sehnen sich heim. Die Feldkircher Zeitung posaunt heute aus, Österreich habe die Friedenspräliminarien nach Frankreichs Antrag angenommen, wonach das Wesentlichste der Austritt Österreichs aus Deutschland sei. Daß der Austritt aus Italien schon stattgefunden, weißt Du. Also überall Aus­tritt und Eintritt!!? Meine Theres ist nocht aufrecht und war letzthin eine ganze Woche in Schruns auf Kriosi. Die Isabella macht sich jetzt ganz gut, sie hat auf der Krone viel gelernt. ­Wie ist es mit dem Demokraten und mit Deinen Korrespondenzen in Deutschland draußen. Wenn wir von Deutschland abgeschnitten werden, woran  ich  nicht zweifle (außer wir verlieren noch eine Hauptschlacht, in welchem Fall wir wohl zu  Deutschland kommen werden), so wird Deine Lage als Literat eine schwierige, da dann der schleichende Krieg der sogenannten   moralischen   Eroberungen   unvermeidlich   sein wird. -

    Wie geht's mit dem Käsgeschäft?

    Schicke mir bald Antwort. Ich grüße Dich und die Deinen aufs freundlichste

    Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 21. Juli 1866

    Lieber Freund!

    Endlich ist das Heu glücklich untergebracht und ich finde Zeit, Dir dein liebes Briefchen zu beantworten. Sei nur froh, daß Du keine Zeitungen zu lesen bekommst, denn das erspart Dir manchen Ärger. Die Preußen stehen hart vor Wien, der König von Sachsen ist landsflüchtig, der Kaiser zieht nach Ungarn. Venedig ist an Napoleon verschenkt damit er Öster­reich nicht ganz fallen lasse. Die Stimmung der deutschen Völker vermag ich kurz nicht zu schildern und sage nur so viel: Sogar die A. Allgemeine Zeitung wendet sich gegen die süddeutsche Großmacht. Eine Rekrutenaushebung unter den jetzigen Umständen wäre von der Regierung etwas gewagt. In der Schlacht bei Königsgrätz verlor unsere Nordarmee 100.000 Mann, usw usw.

    Genug hievon! Daß meine Käsgesellschaft jetzt nicht zu Stande kommt, könntest Du dir wol denken wenn Du die Aufregung Deiner Landsleute sähest, jeden Sonntag ist mein Arbeitszimmer voll Zeitungsleser. Das macht mir Freude. Es ist wol die erste, vielleicht einzige gute Frucht dieses furchtbar­sten aller Kriege. Meine Korespondenz mit den Freunden in Leipzig ist unterbrochen. Es ist mir seit einem Monath nicht mehr möglich gewesen, einen Brief an Hildebrand zu bringen und doch sollte das höchst nötig geschehen. Ich wollte ich hätte mein Manuskript wieder da es wäre hier wohl sicherer als in Leipzig.

    In der Norddeutschen Zeitung erhielt ich letz[t]hin einen län­geren Artikel aus Vorarlberg der eine Biografie Deines Freun­des bringt und den Sonderlingen schon im Voraus Freunde gewinnen soll. Über genanntes Werk äußern sich Kenner überraschend günstig. „Das" schreibt Hildebrand „das ist eine Bereicherung unserer Literatur, für die ich Sie umarmen, küs­sen möchte; so ganz realistisch und doch auch so ideal. Über­all hin begleiten mich jetzt Ihre Gestalten. Die Lösung ist vor­trefflich usw usw."

    Das heißt: Es ginge ganz gut, aber es geht nicht, der Krieg verdirbt alles und nimmt einem sogar die Lust am künstleri­schen schaffen. Wenn Du mich fragst was ich denn jetzt wie­der thue so muß ich Dir antworten: „Ich ärgere mich." Wor­über? Das will ich Dir später sagen. Unser Pfarrer fängt an ungemein freundlich gegen mich zu werden, er sieht, daß er als mein Gegner den kürzern zieht. Nun fängt er meine Wege zu gehen an. Viel Kopfarbeit machte ihm und ändern, daß ich meinen jüngsten Buben Hermann taufen ließ. Er zweifelte, ob es je einen christlichen Heiligen dieses Nahmens gegeben, Du siehst, man ist hier noch fromm, d.h. wol stolz. Ja stolz ist man und hält das kleine für schlecht und das Glänzende für groß. Drum diese Sittenlosigkeit, drum ist dem alten Salomon mit den trockenen Knochen alles eitel, drum findet der, der seine Bahn übersprang keinen sittlichen Halt mehr, darum endlich nahm Muxels Josef in Au (Schrecken) vorige Woche einen Strick und erhängte sich, die Passiven belaufen sich auf etwa 20.000 fl. „Da hat mans", sagte der Bischof auf dem Landtag.

    Dein letzter Brief hat mich recht gefreut. Er zeigt daß Du noch nicht verseucht bist, da ist Leben und - Fortschritt. Ich brauche dieses Wort absichtlich. Doch nur muthig vorwärts. Dir paßt also die alte Gottesidee von der Schule nicht mehr. Gut. Die Geschichte wird Dich eine neue finden lassen. Es wäre gefehlt, den Wein zu tadeln, weil Du plötzlich die Ent­deckung machtest, daß der den Du bisher bekommen allzu­sehr nach dem alten Faß roch. Das wird sich schon geben, wie im thätigen Leben sich alles findet, also nur vorwärts. Auf meinen Agitationsreisen durch unser Land hab ich den schönsten Lohn für mein Bemühen, einen Freund gefunden. Feuerstein, der Vorsteher in Bezau ist ein Mann, um den ich seine Heimath beneide. Ich glaube nicht, daß unser Ländchen ein halbes Dutzend solche habe. Es ist ein Glück für den gan­zen Wald, daß das erste Dorf ihn zum Leiter hat, den das wird auch andren Gemeinden vortheilhaft sein, in denen sich in der jetzigen Zeit der Rathlosigkeit oft genug zeigt, wie schlimm sie dran sind. Daß ich dabei auch an unsere Heimath denke, brauche ich Dir wol nicht erst zu sagen. Nun aber noch eine Neuigkeit, die Dir beweisen soll, 1) daß der Wälder doch auch von der Zeitströmung mitgenommen wird 2) daß ich nicht ganz umsonst mich heiser schwätze. Wir werden in kurzer Zeit eine tägliche Post bis Schoppernau bekommen, unter den sich um die Stelle bewerbenden ist auch Dein Vetter des Adlerwirths Michel. Wie das gekommen will ich Dir später erzählen. Daß ich die Hand auch im Spil hatte, kannst Du Dir denken. Wenn Michel der Rößlewirthin in Au überligt, könntest Du noch gar Postknecht werden, da er das schwerlich selbst zu übernehmen gedenkt. Die Meinen so wie alle Deine Bekannten sind wol und lassen Dich grüssen.

    Unsere Landwehrler stehen an der Tyroler Gränze hart neben Garibaldi, sie sollen schon 40 Mann verloren haben deren Namen ich Dir leider noch nicht mitzutheilen weiß. Die Heuernte ist etwas dürftig ausgefallen, die Preise der Lebensmittel sind im Steigen nächstens werden wir Einquar­tierung verwundeter Soldaten bekommen. Doch genug, der Brief, dem ich meine Photografie beilege, möchte sonst zu schwer werden schreibe bald wieder Deinem Freund

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Natter
  • 16. Juli 1866

    Geehrter Herr!

    Ich hörte neulich, daß im Frühjahr d.J. ein Verein zur Verwer­tung der Bregenzerwälder-Landes-Produkte ins Leben treten

    sollte, den Sie angeregt, u. wovon Sie die Statuten besitzen sollen. Es wäre mein Wunsch dieselben kennen zu lernen, u. bitte Sie deshalb, mir dieselben auf circa 8 Tage zur Einsicht zu überlassen.

    Vielleicht daß uns hier dieselben auch wohl entsprechen würden.

    Ist es thunlich wäre mir lieb dieselben beim Überbringer die­ses Briefes zugesendet zu erhalten, u. werde dieselben gewiß wiederum pünktlich  u. mit Dank zurückstellen. Auch  Ihre Addreße wäre mir wünschenswert. Euer bittender Freund

    Bernard Berchtold

    Herrn N.N.

    Verfasser des „Schwarze Kaspele" in Schoppernau

    Bernard Berchtold
    Riezlern
    Franz Michael Felder
  • 11. Juli 1866

    Lieber Freund!

    Sei so gut, Dich als Einwohner Schoppernaus zu denken der nur zweimal in der Woche veraltete Nachrichten aus der Welt herein erhält und Du wirst Dir auch vorstellen können wie lieb mir Deine Briefchen sind und wie dankbar ich Dir bin. Ich habe Dir einige Lieder zu liefern versprochen, die den Tirolerismuß etwas verdrängen sollten. Hier ist eins das in den Regentagen der letzten Wochen entstand. Der Gedanke ist volksthümlich ob sich aber der Vers zum Gesang eignet ist eine Andere Frage. Ich glaube ja: an den klangvollen, ängst­lich gefeilten Versen eines Platen Lenau etc bleibt dem Com­ponisten nichts mehr zu thun. Ich bitte mir Deine und der Deinen so wie Anderer Liebhaber Meinung über den Scherz

    zu sagen und zugleich mitzutheilen ob Ihr mehr ähnliches wünschet. Gewiß wäre in den letzten Tagen die ich in mei­nem Arbeitszimmer verbrachte noch mehr für Dich Geeigne­tes entstanden, doch die neuesten Nachrichten vom nordi­schen Kriegsschauplatz haben die freundlichen Musen ver­scheucht und bisher hab ich sie vergebens angerufen. Die früheren Arbeiten dieser Art aber finde ich bei ernster Prü­fung nicht zur Veröffentlichung geeignet. Sei so gut mir das Gebethbuch: Der Katolick auf einige Wochen zur Durchsicht zu übersenden.

    Wie geht [es] Dir mit Shelley's Königin Mab, macht Dich die Dichtung heiß oder kalt?

    Was hast Du mit den Zeitungen ausgerichtet, hat die Gesell­schaft nichts dagegen, wenn ich die Gartenlaube mithalte? Ich bitte mir zu schreiben wie viel die Gesellschaft für die gelese­nen Nummern verlangte.

    Zum Schluß des heutigen noch Etwas Erfreuliches! Ich arbeite schon längst daran daß wir doch auch eine tägliche Post bekommen. Endlich scheint etwas daraus werden zu wollen. Dann hat das Briefschreiben noch einen neuen Reiz. Soll ich Dir einmal etwas vom Lassalle oder seinen Schülern schicken? Baldige Antwort hoffend, mit 1000 Grüßen, Dich und die Deinen Dein Freund

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Feuerstein
  • 8. Juli 1866

    Verehrtester Herr Hildebrand!

    Ich zweifle ob Sie meinen Brief vom 18 v. M. erhielten und will daher vorerst den Inhalt jenes Schreibens kurz wieder­geben. Ich zweifelte, ob meine Briefe sich zum Druck eignen, doch dieselben gehören Ihnen und ich weiß, daß Sie thun werden was gut ist. Jetzt wäre freilich zu so etwas keine Zeit. Ich kann mir denken, wie groß die Aufregung allüberall sein muß, denn selbst hier bei uns ist die Stimmung der Art daß ich sie - kurz - nicht beschreiben kann. Gestern holte ich die Zeitungen selbst, weil ich nicht bis heute warten konnte, und heute hatte ich das Zimmer voll Bauern, auf dem Dorf­platz hörte man mir aufmerksamer zu, als der Predigt un­seres Pfarrers, eines jungen verbrixnerten Bregenzerwälders, den man für einen Tiroler halten könnte wenn man nicht wüßte, daß das nur Brixnerismus ist, was man auswärts für Tirolerhaftigkeit hält. Auch die Tiroler sind Deutsche, und wenn die neuesten Gerüchte sich bestättigen, so können wir gar wunderliche Dinge erleben. Doch davon, wenn ich ein­mal gewiß weiß, daß Sie meine Briefe erhalten werden. Ich wollte, Sie hätten heute meine lieben Bauern bei mir sehen und hören können. Das ist nun doch endlich nicht mehr die gleichgültige selbstsüchtige Masse von 1859. Damahls war man wirklich so theilnamslos wie ich in den Sonderlingen erzählte. Aber Sie haben doch recht! Franzen sind die Zei­tungen zuweilen zugesendet worden oder es muß schärfer betont werden daß er in dem Zustand, in welchem er die Heimath verließ, sich so zu sagen um Gott und die Welt nicht mehr kümmerte. Welches von Beiden? Ich glaube fast das Letztere.

    Sie schrieben mir, daß Hirzel ein schweres Leid erfahren. Das bedaure ich recht von Herzen und möchte gern etwas mehr davon inne werden wenn es mir auch weh thun wird. Die letzten Wochen war ich in meinem Vorsaß, dort wars ruhig und still, aber ich konnte mir doch nie recht wohl sein lassen, und immer trieb es mich heraus um etwas Neues zu hören. Nächstens werden wir tägliche Post bis hieher be­kommen. Das freut mich ungemein, ich darf auch sagen, daß ich viel dafür gewirkt habe.

    Mit dem letzten Brief hab ich auch etwas fürs Wörterbuch geschickt. Nun, daran wäre allenfalls nicht viel verloren da ichs bald wieder geschrieben hätte, mehr würde ich bedauern wenn Sie meine Antworten auf Ihre Fragen nicht erhalten haben sollten. Ich lasse dieselben nochmals folgen:

    Klipso mit einem s Klips Klipslar Griffeln mit f von Griffel wie mit dem Griffel rechnen Echo - das Widergeben.

    (die) Klammor - das Festhaltende. 1) ein eiserner Hacken 2) die Waldameise

    Lauine wird hier ohne w ausgesprochen und kommt vielleicht von der lauen Luft in der die Lauinen entstehen denn die bei kaltem Wetter vorkommenden Schneestürze nennt man Staub (äs kunt a Stoub - es kommt ein Staub). Klapf der, eine schwere, drückende gleichsam klapfende Menge. Das Bild wird also statt dem Worte viel gebraucht. Klamperle einem ein - anhängen

    wir sagen einem einen Schlätterling anhängen das heißt, Böses von ihm sagen um ihn lächerlich zu machen, trotzig antworten. Schlättoro heißt schütteln, rasch hin und her be­wegen. Schlätterling der beim Knüpfen bleibende Rest eines Fadens, eines Seiles der Anhängsel. Klumpen, großer Bissen

    i d Klamporo in die Enge Verlegenheit kommen Den von Ihnen mir zugesendeten Apetitsbissen hab ich ver­schlungen und bin so hungrig geworden daß ich - trotz allem und allem gleich die bei Brockhaus erscheinenden deut­schen Klassiker des Mittelalters bestellte ohne nach zu fragen was wol mein Finanzminister dazu sagen werde. Wenn schon die Zeitungen die ich gern lesen möchte, nicht mehr ganz neu wären, für mich hätten die doch noch den vollen Werth und Sie nähmen dem nicht mit Glücksgütern gesegneten Kleinbäuerlein eine Sorge ab, wenn Sie mir die Sachen etwas billiger verschaffen könnten. Meine Bücher kosten mich im Verhältniß zu meinen Einnahmen schon viel Geld und hungern lasse ich die meinen nun einmal nicht. Früher hab ich oft den Bauern beinahe recht gegeben wenn sie sag­ten Es sei besser wenn man es in den Armen hab als im Kopf. Aber die Bücher blieben mir doch immer liebe theure Freunde und seit ich an Sie schreiben darf ist mir ein neues Leben aufgegangen.

    Vor einigen Wochen hab ich 2 Nummern der Norddeutschen Zeitung und darin eine Nachricht von mir erhalten. Ich bitte den Verfasser jenes Artikels freundlich zu grüßen. Sie können ihm auch mittheilen daß ich nie in der Fremde gewesen sei. Auch drängt es mich, auszusprechen, daß ich dem Pfarrer Stockmeier, einem wakern Tiroler sehr viel zu danken habe, wenn er auch meine Leserei nicht gerne sah. Unser jetziger Pfarrer ist ein Bregenzerwälder, aber er ist viel verbrixneter als jener. Man kann von ihm oft den Ausdruck „wir Tiroler" hören was sich dann die guten Bäuerlein allerdings nicht recht gern gefallen lassen.

    Doch Sie werden wichtigeres zu lesen haben als meine Briefe. Leben Sie recht wohl.

    Mit tausend herzlichen Grüßen von den Meinen an Sie, dann auch Ihre Freunde und alle die sich um mich kümmern

    hochachtungsvoll Ihr ergebener Franz M. Felder Ich habe auch meine Photografie beigelegt.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 7. Juli 1866

    Lieber Freund!

    Gestern wurden wir von der Nachricht überrascht: Verrath in der östereichischen Nordarmee: Benedek des Comandos ent­hoben. Die Generale Henikstein, Krismanitsch, u. Clam Callas auf dem Wege nach Wien um vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden.

    Was für eine Aufregung dieß unter der Bevölkerung Bezaus schon verursacht kann ich Dir kurz nicht wiedergeben. Wenn dieß auch bei der Bevölkerung Wiens im gleichen Maße der Fall ist so läßt sich die Tragweite dießes Vorfalls gar nicht voraussehen.

    Das steht nach meiner Ansicht jedenfalls gewiß, Ostreich muß sein gegenwärtiges Regirungssistem gründlich aufgeben oder es ist verlohren.

    So eben erhalte ich vom Both die Bücher, es freut mich die­selben jetzt bei der Hand zu haben es eckelt einen vor Zei­tungen u. dem unselligen politischen Wirrwar. Lebe wohl, es grüßt Dich

    Dein Freund Josef Feuerstein

    Josef Feuerstein
    Bezau
    Franz Michael Felder
  • 1. Juli 1866

    Lieber Freund!

    Dein Brief hat mir wohl die größte Freude gemacht, die ich bisher in der Fremde gehabt habe. Erstlich war ich ganz ohne Nachrichten aus der Welt, denn was ich hier erfahren konnte, heißt soviel als nichts. Dann freuten mich die guten Nachrich­ten, die Du mir von allen Seiten gemeldet hast. Ich wünsche Dir von Herzen Glück daß Deine Sonderlinge so gute Auf­nahme gefunden haben. Du wirst nun ein berühmter Mann, dem sich ordinäre Menschen kaum mehr nähern dürften, wenn Du nicht glücklicherweise für dieselben am Meisten eingenommen wärest, was eigentlich nur billig ist, da ja die ganze Welt fast aus lauter solchen besteht. Doch noch mehr Glück wünsche ich meinen Landsleuten, daß sie die Gelegen­heit nicht vorbei gehen lassen, sich aus den alten verrotteten Verhältnissen aufzurichten, da es noch Zeit ist, denn es würde sonst auch für sie eine Nacht kommen, in der sie nicht mehr wirken könnten.

    Auch für Dich ist es der schönste Lohn für Deine Mühen, wenn dieselben nicht vergebens sind. Auch ein seltener Lohn ist dieß, der Wenigen im Leben zu Theil wird, die für Andere wirken u. lehren.

    Du hast mir geschrieben, ich werde die sociale Frage eher lernen begreifen. Das ist freilich wahr. Ich wollte, ich könnte einem Jeden Wälder, der die gegenwärtigen Verhältnisse für gut oder gar für nothwendig hält, herausführen in die Welt u. ihm die Gegensätze im socialen Leben zeigen, wie ich sie gesehen habe u. noch täglich vor mir sehe. Ich arbeite näm­lich 2 Stunden von Besannen auf einem Dorfe, neben wel­chem eine grosse Papierfabrik steht. Hier arbeiten nun etwa 300 Mädchen um schlechten Lohn, haben schlechte Kleider u. sind sonst im höchsten Grade demoralisirt. Bei den männ­lichen Personen ist es das nämliche. Und ihre Wohnungen. Bei uns würde man Bedauern mit den Ziegen oder Schweinen haben die man in solche Ställe hinein thun müßte. Doch Du weißt das gut genug, aber man muß es gesehen haben, ehe man sich eine richtige Vorstellung davon machen kann. Wenigstens auf mich hat dieser Anblick einen viel stärkern Eindruck gemacht, als alle statistischen Zahlen. Doch zeigen diese noch die fürchterliche Menge an, die in solchen Zustän­den lebt. Da thut Abhilfe wahrlich noth u. jeder Mensch mit gesundem Verstande soll denen danken, die sich bemühen, diesem Übelstande abzuhelfen, u. das Seinige dazu beitragen. Ich habe aufs Neue den Vorsatz gemacht, für die Grundsätze unsers verehrten u. leider zu früh verblichenen Meisters zu leben u. zu sterben. Eben darum freut's mich so, daß die Wäl­der noch zur rechten Zeit dem Übel zu steuern anfangen. Doch genug von dieser Schattenseite des menschlichen Lebens, die man für unveränderlich halten müßte, wenn nicht die Geschichte lehrte, daß alles Unerträgliche einmal anders wird u. werden muß. Die Geschichte ist mein Trost u. mein Glaubensbekenntniß. Ich glaube daß der Marquis von Posa Recht hat, wenn er sagt: Er der Freiheit Entzückende Erscheinung nicht zu stören, Er läßt des Übels grauenvolles Heer In seinem Weltall lieber toben. - Ihn, Den Künstler wird man nicht gewahr bescheiden Hüllt er sich in ewige Gesetze; Die sieht der Freigeist, doch nicht ihn. Wozu Ein Gott, die Welt ist sich selbst genug.

    Was meine Wenigkeit anbelangt, bin ich gesund, und habe es hier in einer Hinsicht nicht schlecht getroffen, denn ich habe nur 2 Kameraden denen ich handlangen muß, dabei kann ich jedoch die meiste Zeit sonst arbeiten, u. daher viel lernen. Wir arbeiten auf einem Schlosse, das der vorerwähnte Papier­fabrickant bauen läßt u. das mehr als eine Million Franks kostet, bis es fertig ist.

    Deine Freude, von mir französisch zu lernen, lasse nur fallen, denn ich habe keine Gelegenheit, in eine Schule zu gehen. Auch zeichnen kann ich hier nicht lernen. Doch das ist noch nicht das Ärgste, ich kann nicht lesen, u. habe keine Bücher bei mir.

    Doch auch das hat sein Gutes, man lernt sich mit eigenen Gedancken zu beschäftigen, u. sich auszudrücken. Auch ist ein Sommer nicht gar so lang, u. wenn ich das nächste Jahr wieder fort komme, so will ich schon an ein Ort hinkommen, wo Gelegenheit ist, zeichnen zu lernen. Was das Spielen anbelangt, habe ich schon heimgeschrieben, was ich in dem Falle thun werde, auch bin ich darauf gefaßt, obwohl es für mich bei meinen Grundsätzen nicht das leichteste ist, das mir begegnen könnte. Doch in der Welt draußen lernt man alles gleichmüthig ertragen, ich weiß gewiß, daß ich jetzt vielmehr böse Schicksale aushalten könnte, als wie ich zu Hause war. Wer sich nur zu Hause wohl fühlt, u. sonst nirgends hin kommt, betrachtet alles subjectif, aber wenn man auf sich selbst angewiesen ist, lernt man die Welt objecktif betrach­ten, u. mithin fällt einem nichts mehr so schwer. Von Besancon kann ich nicht viel schreiben, ich bin noch nicht weit darin herumgekommen. Die Stadt an u. für sich hat einen betäubenden Eindruck auf mich gemacht, es ist ein Durcheinander, immer wechselnde Gestalten treiben sich umher, man kommt nie an ein Ende oder Anfang. Doch hat es auch wieder sein Gutes, denn hier ist alles beisammen, was menschliche Kunst u. Wissen zu leisten vermag. Ich habe hier einen Vorderwäldler getroffen, der dem Walde noch Ehre macht, er ist zwar nicht sehr gebildet, aber doch ein ordent­licher Mensch u. in Besancon verheirathet, dieser führt mich hin, wo ich hin will, vergangenen Sonntag sind wir im Museum gewesen, in der Bildergallerie. Da habe ich drein­geschaut, so grosse Säle voll der schönsten Bilder, das war etwas, das ich nicht genug anschauen konnte. Sonst findet man selten einen Menschen, mit dem man etwas mehr als von altäglichen oder gar abgeschmackten Dingen reden kann. Das Vorurtheil, das bei uns gegen die Fremde herscht, ist wohl nicht ganz ungegründet, denn es sind viele hier, die man daheim verachten müßte, wenn man ihr Thun u. Treiben sähe. Doch kann man es ihnen nicht ganz verargen. Zuerst sollte man ihnen in der Schule den Sinn für etwas Höheres u. Besseres einpflanzen, ehe man von ihnen fordern kann, daß sie immer auf dem rechten Wege bleiben. Für einen Menschen gewöhnlichen Schlags sind die Gefahren u. Gelegenheiten zu groß, als daß man ihnen nicht zum Opfer fallen sollte, ausgenommen, wenn eine andere Leidenschaft das Übergewicht behält, wie dieß bei den Montafonern hier der Fall ist. Entweder sind sie habsüchtig, daß [sie] nicht einmal genug essen dürfen, oder sie saufen u. gehen in das Huren­haus. Edlere Genüsse kennen sie nicht. Auch die Wälder sind so, diejenigen wenigstens, die hier sind, doch sind sie sonst intelligenter u. rühriger, als die Montafoner die mich fast an die Tannberger gemahnen. Übrigens bin ich mit dem vor­erwähnten Kameraden nicht eng befreundet, wie ich es wohl in der Fremde nie mit einem werde, denn in der Welt drau­ßen muß man selbständig sein, sonst ist man verloren, u. daheim habe ich einen Freund, für den ich dem Schicksal danke. Es thut einem so wohl, wenn man sein ganzes Herz öffnen kann, das man sonst fest verschlossen halten muß. Doch jetzt wird Deine Geduld wohl zu Ende sein daher muß ich aufhören zu plaudern. Grüße mir die Deinigen u. Ober­hausers recht herzlich, sonst niemand, es braucht unsere Kor­respondenz niemand zu wissen. In Hoffnung einer baldigen Antwort

    Dein treuer Freund Josef Natter

    Die Adresse lautet jetzt:

    Mons. Jos. Natter chez Mons. Goumez Frangois Cultivoateur ä Geneuille Canton de Marchaux. Doubs.

    wenn Dir die Adresse nicht deutlich genug ist, so fordere sie beim Adlerwirth.

    Josef Natter
    Geneuille
    Franz Michael Felder
  • 27. Juni 1866

    Verehrtester Herr Felder!

    Meine herzlichste Gratulation zum kleinen Hermann! Möge

    er zur Freude seiner Eltern aufwachsen u. gedeihen!

    Sie sind also jetzt in Hopfreben. Wie glücklich sind Sie! Dort diese idyllische Ruhe u. Stille, während bei uns Bellona mehr u. mehr alle Gemüthlichkeit verscheucht, u. geistige u. mate­rielle Interessen arg schädiget.

    Wird's bis zum August besser, dann komme ich übrigens schon wieder. Es hat mir voriges Jahr zu gut bei Ihnen ge­fallen.

    Mit Bopp geht's gegenwärtig etwas besser. Von mir u. den Meinen kann ich nur das Beste melden. Herzliche Grüße an Sie u. Ihre liebe Frau von uns Allen!

    Ihr Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 18. Juni 1866

    Mein lieber verehrter Herr Hildebrand! Während es vielleicht anderwärts schon drunter und drüber geht und Tausend Unschuldige dem Ehrgeiz Einzelner zum Opfer fallen zur Scharide unseres sich aufgeklärt nennenden Jahrhunderts, befinde ich mich im schönen Vorsaß Hinter­hopfreben bei Schoppernau wo ich gute Butter und schlechte Verse mache. Ihr werthes Schreiben hab ich erst vor wenigen Stunden erhalten und eile nun mit Freuden von meinem 6 Tage alten Herrmann weg um Ihnen gleich zu antworten. Sie werden den Brief doch noch lange nicht erhalten. Von der Schneckenhaftigkeit unserer Post hat ein Fremder gar keinen Begriff. Würde ich diesen Brief Morgen schreiben, so käme er erst am Sonntag nach Bregenz. Da erhält man immer alte Zeitungen und es läge mir wenig daran, wenn manches zuerst irgendwo gelesen würde. Ich hab Ihr letztes Schreiben sehnlichst erwartet, hab unterdessen den Entwurf der Son­derlinge durchblättert und finde nun selbst daß bei Marien, die als Macht des Beharrens dargestellt, vielleicht die von Ihnen erwähnten Kämpfe als überwunden bezeichnet wer­den sollen. Es gab auch sonst wol noch Einiges zu verbessern Kap. 7 (2. Theil). Die Gensdarmen suchen nur dann nach verbothenen Waaren Tobak u d g l. wenn keine Grenzjäger zu Hause sind. Ich kanns nicht glauben, daß Sie nicht mehr zu bemerken haben. - So hart sollten Sie doch den Eigensinn im vorigen Briefe nicht strafen. Sie haben mein volles Ver­trauen gewonnen. Ich schrieb immer offen wie ich fühlte. Ihre Güte, Ihre Theilnahme, Ihre Mühen und Sorgen kann ich Ihnen durch nichts, gar nichts erwidern als durch Offen­heit und Wahrheit. Daß aber das immer mein Bestreben war, ja daß das Bäuerlein nicht anders kann, das werden Sie mir glauben. Es geschieht fast immer wenn ich schreibe, daß mir die Seele in die Finger fährt, drum sind meine Briefe wohl für Sie und Ihre Freunde, aber für die Öffentlichkeit sind sie wol nicht. Mir würde angst werden, wenn ein Blatt sie auf­nähme. Das hab ich jetzt recht lebhaft empfunden. Ich er­hielt 2 Nummern der Norddeutschen Zeitung, in denen ein Artikel „aus Vorarlberg" auch von mir erzählt. Der Schreiber (Ich bitte Sie, ihn recht freundlich zu grüßen und mir seinen Nahmen zu nennen) stellt mich besser und größer dar als ich bin. Leider hab ich noch nicht so viel zu Stande gebracht als er meldet. Nebenbei bemerkt ist auch irrthümlich oder wol nur ein Druckfehler, daß ich einmal in der Fremde ge­wesen sein soll. Mir ist ordentlich Angst worden, als ich den Artikel las und er hat mir ein wenig Kopfweh gemacht. Es mag das vielleicht die nämliche Scheu sein, die mich immer vom Hause des,Photografen fernhielt. Nun ist die überwun­den! Ich hoffte, schon heut Ihren freundlichen Wunsch er­füllen und Ihnen meine Photografie zusenden zu können. Das nächste Mal gewiß. Kennen Sie einen Oberlehrer Gustav Wagner? Er hat mir einen recht freundlichen Brief von Leip­zig geschrieben und versprochen mich nächstens zu be­suchen. Wenn nur auch Sie kämen! Die Beilagen zu Ihrem letzten Briefe sind mir, wie alles was von Ihnen kommt, als nützlich und erfreulich doppelt und dreifach werth. Ich werde, nachdem ich die Bogen vom Wörterbuch gelesen, etwas gründlicher und ordentlicher für dasselbe arbeiten; besonders werth aber ist mir Ihr Vortrag. Ist es doch etwas von Ihnen und gerade was mir das Liebste. Die Kulturstudien u. a. von Riehl und ähnliches hab ich immer mit besonderem Intresse gelesen, und schätzte mich glücklich so oft ich etwas Derartiges aufgabelte, wie Sie das auch in meinen Werken gesehen haben werden, wo ich Sitten und alte Bräuche mei­ner Heimath mit besonderer Vorliebe behandelte. Die in der Beilage „Bitte" gestellten Fragen werde ich beantworten so­bald ich Zeit habe. Vielleicht wärs gut wenn ich die Sonder­linge noch einmal durchgehen und einiges ändern würde. Was meinen Sie? Zum Druck kommts doch nicht so schnell. Was sagt Hirzel? Man hätte jetzt Zeit, noch zu verbessern oder zu kürzen und - könnte mir das Manuscript noch zu­geschikt werden. Ich möchte Ihren Rath hören. Das Echo nennt man hier s Weodorgio (das Widergeben) es widergibt. Lauine heißt Löue. Es kommt eine Lauine äs löuolot : Griffeln, von rechnen, Folgen aufsuchen, eins aus dem ändern ent­wikeln. Grübeln und Griffeln wie mit dem Griffel ausrech­nen. Die Klipso mit s Klips. Klapf eine Menge, z. B. ein Sack voll heißt a Klapf, es klapft wo man die schwere Last hin­stellt u d g . Man sagt aber nicht: ein Sak voll daß es klapft sondern einfach, a Klapf. Die Klammoro, (etwas haltendes zusammenziehendes) 1) ein eiserner Hacken, 2) die Wald­ameise. Klumpo, eine Masse Stollen, an Klumpo Erde Lehm Butter, zuweilen auch Fleisch; gewöhnlich aber sagt man bei Speisen a Möorggo.

    Noch immer geb ich die Hoffnung nicht auf, Sie diesen Som­mer noch hier zu sehen. Dann könnten wir über vieles reden was nicht so leicht zu schreiben ist weil man dann gar nichts mehr sagen kann. Meine Molkenhandlungsgesellschaft ist noch nicht zu Stande gekommen. Die Statuten aber sind schon hier und da abgeschrieben und ich werde sie viel­leicht für unsere Bauern lithografiren lassen. Ich hab auch die der Dresdner Cigarenarbeiter beim Entwurf benützt. Es ist schade, daß wir nicht schon zum Anfangen kamen, jetzt war für so eine Gesellschaft die beste Zeit. Doch das sind Sachen die mich mehr kümmern als Sie. In den nächsten Tagen werd ich wol hie und da Zeit finden, Ihre Bogen zu durchgehen. Für heute schicke ich „an Klapf" Spänne. Es ist noch nicht alles gehörig geordnet denn wie gesagt: Ich bin noch nie recht zum Ordnen des Gesammelten gekommen. Die Worte, die hier und im Hochdeutschen bei­nahe gleich lauten glaube ich nicht schicken zu sollen? Viel­leicht finden Sie bald wieder einmal Zeit einige Zeilen zu schreiben. Ich erfahre durch Sie dann wol auch wie es jetzt in Leipzig zugeht. Ich hab dem Bothen Ihre liebe Handschrift gezeigt und ihm gesagt er soll mir jeden Brief von Ihnen gleich nach Hopfreben (Vorsaß) schicken. Leben Sie recht wohl es grüßt Sie, Ihre Frau und all Ihre Lie­ben meine Mutter das Wible und noch besonders

    Ihr ergebenster

    Franz M Felder

    Sprachspähne - Fortsetzung

    Krips, der Kopf. Einen beim Krips nehmen, durch Worte oder thätlich unerwartet grob anfallen „da bin ich dann beim Kribs genommen worden, d h ich habe der Gewalt unter­liegen müssen.

    krittisch - schwierig. Ein kriüischer Mensch macht oder findet immer noch Hindernisse. Er ist unmöglich zu überzeugen oder gar zu einer That zu kriegen, Krögolar der - ein furchtsamer schwächlicher Mensch, der nur daheim sitzen oder hintennach gehen will, krögolo von zusamenkruken  (kauern) vor Kälte, Angst,  Furcht usw.  „Er krögolot herum wie eine schlechtgefütterte Ziege", Kroüar - (Krott die Krötte) einer der unsicher in seinem Thun und  Reden, dem es an Selbstvertrauen, an Achtung Geld, Werkzeugen zu dem fehlt was er sollte.

    krücho - kriechen wird angewendet wie im Hochdeutschen auch die in  den Stuben gezogenen  Schlingpflanzen  nennt man Krüchar. Ich habe einen schönen Krüchar das mänliche Geschlecht hat der K. mit allen s g Stubenstocken (in Töpfen) in der Stube gewachsenen Pflanzen gemein.

    Krum der - die Biegung immer mänlich. Ein guter Krum ist nie viel um, (Sprüchwort.)

    krum - nannte man alle Lahmen, Hinkenden und kurz die jenigen, die, sei es warum es wolle, nicht gerade gehen könen.

    Kruo, die Krone

    krus - kraus, bunt wunderlich wie im Hochdeutschen krus - kraus, bunt wunderlich wie im Hochdeutschen Kruspal die - Knorpel Verhärtung

    Krutarder. Wer alles planlos zusammenarbeitet, ißt, liest, redet, wie der Krud - Krautschneider, ist ein „ungschikta Krutar." Krütz das. Kreuz, Leiden und alles Widerwärtige Krützo die, Taufe

    Kuch der - Hauch, wer nach dem Aveläuten von bösen Gei­stern angehaucht wird, bekommt ein geschwollenes Gesicht auch vonThieren sagt man: Es ist von etwas Bösem „a kuchot" worden, (siehe Vonb,).

    Kuchibutz - ein Mann, der am liebsten beim Weib oder der Magd in der Küche herumschnüffelt, überhaupt jeden guten Bissen zu erschnappen sucht und sich auf der Welt um nichts als die Befriedigung seiner Naschhaftigkeit kümmert, kuh - (vielleicht richtiger ku,) kommen Und lüoß o wi a wilde Su Gär nümma undort Scheandlo ku

    Feldkircher die Stickerin

    Franz Michael Felder
    Hinterhopfreben
    Rudolf Hildebrand
  • 18. Juni 1866

    Lieber Freund!

    Dein Schreiben hab ich erhalten und beeile mich, noch etliche Zeilen beizufügen.

    Ob die Kapitalisten oder ein Kapitalist den Handel betreiben, - das ist uns nicht gleichgültig; jetzt ist doch noch Konkurrenz möglich, wenn wir aber hundert Galli hätten statt einen und die alle zusammenhalten würden. Lieber will ich die Sache verschleppen und den gemeinen Mann noch eine Zeitlang bearbeiten, bis er nicht nur seinen Vorteil, sondern auch seinen Nachteil einsieht, doch daß so eine Gesellschaft kein Glück wäre, darüber sind wir eins und sonst auch so eins, daß ich Dir etwas mitteilen darf, was sonst niemand hier versteht.

    Ich werde aufbegehren! Höre! staune!! erwilde!!! Gestern erhielt ich zwei Nummern der Norddeutschen Zeitung. Ich fand einen Artikel ,Aus Vorarlberg' und las - meine Biogra­phie, wie sie etwa ein Julian aus meinen Briefen an Hilde­brand zusammenschrieb. Jedes Wort, jeder Gedankenstrich hat dem Schreiber einen Satz gegeben, und da schwätzt er denn wunderliches Zeug aus meinem Unmut zu der Zeit, da ich meinem Franz in den Sonderlingen glich, macht er Selbst­mordgedanken (ganz Unrecht hat er freilich nicht), ich bin ein Verehrer des großen Schulze (Du weißt noch, daß ich im letzten Briefe von meinen Plänen schrieb). Ferner, doch es ist genug, lies den Aufsatz bald selbst und dann ärgere Dich oder lache. Ich hab schon beides getan. Die Herrn sollen nur machen, am End bin ich auch noch da.

    Vom Hildebrand ist der Aufsatz nicht, also von einem seiner Freunde. Das Ganze scheint recht gut gemeint und ich werde über Verdienst gelobt. Hildebrand hat geschrieben: „Ich bin von der weitern Entwicklung durchaus befriedigt, der eigentliche Umschwung durch den Lawinensturz ist vortrefflieh erfunden und ausgeführt, von ergreifender Wahrheit und Feinheit in der Zeichnung, äußerlich und innerlich. Daß Barthle stirbt, ist entschieden passend, Sepps Bekehrung ganz vortrefflich. Die Entfernung des Pfarrers und seine Ersetzung die beste Lösung der religiösen Spannung" u.s.w. u.s.w. Nur, daß die Bauern beim italienischen Krieg so gleichgültig sind, bezweifelt Hildebrand. Ich hab ihm heut geschrieben. Die Redaktion der Literatur-Zeitung ,Europa' wünscht meine Briefe an Hildebrand zu veröffentlichen, ich habe abgesagt und auch meine Gedanken über den Artikel in der Nord­deutschen Zeitung erraten lassen. Wegen einer Literatur­Zeitung brauchst Du Dich nicht mehr umzusehen, Hildebrand will mich versorgen mit??? „Ma siot's din." Der letzte Posttag hat mir ungemein viel gebracht, auch einen Brief vom Uhrenmacher Felder in [?]. Es geht ihm schlecht. Große Verluste, Schulden, Bankrott seines Onkels, er würde gern heimkommen, wenn er nicht gebunden wäre. Nun, der Vater könnte helfen ... Ich will sehen, was ich für ihn ausrichten kann.

    Der Hermann ist gesund und ißt und scheißt, daß es eine Art hat. Der Pfarrer hätte gern einen Johann Georg gehabt. Die Art, den Geistlichen zu schmeicheln und Kindern ihren Namen zu geben, ist nicht neu. - Wenn Du diese Mitteilung unwichtig findest, so bist Du da frei, unrichtig ist sie nicht. .. Doch mein Bote wartet! Mit tausend herzlichen Grüßen

    Dein treuer Freund Felder

    Das übrige bald mündlich und natürlich viel.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 16. Juni 1866

    Lieber Freund!

    Dienstag, den 12. d. M., verkündete mittags 12 Uhr das Geschrei eines Kindes die glückliche Ankunft eines jungen Weltbürgers. Ich glaubte ihn für einen Deutschen halten zu dürfen und hab ihn daher Hermann genannt. Der Pfarrer soll etwas ärgerlich bemerkt haben, „Antonius wäre jedenfalls der größere Heilige gewesen". Mutter und Kind befinden sich erwünscht wohl und erstere läßt Dich freundlich grüßen. Die Ablösungsfrage (Hinter-Vorderhopfreben und co. Ün­schen) wäre nun gelöst. Hinterhopfreben zahlt als Entschä­digung 80 FI.Ö.W. Ünschenberg hat regaliert und erhält für jede schneeflüchtige Kuh täglich 15 Krz.ö.W. Die Verhand­lung dauerte bis morgens Vs Uhr, ist aber nun zu allgemeiner Zufriedenheit beendet.

    Vom Käsehandel weiß ich nichts Neues zu berichten. Die Angelegenheit scheint zu ruhen, seit ich in Hopfreben bin und mir recht herzlich wohl sein lasse. Es wird weniger zu etwas kommen, da jetzt die Milchpreise im Steigen sind. ­Deine Therese soll gern in Warth sein und sich recht wohl befinden, so hat die Motol gesagt, als sie am Mittwoch, den 13., mit dem Vieh auf Krumbach zog.

    Am letzten Sonntag hab ich einen Brief aus Leipzig, von unbekannter Hand adressiert, erhalten. Ein Gustav Wagner, Oberlehrer der dortigen Lehranstalt für erwachsene Töchter und Lehrer an der öffentlichen Handelslehranstalt und Mit­glied des Schriftstellervereins, schreibt mir viel Liebes und Gutes. Ihn, der, obwohl seit 20 Jahren Sachse, doch noch Süddeutscher, freut es, daß ich mir in Sachsen so viele Freunde erworben, und er ist bemüht, die Zahl derselben zu mehren. Von Hildebrand schreibt er nichts, auch scheint er von mir nichts zu wissen, sondern nur mein Buch gelesen zu haben. Über dieses schreibt er beiläufig (ich habe den Brief nicht hier) etwa so: Ich muß gestehen, daß ich nichts besseres über die Älpler gelesen als ihr Schwarzokaspale. Ich kenne die biederen Wälderler gut genug, um Ihre Dichtung ge­hörig schätzen zu können. Auffallend ist mir folgende Stelle, wörtlich: Lassen Sie, hochverehrter Grenznachbar, Ihre Feder ja nicht ruhen. Erfreuen Sie uns bald wieder mit einer Schöpfung Ihres hellen Auges wie warmen Herzens! Schreiber hat seine Photographie beigelegt und verspricht, daß er im nächsten Monat in seine alte Heimat (Kempten) reisen und auch mich besuchen werde, vorausgesetzt, daß mein Besuch Ihnen angenehm sei.

    Ich habe den Brief beantwortet. Von Hildebrand ist bisher noch nichts gekommen. Im nächsten Briefe werde ich, seinen Wunsch erfüllend, ihm meine Photographie zusenden kön­nen, mit der Fetz in Bezau nun wohl fertig geworden sein wird.

    Unsere Geschäftsordnung hab ich Dir nicht zugeschickt, weil Du dergleichen tatest, ob Du sie selbst holen würdest. Der Sozialdemokrat ist mir schon längere Zeit ausgeblieben. Wüßtest Du kein Kaffeehaus etc., wo man eine gute Literatur­Zeitung oder die Beilage zur Augsburger Allgemeinen Zei­tung beziehen könnte? Ich bitte nachzufragen!! Die Unter­dörfler wären nun wenigstens so gut für meine Käshändler­pläne gewonnen wie andere, d. h. die Sache wäre ganz recht. Eine Unterdörflerin sagte: Alles wäre gut, das erste )ahr aber sollte doch noch niemand beitreten, damit man erst sähe, wie es gehen tat.

    Den Schröckern hast Du für ihre Holzverschwendung eine neue Strafe Gottes verkündet und wärest nun bald in den Ruf eines Sehers gekommen. Es brach im Gemeindehaus Feuer aus und es war fast ein Zufall, daß nicht wieder alles abbrannte. Die Stiege ist nun fertig. Auch ich bin für heute zu Ende, die Ziegennocken sind bereits gekocht. Ebenfalls besten Appetit wünschend, baldige Antwort hoffend, ver­bleibe ich Dein Freund und dreifacher Vater

    Franz M. Felder

     

    Franz Michael Felder
    Hinterhopfreben
    Kaspar Moosbrugger
  • 14. Juni 1866

    Lieber Freund!

    Dein Wertes vom 5. und 6. d. M. hat mich gefreut, doch ist mir einiges unklar. Was meint Feurstein mit dem auf eigenen Füßen stehen? Was hast Du für einen Plan, daß sich Kapitali­sten zur Aufbringung eines Betriebskapitals zusammentun sollten? Wenn Du einen solchen Plan hast, dann begreife ich Deine ganze Agitation nicht. Durch Kapitalisten wird jetzt der ganze Käshandel betrieben und ob mehrere zu diesem Zweck zusammentreten, ist gleichgültig, da dann nur die Interessen des Kapitals maßgebend sind. Doch vor allem möchte ich über diese dunkle Partie Deines Briefes Aufschluß. Bis dahin glaube ich, Du wollest eigentlich das, was Du ver­treten hast, als ich drinnen war. In dieser Voraussetzung will ich zur Gesellschaftsordnung folgendes bemerken: Es sollte an geeigneter Stelle noch bemerkt werden, daß Ge­sellschaftsmitglieder ein anderes Mitglied zur Vertretung auf der Generalversammlung schriftlich bevollmächtigen können, daß aber ein Mitglied nie mehr als Vs aller anwesenden Stimmen und nie mehr als drei Vollmachten in sich vereinen könne. Auch soll dort, wo die Prozedur bei Streitigkeiten über die Rechnung erwähnt ist, der Beisatz gemacht werden, daß dieser Vorgang bei allen Streiten zwischen der Gesellschaft und einzelnen Gliedern zu beobachten sei, ausgenommen jener, wo die Sachkundigen zu entscheiden haben (bei Klassi­fizierung der Käse). -

    Ich habe auch über die Meinung des Krusobuobo, daß die Gesellschaft eine Art Versorgungsanstalt sein soll, nachge­dacht, und es kommt mir vor, daß dieser Gedanke wirklich treffend verwendet werden kann. Wenn man von dem Rein­betreffnis jedes Lieferanten 2 Prozent abzieht und zurück­behält, so ist das wirklich ein unmerklicher Betrag, es träfe auf eine Person zirka Va Fl. Mit diesem Geld könnte man Doppeltes erreichen:

    1.            Es würde für den Einzelnen unmerklich ein Kapital ange­legt, das ihm zur rechten Zeit sehr dienlich sein kann.

    2.            Es könnte dadurch der willkürliche Austritt einzelner Mit­glieder auf kluge Art verhindert werden. -

    Um diesen Doppelzweck zu erreichen, dürfte dieses Geld nicht mit dem Betriebskapital vermengt und daher nie zur Tilgung von Schulden verwendet werden, außer nur vor­schußweise, und es müßte beim Austritt einzelner Glieder der Generalversammlung vorbehalten bleiben, zu entscheiden, ob den Austretenden ihre rückbehaltenen Tangente [?] zu erfolgen sei oder nicht. Es würde daher beiläufig folgendes noch in die Statuten kommen:

    Gesellschaftsfonds.

    Von dem nach der jährlichen Rechnung jedem Mitglied ge­bührenden Reinbetreffnis werden 2 Prozent für den Gesell­schaftsfonds zurückbehalten und von der Gesellschaftsver­tretung fruchtbringend gemacht. Dieser Fonds bildet keinen Teil des Betriebskapitals, obwohl ihm durch die Gesellschafts­vertretung Vorschüsse zum Betrieb entnommen werden kön­nen, sondern dient dazu, für jedes Mitglied unmerklich ein Kapital zu schaffen. Jedem Mitglied steht frei, die rückbe­haltene Gesamtquote samt 5 Prozent Zins nach je 10 Jahren der Mitgliedschaft oder im Fall offenbarer Not zu fordern. Im Fall des Austrittes hat die Generalversammlung zu entschei­den, ob diese Quote dem Austretenden zu erfolgen oder aber ganz oder teilweise für den Nachteil, der durch den Austritt der Gesellschaft erwächst, zu Gunsten des Gesellschaftsfonds verfallen sei. Das betreffende Mitglied hat sich einem solchen Beschluß zu fügen, da überhaupt ein Beschluß der General­versammlung für jedes Mitglied bindend ist. ­Die 5 Prozent Zins können ohne Anstand zugesagt werden, da der Gesellschaft immer noch die Zinseszinse zugute kom­men, was bei der Beträchtlichkeit der Summen von Bedeutung ist. Es leuchtet ein, daß die Gesellschaft auf diese Weise notwendig zu Vermögen kommt und ihr Geschäft erleichtert wird und daß ihre Mitgliedschaft schon aus diesem Grunde etwas wert ist. Es lebe drum Kruso Buob! ­Es müßte in die Jahresrechnung für jedes Mitglied natürlich eine Rubrik mehr gemacht werden, was beim betreffenden Paragraphen ersichtlich zu machen wäre. Ich hoffe, daß die Statuten schon manche Verbesserung und Vervollständigung erhalten haben und daß Du meine obigen Bemerkungen mit den Interessenten durchberaten wirst. Wenn Ihr dann glaubet, die Ordnung gehörig fertig zu haben, so wäre es gewiß zweckmäßig, wenn dieselben mit einer kurzen Darstellung der dermaligen Lage des Käshandels und der Käsproduktion sowie mit einem Aufruf zur Beteiligung an dieser Gesellschaft gedruckt und verbreitet würde. Die Druckkosten würde ich, wenn sie sonst nicht zu erlangen wären, vorschießen. ­Was Du bei Deiner Abreise von hier erhalten hast, brauchst Du nicht zu schicken, da wir hoffentlich wieder zusammen­kommen werden. -

    Solltest Du in Bälde mit meiner Theres zusammen kommen, melde ihr mein Wohlbefinden und einen herzlichen Gruß mit dem, daß ich letzten Sonntag in Schruns alles in Ordnung gefunden habe und daß der Bruder Baptist bei der Inns­brucker Studentenkompagnie schreibführender Oberjäger sei, als welcher er mehr mit der Feder als mit dem Stutzen zu tun habe. - Übrigens rücken die Tiroler Schützen an die Grenze, wo Garibaldi schon angelangt ist. Man erwartet alle Tage das Kriegsmanifest, da die Feindseligkeiten in Holstein bereits tatsächlich begonnen haben. Die Brigade Kolik [?] hat sich bereits auf Hannoveranisches Gebiet zurückgezogen. Cours 38. - Der Vorsteher von Au hat meine Rekurse und die Ent­scheidungen wegen der Taxen brieflich verlangt und wird sie jetzt in Händen haben. -

    Mit tausend freundlichen Grüßen und baldige Antwort, sowie Aufklärung über oberwähnte Dunkelheiten erwartend, Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 13. Juni 1866

    Hochgeehrter Herr!

    Ihr werthes Schreiben vom 3 d Mts samt Beilage hab ich erhalten. Es hat mich und die Meinen recht herzlich gefreut als ein Beweis Ihrer werthen Theilnahme und noch um so mehr da es uns Hoffnung macht Sie in kurzer Zeit hier zu begrüßen. Daran, daß ich erst heute dazu komme, diese Freude, die nur der von der Welt Abgeschlossene sich recht vorstellen kann, Ihnen antwortend auszusprechen ist nur meine s.g. gesellschaftliche Stellung schuld. Ich bin nämlich ein bregenzerwälder Bäuerlein und befinde mich derzeit mit Kind und Rind im Vorsaß Hinterhopfreben, einer Voralp, wo ich Briefe und Zeitungen sehr, sehr langsam erhalte. An Zeit zum Schreiben fehlt es mir in meiner Sommerresidenz nicht. Der Tag ist lang und während die Kühe vor meiner Hütte weiden gibts manche freie Stunde die ich zu meiner Lieblingsbeschäftigung benützen kann.

    Auch das „Schwarzokaspale" ist hier entstanden was ihm da und dort noch anzumerken ist. Doch das einfache Lebensbild wurde so freundlich aufgenommen und (in norddeutschen Blättern) so nachsichtig beurtheilt, daß ich, dadurch er­muthigt, wieder dem Drängen eines mir selbst unerklärlichen Etwas nachgab und noch in diesem Jahr ein bereits vollende­tes größeres „Lebens und Characterbild aus dem Bregenzer­wald" veröffentlicht hätte, wenn die Zeitverhältnisse einem derartigen Unternehmen günstig geblieben wären. ­Das, was nun einmal in der Luft liegt, hat auch über unsere Berge herein gefunden, und ich konnte der Versuchung nicht mehr widerstehen, den Kampf des Neuen mit dem berechtig­ten und unberechtigten Alten, wie ich ihn zu beobachten fast täglich Gelegenheit hatte, in einer Dichtung so treu als - mög­lich darzustellen. Eine längere Zeit dauernde Unpäßlichkeit mitten in des Bauern Gnadenzeit im Winter (64/65) war die Ursache, daß das Werkchen so lange nicht fertig wurde.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Gustav Wagner
  • 10. Juni 1866

    Mein lieber Herr Felder,

    Ich bin schon seit einiger Zeit fertig mit den Sonderlingen, sie sind mir sehr lieb geworden, und ich will nicht länger verschieben, Ihnen auch vom Ganzen zu sagen wie es mir gefallen hat. Ich bin von der weiteren Entwickelung durchaus befriedigt, der eigentliche Umschwung durch den Lawinen­sturz ist vortrefflich erfunden und ausgeführt, von ergreifen­der Wahrheit und Feinheit in der Zeichnung äußerlich und innerlich. Daß Barthle stirbt, ist entschieden passend, Sepps Bekehrung ganz vortrefflich, die Entfernung des Pfarrers und seine Ersetzung die beste Lösung der religiösen Spannung, usw. usw. - ich bin begierig es gedruckt ausgehen zu sehen. Aber in dieser Woche wird wol das blutige Trauer- oder Pos­senspiel im Vaterlande beginnen! Dazu hat Hr. Hirzel in letz­ter Zeit ein tiefes schweres Leid in der Familie erfahren, das ihn fast beugte (es hangt auch mit der Kriegsnoth zusammen), so müssen wir leider auf hellen Himmel warten, und wer weiß wie lange. Vielleicht klärt sich wider Willen der Anstif­ter mehr nachher als die Menschen jetzt denken. Ich hab inzwischen schon ein paarmal aus den Sonderlingen in kleinem Freundeskreise einzelne Kapitel vorgelesen, und Sie können mit dem Erfolg sehr zufrieden sein. Auch hab ich vorige Woche in Halle auf einem geschäftlichen Besuch mei­nen dortigen Freunden über Sie Vortrag erstattet, darunter drei Herren von der Universität, mit gleichem Erfolg wie im Mai in Schulpforta; hab auch kürzlich bei Scheffel in Karls­ruhe brieflich angefragt, was er zu Ihrem Schwarzokaspale sagt. Er hat mir zugesagt es nun zu lesen und will mir sein Urtheil darüber mittheilen, ich bin sehr neugierig darauf. Der Redacteur der Europa, Dr. Steger, sprach mir neulich den Wunsch aus, Ihre Briefe an mich zu einer Mittheilung in sei­nem Blatte zu benutzen. Das hielte ich nun zwar an sich für ganz wünschenswerth, aber nur jetzt nicht wie mir scheint, was sagen Sie dazu? Er sprach von einem auszugsweisen Ab­druck der Briefe.

    Ihre Ausführungen auf meine kritischen Bedenken waren mir sehr interessant; aber überzeugt haben sie mich freilich nicht allenthalben, z. B. in dem Punkte von Sepps Seelenheil in den Augen der Mari. Aber ich sehe wie mißlich es ist, dem Dichter in seine Arbeit hineinreden zu wollen, sonst hätt ich noch ein paar kleine Fragen der Art - z. B. daß die Bauern sich um die großen Ereignisse in Italien damals nur so gar kühl kümmern, daß selbst Franz sich die Zeitungen eben in dieser Zeit auch nicht einmal auf die Alp nachbringen läßt, während er bei seinem Gesichtskreis doch wol auch den Zusammenhang der großen politischen Entwickelung mit seinen persönlichen Interessen empfinden müßte, daß auch die Mariann ihn nach seiner Verwundung gar nicht fragt, sie die Liebende------- aber ich will nichts gesagt haben, es sind nur so Einfalle.

    Mein Besuch im Bregenzerwalde ist bei jetzigen Umständen leider sehr fraglich, während ich eine Zeit lang dazu fest ent­schlossen war, als man noch Hoffnung auf Friede hatte. Ihr Besuch in Leipzig würde mir aber eben so lieb und erwünscht sein, und wenn das Schwarzokaspale eine zweite Auflage erlebt, oder wenigstens wenn erst die Sonderlinge zum zwei­ten Mal gedruckt werden sollten, auf diesen Fall möcht ich Ihnen eigentlich das Gelübde Ihres Besuchs bei mir abneh­men. Ich wäre wahrhaftig begierig Ihnen die Kunst in Concert und Theater und Malerei vorzuführen-Sie kennen die eine ganze Hälfte der Seelenwelt noch nicht wirklich, wenn Sie die Kunst in ihrer Blüthe noch nicht haben auf sich wirken lassen können - nun das muß ja noch werden, und ich freue mich darauf Sie da einmal einzuführen. Hier in Leipzig wären Sie natürlich mein Gast; aber im Sommer werden Sie nicht kön­nen, eher wol im Herbst, etwa im October? Die Reisekosten würden sich, um auch das einstweilen zu erwähnen, auf höchstens 25 Thaler belaufen, freilich Geld genug. Ich möchte Sie gar zu gern einmal ein paar Wochen um mich haben, und am liebsten wäre mir das allerdings hier auf dem Ihnen neuen Boden. Nun, kommt Zeit kommt Rath. Ich weiß nicht wie viel Sie bis jetzt von unserer Vorzeit wis­sen, die mein Liebstes im Studium ist; ich möchte Sie gern ein wenig dazu heranziehen. Da ich zu meiner Überraschung von Ihnen ein altdeutsches Wort angeführt fand, erlaube ich mir Ihnen als einen Appetitsbissen aus unserm engeren Stu­dienkreise einen Vortrag von mir mitzuschicken, aus dem Sie sehen können was für den gebildeten Deutschen überhaupt etwa aus unsern Studien herausspringt - wir arbeiten daran, unser eignes verschüttetes und verkanntes Alterthum wieder auszugraben ans Licht, den Faden wieder anzuspinnen, der unsere Gegenwart mit dem Leben und Denken unsrer Vor­fahren verknüpft oder verknüpfen sollte, denn er ist im 17. Jahrh. abgerissen worden.

    Um weitere Spähne aus Ihrer Sprache bitte ich angelegent­lich. Aber Ihr f und s setzt mich in Verlegenheit, weil ichs nicht unterscheiden kann.*) Ist das Klipso das Sie mir gaben, klipfo wie ichs gelesen habe, oder klipso? Da es jetzt zum Druck kommen soll, möcht ich gern baldige Berichtigung haben, ich habe den Druck noch warten heißen. - Wie nen­nen Ihre Landsleute das Echo? Echo doch wol hoffentlich nicht; Sie nennens einmal das antworten der Berge, und das ist der Ausdruck unserer Vorfahren, bezeugt aus dem 13. Jahrh.:

    von Muten und von hünden | der schäl was so gröz,

    daz in (ihnen) da von antwürte | der berc und oüch

    der tan (Wald).                                             Nibel .883,3

    Wie kommt klapf zu der Bedeutung Menge? Ich komme nächstens daran, klapf ist alem. eigentlich Schlag, Krach u. ähnlich, es muß noch eine erklärende Zwischenbedeutung geben. Haben Sie klamper oder ähnlich = Klammer? haben Sie eine Redensart einem ein klempferle anhängen oder ähnlich = einem etwas seiner Ehre Schädliches nachsagen? Haben Sie etwa ein Wort klampe oder ähnlich = Klumpen, großer Bissen? Wie sprechen Sie Ihr lauine Lawine aus, laufne oder läuine? wol das letztere. Wir sagen, als wäre es romanisch, lawine.

    Ich habe noch mehr Fragen, wenn wir erst zum Druck kom­men, so Gott will. Manches kann ich auch nicht sicher lesen. Mir ist eingefallen, daß ich Ihnen Ihre Zeitschriften am Ende von hier aus billiger besorgen könnte, d. h. gelesene, und später erst, wenn Ihnen das nichts verschlägt. Doch für heute guten Abend, ich hätte eigentlich noch ein halb Dutzend Briefe zu schreiben.

    Grüßen Sie mir Ihr liebes Wible, ich grüße Sie mit den Mei­nigen, in freundschaftlichster Gesinnung ,      ., . , .

    Ihr R. Hildebrand.

    Ich lege noch ein paar Correcturbogen bei, die vielleicht theilweis Interessantes für Sie enthalten.

    Die gedruckte Bitte von Mannhardt ist bestimmt, möglichst verbreitet und - beantwortet zu werden. Es sind schon tausende von Exemplaren durch Deutschland verschickt.

    *) nicht wahr: grübeln und grilleln, nicht grisseln?

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 5. Juni 1866

    Lieber Freund!

    Erst zuletzt werde ich mich entschuldigen, daß ich Dir nicht früher schrieb, wenn dann noch Entschuldigung nötig sein sollte. Von der Käshändlerei ist folgendes zu berichten: Am Donnerstag sind die Statuten, die nur ich zu verlesen und abzuschreiben imstande war, vor etwa 40 Männern beim l.öwenwirt vorgelesen worden. Die dabei gemachten Be­merkungen hab ich mir kurz notiert, ohne an der Ordnung etwas zu ändern. Die Gesellschaft hat dann durchaus ver­langt, daß ich gleich nach Bezau gehe und dem Ratz unsern Entwurf vorlege. Schnell und ohne mir ein Wort zu sagen, brachten sie die „Zehrung" zusammen, und nun Marsch nach Bezau, damit wir wissen, ob es Ernst gilt. Ich kam am Freitag noch früh genug in Bezau an, um die mißvergnügten Land­wehrler dort zu treffen. Ich ging zum Ratz, den ich bedeutend frischer und besser fand als vor 3 Wochen. Ich las ihm die Ordnung vor, und es wurde nur weniges bemerkt. Seine Ent­lohnung müßte vorher bestimmt werden. Unerträgliche Mit­glieder, deren Austritt von etwa 3A der Gesellschaft gewünscht wird, müßten nicht geduldet werden.

    Das Geld wäre leicht aufzutreiben, zwanzig- bis dreißig­tausend Gulden könnte ich (Ratz) vorstrecken. Auch mit ändern Bezauern (Meusburger, Jochum von Schröcken, Feur­stein, Vorsteher) hab ich geredet. Sie beschlossen, die Sache mit ändern zu besprechen und mir ihre Beschlüsse mitzu­teilen. Der Vorsteher Feurstein (Lithograph) scheint einer der fortgeschrittensten Bezauer zu sein. Ihm gefiele unser Plan recht gut, wenn er ganz auf eigenen Füßen stände. Den Dr. Greber hab ich nun auch kennen gelernt, nachdem ich sein Bild in den Sonderlingen mit der Hand des weisen Sehers zeichnete. Herrgott! - Doch nein!

    Zuletzt hat er mir gesagt: er sei gekommen, um mich zu ärgern dafür, daß ich vor seinem Hause in Reuthe noch immer vorbei gegangen sei. Keiner habe mehr für mich getan als - er, überall habe man mich sorgfältig beobachten lassen, was viele Briefe im Bregenzer Museum beweisen würden. Ich sollte nicht unter den Bauern verkommen, sondern mich an Höheres anschließen. Die Ereignisse des letzten Winters sprächen gegen mich, den Lawinenaufsatz hab er in die Feld­kircherin geschrieben und mir zuschicken lassen, um mir zu zeigen, wo mein Feld wäre. Aber alles nütze nichts. Ver­gebens werde ich von Freunden, die ich in meinem Bauern­stolz verachte, gewarnt, geleitet u.s.w. Drum hab er mir doch noch zeigen müssen, daß ich eigentlich nur das Franzmicheli sei u.s.w. u.dgl. u.s.f.

    Ich hielt den Mann für besoffen. Die ändern und die Gams­wirtin sagten: Er habe freilich zu viel, doch sei er immer so. Am Sonntag hab ich da und dort von meiner Unterredung mit dem Rätzle erzählt. Nun haben mich auch die Unterdörfler, der Vorsteher voran, ersucht, heute beim Kronenwirt einen Vortrag zu halten und die Statuten vorzulesen. Das Resultat werd ich Dir morgen mitteilen. Auch hier hat sich die Stim­mung zu meinem Vorteil geändert, worüber sich der Pfarrer fast nicht genug ärgern kann.

    6. Juni 66

    Die Stube beim Kronenwirt war voll, man redete und bereute da und dort, so lange dagegen gewesen zu sein: sonst, meinte man, würde schon heuer etwas zustande gekommen sein. Ordentlich hat sich der alte Vorsteher gehalten. Er bedauerte nur, daß die Gesellschaftsvertretung zu wenig interessiert sein würde. Er wäre für Aufbringung eines Betriebskapitals durch Sparen oder es sollten Kapitalisten sich nach meinem Plan zusammentun. Der hiesige Rößlewirt (Niederauerle) war nur zum Stören [da], denn einen Gegner mag ich ihn nicht nen­nen. Ob er wohl von seinem Vetter (Galli) in Schnepfau Auftrag hatte? Sogar die, die nicht auf meiner Seite waren, haben sich über ihn geärgert. Der Pfarrer sowie sämtliche Gemeinde­ausschüsse waren da und sprachen sich aus, jeder auf seine Art, und im Ganzen bin ich zufrieden. Sonst weiß ich nichts Neues, wenn ich auch noch länger Zeit zum Schreiben hätte. Übermorgen geht's nach Hopfreben. Antworte bald Deinem Freund

    Franz M. Felder

    [Zusatz von K. Moosbrugger:]

    Von dem nach der jährlichen Rechnung jedem Mitglied ge­bührenden Reinbetreffnis werden 2 Prozent für den Gesell­schaftsfonds zurückbehalten und von der Gesellschaftsvertre­tung fruchtbringend gemacht. Dieser Fonds bildet keinen Teil des Betriebskapitals, obwohl ihm Vorschüsse zum Betrieb entnommen werden können, sondern dient dazu, für jedes Mitglied unmerklich ein Kapital zu schaffen. Jedem Mitglied steht [es] frei, die rückbehaltene Gesamtquote samt 5 Prozent Zins nach je 10 Jahren der Mitgliedschaft oder im Fall offen­barer Not zu fordern. Im Fall des Austrittes hat die General­versammlung zu entscheiden, ob diese Quote dem Austreten­den zu erfolgen oder aber ganz oder teilweise für den Nach­teil, der durch den Austritt der Gesellschaft erwächst, zu Gun­sten des Gesellschaftsfonds verfallen sei. Das betreffende Mit­glied hat sich einem solchen Beschluß zu fügen, da überhaupt ein Beschluß der Generalversammlung für jedes Mitglied bindend ist. -

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. Juni 1866

    Hochgeehrter Herr!

    Sie haben mir durch Ihren „Nümmamüller und das Schwarzo­kaspale" eine große Freude bereitet, wofür ich Ihnen meinen tiefgefühltesten Dank sage.

    Obgleich ich seit 24 Jahren Sachse bin habe ich doch nicht aufgehört der Allgeuer (Kemptner) zu bleiben. Als solcher kann ich um so mehr die richtige Schilderung der mir wohl bekannten „Wälderer" beurtheilen. Ich muß gestehen, daß mich von Allem, was in der Neuzeit über die Aelpler erschie­nen ist, nichts so sehr angezogen hat, als Ihr „Nümmamüller". Lassen Sie hochgeehrter Grenznachbar die Feder nicht ruhen! Erfreuen Sie die Freunde der Alpen und ihrer Bewohner bald wieder mit einer Schöpfung Ihrer hellen Augen wie warmen Herzens! In Sachsen haben Sie Sich bereits viele Freunde erworben, deren Zahl ich durch die Empfehlung erwähnten Werkes zu vermehren suchen werde.

    Im Juli d. J. werde ich meine alte Heimath und bei dieser Gelegenheit auch Sie besuchen. Letzteres nur in der Voraus­setzung, daß ich Ihnen angenehm bin. Bis dahin grüßt Sie ein treues Alpenherz mit ganzer Wärme.

    Ihr ergebener

    Gustav Wagner.

    Oberlehrer an der ersten deutschen Lehranstalt für erwachsene Töchter, Lehrer an der öffentl. Handelslehranstalt und Mitglied des deutschen Schriftsteller-Vereins.

    Gustav Wagner
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 30. Mai 1866

    Werter Freund

    Als ich gestern mit der Abschrift der Statuten beschäftiged war kam der Massenverwalter des Jos. Beer sei. Schrecken der mich wegen besondern Verhältnißen an der Vollendung ver­hinderte.

    Ich überbrachte daher die Statuten dem Lehrer Peter Moos­brugger mit dem Auftrage die Analper damit zu verständigen, in Abschrift zu nehmen und mir oder Felder wenn möglich Abens oder doch Morgen zurückzustellen, was also nicht erfolgt ist.

    Ich schikte den Bericht Überbringerin sogleich hinunter mit dem Ersuchen, einen kurtzen Bericht von Analpen Verhältniß den Statuten beiligend retour zu senden. Wie ich vom Löwenwirt gehört habe sind ein zu kleiner Theil von Analpern an der Unterhandlung sich beteiligend und da­her die Sache one Resultad gebliben. Sovil hiemid zu wißen.

    Achtungsvoll grüßend empfeld sich

    Jos. Ant. Erath

     

    Josef Anton Erath
    Rehmen
    Franz Michael Felder
  • 29. Mai 1866

    Lieber Freund!

    Wenn Du so beschäftiget bist wie ich in den letzten Tagen, so wirst Du mir meine Nachlässigkeit im Schreiben gern verzei­hen denn Du würdest dann doch kaum Zeit haben, einen Brief von mir zu lesen. Gestern habe ich die Statuten für die Käshändlergesellschaft ausgearbeitet die nun wahrscheinlich unter der Leitung des Josef Anton Ratz in Bezau zu Stande kommen wird. Die Geschichte machte mir in der letzten Zeit recht verteufelt Arbeit. Aber das ist noch bei Weitem nicht Alles. Ich stehe in lebhafter Korespondenz mit Dr. Hildebrand derselbe glaubt in mir ein Talent entdeckt zu haben und ich bin nun Mitarbeiter des deutschen Wörterbuchs geworden, da gibts nun zu schreiben, Männchen! Seine, Hildebrands, Briefe werden immer Herzlicher. Er hat mich bereits in einen Verein von Germanisten eingeführt. In Folge dessen hab ich schon bedeutende Zusendungen erhalten und noch weitere sind versprochen. Die Sonderlinge sind abgereißt, S Hirzel übergab sie Hildebranden zur Prüfung und derselbe ist, obwol er das Werk noch nicht zu Ende gelesen, voll begei­sterten Lobes. Er nennt es nachgerade eine Bereicherung der deutschen Literatur. Ob ihm wol auch der Schluß gefallen wird. S Hirzel hat sich gern zum Verleger erklärt, doch kann jetzt der Druck wegen dem Druck der politischen Lage Deutschlands nicht beginnen. Es wird wol nicht rathsam sein, jetzt viel über Krieg und Frieden zu schreiben, wenn unsere Corespondenz nicht unterbrochen werden soll. Wir stehen jedenfalls am Vorabend großer Ereignisse und bis die Sonder­linge gedruckt werden, können noch gar wunderliche Dinge geschehen. - Der König von Sachsen hat seinen Familien­schatz bereits ins ausland bringen lassen, um ihn vor preußi­schen Gästen zu sichern. In Österreich steht bereits eine Million Mann gerüstet da und wartet der Dinge die da kommen sollen. Die hiesige Landwehr hat Morgen sich in Andelsbuch zur Verfügung zu stellen. Es wäre möglich daß Du bald zum Spielen aufgefordert würdest, jedenfalls würde ich mich dar­auf gefaßt machen und schreiben was ich dann zu thun gedächte.

    Deinen letzten Brief hab ich mit innigem Interesse gelesen Ich war - offen gesagt - begierig wie Dir zu Muth sein würde wo Du nur als Mensch als Null galtest bei Deines Vaters Anwesen u.d.g.l. nicht mehr als feste Zahl vor Dir stand, Du hast Erfah­rungen gemacht, die ich jedem Wälder von Herzen gönnte und etwas besser wirst Du nun unser Land würdigen, eher auch die sociale Frage in ihrer ungeheuerlichen Größe begrei­fen. Ich weis, obwol imer daheim, doch auch was es heißt, mit der Welt ringen und sich einen Platz suchen müssen. Dein Brief hat mich aber auch in anderer Beziehung gefreut. Im ganzen Winter hast Du keine Stunde so natürlich, so offen edel geredet als hier. Ich bin beim Lesen auf allerlei Gedan­ken gekommen, die Dir ferner liegen, die Dir aber nicht fremd bleiben werden, wenn Du als Mann in des Worts edel­stem Sinn Deine Zeilen wieder überliesest. Solche Briefe werden mir immer erfreulich sein und ich werde Dir gern darauf antworten wenn auch mir jede Stunde kostbar ist. - In Bludenz hab ich frohe Tage verlebt. Ich las dem Kaspar aus meinem Werke vor und er war zuletzt so begeistert, daß er eine Punschnacht veranlaste. Auch andere Herren waren dabei und es ging großartig zu. Der Bezirksvor­stand Mathis war auch dabei und erhielt Mittheilungen über die Bedeutung des Festes. Er scheint sehr interessiert für mich und hat mich sogar ein sehr Werthvolles, seltenes Buch von Bludenz mit heim nehmen lassen. Ich schreibe Dir das nur um Dich mit einem Mann zu versöhnen, den Du wol für einen Gegner gewisser Leute halten möchtest. Du wirst Dir nun Kaspars Stellung neben ihm denken können. Als ich von Blu­denz heim kam mußte auch staunen, hier alles so schmucklos und erfroren zu finden. Noch jetzt sind kaum die [Sorgend] blumen (Saubluomo) heraus und auf den Bergen glänzt der Schnee. - Für das deutsche Wörterbuch sammle ich jetzt die Wörter mit K. Auch hier sind die Wichtigsten: Krieg und Käs­handel. Mit Ersterem sind wir - fertig. Mein Anhang hier wird täglich größer und ich wette, daß an der übermorgen beim Löwenwirth statthabenden Volksversammlung wenigstens 100 Mann Theil nehmen. Das letzte Mal waren 66. Nun wer­den dann die Statuten vorgelesen u. geprüft, wozu öffentlich eingeladen wurde. Ich hab selbst mit dem Räutzle geredet und es zeigte sich geneigt, die Leitung des Geschäftes zu übernehmen. -

    Die von Dir mir aufgetragenen Grüße hab ich ausgerichtet und bin beauftragt dieselben zu erwidern, die Oberhauser halten sich jetzt vortrefflich und auch sonst finden sich zum großen Plan immer mehr Tüchtige. Mein Urtheil über die Wälder scheint sich bestättigen zu wollen. Ich sagte oft: Gebt Ihnen allen Einen großen Gedanken und sie werden sich daran aufrichten. Ja sie sind schon weit, aber noch bei Wei­tem nicht so weit als sie selbst meinen. Von hier gibts nicht viel mitzutheilen, Weder Hochzeiten noch Dir nahe gehende Todfälle. Klausmelkers Ansicht mag im Allgemeinen unrich­tig sein, bisher sinds noch so zimlich die alten Hansen, Joseffe Marien u.d.g. In der nächsten Woche ziehe ich nach Hopf­reben. Ich werde dort allerlei wunderliches Zeug zusammen­schreiben und im Carey lesen den ich mir habe kommen las­sen. Für die Roman Zeitung hab ich wol bald weder Geld noch Zeit, die Ausländer beschäftigen mich jetzt zu sehr. Auch die Zeitungen nehmen manche Stunde weg; ich lese nun neben der Allgemeinen auch die „Neue freie Presse". Da mir letztere gut gefällt, gedenke ich erstere bald zu verab­schieden. Du hast vergessen mir zu sagen, was Städte für einen Eindruck auf Dich machten mit ihrem bunten Durch­einander. Auch von Deinem Aufenthaltsort hast Du nur wenig mitgetheilt. Es ist ein bedeutender, der z.B. eine Bibliothek von vielen tausend Bänden, gute Schulen u.d.g.l. hat. Nun, man kann ja nicht alles auf einmal, ich hoffe daß Du doch die Augen und das Herz offen habest, wo es gilt Gutes und Liebes aufzunehmen. Hast Du noch nicht französisch zu lernen angefangen? Mich freut es schon, im nächsten Winter von Dir zu lernen. Hast Du noch nicht Gelegenheit gefunden Dich im Zeichnen unterrichten zu lassen? Was ists mit Deinen Freun­den? Hast Du welche? Ist Dir die Zeit lang? Wie findest Du Deine jetzige Lebensart wenn Du sie mit der frühern ver­gleichst; Heut hab ich einen Brief von Severin Felder gelesen und gefunden daß derselbe in der Fremde in geistiger Hinsicht sehr zurük ging seit er unser Dorf verließ. Leider sind unsere Verhältnisse der Art, daß gewöhnliche, auch ganz gut geartete Menschen für Manches sogar den Sinn verlieren. Wenn nun Leidenschaften diese Triebfedern des Wesens sich regen, so wird der Mensch leicht überrumpelt, wenn seine Kräfte nicht geübt, sondern gebunden waren, nun aber plötzlich entfesselt sind.

    Wolthätig ist des Feuers Macht Wenn sie der Mensch bezähmt bewacht Doch furchtbar wird die Himmelskraft Wenn sie der Fesseln sich entrafft

    Schiller

    Die Meinen lassen Dich freundlich grüssen und Dir sagen Hier werde jetzt nur wenig laut gelesen. Jakob hat die ersten Hosen bekommen, Kaspar einen neuen Rock und das Mikle hat das Gehen gelernt für sein ganzes Leben. Da siehst Du daß doch auch etwas geschieht in Deiner Kaffeesatzüber­nebelten Heimath. Die Mutter ist bei den Kühen in der Bunt, da ich immer etwas zu schreiben und auszukopfen habe. Auch das Lesen wird ganz planmäßig. Hildebrands Aufträge bringen mich auf ein weites Feld, auf dem ich gerade vertraut genug bin, um den Unterrichtsplan selbst machen zu können. Die Sagen für Elsensohn hab ich mit einigem Widerwillen gesammelt. In der jetzigen Zeit gibts mehr zu thun als so einem Bourgeoiis Arbeiten zu liefern und sich ausbeuten zu lassen einer Professorengrille wegen. Doch das sind Sachen

    die Dir ferner liegen.

    Lebe wol

    Es grüßt Dich herzlich Dein

    Freund

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Natter
  • 28. Mai 1866

    Mein lieber Herr Hildebrand!

    Es thut einem wohl an Leib und Seele, von Menschen, denen man gern herzlich die Hand drücken, die man eine recht weite Strecke des Lebenswegs neben sich wissen möchte, gehört und verstanden zu werden. Mir ist als schöner Lohn für meine mir so lieben Arbeiten dieses Gefühl worden. Ich möchte Sie gern in meine Welt ganz hinein führen, um da mit Ihnen zu reden über das, was aus ihr hinaus wuchs. Ich glaube Sie auch wirklich neben mir hier im einfachen Stüble zu sehen ich drücke Ihnen die Hand zum herzlichen Gruß, und beginne nun gleich Ihre Fragen zu beantworten und an­dere an Sie zu richten.

    Ich gestehe gerne zu, daß in dem Werke selbsterlebte Kämpfe geschildert sind, ja noch mehr: Fast jede Person hat ein Stück von mir, der Lieferant, der Doktor, Franz und auch 5epp. Ich glaube daß man hier herum nur im Sepp den „Jauko Franzmichol" (mich) von früher erkennen wird. Dieser war verbittert und muthlos sein Leben war ein thatenarmes sich Hinschleppen von einem Tag in den Ändern, und hinter Büchern, die, wie alle altern Klassiker (Zimmermann, Wielands Jugendarbeiten, Klopstok, Gleim u v a) vom Leben abziehen, verkroch er sich immer mehr in sich selbst. Hier, da und dort könnt ich Ihnen große, talentvolle Männer zeigen, doch ich mag nicht denn ach! sie alle sitzen da wie Sepp sitzen da wie der Schiffbrüchige auf der Höchsten Spitze der eben im Meer versinkenden Insel. Ja Sepp ist unthätig, bis die Leiden­schaft ihn wekt, er ist der Repräsentant der Richtung, den ich consequent durchführen mußte. So lang sein Eigensinn hält kann er nichts thun, mit dem Eigensinn und der Verbit­terung aber ist auch seine Kraft dahin. Ich glaube, daß sowohl Barthle als er Theilnahme weken und den Leser befrie­digen werden, wenn auch die Lösung etwas eigentümlich, ist. Die schrecklichen, erfreulichen Ereignisse jener Tage (Kap 8-9) wachsen heraus aus der Eigenart der Helden??? „Aber in den erwähnten Kapiteln (8-9) kommen herzdurch­bebende Mißtöne vor wie auch früher als Franz die Pfeife zerschlug u a a O"

    Ja, der letzte Wehschrei eines Untergehenden. Mir thut auch, das beim Lesen eines Buches wol, wenn ich den Einzelnen ausgeartet, auf der Spitze sehe, und er sich dann im Anschluß ans Ganze neu wieder findet, wie der elende Wurm nach seinem Tod als Schmetterling. Z. B. Klausmelker will fortlau­fen vom Vater und von Allem, doch das Bild des nun im Ländcben erwachenden Lebens zieht ihn zurük. Wäre Sepp so leidenschaftlich gewesen wie Franz, hätten seine Kräfte sich geregt, und hätte er auch das Ärgste gethan er würde der verknöcherte Mann nicht geworden sein. Nur der Ge­danke an das Volk, eine Redensart rettet ihn, das Volk erhält ihn (Kap 9). Mir erscheint das Leben um so schöner, das Volk (die Gesammtheit) steht um so göttlicher vor mir, je mehr ich fühle, wie wenig am Einzelnen, (an mir selbst ist). Ich halte es für einen Fehler, daß in der Kunst die Dissonanzen vermieden werden, ists nicht ihre schönste und einzige Auf­gabe, die in Harmonie aufzulösen? Allerdings sollten sie nicht sein, wie ein Rad in der Maschine sondern wie ein ins Ganze verschmolzener Ton. Wenn ichs dazu gebracht hätte, dann möcht ich Härten und Breiten um Alles nicht weg­wünschen???

    Sind die Redenden Bregenzerwälder?

    Ja, durch und durch, voll und ganz so weit sie es sein sollen. Würde ich das Werk dem Nächstbesten geben der es nur zu lesen im Stande wäre, so könnte es der nicht nur Satz für Satz, sondern Wort für Wort ins Wälderische übersetzen, mit Ausnahme der uns fremden mittelartigen Zeitwörter wer­dend, gebend. Sie glauben gar nicht, wie reich unsere Sprache ist. Vom K ha[b] ich z B. noch etwa 150 Wörter und finde immer noch mehrere.

    Daß Franzens Mutter nicht an die Wunde denkt ist ein Ver­sehen und ich bin Ihnen auch für diese Bemerkung herzlich dankbar. Ich werde im Werke bemerken, daß sie nicht mehr an die dachte, da sie ihn beim - Doktor sitzen sah. Sie sieht in Letzterem einen dem Seelenheil des Sohnes und dem Hausfrieden gefährlichen Menschen. Der Hausfriede ist ihr das Höchste. Den Mann läßt sie in Gottesnahmen gehen statt ein ihm verhaßtes Amulet an die Wiege Franzens zu hängen macht sie eine „gute Meinung". In solche Häuser kann sich der nur über das Getrennte herrschende Pfarrer nicht einnisten. Mari wird erst durch Mutterliebe zum Wider­stand getrieben, da sie selbst thut was Ihr Gewissen fordert, so drängt sie nichts, den Pfarrer in einen Kampf zu ziehen, der dann nur um so hitziger und gefährlicher würde. Ein An­deres war es mit Barthles Liebschaft, wo der Vater Gewalt brauchen wollte. Der Pfarrer ist zu sehr als Gewaltsmensch dargestellt um Mariens Vertrauen zu gewinnen. Sie sehen, wie der Pfarrer die Leute im Verlauf der Erzählung krank und schwach machen will, weil er erst dann sich zur Geltung bringen zu können hofft. Meine Mutter würde Ihnen be­stättigen, daß Mari gerade so handeln mußte, auch mein Wible, dessen Hand Sie im Manuscript gefunden haben wer­den, bestättigt das Gesagte. In der Erzählung meinte ich das nicht weiter ausführen zu müssen und war zum Theil froh, da ich wol schon genug Klekse (Tölggo) in mein Tugendbuch gemacht habe. (S. Kap 7-9 u A.)

    Doch Sie haben vielleicht noch nicht Zeit gefunden das Ganze zu lesen und ich kann Ihnen erst dann über jede Frage antworten oder zugestehen. Ihr freundliches vom Her­zen zum Herzen redendes Schreiben ist mir ein theurer Beweis, daß Sie meine Rechthaberei in der Ordnung finden werden. Jedem und besonders Ihnen möchte ich mich geben wie ich bin und der Senn stekt nun einmal in mir obwol man mir das nicht ansehen würde. Ich bin begierig, Ihr Urtheil zu hören über die Lösung und über die Sonderlinge überhaupt nach­dem diese das Grübeln und Griffeln aufgegeben haben. Mir ligt die erwähnte Käshändlergenossenschaft sehr am Herzen und ich freue mich Ihnen mittheilen zu können, daß die Sache zu leben beginnt, daß der Plan zklufo kommt und bald „kluftorig" (um sich greifend, ungewöhnlich lebendig, leb­haft, regsam) wird. Gestern war auf meine Veranlassung große Versammlung in Rehmen. Meine Vorschläge wurden einstimmig angenommen und ich wurde gewählt um mit noch 4 Bauern die Statuten auszuarbeiten wobei mir auch mein lieber Schwager helfen wird. Als ich die Sonderlinge schrieb, dachte ich wahrhaft nicht, daß es so schnell gehen werde, da ich damals fast nur Gegner fand, wenn ich vor den von unsern Händlern Beherrschten mit meinem Plan ausrückte.

    Doch hievon hab ich Nachmittags zu schreiben. Ich glaube daß der Senn mit nicht minder Bescheidenheit von einer seiner Liebhabereien reden würde als ich von meinem Wörterbuch, doch ich bin glücklich wenn ich etwas für Ihr Wörterbuch thun kann. Vorsäß ist nicht Wälderisch, die Sprache der sg Waiser (aus Wallis nach Bergmann,) ist viel neuer wo sie nicht die Worte von der reicheren Nachbarin entlehnt, hier heißts einfach das Vorsaß, vielfach die Vör­sasser, Umlaut o - ö nicht a - ä ebenso sagt man vorsaß­mäßig - einfach, kunstlos, dann älpisch - derb von Alp. Wenn Franz am Morgen sich irgendwo zeigt so weißt am Abend sicher jedermann daß er gesund wohl ist. Sie glauben nicht wie schnell sich hier Nachrichten über das Befinden, Wohl und Weh Einzelner verbreiten (Nümmamüller Seite 12.) Die Klipso wird auch bildlich gebraucht. Klipslar, Heimlich­thuer. Die Beiden thun gern klipslo, sie sind heimlich verliebt etwa wie im Sommernachtstraum dieTisbe. Klapastern scheint unserm Kapustoro, durcheinanderwerfen, wühlen verwandt zu sein. Klapf heißt hier die Menge, alle. Da gaunzo Klapf. Das Wort Klag' haben wir unverändert. A Klag, a dr Klag sin heißt, man hat Ursach sich zu beschweren. Der Angeber ist a Kläpporar. Wer immer aufs Gericht läuft hat Klegarija und und Dleißlarija (-i j a) statt -en, -eien i Schelmarija. Der Ver­läumder, unnöthig Plaudernde ist a Rädtschar (-scher), hintersinnen - überschnappen, von sinnen, den Verstand ver­lieren, wie Gotthelf.

    Ried, Moosgrund, Bild des Falschen, Haltlosen, Unsichern; man sagt: er ist so falsch und häl (altd. hali) wie Ried. In den Wurf kommen: sich erwünscht oder unerwünscht auf den Platz stellen, auf den der Andere zielt. (Da ich keine genaue Abschrift der Sonderlinge habe, so werde ich nicht immer im Stande sein zu sagen, was einzelne Worte an ihrer Stelle bedeuten. Bitte mir den Satz zu schreiben. Eben darum kann ich auch keine Änderung einzelner Stellen angeben, ohne daß ich den betreffenden Bogen habe.)

    Man muß ein Dorfbewohner gewesen sein. Ich bitte das ge­wesen zu streichen.

    Die Corecturbogen möchte ich jedenfalls durchlesen. Ich wünschte das in Leipzig thun zu können. Es ist so viel viel dort das mich hinzieht. Ich hab noch so ungemein wenig von der Welt gesehen; hab noch nie ein Theater gesehen, noch nie einen Vortrag gehört der mich fesselte außer bei den Jesuiten die vor Jahren hier predigten, doch man wird sehen, ob die Sonderlinge oder eigentlich ob das Honorar mir fort­hilft. Ich habe für mich und noch 5 liebe Menschen zu sorgen und zu arbeiten. Für das Schwarzokaspale hat mir Stettner 100 fl u 12 Ex angebothen und ich habs ihm zum einmaligen Abdruck überlassen. Die Summe? reichte gerade meine Bü­cherschulden von damahls zu zahlen u ich hatte nun doch die Freude, es gedruckt zu sehen. Die Auflage scheint bald ver­griffen zu sein.

    Wie viel g[l]auben Sie von Hirzel verlangen zu dürfen wenn ich mir 20 Freiexemplare, und das „Grimmsche" deutsche Wörterbuch ausdinge? Ich habe des Thalers wegen noch keine Zeile geschrieben, aber der Thaler ist doch kein leerer Wahn. Das Wörterbuch aber werd ich mir ausdingen, das Übrige später, hoffentlich mündlich, denn ich hoffe und freue mich schon mit den Meinigen, Sie bald hier zu sehen. Demnächst sollen Sie wieder „Spänne" erhalten ich werde mir bald wieder die Freude machen an Sie zu schreiben. Der Auszug aus dem Soldatenbrief beweist auch daß meine Sprache in den Sonderlingen im Ganzen der Ausdruksweise des Volkes ähnlich.

    Ihre mir so werthe Photografie hab ich erhalten jetzt noch kann ich Ihnen die Meine nicht schicken. Bisher wies ich ähnliche Wünsche mit den Worten zurük: Ein guter Freund macht ein schöneres Bild von mir als ein guter Photograf aber da [mich] auch das Wible (so nenn ich meine Frau) mich treibt werd ich wol nachgeben müssen obwol der hiesige Photograf (in Au) nicht einmal den Ruf eines Guten hat. Meine liebe Mutter, das Wible und alle lassen Sie und den Kreis der Ihren recht herzlich grüssen. Ich hoffe sie alle noch kennen zu lernen. Rom ist auch nicht an Einem Tag gebaut worden. Diese Redensart hat mir schon über viel hinaus­geholfen. Mit tausend freundschaftlichen Grüßen

    hochachtungsvoll

    Ihr

    F M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 22. Mai 1866

    Mein lieber verehrter Herr Felder, Sie wunderbares „Bäuerlein",

    Es läßt mir keine Ruhe, Ihrer Unruhe von der Sie schreiben, ein Ende zu machen, daß Sie erfahren wie mir Ihre Sonder­linge gefallen, obwol ich noch nicht durch bin und eben erst den Faschingsdienstag ausgelesen habe. Zum Glück könnt ich bei leichterer Arbeit endlich seit acht Tagen so viele Stunden erübrigen, um Ihr Werk zu lesen. Es sind Feststunden für mich, ich drücke Ihnen die Hand im Geiste dafür, oder noch lieber möcht ich Sie umarmen und küssen - das ist eine Be­reicherung unserer Literatur, auf die Sie und Ihre Heimat stolz sein können. Literatur - ich kann das Wort eigentlich nicht recht leiden, es erinnert an Literaturgeschichte, an ein Herbarium, wo die armen Pflanzen wie abgestochene Kälber saftlos eingelegt oder zerlegt werden (das Bild ist mir mis­rathen, es sind zwei).

    Sie haben da ein originelles Stück deutscher Welt aufgefaßt und verarbeitet, daß einem oft das Herz im Leibe lacht, so frisch und voll und saftig, und dabei so tief und fein und warm - echt realistisch und echt idealistisch zugleich. Wenn ich jetzt ausgehe, begleiten mich vor mir her schwebend die Gestalten Ihres Werks, der Franz und die Mariann, und der Barthle usw., und das alles mit dem Hintergrund der groß­artigen Alpenlandschaft und den für uns Norddeutsche so eigentümlich tiefen Reizen des Alpenlebens. Ich habe tiefe Sehnsucht, Ihr Bergleben bald wieder einmal zu schmecken, womöglich noch gründlicher als bisher, womöglich noch die­sen Sommer. Mich drängts, Ihre Geisteswelt noch aus näherer Nähe kennen zu lernen, ich empfinde zwischen Ihnen und mir nahe Berührungspunkte, mehr und tiefer als Sie bis jetzt wissen können. Ich habe selbst eine sehr ähnliche Entwickelungsgeschichte an mir erlebt, wie Ihr Franz, d. h. wie Sie, nur daß ich praktisch noch nicht so weit gekommen bin wie Sie, ich stecke noch im Franz des ersten Theils manchmal ziemlich tief drin, ich hoffe mehr durch Schuld der Umstände, meines berufsmäßigen Studierstubenlebens als meiner Natur, die neben großer Neigung zur Beschaulichkeit zugleich seit meinem Bewußtwerden zum Thun drängt - die innere Ge­schichte Ihres Franz ist mir in ihrem Kern wie auf den Leib gepaßt, sie ist mir wie eine Auferbauung, wie ein Trost und eine Erfrischung wie sie Andere in der Kirche suchen. Hab ich doch selbst mit meinem Vater ähnliche Kämpfe gehabt, wie Ihr Franz mit dem seinen. Mein Vater verwarf, in Folge schwerer Erfahrungen, das Gefühl als Leitstern des Thuns, und prägte mir das von Kind auf ein; durch blutsaure Arbeit hab ichs mir erst wiedererobern müssen. Mich hat Göthe vor Verzweiflung gerettet. Doch genug mit diesen Selbst­bekenntnissen, sehen Sie nur daraus, wie tief mich Ihre Ge­bilde ergriffen haben. Ich segne den Zufall der mich mit Ihnen bekannt machte.

    Aber ich will nicht nur Lob sagen, sonst glauben Sie mir das nicht. Ich war aufs höchste gespannt, wie Sie die in Ihrem ersten Briefe an mich angegebenen Tendenzen behandeln würden, die ja künstlerisch wie sachlich zu den gefährlich­sten Klippen der Dichtung gehören. Ich will nicht leugnen, daß ich in dieser Beziehung mit Besorgnissen ans Lesen gieng - aber wie haben Sie die zerstreut; wie ist die Tendenz in die Sache hinein verarbeitet, und wie werden Sie auch der angefochtenen Richtung gerecht! Mir wills sogar scheinen, als stellten Sie den Freimaurer mit seinen berechtigten An­sichten zu weit in Schatten, wie er mir überhaupt im Verlauf der Entwickelung von Franz und Barthle zu sehr in den Hin­tergrund tritt - man sieht ihn da immer nur spöttisch lächeln und zweifeln, und wendet sich allmälich von ihm ab; warum tritt nicht wieder einmal seine Anschauung von den Welt­dingen kräftig heraus? Seit dem Besuch auf der Alp geschieht das nicht wieder, und doch sollte ihn, scheint mir, der da auftauchende Widerspruch seines Sohnes dazu auftreiben. Auch kommt mir das Bedenken, ob denn nicht seine Frau wegen seines Seelenheils Gewissensangst haben müsse? ob nicht gar der Pfarrer im Beichtstuhl sie dazu anstacheln müßte? Oder vielmehr, es müßten solche Kämpfe zwischen ihm und ihr vorausgegangen und längst ausgefochten sein, ich erinnere mich aber nicht, davon etwas Entschiedenes ge­funden zu haben. Möglich daß Sie mich da mit ein paar Wor­ten zurückweisen können; aber ich war gerade auf das Aus­fechten solcher Fragen von den zwei verschiedenen Stand­punkten besonders gespannt.

    Sonstige Bedenken hab ich nicht, als etwa daß die Mariann im Vorsaß sich um Franzens Verwundung nicht weiter küm­mert, dächt ich; müßte sie nicht, da sie ihn das erste Mal wiedersieht, ängstlich danach sehn? Ferner, Längen sind doch wol da, hie und da in der Auseinanderlegung der Empfin­dungen und Erwägungen einzelner Personen, die dann das Gefühl des Fortschritts, der Handlung manchmal zu sehr zu­rücktreten lassen. Besonders wollte mir das bei der hypo­chondrischen Selbstvernichtung Franzens nach der Wirtshaus­scene so vorkommen, wo er auch gar zu sehr das hohe sitt­liche Recht seines Benehmens dort vergißt (mich hat dieses Cap. etwas gequält); freilich fühlte ich nachher wol, wie das wieder den rechten Hintergrund gibt zu seinem Auftreten im Vorsaß nachher. Auch sein Benehmen beim Zerklopfen des Pfeifenkopfes erkennt man zwar nachher als nothwendig im ganzen Gwebe; aber es quält einen im Augenblick auch und das Cap., in dem der Sache nach zu wenig Handlung ist, ist dafür wol zu lang ausgesponnen. Hab ich unrecht, um so besser. Endlich die Sprache Ihrer Bauern entfernt sich doch wol zu oft von der Wirklichkeit und tritt zu weit in die ab­stracte Büchersprache hinüber. Ich meine natürlich nicht die belesenen Sepp und Franz, ich meine auch nicht die Ge­danken. Es ist ein alter Lieblingssatz von mir, daß sich auch das Abstracteste in der Volkssprache sagen läßt und daß wir unsre gebildete Sprache, ohne ihren eignen Werth irgend aufzugeben, aus der Volkssprache neu anfrischen und ihr nähern sollten, zur Ausfüllung der unseligen Kluft zwischen Studiert und Unstudiert. Ich habe seit Jahren gesucht nach Mitteln und Männern, die dazu hülfen; Sie könnens vortreff­lich, und nun fallen Sie mir doch zu oft wieder in die ab­stracte Redeweise, oder lassen vielmehr Ihre Bauern drein fallen. Weiter weiß ich nichts zu vermissen; es sind Kleinig­keiten gegen die vielen glänzenden Vorzüge Ihrer Arbeit, die ich gar gern auch aufzählen möchte so weit ich sie er­faßt habe. Wie aber Ihnen jemand hat sagen können, ein Bauer könne keine Dorfgeschichte schreiben, ist mir unver­ständlich.

    Für die Sprachspäne aus Ihrer Heimat meinen besten Dank, ich kann sie vortrefflich brauchen. Sie äußern sich darüber mit einer Bescheidenheit, die nach dem Franz des I.Theils schmeckt, ich müßte Ihnen in der Sprache des Sennen ant­worten. Aber das Geschlecht der Hauptwörter, wo es nicht von selbst klar ist, brauch ich dabei; ist z. B. das merkwürdige klipso = Spalt masc. oder fern., der oder die klipso? Bitte, melden Sie mir das noch. Haben Sie ein Wort klapastern oder ähnlich? Bitte, sammeln Sie einstweilen aus k weiter. Haben Sie klagt = Klage?

    Auch zu den Erläuterungen Ihrer mundartlichen Wörter in den Sond. müssen Sie mir noch helfen. Was ist z. B. Ried? ein Moorgrund? was heißt hintersinnen? was wurf auf Bo­gen 2 Seite 3? Ich werde so noch mehr fragen müssen. Auch nicht sicher zu lesen ist manches; heißt es z. B. „grübeln und grisseln" oder grilleln? Es wäre gut, wenns zum Druck kommt, Sie läsen eine Correctur, haben Sie das nicht auch bei Nüm­mamüllers gethan? Übrigens läßt Sie Hr. Hirzel grüßen und um Entschuldigung bitten, daß für jetzt von einem Vorgehen mit dem Druck abgesehen werden müsse; es wäre ja in Ihrem eignen Interesse. Erst muß der Geschäftshimmel wie­der geklärt sein, hoffen wir daß der Pariser Congreß das zu Wege bringt. Man fängt aber schon an, an das Entsetzliche sich zu gewöhnen! Höchst interessant war mir und Anderen die Stelle aus dem Soldatenbriefe, ich fühle was Sie daran interesstrt - der Beweis was Ihre Landsleute eigentlich werth seien - mich freut der Beweis aber auch, ich bin seit Jahren beflissen in Volksrede und Volksgedanken Geist und Kraft aufzusuchen und aufzuzeigen, gegenüber den in sich verliebten studierten Verächtern des Volks - ich hasse die wie Gift.

    Herzliche Grüße von meiner Frau und Mutter, grüßen Sie mir auch Ihre liebe Frau herzlich, ich bin neugierig sie ken­nen zu lernen, studieren Sie nicht zu viel!

    Ihr R. Hildebrand.

    Der nächste Kreis meiner Bekannten, der in herzlichster Wärme für Sie gewonnen ist, besteht aus: Dr. F. Flügel und Frau, Dr. med. Meißner und Frau, Rendant Ledig nebst Frau und Tochter, Dr. Meißners Schwester, Fräul. Bertha Meißner, Lehrer Albert Richter, Apellationsrath Dr. Schmiedt, u. A. Kann man nicht eine Photographie von Ihnen haben? und haben Sie meine erhalten? Es ist für Ihre schon ein Platz in meinem Germanisten-Album frei gelassen, welchen, will ich Ihnen sagen, wenn ich Sie habe.

    Noch ein P.S.: In dem Cap. vom Faschingsdienstag heißt es einmal: Man muß ein Dorfbewohner gewesen sein, um... die Gewalt der Musik voll zu empfinden u. dgl. Wollen wir da nicht das gewesen streichen? Denken Sie sich, was der Senn dazu sagen würde!

    Heißt es nicht vorsäß? mir ist als hätt ich auf der Gemselalp von meinem Führer Karl Fritz aus Mittelberg so gehört. Das war ein frischer anziehender Mensch, er wollte mich da be­halten auf seiner Alp.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 17. Mai 1866

    Lieber Freund!

    Von meiner Heimreise gibt's nicht viel zu berichten. Bis Sonntag wandelte ich im Nebel, dann auf Schnee, abends 1/2 7 Uhr kam ich zu Hause an und kam nun lange nicht zur Ruh, weil ich meinen Freunden noch aus den Zeitungen er­zählen mußte. Ich hatte nun Gelegenheit, Schoppernau und Bludenz nebeneinander zu stellen. -

    Hier ist die Aufregung groß und der Kriegslärm läßt nichts mehr neben sich aufkommen; auch meine Pläne scheinen durchkreuzt werden zu sollen. Dennoch ging ich vor acht Tagen zum Rätzle, und da es, wie ich Dir sagte, schon von mir hörte, so hatte ich gut reden, es erklärte sich auch geneigt, die Sache zu übernehmen, wenn die Bauern so ver­nünftig sein sollten wie ich! Ich glaube nun, daß mir alle, die sich lobend und tadelnd gern Volksfreunde nennen, mit aller Kraft helfen sollten, damit die Sache bald zustande käme, denn das Rätzle wird nicht mehr lang leben. Hier hat mein Bericht von Bezau wieder ein wenig Leben in die Leute ge­bracht.

    Mit Deinem letzten Brief hab ich auch einen vom Hildebrand erhalten. Leipzig, 8. Mai. Meine Sonderlinge sind fünf Tage auf der Reise gewesen. Hildebrand freut sich über den Empfang und schreibt mir eine Antwort auf einen frühern Brief, in dem ich ihm einiges aus meinem Leben mitteilte. Du wirst an einem kurzen Auszug des übrigen genug haben: Das Werk werde jetzt schwerlich veröffentlicht, wenn die nächste Woche nichts Besseres bringe. Alle Geschäfte ständen still, alles Vertrauen im Handel schwinde, Hunderte von Ar­beitern würden entlassen und alle Geschäfte, die nicht dem Tage dienen, geraten ins Stocken. - Für Ihr Manuskript haben Sie keine Sorge, da eine Beschießung unserer Stadt doch nicht zu befürchten ist. - Sonst bin ich auf das Ärgste gefaßt, doch seh ich in Deutschland noch so viel Gesundes, daß ich mich der Hoffnung hingebe, der Bruderkrieg werde anders enden, als die es wünschen und wollen, deren Leidenschaft ihn ent­zündete.

    Ihre Sammlungen gehen mir nahe. Ich habe in Gotha vor einer Germanistengesellschaft, bewaffnet nur mit Ihren Brie­fen und dem Schwarzokaspale, einen Vortrag gehalten, und Sie werden in Folge dessen bald Zusendungen erhalten -. Du siehst, Hildebrand ist noch Gelehrter, wenn er auch anderes mitteilt, bald ist er wieder auf seinem Acker und ersucht mich um Proben aus meinem Wälder-Wörterbuch. Von Gustav Freytag schreibt er: Ich hab ihm Ihre Briefe vor­gelesen. Er hält alles für unbegreiflich. Am End ist es gut, daß ich Sie auf dem Stuhl neben mir sehe. -

    Doch genug und nur noch die Nachricht, daß Hirzel ihm (Hildebrand) die Sonderlinge überließ, um sie zu durchgehen. Hildebrand schreibt, ich wünschte eine Vorrede mit einem kurzen Abriß Ihres Lebens. - Natürlich hab ich mich dagegen ausgesprochen, habe meine Gründe gesagt, es ihm jedoch freigestellt, mich mit einigen Worten auf seine Verantwortung einzuführen.

    Jetzt wird Theres froh sein, daß sie noch nicht in Warth ist, wenn's auch in Bludenz noch keine Kirschen gibt, in dieser Woche hat's täglich geschneit, das Vieh kann sich noch kaum erhalten und die Heupreise beginnen zu steigen. Merkwür­dig ist, daß der Anfall auf Bismarck hier mehr Lärm macht als einst der in Wien. An der Auer Kilbe wurde überall politi­siert, und es hieß, die noch gut Kaiserlichen werde man im Herbst auf die landwirtschaftliche Ausstellung schicken. Die Versetzung Benedeks u. a. liegt den Leuten im Magen. Und nun noch etwas Erfreuliches. Unsere Muttergottes hat - einen neuen Rock bekommen, der kostet 100 Fl. Nur hatte man erst 50 und die Stickerinnen sollten opfern. Jede sollte ihren Bei­trag in einen - mit Namen und Hausnummer versehenen ­Zettel einwickeln und beim Altar abgeben. Fallen Dir nicht Stellen aus den Sonderlingen ein? Also auch hier Konkurrenz. In einer minder bewegten Zeit würde ich das und noch einige Pflänzchen in die Feldkircher Zeitung gegeben haben. ­Dein Bruder Pius hat am 7. d. M. das Vieh fortgetrieben, er selbst aber ist wieder zurückgekommen, um die Feldarbeit zu verrichten. Hast Du noch nicht an den Schmidlebub ge­schrieben? Ich hoffe, Dich bald hier zu sehen, denn dieses Schandwetter hätt ich nun satt. Ich lese jetzt außer den Zeitungen sehr wenig. Die Allgemeine wird der Wirt nun selbst bald wollen, und ich halte jetzt die Neue freie Presse mit der Gamswirtin in Bezau. Den Artikel über das Wahlrecht in der Beilage zur A.A.Z. wird Dir Bickel wohl gezeigt haben. Spät kommt ihr, doch ihr kommt!

    Der Schneider Natter hat endlich  nach vielen  Kreuz-  und Querzügen  in  Besancon Arbeit gefunden.  Das Sticken geht noch ordentlich. Unser Verlust am  Papiergeld ist jetzt sehr klein, da man keines hat. Jock war mit mir in Bezau, er hat mit dem Rätzle gerechnet und ist gehörig bezahlt worden. Laß mir die Isabell freundlich grüßen, auch alle die, die mir nachfragen. Mit tausend Grüßen

    Dein Freund

    F. M. Felder

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 14. Mai 1866

    Verehrtester Herr Hildebrand!

    Ihr werthes Schreiben hab ich gestern erhalten, und es hat mir meinen Geburtstag, den ich mit - dem Pabst am 13 May feiere, zu einem recht schönen gemacht, obwol der Himmel ein wahres Servatiusgesicht schnitt gerade als ob er wie die Leute hier herum sagten, sich ärgere über die böse böse Welt. Heute schneit es und mir ist das trotz allem ganz recht, denn nun kann ich doch gleich an Sie schreiben. Sie wünschen mein sg. Wörterbuch zu sehen? Leider werden Sie das nicht mehr wenn ich Ihnen dessen Entstehungsgeschichte etwas genauer erzählt habe.

    Vor Jahren las ich, daß die Bewohner eines norddeutschen Dorfes mit etwa 400 Wörtern sich alles sagen könnten. Nun behauptete ich in einer Gesellschaft, unsere Wäldersprache sei wenigstens zehnmal reicher. Niemand wollte das glauben und ich habe dann zu sammeln angefangen. Damals hörte ich zuerst vom Grimmschen Wörterbuch; da ich nun den deutschen Sprachschatz gern kennen gelernt hätte, auch ein Vorbild für meine Arbeiten zu sehen wünschte, erkundigte ich mich bei meinem Buchhändler Hr Stettner in Lindau nach dem Preise, worauf mir dann zu Muthe wurde wie später, da ich das Sprüchwörter Lexikon bestellen wollte

    Reich bin ich wol, doch nicht an Gut

    Ich kann nicht Schätze graben

    Reich nur an Gottvertraun u Muth, u s w Houwald Ich nahm also anfangs das den von Vonbun herausgegebenen Volkssagen aus Vorarlberg angehängte Wörterbüchlein, spä­ter das den Werken J. Gotthelfs Beigegebene zum Muster. Als dann mein Landsmann, Dr Josef Bergmann k. k. Rath u Custos in Wien mich durch das Schwarzokaspale kennen lernte, wünschte er zu besitzen, was ich bis dahin gesammelt. Ich schickte ihm etwa 1000 Blättchen zu wofür er mir freund­lich dankte. Seit damals hab ich nichts mehr von ihm gehört. Das Sammeln hab ich aber nicht aufgegebn und nur das Ord­nen auf spätere Zeit verschoben, ich habe meine Freude an den Bildern, die bei unsern vielbedeutenden Witz- und Kraft­worten vor mir entstehen und sich gleich zu regen und zu rühren anfangen. Doch für Sie, fürchte ich, werden die bei­gelegten Proben nichts sein, als Beweise der Mangelhaftig­keit meiner kindischen Übungen. -

    Die beiden von mir erwähnten Nummern der Landes-Zeitung hab ich gesucht und gewünscht sie nicht zu finden. Mein Wunsch ist nicht erfüllt, ich hab sie gefunden, und muß Ihnen, da ich einmal davon schwätzte, den Aufsatz schon schicken. Ich hab ihn wieder gelesen und gefunden, daß er neben Unwahrem doch auch viel Wahres enthält und mit viel Witz geschrieben vielleicht auch nicht so bös gemeint ist. Den Verfasser, Hrn Dr Vonbun werden Sie aus dem oben erwähnten Werkchen (Volkssagen) kennen und der gute Mann hat mir nun, wie hundert andere sagen wollen: „Ein Dorfbewohner kann keine Dorfgeschichte schreiben" Bei­lage zur A. A. Zeitung 1864 N 105=6 die erwähnte Anzeige in den Blättern f. l. Unterhaltung findet sich J. 1864 Seite 333, eine andere in der Europa 64 N 5., St Gallner Blätter Nr 8 (von Herrn Prof. Kapf Ihrem damahligen Begeiter). In der letzteren Anzeige ist auch erwähnt, daß der „Verfasser ein Mann aus dem Volke, selbst ein bregenzerwälder Bauer". Mir war das zum Theil nicht recht lieb. Nicht daß ich mich etwa meines Standes schäme, aber was man schreibt, sollte ent­weder für sich selbst gut sein, oder es sollte auch nicht ent­schuldigt werden der Verfasser mag sein wer er will. Mein Nachbar macht sich, um kein Geld ausgeben zu müssen, sei­nen Wagen selbst, so schlecht und so gut es der Ungelehrte kann, wie der Senn in den Sonderlingen, doch das mag für ihn noch ein so großes Kunststück sein, ich will doch keinen Wagen von ihm. - Sie entschuldigen dieses eigenthümliche Gleichniß, es ist wie Freytag sagt oder seine Ilse sagen läßt II. Band Seite 128-29. Auch ich erkläre mir das Große aus dem Kleinen wie mein Franz den Staat aus der Gemeinde.­Kurz nach den selbstgemachten Erfahrungen gaubte ich, das Werk eines Bäuerleins würden wenige lesen mögen, doch zu meiner Freude erfuhr ich bald, daß ich mich irrte, und daß die Hohen nicht überall so hoch stehen wie hier herum. Gleich nach der Anzeige in den St Galler Blättern sind auch die oben Genannten erschienen, u sogar der literar. Hand­w[eiser] f. d. kathol. Deutschland hat mein Kaspale freundlich aufgenommen. Zu den Sonderlingen hätte auch mein Schwa­ger in Bludenz, von dem ich früher erzählte, eine Vorrede für nicht unpassend gehalten. Aber ich redete nicht gern von mir selbst und vom Werk hatte ich nicht viel zu sagen. Mir kommt so ein Wegweiser oft vor, wie ein Wirth der von seinem Wein redet. Sollte aber der Leser meinen, die geschil­derten Bauern wären nicht zu finden, dann freilich möchte ich ihn freundlich grüßen lassen und ihn zu mir einladen, damit ich ihn in die Kreise vieler ähnlicher Menschen führen könnte. Ungemein empfehlen würde es meine Arbeit, wenn - Sie einige Worte vorausschicken würden, wenn Sie es der Mühe noch werth halten sollten. Ich kann es kaum erwarten, Ihr Urtheil über die Sonderlinge zu hören. Hier sind alle Urlauber einberufen und die Aufregung der Gemüther ist eine gewaltige. Ich, als der Vertraute Vieler, habe Briefe von Soldaten gelesen die von den Ihrigen Ab­schied nahmen, und mehr als einmal hats mich erfaßt und gerührt wie noch nie ein Kunstwerk. Da ist die ganze Seele, das ganze Leben, ich werde diese Briefe wo möglich abschrei­ben und erlaube mir, Ihnen und allen Freunden des „Wälder­thums" eine Stelle aus dem Brief eines ehmaligen Älplers mitzutheilen: „- Wenn man den Tod seine Sense aufrichten sieht, dann schaut man noch einmal zurük auf das ganze Leben. Viel schöne Tag' sieht man dann und denkt, das Leben ist doch eine Wohlthat gewesen. Jetzt werd ich wol sterben müssen ohne Schuld aber ich hab nie verdient, daß mir Gott Leben gab und Gesundheit. Liebs gutes Mütterlein, beth für mich und dich und wenn du nichts mehr siehst und hörst von mir so denk: Ich hätt meine Pflicht gehörig erfüllt und sei gut gestorben, ich sei werth gewesen zu heißen dein Sohn Josef."

    Während in der Welt draußen alles aus dem Gleis muß ist hier der Frühling eingezogen, und ich bin Morgens und Abends beim Etzo. Das sind mir die schönsten Stunden. Auf dem Boden, den der Väter Fleiß fruchtbar machte, neben einem Wäldchen, wo das Rauschen der Aach sich in der Vögel Lied mischt, hab ich ein kleines Hüttchen aufgebaut. Die Zei­tungen, die mich zuweilen ärgern, werden benützt, um den Virgil einzuwikeln denn ich lese jetzt, wenn ich Bismark satt habe, den Landbau während die Kühe grasen und liebe Kin­der um mich her spielen. O daß ich Sie und Ihre Lieben hier hätte in diesem stillen ruhigen Thälchen! Sie sollten kom­men, denn ich werde meinen liebsten Wunsch, Sie in Leipzig aufzusuchen, wol nicht erfüllen können. Ein Ersatz dafür bleiben mir Ihre Briefe, diese Beweise Ihrer innigen Theil­nahme. Doch wünschte ich recht sehr, den Kreis Ihrer wer­then Bekannten kennen zu lernen. Einstweilen bitte ich Sie, mir alle recht herzlich, zu grüßen.

    Ich hab in der Gegend mich schon früher um Mitabonnen­ten von Zeitungen umgesehen. Mit der A. Allgemeinen hat sichs gleich gemacht. Aber Literaturzeitungen u d g dürften in Vorarlberg außer den Beiblättern nur wenige zu finden sein die erwähnten Nummern der Landes-Zeitung werde ich schicken wenn sich meine Hoffnung, Sie selbst hier zu sehen [sich] nicht erfüllen sollte. Die Ihnen nötig scheinenden Be­merkungen zu den Sonderlingen bitte ich, beizufügen! Wenn man einem den Finger reicht will er die Hand! Bogen 3 gleich Anfangs wird vom Hofe des Dionysius erzählt. Sollte ich die Nahmen verwechselt haben so bitte ich Sie ebenfalls um Ver­besserung da ich nicht mehr recht weis wo ich das dort Er­zählte vor Jahren gelesen. Auch zum 2 ten Theil hab ich dann noch etwas zu bemerken was jedoch nicht von Bedeutung ist und nur meinen Landsleuten auffallen könnte. Vom Hono­rar hab ich absichtlich nichts geschrieben da ich weiß, daß ich Ihnen das überlassen darf. Einstweilen beschäftigt mich nur die Frage: Wie wird es Ihnen gefallen was ich in dem Kämmerlein still und - stark gesponnen. Wenn, was ich aber kaum glaube, meine Sammlereien Ihnen verwendbar scheinen sollten, so bitte ich, mich bald davon zu benachrichtigen.

    Tausendfach grüßend und dankend verbleibe ich mit voller Hochachtung

    Ihr ergebenster

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 13. Mai 1866

    Lieber Freund!

    Vor allem Ändern muß ich mich entschuldigen, daß ich nicht früher geschrieben habe. Das hat zwei Ursachen, die ich Dir sogleich angeben will. Die erste ist, daß ich auf einer Reise von 150 Stunden verdammt wenig erlebt habe u. deßhalb dachte ich wolle noch warten, damit ich doch etwas mehr als blos die Reise heimberichten könne. Die zweite Ursache ist daß ich am letzten Sonntage arbeiten mußte, sonst könntest Du heute meinen Brief lesen. Doch ich will Dir jetzt berich­ten, wie ich hieher gekommen bin. Am 18. Aprill reiste ich von Hause ab u. gieng in einem fort bis nach Bezau,woich bei Frau Meusburger einkehrte, den Kaffee trank u. mir dann ein Wanderbuch vom Gericht holte. Dann trat ich die Weiterreise über die Bezegg ganz getrost u. voll Pläne für die Zukunft an. Doch schaute ich noch einmal wehmütig zurück u. dachte mir: Nun habe ich die Heimath verlassen u. darf früher als im Herbst nicht mehr zurück, es mag beinahe gehen wie es will. Doch bald dachte ich wieder nur an die Zukunft u. was sie mir wohl bringen werde u. kam ohne langen Aufenthalt nach Bregenz, Abends um 6 Uhr. Dort mußte ich 2 Stunden warten, bis ein Dampfschiff nach Lindau fuhr. Unterdessen that ich mir mit Bier u. Braten güthlich u. betrachtete einmal Bregenz. Ich hatte mich schon auf die Fahrt auf dem Bodensee gefreut, doch diese Freude fiel mir buchstäblich ins Wasser, denn es regnete so stark, daß man nicht fünf Minuten auf dem Ver­deck bleiben konnte, ohne naß zu werden. In Lindau fragte ich nach Herrn Stettner, wurde in sein Haus gewiesen. Dort stellte ich mich als ein Bekannter von Schoppernau vor, wurde von einer Tochter gut empfangen, in die Wohnstube geführt. Dort wurden mir Bier u. Speisen vorgesetzt u. ich gut unterhalten, bis Herr Stettner nach Hause kam. Derselbe emp­fing mich denn auch freundlich u. unterhielt sich mit mir noch lange. Am Morgen führte er mich noch in der Stadt herum u. bis zum Dampfschiff, mit dem ich nach Konstanz fahren sollte. Das Wetter war heiter u. kalt, doch gieng ich während der ganzen Fahrt nie in die Kajüte hinunter. Ich schaute immer in den See u. die Ufer hinaus, was mir etwas ganz neues u. Ungewohntes war, wie dem Binnenländer die Berge. In Konstanz stieg ich auf die Eisenbahn, die ich zum erstenmal leibhaftig vor mir sah. Ich fuhr nach Basel, von Basel nach Lörrach zu Herrn Berlinger, den ich aber am Abende nicht mehr zu Hause antraf.

    Ich gieng in ein Wirthshaus um Übernacht zu bleiben, wurde zu einem besoffenen Handwerksburschen in ein Zimmer gelegt, doch schlief ich ebensogut als daheim. H. Berlinger sagte zu mir, es sei besser, wenn ich weiter ins Elsaß gienge, da er keine schöne Arbeit habe u. wies mich zu H. Peter Ehrat, Gipsermeister in Markirch, auch ein Auer, derselbe habe schöne Arbeit. Ich reiste daher wieder von Lörrach ab nach Basel zurück u. von da nach Mühlhouse, Colmar, Schlettstadt u. Markirch, also beinahe nach Strassburg. Doch Herr Peter Ehrat hielt mich nur Übernacht, am Morgen erklärte er mir, daß er keine Arbeit habe u. daß ich überhaupt schon zu spät, da jetzt schon Arbeiter genug hier seien. Nun wußte ich nichts Besseres, als nach Besancon zu fahren, wohin ich eigentlich schon von Hause aus eine Empfehlung hatte, obschon ich nichts davon sagte. Ich mußte wieder zurück bis nach Mühlhouse u. hatte von dort noch fünf Stunden zu fah­ren bis nach Besangen. Samstag Abends um halb 6 Uhr kam ich hier an. Ich kehrte in einem Kafe ein, forderte einen Schoppen Bier, fragte nach Monsr. Beer, wurde aber nicht verstanden. Nun ging ich aufs Gerathewohl durch eine Straße hinunter, fragte hie u. da, bis ich zum Glück einen Deutschen traf, der mir den Weg zeigte. Herr Beer fragte mich nach Namen u. Stand u. dergleichen u. versprach mir Arbeit, was ich Tags darauf heimschrieb. Ich wurde in ein Kosthaus geführt, wo beinahe lauter Deutsche sind u. dort angenom­men. Die Kost ist theuer, das Essen kostet 8 Sous o. 16 Neu­krz. Man ißt täglich 3 Mal, Morgens 8 Uhr, Mittags 1 Uhr u. Abends 7 Uhr. Unsere Taglöhner würden dreinschauen, wenn sie nur täglich 3 mal zu essen bekämen. Doch der Wein ist wohlfeiler, als bei uns, der Liter (2V2 Schoppen) gewöhn­lichen Weins kostet 10 Sous. Mir gefällt es so nicht übel, da man 2 mal täglich Fleisch bekommt.

    Die ersten 8 Tage nun gefiel es mir gar nicht hier, da ich 2 Bestechern handlangen mußte. Das Pflastertragen verlei­dete mir entsetzlich. Ich ersuchte daher den Meister, daß er mich doch zu den Gipsern thu, da ich im Sinn habe, Gipser zu werden. Er gewährte mein Gesuch u. schickte mich aufs Land hinaus auf ein Landhaus, das ein reicher Fabrickant etwa 2 Stunden von der Stadt erbauen läßt. Es ist ein prächtiges Gebäude, in welchem der H. Beer die Gipserarbeit übernom­men hat. Ich bin nun Handlanger bei drei Gipsern, habe aber nicht streng u. es gefiele mir nun ganz gut, wenn ich die Leute verstände. Doch das kann man nun nicht ändern, ich mußte hin, wo ich Arbeit zu finden hoffte. Nur kann ich jetzt nicht in die Zeichnungsschule, was mich am meisten ärgert. Ich mache mich nun daran, die französische Sprache zu lernen, was freilich noch viel brauchen wird. Es sind viel Montafoner hier, aber nur wenige Bregenzerwälder, ein Auer, „Äreles Michel" u. einige Vorderwälder. Dieser Auer ist ein Mann in den beinahe 40 Jahren, ein ächter Fremdler, der mir nicht sehr gefällt. Nicht daß er ein Verschwender ist; oder sonst ein Ungläubiger ist, wie man bei uns die Fremdler ansieht, aber er ist so ungebildet, daß man wirklich staunen muß, daß ein Mensch der doch mit Gebildeten zuweilen zusammenkommt, noch so sein kann. Den ganzen Tag hat er nichts zu erzählen, als von Huren u. dergleichen, was in dieses Genre gehört. Ein anderer Vorderwäldler gefält mir schon besser, mit diesem ist etwas mehr anzufangen. Doch das nächste Mal mehr davon, jetzt bitte ich Dich, schreibe mir vor allem ändern die politi­schen Neuigkeiten, ich habe nur einmal das Glück gehabt, eine deutsche Zeitung in die Hände zu bekommen, u. neue Kriegsaussichten darin gefunden. Daß unsere Soldaten einrük­ken mußten, hat man mir geschrieben. Auch den Koffer habe ich erhalten, was Du dem Adlerwirt sagen kannst.

    Josef Natter
    Besancon
    Franz Michael Felder
  • 9. Mai 1866

    Lieber Freund!

    Da mein Bruder Pius nicht mehr in Au sein dürfte, will ich Dir den Erfolg meiner Rekurse wegen der Gebührenbemessung über unser Krumbach mitteilen, und Du magst dann meinen Geschwistern die Sache sagen. Ich habe vollständig gesiegt. Die Finanzlandesdirektion hat die vom Steueramt in Bezau und von der Finanzbezirksdirektion Feldkirch bemessene Gebühr von 49 Fl. 50 Kr.Ö.W. auf 21 Fl. 10 Kr. - einundzwanzig - herabgesetzt, wie ich es verlangt habe. Ich habe also 28 Fl. 40 Kr.ö.W. ziemlich leicht verdient und dazu noch die Ehre, gesiegt zu haben. Ich zahle heute die neue schuldige Gebühr ein und mein Guthaben beziffert sich mit Hinzuschlag der zu den Rekursen verwendeten Stempel und Papier auf 22 Fl. 50 Kr., es trifft daher jedem Geschwister 2 Fl. 50 Kr.Ö.W. zu zahlen, die mein Bruder Jakob von Euch Ausgeheirateten einheben mag. -

    Der Kurs steht bereits auf 29 und Aussicht, daß er sobald nicht mehr herabgeht. Die Bauern und Gesellschaften, die nur einen Betrieb in Händen haben, können sich denselben zu Nutzen machen. Bruder Jakob soll dies in Rechnung brin­gen.-

    Dem Elsensohn wirst Du vielleicht nicht mehr schreiben müssen, da er wahrscheinlich bald heimkommen wird, da in sächsischen und schlesischen Landen nun der Kriegstanz be­ginnen wird und die Lehranstalten geschlossen werden. Ich habe heute mit Dr. Bickel wieder eine Maß Wein gewettet, daß binnen acht Tagen die Preußen und Österreicher in Sachsen einrücken, und glaube, daß ich gewinne. Die heutige Sitzung in Frankfurt wird vielleicht die letzte des deutschen Bundes in seiner dermaligen Organisierung und Machtver­teilung sein, derselben wird der Krieg folgen. ­Die Hauptleute der Landesschützen müssen diese Tage nach Innsbruck, und bis Ende dieses Monats müssen die Landes­kompagnien zusammengestellt sein und beginnen die Waf­fenübungen. Für die hiesige Kompagnie langen heute die Waffen und 16.000 scharfe Patronen ein. ­Der Bezirksvorsteher erzählt mir jetzt gern von seiner Amtie­rung in Bezau und meint, wenn Du in Deinem neuen Werk nichts von dem Straßenbau und den bezüglichen Streitig­keiten erzählst, sei Vieles nicht drin, was hinein sollte. Mir scheint, er möchte etwas Gutes von sich in Deinem Buch finden. - Herr Hildebrand und Leipzig werden leider bald in preußische Hände geraten, aber bei jetziger Art der Kriegs­führung wird der Beschäftigung der Gelehrten schwerlich viel Eintrag geschehen und Dein Buch wird doch befördert wer­den, der Leser aber wird es vorläufig wenigere finden, doch hierüber wirst Du von Leipzig Besseres erfahren. ­Gleich nach Pfingsten wird meine Familie nach Warth und Krumbach wandern, und Du magst sie dort anmelden. Ich werde etwas Geld mitbringen. Im übrigen grüße ich Euch alle freundlichst und freue mich auf ein baldiges Schreiben. Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 8. Mai 1866

    Mein lieber Herr Felder,

    Seit Wochen hätt ich gar zu gern an Sie geschrieben und habe es immer wieder verschieben müssen. Auch heute werde ich mich leider kurz und rasch fassen müssen. Aber Sie müssen Nachricht haben, daß Ihre Sonderlinge am Sonn­abend richtig bei mir eingegangen sind, zu meiner großen Freude. Mit dem Lesen bin ich freilich noch nicht über die ersten Seiten hinausgekommen, aber ich darf Sie doch mit meinem Weiterlesen nicht auf die Anzeige des Eintreffens warten lassen. Ich will es erst ganz durchlesen, ehe ichs an Hirzel abgebe, und das soll möglichst rasch geschehen. Ob freilich, auch wenn wie ich hoffe Hirzel bei seiner Zusage bleibt, jetzt zum Druck vor[ge]schritten werden kann, ist augenblicklich ganz unsicher, denn wir sind in der Kriegs­gefahr mitten drin und wissen nicht was der nächste Tag bringt. Alle Geschäftsverhältnisse, die nicht dem Tage dienen, sind in der Auflösung begriffen, Hunderte von Arbeitern werden täglich entlassen, alle Werthpapiere sind im raschen Sinken, man schwankt zwischen Bestürzung und auftauchen­den Hoffnungsschimmerchen. Aber ich habe eben wieder einmal Hoffnung (gestern ist in Berlin auf Bismarck geschos­sen worden, fünf Schüsse aus großer Nähe, und unverletzt!) und vielleicht kehren wir in wenigen Wochen doch wieder in das Gleis stiller Culturarbeit zurück. Für Ihr Manuscript seien Sie außer Sorge, eine Beschießung der Stadt ist in kei­nem Falle zu fürchten, höchstens eine Schlacht in der Nähe, Leipzig ist ja jetzt ein offener Ort. Übrigens auch wenn der entsetzliche Bruderkrieg entbrennte, ich sehe ihm jetzt ent­schlossen entgegen, in der Überzeugung daß Besseres daraus kommen würde als die bösen Leidenschaften der Anstifter sich träumen lassen. Unser Deutschland ist jetzt im Herzen zu gesund, um am Körper dauernd Schaden leiden zu kön­nen. Sie selbst sind mir mit ein Beleg dafür. Ich habe inzwi­schen für Sie nach Kräften gewirkt, nur mit Ihren ersten zwei Briefen in der Hand und mit Empfehlung Ihres Schwarzo­kaspale. Die Wirkung ist allenthalben dieselbe, Bewunderung Ihres Bildungsganges, der an und für sich eine Heldenthat ist wie nur eine, Bewunderung der geistigen und seelischen Reife die Sie offenbaren, und tief innige Freude an der Art wie Sie da die Verhältnisse Ihrer Heimat künstlerisch zu ver­arbeiten wissen. Die Frauen meines Bekanntenkreises sind entzückt von Ihrem Roman, es ist schon öfter das Wort ge­fallen, ob man Sie denn nicht einmal in Person hier haben könnte, und ich selbst wünschte mir das innig - vielleicht? Auch meine Freunde theilen mein Urtheil, sie verdanken Ihnen glückliche Stunden im reinsten Sinn des Wortes. Nur Hirzel und Freytag sind leider noch nicht zum Lesen gekom­men, ersterer durch die Buchhändlermesse, letzterer durch eine literarische Arbeit zu sehr beschäftigt. Ich kanns kaum erwarten, bis sie dran kommen. Frau Dr. Hirzel hats mit gro­ßer Befriedigung gelesen. Dem Dr. Freytag hab ich Ihre zwei ersten Briefe vorgelesen, er war tief interessirt daran und meinte, das Ganze wäre „eigentlich unbegreiflich". Es ist gut, daß ich Sie habe vor mir sitzen sehn.

    Vorgestern hatte ich Ihre Briefe mit in Thüringen, wo wir, d. h. ein Häuflein Germanisten (altdeutsche Philologen) im Sommer mehrmals einen wissenschaftlich-geselligen Verein abhalten, unter dem Sie sofort als Mitglied eintreten könn­ten, seit Sie in Ihrem Thale Sprichwörter und Redensarten sammeln und auf Grund Ihres Schwarzokaspale, denn die Pflege des Volksmäßigen liegt uns am meisten am Herzen. Da hab ich denn, vor 7 Zuhörern (aus Gotha, Eisenach, Weimär, Jena, Schulpforta, Zeitz, Leipzig), meinen Vortrag ge­halten, und Sie werden wol in Folge davon Zusendungen erhalten; etwaige Dankbriefe schicken Sie nur mir mit ein, ich würde sie besorgen. So hab ich gestern Ihre Briefe an G. Mayer und Hirzel abgegeben. Mayer ist ein sehr merk­würdiger Mann, kurz und trocken wie wenige, aber sehr welterfahren und von warmem Herzen namentlich für He­bung der Volksbildung. Er hat in Ihrer Nähe eine Sommer­frische, in Oberstdorf, wohin ich eben vor drei Jahren von Ihnen aus ging. Ich soll diesen Sommer wieder hin kommen, und soll Sie mitbringen; Lust dazu hätt ich die allergrößte, wenn die Verhältnisse es erlauben. Aber ich habe eine Fa­milie von 6 Köpfen und kann nicht oft tief in den Beutel greifen. Ich möchte gar zu gern einmal mehr von Ihnen hören und mit Ihnen eine kurze Zeit Zusammensein. Nun wenn nicht diesen Sommer, so den nächsten. Ihr Bregenzerwälder Wörterbuch geht mir nahe, könnte ich. es nicht für unser deutsches Wörterbuch zur Verwerthung gewinnen? Wenn Sie Zeit fänden, mir zunächst nur etwa die Wörter mit K (von klappen an, denn so weit ist bald ge­druckt) könnten zukommen lassen, würde es mich sehr freuen, und ich würde Ihnen dann den ersten Correctur­bogen wieder zuschicken, wo Ihre Sammlung mir Dienste geleistet hätte.

    Der von Ihnen erwähnte Schimpfartikel in Ihrer Landeszei­tung interessirt mich, ich möchte schon wissen, von welcher Seite die Herren Sie angegriffen haben; könnten Sie mir das Blatt wol einmal zuschicken unter Kreuzband? Auch möcht ich. die Anzeige Ihrer Nümmamüllers in den Brockh. lit. Bl. lesen, in welchem Jahrgang und welcher Nummer war das? ich kann mirs leicht hier verschaffen. Mir thut es ordentlich weh zu lesen, mit welchen Kosten Sie sich die geistige Nah­rung verschaffen müssen. Hier zu Lande lesen z. B. Land­pastoren diese Sachen in Lesecirkeln für ein Billiges, oder die Exemplare aus Kaffehäusern gehen von da den ändern Tag weiter. Könnten Sie sichs nicht ähnlich aus Lindau oder Bregenz oder Feldkirch verschaffen? im Nothfall aus Augs­burg oder Innsbruck?

    Noch etwas. Im Schwarzokaspale war doch nicht alles erklärt, was uns unverständlich ist, z. B. Schulden gleich Schuldner, was ich aus dem Altdeutschen wußte (im Wörterbuch werden Ihre Stellen mit als Belege erscheinen). Darf ich wol an sol­chen Stellen die Erklärung kurz hinzufügen in den Sonder­lingen? Auch möcht ich gern in einem kurzen Vorwort dem Leser Nachricht von Ihrer Lebensstellung gegeben sehen. Doch ich muß schließen.

    Glück zur  Feldarbeit  und  allem  ändern,  herzlich  grüßend

    Ihr R. Hildebrand.

    Die Frauen meines nächsten Bekanntenkreises (Gevatter­kränzchen nennen wir uns) lassen Sie herzlich grüßen, das hält ich bald vergessen. Wegen des Honorars haben Sie nichts erwähnt, ich werde, wenns zur Verhandlung kommt, Ihre Interessen möglichst vertreten. Wie war denn das bei Nüm­mamüllers?

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 30. April 1866

    [...] Mit der Richtung werden Sie als Deutscher sicher ein­verstanden sein. Es wird Sie freuen zu sehen, daß und wie auch wir gewisse Schranken zu durchbrechen streben [...]

    Franz Michael Felder
    Salomon Hirzel
  • 30. April 1866

    Verehrtester Herr Hildebrand!

    Hiemit übersende ich Ihnen meine Sonderlinge, Sie herzlich bittend, dieses wunderliche „Bergvolk", welches sich noch kaum in die „weite fremde Welt" hinaus wagt, Herrn S Hirzel vorzustellen und seiner Nachsicht zu empfehlen. Wol hab ich den Reisepaß für diese Schmerzenskinder, Ihren werthen Brief, in der Tasche; dennoch sende ich diese mit einiger Besorgniß an Sie ab und es ängstigt mich die Frage: Ob sie wol Ihren Erwartungen entsprechen werden? Der erste Theil ist noch immer etwas breit, obwol ich den­selben, wie Sie schon beim Durchblättern sehen werden, noch bedeutend abgekürtzt habe. Schon am Schwarzokaspale ist das mit Recht getadelt worden, und wenn ich mich den­noch nicht besserte, so geschah das, weil ich glaubte, daß im Gedanken- und Wirkungskreise von Menschen, deren ganzes Denken und Thun einzig nur von den Verhältnissen abhängt, alle Hacken und Ecken, Thäler und Hügel, ja alle Drücke und Gegendrücke genau gezeigt werden sollten. Ich hätte noch Manches über mein Werkchen zu sagen, doch wenn Sie Ihre kostbare Zeit mir opfern dürften, wenn nicht das deutsche Volk auf Sie wartete würden Sie doch lieber das Werk durchsehen und Ihr Urtheil selbst bilden. Ihnen und solchen, denen Sie es zur Prüfung übergeben, darf ich getrost und ohne Vorrede alles überlassen. Das Erzählte ist aus dem Wälderleben entnommen; doch nicht abgeschrieben. Die geschilderten Personen leben - da und dort und doch nirgends. Als Deutscher und Freund mei­ner Heimath werden Sie Sich mit mir freuen, daß es im 2ten Theil immer lauter und lebendiger wird bis endlich die •Schranke bricht und die Wälder frei und froh hinaussingen und tanzen in die schöne Welt; die lang abgeschlossenen jedem wakern Deutschen herzlich die Bruderhand drücken. Von Herrn Gustav Mayer in Leipzig erhielt ich vor 8 Tagen eine für mich sehr werthvolle Sendung. Aus dem beigelegten Brief las ich einen neuen Beweis Ihrer Güte und wage nun, Sie um Abgabe des beiliegenden Briefes zu bitten. Übermorgen werde ich Bludenz, wo ich nach Vollendung meines Lebensbildes eine recht schöne Woche verlebte, wie­der verlassen und in die Heimath zurückkehren, in der nun für das Bäuerlein die Feldarbeit beginnt. Es würde mich recht glücklich machen, bald eine Antwort von Ihnen zu bekommen als Bestätigung, daß Sie das Zu­gesendete erhielten.

    Ich würde es doppelt bedauern wenn ein deutscher Bruder­krieg das baldige Erscheinen meines Werkchens verhindern sollte. Doch noch hoffe ich das Beste und überlasse die Ent­scheidung über die Herausgabe getrost dem verehrten Herrn Verleger, an den ich hier ein kurzes Briefchen beilege.

    Mit den herzlichsten Grüssen an Sie und den Verfasser der verlorenen   Handschrift, dessen   Urtheil   über mein erstes Werkchen ich sehr gern hören möchte, verbleibe ich hochachtungsvoll

    Ihr ergebenster

    Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Bludenz
    Rudolf Hildebrand
  • Datum unbekannt
    29. April 1866

    Lieber Felder!

    Glücklich, wenn auch ziemlich durchnäßt, zurückgekommen, finde ich, daß m. Geldbeutel ein tüchtiges Loch erhalten, so daß ich mich veranlaßt sehe Dich zu bitten, mir wenn es Dir einigermaßen möglich ist, Fl 25- auf 2-3 Monate zu borgen. Meinen Bekannten geht es, wie mir.

    Es ist dies der erste Freundschaftsdienst, den ich von Dir ver­lange, & rechne ich, wenn es Dir einigermassen möglich ist, auf dessen Erfüllung. Auf prompte Zurückzahlung kannst Du rechnen. Mit herzlichem Gruß an Alle

    Dein Freund

    Fr. Heuner.

    Friedrich Heuner
    Franz Michael Felder
  • 20. April 1866

    Hochgeehrtester Herr Felder!

    Mit großer Sehnsucht sah ich Ihrer Antwort entgegen, und mit Befriedigung erfüllte mich der Inhalt Ihres geehrten Schrei­bens, besonders die Nachricht, daß Ihre Muse nicht verstummt ist, sondern daß wir in der nächsten Zeit wieder ein größeres Produkt zu erwarten haben. Es ist mir leid, daß Sie mich nicht mit dem Plane des Werkes im Allgemeinen bekannt gemacht haben. An Dr. Hildebrand haben Sie den rechten Mann gefunden u. ich gratuliere Ihnen zu dieser Bekanntschaft. Er war der Einzige, dem man die Aufgabe, das Grimmsche Wörter­buch zu beendigen, zumuten konnte. Sollte Ihr neues Werk wider ähnlich dem frühern werden, so erlaube ich mir bei gänzlicher Aufrechterhaltung meiner vollsten Anerkennung den Wunsch auszusprechen, Sie mögen, da Sie nun einmal nicht für bloße Gelehrte, Sprachforscher, u. Altertumskenner schreiben, in die ganze Handlung mehr Abwechslung u. wie es das Romanpublikum nennt, mehr glänzende Effekte brin­gen. Wie gesagt, ich lege darauf kein Gewicht, u. bin Ihnen ewig dankbar, daß Sie das Bregenz. Volk so wahr u. klar gemahlt haben.

    Was nun Ihre freundliche Zusage anbelangt, mir einige Bei­träge zu liefern, erlaube ich mir, Sie höflichst zu bitten, sie mir bis längstens 27. Mai zukommen zu laßen, da die Abhandlung für unser Gymnas. Programm bestimmt ist, welches bis zum 24. Juni schon gedruckt sein muß. Da Ihnen Sagen über Gei­ster Hexen, auch Lokalsagen ohne Zweifel bekannt sind, so dürfte Ihnen die Sache wenig Schwierigkeit machen. Anders steht es bei mir. Meine eigentlichen Kenntnisse erstrecken sich hauptsächlich auf die alten u. neuen romanischen Spra­chen. In der deutschen Litteratur bin ich nur ein großer Dilet­tant. Ich studiere fleißig Grimms u. Simrock's deutsche Mythologie, Zingerle's, Ritter v. Alpenburgs, Vernalekens, Grimms, Bechsteins, Dr. Vonbun's Sagen, allein es will sich der Stoff noch nicht zu einem gefälligen Ganzen formen laßen. Das Feld, auf dem ich mich herumtummle, ist mir ganz neu. Ich will die Sagen des innern Bregenzerwaldes zusam­men stellen, u. wo es geht mit denen anderer Länder verglei­chen. Einige davon dürften nur bei uns vorkommen, oder wenigstens eine eigentümliche Färbung erhalten haben. Indem ich herzlich grüße u. meine Bitte dringend widerhohle verbleibe ich

    Ihr Freund u. Landsmann

    Jos. Elsensohn

     

    Josef Elsensohn
    Teschen
    Franz Michael Felder
  • 13. April 1866

    Werther Herr

    Dr Hildebrand, der uns schon im Sommer 1863, als er uns in Oberstdorf im Allgäu, wo wir von Mai-Oct. wohnen, von Ihnen erzählt hatte, theilte uns gestern Mehreres über Ihre Dorfgeschichte und aus Ihren Briefen an ihn mit - bei der Schwierigkeit der Wahl und Beschaffung von Büchern fiel mir ein daß Ihnen vielleicht mit dem Schwab & Klüpfel'schen Wegweiser nebst Nachträgen den ich gerade für Leute welche die Frage „was soll ich lesen" beschäftigt, habe bearbeiten lassen gedient sein könnte und da mir der Commissionair des Herrn Teutsch in Bregenz wissen lässt, er expedire Morgen an diesen so sende ich Ihnen das Werk mit dem Wunsch daß es Ihnen dienlich sein möge.

    Mit achtungsvollem

    Gruss Gustav Mayer

    Gustav Mayer
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 12. April 1866

    Werter Freund!

    Sehr freute es mich, daß Ihr noch an mich dachten u. das Wort so treulich hilten u. mir die Neuikeiten von Schoppernau schrieben.

    Ich glaube Ihr habet in so kurzer Zeit schon einen  neien Nachbar bekommen einen Vornemeren als ich u. die Basa war, u. wie das Häuschen jetzt dem Beschrib an einen Palast gibt will ich dann selbst kommen geschauen u. sonst kommt es mir, wie dem Herr Moosbrugger ungemein teuer vor.

    Ich bin gesund u. wollauf u. sehr gern in Bludenz, Heimwee habe ich noch keine Stunde gehabt, daß wir Schoppernau gar nicht mehr in Sinn kommt könnt ich nicht sagen aber dises währe nicht einmahl recht, wenn ich mein Vaterland verges­sen würde; sonst hab ich ein sehr gutes Ort die Frau u. der Herr ist sehr frei u. freut ihn wenn ich recht wälderle, kurz ich bin sehr zufrieden mit ihnen u. glaube sie seien es mit mir auch. Ich danke Euch vielmal, daß Ihr so gut gewesen sind u. Euch die Mühe haben kosten lassen um mich hieher zu brin­gen, o, ich wünschte es mir nicht, daß ich noch in Schop­pernau währe.

    Neuigkeiten weise ich keine zu schreiben, als daß es schon sehr schön in Bludenz ist u. die Bäume schon bald in schön­ster Blüte dastehen u. schon ordentlich großes Graß ist. Auf der Reiße haben wir sehr schlechtes Wetter gehabt u. sind nass geworden wie Euch der Pius schon erzählt haben wird. Grüßen wir die Teresia Strolz u. saget ich habe nicht mehr der Zeit gehabt ihr ein eigenes Brifchen zu schreiben, aber ich komme schon bald auf Krumbach dann werde ich selbst zu ihr kommen u. mündlich mit ihr sprechen, sie soll mir gar schön die Seravina grüßen u. sagen ich habe sie noch nicht ganz vergessen im Gebet u. glaube sie werde mich auch nicht vergessen haben u. freue mich sehr daß sie wieder auf bes­sern sei. Grüßet wir auch die Theres Sprenger, u. den Götte u. den Herrn Lehrer ich sei gesund u. geh mir gut. Grüßet wir die Firmpatin u. die ändern Vettern Basen u. saget ich habe den Brif dem Pater gegeben u. sei schon einmal zu mir ins Haus gekommen u. hat mich besucht u. gesagt er werde nocheinmal kommen befor er wieder ge Gargella gehe. Wahrscheinlich werden wir im Mai schon auf Krumbach gehen.

    Einen recht freundlichen Gruß an Euch u. an die Frau u. an die alte Mutter u. an den Kaspar u. Jakobus, welcher so nahe verbrand war u. saget ich grüße ihn er solle nicht mehr so nahe zum Feuer gehen sonst könnte er einen Engel geben. In Erwartung, daß Ihr bald einmal kommt grüßt Euch

    Eure dankschuldige

    Isabella Jochum.

    Isabella Jochum
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 10. April 1866

    Lieber Freund!

    Ich beeile mich, Deinen letzten Brief zu beantworten und Dich wieder in den Besitz Deines Kleinodes (Hildebrand'scher Brief) zu setzen. -

    Weil Du sagst, daß die Wälder sich jetzt anders zeigen, als ich sie mir gedacht habe, werden sie wohl schon eine Sub­skription eröffnet und einen jungen hoffnungsvollen Mann zur Erlernung des Handelsgeschäftes aus ihrer Mitte entsendet haben. Warum vorenthältst Du mir Mitteilungen hierüber? Ist etwa noch nichts Derartiges geschehen? Dann, mein Freund, sind die Wälder noch wie ehedem und wie ich sie mir denke.

    Die Statuten der jüngst entstandenen südtirolischen Wein­handlungsgesellschaft wären für die „Wälder Käshandlungs­gesellschaft" gewiß fachdienlich. - Es freut mich, wenn Du einen tüchtigen Verleger für Dein Werk findest. Ich zweifle auch nicht, daß dieses ein wertvoller Beitrag zur Völker­(Volks)kunde Deutschlands ist. Meine ausgesprochene Ansicht über den ersten Teil wird mein Urteil diesfalls außer Zweifel setzen. Ich halte nicht dafür, daß eine Durchsicht meinerseits, selbst in dem Falle, als Du über allenfallsige Bemängelungen Änderungen vornehmen würdest, den Wert des Werkes heben könnte. Was nach meiner Ansicht als gut vorgeschlagen würde, könnte nach der Anlage des Werkes nicht gut sein. Für welche Ideen das Werk eintreten sollte und auf welcher Seite der Kämpfenden in Deutschland ich Dich sehen möchte, ist aus meiner Kritik des ersten Teils zu ersehen. Die Grund­idee ist die Hauptsache, und nur dieserwegen, glaube ich, könnte eigentliche Meinungsverschiedenheit zwischen uns obwalten. In der Ausführung bist Du unzweifelhaft stark genug. Die Grundidee wirst und kannst Du, wenn Du nicht auf Dein Selbst verzichten willst, natürlich nicht ändern. Eine Durchsicht meinerseits kann daher füglich unterbleiben und hätte umso weniger Zweck, als ich kein Mann von Fach bin. ­Über den Brief des Hildebrand freue ich mich insofern, als Dir ein tüchtiger Verleger in Aussicht gestellt wird. Diese Aus­sicht kann allerdings einem jungen Schriftsteller selbst einen trüben Wintertag zu einem schönen machen, und ich hoffe, daß dies auch der eigentliche Grund der aufgegangnen Schönheit ist. Dieser Hoffnung mischt sich aber wieder eine jener ähnliche Furcht über Deine Richtung bei, die bezüglich deines Werkes in meiner Kritik des ersten Teils berührt wurde. Es zieht Dich nach Norden und zieht Dich nach den Landen des Herrn Hildebrand. Ja, ja, deshalb wirst Du diese Mißgestalt eines deutschen Mannes gar nicht als solche er­kennen, die Liebe macht blind. Du siehst vielleicht gar nicht, wie dieser Mann in seiner Herablassung gegen Dich den Hochmütigsten der Hochmütigen, den echten Bourgeois ver­rät. Er und die ändern Studierten brauchen Euch Bauern zur nationalen Wiedergeburt Deutschlands; es handelt sich bei seiner Befreundung (beileibe nicht Freundschaft) mit Dir darum, das lange entfremdete Süddeutschland (erkenne Dich, Du bist eigentlich Süddeutschland) für das Deutschland der Zukunft (Dr. Hildebrand) zu gewinnen. Ja, ja, der große Riß zwischen Gebildet und Ungebildet muß dadurch behoben werden, daß die Ungebildeten den Gebildeten zum Gebrau­che überliefert werden (merk's Bauer!), dann wird das See­lenblut erneuert und wir werden wiedergeboren. Wie herr­lich diese Wiedergeburt eines deutschen Professors durch ein Wälderbäuerlein! Lade mich doch zum Geburtsschmaus. Die von Lassalle im Julian Schmidt beschriebene Gedanken­und Haltlosigkeit der heutigen Literaten wird ohne Zweifel von der in diesem Hildebrandschen Brief übertroffen, und mehr Hochmut und Dünkel kann ich mir kaum denken. Den die Bourgeoisie beherrschenden Gedanken, daß der gemeine Mann ihr dienstbar werde, kann man wohl nicht plumper aussprechen als Hildebrand dies auf gemütlichste Weise getan hat. Nur zu, ihr Bourgeois's der Feder und des Geldsackes, erbaut Euch an Altertümern (Deinen neuen Befreundeten erfreute eigentlich nur das Altertümliche!! in Deinem ersten Buch), während die Gegenwart zum Gericht über Euch sich rüstet. - Also mit einem gemischten Gefühl sehe ich auf Deine Richtung. Möge Dein Werk dasselbe zu einem freudigen und frohen verwandeln! Du darfst herzhaft die Richtung Hildebrands, Freytags etc. bekämpfen und doch von ihnen Dich unterstützen lassen. Das ist ja der schönste Triumph, sich den Gegner dienend zu machen. Möge das bei Deiner Be­freundung mit Hildebrand der Fall sein und mögest Du vom Norden nur deshalb Dich anziehen lassen, um ihm die längst erwiesene Überlegenheit des Südens wieder zu zeigen. Deine Heimat und Dein Vaterland wird dann nicht bloß Dein Ge­schick, sondern auch Deine Treue ehren und anerkennen. ­Es würde mich sehr freuen, wenn Du bald herauf kämest und den Demokraten mitbrächtest. Diesen werde ich jedenfalls mit Freuden wieder verfolgen. In 6 bis 8 Wochen werde ich Weib und Kind und die Isabella auf Warth und Krumbach tun und dann auf einen Sprung zu Euch kommen. Du sollst aber vorher noch herauf kommen. -

    11.4.1866

    Eben lese ich in der Allgemeinen Zeitung, daß in Frankfurt bereits Reform des Bundes und Einberufung eines deutschen Parlaments auf Grund allgemeinen Stirn m rechtes mit direkter Wahl von Preußen beantragt worden ist. Ob dies Dir wohl Anlaß geben wird, die Lassallesche Fahne höher zu achten, als dies bis nun der Fall gewesen zu sein scheint? Jedenfalls wird die Wiedergeburt Hildebrands nun beschleunigt wer­den. -

    Beiliegenden Brief schicke an die Adresse. Mit tausend Grüßen

    Dein Freund

    K. Moosbrugger

    12.4.1866

    Weil ich noch ein halbes Stündchen frei erhalte, will ich weiter plauschen: Ich habe diese Zeit her bisweilen einen harten Stand gehabt, weil ich mit den Bourgeois hier öfter politi­sierte. Meine Sympathien mit dem demokratischen ungari­schen Unterhaus riefen manchen Konflikt hervor. Ich habe bis nun nur einen einzigen Mann hier für viele meiner An­sichten gewonnen, dafür aber ist er der intelligenteste in Bludenz, der Verfasser der Vorarlberger Landtagsadresse. Er und ich sind auch die einzigen, denen der Bismarcksche Antrag in Frankfurt Freude gemacht hat. ­Ich habe jetzt einen kleinen Krieg mit den Finanzbehörden wegen zu hoher Gebührenbemessung für unser Krumbach. Er ist für unser Land von Bedeutung, denn wenn die Finanz­behörden Recht behalten, wird man in Hinkunft viel mehr Taxen zahlen müssen. Mein 2. Rekurs ist jetzt in Innsbruck. Ich werde nach Beendigung des Streites die Akten wahrschein­lich dem Vorsteher in Au schicken, der um die Sache weiß und sich drum interessiert.

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 3. April 1866

    Lieber Freund!

    Leider muß ich mir einige Gegenbemerkungen auf einen Brief erlauben, der mir durch das Beigelegte aus einer Ver­legenheit half, in die ich nicht so bald wieder zu kommen hoffe. Doch ich darf kurz sein. Wer mich zu meinem Vor­oder Nachteil neben den Schröcker Wirt stellt, der muß weder den Angriff des Pfarrers noch meine Verteidigung kennen. Jedenfalls, das werden Dir alle meine alten und neu­gewonnenen Freunde bezeugen, war ich weniger feig als er, was auch nicht viel sagen will. Daß ich einer vielleicht Jahre dauernden Feindschaft zwischen Oberdörflern und Unter­dörflern, die er nach dem Grundsatz: Trenne und herrsche ­schaffen wollte, entgegenarbeitete, wirst Du mir, wenn auch nicht wie die Schoppernauer, danken, doch auch nicht ver­argen. Ich habe mich selbst verteidigt, und Rüscher wird nie mehr stehen, wo er stand. Von meiner Agitation wird jetzt bis nach Bezau da und dort geredet. Auch das Rätzle redet mit und die Sache ist ihm gar nicht besonders - zuwider. In der Sennhütte in Argenau, Argenzipfel, Rehmen u. a. wird täglich davon geredet und darüber gestritten. Gestern war auch beim Schmidlebuab große Käsversammlung, zu der ich eingeladen war. Und Freund: So hast Du Dir die Wäldler wohl nicht gedacht, wie sie sich jetzt zeigen, da sie einmal eine gemeine Idee haben, sich aufzurichten. Schon das, was ich und andere dabei lernen können, ist nicht zu schätzen. Dein Urteil ist etwas - besonnen, und das ist recht, denn wir sind vielleicht zu begeistert.

    Armer Schneider! Seine Marie ist ihm untreu geworden und hat sich vorgestern mit einem gewissen Ober verkünden lassen. Das hat er wohl nicht erwartet; aber ich würde den guten Vetter doppelt bedauern, wenn ihm die Geschichte böses Blut machte. Vor 14 Tagen scheint er noch nichts geahnt zu haben. Professor Elsensohn von Bezau (in Teschen) hat mir einen höflichen Brief geschrieben und mich ersucht, ihm die hiesigen Geister- und Hexengeschichten zu sammeln. Ich habe dann die Dummheit gemacht, mich zu entschul­digen, daß mir das jetzt fast unmöglich sei, weil ich an einem größeren Werke arbeite, das durch eine Unterbrechung in der Arbeit leiden würde. - Für den Frühling hab ich alles Gute versprochen, denn bis dahin hoffe ich, mit den Sonderlingen fertig zu werden. -

    Ja, ich kann nicht helfen. In Gottesnamen, ich muß wieder einmal von diesem, Dir vielleicht just nicht zu den Akten passenden Schmerzenskind anfangen. Das Werk liegt voll­endet im Entwurf vor und ist jetzt auch der 2. Band bis zum 7. Kapitel, Bogen 30, abgeschrieben. Mein Urteil über das Ganze steht fest, und ohne dem Deinen vorzugreifen, sage ich schon jetzt:

    Das Werk rechtfertigt durch seine Eigentümlichkeit sein Er­scheinen auf dem reichen Büchermarkt.

    Es sind zwei nagelneue Charaktere darin geschildert, und das ist selten: Barthle - Senn.

    Es ist ein nicht wertloser Beitrag zur Völkerkunde Deutsch­lands.

    Über Anlage und Durchführung, über die vorgesteckten Ziele und den, ihnen näher kommend, zurückgelegten Weg näch­stens mündlich.

    Ich möchte Dir das Werk zur Durchsicht geben und ich habe tausend werte Beweise dafür, daß Du meinen Wunsch gern erfüllen wirst, und zwar umso lieber, da ich aus Überzeugung manchen Deiner Wünsche genügend berücksichtigte. Ich wünschte aber, daß ich die Arbeit bald fortschicken könnte, um inne zu werden, was man in Norddeutschland dazu sagt, und es wäre mir lieb, wenn die erwähnte Prüfungszeit bei Dir nicht zu lange dauerte. Soll ich Dir das Werk bringen, damit wir es gemeinsam durchgehen oder soll ich es auf der Post schicken. Vom ersten Teil - den Du gelesen - und der zweite wäre bald durchgenommen. Er ist ganz regelrecht genau so lang als der erste, aber weniger breit. Vielleicht wirst Du tadeln, daß zu viel Handlungen, aber zuletzt wirst Du auch den Faden durch alles gehen sehen, und wenn die Spitze bricht, auf der alles stand - ja, dann hoffe ich, Dich jubeln zu hören wie meinen Kaspar, als ich den alten Kamin zusammenschlug.

    Du wirst fragen, was ich denn hernach mit dem Geschreibsel anfangen werde. Lieber Freund, Vertrauter all meiner Sorgen und Freuden, ich bin so glücklich, daß ich Dir das ganz genau beantworten kann!

    Ich glaube, Dir schon früher gesagt zu haben, daß ich gern an den sich mir so freundlich und geneigt zeigenden Dr. Hil­debrand in Leipzig schreiben möchte. Ich hab es getan. Ich schrieb ihm, daß ich beabsichtigte, ihm mein zweites Werk zu schicken, daß mich aber eine längere Krankheit an allem gehindert. Ich schrieb ihm, daß ich damals sehr fleißig war, ich schrieb ihm kurz einen recht ordentlichen Brief, in dem ich ihn anredete, wie ich's drinn hatte, offen und so wahr wie zu Dir, und ich lege hier seine Antwort bei, bitte aber, sie bald zurückzuschicken. Auch seine Photographie hat er beigelegt.

    Den Inhalt meines Werkes hab ich beiläufig so angegeben: Die Straßen in unser abgeschlossenes Ländchen werden von Jahr zu Jahr besser, immer näher braust das Dampfroß und immer lauter klopft der Zeitgeist an. Herein, rufen einige, draußen bleiben, schreien viele. Die Ursache des Streites scheint sich auf Augenblicke zu entfernen, doch die alte Ruhe kehrt nimmer. Ferner:

    Nicht im Prozessionsschmuck zeig ich meine Landsleute u.s.w. Da ich ihn ersuchte, mich gelegenheitlich einem Verleger oder Dichter zu empfehlen, wagte ich's auch, einige wackere Leip­ziger, mit denen ich ihn in Verbindung weiß, von dem Wälderbäuerlein grüßen zu lassen. Ich hab den Brief in einer frohen Stunde geschrieben und er wurde ganz wie ich. Schade, daß ich keine Abschrift habe, sie würde auch Dir gefallen.

    Ja, und der beigelegte Brief wird Dich gewiß auch freuen. Er ist für unser einen so viel, daß ich Dich bitte, mich nicht auszulachen, wenn ich gestehe, daß mir der Tag, an dem ich ihn erhielt, einer der schönsten war.

    Wer jetzt meine Sonderlinge liest, der könnte meinen, ich hätte das ganze Werk in den letzten 14 Tagen geschrieben, oder ich hätte das, was jetzt bei uns vorgeht, mit Seherblick erschaut. Ja, es regt sich in den Oberdörflern, und auch seine Unterdörfler verliert Rüscher immer mehr. Hoffentlich werde ich Dir bald mündlich berichten können. Die nächste Woche wird unser schöner Wald vor dem Dorf versteigert.

    Der Löwenwirt möchte heiraten und hat mit einer Andels­bucherin zu - unterhandeln angefangen. Da ich noch nicht an einen Krieg glaube, lese ich die All­gemeine nicht gar so fleißig als früher. Jetzt beschäftige ich mich mit dem Dichter Shelley, der nach meiner Ansicht nur zu sehr Atheist, um der Größte der neuen Zeit zu sein. Diese Leute verneinen alles und können bloß niederreißen. An Kraft und Feuer steht er seinem Landsmann Shakespeare wenig nach; doch sein bestes Gedicht bekämpft die Gottesidee und ist mit interessanten Anmerkungen versehen. Ich lese über­haupt jetzt die Ausländer sehr fleißig - Moliere, Bernardin, Beaumarchais u. a. Das sind meine geistlichen Bücher. Die im Sozialdemokrat abgedruckten ,Statuten der Zigarrenar­beiter-Kompagnie in Dresden' enthalten manches für unsere Käsgesellschaft Beachtenswerte. Ich hab sie den Bauern schon mehrmals vorgelesen. Der Dichter Otto Müller bringt in der Roman-Zeitung eine neue Arbeit. Es wäre nicht uninteressant, sie mit der meinen zu vergleichen.

    Der Isabell, von der Du mir berichten wirst, bitte ich fol­gendes vorzulesen: Am vorigen Montag hat Josef Oberhauser (Baltasso dar Klinn) das Haus des Mariannele um 815 Bank­noten gekauft, die Güter, da die kleinen Stücke jedem paßten, waren sehr teuer. So habe z. B. ich selbst den Bleaz bei der Bunt um 95 Fl. 35 Kr. Ö.W. gekauft. Das ganze Anwesen kostete 2233 Fl.Ö.W. Der Baltasler hat schon viel Bauholz aufgeführt, und das Mariannele würde lächeln, wenn es die vielen Schindeln sähe. Das Kohlerle im Gschwind ist Hoch­zeiter mit der Witwe des großen Sefflers, das Boldo Maike kommt zu Koarodo Buobo als Magd. Sepples Schnidar geht in die Fremde. Strolza Serafin befindet sich viel besser, Seff­lers Hänsle, der Soldat, hat sich beim Fuhrwerk die Knie­scheibe zerquetscht. Sonst alles beim Alten. Mein Jakob wäre furchtbar nahe verbrannt, er stand allein beim Feuer, seine Kleider gerieten in Brand und als man zu ihm kam, schlugen die Flammen schon ob seinem Kopfe zusammen. Das „Ahlaa" hat ihn dann in die Juppe genommen und die Flamme er­stickt, nur das Haar und die Kleider waren zum Teil verbrannt und eine Hand unbedeutend verletzt. - Es lassen Dich viele Leute grüßen. Zu diesen gehöre auch ich und es wäre mir lieb, wenn Du gelegenheitlich einige Zeilen schreiben tätest. Lebe wohl!

    Nun bin ich fertig mit der Isabell, da ich aber nun ans Holz­sägen muß, so darf ich auch mit Dir nicht mehr länger plau­dern. Grüße mir Theresen und sag ihr, sie soll mir berichten, wie ihr das Mädchen gefalle. Baldige Antwort auf die Frage, ob Du das Werk allein lesen willst oder nicht? So wie noch mehreres wäre mir sehr erwünscht. Schreibe also recht bald Deinem immer mehr nach Norden gezogenen, nicht mehr verketzerten, Käshandel predigenden, glücklichen und etwas närrischen Freund

    F. M. Felder

    Soll ich den Demokrat auch mitbringen, wenn ich komme?

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 29. März 1866

    Lieber Felder!

    Endlich bekomme ich einen freien Augenblick um mich nach Dir u. den I. Deinigen erkundigen zu können. Hoffentlich geht es Dir sowie dem I. Wible und den Kleinen recht gut. Vielleicht begrüße ich Euch in 4-5 Wochen selbst in Schop­pernau, wohin ich bis zum 26. April zu kommen gedenke. Wie hast Du den Winter zugebracht? Viel studirt u. gelesen. Ich habe mir einige neue Bücher wie Shakespeare, Studien von [Rimelin], dann Lingg Völkerwanderung, sowie Grube ästheth. Vorträge angeschafft, aber noch wenig davon durch­gelesen da keine Zeit. Wenn Du sie lesen willst, so stehen sie Dir mit größtem Vergnügen zu Diensten. Was macht Herr Dr. Düntzer? Bitt ihn schön zu grüßen. Kannst Du mir nicht die interessante Grabschrift die Du mir einmal gesagt hast mittheilen; Du würdest mich sehr verbin­den.

    Deine   Gebetbücher   Biggel   sind   jetzt   angekommen   und gehen diese selben  nächsten  Donnerstag an  Dich  ab.  Hr. Stettner läßt Dich wie das Wieble herzlich grüßen und ver­gnügte Feiertage Wünschen. Also auf baldiges Wiedersehen. Mit herzlichem Gruß,

    Dein Freund Fr. Heuner

    Friedrich Heuner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 26. März 1866

    Theurer Freund!

    Freudig überraschte mich bei meinem Eintritte in mein Zim­mer heute Mittags ein Brief mit wohlbekannten Schriftzügen. Endlich einmal, dachte ich, hat Dir der Faulpeltz wieder geschrieben. Schnell erbrach ich das ausnahmsweise gut erhaltene Sieglaksiegel und fieng an zu lesen. Die ersten Zei­len befremdeten mich ein wenig, da Du darin meinen u. Dei­nen Correspondenz-Fleißü auf gleiche Stuffe stellst. Ist er mir nicht auf 2 Briefe Antwort schuldig, waren meine ersten Gedanken. Doch bei einigem Überlegen, fand ich es wahr­scheinlich, daß Du recht haben dürftest. Ich übergab nämlich vor Neujahr dem hier lebenden Felder ein Paar Briefchen zur Beförderung an die im Bregenzerwalde lebenden Felder's; Unlängst bekam ich vom geistl. Felder einen Gruß mit dem Beisatze, ich möchte ihm doch auch wieder einmal schreiben. Er scheint somit den letzten Brief nicht erhalten zu haben, u. so dürfte denn auch sein Kamerad das gleiche Loos gehabt haben. Deßhalb wiederhole ich hier nochmals meinen Glück­wunsch zum laufenden Jahre. Doch ich kann mich kurz faßen, da Du ungeachtet des Nichterhaltens meines früheren gesund, theilweise in der Hoffnung in Deinem neuerdings verschönerten Schreibzimmer sitzest u. auch bald in den Besitz, wie ich hoffe, einer bedeutenden Summe v. Silberlin­gen gelangen wirst. Ich freue mich sehr darauf, das Büchlein, oder wahrscheinlich das Buch zu lesen, das mir schon theil­weise nicht unbekannt ist. Daß Dr Hildebrand mit Dir in Cor­respondenz steht, freut mich um so mehr, da ich ihn schon längst unter den Todten glaubte. In den Zeitungen war, wie Du wissen wirst, öfters von einem Selbstmorde eines Hilde­brand die Rede, der also ein anderer war. Es freut mich, ihn umsonst bedauert zu haben.

    Also Dr Dünser hat geheiratet, wen denn? Ist er beliebt u. hat man auf ihn Vertrauen? Auch die Isabell ist nicht mehr Jung­frau? In wessen Armen ruht sie?

    Doch vor all diesen Fragen muß ich Dir etwas über meine Verhältniße abermals berichten, da Du nichts aus dem nicht erhaltenen Briefe wissen kannst.

    Einige Unpäßlichkeiten vor Monaten abgerechnet war ich immer gesund. Im Sommer war ich größtentheils in Baden, einem Städtchen ein Paar Meilen von Wien, bei Regierungs­rath Engerth, dessen Porträt Du in einem oder dem ändern Blatte finden wirst, wenn Du nachschlägst, er ist Direktor der Staatsbahn, u. wegen technischen Erfindungen bekannt, ein sehr lieber Mann. Ich habe seinen Sohn auf juridische Prüf­fungen vorbereitet.

    Seit Oktober bin ich wieder in Wien, wo Du Deinen Brief hin addressirtest.

    Bis Mai habe ich Hoffnung in eine Advokaturskanzlei zu kom­men. Gegenwärtig habe ich die meiste Zeit für mich, eine ausgezeichnet gute Kost, aber wenig, meistens gar kein Geld; in meinem Quartier ist schreckliche Unordnung, die Frau schon lange krank, wie es scheint an Wassersucht, während eines Jahres starben 3 Kinder, u. ein Rückstand aus uralten Zeiten, den man in der angegebenen Lage schon längst gern gehabt hätte, feßelt mich an Ort u. Stelle. So paart sich zar­tes mit dem Harten, u. nach Schiller giebt das einen guten Klang.

    Von Politik kannst Du wahrscheinlich aus den Zeitungen so viel erfahren als ich; an maßgebenden Kreisen in Wien ist man über die österr. preusische Geschichte so wenig im Rei­nen als die Zeitungen. Das jetzige Ministerium ist aber fest entschloßen nicht nachzugeben, das weiß ich aus sicherster Quelle.

    Wenn Du also die Sonderlinge fertig hast, so schreibe mir wieder einmal. Wie geht es denn meiner Mutter? den Ober­hausern, Sieberle ect. Wie ist der Prozeß von der Schmied­schen Familie in Rehmen wegen der Erbschaft ausgegangen? Hat Sanderell den Stubenrauch bekommen? Wo ist der frü­here Pfarrer v. Lech? was macht sein Buch? was Jenny? was die Schröcker-Kirche? ect. Du mußt bedenken, daß ich aus meiner Heimat so zu sagen gar nichts erfahre als von Dir, u. mir deßhalb meine Neugirde verzeihen. In Betreff der Stückleferger-Geschichte habe ich schließlich so schlechte Aussichten bekommen, daß ich einsah, daß sich kaum etwas mit Erfolg würde machen lassen. Die hier gut bezahlte Arbeit wird bei uns nicht gemacht u. ist sehr müh­sam, so daß sich auch hier die besten Arbeiterinnen kaum 4 bis 5 Sechser täglich zu verdienen im Stande sind. Auf Eins will ich Dich noch aufmerksam machen, seit Neujahr kann man von Dir zu mir 3mal schreiben, bis so viel Porto aufgeht, als früher einmal. Das wollen wir bedenken. Ich habe schon vor weiß Gott wie langer Zeit versprochen eine 3. Fotografie zu schicken, für's Thresele oder Mutter oder wer sie haben will u. noch nicht hat, hier ist sie endlich. Ich bitte Dich sie mit vielen Grüßen zu übergeben. Ferner lasse ich freundlichst grüßen Dein Wible (wohl auch theilweise in guter Hoffnung), Mutter u. Goga, dann Sieberies, Oberhausers Wible's Geschwister, Rößlewirth's Dünser ect. Der Mutter zu schreiben finde ich überflüssig, weil den Brief statt ihr nur andere Leute lesen würden, anstattdessen lasse ich sie recht herzlich grüßen. Dem Thresele lasse ich auch mein Beileid ausdrücken, endlich kommt's an Dich selbst u. es sollen sich alle Diese Grüße auch auf Dich beziehen, damit ich sie nicht noch einmal schreiben muß, wofür Du mir am Ende vielleicht nicht einmal dankbar wärest. Wer Dir diesen Brief mit Wissen u. Willen geschrieben, magst Du aus der beiliegenden Fotografie entnehmen.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 22. März 1866

    Verehrtester Herr Hildebrand!

    Der 18 März, der Tag an dem ich Ihren so erfreulichen Brief erhielt ist einer der schönsten meines ganzen Lebens. Auch alle Folgenden würden Festtage für mich sein wenn es mir möglich wäre so viele Liebe, so herzliche Theilnahme zu ver­dienen.

    Leichter jedenfalls wird mir nun Alles werden, nachdem Sie mir so freundschaftlich die Hand reichten. Nicht etwa nur darüber freue ich mich, nun wieder eins der 935 Werkchen in die Welt schicken zu können; der schönste Erfolg meiner schwachen Versuche bleibt sicher Ihr freund­schaftlicher Brief.

    Und daß er von Norden kommt freut mich noch ganz be­sonders. Glauben Sie mir: Jubelnd reichen mit mir noch viele Vorarlberger Ihnen im Norden die Hand über alle Schlag­bäume hinüber. Schon bevor das Banknotenunwesen unser Völklein, das mit dem „Ausland" (Deutschland) lebhafter verkehrt als mit dem Kaiserstaat, arm und mißtrauisch machte, hieng der Bregenzerwälder mit Leib und Seele an Deutsch­land und es ist ihm fast unmöglich, gewisse Heldenthaten unserer Nachbarn der Tiroler, zu denen man uns so gerne zählt zu begreifen. -

    Doch für jetzt genug hievon, denn schon das Gesagte wird Sie mir glauben machen wie froh ich war, daß Sie nicht nach Wien zu schreiben brauchten, obwol ich die genannte Firma kenne und schätze.

    Meine Freude über Ihren Brief haben die Meinen und einige Freunde, biedere herzgute bregenzerwäldler Bauern und Handwerker, mit mir getheilt. Gelehrte und studirte Freunde hab ich nicht auser einem Bruder meiner Frau, einem Be­amten den ich vor 5 Jahren kennen lernte. Sonst hat sich niemand um mich gekümmert als meine Gegner; niemand hat mich geleitet, nachdem ich einmal den Pfarrer auslachte als der mich vor der Luft aus Norden warnte, „von der man so leicht den Schnupfen bekomme".

    Ich soll eben bei der Mistgabel bleiben, darüber sind unsere Studirten eins geworden, daher kommt auch der Schimpf­artikel über mein erstes Werk in der vorarlberger Landes­Zeitung, die Bauern sollen nicht auf mich hören; sie sollen überhaupt auf niemand hören!

    Ja das ist eben unser Elend, daß sie alle von Gottes und des apostolischen Stuhles Gnaden uns voneinander reißen, und diese auf künstliche Weise groß gezogene Selbstsucht, auf welche die Mächtigen ihre Paläste bauen das ists eben, was ich in den Sonderlingen darzustellen suche. Der Schauplatz meiner Darstellung ist ein ungemein enger, der Grundge­danke des Werkchens aber ein deutscher. Wir Wäldler leben ganz abgeschlossen von der Welt und Staat und Kirche suchen aus unseren gemeinsten Leidenschaften Vortheil zu ziehen. Ein Einzelner kann dagegen nichts ausrichten, vor allem muß im Bauer der Geist der Gemeinsamkeit, des deut­schen Genossenschaftswesens gewekt werden. Ich darf sagen, daß ich da für unser Ländchen schon manches gethan habe was auch anerkannt wird und nicht ganz fruchtlos bleiben zu sollen scheint. Obwol ich mich hauptsächlich mit der sg schönen Literatur beschäftige so bin ich doch überzeugt, daß es in Vorarlberg wenige gibt, die die Schriften der Schul­zeschen und Lassaleschen Richtung, die die von Liebig, Carey so fleißig lesen als ich. Auch ist meine kleine Bibliothek von einigen hundert Bänden Gemeingut der ganzen Gegend. Es freut mich immer Bücherfreunde zu finden und sie sind auch hier nicht so selten als man glaubt.

    Sie wünschen etwas von meinem Lebens- und Bildungsgang zu erfahren und ich bin froh, Ihnen wenigstens einen Wunsch erfüllen zu können. Später einmal gedenke ich meinen Le­benslauf kurz zu veröffentlichen; nicht weil ich mich selbst für bedeutend genug halte, aber dem Freunde unseres Länd­chens muß es lieb sein, Personen und Verhältnisse kennen zu lernen die auch mich erzogen oder sich auch mir feindlich gegenüber stellten.

    Das Glück und der Friede meiner ersten Lebensjahre wurde sogar dadurch nicht gestört, daß ein Artzt mich in betrunke­nem Zustand um das eine Auge brachte. Da kam das Jahr 48. Ich war damals 9. Jahre alt und hörte das erstemal von Mord und Krieg erzählen. Selbst mein Vater ein ächter Bauer, las jetzt eine Zeitung und mir wurde bald der wöchentlich ein­mal kommende Bothe wichtiger als die öbstlerin. Der Lärm verging bald - aber ich und der Vater waren nicht mehr die Alten. Wir hatten nun erfahren, daß hinterm Berge auch Leute wären. Halbe Nächte lasen wir um die Wette. Unsere Hausbibliothek enthielt eine 300jährige Legende, Leben und Thaten Schinderhannes, Genofeva und alte Kalender, wir entlehnten daher Altes und Neues, was wir nur auftreiben konnten.

    Wehmuthsvoll gedenke ich dieser schönen Abende, in denen wir die alten Heldensagen aus Volksbüchern mitsammen lasen bis die Mutter uns zu Bette schikte. Ach, sie waren bald vorüber; am 13 Februar 49 starb der Vater am Schlagfluß und wurde als Leiche heimgebracht. Nachher hab ich nie mehr mit Kindern gespielt. Ich blieb daheim half der Mutter arbei­ten, da unsere Mittel uns nicht erlaubten einen Knecht an­zustellen. Mein einziger Zeitvertreib war u blieb das Lesen. Ich habe nie eine andere Schule besucht als die zu Schop­pernau, wo der Lehrer damahls jährlich 70 Gulden „Lohn" erhielt und im Sommer als Maurer u Anstreicher im Schweise des Angesichts sein Brot verdiente. Im Jahre 53 erhielt ich eine Nummer des Dorfbarbirs um ein Stücklein Seife einzu­wikeln. Ich las das Blatt bestellte es und wurde dann auf die Gartenlaube verwiesen. Diese hat mir zuerst von unseren Dichtern und Denkern erzählt. Im Jahre 57 bekam ich Lust die damahls bei Kotta erscheinenden deutschen Klassiker zu bestellen. Das Geld dazu hab ich mir mit Holzziehen, Schin­delnmachen und als Ziegenfellhändler verdient. Aber je mehr ich nun lernte, desto weniger paßte es in die Welt in der ich leben mußte. O viel Kraft hab ich gebraucht zum Widerstand gegen die vom Pfarrer u Vorsteher wider mich gestimmte öffentliche Meinung. Viele meiner Mängel und Schwächen ließen sich mit meinen unglaublich ungünstigen Verhältnis­sen entschuldigen. Ich wurde verbittert; als ich im Jahre 50 zum erstenmal nach Lindau kam und nun wieder in die enge Heimath zurük sollte blickte ich wehmütig über den Boden­see und suchte mit - allerlei Gedanken die Stelle wo er am tiefsten sein mochte.

    Die Liebe hat mich gerettet und mit meinem Schiksal ver­söhnt.

    Ich lernte in Au ein Mädchen kennen, das von seinem Bruder mancherlei gelernt hatte, und das wie wenige fähig war mich zu verstehen und Freude u Leid mit mir zu theilen. Das Haus dieses Mädchens in dem noch 7 Geschwister lebten war der Sammelplatz aller jungen Leute. Man schwatzte und lachte, ich wurde ganz ein Anderer und lernte die wakern Wälder wieder schätzen und lieben.

    Ich fing an unsere Sprüchwörter und Redensarten zu sam­meln. Ich schrieb ein kleines Wörterbuch und staunte dabei selbst über den Reichthum unserer Mundart, ich dichtete einige „Volkslieder" die jetzt hie und da gesungen werden, und meine Heimath wurde mir immer lieber. Das Schwarzo­kaspale schrieb ich wie vieles andere nicht zum Zwek der Veröffentlichung, erst der Bruder meiner Frau hat mir Muth dazu gemacht.

    Seitdem lese ich so viel mir Zeit und Geldmittel erlauben. Hier muß ich leider sogar die Zeitungen alle selbst anschaf­fen, da mir unsere billigen Blätter das nicht bringen was ich vor allem wünsche. Die Augsburger Allgemeine halte ich. mit einem Wirthe in Bezau, die Blätter f. literarische Unterhaltung, Roman-Zeitung uswaber muß ich alein halten. Beim Be­stellen neuer Bücher bin ich sehr vorsichtig, da ich nur zu oft nicht das darin fand was ein Recensent versprach.. Freitags Verlerne Handschrift aber war mir, wie Sie nach dem eben Erzählten glauben werden, sehr interessant. Jetzt beziehe ich die ausländischen Klassiker (von Meier) da ich sie leider nur in Übersetzungen lesen kann.

    Doch ich habe vielleicht schon zu lange von mir selbst ge­redet. Sie werden nun begreifen wie sehr Ihr Brief mich freuen mußte und wie herzlich ich es bedaure, dafür gar nichts zu haben als den Wunsch, daß Ihnen doch recht viele so schöne Tage werden mögen wie mir der war an dem ich ihn erhielt.

    Die Ludmilla Korber in Feldkirch hat seit damahls viel Kum­mer erleben müssen. Jetzt ist sie Kammerfräulein bei Hrn Ganahl in Feldkirch im letzten Sommer war sie hier und wir haben von Ihnen geredet. Gewiß wird Ihr Gruß sie herzlich freuen.

    Daß das Wirthshaus in Schröcken, so wie auch die Kirche und die danebenstehenden Gebäude am 28 August 1863 abge­brannt sind werden Sie wol gehört haben. Jetzt steht ein anständiger Gasthof dort und wenn Sie mir noch einmal die Freude machen wollten mich zu besuchen so würde ich Sie dorthin begleiten und Ihnen dann recht viel von meiner lie­ben Heimath erzählen.

    Mit den „Sonderlingen" hoffe ich bis in 6-8 Wochen fertig zu werden. Das Ganze ist jetzt ausgearbeitet und hat mir schon manche frohe Stunde gemacht. Was andere dazu sagen werden weis ich nicht. Einzelne Kapitel hab ich einer ein­fachen, herzguten Familie, die nach meiner Ansicht unser ganzes Volk würdig repräsentirt, vorgelesen, den Eindruck auf diese reinen Gemüther beobachtet und doch nichts ge­ändert. Auch mit dem Nümmamüller hab ichs zuweilen so gemacht.

    Entschuldigen Sie den durch Sie so Glücklichen daß er es schon wieder wagte Ihre kostbare Zeit für sich in Anspruch zu nehmen.

    Ihnen recht herzlich dankend verbleibe ich hochachtungsvoll

    Ihr ergebener Franz M Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • 14. März 1866

    Lieber Freund!

    Anliegend sende ich Dir die 25 FI.Ö.W., die ich deshalb nicht früher von Stapel ließ, weil ich sie gerade nicht hatte. Die Isabella scheint gern bei uns zu sein und zeigt bis nun Fleiß und guten Willen genug. Wir hoffen, daß sie vollkommen entsprechen wird. Bei der Theres hat sie sich schon deshalb gut angeschrieben, weil ihr ihr gutmütig naives Wäldertum viel zu lachen gibt. - Es freut mich, daß Du die Idee unsers Milch-, resp. Käshandelsprojektes unter die Leute geworfen hast. Was mir der Bruder Pius über die Meinungen der Bauern sagte, berechtigt zu der Hoffnung, daß die Sache durch­führbar wäre. Die Bauern finden ganz richtig den schwierig­sten Punkt in der Personenfrage. Wer ist zum Verkauf der Ware, zur Buchführung und zum Inkasso zu entsenden? Bei der Schwierigkeit und Kostspieligkeit einer Kontrolle und nach dem Charakter der Wälder würde der ganze Geschäfts­gang von den betreffenden Personalien abhängig werden. Wie wenig aber der Wald, und namentlich der hintere, in letzter Zeit für Entwicklung charakterfester, tüchtiger Leute getan hat, weiß man. Die Bauern finden richtig, daß niemand da sei, den man nach Wien schicken könnte. In Wien und eigentlich überall wird ungemein viel Humbug getrieben, und es braucht Verstand und Witz, daß man die Ware gut an­bringt und an die rechten Leute. Daß z. B. auch das Rätzle viel verloren hat, weil es die Ware nicht immer an die rechten Leute brachte, ist bekannt und ebenso, daß der Engelwirt Greber deshalb in Konkurs gekommen ist. Unsere Handels­gesellschaft müßte als solche sich auch eine Firma geben und beim Handelsgericht auch einprotokollieren lassen, denn nur so würde sie der Vorteile des Handelsrechtes teilhaftig, die so wichtig sind, daß ich glaube, ohne dieselben könnte unser Geschäft gar nicht florieren. Callus Moosbrugger etc.comp. und das Rätzle sind auch protokollierte Handelsleute. Unsere Geschäftsführer müßten nun unbedingt die Handelsgebräuche und das Handelsgeschäft überhaupt kennen, sowie auch vom Handels- und Wechselrecht und von den Gesetzen überhaupt einige Kenntnis haben, sonst werden sie jeden Augenblick übern Löffel barbiert. Also nach meiner Ansicht müßte man vor allem über die Personenfrage nachdenken. Mit dem Rätzle wird kaum mehr etwas anzufangen sein, und mir wäre es eigentlich nie um das Rätzle, sondern nur um seine guten Kunden zu tun gewesen. -

    Ich höre, Du habest Dich auf der Kanzel „Ketzer" schimpfen lassen, ohne gerichtlich aufzutreten. Alles in der Welt hat Grenzen, und der Mensch hat Verstand und Vernunft und dazu ein gewisses Maß von Kräften, um die von Gott und Natur gesetzten Grenzen zu erkennen, zu respektieren und andere respektieren zu machen. Was nützt es Dich und die Gesellschaft, wenn Du die fraglichen Grenzen achtest, aber müßig zusiehst, wenn Deine Umgebung sie frei verletzt! Jedenfalls sind dann die Grenzen verletzt und das Maß Deiner Schuld hieran (man hat die Kräfte nicht, um sie so zu haben, als hätte man sie nicht) bleibt ungemessen. Da ist der Schröcker Wirt ein anderer Mann, der den Kaplan abbitten und zahlen machte. ­Übrigens mit freundlichstem Gruß Dein Freund

    K. Moosbrugger

     

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 13. März 1866

    Lieber Schwager!

    Weil mihr die Feldkircher Zeitung so gleichgültig kommt, so möchte ich Dich ersuchen, sogleich an die Redackzion zu schreiben. Denn die Nummern 15. u. 16. im Februar hab ich noch gar nicht bekommen. Nr. 17 hab ich dann wieder zur rechten Zeit erhalten, aber im März hab ich noch gar keine erhalten, wo ich doch schon wieder 2 N haben sollte. Sie gefällt mihr sonst gut, aber wann ich sie nicht bekomme, so will ich mir bestellen, wo ich ums Geld bekomm. Ich glaube aber es fehle bei der Post zur Stuben, da man sie dort nicht vorwärts schickd, sondern an Lech, u. dort bleibt sie filleicht ligen.

    Übrigens ist bei mihr alles gesund, u. geht bies dato ganz gut, u. bin gerne hier, denn ich hab zur Unterhaltung Arbeit genug, Schmalz, u. Brod u. Schottengsig, Fleisch u. Weißbrod bodofiel. Denn mein Weib kann ganz gutes Weißbrod baken.

    Mann kann auf der Welt überall leben, wann man zu essen u. Häs hat u. mehr hat der Pabst nicht. Es grüßt Dich u. Dein Weible:

    Joh. Jakob Moosbrugger

    Johann Jakob Moosbrugger
    Warth
    Franz Michael Felder
  • 11. März 1866

    Werthester Herr Felder,

    Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir schenken, es macht mir große Freude, ist es ja eins der wohlthuendsten Gefühle die die Erde bietet, sich das Vertrauen eines Ändern zu verdienen. Es ist auch bei mir nicht an den Unrechten gekommen, ja ich kann noch mehr sagen, obwol Sie es wohl nicht recht begreifen werden: Ihr Brief hat mir den Tag, als er anlangte, zu einem wahren innerlichen Festtage gemacht, und wie meine Familie, so müssen auch alle meine Freunde und Bekannten meine Freude theilen - sie kennen Sie näm­lich durch mich schon aus Ihrem Schwarzokaspale, und wer das Buch noch nicht kennt, dem geb ichs nun zu lesen. Doch zur Hauptsache. Ich war nach Lesung Ihres Briefes ent­schlossen, für Ihre Sonderlinge alle Mittel anzuwenden die mir etwa zu Gebote stünden, um Ihnen einen namhaften Verleger zu verschaffen. Ich entwarf meinen Feldzugsplan, der vermöge verscbiedner freundschaftlicher Verhältnisse mehrere angesehene Firmen ins Auge fassen konnte, auch eine in Wien (Braumüller), die Ihnen als Ostreich. Landeskind vielleicht die angenehmste gewesen wäre? Aber bequemer hatte ichs freilich hier in Leipzig, und da ist mir denn auch gleich der erste Angriff über Erwartung geglückt, nämlich bei meinem eignen Verleger, S. Hirzel, der für neue Bücher und Autoren im allgemeinen sehr schwer zugänglich ist, wie ich selbst schon erfahren habe. Ich bat ihn darum auch nicht um den Verlag, ich erzählte ihm nur meine Bekanntschaft mit Ihnen und was ich von Ihnen wußte und las ihm dann Ihren Brief vor - da erbot er sich selbst, Ihr neues Buch zu druk­ken, als ich vom Suchen eines Verlegers sprach und den Dichter Scheffel erwähnte, mit dem ich vorigen Herbst in Heidelberg Bekanntschaft gemacht habe und dem ich da Ihr Schwarzokaspale zu lesen und zu prüfen dringend empfahl; ich dachte mich nun an ihn zu wenden und ihn um seine Verwendung bei seinem Verleger zu bitten. Aber Hirzel lehnte das als unnöthig ab und bot sich wie gesagt selbst zum Verlag an - freilich, wie Sie begreifen werden, mit der Bedingung, daß er erst das fertige Werk sieht und sich die endgültige Entscheidung vorbehält nach eigner Einsicht ins Manuscript.

    Wenn es Hirzel nimmt, und ich zweifle kaum daran, wenn Ihre Sonderlinge dieselben Vorzüge zeigen wie Ihr erstes Buch, zumal an einen noch tieferen und bedeutenderen Stoff gewendet, so haben Sie allen Grund sich zu freuen. Denn die Firma S. Hirzel ist eine der angesehensten in ganz Deutschland, die sonst bloß wissenschaftliche Literatur wo möglich ersten Ranges druckt, schöne Literatur nur in streng­ster Auswahl. Gustav Freytags Sachen sind in Hirzels Verlag. Haben Sie unter den vielen Ihnen theuren Schriftstellern in Leipzig, die Sie zu grüßen bitten, Freytag mit gemeint? Ich bin selbst mit ihm gut bekannt, ja befreundet, und werde ihn nächster Tage examiniren, ob er Ihr Schwarzokaspale kennt oder nicht; sein Urtheil ist ein entschiedenes, aber durchaus menschenfreundlich, und ich bin neugierig darauf. Auch Hr. Dr. Hirzel (er ist kürzlich von unserer philosoph. Facultät zum Dr. phil. gemacht worden für seine Verdienste um die Goetheliteratur) kannte Ihr Buch noch nicht, ich habe es ihm nun gegeben, und er hat es zuerst seiner Frau ge­geben, die ganz dazu geschaffen ist, die eigenthümlichen Vorzüge Ihrer Dichtung zu empfinden und zu würdigen, eine einfach sinnige Natur, obwol eine geborene Berlinerin - nun ist sie gerade jetzt Patientin in Folge eines Armbruches, aber gerade da ist man offener als sonst für das einfach Ächte wie es Ihr Schwarzokaspale bietet, weil in jeder Krankheit die Seele wieder in sich selbst einkehrt. Was übrigens Hirzels an Ihrem Buche auch ansprechen wird, das ist das Aleman­nische darin, die Anklänge an die Schweiz, weil Hr. Hirzel selbst Schweizer ist, aus Zürich.

    Auch mir war an Ihrem Buche besonders anziehend, ja hoch erfreulich die alemannisch alterthümliche Luft die darin weht, Ihr ganzes Ländchen ist für uns deutsche Alterthumsfreunde eine Fundgrube zur besseren Erkenntniß unserer Vorzeit, das hab [ich] in den paar Tagen deutlich empfunden, die ich dort zugebracht habe und die ich zu den angenehmsten rechnen muß die ich je verlebt habe. Ich empfand dort als Deutscher eine tiefinnere Befriedigung, wie selten, fand die­selbe Befriedigung in Ihrem Buche wieder, nur noch, vertieft und geklärt, und so ist mirs doppelt angenehm, mit Ihnen als dem rechten Ausleger vom Werthe Ihrer Heimat in nähere Beziehung zu treten - vielleicht verstehen Sie nun meine oben erwähnte Freude an Ihrem Briefe schon besser.

    Aber noch ein Punkt ist, den ich Ihnen gleich klar machen kann. Was Sie von der Stellung des Bauernstandes der Bil­dung gegenüber sagen, ja das ist eine brennende Frage für die Entwickelung unserer Zukunft, und sie liegt mir nahe am Herzen; der große Riß zwischen Studirt und Unstudirt, zwi­schen Gebildet und Ungebildet muß bis auf einen gewissen Grad aufgehoben werden (wie er es in gewissem Sinne in Amerika schon ist); wir die Studirten brauchen Sie, die Leute aus dem Volke, zur Erneuerung unseres Seelenblutes, und zur nationalen Wiedergeburt, das ist ein Grundgedanke mei­nes ganzen Denkens und Strebens, und mit einem Bauer wie Sie sind befreundet zu werden, macht mir die Berührung mit Ihnen dreifach lieb, zumal wo es sich wie hier darum handelt, das lange entfremdete Süddeutschland, das wir alle so lieb haben, für das Deuschland der Zukunft voll und ganz wiederzugewinnen.

    Aber ich verlaufe mich zu weit ins Blaue. Sie haben sich krank gearbeitet? um Gottes Willen thun Sie das nicht wie­der, und was das Nachholen für Ihr Wissen betrifft, das über­eilen Sie um Gottes Willen nicht, thun Sies wo möglich nie so, daß Sie sich davon angestrengt fühlen, daß darüber die innere Stimme Ihrer Naturfrische zu schweigen anfängt. Ich möchte schon über Ihre Lectüre genauer unterrichtet sein, man begreift nicht wie Sies unter Ihren Verhältnissen zu die­ser Bildung gebracht haben.

    Doch genug für heute, grüßen Sie mir doch die Wirthsleute in der Au, wenn sie sich meiner erinnern; was macht denn unsre Sängerin von damals, Frl. Korber aus Feldkirch? Nun,  liebes tapfres Bregenzerwälder  Bäuerlein,  ich  drücke Ihnen im Geiste die Hand mit aller Hochachtung

    Dr. R. Hildebrand.

    Meine Adr. ist: Leipzig, Windmühlenstr. Nr. 29.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 11. März 1866

    Werthester Herr Felder,

    Ich danke Ihnen für das Vertrauen, das Sie mir schenken, es macht mir große Freude, ist es ja eins der wohlthuendsten Gefühle die die Erde bietet, sich das Vertrauen eines Ändern zu verdienen. Es ist auch bei mir nicht an den Unrechten gekommen, ja ich kann noch mehr sagen, obwol Sie es wohl nicht recht begreifen werden: Ihr Brief hat mir den Tag, als er anlangte, zu einem wahren innerlichen Festtage gemacht, und wie meine Familie, so müssen auch alle meine Freunde und Bekannten meine Freude theilen - sie kennen Sie näm­lich durch mich schon aus Ihrem Schwarzokaspale, und wer das Buch noch nicht kennt, dem geb ichs nun zu lesen. Doch zur Hauptsache. Ich war nach Lesung Ihres Briefes ent­schlossen, für Ihre Sonderlinge alle Mittel anzuwenden die mir etwa zu Gebote stünden, um Ihnen einen namhaften Verleger zu verschaffen. Ich entwarf meinen Feldzugsplan, der vermöge verscbiedner freundschaftlicher Verhältnisse mehrere angesehene Firmen ins Auge fassen konnte, auch eine in Wien (Braumüller), die Ihnen als Ostreich. Landeskind vielleicht die angenehmste gewesen wäre? Aber bequemer hatte ichs freilich hier in Leipzig, und da ist mir denn auch gleich der erste Angriff über Erwartung geglückt, nämlich bei meinem eignen Verleger, S. Hirzel, der für neue Bücher und Autoren im allgemeinen sehr schwer zugänglich ist, wie ich selbst schon erfahren habe. Ich bat ihn darum auch nicht um den Verlag, ich erzählte ihm nur meine Bekanntschaft mit Ihnen und was ich von Ihnen wußte und las ihm dann Ihren Brief vor - da erbot er sich selbst, Ihr neues Buch zu druk­ken, als ich vom Suchen eines Verlegers sprach und den Dichter Scheffel erwähnte, mit dem ich vorigen Herbst in Heidelberg Bekanntschaft gemacht habe und dem ich da Ihr Schwarzokaspale zu lesen und zu prüfen dringend empfahl; ich dachte mich nun an ihn zu wenden und ihn um seine Verwendung bei seinem Verleger zu bitten. Aber Hirzel lehnte das als unnöthig ab und bot sich wie gesagt selbst zum Verlag an - freilich, wie Sie begreifen werden, mit der Bedingung, daß er erst das fertige Werk sieht und sich die endgültige Entscheidung vorbehält nach eigner Einsicht ins Manuscript.

    Wenn es Hirzel nimmt, und ich zweifle kaum daran, wenn Ihre Sonderlinge dieselben Vorzüge zeigen wie Ihr erstes Buch, zumal an einen noch tieferen und bedeutenderen Stoff gewendet, so haben Sie allen Grund sich zu freuen. Denn die Firma S. Hirzel ist eine der angesehensten in ganz Deutschland, die sonst bloß wissenschaftliche Literatur wo möglich ersten Ranges druckt, schöne Literatur nur in streng­ster Auswahl. Gustav Freytags Sachen sind in Hirzels Verlag. Haben Sie unter den vielen Ihnen theuren Schriftstellern in Leipzig, die Sie zu grüßen bitten, Freytag mit gemeint? Ich bin selbst mit ihm gut bekannt, ja befreundet, und werde ihn nächster Tage examiniren, ob er Ihr Schwarzokaspale kennt oder nicht; sein Urtheil ist ein entschiedenes, aber durchaus menschenfreundlich, und ich bin neugierig darauf. Auch Hr. Dr. Hirzel (er ist kürzlich von unserer philosoph. Facultät zum Dr. phil. gemacht worden für seine Verdienste um die Goetheliteratur) kannte Ihr Buch noch nicht, ich habe es ihm nun gegeben, und er hat es zuerst seiner Frau ge­geben, die ganz dazu geschaffen ist, die eigenthümlichen Vorzüge Ihrer Dichtung zu empfinden und zu würdigen, eine einfach sinnige Natur, obwol eine geborene Berlinerin - nun ist sie gerade jetzt Patientin in Folge eines Armbruches, aber gerade da ist man offener als sonst für das einfach Ächte wie es Ihr Schwarzokaspale bietet, weil in jeder Krankheit die Seele wieder in sich selbst einkehrt. Was übrigens Hirzels an Ihrem Buche auch ansprechen wird, das ist das Aleman­nische darin, die Anklänge an die Schweiz, weil Hr. Hirzel selbst Schweizer ist, aus Zürich.

    Auch mir war an Ihrem Buche besonders anziehend, ja hoch erfreulich die alemannisch alterthümliche Luft die darin weht, Ihr ganzes Ländchen ist für uns deutsche Alterthumsfreunde eine Fundgrube zur besseren Erkenntniß unserer Vorzeit, das hab [ich] in den paar Tagen deutlich empfunden, die ich dort zugebracht habe und die ich zu den angenehmsten rechnen muß die ich je verlebt habe. Ich empfand dort als Deutscher eine tiefinnere Befriedigung, wie selten, fand die­selbe Befriedigung in Ihrem Buche wieder, nur noch, vertieft und geklärt, und so ist mirs doppelt angenehm, mit Ihnen als dem rechten Ausleger vom Werthe Ihrer Heimat in nähere Beziehung zu treten - vielleicht verstehen Sie nun meine oben erwähnte Freude an Ihrem Briefe schon besser.

    Aber noch ein Punkt ist, den ich Ihnen gleich klar machen kann. Was Sie von der Stellung des Bauernstandes der Bil­dung gegenüber sagen, ja das ist eine brennende Frage für die Entwickelung unserer Zukunft, und sie liegt mir nahe am Herzen; der große Riß zwischen Studirt und Unstudirt, zwi­schen Gebildet und Ungebildet muß bis auf einen gewissen Grad aufgehoben werden (wie er es in gewissem Sinne in Amerika schon ist); wir die Studirten brauchen Sie, die Leute aus dem Volke, zur Erneuerung unseres Seelenblutes, und zur nationalen Wiedergeburt, das ist ein Grundgedanke mei­nes ganzen Denkens und Strebens, und mit einem Bauer wie Sie sind befreundet zu werden, macht mir die Berührung mit Ihnen dreifach lieb, zumal wo es sich wie hier darum handelt, das lange entfremdete Süddeutschland, das wir alle so lieb haben, für das Deuschland der Zukunft voll und ganz wiederzugewinnen.

    Aber ich verlaufe mich zu weit ins Blaue. Sie haben sich krank gearbeitet? um Gottes Willen thun Sie das nicht wie­der, und was das Nachholen für Ihr Wissen betrifft, das über­eilen Sie um Gottes Willen nicht, thun Sies wo möglich nie so, daß Sie sich davon angestrengt fühlen, daß darüber die innere Stimme Ihrer Naturfrische zu schweigen anfängt. Ich möchte schon über Ihre Lectüre genauer unterrichtet sein, man begreift nicht wie Sies unter Ihren Verhältnissen zu die­ser Bildung gebracht haben.

    Doch genug für heute, grüßen Sie mir doch die Wirthsleute in der Au, wenn sie sich meiner erinnern; was macht denn unsre Sängerin von damals, Frl. Korber aus Feldkirch? Nun,  liebes tapfres Bregenzerwälder  Bäuerlein,  ich  drücke Ihnen im Geiste die Hand mit aller Hochachtung

    Dr. R. Hildebrand.

    Meine Adr. ist: Leipzig, Windmühlenstr. Nr. 29.

    Rudolf Hildebrand
    Leipzig
    Franz Michael Felder
  • 8. März 1866

    Lieber Freund!

    Hiemit übersende ich Dir die Isabell, ein Mädchen, aus dem was Ordentliches werden kann. Jochum-Verstand und Wäld­lergemüt hat sich in ihr zusammen gefunden. Ich würde be­dauern, wenn Ihr nicht mit ihr zufrieden sein solltet, und da mir das Los der Armen, die ihr alles mitbringt, nahe geht, so bitte ich, mir hierüber recht bald Auskunft zu geben. Warum Du die Marie hinaufgeladen, glaub ich zu erraten, aber das geht nicht! Eher ginge etwas anderes - doch davon später.

    Gern war ich selbst gekommen, und mehr gewiß als Ihr bedaure ich, daß mir das jetzt nicht möglich:

    1.            Viel Arbeit im Stall

    2.            In der Schreibstube

    3.            Im Feld

    4.            Zweifelhaftes Wetter

    5.            Schlechter Weg, den ich

    6.            nur einmal gegangen, als der Nebel

    7.            so dicht lag, daß ich nichts von der Gegend sah.

    Doch genug, das alles wird anders und einmal müßt Ihr mich, [und] wenn Ihr über sieben Berge ziehen würdet, [bei Euch auftauchen sehen].

    Die Isabell hatte schon einen Dienst, aber sie hofft, bei Euch viel zu lernen und lang bleiben zu können. Am guten Willen fehlt es gewiß nicht.

    Auf meine brieflichen Fragen erhoffe und erwarte ich brief­liche Antwort. Den Julian Schmidt kannst Du herunter­schicken, wenn Du ihn nicht mehr brauchst. Der Artikel in der Feldkircher Zeitung scheint mir von J. A. Simma. Wunder­lich ist er zum Schlüsse genug, warum erwähnt er nicht lieber die Schilderung des Heuziehens? Doch genug! Ich weiß nicht, ob ich Dir [den] Sozialdemokrat schicken soll. Hast Du die Volkswirtschaftslehre von Carey noch nicht bestellt?

    Heut war ich schon auf dem Weg zu Dir. Ich möchte gern eine Zeitlang plaudern, aber im Schnee zu Grunde gehen wie unsere Vetter - nein, ich will  noch  länger leben  und verbleibe Dein lebenslustiger Freund

    F. M. Felder

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. März 1866

    Verehrtester Herr Hildebrand!

    Schon oft gedachte das Bregenzerwälder-Bäuerlein der schö­nen Stunde, in der es das Glück hatte Sie in Au anzutreffen, doch würde es wol nie gewagt haben, sich brieflich an Sie zu wenden, hätte nicht Ihre gütige Zusendung vom Juli v. J. ihm Muth gemacht, ja es aufgefordert, Ihnen für diesen wer­then Beweis Ihrer Theilnahme recht herzlich zu danken. Ich arbeitete nun auch mit mehr Lust als vorher. Ich benützte jeden Augenblick, den mir die Feldarbeit frei ließ, für meine Lieblingsbeschäftigung. Ich wünschte mit meinem Bregenzer­wälder Lebens- und Charakterbild aus neuester Zeit recht bald fertig zu werden, um Ihnen dasselbe mit der Antwort zu übersenden.

    Villeicht hab ich mich zu sehr angestrengt, habe dem von der Bauernarbeit ermüdeten Körper zu wenig Ruhe gegönnt. - Ich wurde krank und meine Feder blieb länger als ein Vier­teljahr unberührt liegen.

    Jetzt, während es draußen stürmt und tost, sucht sich jeder auf seine Weise die Zeit zu verkürzen. Jetzt kann ich zuwei­len ganze Tage am Schreibtische sitzen, und da erwacht dann wieder der alte Wunsch, der Welt ein Wenig von meiner lie­ben Heimath zu erzählen.

    In der hiesigen Schule erhielt ich vor 14 Jahren erbärmlich Ohrfeigen, weil ich regelmäßig eine „Schoppernauer Schul­zeitung" schrieb, die denn zuweilen im halben Dorf herum­kam doch auch das hat mich nicht heilen können von mei­ner „wunderlichen Sucht", jetzt, nachdem die „Blätter für lit. Unterhaltung]" den Wunsch aussprachen, daß ich auf dem glücklich betrettenen Wege tüchtig vorwärts schreiten und noch öfter mit Nachrichten erfreuen möge, hab ich erst recht zu lernen, zu arbeiten und zu erleben angefangen.

    Gerne wollte ich Ihnen den Inhalt der Erzählung „Sonder­linge" kurz mittheilen, aber wie einfach das Ganze auch ist, es wäre doch nicht möglich, einen Abriß davon zu geben ohne Ihre kostbare Zeit allzusehr in Anspruch zu nehmen. Mit dem Schwarzokaspale hat dieses Werk sehr wenig Ähn­lichkeit, und doch könnte man es in gewissem Sinn eine Fortsetzung des Ersteren nennen: dort sehen wir einen armen Burschen emporkommen, hier haben wir einen Emporgekom­menen, der nun Fortschritt und Freiheit predigt: einen s g Freimaurer, der „schlechte Grundsätze" aus der bösen Welt hereinbrachte und sich nun bei den altgläubigen Ärmeren sowohl als bei den besitzstolzen Reichen verfeindet macht.

    Die Wege in unser abgeschlossenes Thal werden von Jahr zu Jahr besser; immer näher heran braust das Dampfroß und immer lauter klopft der Zeitgeist an. „Herein" rufen einige, „draußen bleiben" schreien viele. Der Geist scheint sich dann auf Augenblicke zu entfernen, der alte Friede aber kehrt nicht mehr zurück. Was einmal in der Luft ligt findet seinen Weg auch über die Berge.

    Die Hauptpersonen meiner Erzählung sind keine Dorfge­schichthelden, keine Tolpatsche und keine Luziane (Auer­bach) sondern es sind ganze Gemüthsmenschen oder kluge Köpfe die mit Gott und der Welt handeln und schachern. Und warum nicht? Der Pfarrer kennt seine Leute und richtet seinen Unterricht für sie zurecht, wobei es ihm dann freilich zuweilen passirt, daß er durch Beizebub den Teufel austrei­ben will.

    Ich habe nicht Lust, Herrn Stettner in Lindau das Werkchen zur Prüfung zu übersenden - und Herr Stettner - dessen Kundschaft größtentheils aus katholischen Geistlichen be­steht - würde schwerlich geneigt sein ein Werk zu verlegen, welches unser Völklein nicht nur im Prozessionsschmuck, sondern auch in seiner Alltäglichkeit darstellt und errathen läßt, warum der so talentvolle Bregenzerwälder bei Weitem nicht das wird, wo zu er das Zeug hätte.

    Ihre werthe Zusendung hat mir den Muth gegeben, mich vertrauensvoll an Sie zu wenden mit der Bitte: Wenn Sie glauben sollten, daß meine Arbeit es verdient, mir, dem Nahmen- und Freundlosen zu rathen und zu helfen. Wohl kenne ich den Nahmen manches tüchtigen Verlegers, aber ich fürchte daß z. B. Herr E. Brockhaus in Leipzig u A die Ar­beit des Bäuerleins ungeprüft zurükschiken würden. Ich lebe recht glücklich als Bauer, und nur das ärgert mich, daß wenig­stens hier herum der Bauer gar keinen Theil haben soll an den Errungenschaften der Civilisation, daß er überall schon zum Voraus abgewiesen wird. Oft hat mich das so geärgert, daß ich selbst kaum begreife, warum die schrundenvolle ar­beitsmüde Hand nicht schon längst Buch und Feder wegwarf. Doch das geht mir nicht so leicht als vielen meiner Lands­leute! Wem sollte ich hier meine Gedanken mittheilen als meiner lieben Frau und dem Papir.

    Welchen Werth mein neues Werk als Dichtung hat, können Andere besser beurtheilen, ich glaube es einen nicht ganz werthlosen Beitrag zur deutschen Völkerkunde nennen zu dürfen.

    Bis ersten Maj hoffe ich mit der Ausarbeitung und Abschrift des 2 ten Theils fertig zu werden, und wäre dann glücklich wenn das Ganze von einem Fachmann geprüft würde. Ich wagte es, mich an Sie zu wenden, weil ich überzeugt bin, daß Sie etwas für mich thun werden, wenn es möglich ist. Eine Antwort von Ihnen würde mich sehr glüklich machen. Auch dann wenn Sie dem Bäuerlein zurufen sollten: Schuster bleib beim Leisten.

    Der von Glück und Freunden Umgebene ahnt nicht, wie gern unser Einer die Hand erfaßte, die sich ihm freundschaftlich entgegenstrekt, doch Sie werden meine Kühnheit entschul­digen und werden mir wenigstens rathen, wenn ich Ihre Hülfe nicht verdienen sollte.

    Doch ich habe schon zu lange Ihre theure Zeit in Anspruch genommen!

    Mit den herzlichsten Grüßen an Sie-und-wage ich beizu-, setzen, an die vielen mir Theuren in Leipzig die ich aus ihren Schriften kennen und schätzen lernte Hochachtungsvoll ergebenst Ihr

    um Antwort bittender

    Adresse    Franz M. Felder

    in Schoppernau

    Post Bezau

    Vorarlberg.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Rudolf Hildebrand
  • Datum unbekannt
    2. März 1866

    Werthester Herr Fetter!

    Meinem Versprechen treu, schreibe ich Dier einige Zeilen, von meinem neuen Aufenthalt. Im Monath Juni d.J. verliß ich Bordeaux um nach Arcachon zu gehen, wo ich ein kleines mag[as]in gelehnt habe, u. nun bin ich hier am grossen Welt­mer u. betracht hie u. da die Wellen. Unwillkürlich fält mir heufig der Gedanke ein, ob nicht eine, oder die andere mier etwas neues bringen wirt. Bereits 2 Jahre sind dahin, ohne daß ich nichts mehr von meiner Heimat hörte. Herrn Vetter Hans sehe ich sehr rar, u. somit bin ich mit den Neuigkeiten sehr schlecht versehen. Ich bitte Dich daher, gutes Vetter­chen, mir zu sagen wie Du Dich befindest, Deine Frau u. Deine Mutter. Sage mir auch wie sich meine Schwester befin­det u. was mein Vater u. meine Stifmutter macht. Was meine Schwester anbelangt, kannst Du ihr sagen, daß ich sehr Wun­derlich bin, warum Sie mir niemahls die Ehre machte, mir nur ein par Zeilen zu schreiben, solte ich derselben unwürdig sein so werde ich auch in Zukunp[f]t mein papir nicht umsonst verschmiren, denn wie es mier scheint, währe für meine Älter u. Geschwister Ein Totenschein die Erfreulichste nachricht. Bereits wahr ich entschlossen im Monath November nach Hause zu gehen, u. diese langen Gesichter zu betrachten, aber der fürchterliche Gedanke, von den meinen mich ver­achtet zu sehen kehrte mich von meinem Entschluße ab. Ich habe du reste alles dieses bei seite gelegt, u. bin entschlos­sen Alein zu leben, u. mich nicht mit unützen Sachen zu quä­len. Wann Du die Zeit hast schreibe mier wie es trotzdemm aussieht u. ich werde Dich anhöhren. Je me port tres bien et ma petit ferne aussi. Es grüßt Dich Vielmahl Dein Vetter

    Seppel

    mein adress Monsieur Felder horloger Arcachon Gironde

    Johann Josef Felder
    Arcachon
    Franz Michael Felder
  • 2. März 1866

    Geehrtester Herr Felder!

    Wie soll ich mich Ihnen als Unbekannter vorstellen? Aus Bezau gebürtig lebte ich bis zu meinem eilften Jahr daselbst u. auf den Alpen, machte dann das Gymnasium durch, u. stu­dierte hierauf Philologie, wurde Professor in Feldkirch, u. nach der Ankunft der Jesuiten dasselbe hier in Teschen. Das wäre also ungefähr die Legitimation, die mich bei Ihnen accreditieren dürfte. Daß Sie, geehrter Herr Felder, mir wohl bekannt sind, können Sie sich leicht vorstellen. Denn wel­chem gebildeten Bregenzerwälder möchte wohl Ihr sehr interessantes, den Charakter der Bregenzerwälder so fein zeichnendes Lebensbild unbekannt geblieben sein? Ich kann in jeder Hinsicht das Urteil des Hr. Custos Bergmann unter­schreiben. - Und nun hoffentlich] sind wir einander bekannt. Ich bemerke nur noch, daß ich mich aus Liebhaberei sehr viel mit deutscher Litteratur befasse, und nahe mich aus diesem letztern Grunde Ihnen mit einer innigen Bitte. Ich war nämlich von meinem 5-11 Jahre auf den Alpen (auch 1 Jahr auf der Schiedel ober Hopfreben) u. merkte mir die von den Knechten erzählten Geister- und Hexensagen. Ich schrieb mir später alle auf u. wäre willens, dieselben einmal an den Mann zu bringen. Ich fürchte jedoch, daß mir noch viele solcher Sagen, die im innern Walde Gang u. Gäbe sind, fehlen und erlaube mir daher an Sie, Geehrtester Herr Felder, der Sie die Sitten, Anschauungen u. Sagen unseres Volkes so genau ken­nen, die dringende Bitte, alle jene Sagen, deren Richtung ich bezeichnet habe, in möglichster Kürze u. in unserem Dialekte und wenn möglich mit Angabe des Ortes wo sie spielen, auf­zuzeichnen u. mir gefälligst zuzusenden. Sollten Sie mir meine Bitte bald erfüllen, so würde ich sie zu einem Gymnas. Programm noch in diesem Schuljahr verarbeiten. Jedenfalls bitte ich Sie um eine baldige Antwort, u. daß Sie sich die Arbeit nicht schwer machen. Ich bin überzeugt, daß Ihnen solche Sagen bekannt sind, u. nur um diese bitte ich Sie. In der Vakanz werde ich Sie besuchen. Indem ich Sie um Ver­gebung bitte, Sie mit obiger Bitte belästiget zu haben, habe ich die Ehre zu sein Ihr ergebener

    Josef Eise n so h n Hr. Pfarrer G. Rüscher kennt mich gut u. ich bitte Sie, mir denselben zu grüßen.

    Josef Elsensohn
    Franz Michael Felder
  • 2. März 1866

    Lieber Freund!

    Theresens Briefchen hab ich vorgestern erhalten und sogleich mich daran gemacht, ihren Wunsch zu erfüllen. Ihre künftige Magd ist das Mädchen, von dem ich Dir erzählte. Ich schwankte zwischen dem und einem andren Mädchen, wel­ches schon zwei Jahre im Rößle dient. Ich habe das Meine getan und der Zufall hat entschieden!

    Die Isabell ist 15 Jahre alt und fast so groß als ich; denke aber nicht an ein Mannweib! Sollte Dir ihr stilles, für ihr Alter ernstes Wesen auffallen, so muß ich Dich zum voraus an ihre freudearmen Kinderjahre erinnern. Seid Ihr ihr Vater und Mutter, denn ihre Mutter ist tot, ihr Vater - doch sie wird nicht gern davon reden - also ihr Vater ist ein Mensch, dem man das Kind nicht zu sich ins Armenhaus nach Seh rocken lassen würde, wenn es auch möchte. Ihre 4 Ge­schwister sind da und dort. Doch genug von dem, daß das Mädchen Euch gefällt, daran zweifle ich nicht. Ich wüßte viel Gutes von der Isabell zu sagen, doch da ich oder sonst jemand, die noch kaum über Au hinaus Gekommene in etwa 8-10 Tagen bringt, so habt Ihr bald Gelegenheit, sie kennen­zulernen und mich zu loben.

    Meint aber ja nicht, daß sie bei dem alten blinden Weible alles habe lernen können, was sie nun können - sollte. Die Therese soll ordentlich zu  ihr sehen, soll der Verlassenen Freundin, Mutter werden oder Kreuzhimmeltausend!!! Bald mehr hievon, die Isabell hat gesagt, sie wolle selbst an die Frau schreiben und den Brief beilegen. Die liebe Käs- und  Kinderlehrgeschichte wird  noch  immer interessanter. Wie es hier jetzt ist und ähnliches werde ich Dir selbst berichten. Für heut nur so viel, geärgert hat mich's gar nicht, denn es war zu lächerlich. Ich wollte Dir die Geschichte des langen und breiten darstellen, aber sie kam mir bald so unbedeutend vor, daß ich mir keine Zeit mehr dazu nahm, weil ich doch lieber die Sonderlinge im Entwurf zu Ende bringen wollte, was nun geschehen ist. Bis im Mai oder Juni hoffe ich auch mit der verbesserten Abschrift fertig zu werden.

    In diesen Tagen gedenke ich eines Verlegers wegen die ersten Schritte zu tun und an Dr. Hildebrand in Leipzig zu schreiben. Den ersten Band hab ich bedeutend geändert und das Kapitel vom Küher viel kürzer gemacht. Sepp und Klaus­melker treten nun noch etwas nackter, Franz etwas unerfah­rener, weiblicher (d. h. hier gemütlicher) auf. Der Aufsatz über die Hochzeitsreise wird wohl nicht geschrieben, wenig­stens nicht so, wie ich's einst wollte. Glaube nicht, daß es mir je möglich sei, mit Taglöhnersinn auszuführen, was mir der Finanzminister befehlen will. ­In Gottsnamen, es geht nicht!

    Deinem Weible sage: Ich sei noch nicht Strohwitwer, wenn es aber glaubt, daß ich als solcher nicht irgendwohin „mein gutes Auskommen finden möchte", dann kennt es die Bre­genzerwälder noch schlecht. Ich werde das in einem Gedicht anschaulich machen, für jetzt nur so viel:

    Im Haus regiert die Pflegerin, Vom Küchenfeuer

    rot, Die wütende Zerlegerin Von süßem Eierbrot. ­

    Den Satz nur kriegt der arme Mann, Vom

    Tränklein, das ihr wohl getan. O nicht mehr

    Hausherr ist er, Nur Stallbub noch und Pfister!

    Diesmal war ich noch fast poetisch geworden, wie prosaisch auch die Sache ist; ja, so etwas muß man hier lernen, wenn man noch dann und wann einmal poetisch werden, d. h. Verse machen will.

    Peters Sattler, dessen trauriges Ende ich Dir letzthin meldete, hatte schon englisch zu lernen angefangen, da er fest ent­schlossen war, bald nach Amerika zu gehen. In 8-10 Tagen reden wir vielleicht mehr, wenn das Wetter und die Verhältnisse mir die Reise erlauben. Ich würde Dir dann auch  noch ein sehr interessantes Stückle vom  Buben des Winkeladvokaten Rüscher in Reuthe erzählen. Heut nachmittags geht das Wible nach Schrecken hinab zur Stubat; ich aber bleibe daheim und schreibe, da es doch zum Fuhrwerken zu wenig Schnee hat.

    Ich war im Leben einmal im Oberland, und zwar bei Nebel­wetter, daher zweifelt die Mutter, ob ich Dich finden werde. Sie schlägt vor, den Pius zu schicken. Diese Angelegenheit wird vom Wible in Schrecken noch heute geordnet. Lebt recht wohl und gedenkt freundlich des jetzt von From­men und Gottlosen fast als Märtyrer geehrten Freundes

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 18. Februar 1866

    Geliebter Freund!

    Vor allem muß ich Dich daran erinnern, daß wir 1866 schrei­ben. Deinen sehr werten Brief samt Inhalt hab ich erhalten und bin froh, Dir eine Antwort schreiben zu können, die Dir wenigstens sehr interessant sein wird.

    Da ich so breit anlege, wirst Du vielleicht eine Verhandlung über meine Lieblingskinder, ,Die Sonderlinge', erwarten, Du irrst Dich; dazu ist noch lange Zeit genug. Du kennst mich länger, Du weißt, daß mir meine Landsleute, daß auch die Sennhüttler meine Lieblinge sind. Was sagen die Sennhüttler?, fragtest Du  im letzten Briefe. Heute sollst Du eine längere Antwort erhalten, als Du damals wohl erwarten mochtest.

    Ich hab Dir schon früher erzählt, wie lebhaft es zuweilen im Sennhaus zugeht, diesen Winter ist's aber am ärgsten, ich agitiere förmlich für unseren Käshändlerplan. Wenn Du abends von 6 bis 8 Uhr in ein Oberdörfler Haus eintrittst, so siehst Du die Hausmutter unwillig bei der kalten Suppe sitzen und die schon starr gewordenen Erdäpfel abschälen. Fragst Du nach dem Mann, so heißt's: „Im Sennhaus hockt er jetzt alle Abende von 6 bis 8 Uhr, wo der Jauko-Michel aus der Welt herein erzählt. Von Fürsten und Völkern, von der Not und von den Mitteln dagegen, von den Zünften, Han­delsgesellschaften, Vereinen und von allem möglichen!" Gehst Du dann, wie auch andere, die in der Sennhütte nichts zu tun hätten, da sie keine Milchbauern sind, dem großen Haufen nach, so kannst Du vom Glück reden, wenn Du noch Platz bekommst. Überall sitzen Bauern auf den umgekehrten Butten und Kübeln, der Senn auf der Stiege und der Ber­linger auf einem ins Feuerloch gespannten Brett. Der Jauko­Michel, Dein guter Freund, sitzt in heldenhaft durchlöcherten Hosen auf der Bank und redet klar, deutlich und mit einer Wärme, die alle hebt und trägt, das hörst Du sogar den Fragen und Einwendungen an, die ihn alle Augenblicke unter­brechen. So ist's fast immer gewesen, seit ich den letzten Brief schrieb. Damals mochte ich Dir noch nichts berichten, weil ich noch nichts von Erfolgen zu berichten hatte. Doch jetzt redet und streitet man in drei Gemeinden für und wider mich. Jetzt ist's ganz anders. -

    Am 5. Februar hielt einer meiner Schulfreunde Hochzeit. Ich hatte die Abdankungsrede zu halten. - Du hast sie nicht gehört und ich darf Dir daher mein Urteil über dieselbe mit­teilen. Ich wußte, daß ein großer Teil meines Sennhaus­publikums anwesend sein werde und ich redete daher von der Gesellschaft, deren Vorbild die Familie sei. Jene Rede in Warth mag beurteilt werden, wie sie will, sie war größten­teils das Kind des Augenblicks, diese aber war sorgfältig aus­gearbeitet, ich trug sie begeistert vor und, Freund, wenn ich je gut geredet habe, so war es an diesem Tage. Die Gesell­schaft war hingerissen, nur alte Weiber und solche, die sich jeden Brocken vom Pfarrer vorkäuen lassen, weil man ihnen die Zähne ausgerissen hat, nur solche bemerkten, es sei zu hoch, die ändern aber behaupteten, es sei ganz gut deutsch. Der Pfarrer war aus der Stube gegangen, sobald er mich kommen sah. Man sagte ihm, die Abdankungsrede werde gehalten. „Meinetwegen", sagte er und blieb in der Kammer sitzen, bis sie leer war, dann schlich er, wie der Wirt erzählt, ins dunkle Gado und horchte. Eine Zeitlang nach der Rede kam er in die Stube und fing an zu erklären. Das Ding sei zu hoch, und das könne kein Bauer verstehen, und man sollte nicht so hoch hinaus wollen u.s.w. Eine solche Rede sollte sein, daß man sie verstehen und vielleicht etwas Erbauliches denken könnte etwa so: -

    Und er hielt den noch in der Stube sich befindenden Weibern eine Rede von Tod und Grab und Liebe und Geduld u.d.gl., wobei es aufs Weinen abgesehen war, doch dazu waren die Magen zu voll - nach reichlichem Mahl soll das Weinen nicht so leicht gehen.

    So ist der Abdanker abgedankt worden, denn daß ich mich auf die Lorbeeren lege und die Ehre dem Pfarrer überlasse, halte ich für ausgemacht. - Doch ich fange erst an. -

    21. Februar

    Vorgestern sind unsere Vetter, Gruber Peters Buben und Nig Adam u. a., auf den Heuzug aufs Häsenjoch südöstlich vom Ünscher Spitz. Sie mußten über einen Bergrücken von etwa 10 Fuß Breite, über welchen die s.g. Schneeschwarte etwa 12-15 Fuß gesimsartig hinausragte. Ohne daß die Heu­zieher einen Fehltritt taten, bekam die Schwarte (siehe oben) einen Riß und stürzte mit den mittleren Männern in den Abgrund. Die, welche vor und hinter ihnen gegangen waren, sahen sie schon nach einem Augenblick nicht mehr. Man holte Leute von Schoppernau, etwa 26 Mann gingen hinauf. Die Lawine war ungemein tief, von den beiden Verunglückten, Peters Sattler (Dokus) und Nig Adam, fand man keine Spur. Gestern sind, da es weniger gefährlich war als vorgestern, 35 Mann mit Schaufeln, Stangen u.d.gl. ausgezogen und haben endlich die beiden Leichen gefunden. Es scheint, als ob die Verunglückten noch eine Zeitlang gelebt hätten. -

    23. Februar

    Heute endlich komme ich auf die in unserer Gegend viel­besprochene Kinderlehre, die vom Pfarrer Rüscher mir zu Ehren gehalten wurde, nachdem er vormittags vom Blinden am Wege gepredigt hatte. Du wirst mir gern verzeihen, daß ich nur allgemein darüber rede. Es war auf die Oberdörfler Sennhütte losgefeuert, und ich war dargestellt als ein Mensch, der alles Heilige stürzen wolle. Beweise hatte man keine, umso ärger mußte man schimpfen, um den Leuten begreif­lich zu machen, wie ich ein hochmütiger, gottloser Voltaire sei. Die Kinderlehre vom letzten Sonntag war noch bitterer, aber etwas durchdachter.

    Jetzt gibt es bei uns schon Leute, die das Kreuz vor mir machen. Doch es sind nur solche, deren Beifall ich dem Pfarrer gönne. Im Ganzen hat er sich mehr geschadet als mir, denn meine Ideen haben eine Verbreitung bekommen, die ich mir nicht getraut hätte, zu verschaffen. Daß die Ober­dörfler auf meiner Seite stehen, ist natürlich, auch im Unter­dorf ist's für den Pfarrer nicht mehr recht geheuer, und ich glaube, er bringt mich nicht mehr vielmal auf die Kanzel. Jetzt schleicht er in den Häusern herum und richtet mich aus, so viel er kann. Also ein Angriff - anderer Art, den ich ihm gönne.

    Doch genug von dieser Erbärmlichkeit!

    Mein Plan beschäftigt jetzt hier herum alle bessern Köpfe. An Eigenälplern hab ich schon manchen gewonnen, und wenn ich hoffen könnte, daß man etwas anfangen würde, so wäre noch mancher zu gewinnen. Ich wollte, wir könnten mit dem Rätzle reden. Willst Du ihm nicht schreiben? Ich würde zu ihm gehen und mit ihm reden, wenn ich so gut mit ihm bekannt wäre wie Du. Man sollte doch etwas tun, die Bauern (die größeren) sind williger, als Du glaubst.

    Ich bitte Dich, mir bald Deine Gedanken über dieses mein Lieblingskind mitzuteilen und mir zu sagen, ob Du nicht auch diesem Götte sein möchtest?

    Die Landtagsverhandlungen hab ich den Sennhüttlern vorge­lesen und der Eindruck, den die Geschichte der 12 Märtyrer machte, ist ein derartiger, daß ich ihn in keinem öffentlichen Blatte schildern möchte. Weniger Verständnis haben sie für die Adresse der Ungarn. Dieses Volk gilt für ein halbwildes, und sie meinen, hier wäre Gewalt eher am Platz als bei den Vorarlbergern, die, wie man ja gehört habe, bis auf das letzte Tüpflein recht hätten. Der Vorsteher hat den un­ruhigen Oberdörflern einen Artikel aus der österreichischen Gemeindezeitung vorgelesen, welche über die Vorarlberger spottet wegen ihrer Kleinheit, aber da ist der gute Vorsteher schlecht angekommen. Daß Macht vor Recht gehe, wissen die Wälder, aber es steht halt doch nicht in ihrem Katechis­mus. Auch der Kleine soll Recht bekommen, hieß es. Dein letzter Brief hat mir aus mancher Verlegenheit geholfen. Doch wenn Du einmal in der Lage bist, den Schluß zu schicken, so würde ich Dir sehr dankbar sein. Mit noch 25 wäre mir geholfen.

    Bekles Toni hat Boangart nun auf 2 Jahre für 80 Fl. Zins. Der Schneider karessiert mit Schriners Marien wie wild. Mari hofft und harrt!

    Die Kronenwirtin ist so fromm, daß sie keine Tanzmusik mehr duldet. Der Geiz des Kurats in Rehmen hat die Josefsan­dachten auf zwei Geistliche beschränkt, was dem Herrn Rüscher nicht gefällt!

    Fortsetzung folgt!

    Für heute ist's genug und es grüßt Dich herzlich Dein kommunistischer, verketzerter, abgechristenlehrter, niederge­predigter, käshandelssüchtiger, armer Freund

    Fr. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 25. Januar 1866

    Lieber Freund!

    Ich beeile mich, Dir in der Anlage das Geld zu schicken, das ich gerade entbehrlich habe. Ich habe dem Bruder Jakob am letzten Sonntag wieder mehreres Geld geschickt und darum habe ich eben nur diese 25 Fl. zur Verfügung. In einigen Wochen kann ich Dir wieder schicken und zwar, wie ich hoffe, soviel Du wünschst. Übrigens brauchst Du in derlei Ange­legenheiten mich gar nicht zu bitten, es ist mir nur angenehm, wenn ich verhilflich sein kann. Meiner Zahlungspflicht an unsere Assoziation bin ich nun bald nachgekommen, und Du darfst nicht besorgen, daß man das, was ich Dir lehne, von dort her wieder einziehe. Meine Theres hat die größte Freude mit unserem Geschäft und sie hat es gern gesehen, daß ich die kleineren Kapitalien im Montafon alle abgekündet habe. Es erübrigen mir auf diese Weise nach Zahlung meiner Verbindlichkeit noch über 1000.-FI-Ö.W., welche in diesem Jahr einfließen werden und die ich auch in die Assoziation zur Zahlung von Schulden legen werde. Auch das Sumeiggi wird ihr Vermögen in die Assoziation bringen und so wird sie dann, wenn das Glück mit ihr ist, aufkommen und ihre Mitglieder sollten die Früchte ihrer Arbeit selbst zu genießen in die Lage kommen. Mir liegt viel an diesem meinem Her­zenskind, weil durch Aufstellung eines Beispiels, das man als Erfolg vorführen und sehenlassen kann, am meisten für die Assoziationsidee getan und gewirkt wird. „Verba docent exempla trahunt", „Worte lehren, Beispiele ziehen an." ­Weil ich von einer Herzensangelegenheit sprach, wirst es entschuldigen, daß ich soviel davon sagte. Die Historisch-politischen Blätter halte ich nicht, ich habe sie nur im Leseverein in Dornbirn gelesen, ich kann sie Dir daher nicht mitteilen, Du wirst sie aber von Geistlichen er­langen können. Wegen des Lithographen sagt man mir, daß in Vorarlberg nur zwei lithographische Anstalten, die Teutsch'sche in Bregenz und die in Feldkirch bestehen. Eine größere wäre die des Zichna in Innsbruck. Ob da ein Unter­kommen wäre, kann ich nicht sagen. Wenn Dein Vetter als Modellierer und Zeichner in einer Fabrik ankommen wollte, müßte man seine Qualifikation kennen. Eine persönliche Prä­sentation würde jedenfalls notwendig sein, da er hier ganz unbekannt ist und unsere Geschäftsleute sehr vorsichtig in Zusagen sind. - Es wäre mir sehr angenehm, eine Schilderung der Hochzeit in der Beilage der Allgemeinen Zeitung zu iesen, worin Ludwig Steub jetzt interessante Schilderungen aus Tirol veröffentlicht. Wenn es Dir zuerst um die Kosten­deckung zu tun ist, so will ich Dir selbe leisten, wenn die Zeitung nicht zahlen sollte. - Der Krieg unserer Regierung mit Vorarlberg und mit dem Adressatensturm ist der Kennt­nisnahme wert, und was sagen die Sennhüttler dazu? Hier herrscht eine Aufregung, wie die Bourgeois nur einer fähig sind. Unser Adv. Dr. Bickel ist bekanntlich der Adressekonzi­pient, und was sagen die Wälder zu diesem Debüt des ein­zigen Advokaten im Landtag? Das Interessanteste, womit man sich in Österreich jetzt befassen kann, ist jedenfalls die Politik, aber gefährlich wird's und die Pensionierung des Froschauer ist ein merkwürdiger Akt. ­Mit freundlichsten Grüßen

    Dein Freund K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 16. Januar 1866

    Lieber Freund!

    Die - aktenmäßige - Darstellung Deiner Heimreise von Warth habe ich erhalten und benütze nun die erste freie Stunde, um auch meinem Versprechen nachzukommen. Von Warth bis nach Krumbach war's wohl schlecht gegangen, wenn wir am Wirt Jochum nicht einen so guten Führer gehabt hätten. Er versicherte, daß da, wo der Schnee noch nicht herunter sei, ein Fehltritt neben den Weg - von dem keine Spur mehr zu sehen war, eine Lawine veranlassen könnte. Um 10 Uhr kamen wir auf Krumbach an, ich und der Wirt waren doch noch zu wenig ermüdet, um den vom Lorenzier aufgetragenen Schnaps für eine Labung zu halten. Auf dem Weg nach Seh rocken hörten wir mehrmals von dem sich „set­zenden Schnee" ein Getöse wie von fernen Schüssen, der Heiterer auf Körb wirbelte uns den Schnee entgegen, daß es eine Art hatte, doch kamen wir wohlbehalten und ohne zu frieren in Schröcken an, wo ich etwas aß, während meine Schwägerschaft sich mit einem Schoppen begnügte. Die schlechten Witze des s. g. Nuhle waren wieder aufgefroren und plaudernd und lachend stolperte die Gesellschaft auf gefrorenen Pfaden vorwärts, während ich h erausrechnete, daß eine Hochzeit am Tannberg ein teurer Spaß sei. Ich hatte Gelegenheit, zu bemerken, daß ich als Gast nicht meine Schuldigkeit getan, sintemalen „die schlechtesten ein Banknötle gegeben", worauf ich dann noch einen „Zettel" nachschob, worauf Schwager Dokus seufzend meinem Bei­spiel folgte. Ich nahm mir vor, zu Hause die ganze Geschichte mit einer Schilderung derselben wieder zu verdienen, aber ich kam nicht zum Schreibtisch bis heute und nun schreibe ich an Dich, was mir jedenfalls leichter geht, als eine Schil­derung fürs tägliche Brot.

    Hier ist's am Zunfttag nicht besonders lebhaft zugegangen. Nur 40 Gäste waren anwesend, von denen es nur wenig zu berichten gibt.

    Der Schneider kam erst am Donnerstag zurück und ergänzte die „Tannberger Hochzeitsbilder" durch den Schluß und die Schilderung der - Nachwehen. Jok soll nur etwa 20 Fl. Profit haben, während mir auf meiner Hochzeit 44 Fl. im Sacke blieben, ohne daß sich mein Wible krank tanzen und betteln mußte. Die Braut soll nämlich etwas unwohl sein, so daß Jok also schon am Morgen nach der eigentlichen „ersten Nacht" für sie Kaffee kochen mußte. Was man nicht will, muß man.

    Jok würde Augen gemacht haben, wenn ihm je einer gesagt hätte, daß er eine Tabakraucherin heiraten werde. Der Riß im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein wird täg­lich größer, ich bin beim 12. Dezember angekommen und lese die veralteten Nummern des Sozialdemokrat mit immer größerem Interesse. Der Sozialdemokrat hat seine Partei in Preußen, während Sachsen etc. zum ehemaligen Präsidenten halten. Das Parteiorgan macht nach meiner Ansicht zuweilen unverzeihliche Dummheiten, z. B.: Schulze-Delitzsch hat eine Broschüre gegen Bastiat (von Lassalle) verfaßt, nun macht ihm der Sozialdemokrat Vorwürfe, warum er das nicht zu Lebzeiten des Verfassers getan habe.

    Mir will's vorkommen, die Partei sei etwas arm an tüchtigen Männern, und was ich von den rasch wechselnden Präsiden­ten höre, hat mich noch nicht auf andere Gedanken bringen können.

    Jetzt hadert der Sozialdemokrat mit der Wiener Presse, die - ein Philisterblatt - den in Ungarn auftretenden Schwarz so sehr verunglimpfen soll.

    Westermanns Monatshefte hab ich abbestellt, und wenn Du mir für den Demokrat die Historisch-politischen Blätter zu­weilen gelegenheitlich zuschicktest, so würde ich Dir dankbar sein. Auch die Gartenlaube halte ich nicht mehr. Ich fange zu sparen an: schon fast zu spät, denn ein Gütertausch und andere Umstände, zu denen auch der Bau einer neuen Hütte auf Aufeid gehört, haben mich für jetzt so geldarm gemacht, daß Du Dir schwerlich einen Begriff davon machen könntest. Hätte ich früher geahnt, was noch alles über mich kommen und was nicht kommen würde, so hätte ich Dich um ein Darlehen von etwa 30 bis 40 Fl. angesprochen. Doch Du wirst wohl auch genug zu tragen haben und ich wage daher nur zu erzählen, um was ich Dich gerne bitten möchte. — In letzter Woche habe ich die Bauernarbeit mir wieder etwas vom Halse geschafft und werde nun wieder den Sonderlingen meine Zeit opfern können. An Hildebrand denke ich noch nicht so schnell zu schreiben. Wenigstens werde ich warten, bis der Entwurf fertig ist.

    Die Fastnacht ist ungewöhnlich still. Man hört von keiner Hochzeit und von nichts, als daß in Bezau ungewöhnlich viele Leute krank sind. Am Sonntag wurden von dort vier Todfälle in einer Woche verkündet. Der Uhrenmacher hat noch nicht geschrieben. Auch von Jochum hab ich noch keinen Brief erhalten und ich werde ihm wohl bald selbst einen Brief schicken müssen. Seine Mutter ist schon sehr besorgt.

    In Deinem nächsten Brief hoffe ich zu  hören, was Du für meinen Vetter, den Lithographen, erfragt habest. Die lieben Deinigen recht von Herzen grüßend und der in Bludenz verstorbenen Gerichtsperson die ewige Ruhe wün­schend, verbleibe ich Dein alter treuer Freund       

    Fr. Michael Felder.

    17.1.

    In der Sennhütte der Oberdörfler geht's lebhaft zu. Es wird politisiert, lange Reden und Gegenreden werden gehalten, und ich wäre glücklich, wenn ich dabei so viel lehren könnte, als ich lerne.

    Heut stürmt's furchtbar und die Bauern jammern um Schnee, da auch das Nötigste noch nicht getan werden konnte.

    Der Riß im Arbeiterverein wird größer. Die Geschichte wird unerquicklich.  Wenn  die Allgemeine Zeitung  die  Haltung des Vereins  lobt,  so  weiß jeder,  der sich   um  die  Sache kümmert, was er zu denken hat, sie will die eigensinnigere Partei noch aufmuntern, noch eigensinniger machen.

    Lebe wohl und schreibe bald Deinem

    geldbedürftigen Freund                                                

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 10. Januar 1866

    Lieber Freund!

    Unserer Verabredung gemäß folgt nachstehende Mitteilung über meine Heimfahrt von Warth: Nach Durchwatung einiger Schneerutsche und Rücklegung einer Wegstrecke von zirka 1/2 Stunde merkte ich, daß ich die Reisetasche in Warth ver­gessen hatte. Ich fand es nicht der Mühe wert, zurückzu­schicken, und wir gingen munter und vergnügt ob des Him­mels freundlichen Gesichtes vorwärts. An allen gefährlichen Stellen war der Schnee schon herunten und am Lech erfuhren wir mit Staunen, daß es am Montag abends zwei Männer am Flexen schon verlawinet habe, die aber beide bald wieder frei gemacht worden sind. Gestern war natürlich nichts zu fürchten und wir schritten heiter der Stuben zu. Mich ärgerte nur, daß die Stiefel (Überleder) das Wasser des geschmol­zenen Schnees durchließen, weshalb ich am Lech schon meine nassen Socke gegen trockene des Wirtes umtauschte und in Stuben die eingetauschten von der freundlichen Wirtin wieder trocknen lassen mußte. In Stuben erfuhren wir, daß es auf dem Arlberg am Montag abends 23 Pferde und einen Mann mit Schnee überschüttet und eingemacht habe und daß der Mann nur mit genauer Not noch gerettet werden konnte. Wir erfreuten uns unserer Handlungsweise, wonach wir am Montag das Montagsgeschäft (Hochzeit) und am Dienstag das Dienstaggeschäft (Heimreise) vorgenommen haben. Wir erkannten, daß alles zur rechten Zeit getan sein will. Von Lech zur Stuben war ein leidlicher Weg, da die Lecher mit Schlitten um Proviant gefahren waren. Am Flexen waren schon große Schneemassen zusammengerutscht. In Stuben kamen [wir] nach 12 Uhr an, und weil mein bestelltes Fuhrwerk nicht dort war, benützten wir ein anderes, und halb beim Klösterle kroch uns das meinige dann entgegen. In Dalaas traf ich die Theres und den Julius bei meiner Tante Marie und wir blieben noch bis ca. 6 Uhr. Als wir aufbrachen, fing es an zu schneien und zu winden und das Unwetter vergrößerte sich derart, daß das Pferd nicht mehr vorwärts wollte. Das war in stockfinsterer Nacht bei eisiger Straße der unan­genehmste Moment auf meiner ganzen Reise. Beim nächst­erreichbaren Wirtshaus kehrten wir ein und warteten das Unwetter ab. Nach 8 Uhr kamen wir dann gesund und wohlerhalten heim. In Bludenz hatte es gar nicht geschneit, und merkwürdiger Weise konnten wir mit dem Schlitten bis Bings. Daheim nach gehöriger Labung und Wärmung erzählte mir mein Weibchen, daß es nachts vorher mit dem Himmel geweint, statt geschlafen habe. Während meiner Abwesen­heit ist hier ein Kanzlist (Lutz) gestorben. Mit freundlichem Gruß Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 22. Dezember 1865

    Geliebter Freund!

    Ich habe heute zwei Briefe von Dir zu beantworten Du wirst wenigstens mich entschuldigen, wenn die Antwort auf den ersten etwas kurz wird, und sie wird leider kurz sein, denn von dem Echo des Landtags gibt's weniger als gar nichts zu berichten.

    „Elende Schoppernauer Philister!" Gelt? Aber halt! Als ich die Berichte bestellte, ich tat das, weil ich früher in Hopfreben war, sagte mir der Bote, daß das von hier bis nach Bezau die einzige Bestellung dieser Art sei. Wir Schoppernauer sind also nicht erbärmlicher als andere, aber immerhin erbärmlich genug. Ich werde nun versuchen, Dir einige Teufeleien, die mit Gewalt fort wollen, mitzuteilen, das andere, die volle Tasche, hoffe ich bald ausleeren zu können.

    Von der Kathrinentagsgeschichte beim Rößlewirt wirst Du in der Feldkircherin gelesen haben. Es war für die, die von der Sache wußten, ein eigentümlicher Anblick, den Herrn Frühmesser widerrufend und erklärend herumlaufen zu se­hen. - Unser Pfarrer scheint nun auch Dummheiten machen zu wollen. Aber - aber. -

    Ich habe Dich früher einmal versichert, daß er „auf der Höhe" sei; und prophezeite, daß es nun schnell abwärts gehen werde. „Und siehe, es geschah!" Es hat für einen, der die Ge­dankenmaschinerie seiner Landsleute kennt, auch nicht be­sonders viel Licht gebraucht, um das zu merken. Unser Rüscherle wollte, wie es am letzten Sonntag in einer Predigt, die ich an seinem Platz um alles nicht gehalten hätte - in­direkt aussprach, die Gemeinde in den Sack bekommen! Doch genug, die Predigt ist eine Verteidigungsrede, die ich Dir ganz erzählen muß. Für jetzt nur so viel.

    Die schönen Tage von Aranjuez sind nun zu Ende. Qui, pro quo?

    Auf Anraten (?) der Hochw. Kapuziner und des Dekans hat Hr. Rüscher in der [Gemeinde den] löblichen und frommen 3. (Klatsch- und) Betorden St. Franz Serafikus eingeführt. Um Dir den Zweck dieses Ordens in Kürze klar zu machen, schreibe ich eine Stelle aus der erwähnten Predigt, in welcher er „den frommen Schwestern zuliebe etwas sagte, was er gern nicht gesagt hätte", wörtlich her:

    „Einmal von den Hw. H. Kapuzinern beauftragt, wollte ich Euch zulieb die Sache übernehmen:

    1.            weil ich mich sonst eben auch in ein schiefes Licht gestellt hätte da draußen.

    2.            Weil  es  mir so  unlieb wäre  als  Euch,  herzliebe  Pfarr­kinder, wenn man da draußen die Gemeinde im Sack hau und beherrschen tat."

    Nicht wahr, jetzt hast Du einen Vorgeschmack des Ganzen, aber schwerlich eine Ahnung, was das auf die Schoppernauer­haftigkeit für eine Wirkung tat. Ich muß hier unwillkürlich an den Geist denken, der Böses will und Gutes schafft.

    Die Opposition ist erwacht und gleicht einer Lawine, die nicht nur das Gebüsch, sondern auch den Grund mitreißt. Fast alles will seine Gedanken über folgende Stelle der Predigt aus­sprechen :

    „In der Gesinnung muß ich als Priester natürlich dafür sein, in der Tat aber wäre ich dagegen"??!

    Das war ein Schuß, davon wird man noch reden in den spätsten Zeiten.

    Schillers Wilh. Teil.

    Ursache und Wirkung sind für unsereinen sehr interessant. Mit Deinem letzten Briefe hab ich auch einen von meinem Freunde J. J. Felder, Uhrenmacher, erhalten (meinem Klaus­melker). Er befindet sich in Criactsov [?], so bring ich wenig­stens heraus. Das Heimweh klingt aus seiner Verbitterung heraus und ich sehe von neuem, daß ich ihn richtig gezeichnet habe. Ein braver Bauernknecht wird er just nicht, aber er kann ein Bauernknecht werden.

    Direktor von Scholl in Stuttgart hat endlich geschrieben. Er hat sich meinetwegen an Wolfgang Menzel gewendet und ihm den Nümmamüller vorgelegt. Menzel sagt: Mein Lebens­bild möge als solches ganz gut sein, doch glaube er kaum, daß damit (und mit ähnlichem) ein größeres Publikum zu gewinnen wäre. Es fehlen und werden vermißt: Eigentümlich­keit, Naturschilderung, treffende Bemerkungen über Glauben und Aberglauben u.s.w. Sollte ich aber auch diesen Forde­rungen nachkommen (nicht wörtlich), so werde man sich für mich verwenden, fügt Hr. v. Scholl aufmunternd bei. Nun die Naturschilderung nimmt auch in den Sonderlingen gerade nicht viel Platz ein, sonst könnte man es mit diesen versuchen, wenn man wollte. Ich möchte aber nach Norden. Ich hätte Lust, an Prof. Hildebrand zu schreiben. Doch wir werden darüber reden, denn ich hoffe doch, wir werden nicht nur zueinander, sondern auch miteinander nach Warth oder zurück gehen. Du könntest es mir vielleicht sonst kaum glauben, daß ich denn so mit der Zeit schon wieder einen Götte werde haben müssen.

    Gestern sind die Eurigen von Krumbach heimgezogen. Mit dem Milchhandel ist's ein wahres Elend. Im Herbst hab ich einen  Brief oder doch ein Stück Brief von einem  Käs­händler in die Hände gebracht und bin dadurch auf eigene Gedanken gekommen, die ich samt Anhang gern in einem nur für den Wald berechneten Schriftchen veröffentlichen möchte. Glaubst Du nicht auch, unsere Kühe werden künftig ins Allgäu wandern? (Italien, Norddeutschland.) Ich rede mich oft heiser für unsern Plan, auch die Oberhauser reden sehr verständig mit, und ich glaube nicht ohne Erfolg. Es scheint mit dem Rätzle rückwärts zu gehen, aber die Nuhle [?], deren sich auch ihre Brüder annehmen. Heut hab ich im Sinn, wenn es sich schickt, auch mit dem Knechtle zu reden. In der Gschwinder-Angelegenheit danke ich Dir für Mit­teilung und Rat. Ich werde nichts zu widerrufen haben, da ich ihnen die Köpfe nicht warm machte. Ich gab ihnen vor den Feldern Recht und dabei bleibe ich! Wenn ich mich ver­bindlich mache, Dir einen Stadel zu decken, und Du bauest ein Haus, was geschieht dann? Freund, so handelten wir nicht. Daß es mir auch darum zu tun ist, das Abholzen des Buch­walds zu hintertreiben, wirst Du wissen. Und ich bin auch ein Wälder und kann rechnen. Wenn schon nicht gar so gut als Koarado Bub, der mit seinen Schwägern immer noch nicht im reinen ist. Dem Pfarrer ist [es] bei dem Streit auch nicht nach Wunsch gegangen, doch davon wie auch von vielem anderen in 14 Tagen.

    Schicke mir die Hefte gelegentlich einmal herunter. Jetzt  lese  ich  den  „berühmten"  Roman  Schwarzgelb.  Der Hintergrund ist dick gezeichnet, aber gut, schade daß von der Handlung gilt, was ich einmal über Drahtfiguren gesagt habe. Die Sonderlinge werden sich mit Beginn des neuen Jahres mit verbissenem Grimm gegenüberstehen und einander Pos­sen spielen wollend, es sich selbst tun, wodurch sie dann den im elften Kapitel erfolgenden Schluß herbeiführen, aber leider ist alles nur Entwurf und ich werde noch lange zu kratzen haben, bis genug schönes blaues Postpapier verdeckt ist. Die Kronenwirtin ist eine Betschwester geworden. Wir alle wünschen Euch allen von Herzen Glück zum neuen Jahr.  Lebe wohl  und besuche bald  Deinen treuen  Freund

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 16. Dezember 1865

    Lieber Freund!

    Unsere letzten Briefe haben sich gekreuzt und in folgendem wird Dir Antwort auf den Deinigen:

    Unser Unfall bestand darin, daß das Pferd, das die Theres, ihren Bruder Franz und mich von Nüziders heimzuführen die erhabene Aufgabe hatte, bei Bludenz erwildete und durch­ging. Der Wagen wurde umgeschleudert und zerbrochen und wir flogen übereinander auf die kiesbelegte Straße. Wir wurden am Körper und an den Kleidern unbedeutend ver­letzt, der Fuhrmann aber soll jetzt noch nicht kuriert sein. Nächst dem Fuhrmann ging mir die Affäre am härtesten an, da ich etwa drei Wochen lang pflastern und salben mußte, indem ich Hautabschürfungen an der linken Hand hatte, deren Heilung durch den Gebrauch der Hand (Schreiben) verzögert wurde. -

    Nach weitern Heften von Westermann habe ich keine Sehn­sucht, obwohl mir der Aufsatz über Steinkohlenbildung sehr gut gefallen hat. Der Verfasser wendet die wissenschaftliche Methode Lassalles an, d. h. die Methode, die auch Lassalle angewendet hat, und ich sehe, daß dieselbe auch auf natur­wissenschaftlichem Gebiet höchst befruchtend ist. Das war mir das Interessanteste, was ich in diesen Heften gefunden habe. Was darin über Lassalle steht, ist in dem Genre der Julian Schmidtschen Literaturgeschichte geschrieben. In Eurer Wuhrsache findet der alte Rechtssatz: Summum jus Summa injuria (das stärkste Recht ist das stärkste Unrecht) neue Bestätigung. -

    Wenn die Gschwinder mit den ändern sich zu gemeinsamer Wuhrung verstanden, ohne Vorbehalt und Nebenbedingung verstanden, gut, so müssen sie eben mit den ändern gemein­sam wuhren, und alles übrige, auch ihr Eigentum, den ändern überlassen, d. h. das Übereinkommen entscheidet. ­Den Gschwindern geschieht freilich hart, aber eben deshalb geschieht ihnen recht. - Eine klare und gründliche Antwort ist daher: Die Gschwinder sollen sich nicht steifen und Du sollst ihnen nicht recht geben, die Sache soll verglichen werden, und sei es auch, daß die Gschwinder ohne Vorbe­halt und Nebenbeding einfach ihrer eingegangenen Ver­pflichtung gemäß handeln. -

    Aus der Praxis:

    Ein Praktikus gibt nicht leicht einem Streitteil recht, das Recht­geben macht hart und steif und erschwert den Ausgleich, der doch laut Schwarzokaspale zu den guten Traditionen des Waldes gehört. -

    Ich und Familie sind gesund und wohl und, so Gott will, treffen wir uns in der Warth. Meine Aufmerksamkeit ist eifrig den Staatsvorgängen zugewendet, sie sind aber so interessant, daß es sich der Mühe lohnt.

    Der Redakteur der Feldkircher Zeitung wird in Bälde nach Amerika auswandern, ich kam unlängst mit einigen Partei­gängern desselben (Realschulprofessoren) in Disput und es gelang mir, sie zur Waffenstreckung zu bringen.  Übrigens stimmte mich der Vorgang traurig, da ich bedachte, daß solche Leute eine Rolle in unserm Vaterland spielen. ­Schreibe bald. Mit freundlichstem Gruß. Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 10. Dezember 1865

    Werthester Herr Felder!

    Ihre werthen Zeilen vom 30. Nov. habe ich empfangen, u. bitte wegen der Unterbrechung hinsichtl. Sendung des Social­Democrat um freundl. Entschuldigung. Die Bemerkung mei­nes Reisenden Heuner wegen Fortsetzung des Blattes war von einem Commis hier als Abbestellung gelesen worden, u. so kam also nichts mehr. Es ist nun mit Post um die rückständigen Nummern geschrieben, u. folgt sicher Alles mit nächster Sendung.

    Die gefehlt habende Gartenlaube F 43 sandte ich Ihnen be­reits am 7. dies, mit Anderem.

    Wie geht es Ihnen sonst mit den lieben Ihrigen? Wir hatten immer gehofft, Sie diesen Herbst mit Ihrer lieben Frau noch bei uns zu sehen.

    Vor einigen Wochen habe ich auch einen Brief von Hrn. Stadtschultheiß Lemppenau u. Tochter aus Cannstatt erhalten, die, wie Sie sich noch erinnern werden, mit uns die regen­reiche Partie nach Schröcken machten. Sie bemerkten mir, daß sie vor längerer Zeit schon auch Ihnen geschrieben hät­ten, u. wie es sie recht sehr freuen würde, ein paar Zeilen der Erwiederung von Ihnen zu erhalten. Vielleicht könnten Sie solche mir gelegentlich mit beischließen. Indem ich bitte, alle meine werthen Freunde in dortiger Gegend, vor allem aber Ihr „lieb's Wible" aufs Herzlichste von mir zu grüßen, bin ich mit Achtung u. Freundschaft Ihr ergebenster

    Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 24. November 1865

    Lieber Herr Felder!

    Die Stunde, die ich in Ihrem ansprechenden Umgang in Schoppernau verleben durfte, steht frisch in meinem Gedächtniße und es gehört diese Stunde zu den interessante­sten Episoden meines dießjährigen Aufenthalts im Walde. Nach meiner Heimkunft beschäftigte ich mich - sobald ich wieder Herr meiner Zeit war, mit Ihrem Wunsche, für Ihre zukünftigen Producte, womöglich, einen Verleger hier zu finden.

    Zunächst wollte ich den Kritiker Wolfgang Menzel dahier, der ein Literaturblatt herausgiebt und den ich zu meinen Freun­den zähle - zu einer Kritik über Ihr „Ein Lebensbild aus dem Bregenzerwalde" veranlassen; ich gab ihm das Buch zu lesen; er äußerte sich aber dahin: das Buch möge ein treues Bild aus dem Walde geben, aber es enthalte zu wenig Eigentüm­liches; er vermisse Naturschilderungen, treffende Bemerkun­gen über Glauben, Aberglauben u.s.w. so daß kaum ein grö­ßeres Publicum - dem der Wald ferner stehe - für dasselbe zu gewinnen wäre.

    Meine Begeisterung für den Wald und seine intelligenten biedern Bewohner ist groß - aber nach ruhiger Überlegung glaubte ich dennoch den Ansichten meines Freundes beistim­men zu sollen: ich habe daher vorerst keine weitern Schritte gethan.

    Lassen Sie Sich aber hiedurch nicht abschrecken; die besten Schriftsteller haben für Ihre Erstlinge oft kaum einen Verleger finden können und, wie herrlich ist es ihnen später gegan­gen!

    Hat Ihre Muse einmal wieder Etwas geschaffen und glauben Sie, daß ein größeres Publicum sich dafür interessiren dürfte, so bin ich gerne bereit, eine Vermittlung für Sie zu versuchen. Gott schenke Ihnen aber feste Gesundheit und frohen, fri­schen Muth auf dem betretenen Wege vorwärts zu schreiten! Erhalten Sie mir Ihre Freundschaft Ihr ergebenster

    Director v. Scholl

    Franz von Scholl
    Stuttgart
    Franz Michael Felder
  • 15. November 1865

    Lieber Freund!

    Mein Bruder sagt mir, daß Du jetzt so stark und gut dran seiest, wie noch nie, und daß Du fleißig am Schreibtisch arbeitest. Nun, das freut mich und ich gratuliere zu Deinem Wohlbefinden. Jakob nämlich, der werdende Hochzeiter, ist der Bruder, der dies sagt und mit seiner künftigen Braut mich eben besucht. Er sagt auch, daß Du jedenfalls zu seiner Hochzeit kommen werdest. Nun, es wäre zwar vielleicht abenteuerlich, aber interessant, wenn wir uns mitten im Hochwinter auf Warth ein Rendezvous gäben, und ich werde daher, wo möglich, auch dahin kommen. Meine verfluchten Bluteiße, die mich diese Zeit her traktieren, werden bis dahin wohl den Weg alles Irdischen gegangen sein, daß dann nichts mehr im Wege steht, dem Geber aller Freuden frisch und frei Jubeltänze zum Opfer zu bringen. -

    Die Übersiedlung ist ganz gut vonstatten gegangen und wir haben uns hier bereits schon eingelebt. Wir haben ein schöneres und angenehmeres Quartier als in Dornbirn, nur die Aussicht kann nicht mehr so schön sein. Wer als Gast zu uns kommt, wird auch besser wohnen und ruhiger, da die Gastzimmer weiter von den Wohnzimmern gelegen sind und das Kindergeschrei nicht dahin dringt. Komme daher und sehe. -

    Seit ich hier bin, bin ich noch nicht recht zu ernsthafterem Studium gekommen; unsere Staatsfragen absorbieren in freier Zeit fast alle meine Aufmerksamkeit. Ich danke dabei häufig im stillen Gott, daß er mich Ungarn hat sehen lassen. Dieses Land, das den meisten Deutschen ein Rätsel ist, übt einen Ungeheuern Einfluß auf uns aus, und es ist ein Unglück, daß wir es nicht besser kennen. Der Deutsche könnte von den Ungarn sehr viel lernen, obwohl er in seiner Blödigkeit es nicht meint. Er wird es schwer büßen, wenn er nicht lernt, frei zu sein, wie der freie Ungar es ist. Ungarn ist ent­schieden das demokratischeste Land in Österreich und ist auch dort am meisten Freisinn zu Hause. Es wird bald ein Höllenlärm in Österreich entstehen, wie noch nie, da in allen Landen getagt und gestritten werden wird, und Du wirst mir dann sagen, ob auch Schallwellen in den hintern Wald getrieben worden und wie sie sich an den dortigen, meist republikanischen Bergwänden reflektieren. Wir Bürokraten stecken den Ungarn heiß im Fleisch, und sie können nicht schlafen, so lange sie unser Schnarchein hören. Ich bin be­gierig, ob es ihnen gelingt, uns in der Westhälfte wegzubla­sen, wie es ihnen in der Osthälfte bereits gelungen ist. Wenn ja, so werde ich ein Käshändler oder etwas dergleichen und werde mit Leib und Seel für die Erweiterung und Consoli­dierung der Volksrechte arbeiten, denn dann, aber erst dann - ist die Bahn frei, die die Deutschen frei zu machen zu miserabel sind. -

    Doch was politisiere ich, ohne zu wissen, ob Du dem jetzigen Gang der  Ereignisse  folgst oder  nicht.  Schreibe  nur  bald, damit ich sehe, woran Du bist und ob mein Plaudern Dein Ohr offen oder geschlossen gefunden. Mit freundlichstem Gruß Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 11. September 1865

    Wie sehr das Lisele „der Welt am Rücken" aus dem Zeug gekommen, beweist der Umstand, daß es diesen Brief hinten auf dem Blatt angefangen. Geld brauchst Du keines zu schicken, denn es geht in die Wirtshäuser und zahlt nicht - aus Vergeßlichkeit - natürlich. Wer's nicht glaubt, mag im Hopfrebenerbad nachfragen. Herr Ober hätte der Beamten­frau einen Spuk machen können, dieser „nobeln Durch­brennerin", wenn nicht als rettender Engel mit zwei papiere­nen 10 Kr. Flügeln mein Wible dazu oder vielmehr hinten­nach gekommen wäre. Weitere Unfälle hab ich nicht zu be­richten.

    Mit Heuen werde ich morgen fertig, am Freitag geht's nach Jemal (Hopfreben) und das Lisele geht mit, und Du? Deinen Bericht hab ich an Jakob gesendet. Wie gefällt Dir Wester­manns Monatsheft? Nächstens werde ich Dir die ,Revue' schicken, die einige interessante Artikel enthält. (Lassalle, Sie­benbürgen, Varnhagen, Thackeray u. a. m.)

    Schreibe bald wieder, denn das Wible (Deins) hat von mir den Briefhunger geerbt. Es muß wohl so etwas in der Luft liegen. Mir war es immer lieb, wenn Du mir fleißig schreiben wolltest.

    Nächste Woche geht's an die Sonderlinge, Kap. 4 - Viele Köpfe, viele Sinne.

    Nächstens mehr, denn die Zeit drängt.

    Mit freundschaftlichem Gruß Dein

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 10. September 1865

    Lieber Freund!

    Der Meusburger ist ein etwas langsamer Patron und seine Bemerkungen sind noch nicht gemacht. Kürzlich setzten wir schätzungsweise  Deine  Arbeit  in  Geld   um,  und  während ich auf den Ansatz von 1000 Fl. kam, wollte er nicht über 400 Fl. hinaufrücken. -

    Den Sozialdemokrat halte ich vom Juli an selbst, und wenn Du das frühere Quartal nicht hast, so brauchst Du mir daher denselben nicht mehr zu schicken. Umso willkommener sind mir die Lassalleschen Schriften. Die Broschüre ,Lage der Ar­beiter und die indirekten Steuern', die Du mir gebracht hast, hat einen merkwürdigen Eindruck in einigen Köpfen hier und in Feldkirch hervorgebracht, sie ist etwas in unserer Gegend Unerhörtes. - Den Julian Schmidt habe ich mit viel Ver­gnügen gelesen, ich werde ihn gelegentlich retournieren. ­Ich werde diesen Sommer nicht los werden und vor Herbst nicht in den Wald kommen können. - Dein Weibl soll mich einmal besuchen. - Den beiliegenden Brief, sei so gut, denen auf Krumbach zukommend zu machen. Bei mir ist alles gesund und wohl. Mit freundlichstem Gruß Dein Freund

    K. Moosbrugger.

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 7. September 1865

    Lieber Freund!

    Die Begleiterin ist gekommen und hat uns die gute Nachricht gebracht. Ich hoffe, daß die Lisel nun ausgerastet und die Nagelbrüh geheilt sei. Koarado Motel sitzt geduldig beim Waibel und wartet auf Erleuchtung. Ich war heute wieder bei ihr und beim Doktor, dieser sagt, er wolle bis Sonntag noch zuwarten und dann selbst Bericht erstatten. Bis jetzt sei wenigstens nichts verdorben. Er erwartet dieser Tage den Dr. Koller von Wien und will ihn zu den weitern Schritten beiziehen. Der Fall scheint schwieriger, als Waibel anfangs glaubte. Mit dem nächsten Botentag werdet Ihr von Waibel das Sachliche erfahren. - Den Brief von Janko [?] habe ich bei Rückkehr von der Lose erhalten; Du kannst ihm sagen, ich habe das Nötige eingeleitet, ich könne aber für den Erfolg noch nicht einstehen. Weil der Schwarzenberger Markt - Vor­markt- auf den Sonntag fällt, werde ich vielleicht selbst dahin kommen und im Schäfle einkehren. - Heute höre ich, daß bei Andelsbuch die Lungenseuche ausgebrochen sei. Dies könnte an den Marktverhältnissen leicht Änderungen herbei­führen. Nun, man wird sehen. Kommt Tat, kommt Rat. ­Das Lisele und den Julius werdet Ihr wohl wieder heraus­expedieren, sobald es ihnen drinnen verleidet. Indessen tut strenge Buchführen und genaue Rechnung pflegen. Strenge Rechnung erhält gute Freundschaft. Jedenfalls soll das Lisele herausfahren und nicht glauben, daß es von dem mitge­nommenen Geld noch etwas bringen soll. Wenn es mehr braucht, soll es nehmen, wo es bekommt oder mir schreiben. - Wir sind gesund und wohl, die Käther besorgt emsig das Hauswesen und singt dabei, das Hausrötele und ich begleiten. Wegen des Rötele soll die Lisel keinen Kummer haben, es ist ganz wohlauf und gedeiht. Für Unkundige die Bemerkung: „Lisel" heißt auf deutsch „min Wible" und „Hausrötele" = „Aloisia". Üsa Mari soll sich Glück wünschen, daß sich die Lisel an ihr verluget hat, sie ist nun ohne Mutterschmerz verjüngt worden. -

    Im übrigen ist hier alles im alten. Mit tausend Grüßen an die Meinen und Deinen Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1865

    Lieber Herr Feldner!

    Unsrem Versprechen zu Folge, ergreife ich die Feder, um Ihnen einige Zeilen von uns zuzusenden. Mit viel Freude erin­nern wir uns täglich unseres schönen Reischens in Eure friedliehen Berge, es gefiel uns gar wohl, u. ohne Ihnen schmeich­len zu wollen, darf ich nicht verschweigen, daß auch Ihre Bekanntschaft, nicht wenig beigetragen, den Reiz zu erhöhen, wir sprechen recht oft von Ihnen, u. freuen uns jetzt schon auf künftigen Sommer, wo wir hoffen, daß Sie, Ihren ver­sprochnen Besuch zur Ausführung bringen, gewiß gefällt es Ihnen auch bei uns einige Zeit, wo freilich das Leben so ganz verschiden von dem Ihrigen ist. - Nun haben wir uns wider ganz in unser Berufsleben eingewöhnt, was einige Tage etwas schwer gehen wollte, das freie unbekümmerte Leben, das man beim Reisen führt, hätte uns schon noch einige Tage behagt, allein, besonders mein I. Vater wurde sehr vermißt, u. mußte sich gleich mit voller Kraft in sein Amt werfen, das ihn auch so in Anspruch nimmt, daß er dißmal keine Zeit findet, Ihnen einen längeren Brief zu schreiben, weßhalb er nur weniges dem meinen beifügen wird. Grüßen Sie H. Greißing, seine Mutter u. H. Pfarrer Rüscher, ich will sehen, ob die bei­den Herrn sich entschließen unser Schwabenländchen zu sehen?

    Herr Stettner schickte uns noch keine Bücher, wir freuen uns sehr auf Ihr (Schwarzocaspale) da wollen wir uns recht hin­einleben in unsre freundlichen Wälderleute. Grüßen Sie Ihr I. Wieble, u. behalten Sie in freundlichem Andenken, bis wir uns Wiedersehen Ihre

    Julie Lemppenau

    BEILAGE: VON JOHANN  LUDWIG LEMPPENAU AUS CANNSTATT

    Cannstatt, d. 16. 9. 1865.

    Mein lieber Herr Felder!

    Gar gerne hätte ich Ihnen einen ausführlichen Brief geschrie­ben, u. Ihnen namentlich die mancherlei Beschwerlichkeiten mitgetheilt, die wir auf unserer weitern Reise zu bestehen hatten. Meine Amtsgeschäfte gestatten dieß aber momentan nicht, und konnte ich heute erst dazu kommen, dem Briefe meiner Tochter Julie, einige Zeilen beizufügen. Ich muß mich also darauf beschränken, Sie zu versichern, daß die Erinne­rung an unsere Reise in den Bregenzer Wald u. an Ihre Bekanntschaft zu meinen angenehmsten gehört, u. daß wir uns Alle herzlich freuen, Sie, so Gott will, im nächsten Jahre bei uns zu sehen.

    Zur Erinnerung an Uns, sowie als einen kleinen Beweiß der aufrichtigen Achtung, die wir für Sie u. Ihre Frau hegen, über­sende ich Ihnen anbei eine kleine Ansicht von Cannstatt, damit Sie sich zugleich auch überzeugen können, daß wir in einer freundlichen Gegend wohnen, die schon eines Besuches werth ist.

    Die Bücher von Herrn Stettner sind inzwischen angekommen. Mit den Ihrigen Sie von Herzen grüssend bin ich Ihr ergebenster Stadtschultheiß

    Lemppenau.

     

    Julie Lemppenau
    Cannstatt
    Franz Michael Felder
  • 1. September 1865

    Lieber Freund!

    Ich beeile mich, Dir mitzuteilen, daß ich das Wible und die Trägerin des kleinen Kleinods, trotz aller Steine des Anstoßes, glücklich durch den Nebel geführt und wohlbehalten zum Nachtessen am runden Tisch gebracht habe. Julius scheint all seine guten und schlimmen Gewohnheiten mitgenommen zu haben; es ist daher nicht zu verwundern, daß er so schwer war. Über die Lose herunter wollte er durchaus und durchab von Mamma getragen sein, daher denn diese ihren Geduld­sack - schleppen mußte, bis er eine gewaltige Blöde und an einer Stelle sogar ein kleines Loch bekam. Unter großem Geschrei des Kleinen und der ihn Beschwichtigenwollenden zogen wir in Angelika Kauffmanns Heimat ein und beim Hirschen vorüber zum Heiligen Kreuz, wo den Traurigen Wein gegeben wurde, wie die Bibel es vorschreibt.

     

    Schon sangen Dichter allerlei

    Oft wunderliche Dinger,

    Doch ist vielleicht mein Lied noch neu,

    Das Lied vom kleinen Finger.

     

    Nicht von dem Finger jener Hand, In der die

    Welten ruhen, Der gestern uns ins Wälderland

    Geführt trotz schlechten Schuhen

     

    Der Finger ist's, der morgens früh Theresen plagt

    und prickelt, An dem sich dann die Nagelbrüh

    Erstaunlich schnell entwickelt.

     

    Des Kreuzwirts Gattin sieht's und eilt,

    Ein Pflaster zu bereiten, Denn

    Holdermus und Honig heilt Die

    Finger alle Zeiten.

     

    Der guten Laun entgegen stand Wie

    eine Kriegesfahne, Der Finger mit

    dem weißen Band, Der Kriegsruf

    heißt: „Ach! ahne!"

     

    Der Weg ist weiter, weiter, ach, Als

    noch vor zweien Jahren; O, sieh doch

    um ein Fuhrwerk nach, Ich möchte

    weiter fahren!

     

    In Mellau war kein einzig Roß, O,

    wehe, weh der Finger, Er schmerzt

    mich jetzt so grenzenlos, Die Füße

    nicht geringer.

     

    Doch in dem ärgsten Ach und Weh

    Kam Babol, o, die Gute, Mit Pflaster,

    Liebe und Kaffee Droht sie dem

    Übeln Mute.

     

    Doch, Liedchen, werde nicht so lang

    Als gestern die Gesichter, Die auf dem

    großen Schmerzensgang Geschaut

    ein armer Dichter.

     

    Man weiß es wohl, zwei Jahre sind

    Sehr lang, und eine Reise Mit einem

    Schwager, einem Kind, Ist keine

    Hochzeitsreise.

    Therese sagt, ich soll Dir schreiben, sie sei gar nicht müde gewesen, nun ich habe es getan. Jetzt wenigstens sind Mutter und Kind wohl. Der Finger macht sich.

    Hier hast Du 5 Hefte. Das 6. werde ich nachsenden und Du kannst dann den Band auf meine Rechnung einbinden lassen. Die - nach meiner Ansicht besten - und schlechtesten Aufsätze findest Du im Inhalt auf dem ersten Blatt - Umschlag angestrichen. Was macht das Bäsle, was sagt Meusburger? Lebe wohl! Dein Freund

    Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. August 1865

    Lieber Freund!

    Das Paket samt brieflichem Inhalt habe ich erhalten. - Der Doktor Waibel teilte mir folgendes mit: Der Augenoperateur, den Du meinst, Doktor Koller aus Wien, sei jetzt eben dran zu heiraten und werde eine größere Reise machen, weshalb es sehr unwahrscheinlich sei, daß er heuer hieher komme. Wenn Dein Bäsle wirklich am Star leide, sei er - Waibel ­bereit, denselben zu stechen und die Operation zu über­nehmen. Er sagt, man meine manchmal, ein Augenleiden sei der Star, und bei der Untersuchung zeige sich ein anderes Leiden. Er gibt daher folgenden Rat: Das Bäsle möge heraus­kommen und sich untersuchen lassen, es soll aber bereit sein, entweder längere Zeit, bis zur Heilung, hier zu bleiben, oder von hier nach München zu reisen. Wenn es den Star habe, so übernehme er es zur Heilung ohne Anstand, wenn es ein Leiden habe, das er sich nicht zu kurieren getraue, so werde er demselben die weitere Anweisung geben. ­Hiezu meine ich folgendes:

    Doktor Waibel ist ein sehr geschulter und gebildeter Mann, ein eifriger Anhänger der Wiener Schule. Daß die medi­zinische Wiener Schule die erste in Deutschland und vielleicht in der Welt ist, ist bekannt. Er gilt nebst Dr. Schmid für den besten Arzt dahier. Ich würde das Bäsle ihm ohne Bedenken anvertrauen und jedenfalls lieber als einem Münchner Arzt. Er würde zum Starstechen wahrscheinlich den Schmid oder Müller von Bregenz beiziehen, die beide in diesem Fach auch praktisch sind. Daß die Kur längere Zeit fordert, wirst Du wissen, da es sich nicht bloß um das Stechen und Entfernen des Stars handelt, sondern auch um allmähliche Angewöh­nung des Auges an das Licht, was nur methodisch ge­schehen darf. Dem Doktor Koller mußte man für eine Kur 50 Fl. ö. W. zahlen und sich selbst verpflegen. Was es beim Waibel kostet, weiß ich nicht, aber jedenfalls kostet es Geld, womit Du das Mädchen oder dessen Begleitung ausrüsten mußt.-

    Die Blumenlese aus der Predigt halte ich nicht geheim und ich weiß schon nicht, wohin sie wandert, da ich dem Waibel erlaubte, sie auf seinen Wunsch abzuschreiben. Waibel hat auch gemeint, der Professor Häfele von Hohenems, der jetzt da ist, hätte Zeit, Dein Manuskript zu lesen und zu kritisieren, ich weiß nicht, ob ich es ihm geben soll. Meusburger ist noch nicht zu Ende gekommen. Den Brief nach Krumbach wirst Du befördert haben.

    Sonst nichts Neues, als daß wir auf die Überschattung warten, wodurch wir befähigt werden, das zu fassen, was Du  uns sagen wirst. ­Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 15. August 1865

    Lieber Freund!

    Mein Bäschen Maria Anna Felder (Koarado Motol) wünschte sich vom Augenarzt Waibel operieren zu lassen. Sie ersuchte daher Dr. Waiser, ihr sofort dessen Ankunft in Dornbirn mitzuteilen. Es scheint nun fast, ob Waiser auch das wie so manches andere vergessen habe. Ich ersuche Dich daher in ihrem Namen um baldige Antwort auf folgende Fragen:

    1.            Wird der Operateur N. N., den man ja erwartete, kom­men?

    2.            Wann?

    3.            Ist er schon da?

    4.            Würde, wenn er nicht kommt, Herr Waibel die Operation (Starstich) vornehmen, möchtest Du Dich ihm anvertrauen?

    Das Bäsle würde nach München reisen, wenn in Dornbirn nichts zu erwarten wäre. Schreibe daher gef. so schnell, als es Dir möglich, und sende den Brief an mich, der vielleicht bald Vaterstelle an der Unglücklichen wird vertreten müssen. Dein Freund

    Felder.

    Blumenlese aus der heutigen Predigt

    Der Leichnam der Gottesmutter hat daher den Tod  nicht geschaut.

    Sorget daher vor allem dafür, daß die Seele gut sterbe.

    In ihrem Grabe sah man nichts als Blumenduft.

    usw. Wörtlich wahr!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 15. August 1865

    Lieber Freund!

    Hier sende ich die gewünschten Schriften, die ich teilweise fast auswendig gelernt habe und wohl so fleißig las, als das je bei einer Sammlung der Fall war. Ich hatte die Absicht, Dir auf den vorigen Brief - der meine Nerven weit weniger angriff, als Du zu erwarten schienst - noch einige Anmer­kungen zu machen, doch sie werden sich ja im II. Bande finden. Ist Dein und Meusburgers Urteil im Verhältnis Eurer Schätzung ungleich? Ich erwarte etwa 600 Fl. und würde mehr nicht verschmähen. Letzte Woche besuchte mich auch Dr. von Scholl (Stuttgart), ein Freund des alten (seligen) Freiherrn von Cotta. Er hatte meinetwegen bei schlechtem Wetter den Weg „da herauf" (von Au) gemacht und schien sich sehr für mich zu interessieren. Er versprach mir für meine Arbeiten einen tüchtigen Verleger, Cotta oder Hoffmann, zu finden. Im Lauf dieses Jahres versprach er, mir mitzuteilen, was er für mich habe tun können. Herr Bergmann wird wahrscheinlich noch diese Woche hier eintreffen. Der Pfarrer in Au hat bereits ein Quartier für ihn bestellt, auch Stettner in Lindau will diese Woche hereinkommen und mich besuchen. Diese Tage hätte ich fast Lust gehabt, mich und das Wible mit einem Besuch in Dornbirn zu erfreuen. Doch es geht nicht, denn die Mutter wird vom Kinde, ich von ändern Arbeiten festgehalten. Gott bessere es!, würde Barthle sagen, der religiöse Kopfmensch. Ich hätte Dir so noch manches aus unserer Heimat zu be­richten, aber ich werde es für die frohen Stunden aufsparen, in denen mir vergönnt sein wird, mit Dir zu reden. Jetzt studiere ich nordische Dichter. Byron, Björnstern, Burns u. a., ich fühle, daß ich von diesen noch viel zu lernen habe, und ich ahne, daß eigentlich der Roman nicht mein einziges, vielleicht auch nicht mein Bestes sein wird. Lyrik! Was meinst Du. Die Schilderung des innern gelingt mir besser als die des äußern Lebens, was wohl zum Teil davon kommen mag, weil ich mehr dachte und fühlte, als ich sah. Jedenfalls werde ich, sobald ich die Sonderlinge abgefertigt habe, mein Glück als Lyriker versuchen. Herr v. Scholl fand z. B. mein Gedicht ,Die Stickerin' so gelungen, daß der fleißige Handschriftensammler mich ersuchte, es ihm aufzuschreiben.

    Auch die bairischen Beamten lesen, wie ein solcher mir mit­teilte, sehr fleißig im Lassalle, dessen Schriften auch in Süd­deutschland viel verbreiteter seien, als man meine. Bei den in diesem Sommer vorgekommenen Holzversteigerungen ist's ungemein still zugegangen. Die Pachtzinse werden niedriger, überall fehlt's am Geld.

    Der neue Kurat in Rehmen scheint mir hier herum der beste Prediger zu sein, nur zu gemütsvoll, um den Leuten verständ­lich zu sein. Der unsrige - O schade um das Evangelium, welches er zum Text nimmt!!

    Die pomphafte Ausschreibung des Hopfrebenbads, die bei­nahe der meines Nümmamüllers in der Landeszeitung glich, in der Allgemeinen Zeitung, vermutlich vom Albrecht in Bregenz, wirst Du gelesen haben. Auch mit unserm Kronen­wirt soll's bald Mathias am letzten sein. Von den Anmerkungen zu Deinem vorigen Brief nur fol­gende:

    Schwarzokaspale ist ein Emporkommender, Sepp ein Empor­gekommener. Daß die beiden sich ähnlich? sein müssen (äußere Verhältnisse), hat seinen bösen Grund. Widrige Komik vermag ich in der Darstellung der tätigen Mutterliebe nicht herauszufinden und möchte an Iffland (Jäger), Gotthelf (Kathi) u. a. erinnern, deren Schilderungen man doch nicht seelenlos nennt. In Klausmelker habe ich einen mit sich selbst Uneinigen  zu  schildern  versucht,  solche  Leute zeigen  sich besser, als sie sind. Sie kämpfen  mit Kopf und Herz  und werden schließlich von den Verhältnissen bestimmt. Ist diese Uneinigkeit im Briefe nicht? Ich glaube ja, nun, und er selbst wird noch kommen.

    Ich hätte noch vieles zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht fassen.

    Also lebe wohl, teurer Freund, und vergiß nicht

    Deinen alten

    F. M. F.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 30. Juli 1865

    Geliebter Freund!

    Vor allem meinen herzlichsten Glückswunsch. Möge auch Euer Mädchen so viel Freude machen als ich von meinem Mikle wünsche und hoffe!

    Schon hält' ich fast zu glauben angefangen, Du seiest beim Lesen meiner Sonderlinge eingeschlafen und seitdem nimmer wieder erwacht. Da endlich kommt ein Brief - und zwar ein dicker, ich freue mich, wie nur ich mich freuen kann über einen Brief- und einen von Dir.

    Ich lese und - meine Freude wächst.

    Wird doch glücklicherweise der zweite Teil beinahe alles das bringen, was Du Dir wünschest, wie Du schon aus dem Schlüsse des ersten ersehen kannst. Der erste Teil führte die Personen und Verhältnisse vor, in kurzen, beinahe zusam­mengewachsenen Abteilungen leitet er die erst am Schlüsse mehr Einheit gewinnende Handlung ein, er tat also - ohne Ruhm zu melden - alles, was der erste Teil eines Romans tun kann. Der Schluß (letztes Kapitel) läßt auch den Schluß des Ganzen ahnen. -

    Nur habe ich folgendes zu bemerken:

    Klausmelker ist noch gar nicht aufgetreten. Erst sein per­sönliches Erscheinen wird zeigen, wie unverderbt? er ist und wie wahr? er in jenem Briefe sich darstellte. Franz steht schon jetzt nicht mehr beim Vater und er wird, dank der Mutter und dem Sennen - Volk - sich immer mehr von ihm entfernen.

    Barthle und Sepp - ist er nicht ein wahrer Fortschrittler in mancher Beziehung - werden auf den Kopf gestellt, sie müssen ihr Wesen selbst erkennen, um davor zu erschrecken, sie brauchen ja nur durchgeführt zu werden und sie stellen sich ihr Armutszeugnis selbst aus.

    Das alles nun in Gang zu bringen, ist meine Sache, und ich hoffe damit fertig zu werden, denn schon ist wieder manche Schwierigkeit beseitigt; drei Kapitel des zweiten Bandes sind geschrieben und der Plan bereits zu Ende gezeichnet. Also bis übers Jahr wirst Du klatschen können. Offen gesagt, würdest Du sicher im Werke nicht einen so heillos trockenen, unpoetischen Schluß (2 mal 2 ist 4) geahnt und gefürchtet haben, wenn Du nicht die Ehre hättest, mich persönlich zu kennen.

    Merke also: „Der Dichter gibt in seinem Werke nicht sich selbst, sondern nur das Beste von ihm.'

    Auf Meusburgers Bemerkungen bin ich sehr begierig. Laß mir ihn grüßen. Und teile ihm, wenn Du willst, das Obige mit. Die Schröckner werden, wie ich durch Zufall erfuhr, ihre Kirchenbau-Angelegenheit auf dem Landtag (?) bringen. Ich habe das - nach allem zu urteilen - von Canahl veranlaßte Schriftstück gelesen und teile es Dir nur mit, weil es Dich vielleicht interessiert zu erfahren, daß es seine Spitze nicht nur gegen den Dekan, sondern gegen Herrn Mathis in Bezau kehrt.

    Auf den Sack schlägt man, den Esel meint man.

    Schiller.

    Doktor Hildebrand in Leipzig hat mir einen Bogen des Grimm'schen Wörterbuchs zugeschickt, in welchem eine Stelle aus meinem Nümmamüller zitiert ist.

    Die Reisenden besuchen mich jetzt öfter als mir lieb ist. Ich gehöre eben auch zum Bregenzerwald, wie etwa ein Berg, nur nicht gerade zu dessen Schönheiten. Bedauert hab ich, daß mich der Buchhändler Purfürst von Leipzig nicht zu Hause traf, jetzt aber ist's mir ganz recht. In letzter Zeit hab ich auch einige Kleinigkeiten zusammen­gestellt und an die Redaktion der - Fliegenden Blätter ge­schickt, es sind im ganzen 12 Stücke, davon das größte und bedeutendste den Titel führt: ,Auch eine Dorfgeschichte', und worin der diese Dichtungsgattung nach meiner Ansicht unschön machende Realismus lächerlich gemacht wird. Die Dorfgeschichte hat nämlich nach meiner Ansicht nicht die Aufgabe, den Bauern dem Kulturvolk gegenüberzustellen, sondern sie soll in den Verkrüppeltesten Gestalten noch das Allgemein-Menschliche zum Ausdruck kommen lassen. (Siehe Klausmelkers Brief, den Du - nebenbei gesagt - später psychologisch nicht mehr gar so unwahr finden dürftest, in welchem Falle dann nur noch das frisch gewaschene Hemd wieder beschmutzt werden dürfte, wogegen ich aber viel­leicht noch Einwendungen machen werde.) Den Lassalle, so wie die neuesten Nummern des jetzt täglich erscheinenden Sozialdemokrat werd ich Dir nächstens über­senden, da ich in diesem Sommer wahrscheinlich nicht Zeit habe, Dich mit dem Wible zu besuchen. Werden wir Dich nicht einmal hier sehen? Du wirst Deinen Freund an Leib und Seele gesund und so wohlauf wie lang nicht mehr finden. Interessant war mir, in der Allgemeinen Zeitung zu lesen, daß auch Huber in München über die Ergebnisse der Lassalleschen Lehre denkt wie ich, daß er darin ein Streben nach Herrschaft der Arbeit, nicht nur des Arbeiters findet, indem jeder Arbei­ter Unternehmer wird, auch die neueste Nummer des Sozial­demokrat scheint das sagen zu wollen mit den Worten: Auch dem Schwachen, Talentlosen müsse geholfen sein und es werde ihm geholfen, wenn er teilnehme an dem, worauf nun einmal jeder Mensch Rechte habe.

    Ich erwarte eine baldige Antwort, womöglich mit Meusbur­gers Bemerkungen, es tut einem wohl, auch fremde Ansichten zu hören über etwas, in was man sich zu tief hineingelebt hat, um noch darüber urteilen zu können.

    Es dunkelt, und morgen geht's wieder ins Bergheu, drum eilte ich so mit diesem Briefe, wie Stil und Schrift Dir zur Genüge bewiesen haben werden. Du sahst, daß ich zwei Mal auf meine Sonderlinge zurückkam, wodurch ich mich aber nicht als einen Sonderling, sondern nur als einen echten Literaten zeigte, der wie jeder Mensch am liebsten vom Seinigen redet. Von dem, was ich auch das Meinige nenne, ist das Beste zu sagen. Das Wible ist gesund und zieht und nährt ein gesundes Mikle, Kaspar lernt reden und Jakob fragt oft mehr, als ich zu beantworten weiß. Die Heuernte war vom besten Wetter begünstigt, ist aber sehr ärmlich ausgefallen. Ein Lechthaler Kapitalist (Schwarz) bringt die Wälder sehr in Verlegenheit, indem er etwa 80.000 Fl. aufkündet, auch ich werde für 400 Fl. zu sorgen haben.

    Der neue - 27jährige - Doktor macht sich schnell beliebt, sonst weiß ich nicht viel von ihm, obwohl ich ihn schon mehrere Male antraf. Die beiden neuverheirateten Auerinnen sollen sich - wie sie jedem sagen, der es hören will - in ihrer neuen Heimat recht glücklich fühlen.

    Doch ich komme auf Personen und Sachen, deren Erwähnung zur Genüge beweist, daß es mit meinem Latein zu Ende ist, und von den Sonderlingen mag ich auch nicht mehr anfangen. Also  lebe  wohl  und  erfreue zum  Ersatz  für  Dein   langes Schweigen recht bald wieder mit einem Briefe Deinen treuen Freund

    Franz M. Felder

    Auch eine Dorfgeschichte

    Es war gerade am Jahrestag der großen Schlägerei beim Adlerwirt, nämlich am Bonifaziustag, an welchem die Weiber nach der Messe ihre Kaffeebohnen an die Sonne zu stellen pflegen, damit sie einen guten Geruch bekommen; auch war der Tag just wieder so herbstmäßig unfreundlich und kalt wie im letzten Jahre, so daß die Vögel ihre neugelernten Früh­lingslieder gar nicht zu singen wagten.

    Ein deutlicher Beweis dafür, wie sehr die Naturerscheinungen auf den Menschengeist wirken, wie sie das Tun und Lassen noch unverkünstelter Naturmenschen bestimmen, ist der Um­stand, daß heute mehrere Bauern in den das Dorf wie ein grüner Kranz umschließenden Tannenwald gingen, um für den nächsten Winter das Brennholz zu fällen; also eine Arbeit zu verrichten, die sonst immer für den Herbst aufgespart wurde.

    Im Dorfe war es so still, daß man die Schläge der Holzhacker im Walde draußen hätte zählen können. Das Geschrei der Hähne und das Gegacker der Hennen war verstummt, die Ställe waren schon geschlossen, und wer sich nicht im Wald oder sonst irgendwo befand, war zur Siebenuhrmesse ge­gangen.

    Ein großer Mann in kurzen Lederhosen und Strümpfen, denen man es noch ganz gut ansah, daß sie weiß sein sollten, schritt langsam zum Dorfe hinaus. Es war Theresen-Tonis-Sepps­Leonhards-Buben Bub.

    Zwar war er kein Bub mehr; sein erstes Weib ruhte schon draußen auf dem Friedhof, und Greth, sein jetziges Haus­kreuz, hatte ihm eben gesagt, daß er „ein käsefauler Mensch sei, der da müßig im Dorfe herumstolpere, während sonst alles im Schweiße des Angesichtes Brot esse". Bub bezeichnet man häufig den einzigen Sohn, der durch keinen Namen von einem Bruder unterschieden werden muß, also den alleinigen Erben, den Wohlhabenden. Als Theresen-Tonis-Sepps-Leonhards-Buben  Bub  durch  den Wald neben dem Dorfe schritt und an gar nichts dachte, fiel hart neben ihm eine tödlich-getroffene Tanne laut schreiend und krachend zu Boden.

    Theresen-Tonis-Sepps-Leonhards-Buben Bub - den wir der Kürze wegen von jetzt an Bub nennen wollen - lief, so schnell er konnte und schneller als es von einem alleinigen Erben des schönsten Anwesens im Dorf zu erwarten war, denn er fürchtete, erschlagen zu werden, und beschloß daher zu fliehen. Ja, dieses Gefühl der Furcht war bei diesem sonst gefühllosen Bauern so groß, daß er die zu seiner Rechten sich auftuenden Abgründe gar nicht mehr beachtete - und leider auch die vielen Steine des Anstoßes achtete er nicht, die vor ihm auf dem Wege lagen.

    Obacht auf den Tritt,

    Daß stolperst nit,

    ist eine Bauernregel, die jeder Vater seinem Sohne einschärft. Auch der Bub hatte sie oft und oft gehört, aber wie noch so manches andere längst wieder vergessen; er gab nicht Obacht, daher stolperte er.

    Ja, er stolperte und fiel über den Weg hinaus und ihm war so weh ums rechte Knie herum, daß er gar nicht mehr auf­stehen konnte. Nur noch schreien konnte er, und zwar lauter als das Waldbächlein rauschte und lauter als die Holzsägen rasselten.

    Die Vögel flogen erschrocken hinweg; die nächsten Arbeiter eilten erschrocken herzu, zogen den Verunglückten herauf und machten schnell eine Tragbahre aus Tannästen, um den kein Mensch wußte wie schwer Verwundeten recht schnell heim unter die zärtliche Pflege seines Weibes zu bringen. -

    Ereignisse gleichen oft Schneeballen. An und für sich sind sie nicht gefährlich, aber auf dem Wege vom Wald ins Dorf können sie zur Lawine werden. So war es auch diesmal. Wie unbedeutend auch die Verletzung war, es hieß im Dorfe gleich: „Theresen u.s.w. Bub hat ein Bein gebrochen!" Und der Dorfarzt war bei weitem nicht der Einzige, der lächelnd die möglichen Folgen dieses „interessanten Falles" berech­nete. Der Seelenhirt des Ortes aber dachte sogleich an des Un­glücklichen unglückliches Weib und er eilte, um ihm selbst diesen gallenbittern Tropfen im Weine der Religion beizu­bringen.

    Vor der Haustür hielt er eine wunderschöne Vorrede; dann in die Stube tretend, sagte er: „Also fasse dich und höre den Willen Gottes: dein Mann hat ein Bein gebrochen." „Nicht wahr, es war das Rechte?", fragte das gottergebene Weib.

    „Ja, ich glaube", sagte der Pfarrer. „Das hab ich gedacht." „Warum?"

    „Nun seht, der Klotz lag den ganzen Winter beim Ofen, und immer auf einer Seite, immer mit dem rechten Bein hart am heißen Stein, da mußte der Fuß zu dürr werden und brechen bei nächster Gelegenheit. Da hat ers nun! Man muß sich halt auf der Welt zu drehen und zu wenden wissen!"

    Auf einem Friedhofe Vorarlbergs war noch vor wenigen Jah­ren folgende Grabschrift zu lesen:

    Hier ruht

    Sebastian Gut

    Der auf Weib und Kind thut

    Warten

    In diesem Rosengarten.

    Im Leben war er roth wie Zinnober

    Und starb am 28sten Oktober,

    Am 30sten war er eine Leiche

    Und jetzt ist er totenbleiche.

    Bauernjunge: „Aber mein Vater kennt doch gar keine Scho­nung und hat keine Rücksicht. Heuen müssen ist recht; aber er will immer grad bei der allerärgsten Hitz heuen!" „Aber diese wahrhaft prachtvolle  Hauseinrichtung!  ich  be­wundere nur die - Alles Silber!?"

    Ja,  in  meinem   Hause  ist alles Silber,  sogar  der  kupferne Waschkessel.

    Aus einer Rezension: Jedermann wird dies Buch mit Vergnügen aus der Hand legen.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 25. Juli 1865

    Lieber Freund!

    Ich habe wieder ein Kind erhalten, und zwar ein Sonntags­kind und wieder an einem Dreiertag, nämlich am 9. d. Ms., und heißt „Aloisia", wonach leicht herauszubringen ist, daß es ein Mädchen. Es ist gesund und wohl und die Mutter des­gleichen. - Die Schriften Lassalles wirst Du nun gelesen haben. Wenn Du Propaganda damit machen kannst, ist es recht, dann behalte sie, wenn nicht, so schicke sie mir wieder. Hier sind Leute, die sie lesen möchten. Ich retourniere Dir dann Dein Manuskript, das ich nach gemachtem Gebrauch dem Meusburger gegeben habe, der sagt, er wolle es auch lesen und Bemerkungen machen. ­Meine Bemerkungen sind folgende:

    Das Ziel und der Endzweck des Ganzen ist aus dem Vor­liegenden nicht zu entnehmen, da das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Es kann daher auch kein vollständiges Urteil abgegeben werden. Das, was vorliegt, ist eine sehr schöne Arbeit, bei der mit viel Geschick Mühe und Fleiß, welche in Anwendung kommen, in den Falten des künstlerischen Ge­wandes verborgen gehalten werden. Der Hauptwert des Vorliegenden ist der ästhetische. Ob es noch an einem höhern Wert, dem der vollen inneren Wahrheit, partizipiert, kann vorläufig nicht bestimmt erkannt werden. Jedenfalls aber wohnt ihm zum mindesten sehr viel relative Wahrheit inne und es hat daher auch einen bedeutenden didaktischen Wert. Die Form ist im allgemeinen sehr gelungen und künst­lerisch. Der Stoff trefflich geordnet und die Erzählung frisch und naiv. Letzteres involviert ein spezielles künstlerisches Verdienst, da es eine harte Aufgabe ist, eine solche Masse schweren Gedankenmaterials zu verarbeiten, ohne daß der Gedanke irgendwo in der fast sprichwörtlich ihm zugeschrie­benen Blässe erscheint. Wenn es diesem aber öfter an Plastik gebricht, so ist dieser Fehler unvermeidlich, da der innerste Gedanke sorgfältig verborgen werden zu wollen scheint. Man müßte sagen, der Stoff werde zu breit getreten, wenn es sich um die Zeichnung tatkräftiger Menschen handeln würde. Da aber nur Leute dargestellt werden, die nach selbstge­machten Gedanken und nach ihren eigenen Gefühlen leben, so hätte noch mehr ins Breite gemalt werden können. Denn da sind die Gedanken und Gefühle (das was das Leben be­stimmt) die Hauptsache, und diese werden eben nicht stets so weit und durchsichtig vorgeführt, daß man alle Haken und Ecken und auf den Grund sieht (teilweiser Mangel an Plastik). - Es liegt im Stoffe, daß wenig Handlung ist. Die Erfindung kann daher ganz einfach sein. Sie ist aber in der Tat für eine Geschichte zu einfach. Wir haben sozusagen noch nichts, als zehn Szenen aus dem Wälderleben, d. h. soviel Szenen als Kapitel, eine Kirchplatzszene, eine Wirtshausszene etc. Diese Szenen sind für sich und zusammen ganz trefflich, aber wie kann man das eine Geschichte heißen. Wenn man gar weiß, daß Du schon ein Schwarzokaspale geschrieben hast, so muß man die Erfindung ärmlich, sogar schon mo­noton finden. Der Hauptheld muß auch wieder als Bettler in der Fremde gewesen sein, dort mit Hilfe eines ändern sich Geld gemacht, ja er muß sogar wieder geerbt haben, um als Held im Bregenzerwald figurieren zu können. Beiläufig be­merkt, weiß ich nicht, wie Du keinen Widerspruch zwischen diesen Antezedentien des Sepp, der eigentlich nur durch Zufall (Vetter, Erbe) zu Geld kam und seinem spätem Auf­treten, wo er alles durch sich selbst ist und hat, finden kannst. Doch bei solchen Erzählungen, wo Gedanke und Gefühl als Souveräne auftreten und wie alle Souveräne den Anspruch erheben, das Leben konstruieren zu wollen, kann die Hand­lung nur Nebensache sein, bloß da, um jemanden zu haben, an dem sie ihre Wirkung zeigen. So schrieb man früher sogenannte Weltgeschichten, die nichts anderes waren als Geschichten der Fürsten und Könige, während das Volk nur den Reflex der Großherrlichkeit derselben bildete. -

    Die Sprache ist gebildet und dem Stoffe angemessen, doch, wie die gebrauchten Bilder (z. B. der öfter vorkommende Hund), hie und da zu grobbäurisch, um ästhetisch zu sein. Auch habe ich bemerkt, daß sich Sätze nicht ganz regelrecht folgen. Du mußt die Arbeit überhaupt noch durchlesen, es kommen auch viele Schreibfehler vor und sind ganze Worte und Satzteile ausgelassen. Ich habe nichts korrigiert und auch nicht stellenweise Notizen gemacht, weil ich zu viel Zeit hiezu gebraucht hätte. Du mußt Dich daher mit meiner Ansicht über das Ganze begnügen. Interessant ist diese Arbeit in didaktischer Beziehung: Das Denken und Fühlen dieser Naturmenschen ist vorzüglich dargestellt, so lange sie Im Bregenzerwald sind. Der beobachtende Sinn dieser Men­schenklasse ist feiner und zarter (Mariann), das Gefühl inten­siver (Mari), die Leidenschaft heftiger (Barthle), als bei Kultur­menschen, und wo der Verstand seine Funktionen übernimmt (Sepp, Franz) produziert er ganz respektable Doktrinen. Bei Sepp und Franz tritt auch die Gewalt, die der Gedanke auf den Naturmenschen ausübt, schön hervor. Im Senn zeigt sich der Mensch, bei dem zur Natur auch Kultur kommt, und wenn in ihm typisch gezeigt werden soll, wie der eigentliche Wälder ist oder sein soll, so hätte der Künstler eine gute Wahl ge­troffen. Auch in anderer Richtung sind die Naturleute trefflich gezeichnet: Die Kritiker am Kirchplatz, die Schnäpsler, das Weberle etc. zeigen, wie gemein derlei Menschen überhaupt sind. Es tritt aus der ganzen Erzählung recht schön hervor, wie die kleinen Naturalisten von kleinern und die großen von größeren Leidenschaften regiert werden und wie die höchste Weisheit, die diese Leute produzieren, darauf hinaus läuft, ein Gleichgewicht in den Trieben zu Stande zu bringen. Es ist erbaulich, wie diese Leute glauben, im Krieg miteinander leben zu müssen, bloß weil der Kopf (Sepp, Franz, Klaus­melker) Kopf und nicht mehr bloß ein Appendix vom Herzen (alle ändern agierenden Personen außer Pfarrer und Senn) sein will. Es ergibt sich auch auf die unschuldigste Weise, viel­leicht vom Dichter selbst nicht vorgesehen, daß der Naturalist* als solcher rein nichts vermag. Alles muß ihm von außen gegeben werden. Der Fortgeschrittenste derselben vermag nicht einmal aus eigener Kraft sich soviel Geld zu erwerben, um ein Bauernanwesen kaufen zu können. Da diesen Leuten das Geld alles ist, weil eine Existenz, wie sie sie wollen und nicht anders denken können, ohne solches rein unmöglich ist, zeigt sich hierin die Ohnmacht des Gedankens überhaupt, wenn er sich anmaßt, das Leben konstruieren zu wollen. ­Doch ich sehe vielleicht zu viel voraus, wenn ich annehme, daß Naturalismus nicht das letzte Wort des Dichters ist. Bis dieses gesprochen ist, sei mit Vergnügen konstatiert, daß der Naturalismus vortrefflich gezeichnet ist und zur Doktrin des­selben hier sehr wertvolles Material vorliegt (relative Wahr­heit). - Noch viel wertvoller und reicher würde letzteres aber sein, wenn der Künstler den Naturalismus als solchen sich objektiv gestalten und bis in die letzten Konsequenzen ab­wickeln ließe, wo es dann so werden müßte, daß er nur ein Teil eines höhern Ganzen ist und sein kann. Dann käme der ganzen Erzählung volle innere Wahrheit zu. ­Das Motto, das dem Werk vorgesetzt ist, erzeugt aber leider schon den Verdacht, daß der Künstler die Sache nicht so zu erfassen gedenkt. Ich würde bedauern, wenn die Spannung und Überraschung nicht darin liegen sollte, daß diese Leute alle durch die Bank, mit Ausnahme des Sennen und vielleicht einiger Frauenspersonen, beim letzten Gericht (Erzählungs­ausgang) weder kalt noch warm und daher verwerflich be­funden werden sollten, außer sie lenken noch ein. ­Wenn die Erzählung nur den bisher dargestellten Natura­lismus predigen sollte (es besteht kein innerer Unterschied zwischen den Kopf- und Herzleuten, wie Du schon oben bemerkt haben wirst), wird folgendes gelehrt: Reichtum, Armut, Besitz, Ansehen, Glück etc. ist nur ein Zufall und der Mensch hievon abhängig. Der Mensch soll sich ducken und mucken, d. h. sich als Kind des Zufalls be­trachten, je mehr er ringt und strebt, desto offenbarer wird seine natürliche Leerheit, desto starrer, desto naturfester wird er. Der gewöhnliche Mensch ist daher wie Dorngebüsch, der große Mensch wie ein Eichenstamm (Motto). Daß es hiebei niemanden einfallen kann, den Armen und Bedrängten ge­genüber den befehlenden Reichen gewisse Rechte einzu­räumen, daß es auch keine Pflicht und keine Tugend mehr gibt, ist klar, und Unrecht ist dann nur, daß sich jemand gegen diese Ordnung der Dinge sträubt. Die Arbeiter des Sepp haben kein Recht zu fordern, was ihre Arbeit wert ist, sondern sie haben es dem Glück zuzuschreiben, daß ihr Meister so klug rechnet, daß sie bei einigen Kreuzern mehr Lohn ihm bedeutend mehr Nutzen schaffen, d. h. daß er es versteht, sie für sich mehr auszubeuten als andere Meister. Diese Ordnung der Dinge ist diejenige, die in Deutschland jetzt bekämpft wird und die jeder, in dem noch ein Funken Moral lebt, bekämpfen soll. Das ist die Größe Lassalles, daß er die Fahne zu diesem Streit erhoben hat, verstanden Herr Schulze - Delitzschle!

    Ich will Dir an einem Beispiel zeigen, wo diese Wälder­Naturalisten, wenn sie so bleiben und sich so fortentwickeln sollten, ihre Berührungspunkte haben und behalten werden: Wenn die Mariann aus dem langsamen Hämmern des Sepp dessen Gedanken errät, so ist dies eine Heldentat, die nur bei den amerikanischen Wilden auch noch produziert werden kann, da dort vorkommt, daß einer aus der Lage und dem Aussehen eines Reisstengels entscheiden kann, wann sein Feind an der Stelle war und welche Richtung er eingeschlagen hat. Obwohl daher diese Wälder gerade nicht in die dortigen Urwälder passen würden, so hätten sie doch dort ihre ver­wahrlosten Kultur- resp. Nichtkultur-Vettern zu suchen und sie würden zugleich finden, daß dort Dorngebüsch und Eichenstämme noch besser gedeihen als im Bregenzerwald. ­Der Sepp zahlt die Strafgelder ohne Anstand, um nicht zu Gericht zu müssen; wie miserabel erscheint hiedurch dieser Wilde gegenüber einem Kulturmenschen ähnlichen Schlags, der die Strafe nicht zahlt und so das Gericht zwingt, zu ihm zu kommen und ihm sein rechtliches und vermeintlich nicht verfallenes Gut zu nehmen, d. h. ein Unrecht zu begehen. Solche Leute gibt es glücklicher Weise z. B. hier, und in Tirol ist der Fall vorgekommen, daß man bei einem wackern reichen Bürger durch zwanzig und mehr Jahre jährlich die Grundsteuer im Exekutionswege eintreiben mußte, weil nach seiner Meinung die Regierung kein Recht auf die Steuer hatte. Die Ungarn haben auf diese und ähnliche Weise ihr natio­nales Recht wieder erobert. Du wirst fühlen, worin der unge­heure Unterschied besteht. Bei dem Wilden ist jede Regie­rung, auch die schlechteste, am Platz, beim Kulturmenschen nur eine gerechte und jede andere unmöglich, und während jener immer tiefer in seinen Schlamm sinkt und von der von ihm selbst korrumpierten Regierung noch mitgeschoben wird, erhebt sich dieser in beständiger Wirkung und Gegenwirkung kurz zu einem immer bessern Dasein. Doch das sind Sachen, die Dir nicht fernab liegen können. Du wirst wohl schon lange herausgefühlt haben, daß seit ehedem kein hinreichend lebendiger Kontakt des Bregenzerwaldes mit den übrigen Kulturen besteht und daß sich deshalb daselbst ein verwerf­licher Naturalismus oder, wenn Du willst, Materialismus breit gemacht hat, den Du vortrefflich schilderst. Es wäre schade, wenn noch einer nach Dir kommen müßte, um Dein Werk zu ergänzen und einzurahmen, wenn man sagen müßte, Du habest Dich nicht über Deine Umgebung erhoben. - Ich will das Bessere hoffen und abwarten. Indessen verspreche ich zu klatschen, wenn Du im zweiten Teil dem Staat und der Kirche wuchtige Schläge versetzest, weil sie die braven Wäl­der so vernachlässigten und verwildern ließen. Ich will Dir Beifall zollen, wenn Du der Februarverfassung soviel wohl­tätige Wirkung zuschreiben willst, daß einige dieser Leute durch sie, d. h. durch den mit ihr gegebenen Kontakt mit höhern Kulturmächten, auf bessere Wege kommen, wenn Du, nur kühn, durchsichtig machst, was erst werden würde, wenn sie eine gehörige Regierung hätten, wenn Du die, die sich nicht bessern oder durch die eingetretene Gärung (Tat­sachenmaterial) noch schlechter werden, dem Gerichte übergibst etc. Doch, ach, ich kann nicht hoffen, ich muß schon wieder fürchten! Diese Wendung wird nach der Anlage das Werk nicht nehmen können, denn die Leute müßten Seelen haben, Tugend und Laster kennen. Ach, daß dieser Klaus­melker wohl lügen, aber nicht sündigen kann! Ein junger, feuriger Mensch, der schon viel gelesen, Geschäfte gemacht und sich emanzipiert hat, kommt in Fabriken, zu liederlichen Gesellen, hat Geld und - er fängt an zu trinken (nicht einmal saufen), Schulden zu machen und - wird ein braver Bauern­knecht. Wenn Du nicht fühlst, welche Ungeheuerlichkeit hier vorliegt, so würde eine Analyse des monströsen Briefes nichts nützen, und ich erspare die Arbeit, die psychischen Unmög­lichkeiten in demselben zu zeigen. - Das seelische Sehnen des Fremdlers nach der Heimat, ach, wie seelenlos wird es eingangs des Alpsonntags geschildert. Du frisch gewaschenes Hemd für einen Menschen, der alles in Hülle und Fülle hat und in einer Kutsche gefahren kommt, ich gib Dir 100 Fl., wenn Du die an dieser Stelle so widerliche Komik mir sehen kst!-

    Das sind Beispiele. Sie zeigen unter anderm aber auch, daß Du Dich nicht aus dem Bregenzerwald wegverirren sollst, denn da gibt's überall Tugend und Laster und dergl., die Dir noch unbekannt geblieben zu sein scheinen und im Bre­genzerwald derzeit vielleicht wirklich unbekannt sind. Tugend und Laster sind nämlich Produkte der hohem Kultur und nur dort, wo das Innerste des Menschen, die Seele, zu mehrerem Ausdruck kommt. Kein Wunder, wenn Du diese im Bregenzer­wald, d. h. in den verknöcherten Wäldern nicht entdeckst. Du schilderst diese Wälder wohl mit Recht als seelenlos, aber gefehlt ist es, wenn Du ihnen die Seele absprichst. - Das wäre wohl die schönste Aufgabe Deiner Kunst, zu zeigen, was der seelenlose Mensch - Naturalist - ist, wohin dessen Ver­knöcherung führt und welch hartes Gericht derselben wartet, wenn er das Höchste, was er hat, die Seele, nicht zum Aus­druck bringt, wenn er sich nicht zur Tugend oder zum Laster erschwingt, wenn er weder warm noch kalt wird. -

    Was er ist, hast Du gezeigt, wie verknöchert er wird, des­gleichen, wohlan, so zeige auch das letztere, und wenn Du die hiezu notwendige Seele unmöglich entdecken kannst, so mach sie, - ein Dichter müßte auch Seelen machen können, wenn es keine gäbe! -

    Aber ich will schließen, ich bekomme vielleicht so schon Schläge statt Kirche und Staat. Deine Seele kann Dir schon in die Glieder gefahren sein und Dir eine Tat ablocken, wie die der Buben am Alpsonntag. Das wäre eine verfluchte Geschichte, das wäre was, mehr als ein frisch gewaschenes Hemd, da die Existenz der Seele dann erwiesen wäre und Dir deren Fiktion erspart würde, aber das Ziel wäre verfehlt. Doch, was sage ich, der beste Feldherr ist nicht auf einmal ein Stratege geworden, ich steh, hau zu, ich bin's zufrieden, wenn Du die Stirne so gut triffst, als die wackern Alpknechte. Es ist der Tat wegen. -

    Mehr wirst Du billiger Weise nicht verlangen und zugeben, daß  man  auch zu  Taten  niemanden  zwingen  soll.   Drum genug, und wir bleiben hoffentlich, einschließlich der Schläge, in der Freundschaft die Alten. Dein- Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 1. Juli 1865

    Sonderlinge

    Eine Bregenzerwälder Dorfgeschichte aus neuester Zeit

    von F. M. Felder

    Erster Band.

    Motto:

    Laß die Sonderlinge mit Frieden, Menschentrost, denn es wäre wahrlich sonderbar, wenn das Dorngebüsch mit den Eichenstämmen rechten wollte, daß sie einen festen selb­ständigen Wuchs himmelan treiben.

    Inhalt             Benzel Narnau.

    Auf dem Kirchplatz.                                       Kapitel    1

    Beim Adlerwirt.                                               Kapitel    2

    Der Freimaurer.                                              Kapitel    3

    Ein unglücklicher Vater.                                 Kapitel    4

    Im Feld und Haus.                                         Kapitel    5

    Wie es beim Barthle zugeht.                        Kapitel    6

    Wie Sepp den Franz besucht und was er dabei erfährt.                    Kapitel    7

    Ein Sonderling als Küher.                              Kapitel    8

    Der Alpsonntag.                                               Kapitel    9

    Folgen des Alpsonntags.                               Kapitel10

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. Juni 1865

    Mein theurer Freund!

    Der Wille äußert sich zwar gewöhnlich durch die Handlung u. ist meistens die Ursache u. der Beweggrund derselben. Das Nichtthun aber ist nicht immer die Folge u. der Beweis des Nichtwollens; man unterläßt oft das zu thun, was man gerne thun möchte. Dieses ist mir auch schon seit Langem begeg­net. Ich habe mir schon oft vorgenommen Dir zu schreiben u. komme doch erst nur heute dazu. Wenn ich Dir also noch nicht geschrieben habe, so war es - ich bitte Dich es zu glau­ben - weder aus schlechtem Willen, noch aus Vergessenheit. Im Gegentheile denke ich oft u. mit großem Vergnügen an Dich u. schätze mich glücklich, Dich nicht nur als meinen Landsmann, sondern auch als meinen Freund betrachten zu können. Und wie geht es denn immer, mein lieber Freund? Wie ich nicht nur hoffe sondern selbst überzeugt bin, bist Du allseitig vom schönsten Glücke umgeben; Dir ist zu Theil geworden, reichlich aus den besten Glücksquellen zu schöp­fen. Diese Glücksquellen finden sich theils in uns, theils außer uns. Die Urquelle des wahren Glückes muß sich in uns vorfin­den, die zur Vervollständigung des Glückes von ändern sich außer uns befindenden Glücksquellen ergänzt zu werden nöthig hat. Das ist bei Dir der Fall. In Dir befindet sich als Hauptquelle des wahren Glückes eine glückliche u. ausge­dehnte Intelligence u. eine edle Liebe, beide in einer voll­kommenen Harmonie. Die Intelligence ist das Auge der Liebe, u. diese ist die Folge u. Ergänzung der erstem; diese Harmonie beider ist nothwendig zur Vervollkommnung des Men­schen u. seines wahren Glückes. Als äußere Glücksquellen hast Du erstlich eine in jeder Beziehung vortreffliche Frau, die durch ihre ausgezeichneten Eigenschaften u. Tugenden Dei­ner Liebe vollkommen entspricht u. dieselbe durch die Ihrige auf eine so edle Weise erwiedert. Dieses Familienglück der Liebe ist durch die väterliche u. kindliche Liebe nur noch erhöht. Die nicht ungünstigen materiellen Umstände, in denen Du lebst, erlauben Dir, Deinen glücklichen Anlagen mittelst einer reichhaltigen Bibliothek Genüge zu leisten. Was mich betrifft, mein edler Freund, kann ich Dir im Ganzen nur Gutes sagen; ich bin immer gesund u. fröhlich. Ich habe mir zum Grundsatze gemacht, immer heiter zu sein, immer einen guten Humor zu haben, den Ernst immer in einer vollkomme­nen Harmonie mit der Fröhlichkeit zu vereinigen. Was sagst Du von dieser meiner Philosophie, die mir diesen Grundsatz gerathen u. eingegeben hat?

    Meine jetzige Stellung in Verdun, in dieser alt kaiserlichen Stadt, deren Verlust die Deutschen heute noch nicht leicht verschmerzen können, hast Du ohne Zweifel von den Meini­gen kennen gelernt. In Frankreich beschäftiget man sich gegen­wärtig viel mit der Erziehung u. dem öffentlichen Unterrichte. Man sieht ein, daß eine vernunftgemäße Erziehung u. ein all­seitiger, der Wahrheit getreuer Unterricht die wahren Grund­lagen der Civilisation sind. - In der That diese zwei vortreff­lichen Factoren der Civilisation: Erziehung u. Unterricht bil­den den wahren Menschen u. Bürger heran. Ich glaube, in dieser Beziehung wäre noch Manches zu wünschen übrig in Österreich. Was lehrt man in der That, in den Österreich. Volksschulen? Du weißt es so gut als ich: Die Schüler kennen mehr od. weniger gut die Geographie u. Geschichte des heili­gen Landes, u. des jüdischen Volkes, wissen aber kaum, daß Wien die Hauptstadt ihres gemeinsamen Vaterlandes ist; sie kennen die Geschichte der Könige Saul u. David, wissen aber kaum ein Wort von den deutschen u. österr. Kaisern. Sie glau­ben mit Josue, daß die Sonne sich täglich um die Erde bewege u. theilen mit den Alten so manchen Aberglauben, während sie die neuern Erfindungen u. die Fortschritte der Wissen­schaften: als die Eisenbahn, den Telegraphen u.s.w. bereits für Hexenstreiche ansehen. -

    Was glaubst Du von der österreichisch-pr[e]üssischen Allianz? Glaubt man in Österreich an ihre Aufrichtigkeit? Ich glaube nicht daran. Preussen war immer u. wird noch lange ein Feind Österreichs sein. Wollte Gott, daß Österreich sich von Preus­sen, seinem größten Feinde, nicht täuschen lasse. An der Stelle Österreichs möchte ich lieber von meinem Feinde eine Ohrfeige erhalten, als von Preussen geschmeichelt werden. Wenn Preussen sich uns nähert, so ist es nur zu seinem Vor­theile, u. zu unserm, d.h. zu Österreichs Nachtheile. ­Was gibt es Neues in meiner unvergeßlichen Heimath? Schö­nen Gruß an Deine Frau u. Mutter. Alles Schöne u. Gute, wie meine herzlichsten Grüße an die Meinigen, u. sie sollen mir sogleich schreiben. Was macht mein theurer u. edler Jochum? Viele Grüsse für ihn. Ich bitte auch besonders, den H. Pfarrer nicht zu vergessen, u. ihm meine Complimente zu machen. Grüße mir auch die sich mit Güte um mich interessiren. Viel­leicht werde ich in den nächsten Ferien, d. i. in 2 od. 3 Mona­ten das Vergnügen haben, Dich, wie die Meinigen zu sehen. Doch kann ich noch nichts Bestimmtes darüber sagen. Lebe nun recht wohl u. schreibe mir wo möglichst bald. Dein treuer Freund

    Rüscher

    Meine Adresse: Monsieur Rüscher, Chef d'etudes au College de Verdun (Meuse)

    Johann Rüscher
    Verdun
    Franz Michael Felder
  • 4. Mai 1865

    Lieber Freund!

    Nach Deinem letzten Schreiben hatte ich allen Grund, Dich hier zu erwarten. Wo fehlt's? Weil niemand kommt und niemand mir Nachrichten von Euch bringt, muß ich zur lang­weiligen Feder greifen, statt des lebendigen Worts mich er­freuen zu können. - Vor allem gratuliere ich zur glücklichen Installierung des Mikle und hoffe mit Euch, daß es seinem Namen Ehre machen wird. Meinem Wible ist bei dem guten Aprilwetter eine auffällige Lust gewachsen, auf und davon und in die Au zu gehen. Es wäre schön drinnen, wenn nicht meine satirischen Ausfälle auf die Erweiterung seines Körper­umfanges und die Gelüste der dicken Weiber zu einer Gegen­medizin geworden wären. Jetzt ist es wieder gern hier, und wir erwarten in nicht zu langer Zeit auch ein Mikle. Die neue Wohnung gefällt uns sehr gut und Dir wird insbesonders das Gastzimmer gut gefallen, komme und sehe! Auf den Sozialdemokrat bin ich begierig und wünsche nach demselben. Ich studiere jetzt immer am Lassalle, d. h. an seiner Rechtslehre, und staune immer mehr über diese immense Geisteskraft. Ich finde unter den Lebenden keinen, der neben ihn gestellt werden könnte. Das Studium geht leider langsam, weil das Amt viel Zeit fordert und das Widerliche desselben noch viel Zeit außerdem unbrauchbar macht. Mein Objektivismus kommt oft zum Wackeln, doch Lassalle und andere bringen wieder Trost. Ich habe im März einen Aufsatz über Münzen in die Landeszeitung gegeben, dem man das Büro anmerken wird. Ich ärgerte mich selbst, als ich denselben wieder las, daß ich den Kanzleigestank nicht ferne halten konnte. Übrigens war mir die Sache mehr eine unterhaltende Exkursion als ein zweckerstrebendes Elaborat, und die darin ausgesprochene Hoffnung war eigent­lich nur das Embryo einer Hoffnung. Doch ist das Gesagte wahr, nur sollte man es besser und schöner sagen und auch besser drucken. - Wer sind denn die Streiter in der Reh­geschichte, wer schrieb gegen den „berühmten Kuhschüt­zen" und wer ist dieser namentlich? Dr. Meusburger in Bregenz kommt mit 1. k. Ms. nach Dornbirn in die Kanzlei des Dr. Lindner. Ist Waiser fort, Feurstein gekommen, Isabell verheiratet etc.? Wenn Du nicht kommen willst oder kannst, so schreib wenigstens. Ich hoffe und setze voraus, daß der junge Frühling Dich neu gekräftigt habe und wünsche Dir die Freuden desselben, doch sollst Du nicht vergessen, daß Du noch eine Antwort auf meinen letzten Brief, weil ver­sprochen, schuldig bist und ich erwarte nun umsomehr eine baldige, Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 11. April 1865

    Theurer Freund!

    Heute bekam ich Deinen Brief mit den 2 Dokumenten, ich spreche Dir für die Besorgung den herzlichsten Dank aus. Der Stempel zeigt mir zwar, daß Du mehr als Dank zu beanspru­chen hast, jedoch das andere später. Wie Du siehst, suche ich Deinen Vorwürfen gerecht zu werden, nämlich über die schrecklich großen Buchstaben hast Du Dich nicht mehr zu beklagen, auch den ex offo Stiel will ich verlassen, indem ich hoffe, nicht in's andere Extrem verfallend, neue Vorwürfe zu verdienen. Deßhalb Nachsicht, wenn die Gedanken, wie Kraut und Rüben gemengt sind. Jetzt kommt die Gratulation, die eigentlich vorn hin gehört hätte, nämlich wegen jung Mikle; ich will aber nicht zu viel sagen, damit ich Jahr für Jahr etwas Neues zu schreiben weiß, diesmal wünsche ich ihm trotz aller sonstigen Harmonie mit dem Kaspale nur etwas blassere Backen. Du magst hingegen auf trockener Erde recht bald gesund u. munter wandeln. Jetzt wollen wir schauen, woher es kommt, daß Du weder Antwort noch Stückle auf Deinen letzten Brief erhalten hast? Daß ich den letzten Brief erhalten habe, hast Du herausgebracht durch einen komi­schen Sch[l]uß, ich muß bekennen, ich wäre nicht darauf ver­fallen; aber kurz Du hast das Wahre wenigstens getroffen. Ich war nach dessen Empfang willens, ihn sehr schnell zu beant­worten, wollte mich aber doch noch etwas näher um die Stik­kerei erkundigen. Ich that es u. erfuhr, daß die Stickerei u. Näherei, wie sie bei uns, wenigstens in der Regel, betrieben wird, vom Erzgebirge her u. zwar recht wohlfeil geliefert werde (Wenn man vielleicht in der Angelegenheit des Einkau­fens sich erkundigen würde, könnte man vielleicht eine andere Auskunft bekommen), u. daß nur die ganz feine Nähe­rei gut bezahlt sei. Ich wollte nähere Erkundigungen ander­wärts einziehen, als sich unter den Rippen ein heftiger Schmerz bei jedem Schritt u. Athemzug bemerkbar machte; ich errieth gleich mit wem ich es zu thun hatte, zog mich aus u. ging in's Bett. Nachdem ich etliche Tage gar nichts mehr gefühlt, wagte ich mich wieder in's Freie, aber nicht unge­rächt kehrte ich zurück, der Schmerz war stärker geworden, als anfangs. Jetzt ging das Brüten von Neuem an. Nach ein Paar Tagen war jeder Schmerz wieder fort, aber ich brütete zu, vielleicht länger als nötig. Das Resultat ist, ich bin wieder ganz gesund, während heuer sehr viele hier wie anderswo an der Rippfellentzündung gestorben sind z.B. Redakteur der Augsburger Allgemeinen, die vielleicht auch noch leben würden, wenn sie es gemacht hätten wie ich. Im 8ten Cours in Feldkirch hatte ich sie auch, aber auf der ändern Seite als heuer; Du erinnerst Dich vielleicht, daß ich im Sommer nach­her einige Zeit auf dem Thannberg (Warth u. Zug) aufhielt. Der 3te wichtige Grund, der noch andauert, ist, daß ich das nöthige Geld nicht leicht erübrigen konnte, um einige Stücke Tuch kaufen u. Vordrucken lassen zu können. Mit Anfang des nächsten Monats dürfte eine ganz kleine Sendung abgeschickt werden, wenn ich die Wahrscheinlichkeit gewinne, daß wenigstens kein Nachtheil zu fürchten ist. Es ist mir auch etwas anderes eingefallen, das etwas abwerfen könnte, näm­lich Tuch zu Röcken u. Hosen ect. hinauf zu schicken, aller­dings brauchte das einen größeren Fond; ich will schauen, daß ich eine Musterkarte bekomme, wo bei jedem Stückchen Tuch der Preis verzeichnet ist u. es dann mitschicken, Du kannst dann selbst beurtheilen, ob es viel wohlfeiler ist, als oben zu kaufen; u. es könnte, wenn sich die Stickerei u. Näherei rentiren sollte, auf Bestellung etwas mitgeschickt werden. Bios könnte dann Xaver D[r]exel mit Übernahme sol­cher Gegenstände ebenso wenig einverstanden sein, als allen­falls der Gräber Wohlgefallen haben dürfte. Da das Gewicht weder hinunter noch hinauf das legale Ge­wicht von 25 [Pfund] erreichen dürfte, so könntest Du einige [Pfund] Geiskäs mit zurück schicken, wenn Du solche leicht bekommen könntest, da, ich schon seit Jahren wiederholt gefragt worden bin, ob ich keine könnte kommen lassen. Ein alter Herr hat nämlich solche Gelüste. Es kommt mir selbst komisch vor, wie zwischen den Paragrafen der Gerechtigkeit solche Käs-, Hosen u. Putzgedanken hervorwuchern können; aber es ist, glaube ich, ein gutes Zeichen, mein Geist scheint bald den nötigen Grad von Trockenheit erlangt zu haben u. sich der Praxis zuzuneigen; aber auch poetische Blümchen keimen zur Seltenheit empor, einmal wollte ich einen Selbst­mordversuch eines Mädchens in den eisigen Fluten des Donaukanals poetisch wiedergeben, wie ich ihn gesehen u. so manches andere, aber die Muse ließ mit der Begeisterung immer zu schnell nach, nur einmal hat eine aus dem Leben gegriffene, selbst gesehene, Scene mich zu einigen Stroffen hingerissen; wenn Du den Anfang hörst hast Du schon genug, sowohl die schöne Wahl der Gedanken, als des Versmasses u. die Ausarbeitung zu bewundern, u. so höre denn den Sänger u. werde begeistert:

    Wer storisch und dumm, ganz ohne warum, Dem vihischen Triebe, Gewohnheit zu Liebe, bald frisst u. bald sauft, Des Tags schon berauscht* Aufs Pflaster hinsinket, Dann wieder­um trinket, Der gleichet genau der sürrigen Sau, Im Koth herumwühlen, Nichts Edleres fühlen - etc. Lieber Leser! ich sehe die Muse hat auch Dich beim Lesen erfaßt, aber es hilft nichts, Du mußt wieder in's Leben zurück, zurück in die nüchterne Wirklichkeit; um Dich aber nur allmählig dahin zu bringen, theile ich Dir mit, daß ich heuer im Ganzen mehr als je im Theater war, u. zwar in den obersten Regionen. Davl­son, mein Liebling, hat seine Besten Rollen vor meinen Augen gespielt, als: Carlos, Faust v. Goethe, Kaufmann v. Venedig, Räuber, Loorbeerbaum u. Bettelstab (Holte!) Hans Jörge u. andere, dann besuchte ich öfters das Burgtheather (das Beste hier in Wien). Durch die „neue fr. Presse" (dessen Redaktor Lechner aus Vorarlberg eingekastelt wurde) erfuhr ich, daß in Schoppernau 2 Paar Rehe sich freiwillig zur Beute hergaben. Da hätte ich auch besseres Spiel gehabt als das letzte Jahr, wo sie sich nicht einmal haben schießen lassen, wenigstens von mir. Ihr werdet sie wohl zähmen, u. im Frühjahr wieder lau­fen lassen, damit sie ihre Jungen mitbringen. Mit dem Lassal habe ich noch nicht Bekanntschaft zu machen Zeit u. Gele­genheit gefunden. Zur Vollendung des I. Bandes „Sonder­linge" gratulire ich, wagst Du es nicht ihn gleich drucken zu lassen.

    Ich schicke Dir hier auch eine Photografie mit, Du kannst sie meiner Mutter oder dem Thresele geben, wenn der Abzugzet­tel nicht bewirkt hat, daß sie gar nichts mehr annimmt, bald folgt eine andere (alle gleicher Qualität). Recht viele Grüße an Obgenannte ect. ect. wie auch Dich (mit Wiederholung meines Dankes) samt Mutter, dem neu aufer­standenen Wible u. Kindern recht herzlich grüßt Dein immer aufrichtiger Freund

    Jochum

    Meiner Mutter kannst sagen, daß es mir gut gehe, u. was ihr aus dem Briefe allenfalls interessant sein dürfte, wie sie klagen sollte, daß ich ihr selbst nicht schreibe, so kannst Du ihr begreifflich machen, daß ich im Grunde doch immer ändern nicht ihr geschrieben habe, u. daß dieses auch der einzige Grund sei, warum ich nicht an sie schreibe.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 29. März 1865

    Geliebter Götte!

    Heut feiere ich den ersten Geburtstag meines Mikle, denn diesen Namen soll das Kind dem Gottle und der Großmutter zu Ehren erhalten, sobald der Pfarrer Zeit hat, es zu taufen. Beim Mittagessen saß das Wible noch mit uns am Tische, dann sagte es: „Jetzt geht's los" - und richtig! Drei Minuten später hörte ich den Wehlaut, mit dem wir Schmerzenskinder dieses Jammertal zu begrüßen pflegen. Die Hebamme kam natürlich zu spät, und während sie nun in der Stube sitzend die erbaulichen Register von schnellen und langsamen Ge­burten herunterorgelt, hat Dein Freund alle ihm noch zur Verfügung stehenden Leibs- und Seelenkräfte zusammenge­nommen und sich wieder einmal in sein Zimmer geflüchtet, um sich da doch auch wieder einmal zu erplaudern. Im Ofen brummt und prasselt das Feuer, alles wäre wie sonst, nur ich?

    Ich bin herabgekommen Und weiß nicht wie.

    Mit meiner Besserung geht's zuweilen langsam, zuweilen gar nicht. Die Galle, von der Du schriebst, habe ich ohne ärzt­lichen Befehl nun herauspurgiert, und man sollte glauben der Magen könnte nun zufrieden sein, aber das Ding geht noch nicht gut. Wäre nur besseres Wetter, daß ich hinaus könnte, aber das stürmt und macht ein Gesicht wie der De­zember, und so habe ich denn beinahe keine Unterhaltung, als die des Lesens und Schreibens. Auf Deinen letzten Brief, gegen den ich nicht viel einzuwenden habe, werde ich Dir später antworten, und zwar mündlich! Jetzt fühle ich mich nicht aufgelegt, von meinem früheren und jetzigen Seelen­zustand zu reden. Jetzt sind die Bibel, Goethe und die Alten meine Unterhaltung. Die besten Stunden werden den Sonder­lingen gewidmet, einem Werke, das Dir beweisen wird, daß ich meine Landsleute nicht erst wieder lieben lernen muß, wenn ich auch für ihre Fehler nicht blind bin. Wenn ich dann und wann mich beklage, daß die Schoppernauer Gesellschaft nicht ganz nach meinem Geschmack sei, so ist das doch wohl noch kein Tadel der Schoppernauer. Es geschieht hier man­ches, das - zu lächerlich ist, um traurig zu sein. So weiß ich z. B. nicht, wie ich diesen Monat herumgebracht haben würde, wenn nicht der Streit wegen der sechs gefangenen Rehe, wovon zwei sogleich zugrunde gingen, mir so viel zu lachen gegeben hätte. Zuerst hieß es: die gehören den Fängern

    dann                den Pächtern des Forsts

    dann                dem Forst

    dann                der Armenkasse

    und liegen sie sich alle in den Haaren.

    Das Gericht scheint ebenfalls nicht recht Bescheid zu wissen. Was sagst Du? Was steht im Gesetz? Die vier noch lebenden Tiere wären um 80 Fl. Ö. W. verkauft, aber man läßt sie nicht fort, und meine armen, glücklichen, unglücklichen Vettern müssen sie - vermutlich zum Fangenlohn - füttern, ohne zu wissen „für wen". Ich wenigstens wünschte nicht, solche Kost­gänger zu haben, meine Kühe werden mit dem im letzten Sommer gewachsenen Futter fertig, lang eher als mir lieb ist, und doch wird schon jetzt für einen Zentner Heu mehr als ein Kronentaler bezahlt. Ich und die Deinigen werden mit unserem Vieh vermutlich „auswärts" fahren. Wenn ich im letzten Brief meine Verwunderung über die Duldsamkeit unserer Regierung gegen den Sozialdemokrat aussprach, so geschah dies, weil ich meine, man könne dieses Blatt verbieten, ohne ein Gegner Lassalles zu sein. Ich zweifle, ob ihm selbst das Blatt gefallen würde. Nach ihm sollen die Arbeiter sich an keine Partei anschließen, der Schulze-Bastiat gefiel mir außerordentlich, aber die Schimpfereien dieses Blattes werden zuweilen etwas - unerquicklich. Und unsere Stüblegesellschaft, unser Klub im Rößle ist nun dahin; Isabell heiratet zu Ostern ganz bestimmt; der Kurat Stöckler ist heute für immer nach Hirschegg abgereist und Dr. Waiser wird uns am 1. Mai verlassen und nach Lingenau gehen. Nun steht der Ritter von Holz einsam wie der letzte Mohikaner, von Weibern gefangen, - seiner Freunde beraubt. Wie ich eben vernehme, hätte man sich nun wegen der vier Rehe geeinigt. Die Fanger müssen an die Forstpächter 60 Fl. zahlen. Nun laß Dir noch etwas von unseren Schullehrern erzählen. Als die Rehe gefangen waren, kamen die drei Auer und der Schoppernauer zusammen und berieten, was sie als die Gebildetsten in dieser Sache zu tun hätten, und das Re­sultat der langen Beratung war jener von allen vieren aus­gekopfte Artikel in der Landeszeitung, den man seltsamer Weise hier für meine Arbeit hält.

    Die letzten Sonntag vom Kurat gehaltene Abschiedsrede soll ziemlich bitter gewesen sein: vorzüglich soll er gegen gewisse Frömmelnde, Schwätzer und Schwätzerinnen losgezogen sein. Der neue Kaplan in Au ist schon sehr beliebt, aber Feßler in Schnepfau dürfte nach allem, was man von ihm hört, den Namen eines Zeloten viel eher verdienen, als der Pächter des Schoppernauer Forstes (siehe Landeszeitung). „Da ist Rüscher schon ein anderer."

    In der allgemein gelobten ,Romanzeitung' ist sehr viel Ge­wöhnliches, entweder gar nicht Spannendes oder Überspann­tes. Letzthin las ich einen Roman von dem sehr bilderreichen Rothenfels und hätte fast Lust gehabt, eine Blumenlese von Sätzen wie Kap. 2: „Die Stille hallte von dem Hundegebell" u.s.w. vorzunehmen und im Punsch herauszugeben. Das wäre so gerade eine meiner damaligen Stimmung entsprechende Arbeit gewesen; und eben darum habe ich damit sogleich wieder aufgehört. Vilmars Literaturgeschichte habe ich nun zu Ende gelesen. Es ist erstaunlich, wie dieser Mann die Sprache zu benützen weiß. Die Abhandlungen über das Nibelungenlied, Fleming, Gryphius, Goethe sind ausge­zeichnet, während bei Wieland, Thümmel und den Fablern und Satirikern nur das Fehlerhafte hervorgehoben wird. Mein Wible ist hudelwohlauf, es liegt im Bett und schwitzt, das Mikle trinkt, daß es eine Lust ist. Das Kind scheint mir Ähnlichkeit mit dem Kaspale zu bekommen. Ich wünsche von Herzen, daß auch bei Euch alles so gut vonstatten gehen möge. Den Weibern kam ein Mädchen sehr erwünscht, und auch mir ist es recht, obwohl ich nicht meine, daß alles nach meinem Kopf gehen müsse, und auch an einem Buben meine Freude gehabt haben würde. Leb wohl! und erfreue bald mit einer Antwort Deinen

    mit Schnee umgebenen, von Heukummer geplagten, abge­magerten, nur in der Treue starken Freund

    Franz M. Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 16. März 1865

    Lieber Freund!

    Dein Schreiben vom 7. d. M. brachte mir die erste Nachricht, daß Du bedeutend krank gewesen. Ich beeile mich, Dir meine große Teilnahme auszusprechen und zugleich zur Besserung Glück zu wünschen. Ich muß gestehen, daß ich nach Deinem Brief und nach dem Zustand, in dem ich Dich das letzte Mal traf, der Meinung bin, Deine Krankheit habe ihren haupt­sächlichen Grund in psychischen Vorgängen. Du konsumierst durch Denken und Studium zu viel Lebenskraft. Alles Über­maß schadet. Man kann auch im Guten zu viel tun. Eigne Dir eine große Portion Leichtsinn an. Mache, daß Dir alles wieder Wurst und nicht Knödel ist. In Bälde wird Dir dann, wie die Wurst, so auch Schoppernau wieder lieb und wert sein. Es ist gewiß ein krankhafter - überreizter - Zustand, wenn Du in dem schönen Bregenzerwald und in Deinen glücklichen Ver­hältnissen unzufrieden bist. Gegen dieses Gefühl, das Dir Deine Umgebung widerlich macht, sollst Du ankämpfen. Versöhnung und Harmonie soll Dein Losungswort sein. Lieber gar keine Gemütsstimmung - total gleichgültig - als Galle im Herzen. Galle frißt und nagt an der besten Lebenskraft. Lesen sollst Du deshalb doch, aber weniger die aufreizenden Tagesblätter als wahre, erhabene Kunstprodukte. Ein behag­licher Kunstgenuß führt Deiner Seele mehr Lust und Kraft zur Tagesarbeit zu als selbst 20 Zeitungen. Lerne die Lust der Behaglichkeit kennen und genießen. Laß Dir wohl sein, wie David und Salomon, und lustwandle in ihren herrlichen Poesien. Laß keinen Kummer und keine Sorgen, insbesonders aber keinen Ehrgeiz Deinem frei gemachten Herzen nahen. Mach Dich frei von diesen Schwächen der armen Menschheit und Deine Körperschwäche wird Dich auch verlassen. Du siehst, ich mute Dir durch eine negative Operation dasselbe zu, was Pater Zeno durch eine positive bewerkstelligt. In der Tat halte ich dafür, daß die Verschiedenheit des Rezepts nur von der ungleichen Krankheit der Patienten herrührt. ­Bei mir ist alles wohlauf und das Zeug zu einer Julia oder zu einem Augustus allerdings vorhanden. Der Sozialdemokrat wird wohl in Österreich nie verboten werden. Das offizielle Organ unserer Regierung, die Wiener Zeitung, läßt zwischen den Zeilen die Lesenskundigen bereits herauslesen, wie drückend ihr die Herrschaft der Reichen unseres Bürger­standes bereits ist. Die Lassalleschen Lehren sind ihr durchaus nicht zuwider. - Eine Magd werden wir vorderhand aus dem Wald nicht nehmen, weil wir es mit der alten fortprobieren wollen. Anfangs nächsten Monats ziehe ich ins Oberdorf hinauf, wo ich viel mehr Platz haben werde, zu Franz Höfel, wo Du mir jeder Zeit lieber und werter Gast sein wirst. Ich wünsche Dir und dem Wible alles Gute aus Euern körperlichen Leiden und wir grüßen alle aufs freundlichste.

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 7. März 1865

    Teuerster Freund!

    Wie Du weißt, habe ich mich längere Zeit mit Sammeln von Bregenzerwälder Sprichwörtern und Redensarten beschäftigt, und wird Dir daher hoffentlich nicht auffallen, wenn ich zu behaupten wage, daß ich auch die verlogenste Wälder-Re­densart kenne. Sie lautet: „Ich bin satt, und wer satt ist, der ist selig!"-???

    Mein Wunsch wäre, zu hungern und - zu essen, und ich stimme ganz mit dem überein, was Lessing über das Suchen, Finden und Besitzen der Wahrheit sagt. In der letzten Zeit war ich wohl auch satt, von Seligkeit aber war gerade gar keine Rede. „Nun da hast Du's!", wirst Du sagen, „habe ich Dich nicht vor Übersättigung gewarnt?" Ja, das hast Du, aber - warne Du einen vor schlechten Hosen, wenn er keine bessern hat, und siehe zu, was das nützt! Ich mußte lesen, denn ich wollte viel lernen und - viel vergessen. In Schop­pernau war mir alles - Knödel (ich als Liebhaber der Würste sage absichtlich so), der Pfarrer mit seinen Köchinnen war mir so gleichgültig als alles andere, und so lebte ich zwischen und in meinen Büchern, bis es mir schwindelte und zu kalt wurde. Nun legte ich mich, der Schwäche nachgebend, zu Bette und „sähe" zu, wie Herr Waiser über meinen „sehr bedenklichen Zustand" täglich den Kopf schüttelte. Zuerst sollte ich die Gelbsucht haben, dann stellte man mir die Bauchfellentzün­dung in Aussicht, dann wieder sprach Waiser von einer leich­ten Darmentzündung, von - Rheumatismus u. dgl. Tatsache ist, daß ich während meines offenbar unaussprechlichen Zu­standes immer satt, aber nie selig war, jetzt ändert sich's und ich werde allmählich wieder der Alte werden. Also genug von mir! Du wirst meinen Zustand von der Krankheit Dir wohl selbst erklären können. Ohne Anregung, ohne Freunde, die mich verstanden, lebte ich und konnte monatelang nur mit Bauern von Kühen oder mit dem empfindsamen Natter von Bauern reden; und wo ist wohl der Wurm, der immer Seide spinnt und keine Nahrung braucht? Ich meine zwar nicht, daß ich immer Lorbeerblätter haben müsse, aber ich möchte doch erkannt und verstanden werden, meine Freude und meine Ehre wäre es zuzuhören,

    wenn kluge Männer sprechen,

    das kann ich aber nur in Büchern und ich mag noch so müde sein, es bleibt mir nichts anderes! -

    Leouo Isabell soll also doch noch verkuppelt werden, und zwar an den Bruder ihres Schwagers, des Rößlewirts in Au. Also: Brosis Bathle wäre der Glückliche. Die Sache ist schon so ziemlich richtig und auf Ostern wird's losgehen, wenn nichts dazwischen kommt. Die gute Isabell! Ich bedaure sie. Dein Vetter Gruber Peters Josef ist mit einer Flasche in einer Schlägerei so arg getroffen worden, daß er das eine Auge verlor, auch das andere soll erst jetzt wieder die Tageshelle wahrnehmen.

    Mein System von den Erstgeborenen wird durch den Großen, Franz Josef (Schandarmen), nicht umgestoßen, denn während seiner ersten Kindheit war er nur selten zu Hause, wo die Mutter krank. So war er auch eine Zeitlang bei Matisa z'Schenko, später kam er aufs Mesneramt zum Vater, wäh­rend seine Brüder ins Schwabenland gehen mußten. Den Sozialdemokrat erhalte ich jetzt regelmäßig. Er erscheint dreimal wöchentlich (Preis 1 Fl. Ö. W.), bisher las ich das Blatt sehr gern, weil es mir Erstauntem zeigte, wie mächtig eine Bewegung schon geworden, die die deutschen Blätter als „verstorben" bezeichnen. Wenn das Blatt nicht gemein würde, so hätte es eine große Zukunft!, dachte ich anfangs, weil mir die vielen Einsendungen von Arbeitern und z. B. das Schimpf­lied auf Schulze nicht recht gefallen wollten. Doch die Redakteure von Schweizer und von Hochstetten scheinen, wie sie sagen, wirklich eine Lassallesche Ader zu haben. Mich nimmt nur wunder, daß das Blatt bei uns noch nicht streng verboten wurde, daß es Bismarck bestehen läßt, ist natürlich. Sobald ich kann, werde ich Dir einige Nummern übersenden. Der deutsche Arbeiterverein zählt schon über 60.000 Mitglieder, davon sind uns am nächsten die in Glarus und Mainz. Das ist eine Macht, die am 22. Jänner auch das Abgeordnetenhaus kennenlernte. Wie möchten Lesner und Reichenheim gestaunt haben, unter Arbeitern solche Redner und solche Reden zu hören. Doch mag mir solche Bildung unter Arbeitern seltener vorgekommen sein als diesen Herren. Ein Literat - nicht jeder zwar - wäre in Arndts Lage verzweifelt wie Gutzkow, oder hätte einen Schnabel gemacht wie Her­mann Schmid in München, da er einmal eine Zurücksetzung erfahren mußte. Dieser Schmid, wie Du weißt, mein Liebling, hat in der Gartenlaube eine Erklärung abgegeben, warum er nichts schreibe, und diese Erklärung war weniger satirisch, aber bitterer, erbärmlicher als mein Brief, den ich in der Hitze über Vonbuns Kritik an Dich geschrieben habe. Vonbun hat einen hübschen Aufsatz über die Montafoner Krautschneider mit „kirschblütenweißem" Tragsack in der Gartenlaube samt einer Zeichnung veröffentlicht.

    An meinen Sonderlingen habe ich wieder ein Kapitel ge­schrieben: Folgen des Alpsonntags. In diesem Kapitel ändert sich Lage und Stimmung aller wichtigeren Personen, und ich glaube, damit den ersten Band des Romans gehörig abge­schlossen und den zweiten vorbereitet zu haben, wie es von den Regeln der Kunst gefordert wird. Gern wollte ich noch einmal - Rizenöl einnehmen, wenn ich Dir dieses Kapitel vorlesen könnte, denn ich möchte gar zu gern hören, was Du zu Franzens Demokratentraum und zu Ähnlichem sagen wür­dest. Wenn ich einmal den ersten Band geordnet habe, wenn alles gehörig abgeschrieben ist, werde ich ihn Dir bringen, doch das könnte noch lange währen, jetzt bin ich noch zu schwach, um drei Stunden zu sitzen, die Stube verlasse ich gar nicht und nur mit Mühe vermag der Geist den miserablen Körper zu beherrschen. Eine Zeitlang dachte ich wirklich, wir werden uns nie mehr sehen. Wenn ich nur das Gado und die Stube verlassen könnte, bis das Wible in die Federn kommt, was wohl nicht mehr lange anstehen wird. - Der Fasching war in Schoppernau sehr lebendig, überall Stubata. Und wo zwei oder drei versammelt sind, da ist der Pfarrer mit seinen drei, sage drei Hauskreuzern, Weiber genannt, mitten unter ihnen, nebenbei betet er Rosenkränze und tirolerlet, daß es kracht. Der bischöfliche Hirtenbrief machte hier einen eigentümlichen, sicher nicht beabsichtigten Ein­druck: So hieß es, also erst jetzt wird es verboten, an keinen Gott zu glauben u. dgl., das Ding muß wohl nicht halb so scharf sein, als die Geistlichen lehren, das Verlesene weiß ja jedes Kind, und von der positiven Religion versteht niemand etwas, wir sind katholisch, nicht positiv, das sollte der Bischof wissen!!!

    Der Schillerverein hat nun einen Süddeutschen, Otto Roquette, zum Sekretär gewählt, da Gutzkow verloren zu sein scheint. Hast Du auch gelesen, wie die Tiroler Stimmen über diesen Mann herfallen und seine Schriften tadeln und aus diesen seine Tat erklären. Der in der Allg. Zeitung so gelobte Proudhon wird im Sozialdemokrat Fo. 17 unter Bastiat ge­stellt; doch scheint der Artikel von einem offenen Gegner geschrieben.

    Aber wie es Schnee macht, und Heukummer dazu. Auch Malis Buobo, wenn sie zum Heustock kommen,

    sehen betrübt, wie er magert und schwindet. Dabei fünf Fuß festen Schnee, so daß in Schoppernau heute und gestern fünf gesunde, ein Jahr alte Rehe, darunter zwei tragende Ziegen, mit leerer Hand hart hinter dem Dorf von einigen mit Wegmachen beschäftigten Buben gefangen wer­den konnten. Die Tiere sollen lebendig nach Bregenz gebracht werden.

    Herr Stöckler wird nächstens von Rehmen nach Hirschegg als Pfarrer kommen. Die Rehmer fürchten schon, mit Pater Zeno beglückt zu werden. Sie sollen sich freuen, einen heiligen Wundertäter zu bekommen! Wundertäter? Fragst Du. Ja, man sagt's und ich glaub's, denn ich glaube an die Macht des Glaubens. Er soll Augustinnusso Thereso, die bei ihm Köchin war, als dieselbe schwer krank lag, etwa so angeredet haben: Glaube Du, stehe auf und ich will beten, daß du stark werdest zum Glauben und zum Aufstehen. Und siehe: Therese war stark und stand auf und war gesund und der Ruf hievon verbreitete sich im Land. Das ist 1865 in Bezau geschehen. Wenn man sich die Krankheit nicht gar zu gefährlich vorstellt und an die Macht des Glaubens denkt, so kann man's schon für möglich halten.

    Natter, der Schneider, hat ordentlich Fastnacht gehalten, doch bin ich mit ihm zufrieden. - „Zufrieden?" Ja, der Mensch ist mir nicht ganz gleichgültig. Er hat sich wider meinen Willen an mich gehängt, ich fühlte oder glaubte zu fühlen, daß wir nie Freunde werden könnten, aber ich sah, wie ich Dir er­zählte, einen talentvollen Menschen, dem, wie Du bemerkt haben wirst, nur das Gehör fehlt, auf Abwegen, und ich sah auch, daß ich mehr Einfluß auf ihn hatte als der Pfarrer, der betrügerische Vormund und alles miteinander. Ich kann nicht sagen, daß mir das die Hoffartsader schwellte, aber ich wollte ihn auf andere Wege bringen und griff vielleicht tiefer ein, als recht war, und nun kann ich mit Goethes Zauberlehrling sagen:

    Die ich rief, die Geister,

    Werd ich nimmer los!

    Alles in Schoppernau würde mich für seine dummen Streiche verantwortlich machen wollen, doch für jetzt fürchte ich nichts. Du glaubst nicht, wie er so ganz an mir hängt, obwohl ich mir, wie gesagt, nie Mühe machte, ihn für mich zu gewinnen.

    Hast Du schon eine Magd? Ich habe an ein Mädchen in Schoppernau gedacht, das Dir und Theresen sicher gefallen würde. Es ist nicht verwöhnt, hätte Lust, weibliche Hand­arbeiten zu lernen, und war auch im letzten Sommer an einem Dienst. Es könnte wieder zum Rößle von hier, aber ­die Mägde sind aus Gründen, worüber mein blaues Papier erröten würde, nicht gerne beim Rößlewirt und bei der Wirtin von Schoppernau. Du wirst wohl schon davon gehört haben. Ich lernte das Mädchen in der Schule kennen, wo es sehr fleißig und geschickt zu werden versprach. Es war eine der besten. Du kannst Theresen fragen, ob sie eine etwa 22jährige Gräsalperin möchte, aus der s. g. Hudolarverwandt­schaft, oder nicht; und ob ich sie bringen soll oder mit ihr reden oder keines von beiden. Zugleich lasse ich Theresen recht herzlich grüßen und das Wible ebenfalls. Wir beide sind neugierig, ob man dieses Jahr von einer Julia zu hören bekommen werde oder von einem Augustus. Wie geht's in der Gans? Wird noch immer politisiert? Hier werden 20 Zeitschriften gelesen. „Und doch die Tirolerstim­men nicht!", rief der Pfarrer schmerzlich, als ich ihm das mitteilte. Er war einmal bei mir, beguckte meine Bücher, tadelte - Wielanden und die Gartenlaube, nicht weil er selbst geprüft, sondern im frommen Glauben an die lauten Tiroler Stimmen. Er selbst besitzt, wie ich mich zu überzeugen die Ehre hatte, nichts als Predigerkrücken und einen unaufge­schnittenen Band Tiroler Gedichte. Nun, wer solche Neben­vergnügen hat und sucht wie Herr Rüscher, dem fehlt es an Geld und Zeit zu Büchern. Bücherwürmer sind ganz andere Wesen als er, das bringt man ohne Mühe heraus. Doch da kommt der Bote. Lebe wohl, Dein Freund

    F. M. Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • Datum unbekannt
    10. Februar 1865

    [...] Ein Glück ist es für mich, daß ich mein eigenes Schreib­und Lesezimmer habe, in dem ich jede freie Stunde zubringe und arbeite; denn in der Stube hantieren zwei junge Buben, daß man zuweilen sein eigen Wort kaum hört. [...]

    Franz Michael Felder
    Johann Josef Felder
  • 1. Januar 1865

    Lieber - lang nicht mehr schreibender Freund! Ich hoffe doch, daß Du von dem Falle, der ein Unfall genannt werden muß, da es ja keinen Zufall gibt, wieder hergestellt seiest. Es ist gut, wenn der stolz Dahinsausende zuweilen an die Hinfälligkeit alles Irdischen und auch der neuen Kleider erinnert wird. Wie ist's denn gewesen, wenn man die Geschichte aus dem blauen Dunst herausrückt, der sie in der Entfernung umgibt?

    Bruder Jakob will also wagen! Mich wundert's, daß sich unsere Hecheln noch nicht darüber hergemacht haben. Denn gehechelt wird trotz der „heiligen Gnadenzeit" recht gotts­erbärmlich. Nebenbei sind bei uns die Generalbeichten ­Mode geworden. Nachdem man vernahm, daß der Pfarrer die Beichtenden aufschreibt, will natürlich jede und fast jeder ins Buch des Lebens eingetragen werden. Jetzt wird von der Kanzel herab zuweilen ein Kleingewehrfeuer eröffnet gegen eine Richtung, die man hier für die meinige hält. Besonders bunt war's am Bernhardi-Fest in Au; ich bekam genug davon zu hören, wenn ich auch nicht dabei war, und kann mir ganz gut erklären, warum jetzt auch „Karlchen die Messer wetzt". Gestern hat sich unser Pfarrer zum Zensor aufgeworfen: „Leset nur gute Bücher und bei Unterhaltungsschriften und solchen Sachen, die ihr selbst nicht kennt, fragt den Pfarrer." Großer Schulze!

    Nun wurde auch die Herz-Jesu-Bruderschaft hier eingeführt und zwar mit folgenden Worten: „Es ist das eine der nütz­lichsten und vorteilhaftesten Bruderschaften, indem man nur wenig beten muß und doch sehr viele Ablässe gewinnt. Ich selbst bin schon als Student ihr Mitglied geworden." Die Familie Rüscher stammt wahrscheinlich von Abraham, der Beweis wäre wenigstens zu wagen.

    Von den Bruderschaften komme ich zu den Verwandtschaften. Leouo Familie ist sehr herabgekommen. Die Schwester vom Bäbele, das Marile, wird Mutter, und Leo Ritter Vater; ohne die Verwandtschaft zu berücksichtigen, haben die beiden sich zusammen gefunden. Das ist für den stolzen Simma ein harter Schlag und es herrschet Wehklagen in Israel. In die aus der Geschichte erwachsenen Schwatzereien ist auch das Dökterle verwickelt worden. Das wird dem Studentenhaften Tröpfle wohl noch öfter begegnen.

    Koarado Motol ist vorgestern heimgekommen, sie sieht nicht besser als früher und erklärt sich das aus ihrer Abneigung gegen Dr. Keßler. „Wäre der Narr nicht gekommen, so stünde es anders und besser", sagte sie.

    Vom Sozialdemokrat hab ich nun schon sieben Wochen keine Nummer mehr erhalten und ich hätte Lust, schrecklich auf­zubegehren. Wenn ich jährlich der Buchhandlung so und so viele Gulden zahle, will ich dafür doch ordentlich bedient sein. Soll ich Dir von den Heften von Westermann und Unsere Zeit die Fortsetzung schicken? John Stuart Mill ,Über die Freiheit' habe ich fast gelesen. Es ist ein schön geschriebenes Werk, das aber wenig Neues enthält. Ketteier hat recht: „Nichts ist heilig und unantastbar als der Geldsack.“ Lassalles Schrift: Die Wissenschaft und der Arbeiter ist mehr wert als diese ganze Freiheit, in der es heißt (Rede und Preßfreiheit), daß man nicht vor einem hungrigen Pöbel von den „allge­meinen Menschenrechten" redet u.s.w., versteht sich von selbst, weil dadurch die Rechte eines ändern in Gefahr

    kämen und-------- .

    Die Gartenlaube fängt an, sich demokratisch zu nennen. Das Wort ist nun einmal Mode wie die Generalbeicht.

    Verehrtester Herr Bezirksamtsadjunkt!

    An den drei, das Dorf Schoppernau östlich, südlich und westlich umgebenden Bächen (Bettlerbach, Aach und Schran­ne) mußte vor etwa 50 Jahren neu „gewührt" werden und die Grundbesitzer beschlossen, es gemeinsam zu tun, statt daß vorher die Oberdörfler den Bettlerbach, die „Feldler" die Aach und die Riederauer die Schranne übernommen hatten. ­Frage: Hätte da nicht auch die zu den Bächen gehörende Waldung Gemeingut werden sollen? Doch das ist nun einmal nicht geschehen.

    Jetzt wird der Buchwald abgeholzt. Die Wuhrkosten werden dadurch um mehr als die Hälfte vermehrt. Auch die Gschwin­der müssen mit dran, obwohl sie vom Abholzen des Buch­waldes keinen Vorteil haben. Die Gschwinder sagen: Man muß entweder den Buchwald als natürliches Wuhr stehen lassen, oder wir machen uns von den Feldlern los und über­nehmen wieder den Bettlerbach.

    So, fahren die Feldler auf, nachdem wir euch, vielleicht für immer, geholfen haben, wollt ihr uns verlassen. Nein, ant­worte ich, so lange der Wald stand, fiel das keinem ein, fünfzig Jahre haben wir euch geholfen. Ihr selbst ändert die Sache, indem ihr unsere Verpflichtung vergrößern wollt, ohne uns ein Recht zuzugestehen. -

    Ich stehe bei den Gschwindern, obwohl ich ein Feldler bin, denn ich gebe ihnen recht.

    Was sagen Sie? Bitte um baldige klare und gründliche Ant­wort.

    Die Sonderlinge liegen verlassen in einem Winkel. In Hopf­reben hoffe ich wieder etwas mehr Zeit für die Tröpfe zu gewinnen! Klausmelker ist bereits daheim und macht sich durch sein berechnetes Wesen beim Vater und bei ähnlichen Menschen beliebt.

    Von ändern Dorfneuigkeiten will ich heute schweigen, da doch nicht anzunehmen ist, daß Du das Heimweh habest, und also kein Mittel gegen dasselbe angewendet werden darf. Ich bin gesund und man sagt mir, ich hätte jahrelang nie so gut ausgesehen wie jetzt. Daß ich fleißig lese, kannst Du Dir denken, ich hoffe aber, daß mich die Bücher nicht mehr aushöhlen werden. In der Romanzeitung ist eine hübsche Arbeit von einem in Bregenz wohnenden, sich Robert Byr nennenden Literaten, er heißt eigentlich, wie ich anderwärts erfuhr, Bayer und ist ein pensionierter Militärist, der Gründe hat, seinen Namen bei solchen Arbeiten nicht zu nennen. Am Tannberg wurden während des Jubiläums von den dortigen Geistlichen „Missionspredigten" gehalten. Sonderbar ist's, daß während der Standespredigt für Jünglinge, Mädchen, Weiber, Männer die Kirchtüre geschlossen wurde. Hier wur­den allsonntäglich zwei Predigten gehalten und zum Blumen­lesen wäre Gelegenheit gewesen. Ich zog es aber vor, nach­mittags daheim zu bleiben. Lasse mir alle herzlich grüßen von Deinem Freunde

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 24. Dezember 1864

    Werthester Freund!

    Alles Gute zum Neujahr wünsche ich von Herzen Dir und all' den Deinen.

    Deine Briefe vom 24. u. 26. v.M. habe ich richtig erhalten. Neue Kühe sind gekauft und das Kopfweh hatte am 26. schon wieder nachgelassen. Mögen Dir die Kühe bleiben und recht gut ausfallen, das Kopfweh Dich aber ewig fliehen. Daß das letzte Jahr für Dich nicht das beste war, weiß ich; aber einige gute Jahre, die, wie wir hoffen wollen, kommen werden, wer­den den Schaden wieder gut machen. Aber ich muß mich diesmal etwas kurz faßen; Zeit u. Porto wollen es, deßhalb verzeihe mir die nur aus dieser Ursache allenfalls entstehen­den Lakonismen:

    Deinen Nümmamüller habe ich bisher bei einigen Buchhänd­lern nicht bekommen, ebenso nichts von ihm reden gehört; ich möchte aber mit der Zeit lieber ein Exemplar mit eigenhändi­ger Widmung von Dir selbst. An den Lassal mich zu machen habe ich bisher noch keine Zeit gefunden, jedenfalls aber wird es noch geschehen; Zeitungsnachrichten verrücken mir den Kopf nicht so leicht, ich bin gewohnt, wenn es überhaupt möglich ist, zu untersuchen, was ich bezweifle oder andere mir abdisputiren; übrigens bürgt der Name u. dessen Popula­rität, daß wenigstens manches Interessante zu finden sein muß. Deine „Sonderlinge" - lasse sie nur in Stuttgart drucken - hoffe ich bald nach ihrem Erscheinen lesen zu können. Zum neuen Pfarrer „Glück auf"; dem wirst wohl auch Du es recht machen können. Sophismus:

    „Stockmeier gleich Feuerstein, Feldkircher Zeitung auch  = Feuerstein, also Stockmeier gleich Feldkircher Zeitung" -. Meine Gratulation Deinen jungen Flügeln, die höher trugen als die nimmermüden des alten Koaradobuben. Arbeite fleißig im Stofel der Gemeinde - Stofel soll nur den Mangel der Weinberge bedeuten -, und schaue dazu, daß Deine wilden Buben, wie Du sie nennst, und alle künftigen Dinge keine schwächern Schwingen bekommen als Du selbst. Um nun auch auf die Stickereien zu kommen; Gut Ding braucht Weile. Vor allem ändern muß ich Dir bemerken, daß ich die Muster nicht an Stettner schicken kann, weil auf diese Art zweimal und zurück wieder zweimal Zoll gezahlt werden müßte, ferner kömmt die Sache auf der Post viel zu theuer, besonders da gegenwärtig eine Stockung in allen Geschäften ist, so daß viele Kaufleute wohlfeiler verkaufen, als sie ein­kauften, nur um Geld zu bekommen. Bankrotte sind dick. Nach meiner Ansicht wäre das Praktische die Sache in Bregenz an jemanden zu senden (per Fracht u. transito), von dem sie Muxel's Kaspale mitnehmen könnte, u. so zurück; aber an wen? Erkundige Dich. Ferner muß ich bemerken, daß bei hier gangbaren Waaren mehr genäht werden muß als gestickt. Da würde ich dann allenfalls nebst der Vordrückerei auch ein gemachtes Muster mitschicken. Endlich müßte die Arbeit schön gemacht u. rein gehalten werden, sonst müßte ich mich um einen Bleicher umschauen, was bei kleinen Versuchen ­wie sie anfangs nur sein können - zu umständlich u. kostspie­lig wäre. Erkundige Dich um einen Mann in Bregenz. In Deinem zweiten Briefe erwähnst Du auch des Buches vom Pf Kohler. Wenn Du es genug gelesen hast, ersuche ich Dich, mir selbes auch mit einer Stickereisendung mitzuschicken. Heimgarten, Gartenlaube etc. habe ich zu lesen weder Gele­genheit noch Zeit, nur hie und da sehe ich die bekannten For­mate in einem Kaffehauseund lese was sich auslesen läßt; Jetzt wird Dir vermutlich statt meiner der Natter Gesellschaft zu leisten pflegen, bei den abendlichen Vorlesungen, da er sich sogar zu Dir zu ziehen beabsichtigte. Warum Du mir eine ganze Charakteristik von ihm schriebst, weiß ich zwar nicht; etwa daß ich meine Ansicht auch über ihn äußere, da wir ihn beide kennen zu lernen Gelegenheit hatten? - oder damit ich ihn besser kennen lerne? Die äußere Form des Ausdrucks paßt zwar auf keines von beiden, doch nehme ich das erstere an, den schon im zweiten wäre ich in Bezug auf meine Perso­nenkenntniß nicht geschmeichelt. Er ist auch nach meiner Ansicht unverdorben, unerfahren mit seinen Consequenzen: ohne Mißtrauen und - ohne List. Auch sein gutes Gedächtniß hatte ich Gelegenheit kennen zu lernen, nur muß ich wider­sprechen, daß es so nur bei Bauern vorkommt. Ich kenne z.B. einen Professor der Universität mit einem so enormen Gedächtniß „in jeder Beziehung", daß es mir bang würde unter allen Bauern ein solches herauszufinden; meine Ansicht ist, daß auch das Gedächtniß wie der Verstand durch vernünf­tige Übung gestärkt wird, jedoch gebe ich zu, daß bei wissen­schaftlich sich Ausbildenden die Pflege des Gedächtnißes im reiferen Alter gewöhnlich vernachläßigt wird, da es ihnen bequemer ist zu denken als zu merken; oder kurz: aus­schließliche Pflege des Verstandes ist Vernachläßigung des Gedächtnißes, wie ausschließliches Memoriren und Merken die Ausbildung des Verstandes unmöglich macht; aber neben einander kann Beides recht gut gedeihen, ja unterstützt ein­ander und macht erst den Mann. Ein der Gegend und der Welt überhaupt Unkundiger könnte aus Deiner Beschreibung v. Natter auf den Bregenzerwald überhaupt schließend, der Ansicht werden, daß dieses Völklein paradisisch, keine Abkömmlinge Adams u. Evas wären; ich aber ergänze zu ihm zurückkehrend Deine Charakteristik folgender Massen, oder vielmehr ich faße alles so zusammen: „Er ist ein in jeder Beziehung noch ganz unerfahrener Gedächtnißmensch". Unerfahrenheit, Unverdorbenheit u. gutes Gedächtniß bloß neben einander aufgezählt charakterisiren ihn noch nicht, das hattest auch Du, als Du schon schlau genug warst Deine zan­kende Mutter mit einer aufgesparten Dorfneuigkeit zu beschwichtigen. Nicht als ob ich Dir damit einen Hieb geben wollte, nein im Gegentheil, deßhalb halte ich Dich gerade unter anderm für höher. Natter, ohne daß man ihm kräftig unter die Arme greifft, wird sich nie zu einem vernünftigen Studium erschwingen; klarer Verstand u. scharfe Beobachtungsgabe ist nothwendig um für sich allein das zu werden, was man in Städten gebildet, bei uns auch besonders nennt. Was Du dem Natter so mit Wärme zu Gute rechnest, ist in meinen Augen theilweise nicht so hochstehend. Es giebt viele Extreme, bei welchen das Eine einen schönen Namen hat, das Andere einen Häßlichen, und doch ist das Sprichwort nicht falsch welches sagt: „Extreme berühren sich". Ja ich bin über­zeugt, daß oft die größte Zahl von Menschen die Scheide­wand an's falsche Ort setzt. Nehmen wir ein in Deinem Briefe vorkommendes Wort: Aufrichtigkeit u. Gegensatz Falschheit. Unter Aufrichtigkeit verstehen die Meisten: jedem auf die Nase binden, was er denkt, thut, hört, kurz was er weiß; ich nenne es zum Mindesten Schwazhaftigkeit, noch lieber Un­vorsichtigkeit oder Dummheit oder genauer: Schwazhaftig­keit ist es immer, Unvorsichtigkeit fast immer und Dummheit oft. Die Gegensätze ergeben sich von selbst. Bequem ist es allerdings mit Aufrichtigen (im gewöhnlichen Sinne) oder wie man sie besser nennen könnte mit Einfachen zu leben, wenn man nur selbst so klug ist verschlossen zu bleiben, denn man erfährt alles, und sie sind wenigstens so lange man bei ihnen ist, treue Begleiter, aber es ist ein Unterschied zwischen dem Bequemen und Vernünftigen. Ich wenigstens habe mir schon oft von Neuem den Vorsatz gefaßt, recht oft das Maul zu hal­ten, und ich halte es sogar für schön und edel, da man im gegentheiligen Falle oft auch ändern Unannehmlichkeiten bereitet. Aufrichtigkeit findet daher erst dort nach meiner Ansicht den Endpunkt, wo das Lügen anfängt. Bloßes Verber­gen der Gedanken ja selbst wenn man die Handlungen be­herrscht, so daß das Innere sich nicht offenbart, nenne ich nicht Falschheit, sondern im Gegentheil nach Umständen Klugheit oder Ehrlichkeit. Hätte ein Freund bei einem Freunde diese Gränze gezogen und darnach gehandelt, so wäre hier einer oder vielmehr zweien Familien viel Kummer und Angst erspart worden, mir allein brachte es Nutzen, denn ich bin dadurch, daß ich zufälliger Weise Mitwissender wurde, weil man mein Verhältniß zu einer dieser Familien nicht kannte, d.h. anfangs, in jene Lage gekommen, die Du als nobel bezeichnetest, vermutlich deßhalb, weil man mir dadurch das Maul stoppen wollte, das ich ohnehin gehalten hätte. Du begreiffst aber, daß auf diese Weise mißkannt werden auch sein Gutes hat, wenigstens für einen so materiellen Juristen. Der gute Natter mit seinen Eigenschaften hat mich aber ganz von meinem ursprünglichen Vornehmen kurz zu bleiben abgeführt, ich will mich daher jetzt desto kürzer fassen, da ich noch mehrere Briefe zu schreiben habe, nur etwas muß ich noch dem Obigen beifügen: Die verwickelten Verhältniße der oben angezogenen zwei Familien mit Außerachtlassung mei­ner geringfügigen Persönlichkeit ist das Interessante, das um es erschöpfend wieder zu geben, einen 3 bändigen Roman erforderte, auf dieses bezogen sich auch die wieder zitirten Worte: „unwiderstehlicher Zwang", wodurch ich Dich nichts weniger als einen Plauscher oder etwas ähnliches bezeichnen wollte, obwohl ich nicht läugnen will, daß mir der Jurist mit der reichen Partie nicht eingefallen sei. Ein ander Mal mehr. Mit geht es gut, so wie ich Dir das letzte Mal schrieb. Meiner Mutter schreibe ich nicht, weil sie doch nicht lesen kann, sage Du ihr was ihr interessant sein mag u. daß ich ihr ein recht gutes neues Jahr wünsche. Das nächste Mal schicke ich ihr auch ein Porträt.

    Viele Grüße mit Neujahrswunsch an Dich, Weib u. Kinder, Mutter, Thresele, Sieberle, Leo's ect. u. den scharf chritisirten Natter, und schreibe bald Deinem aufrichtigen Freund

    Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 11. Dezember 1864

    Lieber Freund!

    Ich bin schon lange Dein Schuldner, und von Gewissens­bissen gedrängt, rüste ich mich zur Antwort auf Deine letzten schätzbaren Briefe. -

    Deine Auffassung des Preßprozesses ist sehr interessant und die wissenschaftlichen Juristen würden Dir Recht geben. Es ist hierüber eine Broschüre erschienen von einem k. k. Pro­fessor, der im wesentlichen Deine Ansicht vertritt und dem Rautenkranz beherzt zu Leibe geht. In den Urteilen der Tiroler Gerichte kannst Du ein Stück von Tirol kennenlernen. - Den Schulze-Bastiat wirst Du von meiner Schwester er­halten haben. Glaubst Du noch, daß ich den Schulze studieren soll? Trotz des erbärmlichen Zeitungsgeschreibsels über Las­salle, insbesondere der Allgemeinen Zeitung, steht den Prin­zipien dieses großen Mannes noch eine große Zukunft bevor. Den dumpfen Schritt der Arbeiterbataillone kann hören, wer nur einigermaßen ein gutes Gehör hat und den Bewegungen im deutschen Volke lauscht. Lassalle ist meines Wissens der erste, der im chaotischen Gewirre die Tonarten richtig erkannt und treffend charakterisiert hat. Wie Du gelesen haben wirst, steht uns Österreichern eine durchgreifende Reform der direkten Steuern bevor und auch eine teilweise der indirekten. Mir ist bei Betrachtung der Regierungsanträge vor­gekommen, als ob man bereits der Lage des gemeinen Mannes Rechnung trage und die Stimmen aus der Demo­kratie nicht überhört habe. Ich hoffe, daß Du die Verhand­lungen unseres Abgeordneten-Hauses fleißig verfolgst und dann wenigstens einen Ansatz von etwas Gutem bei uns entdeckst. Ich hoffe, daß selbst die Juristen noch sympatheti­sche Anwandlungen in Dir erzeugen können. ­Von Eurem Pfarrer Rüscher kann ich Dir dann mündlich auch ein Histörchen erzählen. Es betrifft ein kleines Erlebnis dahier, während er die zur Begrüßung nach Schwarzach gekommenen Wälder auf sich warten ließ. Vorläufig kann ich nur bemerken, daß er die Frauenzimmer immer gern gehabt hat. Doch sollst Du nicht an eine Sünde denken. - Seit der Winter die Natur­körper härter aneinander zieht, rücken sich auch die Men­schen etwas näher. Auf diese Weise haben wir jetzt eine interessante Abendgesellschaft im Oberdorf bekommen. Un­ter andern kommt dahin auch Doktor Waibel, der Dir viel­leicht in Zeitungen schon untergekommen ist, der Verfasser der Tragikomödie in Lauterach („Gasser"), und Dr. Schmid, der Redakteur der einstigen Vorarlberger Zeitung, zwei Politi­ker ex [. ..], die ganz gut zu Dir passen würden. Da geht es dann manchmal hoch her und wird fleißig disputiert. Das Üble für mich ist nur, daß ich deshalb, weil ich manchmal die­sen höchst liberalen Männern zu viel einräume, mit unserm Amtschef, einem harten Mann aus der alten Schule, in Kol­lision gerate. Doch mein Objektivismus leistet gute Dienste. ­Wir halten die ,Neue freie Presse', eines der ersten Organe Österreichs, dessen Redakteur ein Wälder ist, Lecher von Andelsbuch, den ich als Student wohl gekannt habe. Dieses Blatt brachte jüngst über Lassalle ein Urteil, das an Wahrheit und Verständnis der Sache die Kritiker des Auslands über diesen Mann weit überragt. - Die paar Hefte Heilige Schrift bereiten mir Genuß und Erheiterung und ich finde es nun erklärlich, daß unsere geistlichen Herrn diese Schriften nicht unter das Volk kommen lassen wollen. Der Heilige Geist, der dieses geschrieben hat, kann unmöglich all das eindiktieren, was diese Herrn als derartiges Diktat erklären. - Ich mache jetzt auch Studien über Schwurgerichte, doch das interessiert Dich nicht. - Mein Weibl ist gesund und wohl und der Julius auch, dieser ist sogar fett geworden und nun in dem Stadium, das einmal einen Gelehrten des Waldes auf die Meinung brachte, die Kinder lernen instinktmäßig die Buchstaben aus­sprechen. - Wie ist die Vorstandswahl in Schoppernau aus­gefallen und wie läßt sich die neue Regierung an? Baut man schon Arreste in den Gemeinden oder läßt Ihr Euch von unsern Gemeinden überflügeln? Ich hoffe bald hineinzu­kommen zur Erbteilung, und da werde ich Eure Fortschritte in der Autonomie in Augenschein nehmen. Sage dem Bruder Jakob, ich habe über sein letztes Schreiben mich um Geld umgesehen, aber bis nun keines erhalten. Die allgemeine Geldnot ist derart, daß die gediegensten Geschäftsleute sich nicht rühren können und daß, wenn es noch lange so fort geht, großartige Krisen eintreten müssen. Mein Schwager Moosbrugger, der weit über 1000 Fl. nur Zinsen einzunehmen hat und den sein Geschäft mehr als nährt, hat keinen Kreuzer entbehrliches Geld. Mir selbst hätten über 300 Fl. Zinse fallen sollen und ich erhielt bis nun kaum 100 Fl. Was ich übrigens noch zusammenbringen kann, werde ich schicken oder brin­gen. - Obwohl wir bald wieder mündlich konversieren kön­nen werden, ist es mir angenehm, wenn Du vorher noch schreibst, was Dir eben in die Feder kommt. Ich bin über­zeugt, daß ich dann bei meiner Ankunft alles finde, wie wenn ich stets bei Euch gewesen wäre, was für einen Mann, der überraschende Eindrücke nicht mehr liebt, wie ich, immer von Wert ist. Mit freundlichsten Grüßen an alle

    Dein Freund K. Moosbrugger

     

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 9. Dezember 1864

    Geliebtester Freund!

    Vor allem andern muß ich Dir mitteilen, daß ich schon längst jeden Posttag einen Brief von Dir zu erhalten hoffte. Nach dem von Dir dem Kronenwirt übergebenen Gruße zu urteilen, glaubtest Du gleich nach dem Kathrinentag zur Teilung hereinzukommen. Ich kann Dir nun ganz bestimmt mitteilen, daß die Teilung in diesem Jahre nicht mehr vor­genommen wird und also deswegen bis zum Schluß dieses Jahres alles im Alten hätte bleiben können. ­Du kennst meine Gabe - oder, wenn Du lieber willst, Un­tugend, einzelne Reden und Handlungen gewisser Menschen zusammenzustellen und die Lücken selbst auszufüllen. Ge­wisse Leute würden das „lügen" heißen. Aber in der Voraussetzung, Du gehörest nicht zu diesen gewissen Leuten, wage ich es heute, Dir einiges über die Deinigen mitzuteilen. Bei „Maatisa" hat sich manches geändert, obwohl oder weil sich die Personen nicht geändert haben, und ich fürchte, daß aus Deinem schönen Plane, alles gemein zu haben, schwerlich etwas werden wird. Schon im Herbst hat sich der Lehrer bei mehreren Gelegenheiten so - knickerig gezeigt, daß die Dei­nen die Hoffnung auf eine friedliche Teilung völlig verloren. Ich werde Dir die Tatsachen auf Verlangen mitteilen, wenn Du ihn allenfalls selbst nicht genug kennst, um Dir sein Tun und Reden einbilden zu können. Für heute also nur einige Worte von ihm über die Teilung. Er sagte unter anderem: „Wenn nicht alles zu hohen Preisen angeschlagen wird, so werde ich meinen Teil selbst verkaufen, statt ihn denen (Geschwistern) billiger zu überlassen." So sagte der Herr Armenvater in Au, und er hat schon bewiesen, daß er Ernst machen wird.

    Das war nun dem Jakob ein Schlag vor den Kopf. Ich glaube ganz gut zu wissen, was er gedacht hat, dir aber will ich zuerst mitteilen, was er sagte und tat. Der Inhalt von allem, was Jakob sagt, ist kurz: „l schiß drinn!" „Da sieht man nun, was man für einen Lohn bekommt, wenn man sich für andere fast d'Füoß ussam Füdla springt." So sagt Jakob und ist nicht mehr zufrieden mit den ändern. Ich weiß nicht, wie er mit ihnen lebt, aber ich habe Reden von ihm gehört, welche An­klagen seiner Geschwister ganz ähnlich sehen. Kurz, er will sein „eigener Herr und sein eigener Knecht" werden und beabsichtigt jetzt, in Warth für sich ein ziemlich großes An­wesen zu kaufen und hernach zu heiraten. ­Mit wem?

    Pius hat mir erzählt, daß er in eine junge Lechtalerin „merk­würdig verschossen" sei. Er wolle mit ihr Milch kaufen und habe sonst schon Pläne gemacht, daß es eine Lust sei. Hievon hat mir nun Jakob natürlich nichts gesagt und ich kann Dir daher über das Mädchen nichts Genaueres mitteilen. Der Schneider sagt nicht viel; von Deinem Plan redet er als einer Unmöglichkeit, und ich glaube, er hat recht, wenn Jock durch­aus nicht mithalten will.

    Ich hoffe, bei meinem Freund und Schwager werde ich mich nicht entschuldigen müssen, daß ich heute das Waschweib machte. Ich glaubte, die Sache werde Dir wenigstens so wich­tig sein als mir. Vielleicht bist Du besser von Jakob unter­richtet, als Du es durch diesen Brief wirst; dann wirst Du doch hoffentlich meine gute Absicht nicht verkennen. Dein Lassalle ist schon längst hier und ich warte nur auf eine günstige Gelegenheit, ihn Dir ohne Kosten zuzusenden. Den Bastiat habe ich mit wahrem Interesse gelesen. Die Arbeiter­frage wird mir jetzt wichtig, aber über Lassalle wage ich noch nicht zu urteilen. Es ist mir alles noch zu neu. Man müßte sich fast schämen, ein Anhänger Schulzes gewesen zu sein, aber mir kommt es vor, ich und noch viele seien eigent­lich gar keine Anhänger gewesen, sondern gedankenlose Nachplärer der einzigen Stimme, die wir hörten. Laß mich also zuerst noch einige Jahre leben und lernen. Den Schulze brauchst Du nicht zu lesen. In einer Fortschrittler Zeitung findet sich über Lassalle folgende merkwürdige Stelle: „Er war wohl auch nicht so gelehrt, als man, durch sein System der erworbenen Rechte verführt, glauben könnte, sondern er hatte nur die dem Israeliten eigene Gabe, daß ihm alles zur rechten Zeit einfiel." Das ist doch ungemein scharf­sinnig!

    Willst Du mir nicht das Arbeiter-Lesebuch übersenden oder bringen? Jetzt lese ich nebenbei Vilmars Literaturgeschichte und habe aus derselben manches gelernt. Hier in Hopfreben hatte ich manche freie Stunde und Einsamkeit genug, [da wir] schon beinahe 14 Tage ganz allein hier sind. Jochum schreibt ziemlich fleißig; er befindet sich ganz wohl und hat, wie er sich ausdrückt, jetzt seine besten Tage. Der neue Pfarrer weiß es bei allem gut zu treffen. Mir ist er schon ziemlich gleichgültig geworden. Wir werden hoffentlich weder Freunde noch Gegner werden. Aber wie Du ihn als Prediger loben konntest, das begreife ich wahrhaftig nicht.

    10. Dez.

    Die Schrift: Über Verfassungswesen habe ich mir von Lindau kommen lassen. Dieselbe ist mir aber weniger interessant als Lassalles neuere Schriften. Wenn ich aus diesem Streit auch nichts gewonnen hätte, als ein Urteil über die Presse, wäre das schon viel. Ich lernte die Arbeiterfrage nur aus Zeit­schriften kennen, aus Zeitungen, die Parteiführer beurteilen, und weiß nun aus eigener Erfahrung, wie wahr das ist, was Lassalle im Bastiat, Seite 247-48, über unsereinen sagt. Und war es nicht auch mit meinem Nümmamüller so. Wo ist ein richtiges Urteil erschienen? Im Ganzen nirgends, weder von Freund noch von Feind. Es wäre mir ein Leichtes, Dir das auseinanderzusetzen. Und ich Tropf hielt mich für einen Anhänger Schulzes, ohne ihn oder seinen Gegner gehört zu haben.                    _.,                 ,    .

    Das Zeitungsgeschwister,/

    Wie mag sich's gestalten?/

    Als um die Philister/

    Zum Narren zu halten.

    Wahrlich! Jetzt würde mir eine Vonbunsche Kritik bei weitem nicht mehr so viel Kopfarbeit machen.

    Mit der Bibel ging es eine Zeitlang nur langsam und jetzt geht es gar nicht mehr. Ich habe ja alle Hände voll zu tun. Bei Wagner in Innsbruck ist ein ‚Tiroler Idiotikon' erschienen. Ich erhielt den ersten Band, werde ihn aber wieder zurück­senden, da er 7 Fl. kostet. Da will ich lieber die viel billigere Roman-Zeitung, die jetzt die besten und berühmtesten Ro­mane zu einem Preise bringt, um welchen sie sonst nur aus den Leihbibliotheken zu beziehen sind. Für unsereinen ist's doch auch nötig, die jetzigen „Geschmäcke" kennenzulernen, und interessant, die soziale Frage in der Romanliteratur zu studieren. Hier scheint mir, hat Lassalle manche Anhänger. Die Fortschrittler Blätter loben jetzt die ruhige, besonnene Haltung der Arbeiter, während doch die Allgemeine Zeitung zuweilen ganz andere Dinge berichtet und berichten läßt. Ich und alle, die Du kennst, sind gesund und wohl, die Meinen lassen Dich herzlich grüßen. Den Deinigen wirst Du einstweilen nicht mitteilen, was ich Dir mitgeteilt habe, denn sie würden mich sonst für eine Plaudertasche halten, Du aber wirst hoffentlich ein Urteil über mich haben, das nicht jeder neue Wind verändert?!

    Es wäre nun eine schöne Sache, wenn Du mir auf meine drei Briefe wenigstens eine Antwort schreiben würdest. Du hast mir manche Frage noch zu beantworten.

    Das Resultat der Vorsteherwahlen wird Dir wohl bekannt sein und sonst habe ich Dir gerade nichts mehr zu sagen, als daß ich noch immer bin Dein

    eine Antwort erwartender treuer Freund

    Franz M. Felder

    Franz Michael Felder
    Hinterhopfreben
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. November 1864

    Werthester Freund!

    Es ist schon ziemlich lange, seit ich Dir meinen letzten Brief schrieb, u. da ich mich erinnere, daß Du mir das letzte Mal die Erwartung kundgabst, vor Deiner Reise nach Dornbirn noch mehrere Schreiben zu erhalten, so will ich Dir wieder einmal ein solches zuschicken.

    Sommeraufenthalt in Grinzing u.s.w. ist schon längst vorüber, u. wenn Du in Person oder brieflich bei mir einkehren willst, so triffst Du mich wieder Alservorstadt, Währingerstraße, Nr. 16 Thür 18, wie ehedem.

    Test - Reihenfolge der Filter umgestellt.

    Meine gegenwärtige Lage ist vielleicht die angenehmste die meiner wartet. Ich bin täglich nur von 9-11 Uhr Vormittags obligat beschäftigt, u. verdiene mir dabei 20 fl per Monat, außerdem bleibt mir die Zeit zu meinen Berufsstudien. Da ich nun auch öfters oder vielmehr sehr oft eingeladen bin, u. mich die Kost deßhalb wenig kostet, so kann ich recht anstän­dig leben (Excesse zu machen weißt Du, daß ich kein Bedürf­niß habe) u. bin Herr meiner Selbst. Auch glaube ich mit ziemlicher Beruhigung der Zukunft entgegenblicken zu kön­nen.

    Von Deinem Nümmamüller höre ich und sehe ich nichts; es hat mich schon lange geärgert, daß ich meinen nicht mit habe. Auch die Paar andern Bücher möchte ich gerne da haben; jetzt aber lasse sie vor der Hand noch liegen, wo sie sind. Ich habe nämlich im Sinn Stickarbeiten auf Leinwand hier vordrucken zu lassen, u. Dir zu übersenden, damit Du sie guten Stickerinnen u. Glattnäherinnen zur Bearbeitung über­gebest; ich glaube, es wäre sehr rentabel. Wenigstens ein klei­ner Versuch kann nichts schaden, u. wenn ich auch nicht daran denke ein Geschäft hier anzufangen, so würde ich doch stolz darauf sein, wenn ich es dazu brächte, daß die Wiener nicht von Schweizern die in Österreich gemachten Arbeiten kaufen. So viel ist wenigstens gewiß, daß diese Arbeiten hier sehr theuer bezahlt werden. Kleider werden zwar hier nicht getragen, wohl aber Ärmel, Kragen, Brüste in Hemden und die untern Theile von Unterröcken, die gestickt u. genäht sind. Einen kleinen Versuch habe ich wenigstens zu machen im Sinne, ich weiß nur nicht das Genaue wegen Fracht u. Durchgangszoll. Bei dieser Gelegenheit könntest Du mir dann die Paar Bücher mitschicken.

    Ich habe mich, wie Du siehst abschreiben lassen, u. schicke Dir hiermit eine Photografie. In meinem nächsten Briefe werde ich der Mutter auch eine schicken, u. dann auf Verlan­gen auch noch andern, da ich ein ganzes Dutzend habe. Du kannst die Arbeit hier nun mit der bei uns vergleichen, nur mußt Du bedenken, daß diese blos 25 Neukreuzer per Stück kosten und zwar nicht schlecht, aber auch nicht besonders gelungen sind.

    Schreibe mir auch bald wieder einmal, wie es mit den Kritiken über „Nümmamüller" steht, u. ob nicht bald solche über „Die Sonderlinge" zu lesen sein werden, wie über Schoppernauer Neuigkeiten.

    Zum Schluß grüße mir alle die ich schon öfters beim Namen aufzählte, so daß Du sie ohne Erneuerung bei Deinem guten Gedächtniße auswendig wissen wirst, wie Dich vielmals grüßt

    Dein u. der Deinigen aufrichtiger Freund

    Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
    Stickarbeiten
  • 24. Oktober 1864

    Geliebtester Freund!

    „Wir haben einander schon ordentlich kennengelernt und ich sehe wohl, daß ganz gut mit ihm auszukommen ist!" - So hörte ich vor zwei Jahren am Morgen nach der Hochzeit eine Tannbergerin sagen. Mir will diese Rede nicht mehr aus dem Kopfe, seit ich täglich lange Lobreden über unsern Pfarrer höre. Seine Antrittsrede war wirklich gut, später aber hörte ich zwei Vorträge von ihm, denen es hie und da anzu­merken war, daß er sich nicht mehr zwei Monate dazu vorbereiten konnte. Das freundliche Wesen des Pfarrers tut jedem wohl, und ich glaube fast, seine Bemühungen um neue Kirchenglocken werden nicht vergebens sein. Nun, neue Besen kehren gut, aber - die alten wissen die Winkel besser. Klug war es von ihm, daß er an den nun vorgenommenen Wahlen sich in keiner Weise beteiligte, sondern im Ofen­winkel mit Bopp von Lindau das Publikum vorstellte.

    Ja richtig von dem Wählen,
    Da laß Dir was erzählen.

    Ich habe Dir im letzten Schreiben mitgeteilt, daß ich von den Wahlen etwas mehr als früher erwarte, weil die Wähler in drei „Körper" verteilt sind. Zum Teil hat sich meine Erwartung bestätigt. Um trockene Zahlen zu vermeiden, nenne ich hier den dritten Wahlkörper „Die Spitzigen", den zweiten „Die Dicken" und den ersten „Die Großen". Nun ist - um mit dem Pfarrer zu reden - die Sache so: Die Dicken, d. h. der Mittel­stand, oder die ureigentliche Schoppernauerhaftigkeit, gefällt mir am besten. Bei zwei Wahlklassen würden aber die guten Dicken teils von den Spitzigen überschrieen, teils von den Großen erdrückt worden sein. So aber geschah folgendes: In derselben Zeit ging der Vorsteher in die Schule, um da aufzuzeichnen diejenigen, die wählen würden die Spitzigen. Zwei der Männer kamen (Jodok heißen die beiden Unver­geßlichen) und halfen ihm verkürzen die Zeit, bis vorüber war die Stunde der Gnade. Und siehe, kein Mann mehr kam, denn der Herr hatte prächtiges Wetter aufgehen lassen über Israel, damit die Menschen ausgratzeten ihre Wälder, niederhaueten die jungen Tannen*), umgrüben ihre Erdäpfel und den Tann­bergern abhülfen von ihren bösen Wegen. Als nun die Stunde des Harrens um war, da tat der Vorsteher den Mund auf und sprach: „Wir sind doch noch eine zufriedene Gemeinde." Die Wahl wurde aber auf den Sonntag verschoben. Die Dicken hatten sich zwar besser eingestellt, aber die Spitzigen hatten den ganzen Spaß verdorben. Der Sonntag kam. Von der Kanzel aus wurde die Wahl publiziert und den Spitzigen ans Herz gelegt, „recht zahlreich zu erscheinen". Die Ausrede, man lasse sie nichts gelten, sei, wie das Ausbleiben, eine Schande. Nun ein Wort im Vertrauen: Meinst Du, daß das nur Gleichgültigkeit war? Nein, sage ich, hätte man das Volk den Vorsteher „machen lassen", so wäre alles ganz anders gekommen.

    Um den Pfarrer nicht zu beleidigen und ihre verdammte „Schuldigkeit" zu erfüllen, erschienen die Spitzigen ziemlich zahlreich, d. h. von 81 Mann kamen 31, und wählten? Ja mein Gott! Wer wurde da alles genannt, auch Dein Freund bekam sechs Stimmen - von guten Freunden. Vier der großen und größten. Selbst der wahre Armenvater Koarode-Buob bekam nur zwei Stimmen. Hier sind die Namen der ersten vier:

    Der Alte (Vorsteher)
    Der Neue ditto
    Rößlewirt
    Der kleine Willi.

    Die Dicken erschienen zahlreicher. Außer mir waren 18 Wäh­ler beisammen, es wurden von ihnen gewählt:
    Franz Michel Felder mit 16 Stimmen
    Michel Willam, Adlerwirt, mit 12 Stimmen
    Joh. Moosbrugger mit 8 Stimmen
    Joh. Josef Feurstein mit 7 Stimmen.

    Also zwei, die sich bisher ordentlich hielten. Den Adlerwirt habe ich Dir schon früher in mancher Hinsicht gelobt. Ich und Feurstein sind „Neufänge". Die Großen? Nun, die beißen einander nie, sagt der Wälder. Es waren von allen Alpen und Vorsäßen nur Hinterhopfreben vertreten. Man wählte sich gegenseitig aus Höflichkeit u. dgl. und ich mag Dir das Re­sultat gar nicht sagen. Also in Summa:

    Die Wahl hat mich nicht befriedigt. Ich werde wenigstens acht Gegner, zwei Gleichgültige und einen Anhänger haben, der nichts so reichlich hat als guten Willen. Ein Bäuerlein kam zu einem Schneider und sagte: Da hab ich ein altes Schaffell, mache mir ein paar neue hirschlederne Hosen daraus. Ist das klug?

    Gestern sagte der Vorsteher: In acht Tagen müßt Ihr aus den heute Gewählten einen klugen, volksfreundlichen Mann, der das Rechte weiß und will, zum Vorsteher machen. - Einen Mann, der das Vertrauen aller Gemeindemitglieder hat und verdient. - Ist das klüger? -

    Ist's besser, wenn Albrecht weg und ein anderer an den Platz kommt? Gestern sagte ein Schoppernauer: Wozu wollt ihr doch neue Vorsteher? Ihr Dummhüte! Dümmere als die jetzigen kann man nicht brauchen und klügere habt ihr keine. Aber wie ich hörte, will Albrecht durchaus nicht mehr, und ich verarge dem Geplagten das nicht. Und wer nun?, so frage ich, so ganz Schoppernau. Feurstein? Gut, aber schwach, richtige Ansicht, aber kein Mut. Willam? Herzhaft, aber er ließe leichter den Feurstein reden und handeln. Ich wäre fast für Feurstein, aber Willam wird wahrscheinlich Vorsteher, wenn Albrecht durchaus Friede haben will, um auf seinen Lorbeern auszuruhen.

    Den Schulze-Delitzsch habe ich nun bis zum letzten Kapitel gelesen. Ich habe darin manches angestrichen, das nach meiner Ansicht zu seinem Zweck gar nicht oder anders gesagt werden sollte. Lege mir es nicht als Gleichgültigkeit aus, daß mich das Gähnen ankommt, sobald ich nur von dem Buche reden soll. Es ist darin so viel von Aufklärung die Rede, daß es schwachen Augen zu hell wird, so rascher Fortschritt, daß es mir schwindelt, z. B. Seite 5: „Denn Arbeit ist eben jede in Voraussicht künftiger Bedürfnisse auf deren Befriedi­gung gerichtete planmäßige Tätigkeit." - Jede andere Tätigkeit nennt Schulze tierisch. Da ist mir Riehl doch lieber. Wenn Dein Bastiat nicht kurzweiliger wird, so weiß ich nicht, ob ich ihn werde bis zu Ende bringen können. Doch nach dem Heft über ,Die Presse' zu schließen, habe ich nichts zu fürchten. Bastiat, sagt das Lexikon, war geboren 1802, es werden mehrere Schriften angeführt, die ins Deutsche über­setzt wurden. Die bedeutendste derselben sei: ‚Volkswirt­schaftliche Harmonien' in Prince Smiths Nationalökonomi­scher Bibliothek (Band 1, Berlin 1850). Bastiat war der Sohn einer angesehenen Kaufmannsfamilie und wird im Lexikon „einer der ausgezeichnetsten neuern Nationalökonomen Frankreichs" genannt.

    Dein Bruder, der Lehrer, ist in Au zum Ausschuß gewählt, und man sagt hie und da, er werde Vorsteher werden(?) Der „Pächter", ein Heiratslustiger, von dem ich Dir im letzten Sommer erzählte (wie ihm in Sibratsgfäll ein Heimatschein verweigert wurde, damit er nicht nach Rom gehe) will nun durchaus ans Brett. Ich habe gehört, er beabsichtige, bei Dir Rat und Hilfe zu suchen. Er ist ein sehr gemeiner Mensch und seiner Geliebten vollkommen würdig. Sonst weiß ich nicht viel Neues. Etwa am Freitag ziehen wir nach Hopfreben. Nun aber glaube ich denn doch auch von Dir wieder einmal einen Brief erwarten zu dürfen, und zwar 1. Eine Antwort auf meine Briefe, 2.  Nachrichten von  Dir selbst, 3.  Dein Manuskript, 4. Deinen allgemein trotz Muos mager genannten Julius u.s.w. Mit den Sonderlingen geht's zwar nicht mehr vorwärts, denn ich bin fast nie daheim als abends. Arbeit alle Hände voll! In Hopfreben wird's hoffentlich besser werden. Nun ist der Bogen fertig, und ich werde das Übrige für den nächsten Brief sparen. Lebe wohl und vergiß nicht Deinen mit Ehren und Amt ausgezeichneten Gemeindeausschuß - und Freund

    F. M. Felder,

    welcher jedenfalls Achtung und Vertrauen verdient.

    *) Anmerkung. In Schoppernau sollte der schöne Gemeindewald im Bahn­holz unter dem Weg, meistens aus jungem, neun bis zwölf Zoll dickem Holz und kleineren Stämmen bestehend, niedergehauen und - ohne Wissen und Willen des Försters und der Gemeinde niedergehauen wer­den. Es wurde, leider zu spät, vom Förster auf seiner Durchreise gesehen und streng verboten. Die Nase wird folgen. Da hier noch Raum ist, so benütze ich ihn, um Dir mitzuteilen, daß im Unterdorf mehrere neue Brunnen gelegt werden, wozu die jungen Stäm­me im Bahnholz prächtig passen und wohlfeil sind.

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 18. Oktober 1864

    Rechnung für Herr F. M. Felder - Schoppernau

    von der

    Matthias Rieger'schen Buch- & Kunsthandlung (Joh. Thom Stettner)

    1864        Rest der Rechnung vom 21.3.64                  fl 32,22x

    20 Apr 1 Biggel Sieg d. Kreuzes                                        "-45

    1 Bund Couverte                                                ,/-12

    1 Brockhaus Conv. Lex 1.1                                 //-18

    1 Gartenlaube 64 #13/16 pr. 2. Qu               „- 54

    1 Dtsche Blätter „ „ „                                 „-21

    f. Stempel d. Gartenl. 2. Q         „- 8

    11 Mai 1 Brockhaus Conv. Lexicon l 2/9                             2,24

    1 Allioli hl Schrift 2/10                                         3,36

    24 Mai 1 ., hl. Schrift 11-15                                           2,-

    1 Brockhaus Conv. Lexikon 10.11                       //-36

    14Juni 1 „ „ „ 12.13.14.15.16.17.18.19.20.21.                        3,-

    1 Allioli hl. Schrift 16-20                                        2,-

    30    "        1 Heimgarten      #  27. 29 pr. 3. Qu                                    ,-54

    7 Juli 1 Allioli hl. Schrift 21-24                                                   1,36

    1 Gartenlaube # 27 pr. 3 Qu. mit Stempel                        1, 2

    1 Dtsche Blätter # 27 „ „                                               „-21

    16 Aug. 1 Allioli hl Schrift 25-30                                                           2,24

    9 Familienkalender 1865, mit Stempel                            3,20

    4 Buch Briefpapier 4.                                                           //-48

    1 Dorfbarbier 64 # 21/33 pr. 3. Q mit Stempel               //-44

    7. Sept 1 Petiscus d. Olymp                                                                   1,48

    1 Schulze Delitzsch Arbeiterkatechismus                       //-27

    1 LinggCatilina                                                                     2,24

    4/3 Illustr. Familienkalender 65 mit Stempel                  1, 7

    28. Sep. 1 Romanztg # 25/38 pr. 3. u. 4. Q                                         3,36

    fl   69,7

    1 3 Apr.    zahlten Sie a conto      7,52

    18 Apr. „ „ n 4,30                                                                        12,22

    fl 56, 45x

    ab Rabatt auf mit x bez. Artikel                                                             2,56

    fl53,49

    den 24. Oct 64 empfangen p M Rieger Bopp

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
    Rechnung
  • 5. Oktober 1864

    Geliebter Freund!

    Hier sende ich von der Bibel, was ich Gedrängter zu lesen Zeit hatte. Das andere folgt später. Ich bin ungeheuer be­schäftigt und  bringe doch  nicht viel  vorwärts, jedoch  den Lassalle zu lesen, finde ich immer noch Zeit und bitte daher, mir den Bastiat zu schicken. Morgen sind die Neuwahlen; hernach mehr. Es grüßt Dich und die Deinen Dein Freund                                                         

    F. M. Felder,

    welcher dem Wible zum Namenstag gratulieren wollte, aber wirklich nicht Zeit hatte.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 4. Oktober 1864

    Geliebter Freund!

    Mit ein wenig Katzenjammer behaftet, setze ich mich heute gähnend an den Schreibtisch und rufe alle guten Geister an, daß sie mir zu dem Kraft und Geduld geben, was ich zu berichten habe.

    Heute wird wohl im lieben Ländle wieder manches Pfund Pulver verpfufft, wir Schoppernauer aber haben bereits ge­stern das unsrige getan. Ja, Freund, gestern war ein Fest, wie ich wirklich noch nie eines gesehen habe. Pfarrer Rüscher ist angekommen, der lange Erwartete. Ich will Dir nicht erzählen von den Kränzen, den Pöllerschüssen, den geschmückten Jungfrauen, dem schönen Wetter, mit dem der Himmel sein Wohlgefallen bewies, und ähnlichem Durcheinander, aber ich habe Jünglinge und Greise gehört, welche behaupteten, daß das ihr schönster Festtag sei. Die Mitteilung einiger, teils geschriebener, teils gesprochener Verse wirst Du mir erlassen, und so eilen wir denn von der festlich geschmückten Kirche, in der Herr Dekan eine lange, langsam gesprochene, lang­weilige Predigt hält, zum Kronenwirt, wo ein Mahl der Gäste wartet. Durch den gegen uns etwas unhöflichen, vor der Tür aufgestellten Satz: Der Herr Pfarrer sei willkommen! lassen wir uns nicht zurückhalten. Ja, komm nur mit, denn heute führe ich Dich in keinen Schmollwinkel; ich bin doch vom Vorsteher und Rat als Gelegenheitsdichter und - zum Fest­mahl eingeladen! Platz ist genug für uns beide und noch für zehn, die aber nicht kommen. Ja, nicht einmal Stöckler und Feßler bleiben da, die Familie Rüscher weilt bald im Kreise der Gemeinderäte allein, und die laute Unterhaltung ist so still, daß der leiseste Laut gehört wird. Die Gemeinderäte unter­halten sich von einer Straße, die verbessert, von einem Zaun, der gemacht werden soll, Rüscher hört zu. Wahrlich, sage ich euch, trockenere und langweiligere Männer als die Gemeinde­räte hat es gestern in Schoppernau keine gegeben. Der Tag war so schön und die Freude so allgemein und ungeheuchelt gewesen, daß Dein empfindsamer Freund sich einer solchen Gemeindevertretung zu schämen anfing und, wenn auch mit schwacher Hand, in die Speichen des Schicksalsrades einzu­greifen beschloß. Es war schon spät, als ich einen „Toast" ausbrachte. Willi gestand sehr naiv, daß man das beinahe vergessen hätte. Man sagte nun dem neuen Gast, daß ich Felder heiße u.s.w., worauf er ein Gespräch über alles Mög­liche mit mir anfing, wobei er sich sehr freisinnig zeigte. Ich traute dem Manne nicht recht, denn er ist so weich und - fast fürchte ich - kalt wie Schnee. Ich bin vielleicht heute zu streng, aber mir schien sein gewinnendes Wesen, seine wirk­lich erstaunliche Freundlichkeit, ein wenig berechnet zu sein. Ich war offen gegen ihn, aber nicht vertraut, ich sagte ihm, was er fragte, und das war viel. Über Pater Zeno, über mein Leben, über die Gemeinde u.s.w., zum Beispiel „Wie gefiel Ihnen die heutige Predigt?" „Ich weiß nicht, was ich sagen soll."

    „Warum?"

    „Ich war zu weit davon, um es genau im Zusammenhange zu hören."

    „Also der Zusammenhang fehlte?" „Ja, wenigstens mir."

    Später wurde unsere Unterhaltung gemütlicher, wir schieden? recht freundlich. Nun, was meinst? - Vielleicht würdest Du zuweilen meine Gradheit Unvorsichtigkeit genannt haben. Ich aber dachte: Jetzt sieht man's ihm an, daß er alles gern so nimmt, wie es ist, und am Ende wäre ein offener Gegner noch besser, als ein falscher Freund, daß ich ihm nicht gleichgültig sei, hatte ich schon mehrfach Gelegenheit zu bemerken. Er sagte: Er werde mich oft und gern besuchen und „mit mir Bibel lesen". Nun wir werden sehen.

    Der mehrbenannte Schneider J. Natter will seinem Vormund entlaufen und zu mir in Kost und Quartier kommen. Ich habe es ihm auszureden versucht. Du glaubst gar nicht, wie der lese- und lernbegierig ist. Mir scheint, daß die Geschichte sein Lieblingsstudium werden wird. Der Mensch kommt mir, um Dir ihn kurz zu zeichnen, gerade so vor, wie ich mir die Berliner bisher eingebildet habe. - Von den Wahlen hört man jetzt hie und da reden. Es ist, da drei Wahlkörper sind, etwas zweifelhaft, ob es ganz ruhig ablaufen wird, - das letzte Mal hatte man nur zwei. Da ich jetzt hier mehr An­hänger, Gönner und Freunde habe als früher, so wäre es mir leicht, zu Ehren und Amt zu kommen, wenn ich so ängstlich als andere mich darum bemühte. Aber ich denke so, am lieb­sten will ich gar nichts dergleichen, sollte ich aber wirklich etwas Gutes tun können, das sonst unterbliebe, so würde ich meine Bequemlichkeit opfern, daher macht mir die Wahl wenig Sorge. Das Volk ahnt sicher besser, was ihm zum Heile dient, als ich es weiß. Unser Pfarrer wird heute schon laut gelobt, was wird wohl das Ende von diesem Hosianna sein? Mir will fast scheinen, das gestrige „Willkommen" sei tiefer gefühlt worden als das heutige Lob. Mir ist Offenheit noch lieber als Freundlichkeit, am besten aber sind beide, und ich wünschte auch beide. Es gibt nach meiner Ansicht keinen erbärmlichem Menschen, als wer im Augenblicke der Gefahr seine Grundsätze verleugnet - wenn er überhaupt eigene Grundsätze hat. - Ich rede da vom Gegenteil eines Pfarrers, nämlich von Karl Kunz. Mein Urteil, oder eigentlich meine Ansicht, will ich Dir hier ganz kurz sagen: So lange der Tiroler nur den Standpunkt, die Richtung der Feldkircher Zeitung be­kämpft oder kritisiert, ist er im Recht, aber Ausdrücke wie „das verkommenste Blättchen der Monarchie" sind Injurien. Der Beweis der Wahrheit, wie er in jener Schrift geführt wurde, hat, wie Du Dir denken kannst, mir nicht „gehörig" scheinen wollen. Ursach halber! Nur deswegen, weil eine Zeitung nicht gut österreichisch ist, nenne ich sie nicht die schlechteste. Wer die Schäden und Fehler eines Staats kri­tisiert, ist oft der größere Vaterlandsfreund als ein Lobhudler der Landeszeitung. Die Klage des Herrn K. ist freilich zu empfindsam, zu gesucht. Ich an seinem Platz hätte gar nicht geklagt, oder ich hätte nur den Satz: „Daß das verkommen­ste" u.s.w. festgehalten. Ich war nie ein fleißiger Leser der Feldkircher Zeitung. Nur hie und da las ich eine Nummer, wie ich hie und da auch Nummern von Wiener Witz- und anderen Blättern las und mit der ersteren verglich. Der ,Gerade Michel' vom berühmten (leider wurde er's) E. [Breier] ist im politi­schen Teil miserabel, und der belletristische Teil ist schlecht. Diejenigen Aufsätze, die er aus den Klassikern und aus nord­deutschen Blättern stiehlt, ausgenommen. Diesem Michel fehlt zum verkommensten Blatt nach meiner Ansicht nichts, als daß er zu kaiserlich ist. Die Romane darin sind nur darum von unschädlichem Einfluß, weil sie gewöhnlich zum Einpacken besserer benützt werden. Das ist mein Urteil über die Num­mern dieses Michel, die ich las. Und die Tirolerstimmen! Ihre Abnehmer sind Bedienstete der Eigentümer des Blättchens, einige Wirte oder solche, die sich an den Sprüngen desselben ergötzen. Wie oft sind diese Stimmen gestraft worden? Und endlich unsere Zustände, unsere Konstitution, was sagen andere Zeitungen, was sagt der gesunde Verstand dazu?

    Und nun heraus aus der verkehrten Welt! Nachdem ich meinen Rechtsbegriff zu Deinem Ergötzen seine Sprünge habe machen lassen, frage ich: Was sagst Du? Dann fragt der Bauer den Juristen: Was sagen Sie zu der Sache? Den Lassalle habe ich Dir bestellt. Die Bibel und das andere werde ich Dir gelegentlich schicken. -

    Deine Mahnung, immer offen zu sein, habe ich meines Wissens stets befolgt, werde sie, wie Du auch aus diesem Brief und dem zuerst Erzählten siehst, auch ferner befolgen. Ich wage daher, sie Dir wie ein Echo von Deinem Schreibtisch zurückzurufen und erwarte eine recht baldige Antwort. Jochum hat geschrieben: Er befinde sich wohl, habe einen Freund und Gönner gefunden, der ihn, so hoffe er sicher, nicht verlassen werde, so lange er Unterstützung nötig habe. Mit den herzlichsten Grüßen von mir und den Meinigen an Dich und die Deinigen Dein aufrichtiger Freund

    Franz Mich. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. September 1864

    Lieber Felder!

    Deinen l. Brief habe ich durch Hr. Stettner erhalten, und mich herzlich gefreut, daß Du Dich wie Deine liebe Frau gesund befindest.

    's Wible soll nur recht fleißig Strümpfe für den kleinen Felder stricken, zerreisen wird er doch genug. Daß ich Dir wie Dei­ner l. Frau mit dem Übersenden der Literaturgeschichte von Vilmar eine kleine Freude gemacht habe, ist mir recht ange­nehm. Ich wünsche nur, daß Ihr Euch recht gut unterhaltet; ich glaube zwar, daß Deiner Frau diese Lectüre auf die Dauer nicht recht zusagen wird, besonders, wenn Ihr jeden Abend darin lest; denn, obgleich diese Literaturgeschichte populär u. in einem leicht verständlichen u. angenehmen Style geschrie­ben ist, so muß sie doch mehr studirt wie gelesen werden. Ich werde daher für Dich wie hauptsächlich für Deine Frau einige belletristische Bücher in einer der nächsten Sendungen bei­legen; z. B. Westermann: Illustr. Monatshefte, Ruppius' Erzäh­lungen, sowie verschiedene andere Kleinigkeiten, die mein Eigenthum sind, und womit sich das Wible gewiß besser unterhält, als mit der Literaturgeschichte. Was Gegengefälligkeit anbelangt, so lasse das nur hübsch sein; ich komme vielleicht im nächsten Sommer auf einige Tage zu Euch, werde Euch aber dann so zur Last fallen, daß Ihr mich gerne wieder schickt.

    Die Zeit wird Euch den Winter über manchmal herzlich lang werden; ich will durch Übersendung von Büchern mein mög­lichstes thun, Euch die Zeit etwas zu verkürzen. Es ist nur Schade, daß Ihr so weit weg wohnt, sonst würde ich Euch jeden Sonntag besuchen.

    Deinem Briefe nach kommst Du mit dem Wible heuer noch nach Lindau, ich rechne sicher darauf; jedoch richte es so ein, daß Ihr den Sonntag über hier seyd, damit ich Euch doch auch genießen kann.

    Hast noch Taback? Wenn Du wieder derartigen wünscht, so will ich schon welchen nach Schoppernau über Bregenz schmuggeln; schreibe es mir jedoch, ob Dir das kleine Packerl geschmeckt hat. Der Abend, wo wir bis um 12 Uhr Nachts gedampft haben, war doch gemüthlich? Nicht wahr? Ein klei­nes Rauchkollegium. Wenn ich einmal komme, so dampfen wir den ganzen Tag, von früh bis spät in die Nacht, wenn's Wible nichts dagegen hat.

    Ich schreibe Dir dann auch, was ich gern esse u. trinke; da kann sich das Wible einstweilen auf den unverschämten Lind­auer freuen. Daß's Wible nur nicht glaubt, ich sey ein hüb­scher, schöner junger Bursch, grundgescheidt, das wäre letz. Romanzeitung erhälst Du anbei. Eine Recension über Nüm­mamüllers' kommt, wie ich erfahren habe, in einer der näch­sten Nr. der Leipz. Illustr. Zeitung. Ich werde sie Dir senden. Was ist mit Deinem neuen Werke? Mit herzlichem Gruß u. Kuß an Dich u. Deine l. Frau Dein

    Friedr. Heuner

    Friedrich Heuner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 24. September 1864

    Theurer Freund!

    Dein Schreiben vom 28ten August habe ich, aber erst vor kur­zem erhalten. Ich wollte Dir schon vor einigen Wochen den zweiten Brief übersenden, es gieng mir aber wie gewöhnlich, nämlich ich verschob es immer weiter, bis mich endlich Dein Brief dazu drängte.

    Es freute mich sehr zu erfahren, daß alles in Deinem Hause gesund ist u. daß noch dazu Dein schriftstellerischer Ruhm bedeutend vergrößert wurde, ja daß Du wirklich mit Deinem ersten Bändchen schon in dieser Beziehung festen Boden gefunden hast, auf dem Du sicher u. keck weiter wandern kannst; ja arbeite nur tüchtig vorwärts, denn wenn Du noch mehrere solche u. wie ich meine auch noch gediegenere Werke schreibst u. herausgiebst, dürfte Dir auch die Ehre zu Theil werden, in irgend einer Wiener-Bibliothek aufgestellt zu werden, bisher ist dies Dir noch nicht gelungen, wenigstens in der größten nicht. Ich habe überhaupt von Deinem Werkchen hier noch nicht sprechen gehört, außer was sich sagte, aber wenn die Stimmen im Norden u. Westen verklungen sein werden, so wird das Echo auch im Süd Osten hörbar werden, dazu braucht es selbstverständlich Zeit.

    Du wirst fragen, wie geht es Dir? so höre: Ich habe in Wien 2 Quartiere, das eine, wo ich früher war, das andere nicht ferne davon, bestehend aus 3 großen Zimmern u. einem Vor­zimmer das jährlich etwa 700 fl kostet, wohne aber fast durchgehends auf dem Land, in Grinzing nämlich, wo ein guter Wein wächst. Vormittags studire ich meistens, nach­mittags spiele, esse, studire, kegle, plausche u. dann studire ich; abends trinke ich ein ordentliches Quantum exellentes Bier während des Blauschens. Mein Tabak ist Portoriko 1/4Pfund per 60 Xr u. Zigaren das Stück 4 1/2oder 6 Xr. Wenn Du mich irgend einmal als Aufschneider kennen gelernt hättest, so würdest Du sagen, das ist vermuthlich erlogen, so leben allenfalls Grafen u. große Kapitalisten; dann müßte ich Dir antworten, auch ich lebe so zwar nicht als, sondern bei einem Grafen u. Kapitalisten.

    Aber nicht alles glänzende ist immer Gold; Ich bin zwar mit benanntem Herrn auf so gutem Fuße, daß man kaum meine Stellung als eine unter ihm sondern neben ihm nennen muß, doch muß selbstverständlich aus Rücksichten von mir manches geschehen, was ich sonst nicht thun würde u. manchmal würde ich gerne auf die Unterhaltungen verzichten, wenn ich studiren oder lesen könnte, ohne daß er es ungern sehen würde.

    Vom ersten Oktober an ändert sich die Lage wieder, er zieht in die Stadt u. ich beziehe wieder für beständig das Quartier Nr. 16 Währingerstraße, immer aber bleibt er mir eine Stütze bis ich einen Platz habe, der für meine Bedürfniße mir Mittel schafft, so hoffe ich wenigstens zuversichtlich. Wie das alles gekommen ist zu erzählen, wäre viel zu umständlich u. einiges derart, daß man es einem Dorf­geschichtenschreiber, wenn er auch der beste Freund ist, nicht leicht anvertrauen darf, denn Handlungen „aus un­widerstehlichem Zwange" unternommen, sind, wie es im Gesetze heißt, nicht zuzurechnen, u. die Dorfgeschichten­schreiber haben solche unwiederstehliche Zwänge, wenn man ihnen etwas sagt was in ihren Kram paßt, wie ich schon bemerkt habe.

    Mit meiner Garderobe bin ich jetzt ziemlich bestellt, deßhalb bitte u. beschwöre ich Dich nichts mehr von den zurückgelas­senen Fetzen zu erwähnen. Den Stubenrauch bitte ich Dich, wenn es noch nicht geschehen ist, auf wohlfeile Art dem San­dereil am Bürscherberg zu senden u. zuvor sein Primizbild heraus zu nehmen, damit er nicht glaubt ich wolle ihn etwa gar foppen daß ich es ihm zurückschicke; die ändern Bücher lasse vor der Hand liegen.

    Vom Geld schicken ist keine Rede, u. ich brauche auch vor der Hand wenigstens keines.

    Viele Grüße vor allem an Dich u. das Wible der Wible an die Mutter von Dir u. Deine junge Familie. Schreibe bald wieder einige Zeilen an mich, damit ich erfahre wie es Euch geht. Ein anderes Mal mehr.

    Grüße mir meine Mutter, Sieberl's, Thresel, Oberhauser ect. in Au Leo'uos u. Dr. W. ect.

    Dein aufrichtiger Freund                                     

    Franz Jochum

    Jurist.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 19. September 1864

    Lieber Freund!

    Aus Deinem letzten Schreiben kann ich nicht entnehmen, welchen Eindruck der Preßprozeß auf Dich gemacht hat. Es wäre mir sehr lieb, diesen näher kennenzulernen. Wie erschien Dir also die Sache des Kunz, wie die Verteidigung, wie das Urteil erster und zweiter Instanz, wie das Verhältnis desselben zum positiven Recht (dieses kennst Du ja) und wie zum ideellen? Die Art des Verfahrens scheint Dir am wenig­sten zu gefallen, was ist also an den Juristen auszustellen? Mir wäre eine freie, offene Ansichtsäußerung über diese Punkte, wie erwähnt, sehr lieb. Demokraten pflegen, wie Du bei Lassalle bemerken wirst, frei und männlich zu reden, und Du hast Recht, über eine Menschenart, die das Gegenteil wahrer Volksfreunde repräsentiert, d. h. über einige Kor­respondenten der Landeszeitung, ungehalten zu sein. Ich darf daher eine eher nach Lassalle, als nach der Landes­zeitung riechende Antwort erwarten. Mir sind die fraglichen Korrespondenzen im geringsten nicht aufgefallen, wohl aber fiel mir die [. ..] auf, die sie dem nun verstorbenen großen Demokraten bei Erwähnung seines Todes antat. Hiedurch beschmutzte sich diese Zeitung mehr als alles andere, was sie bisher gedruckt hat. Lassalles Sache lebt und wird leben, so lang die Welt besteht, und je länger Du ihn liest, desto mehr wirst Du in ihn verhitzt werden. Was ist mit den 10 Prozent Rabatt, die Du hast? Ich möchte das System der erworbenen Rechte von Lassalle bestellen, wenn Du es Vio wohlfeiler bekommst als ich, so bitte ich, es gleich zu be­stellen. - Wenn Du den Schulze gelesen hast, so mußt Du auch den Schulze-Bastiat lesen, den ich Dir nach Belieben schicken kann. Nach Lesung desselben wirst Du dann zu beurteilen in der Lage sein, ob ich den Schulze auch lesen soll. Die Bibel bitte ich, jemandem, der gelegentlich herauskommt, zu übergeben. Julius gedeiht nun trotz Muos. Den Preß­prozeß bitte ich auch gelegentlich mir einzuhändigen, weil ich ihn noch brauchen werde. -

    Ich war gestern beim Sängerfest in Hohenems und habe der Entstehung des bezüglichen Artikels, der in der Landeszeitung erscheinen wird, zugeschaut. Ich wünschte, Du wärest auch anwesend gewesen. Deine Scham, ein Vorarlberger zu sein, würde jedenfalls geringer geworden sein. Der Geist, der dieses Fest belebte, ehrt Land und Volk. ­Die Gemeindewahlen sind in unserm Bezirk vorbei und die Geldaristokratie hockt nun in dem emsig bereiteten Nest. ­Dein Freund

    K. Moosbrugger.

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 4. August 1864

    Geliebter Freund!

    Vor allem meinen aufrichtigsten Glückswunsch! Ich hätte Dir eigentlich ein Gratulations-Schreiben in Versen verfassen sol­len; doch warum diese mühsame Silbenstecherei? Möge das Leben Deines Buben so froh und heiter sein wie der Tag, der ihm sein Dasein gegeben, - heiterer als der Monat, in dem er zur Welt kam. Alles, was mir fehlt, wünsche ich ihm, und daß er doch durch sich selbst groß sei und alles andere entbehren könne. - Wann mein Weible zum Gottloben kommt, weiß ich nicht. Es ist gesund und hofft, in diesem Jahr Deinen Buben noch zu sehen. Jetzt hätten wir schon Zeit, einen Ausflug zu machen, aber ich erhielt gestern ein Schrei­ben von Stettner in Lindau, worin er mir mitteilt, daß er mich nächstens besuchen und mir einige in letzter Zeit eingegange­ne Besprechungen meines Nümmamüller mitbringen werde. Also daheim bleiben und - Bibel lesen! Du scheinst Dich zu wundern, daß ich so ganz aus dem Strom der Gegenwart hinweg auf eine sagenhafte Insel (nicht Jammersäule) ge­kommen [bin], aber Freund! auf der Insel ist's schön, alles blüht und lebt und ich hoffe da manches Korn, manches Gewächs zu finden und mitzunehmen, das auch an ändern Orten Früchte trägt, wenn mir das Mitnehmen dieser Körner und Pflanzen auch so beschwerlich werden sollte, als einst Hans Drake die - Einführung der Erdäpfel in Europa. Kurz, auf meiner Insel bin ich vergnügt, das ist das erste, dann habe ich auch einige papierne Schiffe, genannt: ,Deutsche Blätter', ,Franzeis Unterhaltungen', illustrierte Zeit', ,Glocke', ,Heimgarten', ,Gartenlaube', ,Allgemeine Zeitung' u.s.w., auf denen ich und zwar nicht ganz gefahrlos für meine innere Ruhe in die ärgsten Strudel hinausfahre und - doch diesmal sollst Du kein drei mehr bekommen! - Du verstehst schon, wie ich's meine. Mein letzter Brief wird Dir merkwürdig trok­ken vorgekommen sein? Ich hatte Dir in früheren Briefen immer von mir selbst geschrieben, das dachte ich nun, müßte doch endlich jedem zu viel werden, und da ich gerade in der verarbeitetesten Stimmung war, hatte ich Zeit zum Schreiben jenes Heuerbriefes, der Dir, wie es scheint, aufgefallen ist. Ich habe mich, um offen zu reden, seit den schönen Tagen des Nümmamüller vielleicht in manchem Stück geändert, aber, ich meine, die Hitze des Lebenssommers, die ersten zwei Julitage haben mich doch nicht dürr gemacht wie unsere Kirschbäume, sondern nur feuriger, reicher- wie die Trauben. Ich bedaure, daß die Krankheit der feinen Selbstsucht so um sich greift, erfreue mich aber stets an der Hoffnung, daß sie uns nie aufhalten, hindern, schwächen soll, für das allgemeine Beste zu wirken. Es ist wahr, im letzten Jahr kam ich so zu allerlei Gedanken, hätte zuweilen nicht ungern all mein Dich­ten und Trachten, alle meine Ideale um ein Malter Mehl und ein Paar gute Hosen hergegeben. Doch ich fand einen Freund an Dir, ich fand gute Menschen, wo ich sie nicht suchte, und das Elend jener Tage ist hoffentlich für immer vorbei. Du kennst mich genug, um zu wissen, daß es in meinem Leben Augenblicke gibt und gab, in denen ich nicht gehen, sondern nur springen kann, liegt mir dann etwas im Wege, so schlage ich meinen Kopf an, und das tut - weh.

    Gebückt und mit dem Hut in der Hand Kommt man durchs ganze Land.

    Das ist ein wahres Sprichwort; aber der Teufel, ich mag so nicht durchs ganze Land kommen. „Gerader Weg fahrt sicher." Das ist meine Losung. Die Abwehrsteine, an denen ich die Knie anstieß, werde ich mir schon merken. Ich rede hier, wie Du wohl merken wirst, nicht nur von meinem Leben, sondern auch von meinen Schriften. Nach meiner Ansicht wird der Nümmamüller von dem Roman ,Sonderlinge' bei weitem übertroffen werden. Ich werde viel frohe Stunden bei der Arbeit haben, weiter rechne ich jetzt nicht. Beim ersten Werke waren die Freuden des stillen Schaffens die schönsten. Mein jetziger Roman ist nicht das Werk eines Jahres, mein Leben mit allem gehörte dazu, ihn zu schreiben. Als ich ihn anfing, war der Plan für mich zu groß, aber nun ist er kleiner und ich - dem Freunde wird diese Rede nicht eitel scheinen - ich bin ein wenig größer, wenn auch noch lange nicht der Große geworden. Seit einem Jahr bin ich mit der Arbeit nicht vorgerückt, sondern habe nur das Geschriebene verändert, verkürzt und, ich meine, verbessert. Das was vor einem Jahr in 9 Kapiteln auf 32 Bogen stand, mußte machen so gut es konnte, damit es in 6 Kapiteln auf 26 Bogen Platz finde. Ich wollte, ich könnte Dir einige Kapitel vorlesen. Der Gedanke des Ganzen nach meiner jetzigen Auf­fassung ist: Es sind nicht die Großen, die die Fäden des Ge­schicks halten. Auch sie können zum Glück nicht alles, was sie wollen. Kampf und Streit, nicht Siegen und Unterliegen hilft vorwärts. Doch ich sehe, daß sich das im kurzen nicht so leicht sagen läßt und füge daher nur noch bei: Ein Geistlicher und ein Weltlicher, beide wollen, keiner wie der andere, die Welt bessern, daraus entsteht „Auerismus und Schoppern­auerhaftigkeit". Don Quichote sagt: Mancher wird glauben zu schieben und wird geschoben werden und - der Bregen­zerwälder sagt: Jesus wählte darum zwölf Apostel, weil er meinte, einer könne mitsamt dem Heiligen Geist nicht alles allein richten und machen, wie es sein sollte. - Das war so kurz als möglich der Inhalt, das Ganze wird aber meine An­sichten aussprechen, nicht in Abhandlungen und Reflexionen, sondern durch den Verlauf einer Dorfgeschichte in des Worts verwegenster Bedeutung. Nicht blasse Mückenfänger und Grillenmännchen, sondern Männer fest und starr wie unsere Berge, zwischen denen die Mädchen wie Blumenhügel stehen, wirst Du finden, Kämpfe sollst Du sehen, die ich selbst und meine Freunde und Freundinnen, die Sonderlinge, gekämpft haben, und doch wird das Ganze nicht Porträtmalerei sein. Ich bitte Dich, mir Deine Gedanken über meine Gedanken bald, recht bald mitzuteilen.

    Die letzte Woche war ich mit meinem Wible auf Krumbach. Jok hat von 46 Kühen die Milch gekauft und das Sennen gelernt, er hat große Lust am Ding und es scheint, ob er in Zukunft die ruhigere Sennerei fast lieber als den Viehhandel betreiben möchte. Gesennt wird bei „zsch' Leouosa". Pius mit den Kühen lebt auf der Hochalp frisch und gesund. Er hat zwei Knechte, wovon aber der eine bisher immer Heuer­dienste zu versehen hatte. Auf der Hochalp ist's Ossianisch prächtig. Als wir kaum droben in der Hütte waren, krachte, zischte, rasselte es, als wie im Nümmamüller Seite 144. Ein Gewitter, mit Hagel verziert, verderbte mir die Freude, in der Alp herumzulaufen, doch das meiste haben wir gesehen - und so ein Gewitter ist auch etwas. In der Hütte wurde uns hungrigen Kaffeemenschen frische Butter, Milch, Kaffee, und was für einer, vorgestellt und:

    Ich bin zu alt, um bloß zu spielen, Zu jung, um

    ohne Wunsch zu sein.

    In den meisten Alpen hat man wenig Milch, dafür aber soll sie besonders ergiebig sein, was die, welche auf eigene Rechnung sennen, sehr hoch anschlagen können. Sonst habe ich auf Krumbach nicht viel Neues erfahren. Das Bauen zu Schröcken geht der schlechten Witterung wegen sehr lang­sam. Auch scheint der Hl. Geist des Friedens zu fehlen, obwohl man eine Kirche baut. Mich ermahnt diese katholische Kirche fast an die katholische Kirche, wobei aber der Um­stand, daß der Pfarrer am 2. Juli davonlief, nichts zu tun hat. (Der Pfarrer kam nicht weiter als nach Andelsbuch - ja so! Hast Du auch von dem dortigen Streit wegen einer Kapelle gehört??) Im Schröcken will alles eine Kirche, aber man will sie nicht auf die gleiche Art gebaut. Zuerst gab es Streit, weil der Pfarrer und einige die Stiege zu der zweiten Empore in, die ändern aber vor der Kirche haben wollten. Mit dem Wirts­haus, welches die Oberhauser bauen, geht's besser. Dem Streit Liebigs wirst Du sicher mit so großem Interesse als ich gefolgt sein. Die Norddeutschen sind selbstverständlich auf Liebigs Seite. Hübsch und gründlich war die im letzten Winter in der Allg. Zeitung erschienene Abhandlung von Riehl ,Die politische Partei'. Ich habe die Beilagen hübsch beisammen, da ich die Zeitung mit dem Wirt von Schröcken halte, der sie doch nur verpacken würde. Das Brockhausische Lexikon leistet mir, dem Ungeschulten, sehr gute Dienste. Ich kann nun auch wissenschaftliche Werke mit Interesse lesen und habe mich vor Fachbüchern nicht mehr so ängstlich zu hüten. Manche Artikel sind meisterhaft - alle ganz objektiv gehalten. Auch uns Katholiken läßt er leben, während andere Werke dieser Art mit allem Glauben aufräumen wollen.

    Jetzt wieder einmal etwas Geistliches.

    Der Pfarrer ist fort, das ist nicht gut. Ein Kapuziner ist da, das ist traurig. Pater Zeno ist da, das ist das traurigste. Wer ist Pater Zeno?, wirst Du fragen. P. Z. ist ein langes, 28 Jahre altes, krankhaft aussehendes Stück Mann, so groß ist er, daß er in meinem Studierzimmer den Kopf überall anschlagen würde! Es ist schade! Schade um Schoppernau. Stockmayr hatte wenigstens den Ablaßunfug etwas abgeschafft, hatte dem Aberglauben gewehrt und die Leute nicht mit verschim­melten Klosterbrocken und dünnem Weihwasser, sondern mit gesunder Kost genährt. Jetzt pfeift's anders! Pater Z. hält die Sünder bei den Haaren über den Rachen der Hölle und überschüttet sie mit Weihwasser, bedeckt sie mit dem Ska­pulier und macht Kreuze, damit sie nicht verbrennen. Wer ist ein Sünder? Alles! Todsünde über Todsünde. In den Jesuitenpredigten ist wenigstens Logik, aber hier ist - Alfons von Liguori. Drum noch einmal: Schade um Schoppernau! Schulze-Delitzsch wird in der Gartenlaube gegen Ketteier auf­treten. In den ,Deutschen Blättern' 29-30 ist ein hübscher Aufsatz ,Ein Imortellenkranz' von Prof. Häfele. Ich habe in letzter Zeit wieder einen Sonderling kennengelernt, der von Schoppernau gebürtig, 18 Jahr alt und seines Zeichens ein Schneider ist. Ich sage Dir heut nicht mehr über ihn, stelle Dir den jungen Wilhelm Meister vor und Du hast ihn beinahe. Ich hoffe, Dir später recht viel Gutes von ihm mitteilen zu können. Ich bitte Dich, mich recht bald wieder mit einem Brief zu erfreuen.

    Mit tausend Grüßen an Dich und die lieben Deinigen Dein treuer Freund

    Franz Michael Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 1. August 1864

    Amtlicher Teil. Bekanntmachung.

    Die Unterzeichneten bestätigen hiemit, daß am 19. August im Hause des Jakob Felder selig weder Predigt noch Christen­lehre gehalten wurde und daß kein Wölklein das frohe Wiedersehen trübte.

    Franz Michel Felder

    Anna Katharina Moosbrugger.

    Nicht amtlicher Teil.

    Geliebter Freund!

    Als ich über die Lose ging und von Dornbirns Bewohnern in Gedanken Abschied nahm, da verhüllte der Himmel sein An­gesicht und weinte. Ich aber eilte froh den Meinigen entgegen und kam um Va 6 Uhr glücklich zu Hause an, wo ich mit der Neuigkeit, daß Kaspar seit meiner Abwesenheit an den Bänken gehen gelernt habe, sehr angenehm überrascht wurde. Ich hatte auf dem Wege stark geraucht, meine Kleider dufteten wie die eines Tobäcklers und das Marianele, eine Nachbarin, fragte mich: „Gelt, Du hast Dich an einem luttischo Ort aufgehalten?"

    „Warum fragst du das?" „Sag's nur, ich sag dir dafür etwas anderes." „Nun ja, ich bin an so einem Ort gewesen." „Ja, das glaub ich gern, denn ich hab's dir gleich ange­schmeckt, du riechst gerade wie die Stückle, welche von luttischen Fabrikanten kommen."

    Also nicht bloß mit den Augen, auch mit der Nase wird unser einer beobachtet. Heute ist mir im Arbeitszimmer wieder ganz närrisch wohl; ich habe eine Weile gearbeitet und dann den Preßprozeß gelesen, wobei mein patriotisches Gewissen bald erwacht wäre und mich mit der Erinnerung an einige Reden über Kaisers Geburtstag bis unter Herrn Kunz stellte. „Wenn das am grünen Holze geschah" u.s.w. Doch ich rede mit einem Juristen, der aus allem einen fertigen Satz macht, nicht berücksichtigend, ob der andere noch mehr zu sagen hätte, daher ich noch beifügen muß, daß ich wenigstens mit Herrn Kunz nicht zu einer Holzgattung zu gehören die Ehre (nach anderen Quellen Schande) habe. Beim Durchlesen der Broschüre tat mir das vom Jochum ererbte (?) Strafgesetz beinahe so gute Dienste als auf der Reise seine Socken.

    Nie vergesse der Mensch:  Er sei  ein Schuldner von allen, nie sei zum Geben er karg, niemals zum Nehmen zu stolz.

    Am 4. September

    Stettner ist nicht gekommen. Die Kirchweih in Au war schon lange nie so langweilig als heuer. Die Leute mußten fast alle dem am „Schaden liegenden Heu" nachgehen. Jok hat noch nichts verkauft als einige Kühe. Der Wirt im Schröcken hat am Tage nach der Kirchweih - Hausherrenrecht „gepflogen" und Knechtiis dam Grosso (von Au), der sich unartig aufführte, nach heftigem Kampfe mit ihm einige Löcher in die Um­gebung seines Verstandskastens geschlagen. Auch Herr Gallus Moosbrugger soll vor kurzem sein „Kalb" (Weib) braun und blau geschlagen haben. Wir können also den Mecklenburgern zurufen:

    Wie bei Dir,

    so bei mir.

    Doch nun von etwas, worüber ganz Jerusalem sich freut, nämlich von der Nachricht, daß Pfarrer Rüscher kommen und uns genau den Weg der Tugend wandeln werde:

    Wie in der Wüste einst Jehovas Wolke Nach

    Kaanaan dem auserwählten Volke.

    Nur der Vorsteher ist ärgerlich über das Wirtle und gönnt ihm doch zum Teil den Schuh voll, den es aus dem Brief herausgenommen hat. Die Sache - wie alles, was Dr. Waiser weiß, wird bekannt werden und beim Publikum, welches „mit hohen Augenbrauen gelassen dasitzt", ein allgemeines Schütteln des Kopfes verursachen. Der Pater Zeno hat nun mit mir (oder ich mit ihm) geredet und mir gesagt, daß meine Kinder das jüngste Gericht wahrscheinlich erleben werden. Was werden also erst die Deinigen alles erleben? Im Lassalle habe ich gelesen und bin so verhitzt, daß ich auch die ändern Schriften später von Dir verlangen werde. Dafür übersende ich Dir dann den Schulze und von der Bibel, die nun voll­ständig da ist, was Du willst. Wegen „dum Muas" essen Deines Julius möchte ich Deinem Wible einen Artikel in der Gartenlaube Nr. 32 (Strafpredigt für Mütter von Bock) emp­fehlen. Die Neuwahlen für Schoppernau sind auf Ende Sep­tember angeordnet und ich werde mich dann beeilen, Dir das Resultat brühwarm mitzuteilen. Jetzt hört man in maß­gebenden Kreisen den Zuruf:

    Laßt alles hübsch beim Alten Und laßt den

    Albrecht walten. Weiß er sich nicht Rat, ihr

    Herrn, Das ist ja recht, wir raten gern.

    Vermutlich werde ich Dir mehr interessante Beobachtungen als Neuigkeiten vom Wahltage mitzuteilen haben.

    5. September

    Wie wenig freie Zeit ich jetzt habe, magst Du daraus ab­nehmen, daß ich schon 14 Tage an diesem Brief herum schreibe. Ich hoffe, Du wirst daher auch meine schlechte Schreibart entschuldigen.

    Ich habe Dir schon mitgeteilt, daß Albrecht (Hansköarlar) in Weiden, durch Moosmann aufgeredet, gegen die ihm diktierte Strafe protestierte. Nun hat Mathis - nachgegeben. Sonst weiß ich Dir nur wenig Neues mitzuteilen, alles ist mit Heuen beschäftigt, wenn man auch noch so wenig ausrichten kann, von den Gemeindewahlen hört man hier gar nichts und in Au nicht viel. Natter, der hitzige Schneider, kann sich oft recht ereifern über die dummen schläfrigen Bauern, die immer über die Vorgesetzten schimpfen als zur rechten Zeit nicht. Von den hiesigen Ausschüssen wäre, wenn man einen neuen Vorsteher aus ihnen wählen wollte, kein Heil zu hoffen. Es ist eine allgemein bekannte Sache, daß es beinahe durchwegs die Eigennützigsten im Dorfe sind. Nur den Adler­wirt und den wirklich gemütlichen Jäger nehme ich hievon aus, doch sind das Männer, denen es nicht am Herzen, aber am Kopfe fehlt. An der Auer Kilbe abends sind die Buben dem Kapuziner zu laut gewesen. Die Woche hindurch hörte man überall davon und gestern abends war es nun so laut, wie seit Jahren nie. Der Geist des Widerspruchs regt sich immer mehr und die jungen Leute sagen: Er macht die Alten zu Narren, das ist das Ärgste, sonst könnte er unsretwegen sich alle Sonntage so heiser lärmen als gestern, wo er zum Schrecken der - Gemeinderäte sagte: Wer einen Gulden un­gerechtes Gut besitzt, ist verdammt.

    Wie lebst Du, was macht Therese und Julius? Grüße mir erstere recht freundschaftlich. Auch mein Wible, welches ich nun bald nicht mehr mit Du, sondern nur mit Ihr anreden darf, läßt Euch recht freundlich grüßen.

    Wenn das Heuen vorüber ist, werde ich nach Hopfreben ziehen. Dort hoffe ich wieder meinen Studien und den Musen mich hingeben und das Kapitel ,Ein Sonderling als Küher' ausarbeiten zu können. Ein hübscher Roman: ,Die Mord­weihnacht' von Herrn Schmid erschien jüngst im Heim­garten. Ein Urteil über diese Zeitschrift brachte jüngst die Allg. Zeitung, welches, wie mein Wible bestätigen kann, mit dem meinigen gänzlich übereinstimmt. Ich werde nun die vielen Zeitungen, die mir durch die Hände gehen, noch flei­ßiger zu lesen Zeit haben und hoffe dadurch viel zu lernen. Mit den Alten bin ich nun so ziemlich bekannt und werde mich nun auch mehr an die neuen modernen Dichter wenden, jedoch nicht ihr Affe werden, wie es beim Gotthelf eine Zeit­lang leider fast geschehen wäre. Allfällige bedeutendere Bücherbestellungen bitte ich durch mich machen zu lassen, da ich, wie Du weißt, 10 Prozent Rabatt erhalte. Wie ich soeben vernehme, wird Pfarrer Rüscher noch in diesem Monate hieher kommen. Pater Zeno reist aber früher ab, weil er seinen kranken Vater in Landeck zu besuchen eilt. Statt ihm wird der Prior kommen. Hast Du in der Illustrierten Zeitung noch nichts über mein Schwarzokaspale gelesen? Erlauben Sie, Herr Adjunkt, nun noch die Frage: Gibt es etwas Erbärmlicheres, als diese Artikel einiger Kriecher und Speichel­lecker in der Landeszeitung über „das allerhöchste Geburtsfest Sr. apost. Majestät"? Das ist noch ärger als der „Höchstselige König von Bayern". Die konservativen Schriftsteller haben es ungemein bequem, denn ihre Erbärmlichkeit ist Patriotismus und - ihr Patriotismus Erbärmlichkeit. Muß denn ein Öster­reicher noch immer, wie sich Gilm ausdrückt, wie der Wurm im Staube kriechen, um als guter Untertan zu gelten? Ich glaube, Dein „Demokrat" und „verlorenes Kind des Vater­landes" schon zu hören. Aber dennoch muß ich sagen: Ich schäme mich zuweilen fast, ein Vorarlberger zu sein, ein Bauer zu sein, habe ich mich noch nie geschämt! Trotz dieser unpatriotischen Gedanken erlaube ich mir, mich zu nennen

    Dein treuer und aufrichtiger Freund F. M. Felder,

    der sich über manches ärgern würde,

    wenn es nicht zu lächerlich wäre.

    Ich bitte um baldige Antwort.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • Datum unbekannt
    1. August 1864

    Lieber Freund Felder!

    Ich übersende Dir anbei 1) 1 Bändchen Classiker 2.) 1 Sack­tuch, welche beide Sachen Du bei Deiner Anwesenheit hier gelassen  hast.  Ferner lege ich dir noch Vilmar's Literatur­geschichte zum fleißigen Studium bei; Du kannst sie behal­ten, so lang Du willst. Warum kommst Du nicht mit Deinem Wible?  Hr.  Stettner wird  schwerlich   mehr  kommen.  Sein Schwieger-Vater ist vor 14 Tagen begraben worden. Wie geht es sonst? Hoffentlich gut! Was macht das Wible? In circa 3 Wochen gehe ich auf Reisen. Hr. Stettner ist gestern nach Constanz. Habe viel Arbeit. Mit herzlichem Gruß an Dich u. Deine liebe Frau Dein Freund

    Fr. Heuner.

    Friedrich Heuner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 28. Juli 1864

    Lieber Freund!

    Also von meinem Bub. - Mein Bub ist am 18. d. Ms. lärmend und schreiend, wie Buben eben zu tun pflegen, in unsere Staatsbürgerschaft eingetreten. Am 19. trat er auch in den Verband der kath. Kirche und legte sich, damit er nicht ver­gesse, wann er geboren sei, den Namen Julius bei. Seither ist Lärmen, Furzen, Schlafen und Muttermilch trinken seine Hauptbeschäftigung. Wie er, ist auch das Weibl wieder ganz gut. -

    Die Zahlen 3 und 6 oder durch diese teilbare Zahlen machen sich mir auf meinem Lebensgange bemerklich. Anno 1830 und zwar am 6. Tag jenes Jahres, d. i. am Dreikönigstag, wurde ich geboren, d. h. einfacher Mensch; anno 1863 am 12. des drittletzten Monats wurde ich verdoppelt, und 9 Monat 6 Tag nachher, d. i. am 18. d. Ms. kam mein Bub als Produkt meiner Verdoppelung und als der 3. im Bund zur Welt. - Ist das nicht interessant? - Nein, aber was sich aus obigem ergibt. Als ich nämlich verdoppelt wurde, war ich gerade 33 Jahr, 9 Monat und 6 Tag alt; von meinem Ge­burts- bis zum Verdoppelungstag 1863 verfloß also gerade so viel Zeit, als ich zur Herstellung eines Menschen brauche d. h. 9 Monat und 6 Tag. Auch in anderer Richtung läßt sich dies Thema durch mein Leben verfolgen: Anno 1836 kam ich auf die hohe Schule in Au, anno 1842 kam ich zum Studieren nach Feldkirch, anno 1848 lief ich im Zorn davon und wurde Schullehrer in Au, anno 1854 beendete ich meine Studien, anno 1860 kam das Oktober-Diplom und verlor ich meine Stellung in Ungarn. - Unter meinen Geschwisterten bin ich dem Alter nach das 6. und hab noch 3 hinter mir. Und so ließ sich die Sache weiter fortspinnen, doch genug. ­Du machst Bibelstudien, das ist gut. Unsere Zeitfrage aber ist die soziale Frage, die allerdings mit der Bibel zusarnmenhängt. Du hast im Nümmamüller zwar ein Verständnis dieser Frage gezeigt (und es wundert mich nur, daß Deine Kritiker dies nie hervorhoben); diese Frage aber geht mit Riesen­schritten nun ihrer Lösung entgegen. Die deutschen Arbeiter nehmen schon in Masse Partei, sie wurden schon handgemein mit den reichen Fabrikanten. Der Name Lassalles wird noch die Welt erfüllen, obwohl ihn ein preußisches Gericht nach dem ändern jetzt aburteilt. Seine Sache ist eine große und hat unbedingt eine Zukunft. Er ist ein Feind Österreichs, ein Feind unserer Kirche und ein Feind Großdeutschlands, aber eine großartige Erscheinung im deutschen Volk von unver­gleichlicher Gesinnungstüchtigkeit und wissenschaftlicher Schärfe. Bischof Ketteier in Mainz, dessen Werk gegen Lassalle etc. ich eigens kommen ließ, macht sich beinahe lächerlich, wo er den Lassalle korrigieren will; dies Werk ist die größte Lobrede auf diesen größten Demokraten, den ich kenne. Daß Bismarck, Rechberg und Rußland vor der deutschen Demo­kratie zittern, davon haben sie bereits Belege abgelegt. ­Dies alles führe ich nicht deshalb an, weil ich für die deutsche Demokratie eingenommen, im Gegenteil, sie ist mir eine objektive Erscheinung wie eine andere; ich wollte Dich nur aufmerksam machen, daß außer dem Bregenzerwald keine friedlich biblischen Zeiten mehr sind, und es sollte mich wundern, daß bei dieser Lage Deiner Sache, wofür Du schon eine Lanze gebrochen, Du unberührt bleiben solltest! -

    Bist Du etwa schon auf den Standpunkt des Objektivismus geraten? - Traun, das wäre für Dich zu früh. Studiere unser Steuerwesen und was dran hängt, und Deine Liebe zum Volk, erwärmt durch die Liebe zur Bibel, wird Deinen Sub­jektivismus, um den es wirklich schade wäre, zu neuen und wertvollem Taten entflammen. -

    In der österreichischen Wochenschrift habe ich vom Häfele, der mein Mitschüler, sogar mein Quartiergenosse war, noch nichts gefunden. In derselben Zeitschrift war auch die Notiz, von der ich Dir schrieb.

    Ich ginge sehr gern in den Bregenzerwald, aber es ist hier sehr viel Arbeit, und ich weiß nicht, ob und wann ich los werden kann.-

    Wenn Du mir wieder schreibst, und ich hoffe, daß es bald geschehe, teil mir auch mit, wie es den Brüdern auf Krumbach geht. -

    Ich muß Dich noch auf das merkwürdige Urteil des Inns­brucker Landesgerichts im Prozeß des Kunz in Feldkirch und der Doktoren gegen den Tiroler Bot aufmerksam machen. So was ist noch nie vorgekommen. Ich werde Dir die Bro­schüre schicken. -

    Mit tausend Grüßen an alle lieben Wälder Dein Freund

    K. Moosbrugger.

    Sag meinen Brüdern, sie sollen sich schämen, daß ich, den man daheim nicht hat brauchen können, der erste der Brüder bin, der einen Buben herstellt und so für Fortsetzung des Stammes „Haghansomati" - wahrlich nicht zu zeitlich ­gesorgt hat. -

    Das macht alles Nummer 3.

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 20. Juli 1864

    Geliebter Freund!

    Vielleicht weißt Du noch nicht, wie einem Schriftsteller zu Mute ist, nachdem er sein letztes Wiesheu abgemäht und eigenhändig unter Dach und Fach gebracht hat, und wenn Du es allenfalls nicht weißt, so wirst Du diese Zeilen wenig­stens nicht ungerne lesen, um es aus denselben und zwischen denselben herauszubringen.

    Vorigen Montag ist Pfarrer Stockmayer abgereist, und gewiß hätte ihm die ganze Gemeinde nachgeweint, wenn man Zeit dazu gehabt hätte, aber so prächtige Heutage wie jener Montag, sind heuer zu selten, um sie unbenutzt vorübergehen zu lassen. Doch, Spaß bei Seite! Der „Abtritt" des Pfarrers wird allgemein bedauert, bei der Abschiedspredigt blieb kaum ein Auge trocken. Ich will Dir hier nur kurz etwas aus der­selben mitteilen: „Scheiden von gewohnten Verhältnissen, Orten, Menschen ist hart, noch härter das Scheiden von lieben Menschen, am härtesten aber ist das Scheiden für den Vater von seinen Kindern, den Seelsorger von der Gemeinde, und nicht ohne Rührung betrete ich heute zum letzten Mal diese Kanzel, um euch allen ein herzliches Lebt wohl, auf Wieder­sehen im Himmel zuzurufen."

    Ein Tränenstrom unterbrach hier und noch mehrmal seine Rede, und manches konnte er nur mit Mühe hervorbringen, sein Aussehen dabei war das eines Sterbenden. Als er fortfuhr am letzten Montag, soll er bis nach Bezau fast immer geweint haben.

    Den guten Schoppernauern, die das sich selbst und ihrer Bravheit zuschreiben, nicht der Gemütsart oder Schwäche des Pfarrers, tut es ungemein wohl, daß er so hart fortgegangen, und nicht selten hört man: besser als hier bekommt er's nirgends.

    Ich sollte als Gemeindemitglied das auch sagen, aber der Wahrheit zu Ehren muß doch erwähnt werden, daß 500 Fl. jährlich nicht viel Geld ist, und in Schoppernau sind die letzten Jahre drei Bauern wegen Milchfälschung bestraft wor­den und —. Doch genug; ich wollte von allem nichts sagen, wenn nur das Schnapstrinken, und alles was dazu gehört, nicht gar so zunähme!

    Mein Heimatort ist dieses Jahr von einem viel größeren Unglück heimgesucht, als im letzten die Klauenseuche war. ­Ich habe vier Kühe und alle sind „leer", mein Nachbar hat fünf und es ging ihm nicht besser u.s.w. u.s.w. Der Schaden beläuft sich für mich auf etwa 120-150 Fl., der Schaden, den ganz Schoppernau durch dieses allgemeine „Arwuffo" hat, kann ohne Bedenken auf 5000.-, sage fünftausend Gulden geschätzt werden.

    In Breitenalp hart neben Diodams bei Schoppernau ist letzte Woche auch die Klauenseuche wieder ausgebrochen. Wenn das Sprichwort: „Es wächst jedem Winter sein Heu", sich auch heuer bestätigen soll, so muß der Winter sehr kurz sein, so kurz und leicht eben wie das Heu. Doch nun will ich mit den Jeremiaden einmal aufhören.

    Meine freien Stunden benütze ich dazu, die Bibel und be­sonders das Alte Testament zu lesen. Ich werde mit Dir noch oft davon reden, für jetzt nur so viel: Wenn mir auch die Gabe fehlt, in der Braut des hohen Liedes die kath. Kirche u.d.gl. zu sehen, so halte ich doch die Bibel für das „Buch der Bücher", für einen unerschöpflichen Schatz von Poesie, und lese sie immer lieber, wobei Herder mein kundiger Führer und Wegweiser ist.

    Jochum befindet sich gegenwärtig in Wien, von wo ich am 7. d. M. ein Schreiben erhielt des Inhalts, daß er sich wohl befinde.

    Statt des  Pfarrers  haben wir jetzt einen  Kapuziner, einen „Bruder Langsam", aber streng und zu streng, auf die Länge würde das kein Gut tun, aber es wird schon anders kommen, wenn  der  Pfarrer  Kohler von  Lech  kommt,  wie  man  sich allgemein fürchtet!

    Im Vertrauen sage ich Dir: Nicht Kohler, nicht Tscholl, nicht Jenny und Feist, kurz der Pfarrer Rüscher von Stuben kommt, oder es muß sonderbar zugehen. Ich habe das ganze Gewebe gesehen und würde gern auch Dir einen Blick darin gönnen, wenn es - nicht in einem Brief zu - groß wäre.

    Schwager Dokus soll recht merkwürdig brummig sein, daß die Teilung so weit hinaus geschoben wurde.

    Nicht   bloß   im   Norden   Deutschlands,   sondern   auch   zu Schröcken   ist  Krieg,  Krieg zwischen  dem   Pfarrer und  der Gemeinde und Krieg überall, es fehlt am Geld und leider auch am guten Willen, jeder will regieren, niemand folgen, zählen will alles, aber keiner zahlen.

    Der Gemeindevorsteher  in  Au  hat einen  dummen  Streich gemacht, der unsrige - mehrere.

    Du   hast   nun   meinen   Heuerbrief  gelesen,   und   sehr  viel Lückenhaftes wirst Du gefunden haben. Ich erwarte aber, daß Du  mich recht bald (da ich jetzt freie Zeit habe)  einmal besuchest, und dann werde ich Dir über alles Auskunft geben. Ich hoffe, recht bald etwas von  Deinem  Buben zu  hören. Schreibe recht bald Deinem Freund

    F. M. Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 7. Juli 1864

    Lieber Freund!

    Du wirst staunen vom 7. Juli einen Brief von mir aus Wien zu erhalten. Diese Zeilen mögen Dich darüber aufklären. Am Tage meiner Abreise von Hopfreben gieng ich ziemlich urwäch über den Arlberg, nur etwas schwermüthig; ich über­nachtete in Landeck u. kam Freitag in Innsbruck mit dem Stellwagen an. Daselbst blieb ich bis Dinstag, konnte aber von einem geeigneten Platze um dort zu bleiben nichts erfahren. Ja selbst in dem Falle, daß ich nach dem 1. Rigerosum schon Dr. gewesen wäre, würde ich ohne Zweifel keinen Platz ge­funden haben, wenigstens keinen, der etwas getragen hätte. Da aber die Taxen für Alle Rigerosen 300 fl kosten, u. man während der Zeit zwischen denselben auch nicht von der Luft leben kann, so kam es mir am Ende gescheider vor, nach Wien zu gehen, wo ich doch bekannt bin u. mich wenigstens durchzuschlagen hoffe, als weiß Gott wo Schulden auf Schul­den zu machen und am Ende doch nichts zu haben als einen Titel. Ich habe also kein Rigerosum gemacht, sondern das Geld im Sack behalten u. bin jetzt wieder hier im selben Quartier, wo ich früher war aAlservorstadt, Währingerstrasse Nr. 16 Thür 18/.

    Hier muß ich von den 61 fl, die ich noch rückständig bin aller­dings etwas abzahlen, aber doch nicht alles, so daß ich noch einige Zeit von dem übrigen leben kann, wie ich hoffe bis ich mir das Nöthige verdiene. Ich gedenke mich nämlich vorläu­fig um Lektionen umzusehen, die ich auch noch geben kann, wenn ich praktizire, denn ein Nebenverdienst (oder vielmehr Hauptverdienst) ist fast nothwendig um durchzukommen in der goldnen Zeit der jungen Praxis, falls man kein eigenes Geld hat, wie Du wohl weißt.

    Falls alles recht gut geht, werde ich dann hier rigerosiren u. sonst werde ich mich mit der Staatsprüfung begnügen u. es machen wie manche andere die zu wenig Geld haben. Von hier kann ich Dir diesmal noch nichts berichten, da ich erst angekommen bin, davon das nächste Mal. Den Elmenreich habe ich nicht getroffen, aber das Buch u. den Brief eingemacht u. einem Bekannten von ihm über­geben.

    Mit meinen Paar Zwetschken, die bei Dir sind, lassen wir's glaube ich noch im Alten. Die Bücher, Hemden u. Socken hätte ich zwar allerdings gerne hier, aber ich fürchte, daß die Fracht am Ende mehr kostet als sie werth sind, deßhalb lasse es vor der Hand liegen. Gile, Röcke u. Hosen kannst Du ver­schenken, vertauschen, vernichten, kurz frei damit verfügen, das Tuch zu Hemden kannst Du auch behalten u. beliebig verwenden, denn nach Wien schicken, wo es vermuthlich wohlfeiler ist, wäre doch sicher eine Thorheit. Kurz: wenn ich die Bücher oder ewas von der Wäsche nothwendig brauche, so werde ich es Dir dann schon berichten, das andere kannst Du verwenden, insoferne es verwendbar ist. Von Deinem Nümmamüller u. Schwarzokaspale habe ich in Innsbruck nichts gehört u. alle mit denen ich davon sprechen wollte, haben ihn noch gar nicht gelesen. Von meiner Fahrt ist wenig Erwähnenswerthes zu sagen. Nur folgende Einzelheiten will ich Dir erzählen: Von Landeck nach Innsbruck fuhr ich allein im Coupe l Classe (obwohl ich für die zweite Classe gezahlt hatte), denn es hatte niemand etwas dagegen einzuwenden weil es leer war. 2 Stunden vor Innsbruck stieg ein sehr nobel gekleidetes Fräulein ein, ich legte die Paragrafe bei Seite u. suchte ein Gespräch anzu­knüpfen. Aber kein Thema wollte ziehen. Der Grund war sehr leicht herauszubringen, wenn man ihre Augen beobachtete, die an meinem Hute, Rockkragen ect. mit Vorliebe verweilten. Ich sah bald, daß nur ein Stoff ihre Zunge zu lösen im Stande sein dürfte, u. so war es denn auch; ich machte es wie es ein Mediziner zu machen pflegte, nämlich ich fing an, ihr von meinen Rigerosen zu erzählen u. im Nu war sie umgewandelt, sie plauderte von Dach, half mir in Innsbruck des Rohmbergs Wohnung suchen u. lud mich sogar ein sie selbst zu be­suchen. Soviel bewirkt oft ein Schlagwort. An der bairischen Gränze sekirten mich die Landjäger wegen eines Paars neuer Pfeiffen, die ich von Innsbruck mitnahm, daß ich fast die Bahn versäumte.

    Viele Grüße an Dein Weib, Mutter u. Kinder, meine Mutter, Sieberle, Tresel, Leo's ect. wie auch Dich vielmals grüßt Dein Freund

    Franz Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 26. Juni 1864

    Geliebter Freund!

    Daß mich Dein letztes Schreiben gefreut hat, brauche ich Dir wohl nicht zu sagen. Es braucht einer nicht gerade stolz zu sein, um sich zu freuen, wenn sein „Kind" auch ändern Leuten gefällt. Etwa acht Tage vor Deinem Schreiben habe ich einen anonymen Brief erhalten, in welchem der Verfasser meine Schreibart lächerlich machen will. Mehr davon zu sagen ist unnötig; ich habe ohne viele Mühe herausgebracht, daß der Brief vom Alt-Vorsteher Kleber zu Schwarzenberg kommt, der ihn wahrscheinlich nicht ohne Wissen und Willen des ehmaligen Kaplan Sieber geschrieben hat. Die wichtigste Neuigkeit ist, daß unser Pfarrer in etwa 14 Tagen von hier fort und nach Altenstadt kommt, welches um so mehr bedauert wird, weil statt seiner Pfarrer Kohler vom Lech hieher kom­men soll, welcher früher Grenzjäger gewesen (Vorurteil). Letzte Woche besuchte mich der Auer, Egger, Andelsbucher u.s.w. -Adel, und lud mich ein, andere Hosen anzulegen und mit nach Schröcken zu gehen, was ich auch tat. Die Geliebte des Wirts war auch dabei, es wurde einen Tag gesungen, getanzt und geplaudert. Die Isabell ist immer die Alte, ja sogar immer älter, ich bin immer noch bei ihr in Gnaden. Mit der Wahlberechtigung von Haag Hanso Maatis Buobo ist es nach meiner Ansicht nichts. Hopfreben zahlt die Steuern gemeinsam und hat einen eigenen Meister, ich glaube daher, daß man nur diesen Meister als stimmberechtigt an­nehmen werde, wodurch nicht viel gewonnen wäre (wenig­stens diesmal). Wenn Maatis ihre Güter allein hätten, dann wäre es etwas anderes. Das ist meine Meinung, doch werde ich auch mit ändern darüber reden und Dir dann wieder schreiben. -

    Vom Bergmann in Wien habe ich am 8. Mai einen Brief erhalten. Er dankt mir für das ihm im April Zugesendete und verspricht mir, mich diesen Sommer in Schoppernau zu be­suchen. Mein Büchlein, schreibt er, habe allen seinen Freun­den gut gefallen. Professor Häfele*) habe eine Besprechung an die Redaktion der österreichischen Wochenschrift1 ge­schickt, die demnächst erscheinen werde. Pfarrer Kohler hat letzthin aus seinem Buch den Auer Herrn einiges vorgelesen. Der Kurat fand es nicht gut, der Doktor

    *)  Häfele lebt in Salzburg, hielt sich diesen Frühling in Wien auf. Er ist ein Hohenemser.

    sagte nichts. Von Stettner hab ich die Abschrift des schon erwähnten Artikels der Europa erhalten. Es ist kein Zeichen dabei, doch kommt er, glaube ich, von Professor Hildebrand in Leipzig. Er lautet:

    Zwei neue Dorfgeschichten.

    Die Europa hatte öfters Gelegenheit, gegen die Richtung zu sprechen, welche der Volksroman eingeschlagen hat, gegen die Ausartung, die uns Bäuerinnen und Bauern, Holzschläger und Viehmägde in idealisiertem Sonntagsstaat und mit nobel­sten Sentiments bis an die Kehle gefüllt, vorführt. Zwei neue Dorfgeschichten: ,Nümmamüllers und das Schwarzokaspale' von Franz M. Felder, Lindau, Verlag von Stettner und ,Almen­rausch und Edelweiß' von Hermann Schmid, Berlin, Otto Janke, erquicken durch die kerngesunde Natürlichkeit, die beide erfüllt. Da sehen wir Menschen, die Schwielen an der Hand bekommen, wenn sie arbeiten, und denen die Haut naß wird, wenn es regnet. Felder erzählt von dem Leben und der Natur des Bregenzerwaldes und versetzt seine Erzählung in eine Zeit, wo das moderne Leben in diesen abgelegenen Winkel hineinzugreifen begann. Durch diesen Umschwung begünstigt, arbeiten sich zwei brave Familien aus der Armut empor und helfen zuletzt dem ganzen Dorf weiter. - Schmid hat das bairische Gebirg zum Schauplatz gewählt. Jäger und Wildschützen, arme und reiche Bauern bilden die Gegensätze, aus denen sich die Konflikte von selbst entwickeln. Als Erzähler steht Schmid vielleicht höher als Felder, in der Porträtierung des Gebirgslebens wie es ist, nehmen beide dieselbe Stelle ein, und diese Stelle ist eine sehr achtbare.

    Europa 1864, Fo. 5.

    Das ist genug, vielleicht hast Du später Gelegenheit, mir auch die von Dir gefundene Besprechung zu verschaffen. Mein Weiblein hat fast Lust, in diesem Jahr eine freundliche Einladung Stettners zu benützen und nach Lindau zu reisen, sein Mann würde mitgehen, und Du würdest dann jedenfalls mit einem Besuche - beehrt werden. Ingenieur Willam wird, wie mir Bergmann mitteilte, schon bald wieder in den Bregenzer­wald kommen.

    Die Kühe geben nicht viel Milch, woran mehr das schlechte Wetter als Futtermangel schuld ist. -

    Ich habe leider heut nicht Zeit, Dir mehr zu schreiben, denn ich muß nach Hopfreben. Du wirst auch diesen Zeilen meine Eile ansehen. Schreibe bald wieder Deinem Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Juni 1864

    Lieber Schwager!                                                          

    Ich bin nun ein Dornbirner geworden, wie Du wohl wissen wirst. Ich wohne im 2. Haus ober dem Mohren. Mein nun bald geboren werden sollender Bub wird also zum 2. Mal wieder ziemlich an der Stelle auf die Welt kommen, wo er es nach Deinem Dafürhalten das erstemal tat. Mein Weibl ist übrigens noch ganz rührig und die Übersiedlung hat ihr eher wohl als übel getan. Ich meinerseits freue mich der Orts­änderung und bin auch bezüglich meiner Amtsstellung mit der Wandelung ganz zufrieden. Ich bin in meinem frühern Rang und Gehalt, hier aber definitiv. Ich habe eine hübsche Woh­nung mit drei Zimmern und einem Kämmerlein für die Magd. Wenn Du also nach Dornbirn kommst, wirst Du bei mir ordentlich Quartier finden. - Hier besteht ein wohlbestelltes Lesekasino, woran ich mich selbstverständlich beteilige. Ich las daselbst in dem Wochenblatt der Wiener Zeitung in einem Artikel aus Tirol mit dem Zeichen Z. (wahrscheinlich Zingerle) eine Meinung über Dein Werkl, und zwar eine Dir sehr gün­stige. Einsender bespricht die literarischen Erscheinungen in Tirol, in neuer Zeit nämlich, und er erweist nun Dir die Ehre, Dich gleich hinter Professor Pichler zu besprechen, und aus der Zusammenstellung ergibt sich, daß er Dich demselben für ebenbürtig hält. - Dies will nun bei dem Namen, den Pichler in der literarischen Welt hat, nicht wenig sagen. Beide, Zingerle und Pichler, waren meine Professoren. Über meine Einsendung an Stettner schrieb mir dieser, er habe bisher der­artige Produkte mit politischer Färbung nicht verlegt und habe sie einem geeigneteren Verleger zugeschickt. Über das Wei­tere wolle er mich benachrichtigen. Nun weiß ich nicht, was geschehen ist oder geschieht. Es ist mir ziemlich gleichgültig. - Hier ist in zwei Alpen eben die Klauenseuche ausgebrochen und wird nun dies den Wäldern wieder eine sehr unange­nehme Neuigkeit sein. Das neue Gemeindegesetz wirst Du nun kennen; und ich frage Dich daher: Haben Haghansomatis als Realitätenbesitzer im Gemeindebezirk Schoppernau (Hopf­reben) bei den dortigen Wahlen eine Stimme oder würde diesfalls anderes Recht sein, wenn sie ihren Teil abgesondert besäßen, nämlich vom übrigen Vorsäß? ­Grüße mir Alles aufs Freundlichste und schreibe bald Deinem Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Dornbirn
    Franz Michael Felder
  • 24. Mai 1864

    Mein lieber Felder!

    Erst jetzt wird mir Gelegenheit, Dir das Versprochene mitthei­len zu können, leider konnte ich bei m. Nachhausekunft aus Bregenzerwald wegen zu vieler Arbeit das besagte g. nicht gleich vornehmen, bitte daher zu entschuldigen. Über Dein Werk sagt die „Europa" Chronik 1864 Nr. 5 folgen­des: 2 neue Dorfgeschichten. Die Europa hatte öfters gegen die Richtung zu sprechen, welche der Volksroman eingeschla­gen hat, gegen die Ausartung, die uns Bäuerinnen u. Bauern, Holzschläger u. Viehmägde in idealisirtem Sonntagsstaate und mit nobelsten Sentiments bis an die Kehle gefüllt vorführt. Zwei neue Dorfgeschichten: Nümmamüllers u. das Schwarzo­caspale, von Frz M. Felder /:Lindau Stettner:/ und Almen­rausch und Edelweiß, von Hermann Schmid /:Berlin Janke:/, erquicken durch die kerngesunde Natürlichkeit, die beide erfüllt. Da sehen wir Menschen, gute u. böse, Menschen die Schwielen an der Hand bekommen, wenn sie arbeiten, und denen die Haut naß wird wenn es regnet. Felder erzählt von dem Leben u. der Natur des Bregenzerwaldes und verlegt seine Erzählung in eine Zeit, wo das moderne Leben in diesen abgelegenen Winkel hineinzugreifen begann. Durch diesen Umschwung begünstigt, arbeiten sich 2 brave Familien aus der Armuth empor u. helfen zuletzt dem Dorf weiter. Her­mann Schmid hat das baierische Gebirg zum Schauplatz gewählt. Jäger und Wildschützen, arme u. reiche Bauern sind die Gegensätze, aus denen sich die Conflicte von selbst ent­wickeln. Als Erzähler steht Schmid vielleicht höher als Felder, in der Portraitirung des Gebirgslebens wie es ist nehmen beide dieselbe Stelle ein, und diese Stelle ist eine sehr acht­bare.

    Jene Besprechung welche nicht sagen konnte, wo ich gelesen, hat sich raus gestellt daß es die in der Landeszeitung war. Vielleicht kann  ich  Dir bald wieder eine günstige Bespre­chung mittheilen.

    Was macht Deine Familie ist alles wohl. Jochum auch, bitte Alles herzlichst zu grüßen.

    Wirst Du mir jenes Gedicht über Stöckler brieflich mittheilen? bis ungefähr 12 Juni bin noch zu Hause. Bestens grüßend

    August

    Eile da ich noch den Brief dem Packet beischließen kann.

    Philipp August Bopp
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 20. April 1864

    Lieber Freund!

    Auf ein im vorigen Winter an Dich abgegangenes Schreiben habe ich vergebens eine Antwort erwartet. Im Dezember 1863 schikte ich Dir ein Exemplar meines „Nümmamüller" - u zwar auf Anrathen des Herrn Stettner in Lindau unfrankirtzu, der Hr Stett­ner meinte: „Du werdest es dann um so sicherer erhalten -" und ich meinte, die wenigen Batzen oder Franken werdest Du nicht ungern zahlen. Jedoch

    Der Mensch denkt

    Und Seppel lenkt.

    Ich war nicht angenehm überrascht, als ich am 6 ten Febuar meine Sendung wieder zurük erhielt, u dafür 4 Gulden 30 Kreuzer zahlen mußte. Ich verzog das Gesicht, seuftzte ein wenig u zahlte, doch nahm ich mir vor, Dir einstweilen nicht mehr zu schreiben, den ich dachte Entweder Du magst mit keinem Bregenzerwälder mehr etwas zu thun haben, oder Du hast Deinen Aufenthaltsort verlassen ohne mich davon zu benach­richtigen, in beiden Fällen würde das Schreiben vergebens sein, Nun aber habe ich durch Vetter Hans erfahren, daß Du wenig­stens noch lebendig u gesund bist, daher wage ich es noch ein­mal, Dir einen Brief zuzuschiken, u zwar einen frankirten, wen es nichts kostet, bist Du villeicht so gut ihn zu lesen Ich u die Meinigen sind gesund u wohl, Ein Glük ist es für mich daß ich jetzt ein eigenes Schreib- und Lesezimer habe, in dem ich jede freie Stunde zubringe u arbeite, denn in der Stube hantieren zwei gesunde Buben (junge Räbis) daß man zuweilen sein eigen Wort kaum hört. Auch Dein Vater u Deine Schwester sind wohl, die Mutter (?) jedoch ist etwas kränklich u dürfte villeicht nicht mehr manches Jahr zu leben haben. In unserem Dörfchen hat sich im allgemeinen nichts, in den einzelnen Häusern dagegen sehr viel geändert; doch würdest Du mir schwerlich danken, wenn ich Dir alle Mädchen welche geheirathet haben, alle Weiber, welche gestorben sind, aufzählen wollte. Franz Jochum ist von Wien zurükgekommen u hat diesen Winter größtentheil bei mir verlebt. Er läßt Dich recht freundlich grüssen.

    Mein Büchlein wird, scheint es günstig aufgenomen, die vorarl­berger Landeszeitung, die S.T. Gallen Blätter, der Bothe für Tirol u Vorarlberg haben sich lobend darüber außgesprochen u die Europa eine weitverbreitete norddeutsche Zeitung hat mich mit Herrmann Schmid, einem der beliebtesten neuen Schriftsteller ­verglichen. Von Herrn Jos Bergman kais Rath und Custos in Wien habe ich eine freundliche Einladung zu ändern Arbeiten erhalten, die ich dann auch wirklich im Laufe dieses Winters vollendete.

    Nun aber genug von mir. Es wäre mir ungemein lieb, auch von Dir wieder einmal etwas zu vernehmen. Das, was Du mir in Deinem letzten Briefe zu übersenden versprachst, habe ich nicht erhalten. Kommst Du nicht bald einmal zur „Stubat"? Bist Du noch unverheirathet? Solche Fragen hätte Dein Freund noch viele.

    Von Politik mag ich Dir nicht schreiben u die Tagesgeschichte wird Dich wenig intressiren Du wirst mich daher entschuldigen, wen ich für heute mich kürzer fasse, als es sonst Deines plauder­haften Freundes Gewohnheit ist.

    Wenn eine Antwort von Dir mich überzeugt haben wird, daß auch Du Deinen alten Freund noch nicht vergessen dan werde ich mit Freuden und öfter schreiben, als dieses bisher der Fall gewesen ist.

    Meine Mutter u meine Nannj (so heißt Mein Weibchen) lassen Dich grüssen, den Deinen habe ich nichts davon gesagt daß ich Dir schreibe. Dein Vater ist jetzt Abonnent einer Zeitung, die ihn, nebst anderer Lektüre (Ich thue auch das Meine) etwas freisinni­ger gemacht hat, die Augen Deiner Schwester sind weder besser noch schlimmer geworden. Siberles Mariannele hat schon 3 Kin­der Beim Michele ist noch alles im Alten. Und nun lebe wohl!!

    Mit Brudergruß und Handschlag Dein alter und immer älter wer­dendes Freundchen

    Franz Michael Felder

    Am Rand: Lieber Freund! Deinen Brief nach Wien habe ich erhal­ten u. Dir eine Antwort in Kraut französisch geschickt; ob Du es empfangen, weiß ich nicht. Ich bin schon längere Zeit hier u. bereite mich auf die Rigorosen vor. In Bälde werde ich vermuth­lich in irgend einer Kanzlei stecken. Schreibe auch mir einmal wieder ein paar Zeilen, ich werde Dir dann auch mehr schreiben, als hier auf einem schon fast voll geschriebenen Blatte Platz hat. In der Hoffnung, daß Du gesund u. glücklich bist, harrt auf baldi­ge Nachricht von Deinem Befinden im Lande der Gallier Dein alter Freund

    Fr Jochum.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 16. April 1864

    Lieber Freund!

    Ich erwartete diese Tage ein Schreiben von Dir, weil ein solches nun nicht einlangte, setze ich mich nieder, um eines an Dich zu richten. - Die Landeszeitung hat mein an sie gerichtetes Schreiben vollständig gebracht, aber erst über eine Mahnschrift von mir. Der Redakteur Hagen hat sich dann in einem recht freundschaftlichen Briefe über die Ver­zögerung gerechtfertigt. Der Dr. Vonbun ist mit meiner Ent­gegnung sehr wohl zufrieden und äußerte sich wiederholt, daß er sie gern gelesen habe und mit dem Hauptinhalt ein­verstanden sei. Er gestand, daß seine Einsendung zu wenig gefeilt gewesen und Unrichtigkeiten enthalte, daß aber in Deinem Buche keine einzige „Sage" vorkomme, dabei schien er beharren zu wollen. Er berief sich auf Definitionen der Gelehrten und meinte, er könnte und wollte dies in weiterer Erörterung in der Landeszeitung dartun, aber er müßte zu viel und zu Gelehrtes schreiben. Ich forderte ihn auf, er solle weiter seine Sache verfechten, worauf er sich unbestimmt aussprach. Dagegen wollte er mich ermuntern, weiter für das Feuilleton der Landeszeitung zu schreiben, und machte mir das Kompliment, ich habe eine sehr gute Feder und meine Sprache klinge namentlich im Ohre so gut. Berichtigend er­wähnte er, das Adjektiv „verführerisch" habe er nicht so gemeint, wie ich es genommen, hatte aber auf meine Ent­gegnung, wer einen zweideutigen Ausdruck gebrauche, dürfe sich über eine im Wort liegende Interpretation nicht be­schweren, nichts weiteres zu bemerken. Im Ganzen schien mir, daß er keine Lust habe, seinen Standpunkt zu verfechten, und froh sei, so gelinde davon gekommen zu sein. Von Vonbun wird Dir kaum mehr irgendwie opponiert werden, jedenfalls wird er sich die Sache besser anschauen. ­Ich studiere ziemlich fleißig die Resultate Lassallescher For­schung und vergleiche sie mit jenen unseres berühmtesten Finanzmannes Hock und der Arnoldschen Geschichte des Eigentums in Deutschland. Die bezüglichen Werke habe ich im Verlaufe des Winters von Stettner bezogen. - Ich habe kürzlich Einiges meiner gelegentlichen Welt- und Lebens­anschauung unter der Aufschrift ,Stimmungslaute eines unga­rischen Beamten aus Vorarlberg' zusammengestellt und dem Stettner in Lindau zugeschickt. Ich habe hiebei den Zweck, den Eindruck kennenzulernen, den Derartiges in unseren bürokratischen Kreisen macht und was die Leute überhaupt zu diesen meist ungehobelten und ungezähmten Gebilden sagen. So was würde gewiß niemand hinter einem Beamten suchen und namentlich hinter mir nicht. Jedenfalls wird man meinen, einer von dieser Gemütsart werde unmöglich ein rechter Beamter sein. Ich gewinne hiedurch nun die Er­fahrung, was die Leute sich unter einem kaiserlichen Beamten denken und was man überhaupt in und außer der Bürokratie für eine Meinung über die Bürokraten hat. ­Doch weiß ich noch nicht einmal, ob Stettner den Kram drucken und verlegen will oder nicht. Möglicherweise halt er das Ganze nur für einen schlechten Spaß, in welchem Fall ich ihm nicht ganz Unrecht geben kann. Man erwartet jetzt alle Tag die Genehmigung des Vorarlberger Gemeindegesetzes, wonach dann wahrscheinlich ohne Verzug die Neubesetzung der Gemeindeämter erfolgen wird. Ob es in Au und Schop­pernau wohl recht hitzig hergehen werde? und ob nicht etwa ein Poet dort zu Amt und Würde gelange? Prosit! ­Eben lese ich in der Landeszeitung, daß die in Wien er­scheinende Beamtenzeitung von einem Mittelberger namens Engelbert Keßler redigiert werde. Dies ist mir überraschend neu und wird mich vielleicht veranlassen, die Zeitung zu bestellen. -

    Ich erwarte nun baldige Antwort auf meinen letzten und diesen Brief, wobei Du mir auch mitteilen wirst, wie es mit dem gemein bestellten Allioli steht und was ich für ihn und Liebig Dir zu zahlen habe. -

    Vor einigen Wochen habe ich mit Vonbun Flirs ,Briefe aus Rom' kommen lassen, die uns, da Flir einer unserer be­liebtesten und besten Professoren war, viel Vergnügen und Belehrung brachten. Man gewinnt dadurch interessante Ein­sicht in die kirchlichen und staatlichen Verhältnisse Roms und in den Reichtum des Flirschen Geistes. Diese Schönheit eines konzentrierten Geisteslebens war für mich ein Labsal. ­Mein Weibl ist wohlauf und freut sich, daß es morgen eine Gehilfin in Gestalt einer Magd bekommt. Weil unsere Motl nicht kommen wollte, habe ich nun eine von Bings bestellt. Grüß mir alles aufs freundlichste und schreibe bald Deinem Freunde

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Schruns
    Franz Michael Felder
  • 1. April 1864

    Geliebter Freund!

    Mein letztes Briefchen samt Beilagen wirst Du hoffentlich durch Herrn Bopp erhalten haben. In Deinem vorletzten Schreiben prophezeitest Du: Auf Eorgotag werde es wohl wieder großartig zu- und hergehen -, und Du hast es erraten. Ich saß nicht mehr bei der Isabell, um ihren Jammer und ihre Not zu hören wie vor einem Jahr; nein diesmal ließ man Dich völlig in Ruhe, aber einem armen Poetlein war's bald passiert, daß es sich selbst ein Trauerspiel, den anderen aber ein Lustspiel nicht aufgeführt, aber mitgespielt hätte. Doch ich will der Erzählung nicht den Kopf nehmen! Lasset uns ruhig den Knoten schürzen und dann sehen, ob und wie sich das Wichtlein mit seinem bißchen Witz wieder heraushelfen wird.

    Das Volksfest. Eine Dorfgeschichte.

    1.  Kapitel

    Am 24. April 1864 wanderte nach der Zeit des Kaffees ein mageres Männchen nach Au. Stolz richtete es das Köpflein auf, so daß sich leicht vermuten ließ, es sei eines jener glücklichen Wesen, die noch ohne Herzklopfen von den hohen Heupreisen erzählen hören.

    Särvis Schwaugar! witt zum Doktar ga Eorgo haulto?, wurde der auf dem Wege Forteilende gefragt, der sich aber kaum zu einer Antwort Zeit nahm und den Fragenden zum Mit­gehen einlud, vermutlich weil ihm das das einzige Mittel zu sein schien, nicht zu lange aufgehalten zu werden.

    2.  Kapitel

    So grüß Gott Felder, und Gott Lob und Dank, daß Du kommst, geh nur in die Stube, Du wirst Durst haben? So rief dem Ankommenden die kluge verständige Hausfrau des Rößlewirts entgegen. Dieser aber (der als Schoppernauer mehr Neugierde als Durst hatte) tat den Mund auf und sprach die fragenden Worte: „Ist er daheim?"

    Nei - jabo nüd, hieß es, und Nei - jabo nüd hieß es wieder, als der Schoppernauer fragte, ob er, nämlich der Doktor, heut einen guten Humor habe. Man hätte gestern kommen sollen, gestern war der Vorabend seines Namensfestes gsin, sagte Isabell. Der Schoppernauer aber sprach, am Samstag bleibt ein guter Christ daheim und ein Glückswunsch kommt auch heute noch recht. Sein Begleiter aber, der seines Zeichens ein Schneider, ging ihm schweigend in die Stube nach.

    3.Kapitel

    Franzmichel soll auf den Tanzplatz kommen. Franzmichel ging hinauf.

    Da standen, wartend der Dinge,

    Die kommen sollten im Ringe

    Die Musikanten - von Blech.

    Schon Monate mußten sie leiern,

    Sankt Eorgotag würdig zu feiern.

    Sich ledig zu blasen der - Zech!

    Wißt Ihr, wo er ist, fragte der Schoppernauer. Nei-jabo nüd, hieß es, und einige fragten zurück: Hast wieder etwas Lustiges? Nichts Wichtiges. Nun wurde das Programm ent­worfen und öffentlich bekannt gemacht. Alles, Felder an der Spitze, wollte zu Eorgo Wohnung, dann sollte er zuerst die Rede halten, worauf die Blasinstrumentenmusikanten, acht Mann, das ihre zu tun versprachen.

    4.Kapitel

    Die im Tanzsaal Befindlichen wurden gerufen und purzelten mehr als sie gingen.

    Ischt ar itz dau?

    Nei-jabo nüd!

    Warum ruft man aber?, fragte das Poetlein mit einer Stimme, die man einem solchen Männlein nicht zugemutet hätte. Er ist daheim, sagte die Wirtin, und Isabell ist zu ihm und will ihm sagen, er solle kommen, man wolle ihm gratu­lieren! - Es gab Leute, die über diese Rede lachen mußten:

    Man kam in frohem Übermut

    Bei Doktors Wohnung an,

    Die Musikanten stimmten gut,

    Und Felder schritt voran. Ist die Türe offen? Nei-jabo nüd.

    5.  Kapitel

    Wer am besagten 24. April im Schöpf beim Doktor gewesen, der wird sich auch vorstellen können, wie es möglich war, daß einst Jerichos Mauern zusammenstürzten. Die Fenster zitterten, alles, was sich bewegen konnte, bewegte sich, und wenn der Doktor daheim war, oder nur eine halbe Stunde weit fort, so wird er sich nicht damit entschuldigen können, daß er es nicht gehört habe. Es kamen Kinder, weiße und rote, es kamen Weiber, alte und junge, aber Eorg kam nicht, unverrichteter Sache mußte man zurück, und das Poetlein, welches voran herstolziert war, folgte in wehmütige Erinne­rungen versunken dem Zug.

    6.  Kapitel

    Mit selbstbezahlten Bieren

    Stillt Felder seinen Durst,

    Verbeißt dabei den Ärger

    An einer dürren Wurst.

    Und wo ist wohl der kalte nüchterne Philosoph, der es ihm verargen würde, wenn sein Ärger größer wäre als - die Wurst. Schön auf himmelblaues Papier geschrieben, staken seine frommen Wünsche und Hoffnungen in der Rocktasche, von niemand noch gesehen, von niemand gehört. Das war noch nie dagewesen. Jetzt galt es, sich zu retten, zu zeigen, daß man nicht von so einem Eorgo abhängig sei. Große Gedanken dämmerten in des Poetleins Seele, all die Geister seiner großen Vorfahren rief es um Hilfe an, und da stand auf einmal Shakespeare vor ihm. Der nämlich, dessen 300jähriges Ge­burtsfest an diesem Tage in ganz Europa gefeiert wurde, jetzt richtete sich das Männlein auf und sprach von dem großen Dichter, zeigte dessen Bildnis und redete davon, wie schön es wäre, diesen Abend sein Geburtsfest zu feiern. Und siehe da: Alles war einverstanden. Eilig gingen die Burschen den Wäldern zu und holten Tannenreiser, um zwischen Argenau und Argenzipfel ein Festfeuer anzuzünden. Jetzt hieß es nicht mehr: Nei-jabo nüd, sondern immer: Vorstaut si!

    7. Kapitel

    Um 9 Uhr wurden die Fackeln angezündet, und unter Beglei­tung der feierlichsten Musik bewegte sich der Festzug, zuerst Greußing und Comp., dann die Fackel- und Kerzenträger, dann das Volk. Auf dem Festplatz angekommen, sang man: „Wir haben gebauet", und zündete das Festfeuer an, das bald hoch aufloderte und in Schoppernau und Au gesehen war, so daß sich eine große Menge Nachtbuben hier versammelte und die Rede mit anhörte, die vom Poetlein gehalten wurde. Leider kann hier nicht wiedergegeben werden, was in der Stunde der Weihe gesprochen wurde. Um 10 Uhr kehrte der Zug zum Rößle zurück und um 12 Uhr endete das Fest. Hie und da hörte man sagen: Gottlob, daß der Doktor nicht kam. Das Poetlein ging glücklich und zufrieden heim. So entstehen Volksfeste! Was werden die Schwarzen dazu sagen! Es wäre zu wetten, ein Norddeutscher hätte Respekt vor der Wälderbildung gekriegt, hätte wohl gar der staunen­den Welt in der Zeitung davon erzählt. Das Poetlein aber hat dabei seine eigenen Gedanken und beeilt sich, seinem Freunde die Geschichte mitzuteilen.

    Am 28. April [1864]

    Am letzten Sonntage redete man auch von Deiner Entgegnung auf Vonbuns Kritik, und der Kurat in Rehmen fand dieselbe etwas zu stark. Er habe die Vonbunsche Besprechung für gutgemeint und lobend gehalten und begreife nicht, wie Du so gegen ihn habest zu Felde ziehen können, sagte er. Nun, die Geschmäcker sind verschieden. Ich würde die Stelle: „Herr Felder ist ein Gesunder", nicht geschrieben haben. Sie mag zum Teil in der von Dir gebrauchten Anwendung richtig sein, aber- aber?! -

    Sehr begierig bin ich, wie Deine „Schreibereien" in Lindau aufgenommen werden, und hoffe, von Dir bald etwas zu erfahren. Der Pfarrer Kohler im Lech hat seine ,Reise nach Rom' beschrieben, und wird dieselbe nächstens bei Stettner erscheinen. Wenn Du den Mann kennst, wirst Dir das Büch­lein anschaffen. Es soll ganz eigentümlich geschrieben sein. Hermann Schmid ist in München Redakteur des seit Neujahr erscheinenden ‚Heimgarten' (belletristische Wochenschrift), den ich sehr gern lese. Hie und da erscheint auch eine Arbeit von ihm, z. B. Der Schütz Fo. 1-6, sein Almenrausch und Edelweiß in der Gartenlaube 63 wirst Du gelesen haben. Der Heimgarten ist entschieden besser als das Familienjournal. Die Holzschnitte sind oft prachtvoll und übertreffen sogar die der Gartenlaube. Ich lese jetzt die kleinen Klassiker, die ich in diesem Winter antiquarisch anschaffte, und kann Dir daher mit den bessern alten und neuen Dichtern aushelfen. Für mich waren diese Bücher fast so notwendig als ein ­Konversations-Lexikon, nach dem ich mich schon lange sehnte. Ich habe nun die 11. Auflage des Brockhausischen bestellt, das in Wochenlieferungen erscheint und bis 1869 vollständig wird. Du brauchst Dir also kein ähnliches Werk anzuschaffen, denn ich zweifle nicht, daß mein Brockhaus Dir gute Dienste tun wird. Es ist wirklich staunenswert, was da alles zu finden ist, und ich gab etwas, wenn ich ihn schon vor zehn Jahren gehabt hätte.

    Deine Schwester Barbara ist von einem Mädchen glücklich entbunden worden, und hat dasselbe in der Taufe den Namen Margareth erhalten. Ich erlaube mir auch, Dir jetzt schon zu Deiner Vaterschaft meinen herzlichsten Glücks­wunsch zu bringen.

    In Schnepfau ist letzthin ein etwa 80jähriges Weib gestorben, das noch in den letzten Jahren seine Schalkjuppe am Sonntag trug, also etwa 62 Jahre die gleiche Juppe! Das wäre etwas fürs Antiquariat! Soeben habe ich in der Augsburger Allge­meinen Zeitung Fo. 105-106, Beilage, eine Besprechung der Auerbachschen Schriften gelesen, in welcher die Frage: Was und wer ist naiv, beantwortet wird. Ich hatte Lust, Dir mehr über diesen Artikel zu schreiben, aber sicher hast Du ihn schon lange gelesen. In demselben wird behauptet: Kein Dorfbewohner kann eine Dorfgeschichte schreiben. Das soll wohl heißen, man soll objektiv schreiben, soll nicht bei der oder jener Partei stehen wie J. Gotthelf, denn daß die Dorf­luft dem Schriftsteller schädlich sei, kann ich nicht begreifen, obwohl ich recht gern eingestehe, daß einem alles Lesen das noch nicht ersetzt, was man Welterfahrung nennt. Es muß eben am Holz sein, wenn's spalten soll, glaube ich, meine dabei aber durchaus nicht, daß etwa ich ein so spältiges Holz sei. Den Allioli wirst Du im Sommer bei mir finden und ich werde Dir dann mitteilen, warum ich Dir so lange nichts darüber mitteilte. Meine Bibliothek hat sich bedeutend ver­mehrt und ich studiere jetzt bei weitem mehr als ich schreibe, denn ich fühle immer mehr, wie viel mir noch mangelt, um nur ein ordentlicher, geschweige denn ein außerordentlicher Mensch zu werden.

    Thümmel sagt: Unsere verwahrlosten Felder, unsere magern Kinder, unsere schlechten Schuhe wollen nicht beschrieben, gemalt und besungen sein, sondern die müssen gedüngt, ernährt und geflickt werden, wenn der gemeine Mann vor­wärts will. Das andere ist eigentlich Sache derjenigen, die an der runden Tafel sitzen. Hat unsereiner eine freie Stunde, so nascht er lieber von dem, was da ist, als daß er Zucker­bäcker wird; so denke ich jetzt, wenn ich hundsmüde von der Feldarbeit heimkomme. Ich habe jetzt mehr Genuß von den Büchern als früher, denn ich will nicht mehr alles auf einmal. Vielleicht bist Du später so gut, mir den Lassalle zu geben, jetzt habe ich wenig Zeit und noch vieles liegt unauf­geschnitten, das eigentlich gelesen sein sollte, doch es geht nicht mehr so schnell als früher, wobei ich aber nur gewinne. Das Nämliche gilt auch von meinen Schreibereien. Ich habe diesen Winter fast nichts getan, als einige hundert Blätter für Bergmann geschrieben und das am Freimaurer Zusammenge­sudelte wieder umgearbeitet. Das Ganze war wirklich zu formlos, und da ich nicht hoffe, daß meine Schriften je das Lobenswerte der J. Gotthelfschen haben werden, so möchte ich auch, so viel als möglich, seine Fehler vermeiden. Es fällt mir immer wieder etwas ein, das ich Dir mitteilen möchte, und mein Brief wird dabei, da ich täglich nur ein paar Zeilen zu schreiben komme, ein merkwürdiger Durcheinander wer­den. Von den neuen Wahlen habe ich hier noch nichts gehört. In Au wird es diesmal vermutlich friedlicher, im konservativen Schoppernau etwas stürmischer zugehen als das letzte Mal ­ausgenommen, wenn man mündlich wählt und der - Pfarrer dabei ist. Jedenfalls wird aus Deiner Vermutung, daß ein Poet u.s.w., nichts werden als eine Enttäuschung, denn bei den Dicken bin ich in Ungnade gefallen und die Kleinen werden mich liegen lassen, wo ich liege und wo mir - im Vertrauen gesagt - am wohlsten ist.

    Es gibt jetzt auch in Schoppernau zwei Parteien, aber mit Heine kann man ausrufen:

    Ich schaute rechts, ich schaute links,

    Es stank auf beiden Seiten.

    Kurz, am wohlsten ist einem, wenn man unbeachtet und unbeneidet daheim lebt und für die lieben Seinen Erdäpfel pflanzt und Kälber aufzieht zu Kühen. Hat man Lust und Lieb zum Ding, so mag man nebenbei treiben und schreiben, was man will, aber wohl dem, der nichts dabei sucht, als seine Unterhaltung und Bildung. Das Wirken fürs gemeine Wohl ist nicht jedermanns Ding, und ich glaube, keiner sollte anfangen, bis er alt und kalt genug ist, um ruhig Stank für Dank hinnehmen zu können. Mich hat die letzten Jahre manch' rauher Wind angeweht, und ich darf sagen, ich habe mich im ganzen noch nicht verkühlt, leide noch nicht am Schnupfen der Selbstsucht, denn ich meine, wenn man von den Leuten Anerkennung und Dank will, muß man tun, was sie, nicht was unsereiner für gut hält. Die Bauern sind am rohsten, wenn sie in Masse beisammen sind, weil da nur die Leidenschaftlichkeit zum Wort kommt. Nimmst Du aber Teil an Freud und Leid des Einzelnen, so weht es dich an wie ein göttlicher Hauch. „Ich will nicht der Mann aller, sondern der Freund der Besseren werden."

    Was macht Deine Therese? Wir alle lassen sie recht herzlich grüßen. Herr Stettner hat mich benachrichtigt, daß er mich im Sommer einmal besuchen werde. Mein Nümmamüller scheint in Norddeutschland mehr Glück zu machen als im Süden, wie ich Dir schon mitgeteilt habe. Von Joh. Josef Felder habe ich Nachricht, er ist noch in Bordeaux. Jochum ist noch hier und wartet auf seine Schriften, um die er schon längst nach Wien schrieb. Über das Viehsalz möchte ich Dir einen Artikel in den Deutschen Blättern empfehlen. Der L. Z. könnte man antworten: Im Nenn [?] bei Schoppernau wurde 1862 das Vieh mit [k. k. ?] Viehsalz gefüttert und im selben Jahr starben 11 Rinder am Durchfall, was sonst in 15 Jahren nicht vorgekommen war. (So sagt der Hirt.) Lebe wohl und schreibe bald wieder Deinem Freund

    Franz M. Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
    Eorgo-Tag, Greußing
  • 1. April 1864

    Lieber Freund!

    Die neuesten Beweise Deiner Freundschaft, d. h. Dein letztes Schreiben vom 26. 3. und die Landeszeitung No 40, habe ich gelesen und bin nun begierig, was Vonbun wieder schreiben wird. Über das Wesen der Sage habe ich eine Abhandlung vom Grimm gelesen, auf welche Dich Herr V. sicher ver­weisen wird und die ich daher diesem Brief beilegen werde. Auch den „berühmten Frohnhof", sicher das armseligste Machwerk in diesem Jahrzehnt (einige Erbauungsbücher ausgenommen), sende ich Dir, und bitte Dich, ihn zu lesen ­und mir dann zu sagen, ob Du nun meinen Ärger, dem ich im letzten Brief, aber nur da, Luft machen wollte, nicht ver­zeihlich findest. Er, nämlich der Ärger, war aber bald wieder von anderen Gegenständen - überfahren. Freilich es ist nicht gut, wenn Neulinge, die doch gewöhnlich nicht eitel genug sind, sich ganz sicher zu fühlen, so aufgenommen werden, und ich gestehe offen, die Lust am Schriftstellern war mir merkwürdig vergangen. Warum, fragte ich mich, willst du etwas schreiben, nachdem schon so viele und Tüchtigere etwas geschrieben haben? Was willst du Neues bringen, was kannst du? Etwa zwischen Auerbach und Gotthelf stehen, wie du früher schwärmtest? Da ist ein Hermann Schmid (Ver­fasser von ,Almenrausch und Edelweiß', ,Blut um Blut', ,Der Schütz' u.s.w.), dem dieses besser gelang, als es dir je gelingen könnte. So dachte ich und legte die Belletristen einige Wochen beiseite, aber ich konnte doch nicht müßig sein und fing an - lache nicht, lieber Freund, es ist alles zu etwas gut und noch keiner hat es bereut, etwas gelernt zu haben, - also ich fing an, Italienisch zu lernen. Frage nicht, wie schnell ich vorwärts komme, ich sage nur: Es geht, aber langsam.

    Die schönen Frühlingstage wirkten recht wohltuend auf mich, und bald suchte ich die Sonderlinge wieder und fing an, einige Bogen zu streichen und einige Zeilen zu schreiben. Am letzten Sonntag kam Herr Bopp und machte mir inter­essante Mitteilungen, die ich Dir natürlich hier wieder so zu geben versuche, wie ich dieselben erhielt. In der ,Europa'', einer beliebten norddeutschen Zeitung, ist der Nümmamüller beiläufig folgendermaßen besprochen: „Das Werkchen kann am besten mit den Schriften von Herrn Schmid verglichen werden. Schmid übertrifft vielleicht (?) Herrn Felder in der Ausschmückung, aber in der Charakterzeichnung stehen beide gleich hoch."

    Hermann Schmid ist, wie ich oben andeutete, in einem Jahr nicht nur mein, sondern der Liebling des deutschen Volkes, und ich glaube, daß ich das Lob der ,Europa' so wenig als den Tadel des Herrn V. verdient habe. Ich werde Herrn Stett­ner ersuchen, mir die Nummer der ,Europa' zuzusenden. Auch im Tirolerboten soll das Büchlein günstig besprochen worden sein.

    Im Frohnhof machte ich zuerst einige Bemerkungen, welches ich aber bald wieder aufgab. Den Liebig habe ich auf Deine Rechnung setzen lassen.

    Sonst weiß ich gerade nichts Neues, hätte auch kaum mehr Zeit, es Dir noch mitzuteilen. Die Deinen lassen Dich grüßen. Vielleicht hast Du bald einmal wieder Zeit, mit einer Antwort zu erfreuen Deinen Freund

    Franz Michel Felder.

    Grimms Sagen kannst Du mir später selbst bringen, Du wirst daraus vielleicht nicht viel lernen, aber doch behaupten dürfen, daß nach Grimm wenigstens die Erzählung aus der Bunt u. a., nach D. Döhler aber alle die von Dir angeführten Sagen sind.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. März 1864

    Lieber Freund!

    Deine letzten zwei Briefe habe ich mit viel Gefallen gelesen. Was von Dir kommt, regt mich eigentümlich an und hinter­läßt stets eine wohltuende Wirkung. - Die Grabschrift ist entsprechend, und ich bin einverstanden, wie Ihr's macht. ­Die Rezension des Dr. Vonbun ist auch mir aufgefallen, und es kommt mir vor, als ob Dir wirklich Unrecht geschehen sei. Ich habe deshalb bereits ein Schreiben an die Redaktion der Landeszeitung gerichtet, das in Bälde erscheinen dürfte. Ob es Dich befriedigt oder nicht, wird sich zeigen. Ich möchte den Frieden zwischen Dir und Vonbun, wie auch mit der Re­daktion. Sollte er aber nicht möglich sein, so werde ich frei und offen bei der Partei verharren, bei der Du mich finden wirst. Wenn die Zeitung Partei ergreifen sollte und mein Schreiben zurückweisen, werde ich an der Handhabe des Preßgesetzes ihr den einmal notwendigen Standpunkt an­weisen. -

    Es wäre mir sehr unangenehm, sollte es zwischen dem emp­findlichen Vonbun und mir zu Erörterungen kommen, aber mein Wunsch, daß jedem Recht geschehe und namentlich meinem Freunde kein Unrecht, also die Rechts- und Freundes­liebe verscheuchten alle Bedenken, und ich nahm meine Handschrift und schrieb. -

    Ich beharre übrigens bei meiner Konzentrierungsmethode und suche, frei von Affekten und Leidenschaften, geistige Ruhe. Den Zorn, den Du über die Vonbunsche Kritik hast, möchte ich um viel Geld nicht. Reut Dich nicht der Mangel des har­monischen Seelenlebens während der Zeit, bis dieser Zorn wieder in den Wind verflogen ist, aus dem er kam? - Man muß die Welt ertragen wie sie ist, nicht bloß ihre Wohl­gerüche, auch ihre Stinkkräuter. Doch bei Deiner innern Kraft ist derlei Zureden überflüssig. -

    Was ist mit dem Frohnhof? Um den Vonbun ganz zu ver­stehen, wäre die Kenntnis desselben notwendig. Falls seine Kritik und meine zurückhaltende Antwort wider Hoffen zu weiteren Auseinandersetzungen führen sollten, benötige ich wahrscheinlich den Frohnhof, wie auch Deine Ansicht dar­über, was Vonbun in dem betreffenden Satz (ich habe die Zeitung gerade nicht zur Hand) sagen wollte. Im Benötigungs­falle wirst Du mir beides zukommen lassen. - Du siehst, daß ich mit Vonbun über diese Sache gar nicht spreche. Wir kommen öfter zusammen und verkehren freundschaftlich, aber seine Kritik war noch mit keinem Worte berührt. ­Den Brief des Bergmann habe ich ihm gezeigt, er fand den­selben schön und bergmannisch. -

    Von der Erlaubnis, ihm auch Deinen letzten Brief mitteilen zu dürfen, mache ich keinen Gebrauch. Wenn Du in jeder Polemik so verhitzt wärest, würde ich Dir raten, das im Eifer Niedergeschriebene so lange in keine Zeitung zu geben oder sonst vor Veröffentlichung zu bewahren, bis Du es wieder mit kaltem Blute überlesen hast. Von einem Gegner nimmt man die Form und Manier gewöhnlich nur dann an, wenn man sich für von ihm überwunden bekennt. Nach meiner Ansicht aber tust Du besser, wenn Du bei Deiner Originalität beharrst und Dich stets mehr an die obersten Regeln der Kunst (ideale Natur) als an die Forderungen der Tageskritik hältst. Innere Energie und Richtung nach dem Ideal!­Sag meinem Bruder Jauk, er soll wegen der Weiden in Ruggera jetzt nur suchen, daß er sie besetze und somit in Benützung habe. Das andere werde ich dann suchen zu ordnen, wenn ich im Sommer heimkomme. ­Ich und mein Weibl sind heidelwohlauf und der dialektische Prozeß, wonach sich aus der Position „Ich", dem Gegensatz „Sie" der spekulative Faktor „Es" entwickelt, geht ganz regelmäßig vor sich. - Mir geht auch sonst recht wohl, und ich trage die Bürde des Doppellebens bis nun so leicht wie die des Hiniplum's. - Auf Georgi wird's wieder hoch her­gehen. Vermelde dem ganzen Klub meinen Respekt und Jorgo meine guten Wünsche. Ich unterschreibe im vorhinein Deine Gratulation. Grüß mir alles und laß bald wieder was hören. Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Schruns
    Franz Michael Felder
  • 25. März 1864

    Verehrter Herr Bergmann!

    Hiemit übersende ich Ihnen was ich im Laufe des Winters für Sie zusammengeschrieben habe. Sollten Sie in dieser Sammlung, wie in der Ihnen früher durch Herrn Willam übersende­ten, hie und da etwas unklar oder mangelhaft finden, so bitte ich, mir solche Wörter zu übersenden, u. ich werde dann mit Freuden alles verbessern, so gut ich kann. Abdankreden, Schnaderhüpfl (sogenannte Tänze) u. Sagen werde ich Ihnen, wenn Sie es wünschen sollten, übersenden; ich habe dieser Sammlung nichts Derartiges beigelegt, weil ich glaubte Herr Vonbun u. Andere werden mehr u. Besseres als ich zu liefern im Stande sein.

    Sollten Sie mich villeicht gelegenheitlich mit einer Antwort erfreuen, so bitte ich Sie, mich auch zu benachrichtigen, ob Sie mein vor 3 Monathen an Sie abgegangenes Schreiben er­halten haben.

    Mein Nümmamüller ist außer der Vorarlberger „Landes-Zei­tung" auch in den St. Gallner Blättern besprochen worden, welches mich sehr gefreut hat. Sollten Sie die Güte haben, es einmal in einer Zeitung zu besprechen, so bitte ich, es mir mit­zutheilen, da ich hier, die Allgemeine u. die Landeszeitung ausgenommen, keine öffentlichen Blätter zu lesen Gelegen­heit habe. Der Kronenwirth, so wie auch dessen Schwägerin lassen Sie herzlich grüßen. Mit vollester Hochachtung verbleibe ich Ihr ergebenster

    Franz Michael Felder

    Herrn Ingenieur Jos Willam meinen herzlichsten Gruß.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef von Bergmann
    Schnaderhüpfl
  • 19. März 1864

    Geliebter Freund!

    Beinahe ein Vierteljahr lang hast Du Dich mit einem Räuber und Dieb beschäftigt, nun kommt Dein alter ehrlicher Freund und bittet Dich, ihm auch ein Viertelstündchen zu schenken. Wirst Du, wenn er Dir von seiner Dorfgeschichte oder eigentlieh einer Rezension derselben erzählen will, ihm diese Bitte nicht versagen? Ich glaube nicht.

    Es scheint beinahe, ob ich dazu verurteilt worden sei, von des Geschickes Mächten, von Ärzten geplagt zu werden. Vor 23 Jahren hat mich ein Arzt, nachdem er sich etwas zu viel zu Gemüte geführt, um das eine Auge gebracht, und jetzt will ein anderer schon zum voraus Dornen und Stinkkraut*) sammeln, um den noch sehr fraglichen Kranz von wälder­strumpfweißen Kirschblüten und Alpenrosen damit zu um­geben.

    Die „recht freundliche und anerkennende" Besprechung des Herrn Vonbun in der Landeszeitung Nr. 29-30 habe ich mit gebührender Geduld und Aufmerksamkeit gelesen. - Mit Rezensenten bin ich dort, wo das Geld Wohlstand bringt, vorbei und nach einigen Kreuz- und Querzügen als Herr Felder in den Stall, wo ich gern etwas länger geblieben wäre; aber um nicht allein sein zu müssen, ging ich wieder mit den ändern, mich darüber verwundernd, daß mein Ge­sellschafter, an das hellere Lesezimmer gewöhnt, auch nur eine halbe Minute in den Stall mochte, nur um über die schuldlosen Freuden armer braver Leute zu spotten. Warum ich nichts davon hörte, als der Müller die Nachbarn „zusammenrief", weiß ich wahrhaft nicht. Als Arzt könnte mir Herr V. es vielleicht sagen, wenn ich nun bei ihm wäref Nun aber kommt es wieder besser und Herr V. tut mir die Ehre an, 21 Zeilen aus meiner „Lebensbildlichen" abzuschrei­ben. Ich muß ihm hier gestehen, daß ich sein Talent, alles zu seinem Zweck zu benützen, nur bewundern kann. Alles nämlich, was ihm paßt und was ihm nicht paßt, benützt er letztens, indem er es nicht - benützt.

    Nun weiter: .. . Doch - wir sind jetzt weit genug, denkt Herr Vonbun, indem er seinen Freund Hagen sieht und läuft zu ihm, um ihm von mir zu erzählen und mich, wie die Wälder sagen und wie das auch weit hinten in Schruns Sitte

    *) Stinkkraut - den  lateinischen  Namen  laß  Dir von einem ändern  mit­teilen, es ist eine Wälder Gartenblume.

    zu sein scheint, ein wenig durch die Hechel zu ziehen, wobei er sich aber hütet, ihm meine einfältiglichen Worte anzu­führen.

    Von dem Verfasser einer „nützlichen Novelle" erwartet man nicht ganz mit Unrecht, daß er auch seine eigenen Erfahrun­gen zu benützen und ihnen, wenigstens wo möglich, gute Lehren für die Zukunft abzugewinnen wisse. Ich will mich nun hierin nicht rühmen und erwähne dieses nur, weil ich eines Vorsatzes gedenken muß, den ich gestern von neuem wieder gemacht habe. Nämlich: Nie mehr etwas zu tadeln, ohne zu sagen, warum. Diesem Vorsatz so viel als „möglich" treu bleibend, fahre ich unter Anrufung Deiner Geduld und zur Ehre der Wahrheit fort im zweiten Teil. „Um recht aufrichtig zu reden, bedaure ich, daß ich im ganzen Buche keine einzige Sage fand." ­Der Mensch kann zuweilen in ganz wunderliche Verhältnisse, Stellungen und Lagen kommen. Wenn Herr Vonbun das Unglück? gehabt haben sollte, den 5. und 6. Bogen meiner lebensbildlichen Dorfgeschichte zu - verlieren, so würde ich das um so mehr bedauern, weil recht bösdenkende Leute durch obige Stelle leicht zu dem Aberglauben gebracht werden könnten, Herr Vonbun wolle in Vorarlberg nur etwa 33 Sagen als solche gelten lassen.

    Die Belehrung, daß die Streiche des Schwarzhannes keine Sagen genannt werden können, werde ich einstweilen ganz gut aufbewahren, bis einmal irgend woher einer kommt und sie mitnehmen will, für mich selbst brauche ich sie nicht! Herr Vonbun hat, das glaube ich fast, die beiden Bogen, wie noch mehreres, gar nicht gelesen, und dazu hatte er natürlich das Recht sowohl als ich das Recht haben würde, sogleich mit Schreiben aufzuhören.

    Sagen (wenigstens etliche) finden sich nach meinem und anderer Leute Dafürhalten Seite 76 - 77 - 79 - 85 und 92. Die Lieder sind natürlich gut und neu, weil nicht ich sie ge­dichtet habe. Es sollte daher Rezensenten lieb und recht sein, daß im ganzen Buche mehr gesungen (Seite 13 - 30 - 33 - 85-108-122 und 180, also sieben Mal) und gesprochen als geschildert und dargestellt wird. Von Letzterem später, denn ich möchte noch gerne wissen, warum die Ünscho Herrn Vonbun nicht hoch genug war, so daß er sie noch um 1000 Fuß höher machen wollte? Dem so schmerzlich be­klagten Mangel an Naturschilderung wird nach meiner An­sicht dadurch nicht abgeholfen. - Die ebenfalls schmerzlich vermißte Frauentracht fehlt denn doch nicht ganz. Seite 87 ist davon die Rede, denn, das muß ich hier noch in „auf­klärender Weise" bemerken, ich wollte sie am Sonntag zeigen, weil die Werktagsjuppe ziemlich rot und farblos ist und etwas Stallgeruch fast nicht zu vermeiden gewesen wäre. - Die Strümpfe sind Seite 87 nicht kirschblüten - sondern schneeweiß. Das Flachshaar freilich, welches Herr Vonbun durchaus haben will, fehlt meinen Frauengestalten so wie auch vielen Hinterwälderinnen, nicht aber das Schappale. Seite 221 ist das lebensmutige Mikle damit geschmückt. Wohl ihm, denn mit reinem Herzen, würdig des Schmuckes der Jungfrau, geht es an Kaspales Seite dem schönsten Glück entgegen. Weitläufige und oft wirklich prachtvolle, - aber etwas übertriebene Schilderungen findet man im Oppermann, sogar rote Strümpfe findet man dort, welche ich Kurzsichtiger aber noch nie „erschielt und erspäht" habe. ­Die Schilderung der Landschaft dürfte denn doch nicht ganz fehlen, aber es wird Herrn Vonbun damit gegangen sein, wie mit den Sagen, den Strümpfen, dem Schappale u. a. Daß viel gesprochen wird, bemerkt Herr Vonbun sehr richtig, und es wäre hier der Ort gewesen, zu sagen, ob der Dialog die Handlung fördert, ob überhaupt die Personen gehörig charakterisiert und dergleichen, denn es ist nicht zu leugnen, daß man die in „bukolischer Natürlichkeit" dastehenden Wälder aus ihren Reden und Selbstgesprächen am besten kennen lernt. Kurz, es ist richtig, daß viel und vielleicht zu viel gesprochen wird, Herr Vonbun hat hierin ganz recht und ich bin überhaupt - etwa das vorhin Erwähnte ausgenom­men - mit seiner Kritik ganz einverstanden. Ich werde nun hier in Schoppernau den ,Frohnhof aufzutreiben suchen, um zu sehen, womit ein „feiner Satiriker" mein Werkchen vergleichen würde. Zwar erwarte ich nichts Gutes, doch das ist nur ein Vorurteil. „Komm und sieh!" sagte einst einer, als ein anderer fragte: „Ob von Nazareth auch etwas Gutes komme". O eine schöne Antwort! So schön, daß jedem durch Vorurteile Hintangesetzten zu wünschen wäre, auf solche Fragen so antworten zu können. - Das ist nun so bei­läufig, was ich über Herrn Vonbuns „anerkennende" Bespre­chung zu sagen hätte. Doch es ist vieles aus derselben zu lernen. Die Sprache z. B. übertrifft die im Nümmamüller bei weitem an Feinheit und noch mehrerem. Eine Wäldersage muß ich Dir noch erzählen. Es war ein Einsiedler, der lebte fromm in seiner Hütte und hatte nichts als einen Pfeil und Bogen, mit dem traf er alles, wonach er schoß. Aber nachdem er einmal einen bei seiner Hütte Vorbeigehenden angelogen hatte, traf sein Pfeil nicht mehr, sondern kam gleich zurück und tötete den Einsiedler, weil Gott diesen nicht in der Sünde leben lassen, sondern mit dem Tode bestrafen wollte. Als einen Sagenfreund könnte es Herr V. nur freuen, wenn Du ihm dieselbe mitteilen würdest. Sollte er Dich fragen, ob und wie ich mich über seine Kritik geäußert habe, so kannst Du ihm meinetwegen etwas oder viel oder alles, was ich hier geschrieben habe, mitteilen. Daß ich meinen „Wälder­humor" nicht verlor, glaube ich Dir durch diese Zeilen einigermaßen bewiesen zu haben. Etwas Galle hat mir an­fangs die Stelle von den „Sagen" gemacht, aber jetzt freut mich gerade diese Stelle am meisten.

    (Einen Tag später)

    Ich habe nun den Frohnhof durchblättert und finde es jetzt begreiflich, daß ein feiner liebloser Satiriker in einem ähn­lichen Werke manches übersieht.

    Lebe wohl und teile mir gelegentlich mit, ob Herr V. seine Sprache auch dann, wenn sie andere redeten, nicht beleidi­gend finden würde.                                                       

    F. M. Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 14. März 1864

    Geliebter Freund!

    Beinahe ein Vierteljahr lang hast Du Dich mit einem Räuber u. Dieb beschäftiget, nun kommt Dein alter ehrlicher Freund u. bittet Dich, ihm auch wenigstens ein Viertelstündchen zu schenken. Wirst Du ihm, auch wenn er von seiner Dorfge­schichte, oder vilmehr einer Recension derselben sprechen will, diese Bitte versagen? Ich hoffe nicht! - ?

    Es scheint beinahe, als ob ich vom Schiksal dazu verurtheilt worden sei, durch Ärtzte unglücklich (?) gemacht zu werden. Vor 23 Jahren hat mich so ein Schüler Äsculaps um das eine Auge gebracht, nachdem er zu viel des Weines in sich aufge­nommen hatte, u. jetzt will mir ein solcher den mühevoll errungenen Kranz von Loorbern, u. wälderstrumpfweißen Kirschblüthen mit bittersüßem - Stinkkraut umgeben u. bede­ken gerade als ob im letzten Herbst nicht er mir, sondern ich ihm - auf den Schuh gestanden sei.

    Die „recht freundliche u. anerkennende" Besprechung des Hrn V. in Fo 29-30 der Landeszeitung habe ich mit gebührender Gedult u. aufmerksamkeit gelesen, bin dort, wo das Geld Wohlstand bringt, glüklich vorbei gekommen u. habe end­lich den „gesinnungstüchtigen Autor" gefunden, ohne mei­nen „durch Wälderarbeit (aber nicht, wie es hier scheinen könnte in der Fremde) erworbenen Wälderhumor" (Seite 49) zu verlieren. Dann schritt ich als „Herr Felder" so schnell „als (mir? -) möglich" in den Stall, wo ich gern etwas länger ge­blieben, wenn ich nicht, um die „im hellen Lesezimmer" ver­wöhnt gewordene Nase zärtlich besorgt, ihm sogleich wie­der zur Thüre hinaus nachgegangen wäre. Was daran Schuld war, daß ich nichts davon hörte, wie der Müller „seine Nach­barn zusammenrief", Schuld sei, könnte mir Hr V als Artzt leicht sagen - wenn ich nur bei ihm wäre u. ihm meine merk­würdig großen Ohren zeigen könnte.

    Nun thut V mir die Ehre an, 21 Zeilen aus meiner „lebensbild­lichen Dorfgeschichte" abzuschreiben u. ich muß ihm hier wie a,n ändern Orten gestehen, daß er alles gehörig zu benüt­zen weißt was ihm paßt - u. das Andere benützt er dadurch, daß er es nicht benützt. Nun weiter! doch - wir sind am Ende unserer Pilgerschaft angelangt, wir scheiden. Hr V geht seines Weges, trifft Herrn K. Hagen, u. fällt nun wie das auch „weit hinten in Schruns" Sitte sein wird, über seinen bisherigen harmlosen Begleiter her, u. tadelt - was? alles, was der gute Tropf in seiner Unschuld gesagt hat u. - deine Nase ist nicht so fein; mag kein Pech anrühren, um sich nicht zu besudeln.

    Als Schreiber (Macher) von „sehr nützlichen Novellen" suche ich allem auch dem nicht gerade Angenehmen eine „schöne Seite" abzugewinnen oder wenn das gar nicht gehen will, so suche ich mir eine gute Lehre für ein - anderes Mal daraus zu nehmen. So habe ich zum Exempel von einem Beispiel gestern beim Lesen des vorhin Erwähnten fest vorgenommen, nie mehr zu tadeln, ohne deutlich zu sagen „was u. warum". Diesem Vorsatz treu fahre ich nun, unter Anrufung Deiner Gedult u. zur Ehre der - Wahrheit fort im

    2ten Theil

    „Um recht aufrichtig zu reden, bedaure ich, daß ich, daß ich im ganzen Buche keine einzige Sage fand/' Der Mensch kann oft in ganz wunderbare Verhältnisse - Stel­lungen u. - Lagen kommen. Wenn Herrn Vo. das Unglück (?) passirt sein sollte, den 5ten Bogen meiner „Lebensbild­lichen" zu - verlieren so würde ich das sehr bedauern, denn durch obige Stelle könnten recht bösdenkende Menschen zu dem Aberglauben gebracht werden, Hr V. wolle keine Sagen gelten lassen, als die für ihn gesammelt u. mit kleinen Anfangsbuchstaben - gleich den Schriften der großen Brüder Grimm, gedrukt worden sind.

    Die Belehrung, daß die Streiche des Schwarzhannes keine Sagen sind, werde ich gut aufbewahren, bis einer irgend­woher kommt u. sie holt denn ich brauche sie nicht. Die wenigen Sagen die vorkommen, (warum müssen es denn viele sein?) sind theilweise nur angedeutet, weil ich wußte, daß sie ähnlich auch an ändern Orten vorkommen. Vollständig u. so viel ich weis neu ist die Sage Seite 7, andere sind kürzer 76-77-85 u. 92. Sollte Hr V diesen Bogen nicht mehr besitzen, so werde ich ihm mit Freuden zu verschaffen suchen. ­Die Lieder sind natürlich gut weil nicht ich sie gedichtet (gemacht) habe, (Seite 122) es kann Recensenten daher doch nur erwünscht sein daß im ganzen Werke mehr gesungen (nämlich Seite 13 - 30 - 33 - 85 - 108 - 122 u. 180 also sieben Mal) u. gesprochen wird, als geschildert u. dargestellt, von letzterem Vorwurf später denn ich möchte noch gerne wis­sen: Warum die Ünsche Hrn V noch nicht hoch genug ist, u. er sie noch um 1000 Fuß höher macht, dem so schmerzlich beklagten Mangel an (von ändern Kritikern schon so oft weg­gewünschten) Naturschilderungen wird nach meiner beschei­denen Meinung dadurch doch nicht abgeholfen. Die Frauen­tracht fehlt nicht. Seite 87 ist davon die Rede, denn ich wollte sie am Sonntag zeigen, weil die Werktagsjuppe etwas roth u. farblos ist u. etwas Stallgeruch fast nicht zu vermeiden ge­wesen wäre. Die Strümpfe sind Seite 87 nicht Kirschblüthen­sondern schneeweis, so habe ich die Tracht kurz gezeichnet, wer mehr will lese Oppermann, dort findet er alles - sogar roühe Strümpfe, welche ich aber noch nie „erschielt" habe. Und nun kommt auch noch das Schappale welches ich end­lich Seite 121 glücklich gefunden habe u. zwar nicht in einer alten Schachtel, sondern es glänzt auf Mi kies Haubt, da dieses am schönsten Tag seines Lebens an Kaspales Seite zum Trau­altar schreitet. Wohl ihm, denn reinen Herzens u. würdig des Schmuks der Jungfrau geht es dem schönsten Glück entgegen. Hier wollte ich das Schappale und seine Bedeutung zeigen. Doch genug hievon.

    Daß viel gesprochen wird, bemerkt Hr V sehr richtig u. ich hätte wirklich dieß wenigstens für keinen Tadel angesehen, wenn mich nicht eine spätere Stelle darauf aufmerksam ge­macht haben würde. Ich lasse diesen Tadel auch gelten, denn nach meiner Ansicht lernt mann die Menschen am besten aus ihren Reden kennen, - wenigstens die in bukolischer (?) Na­türlichkeit auftretenden Wälder. Herr Vonbun hat also hierin ganz recht u. bin überhaubt, das Bishergesagte ausgenom­men, ganz mit ihm einverstanden, u. werde nun hier in Schop­pernau den Frohnhof aufzutreiben suchen um zu sehen, womit ein feiner Satiriker mein Werkchen vergleichen würde. Zwar schade um die edle Zeit! einige Stunden zu opfern um ein Werk zu lesen mit welchem Hr. V das Meinige vergleichen mag! Doch das sind Vorurtheile und: „Komm u. sieh!" sagte Jesus zum Nathanael, als dieser fragte: Ob denn von Nazareth auch etwas Gutes kommen könne. O eine schöne Antwort, so schön, daß jedem durch Vorurtheile hintenangesetzten zu wünschen wäre, auf solche Fragen so antworten zu können. Das ist so beiläufig, was ich über diese Rezension denke. Ich habe daraus manches gelernt, habe darin recht schöne Sätze gefunden, die die im Nümmamüller bei weitem übertreffen an Feinheit u. noch Mehrerem. Meinen Wälder Humor habe ich deßwegen auch nicht verloren, wie Dir diese Zeilen eini­germaßen gezeigt haben werden. Anfangs, ich gestehe es, machte mir die Stelle, wo von den Sagen die Rede ist, ein wenig Galle jetzt aber ist es gerade die, die mich am meisten freut, u. die ich daher als Glanzpunkt auch gehörig hervor­heben zu müssen glaubte.

    Wenn Herr Vonbun Dich fragen sollte ob ich mich u. wie ich mich über seine Kritik geäusert, so sage ihm was Du willst von dem hier Geschriebenen, sage ihm meinetwegen alles, lese ihm, wenn Du willst, diesen Bogen vor. Ich hoffe, er werde als Mann seine Sprache auch dann nicht beleidigend finden, wenn andere dieselbe reden. -?

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 13. März 1864

    Geliebter Freund!

    Die merkwürdige Kritik Vonbuns in der Landeszeitung habe ich gelesen. Merkwürdig ist die Stelle von den Sagen, die er nicht finden kann. Soll das vielleicht, wie er sich letzten Herbst äußerte, Widerspruch hervorrufen, da könnte ich jetzt gegen ihn schreiben und ihn einer Unwahrheit beschuldigen, zum Teil sicher mit Recht - und was dann? Dann würde V. über die Sage schreiben und mich oder den sonstigen Gegner auf einen Weg bringen, der mit Vonbun doch nicht gut zu gehen wäre. Ich werde nicht in diese Falle gehen. Du auch nicht und niemand. - Denn ich habe nicht viele Freunde, die sich für mich in den Kampf begeben möchten. ­Daß mir aber der Aufsatz gefällt, kann ich nicht sagen. Er ist bitter, giftig, Lob und Tadel sind fast überall merkwürdig ineinander verschlungen, aber ich glaube diese Sprache zu verstehen. Morgen werde ich Dir meine Gedanken in der von ihm gelernten Form mitteilen, aber ich bitte Dich, das Ganze niemand sehen zu lassen, doch steht es Dir frei, davon zu benützen, was Du willst, wenn Du etwa mit jemand davon redest. Die Schoppernauer halten das Ganze für Lob und fangen an, vor meiner Dichtkunst Respekt zu kriegen, auch in Schnepfau habe ich Ähnliches bemerkt. Ich muß gestehen, daß ich diese Sprache nicht erwartet habe. Vom Frohnhof weiß ich nichts. Vielleicht werde ich später das Werk mit den drei gelesenen Besprechungen an Auerbach senden, um das Urteil eines unparteiischen Mannes zu hören. - Die Be­sprechung in den St. Gallner Blättern ist durchaus günstig, während in der nämlichen Nummer andere Werke, die wenigstens aus guten Verlagshandlungen kommen (z. B. Brockhaus), tüchtig durchgemacht werden, aber nicht in Von­buns Manier, sondern offen und so, daß man dadurch lernen kann. Die Besprechung ist, glaube ich, von Prof. Kapf in St. Gallen. Was Du darüber denkst, daß V. alles so durch­einander wirft, wirst Du mir hoffentlich bald mitteilen, so wie Deine Gedanken über das, was ich morgen zusammen­schmieren werde. Du wirst begreiflich finden, daß ich eine Zeitlang von der Sache rede, denn sie ist mir, trotzdem daß sich jetzt fast niemand um Dorfgeschichten kümmert, sehr wichtig. Der Bub soll Deinem Bruder Jok eine reiche Heirat und zu diesem Zweck a riche aulte Krüslare anempfohlen haben. Der Schneider sagte mir heut, als ich mit ihm nach Mellau ging, das Ding mache dem Jok viel Kopfarbeit, ich aber glaube nicht, daß er zu so etwas komme, doch man wird sehen. Mit dem Plan, die Teilung noch zu verschieben, soll Dokus am mindesten zufrieden sein, wir übrigen sind ganz einverstanden. Gestern ist die wißo Mari im Argenstein wahnsinnig geworden. Sie redet von nichts als Gott und ihren Liebhabern. Babl in Mellau, so wie ihr Mann, sind ein wenig unpäßlich, er hat diesen Winter auch eine Kuh forttun müs­sen. Ich und die Meinen sind gesund und wohl und hoffen, das Nämliche auch von Dir und Deinem Weib zu hören. Nun aber ist's Zeit ins Bett.

    Sei so gut, mir bald einmal zu schreiben und mir auch mitzu­teilen, ob Du mit der Grabschrift zufrieden seiest, welche ich „gemacht" habe.

    Es grüßt Dich und Deine Theres herzlich Dein Freund

    F. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 11. März 1864

    Lieber Freund!

    Endlich nach herrlichem, warmem Frühlingswetter einmal ein trüber, regnerischer Tag, der mich wieder in meine vier Wände zurücktreibt. Ich will diese freie Stunde dazu be­nützen, Dir wieder einmal zu schreiben. Deinen kurz gefaß­ten Brief vom 5. samt Beilage für Wirt Jochum habe ich er­halten und werde das mir Übergebene pünktlich besorgen. ­Auf die Kritik des Vonbun bin ich sehr begierig, obschon ich mir so ziemlich einbilden zu können meine, was er sagen wird. In den St. Galler Blättern Nr. 8 ist mein Werklein günstig besprochen und die betreffende Nummer mir von der Redaktion zugesandt worden. Jetzt lese ich fleißig Zeitungen der verschiedensten Farbe, denn da Stettner alle in dieser Gegend bei ihm bestellten Zeitungen an mich schickt, habe ich Gelegenheit genug und benütze diese auch redlich, wenn es mir nicht an Zeit fehlt. - Der 5. Februar war für uns alle ein recht trauriger Tag. Denn wenn wir die nach redlich voll­brachtem Tagwerk von uns Scheidenden auch für glücklicher als uns selbst halten dürfen, so ist es doch traurig und hart, wenn wir die von uns gehen sehen, die wir mit ganzer Seele liebten. Du weißt, daß jeder Mensch das, was er fühlt und erlebt, auf seine Weise aufnimmt und verarbeitet. Du wirst mir daher erlauben, Dir, was ich in jenen Tagen dachte und in mein Tagebuch aufgeschrieben habe, kurz mitzuteilen, obwohl ich es, wie Du bald bemerken wirst, nur für mich selbstgeschrieben habe:

    Was ist geschehen, daß so laut und lange/
    Die Glocken läuten, oder was geschieht?/
    Ist es ein Kirchenfürst von hohem Range,/
    Der heut in unser stilles Ländchen zieht,/
    Und eilt das Volk zum festlichen Empfange/
    Herbei, das gern das Ungewohnte sieht?/
    Ach nein, die frommen Kirchenfürsten plagen/
    Sich nicht mit Reisen in den Wintertagen.//

    Ist's eines Sel'gen Fest, wozu die Glocken laden,/
    Den Romas Fürst zum Heiligen erkor,/
    Weil immer er gewandelt auf den Pfaden/
    Der Tugend wie ein glänzend Meteor,/
    Bewundernswert, - Fürst von Gottes Gnaden,/
    Zu dem die Menge staunend blickt empor,/
    Ein Wundertäter, wirkend für die Ehre/
    Dess', der ihn sendete, durch Tat und Lehre?//

    O glücklich der, dem es gelang, die Liebe/
    Der Nachwelt zu verdienen, prachtvoll ruht/
    Auf Lorbeern er; doch größer, wer dem Triebe/
    Des Herzens folgend, das, was recht und gut,/
    Auch wenn es stets der Welt verborgen bliebe,/
    Um Gottes und des Guten Willen tut,/
    Wer auch die Selbstsucht überwindet/
    Und Demut mit der schönsten Tat verbindet.//

    Und so war die, die auf der Totenbahre/
    Sie jetzt zum Friedhof tragen, demutsvoll/
    Und fleißig lebte sie wie eine wahre/
    Nachfolgerin Mariens leben soll./
    Wie manche Sorge füllte ihre Jahre,/
    Wie manche Arbeit für der Ihren Wohl!//

    Nun ruhet sie und ernst und feierlich klingen/
    Die Glocken, die das Grabeslied ihr singen./
    O ruhe sanft, Du, die wir nun beweinen,//

    Von langer mühevoller Arbeit aus;/
    Einst wird, dies tröstet uns, der Tag erscheinen,/
    An dem auch uns zu Dir ins Vaterhaus/
    Allvater ruft, uns ewig zu vereinen./
    Dorthin gingst Du, Geliebte, uns voraus./
    Wenn wir den Weg, den Du uns zeigtest, gehen,/
    So werden wir uns glücklich wiedersehen.//

     

    Dem Kritiker wird sicher die Sprache zu wenig bilderreich und das Ganze zu reell sein. Es ist eben nur aus dem Gefühl des Herzens und für fühlende Herzen geschrieben, daher habe ich gewagt, Dir die Arbeit mitzuteilen, ungefeilt, so wie sie im ersten Wurf wurde. - Jakob beabsichtigt, dem Vater und der Mutter gemeinsam ein Denkmal zu setzen. Er hat mich ersucht, einen Vers dazu zu machen, und ich habe nun den letzten Satz des Dir eben mitgeteilten Gedichtes auf­geschrieben, denn ich glaube, derselbe sei nicht unpassend, wenn man das Du in „Ihr" umwandelt. Was sagst Du dazu? - Aus der Wintermilch habe ich 14 Va und im besten Fall 15 Pf. gelöst und eine Brummelsuppe als Zugabe erhalten, weil ich das Unerhörte wagte, dem Donnerer von Schnepfau die Wahrheit zu sagen. „Lauser" und „Versmacher" war das Beste, und wenn nicht meine Schoppernauer gezischelt hätten: „er hat doch nicht ganz unrecht", so würde er mich wohl haben hinauswerfen lassen. Ich weiß nicht, welcher Widerspruchsteufel mich regiert. Mit allen „goldenen" Käl­bern komme ich noch in Händel, denn ich kann nicht mehr anders. Im letzten Herbst dachte ich zuweilen: „Bin ich nicht eine Einfalt, ich will immer zum Wohle anderer reden und niemand will's hören, ich werde bei denen, die ich verteidige, nicht beliebt, bei den anderen verhaßt, wie wohl wäre es mir, wenn ich mich, wie die ändern, auf Vaters Misthaufen stellte und mich um Gott und die Welt nichts mehr kümmerte." ­So dachte ich wirklich, und wenn ein Schoppernauer meine Gedanken gewußt hätte, so würde er gesagt haben: „So das ist nun einmal vernünftig." Aber des Volkes Stimme ist nicht die des Gewissens. Ich will das Meine tun, das macht mich, wenn es auch sonst keine Früchte trägt, glücklicher, als der Beifall und die Zuneigung anderer mich machen könnten. Die Besseren stehen wenigstens auf meiner Seite und ich erleb nichts, was nicht schon andere und Bessere erlebt, und wenn sie Männer waren, männlich ertragen haben, ohne sich durch solche Armseligkeiten vom rechten Weg ableiten zu lassen. Dein Freund

    Frz. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • Datum unbekannt
    8. März 1864

    Geliebter Freund!

    Der Fasching dieses Jahres brachte uns traurige Tage, denn wenn wir auch die nach endlich vollbrachtem Tagwerk von uns scheidenden für glüklicher als uns selbst halten dürfen, so ist der Mensch traurig, wenn er die von ihm scheiden sieht die er mit ganzer Seele liebte. Am 5ten Februar begleitete ich Deine Mutter zum Friedhof u. Du wirst mir erlauben, Dir kurz meine damahligen Gedanken mitzutheilen. Ernst u. feierlich thönten die Glocken u. als ich so den einfachen Leichenzug überschaute, dachte ich:

     

    Was ist geschehen, daß so laut und lange
    Die Glocken läuten, oder was geschieht?
    Ist es ein Kirchenfürst von hohem Range,
    Der heut in unser stilles Ländchen zieht,
    Und eilt das Volk zum festlichen Empfange
    Herbei, das gern das Ungewohnte sieht?

    Ach nein, die frommen Kirchenfürsten plagen
    Sich nicht mit Reisen in den Wintertagen.

    Ist's eines Sel'gen Fest, wozu die Glocken laden,
    Den Romas Fürst zum Heiligen erkor,
    Weil immer er gewandelt auf den Pfaden
    Der Tugend wie ein glänzend Meteor,
    Bewundernswert, - Fürst von Gottes Gnaden,
    Zu dem die Menge staunend blickt empor,
    Ein Wundertäter, wirkend für die Ehre
    Dess', der ihn sendete, durch Tat und Lehre?

    O glücklich der, dem es gelang, die Liebe
    Der Nachwelt zu verdienen, prachtvoll ruht
    Auf Lorbeern er; doch größer, wer dem Triebe
    Des Herzens folgend, das, was recht und gut,
    Auch wenn es stets der Welt verborgen bliebe,
    Um Gottes und des Guten Willen tut,
    Wer auch die Selbstsucht überwindet
    Und Demut mit der schönsten Tat verbindet.

    Und so war die, die auf der Totenbahre
    Sie jetzt zum Friedhof tragen, demutsvoll
    Und fleißig lebte sie wie eine wahre
    Nachfolgerin Mariens leben soll.
    Wie manche Sorge füllte ihre Jahre,
    Wie manche Arbeit für der Ihren Wohl!
    Nun ruhet sie und ernst und feierlich klingen
    Die Glocken, die das Grabeslied ihr singen.

    O ruhe sanft, Du, die wir nun beweinen,
    Von langer mühevoller Arbeit aus;
    Einst wird, dies tröstet uns, der Tag erscheinen,
    An dem auch uns zu Dir ins Vaterhaus
    Allvater ruft, uns ewig zu vereinen.
    Dorthin gingst Du, Geliebte, uns voraus.

    Wenn wir den Weg, den Du uns zeigtest, gehen,
    So werden wir uns glücklich wiedersehen.

    Dein   Bruder Jakob   beabsichtigt,  den  verstorbenen   Altern gemeinsam ein Denkmal setzen zu lassen. Er ersuchte mich, zu diesem Zweck ein paar Verse zu schreiben. Ich glaube, daß obige von * bis ) nicht unpassend sein würden, wenn man statt Du Ihr schreibt u. die 2 letzten Zeilen etwa so: Wenn wir den Weg, den ihr uns zeigtet gehen So werden wir uns glüklich wieder sehen. Dein kurzgefastes Schreiben vom 5 d M habe ich sammt Bei­lage richtig erhalten, u. werde Deinen Auftrag besorgen, so bald es mir möglich ist. Auf die mir vorhergesagte Kritik des Dr V bin ich sehr neugierig obwohl ich mir so zimlich alles einbilden zu können meine, was er sagen wird. Ich will nur kurz noch erwähnen, daß trotz der bewegten Zeit die St.  Gallner Blätter Nr 8 1864 mein  Werkchen  günstig besprochen   haben,  wodurch   es  auch   in   weitern   Kreisen wenigstens bekannt geworden ist.

    Ich lese jetzt fleißig Zeitungen von der verschiedensten Rich­tung u. Farbe. Es ist mir dieß um so eher möglich, da alle in dieser Gegend bei Hrn Stettner bestellten Zeitungen mir zugesendet werden. Wenn Du mir wieder schreibst, bist Du villeicht so gut, mir etwas mehr über Riedl mitzutheilen. Den Schoppernauern will es nicht recht gefallen, daß die Rekru­tenaushebung so weit hinausgeschoben wird 1) fürchten sie daß man am Ende alles mitnehme u. 2) ist mancher Fremdler gezwungen daheim zu bleiben u. seinen guten Platz einem ändern zu überlassen. Vorige Woche wurden die neuen Glo­ken nach Schräken geführt. Das neue Geläute ist etwa 10 Zentner schwerer als das alte. Der Klang der Gloken gefiel den Leuten so gut, daß sie immer wieder mit Äxten darauf loshämmerten bis sie aus der größten u. zweitgrößten einen „Spatzen" Splitter herausgeschlagen hatten. Auch den Schop­pernauern muß das „Geläute" gefallen haben, denn man redet stark davon, auch ein schöneres u. größeres anzuschaf­fen, ein Gedanke, auf den man ohne die Schröker wohl noch Jahrhunderte nicht gekommen wäre. Aber in unserem neuen Gemeindevorsteher habe ich mich geirrt. Hr Albrecht ist näm­lich noch dümmer u. unverschämter u. alles Mögliche, als ich glaubte. Das hat er auf der letzten Rechnung bewiesen.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 5. März 1864

    Lieber Freund!

    In letzter Woche sagte mir Dr. Vonbun, er habe eine Kritik über den ,Nümmamüller' an die Redaktion der Landeszei­tung geschickt. Sie dürfte somit bald erscheinen. In der Feld­kircher Zeitung fand ich bisher nichts, was ich übrigens ganz erklärlich finde. Jene Zeitung verficht ganz andere Grundsätze als Du. Die Versetzung des Riedel gibt ihr jetzt ungemein viel zu tun. Es ist aber auch alle Welt jetzt mit anderen Dingen als mit Dorfgeschichten beschäftigt. - Mein Räuber ist zu acht Jahren schweren Kerker (Eisen) verurteilt worden. Jetzt kann ich wieder frei atmen und ziemlich studieren. Ich brüte jetzt über dem Steuerwesen, wobei mir Liebig treffliche Dienste leisten tut. ­Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Schruns
    Franz Michael Felder
  • 20. Januar 1864

    Lieber Freund!

    Dein Schreiben vom 24. Dezember habe ich den 3. -, das für mich so trostreiche vom 5. d. M. am 10. - erhalten und benütze nun die erste Gelegenheit, Dir beide Briefe zu be­antworten. Mit dem Urteil des Dr. Vonbun bin ich zufrieden. Daß mein Werkchen etwas Stallgeruch bei sich habe, ist nicht zu leugnen, und dagegen, daß es ihm zu reell ist, habe ich natürlich nichts einzuwenden. Was er über Auerbach sagte, ist richtig, doch habe ich Gründe, daran zu zweifeln, ob Vonbun auch den Gotthelf, ja nur seine beliebtesten Werke, Uli der Knecht, Uli der Pächter, Käthi (welche Ziegen und Hennen in der Stube hat), Michels Brautschau, die Käserei in der Vehfreude u. a. m. gelesen habe. Ich könnte noch viel zu meiner Verteidigung sagen, doch es ist genug, nur daß er vielleicht an dem Bauer den unzünftigen Schriftsteller tadelt, was er an einem zünftigen loben würde, ist ein Gedanke, der mich nicht mehr verlassen will. Vonbun glaubt vermutlich, der Bauer könne nicht anders schreiben, als so wie ich das Werkchen geschrieben habe, was meinst Du? - Den fraglichen Artikel in der Landeszeitung hat Franz Jochum geschrieben. ­Im de- und wehmutsvollen Brief vom November wollte ich Dich nicht um Geld ersuchen, sondern Dir nur meine Stim­mung schildern, zu der auch meine unangenehme Lage sicher sehr viel beigetragen hat, obwohl ich nicht sagen kann, daß sie die einzige Ursache derselben war. Sollte allenfalls die Feldkircher Zeitung, deren Redakteur ich nun mein Werkchen zugeschickt habe, dasselbe besprechen, so bitte ich, mir die betreffenden Nummern gelegentlich zuzusenden, da - soviel ich weiß, die genannte Zeitung hier nirgends mehr gehalten wird. - Ich werde ja wieder zu Schriftstellern anfangen. Die meiste Winterarbeit ist getan, und ich fühle mich wieder ganz gut aufgelegt, die Sonderlinge fortzusetzen. Doch zuerst werde ich das im letzten Winter Geschriebene noch einmal umarbeiten, da mir jetzt manches selbst nicht mehr recht ge­fällt. Von diesem Werk wird Vonbun nicht mehr sagen, daß es zu wenig ideal sei! Gewöhnlich gibt es aus unserem Ländchen im Winter viel mehr zu berichten als im Sommer, doch heuer ist das ausnahmsweise nicht der Fall. Die merk­würdigsten Ereignisse des Jahres 1863 waren: Die Klauen­seuche, das Brandunglück in Schröcken und mein Buch. Von diesen drei Ereignissen sprach man überall so, daß man kaum mehr Zeit hatte, von den unterdes gehaltenen Hochzeiten zu reden und die Paare gehörig durch die Hechel zu ziehen. Nun aber ist's wieder ruhig geworden, die Seuche ist ver­schwunden, die Schröcker haben reichliche Beisteuer erhalten und mein Buch ist von jedem gelesen worden, der nur überhaupt lesen oder doch wenigstens buchstabieren kann. Verstanden hat mich in Schoppernau, der Pfarrer ausge­nommen, kein Mensch, sonst würden die Dicken und Kom­pagnie noch viel ärger geschimpft haben. Die Gemeinde­rechnung ist nun nach meinem Kopf gehalten worden, d. h. man hat die Unkosten nicht mehr auf Köpfe und Häuser verteilt. Ich selbst war nicht dabei, habe mir aber alles genau von Ohrenzeugen erzählen lassen. Die Gemeinderäte sollen als Einzige das lobend anerkannt, was ich vor einem Jahr gesagt, sich beiläufig so geäußert haben: „Er hilft ja den Ärmeren, das ist wahr, aber er tut es nur, weil in unserem Dorf fast lauter Bettler sind. Diese will er sich zu Freunden machen, um recht bald Vorsteher zu werden oder so etwas, denn stolz ist er wie wenige, wenn man es auch seinen Hosen nicht ansieht." - Wenn diese Männer gewußt hätten, daß ich nur deswegen nicht zur Rechnungssitzung ging, weil - es mir an Geld fehlte, meinen Teil sogleich zu zahlen, das würde ein Triumph für sie gewesen sein. ­Dein Freund

    Fr. M. Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
    Hosen
  • 4. Januar 1864

    Lieber Freund!

    Soeben erhalte ich einen datumlosen Brief von Dir mit des Herrn Bergmann dem seinen. Es wundert mich, daß Du meinen Brief vom 24. Dez. noch nicht erhalten hast. Doch wenn er auch hin ist, ist nicht viel hin. Ich hab Dir in Eile einige Zeilen geschrieben und darunter auch, was der Vonbun von Deinem Werkl gesagt hat. Du wirst mir erlauben, ihm des Bergmanns Brief zu zeigen. Er ist nämlich ganz begeistert für den edlen Bergmann und wird sich freuen, daß Du diesem ersten Mann Vorarlbergs so viel Vergnügen gemacht hast. ­Es ist mir sehr angenehm, daß ich Dir auch einmal mit etwas dienen kann. Ich habe gerade nicht mehr bei Händen, als die beiliegenden 50 Fl. ö. W., und ich erbitte mir von Dir das nächstemal eine freiere Sprache, denn aus Deinem letzten Brief habe ich das wirklich nicht herausgelesen, sonst hätte ich Dir schon lang und mehr geschickt. Die beiliegenden zwei Taler sind das Neujahr für Deine zwei Buben. - Ich danke Dir für Deine Glückwünsche und erwidere sie. Meine Theres hat Deinen treffenden Witz gleich verstanden. Auch sie wünscht Euch alles Gute. Ich lese jetzt, wenn ich ein bißchen Zeit habe, den Lassalle, ich lerne viel von ihm. Ich habe aber auch viel Kanzleiarbeit und muß jetzt wieder abbrechen und eine In­quisition vornehmen. Mit Gruß Dein Freund

    K. Moosbrugger.

     

    Schruns, 5. Jänner 1864

    — Meine Räubergeschichte gab Stoff zu einer dichterischen Arbeit. Ich steckte mich hinter seine Geliebte, die erzählte ohne Arg von seinem Geld und Treiben. Das war mir genug. Es handelte sich also darum, ihn vollkommen zu überraschen. Dies gelang mir in der Art, daß ich schon unmittelbar vor ihm stand, als er mich nur gewahrte, ja nur wußte, daß man einen Verdacht gegen ihn hege. Ich hatte also den Mann und was für den Beweis des Raubes die Hauptsache war, auch die geraubten Gelder und Effekten. Geld war über 240 Franken in Gold und Silber. Also wieder zur Inquisition. Mit Gruß Dein Freund

    K. Moosbrugger

     

    Kaspar Moosbrugger
    Schruns
    Franz Michael Felder
  • 1. Januar 1864

    Geliebter Freund!

    Auf meinen letzten Brief habe ich keine Antwort erhalten, aber keine Antwort ist zuweilen auch eine, und ich verstehe sie, und will daher über mein letztes etwas sonderbares Schreiben nichts mehr sagen. Nur erlaube mir, Dir, meinem einzigen Vertrauten, meine damalige Stimmung zu schildern und die Ursachen anzugeben, die sie hervorriefen. Im letzten Herbst arbeitete ich in Hinterhopfreben neben einem gewissen Rüscher, er ist um sechs Jahre älter, um 50 Pfund schwerer und eine halbe Pferdekraft stärker als ich. Dieser ist arm und hat vor etwa sechs Jahren ein armes Mädchen geheiratet, aber es geht ihm verhältnismäßig viel besser als mir, er kann arbeiten wie ein Pferd, überall hat man ihn gern, denn er ist stark und dumm, also ein guter und folgsamer Arbeiter. Daheim hat er ebenfalls mehr Glück als Verstand, kurz, wenn es ihm noch zehn Jahre so vorwärts geht, wird er einer der Wohlhabenden. Ich bin gewiß nicht der, welcher einem Menschen sein Glück mißgönnt; aber gern hätte ich's, wenn's auch mir gut ginge und ich wenig­stens nicht gerade mit der Not zu kämpfen hätte. Ich mußte mir gestehen und gestand mir: Dieser Rüscher, den alles für einen Esel hält, bringt es weiter als ich, den man gescheit nennt. Er verdient, was er braucht und noch mehr, ich ver­diene wenig, die Bauerschaft trägt mir nichts, denn wenn einer Unfälle hat, wie ich die letzten Jahre, so muß er das ganze Jahr nicht nur umsonst arbeiten, sondern er hat noch Schaden. Freilich ging es heuer ziemlich gut, ich hoffte am Kathrinentag 100 Fl. einziehen zu können und erhielt - keinen Kreuzer. Meine Verwandten plagen und zwingen zum Zahlen mochte ich nicht, hätte auch wegen der Mutter nicht dürfen. ­Du weißt selbst, verdienen kann ein Bauer nicht viel, weil er die meiste Zeit daheim Arbeit hat. Nun, was sollte ich an­fangen? Ich wußte es nicht, ich hatte keine Lust mehr am Schreiben, keine am Lesen, ja ich machte mir Vorwürfe, daß ich mir so viele Bücher angeschafft, und dem armen zuweilen fast mutlosen Dichter oder Schwärmer wirst Du es nicht ver­argen, daß endlich ich die Feder nahm, um Dir zu schreiben und meinem Ärger - etwas Luft zu machen. Seit damals hat es sich in meinem Innern wieder etwas erhellt, ja mein Himmel würde ganz heiter werden, wenn von irgendwo her ein Wind käme, der meine Mehl- und Brot­sorgen auf einige Zeit vertriebe, kurz, ich bin durch die Verhältnisse genötigt, Dich an das mir im Herbst gegebene Versprechen zu erinnern und um ein Darlehen von etwa eini­gen 10-FI.-Banknoten zu bitten. Ich hätte Dich schon im letz­ten Brief darum ersucht, aber Du kennst mich ja und weißt, wie ungern ich meine Freunde plage, doch Not lehrt beten. Meine Lust zum Schreiben und zu allem ist ungemein klein, wenn mir am Schreibtisch immer einfällt: Wo werde ich Geld hernehmen, wenn auch diese 24 Kreuzer, die letzten, fort sind. Meinen Nümmamüller z. B. würde ich auch an den Redakteur der Feldkircher Zeitung geschickt haben, wenn es mir nicht wegen des fatalen Frankierens gewesen wäre. Du weißt, ich bin kein Verschwender. Wenn ich die dringendsten Bedürfnisse befriedigen könnte, wäre ich von Herzen wohl zufrieden, auch glaube ich, immer redlich das Meine getan zu haben.

    Es ist wirklich recht peinlich, eine solche Lage schildern zu müssen Denke Dir daher, wie peinlich es sei, das erleben zu müssen. Ich habe die letzte Zeit nur wenig getan, aber viel gelernt und im jähre 64 werde ich die Sonderlinge (Frei­maurer) fortsetzen und, so Gott will, vollenden, oder das ­Schindelnmachen wieder anfangen, denn ich muß verdienen, vom Lernen kann ich nicht leben. Oft, wenn ich recht ärgerlich bin, denke ich daran, alles zu verkaufen und vom Zins zu leben; aber ich bin Vater, nun man wird ja sehen. Wenn man lebt.

    Von J. Bergmann habe ich ein eigenhändiges Schreiben er­halten, das mich außerordentlich gefreut hat, er schreibt mir, daß er mein „umfang- und inhaltreiches Idiotikum erhalten und schon größtenteils durchgesehen habe". Er äußert sich sehr zufrieden darüber und freut sich sehr, meine Bekannt­schaft gemacht zu haben. Über den Nümmamüller schreibt er folgendes: „Gegenwärtig lasse ich mir Ihr Lebensbild ,Nüm­mamüllers und das Schwarzokaspale' vorlesen", - doch ich will Dir den Brief zuschicken, Dir, den ich an meinen Freuden und Leiden Anteil nehmen lassen möchte. In meinem letzten Brief teilte ich Dir mit, daß der Adlerwirt in Au Hochzeiter sei. Jetzt ist er Mann und seine Jüngern Geschwister haben der jungen Frau Platz gemacht, bei der Teilung sind kuriose Dinge an den Tag gekommen, die Dir, wenigstens zum Teil, Dein Freund und ehemaliger Strich­genosse Wittwer gewiß nicht mitteilen wird. Seine beiden Brüder Georg und Michel haben in Ermangelung des Geldes beim Adlerwirt geborgt und so nach und nach eine Schuld von 300 Fl. gemacht, von der jetzt alles redet. Die Wintermilch ist für 14 1/2 Pf. verkauft, ich habe dabei noch zu bemerken, daß sie an ändern Orten 15 gilt. Die Schop­pernauer aber sind an Gallus gebunden, da sie, wie man sagt, die Milch, die sie diesen Winter melken sollen, schon am 25. Nov. sich bezahlen ließen. Aus diesem Umstand sieht man, daß auch andere, nicht nur arme Bauern, nötig sind wie ich. Ich könnte vielleicht von etwa einem Großen in Schop­pernau Geld erhalten, aber ich möchte nicht in eine Lage kommen, wie das Schwarzokaspale Seite 24. Ich hätte Dir noch manches mitzuteilen, aber die Zeit drängt, der Raum geht zu Ende, und ich werde daher nur noch beifügen, was mir in der Eile in den Sinn kommt: Recht herzlich hat mich gefreut, als ich gestern in der Landeszeitung las, es sei Dir gelungen, einen Übeltäter aufzufinden und den Händen der Gerechtigkeit zu übergeben. Wir wollen, jeder auf seine Art, den Weg des Rechts und der Wahrheit gehen und die Spitzbuben entlarven und in ihrer Blöße darstellen. Auch mein Büchlein war in der Landeszeitung besprochen, und wir sind also beinahe die ersten Wälder, die da eine papierene Unsterblichkeit von acht Tagen erstrebt haben. Nun, das wäre nicht viel, aber wenn der Mann zu sich selbst sagen kann: Ich habe das Meine getan, so ist das ein schönes Gefühl. Zum neuen Jahr wünsche ich Dir und Deiner Therese (worauf sich reimt, genese) alles, was ich mir selbst wünsche, und auch das, was ich mangeln muß.

    Lebe wohl und sei so gut, mir bald zu schreiben. Es bittet Dich darum Dein Freund

    F. M. Felder

    Bergmanns Brief schicke mir dann auch wieder. Den Nümma­müller wirst Du doch wohl erhalten haben?

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
    stark und dumm
  • 23. Dezember 1863

    Lieber Freund!

    Endlich komme ich einmal dazu, Dir zu schreiben. Ich benütze die erste freie Stunde hiezu. Seit einigen Wochen war ich ungewöhnlich stark angestrengt wegen einer bedeutenden Raubgeschichte. Ich hatte es mit einem gehörigen gesetzlich so zu nennenden Räuber zu tun, d. h. ich war Untersuchungs­richter. Ich habe den Räuber zu Stande gebracht, aber ich mach auf nichts weniger als auf Anerkennung Anspruch. Im Gegenteil, die landsässigen Beamten werden mich umso­mehr zu verdrängen suchen. Doch das sind Gemeinheiten, ich habe Dir noch nie von so was etwas gesagt und ich will auch nichts mehr sagen. Ich bin mit Dir beinahe in derselben Lage, d. h. objektiv - die Leute wollen nichts von dem wissen, was wir leisten. Der Unterschied ist aber der, daß Du Dir die Haare ausreißen willst, während ich von den Leuten im vorhinein nichts erwartete und zum ganzen Plun­der lache. Mache es gscheiter auch so. Der Mensch ist mit soviel Kraft ausgerüstet, daß er bei guter Ökonomie derselben die Welt gemütlich um sich herumtragen lassen kann. Kon­zentriere Dich in Dir selbst. -

    Wer ist der J. F. in der Landeszeitung, der Dein Werk be­sprochen hat? Der Dr. Vonbun hat sich über Dein Opus beiläufig so geäußert:

    „Ungemein  reell, zu  reell, zu wenig Ästhetik,  man  müsse etwas idealisieren, wenn man  in der Literatur zu Geltung kommen wolle.  Da sei  zu viel  Stallgeruch.  Auerbach  und Gotthelf bringen diesen Geruch nicht mit in die Stube. Das sei  vielleicht  der  einzige  Grund,  daß   Dein   Werk   in   die deutsche Literatur nicht aufgenommen werde." Diese Kritik ist meiner Ansicht nach für Dich ganz günstig. Vonbun versprach, in der Landeszeitung sich auszusprechen. Er arbeitet jetzt an dem  Buch, das der Landwirtschaftliche Verein für die  Lehrer der Sonntagsschulen Vorarlbergs zu­sammenstellen will. Mein Weibl und ich sind gesund. Mit Gruß, Dein Freund

    K. Moosbrugger

     

    Kaspar Moosbrugger
    Schruns
    Franz Michael Felder
  • 17. Dezember 1863

    Verehrtester Herr Felder!

    Ihr Werthes vom 2. dies, ist mir erst letzten Samstag zuge­kommen. Das darin Gewünschte ist, soweit es vorräthig war, vorgestern an Sie abgegangen, um das Übrige ist geschrieben. Den „Nümmamüller" habe ich, wie Sie wissen, nach allen Seiten hin versendet u. hoffe, daß er freundl. Aufnahme fin­den u. nirgends ein unwillkommener Gast sein wird. Eine Rezension habe ich jedoch in keinem Blatte noch über ihn gelesen; sobald etwas erscheint, theile ichs Ihnen jedenfalls mit. Einstweilen würde michs freuen, wenn Sie mir das Blatt der Landeszeitung gefl. mittheilen wollten, worin er bespro­chen ist.

    Mit den herzlichsten Grüßen an Sie u. Ihre liebe Frau von mir u. den Meinigen Ihr ergebenster

    Joh. Thom. Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 17. November 1863

    Geliebter Freund!

    Willst wissen, Du mein/
    lieber Christ,/

    Wie einem dann zu Mute ist,/
    Wenn ihn verbrüllt ein jeder/
    Brüller,/
    So schreibe einen Nümmamüller!/

    Oder wenn Du glücklicherweise etwas Besseres zu tun weißt als das, so setze Dich auf ein Minütchen und lese mit Geduld und Aufmerksamkeit, was ich, der in diesem Stück Erfahrene, Dir mitteilen werde.

    Am 1. d. M. ist das Werkchen im Bregenzerwald erschienen. Trotz allem Vorhergegangenen hätte ich doch nie geglaubt, daß hier ein Buch so viel Aufsehen machen könnte. Freilich war es nur die Neugierde, die fast jeden Bemittelten trieb, es zu kaufen und zu lesen, und wer keines kaufte, der ent­lehnte, und wer nicht las, der redete wenigstens davon, und die am liebsten, die am wenigsten davon verstanden. Aber wie wurde es dann aufgenommen? Die Bibel gibt darauf die Antwort:

    1.          Kann von Nazareth etwas Gutes kommen?

    2.          Kein Prophet ist angenehm in seinem Vaterlande.

    Zuerst mußte es den und den und diese gemeint sein, und da zuletzt auch die, welche keine Brillen hatten, einsahen, daß eben alles gemeint sei - da ging das Be- und Verurteilen an. Wo sollte ich Zeit und Papier hernehmen, Dir alles mitzu­teilen, was die Leute aus dem Buch heraus- und in das Buch hineingelesen haben, doch von sogenannten Gebildeten muß ich Dir einiges sagen, und als guter Schoppernauer fange ich mit unserem Pfarrer an. Dem gefiel das Buch außerordentlich gut, was mich anfangs sehr überraschte. „Die Witze", äußerte er sich, „sind ausgezeichnet und die über die Unter­dörfler die besten; die Gemeinderäte, die Greth und mehrere sind unübertrefflich gezeichnet." Jetzt lacht der Pfarrer die Unterdörfler aus, wo er einen antrifft, und sagt: sie sollen nur recht Exemplare kaufen, denn die Bücher, welche sie kaufen, kommen nicht mehr in die Welt hinaus, das sei noch ihr einziges Rettungsmittel. -

    Der Doktor ist im Ganzen mit dem Buch zufrieden, nur hätte ich - o Kunstansicht! - das Reuthe Wirtle - und mithin die Winkeladvokaten - nicht so loben sollen! Ist denn mein Wirt das Lümple von Reuthe? Oder ist es nicht viel mehr mein Ideal von einem Mann, wie wir wirklich recht viele haben sollten.

    Ähnlich der Behauptung des Doktors ist auch die des Kurats. Ritter und Genossen haben natürlich gar kein eigenes Urteil. Ein Schoppernauer ist böse auf mich, weil er sich und weil andere ihn für den roten Michel halten - und wirklich: wenn ich an ihn gedacht hätte, so würde ich ihn nicht ganz so gezeichnet haben, so überraschend trifft alles ein. - Als er am vorigen Sonntag in der Predigt saß und - schlief, fing fast alles zu lachen an.

    Heut hat der Adlerwirt in Au Hochzeit, und ich muß abends den Abdanker machen und das Wible holen, bei dieser Ge­legenheit hoffe ich dann zu erfahren, was man weiter draußen über mein Buch sagt.

    Ein gedrucktes Urteil habe ich bisher noch keines gelesen. Und nun lieber Freund, neige Dein Ohr zu mir und höre meine Worte:

    Ist's nicht eitel und vergebens,/
    Torheit nur und leerer Wahn/
    durch den Wüstensand des Lebens/
    sich zu wühlen eine Bahn./

    Denke nur, Dein Freund ist schwermütig worden, nicht des Unangenehmen wegen, das er die letzte Zeit her erleben mußte, sondern aus ihm selbst kommt all die Bitterkeit, an der er jetzt zu schlucken und zu würgen hat. Für den verirrten oder in eine unbekannte Gegend ge­kommenen Wanderer auf dem Lebenswege ist es gut, zu­weilen einen Hügel zu ersteigen und von da zu sehen, woher er eigentlich kommt und wohin er soll. Auf so einen Hügel habe ich mich, hinweg vom lärmenden Markt des Lebens, geflüchtet und sehe mich. Zurückschauend erblicke ich eine Vergangenheit, wo ich zwischen zwei Berufen stand, wie zwischen Tür und Angel, zwischen zwei Gegensätzen, wo jeder den ändern verdrängen und mich mitreißen will, und wenn das noch lange so fort geht, dann, bei Gott, werden sie mich zerreißen! -

    Nicht wahr, es ist ein eigenes Wort, mit dem ich meinen jetzigen Zustand und meine Gefühle bezeichne, aber es ist das rechte.

    Nun so entschließe dich zu dem einen und laß das andere, könnte man mir sagen, Du aber sagst das hoffentlich nicht. Ich habe als Dichter mein Glück versucht, was ich geleistet, mögen andere beurteilen, aber nicht nur die, die mich zu kennen glauben und von Vorurteilen sich leiten lassen; von meinen Landsleuten, für die ich wirken und meine beste Kraft brauchen wollte, werde ich, das merke ich, schon nur Stank ernten für Dank, und dieser Gedanke wirkt wie ein Nasen­stüber, den man einem Sänger gibt.

    „Kehre dich nicht an die Urteile der Dummköpfe und die Vernünftigen sind ja auf deiner Seite." Das ist schön gesagt und auch beinahe wahr, aber eben so wahr ist, daß ich gerade mit denen, die Du Dummköpfe nennst, leben muß, so lang diese miserable Maschine noch zusammenhält. Da muß ich leben und so manche Arbeit verrichten, die meinem nicht gerade zum Holzknecht eingerichteten Körper fast zu streng ist und des Geistes Kräfte lahmt; lahmt, aber nicht tötet. O, daß ich sie töten könnte und ein rechter Klotz von Bauer werden könnte!

    So weit kann einer im Bregenzerwald, in Vorarlberg, im Lande der Intelligenz kommen, und vielleicht noch viel weiter, ich will für heute abbrechen, da Du Dir alles einbilden kannst, was ich noch sagen möchte, wenn ich es sagen möchte. Fragst Du noch, was ich seit Deiner Abreise in dem gemüt­lichen Hopfreben geschrieben habe, so antworte ich Dir, kein Wort, und Hopfreben ist nur gemütlich, wenn man es selbst auch ist.

    Mache mir nur nicht den Vorwurf, es sei Schwäche und Feig­heit, müßig dazustehen und zu hadern. O, ich bin nicht müßig dagestanden, gearbeitet habe ich, daß mir die Hände bluteten und jeden Abend hundsmüde heimkam wie jeder Taglöhner oder noch müder. Und in anderer Beziehung bin ich doch auch nicht müßig dagestanden, habe gekämpft mit der Umgebung, und kein Mensch weiß mit was allem. Und was habe ich nun errungen, erkämpft? Ich habe Dir ver­sprochen, aufzuhören - und ich werde auch Wort halten.

    18. Nov.(ember) (63)

    Gestern abends holte ich das Wible, das ist die kurze Lösung des gestern angefangenen - Romans aus der Wirklichkeit. Es wäre mir heute noch gerade wie gestern, wenn ich daran denken möchte. Auf Adlerwirts Hochzeit ging es lustig zu, ich machte aber nicht mit, am liebsten war mir - das Heimgehen. Daheim ist mir am wohlsten, ich sah in Au manches Lächerliche. Gegen mich waren alle Hochzeitgäste freundlich. Hie und da hörte ich von meinem Buch reden, Gutes und Böses, Richtiges und Falsches. Im ganzen darf ich mit der Aufnahme zufrieden sein, und mein Ärger kommt nicht von dieser Seite her, gegen Dich habe ich ihn ausgesprochen; Du kannst nun mich auslachen oder bemitleiden. Ich werde indes fortleben und sehen, ob es mir wieder anders zu Mute wird. Den Liebig habe ich erhalten, werde ihn aber, wenn Du nichts dawider hast, zuerst lesen und ihn Dir dann zusenden. Wo bist Du? Wie geht's Dir, was macht's Moatle? Grüße es mir herzlich. Der Gropper ist Hochzeiter, am kommenden Montag werde ich ihm beim Sonnenwirt abdanken. Den beiliegenden Bogen bitte ich Herrn Vonbun zu geben, damit er das ganze Werkchen hat. Höre, was er sagen wird und wie man es sonst aufnimmt. Kaplan Sieber findet es unreligiös auf Seite 52 und 53. Willam in Wien hat mir eine günstige Aufnahme in einem eigenhändigen Schreiben zuge­sichert.

    Bald Mehreres. Von Dir hofft auf baldige Antwort Dein Freund

    Felder

    Das beiliegende Buch  ist für Dich,  lese es in  Frieden  mit Deiner Therese.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 15. November 1863

    Geehrter Herr Felder!

    Ihre umfang- und gehaltreichen Blätter, bestimmt Beiträge zu meinem Vorarlberg. Idiotikon zu bilden, habe ich durch die Güte meines alten Freundes, des Ingenieurs Jos. Willam, rich­tig erhalten, wofür Sie meinen verbindlichsten Dank ent­gegennehmen mögen, bis ich Ihnen etwas Fertiges übersen­den kann. Da der Director des kk. Münz- u. Antikencabinets, Herr Jos. Ritter v. Arneth, in Folge heftiger Verkühlung in Karlsbad in Böhmen, wo er seinen Herrn Sohn besuchte, am 31. Octob. gestorben ist, wurde mir als Senior des Amtes, bei dem ich seit 35 J. diene, die Verwaltung anvertraut, daher verdoppelte u. sehr verantwortliche Geschäfte, weshalb ich dermals an meinem Idiotikon nicht, wie ich soll u. wünsche, arbeiten kann. Den größeren Theil Ihrer Zettelchen habe ich schon durchgelesen u. vieles Brauchbare gefunden. Ich werde Sie um das, was mir etwa nicht genug klar ist, zu erklären bit­ten, nachdem ich gelegentlich diese Wörter zusammengestellt habe. Wenn Ihnen im Laufe des langen Winters die erforder­liche Muße zur Fortsetzung der Arbeit gegönnt ist, so bitte ich dieß ja im Interesse der Sache zu thun, wozu aber nicht so schönes Papier nöthig ist. Um Ihre Zettel den meinigen bequem einreihen zu können, wollen Sie dieselben wohl um einen halben Zoll kürzer machen.

    Besonders sind mir willkommen Sprichwörter, Schwänke. Soeben lasse ich mir abends, da ich selbst beim Kerzen- oder Lampenlichte schwer lese (ich zähle 67 Jahre) Ihr Lebensbild aus dem Bregenzerwalde „Nümmamüllers und das Schwar­zokaspale", das mir Herr Willam gegeben, vorlesen, das mich über das innerste Leben u. Wesen unsers Völkleins belehrt u. höchlich erfreut. Der alte Schwarz (ist er nicht aus Graubün­den eingewandert?) u. der Tiroler mit den Kitzihäuten u. so vieles andere, das Sie so naturwahr aufgefaßt u. dargestellt haben, hat mir u. den Meinigen viele Heiterkeit gebracht; ich versetze mich ganz in den Kreis dieser Leute hinein! Manche Parthien sind meisterlich behandelt, in diesen Tagen werden wir mit der Lectüre fertig. S. 11 schreiben sie „Nathstubat" nicht richtig, es muß sein: Nahtstubet, vom mittelhochdeut­schen naht, erst später tritt das C (Nacht) ein. So muß man schreiben Draht, Naht (nicht Drath, Nath) von drehen, nähen. Dieß etwa, wenn eine 2te Auflage erscheinen sollte. S. 25. statt rähgod würde ich schreiben räkod, welches räken oder ragen auch um Feldkirch gehört wird.

    Mir wäre ein Abriß Ihres Lebens, Ihres Bildungsganges, Ihrer Lectüre, besond. der dorfgeschichtlichen, von wahrem Inter­esse; ferner wer Sie veranlaßt dieses Lebensbild zu entwerfen u. auszuarbeiten. Da ich dermals, wie oben gesagt, überaus viel zu thun habe, so stellen Sie mir in klarer, edler Kürze den Gang, den Faden der Erzählung zusammen, heben die Haupt­oder Glanzpuncte heraus (mit Angabe der Seite), damit ich die [Anzeige], in eines der gelesensten Blätter machen oder veranlassen kann, was zur Verbreitung des Buches beitragen soll. Was haben Sie während dieser Winterzeit unter der Feder, denn ich glaube kaum, daß Sie stundenlang auf der Bank beim Ofen zu ruhen vermögen? Es freut mich sehr Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben.

    Meine herzlichen Grüße an Herrn Pfarrer Raidt, meinen alten Freund, in der Au u. dessen Kaplan Faißt, meinen Vetter, des­gleichen an den Schoppernauer Wirth u. die junge Frau oder Witwe, die mich mit Herrn Ingenieur Willam im letzten Früh­ling im kais. Belvedere besucht haben. In voller Hochachtung verbleibe ich Ihr aufrichtiger

    jos. Bergmann

    kais. Rath u. Custos

    (im kk. Belvedere Nr. 6).

     

    Josef von Bergmann
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 9. November 1863

    Lieber Herr Vetter!

    Dem kais. Rath Bergmann übergab ich Ihr reichhaltig gesam­meltes Ideotikon nebst Ihrem Briefe gleich nach meiner Ankunft in Wien, dann einige Tage später das Buch des Nüm­mamüller u. Schwarzokaspale welches ich in Lindau für 17 S.W. kaufte zur Durchsicht, das 2te Mal aber war er mit einem Herrn dringend beschäftiget, worauf er mir sagte daß er mich nächster Tage besuche, aber bisher mich noch nicht beehrte; ich kann Ihnen daher von ihm keine weitere Mittheilung machen.

    Über Ihr Buch von Nümmamüller aber mache ich meine Gra­tulation, anfangs besorgte ich daß Sie eine zu scharfe Essenz über Armuth und Reichthum ausgießen, wie mir die Entpfind­lichkeit des Kaspale gegen den Sennen vorkam. Es freute mich daher wie ich im spätem Verlauf der Erzählung das gute Einvernehmen beider gewahrte. - Es liegt zwar im Karakter des Volkes daß die Armen häufig unter sich gegen die Begüterten sich aufgebracht äußern und dieser Fehler ist jetzt viel größer als früher; vieleicht hätte ich ihn nicht so bemerkt wenn ich nicht die traurigen Ereigniße des Jahres 48 erlebt  und  dessen   Folgen   mehrfälltig  gesehen   hätte.  Ver­brannte Kinder fürchten das Feuer, es ist aber ebenso verheh­rend für die die es nicht fürchten als für diejenigen die es fürchten.   Ich  will  die  Bemerkung  daß  nur der  Bemittelte solche Bücher kaufe daher keine für ihn nachtheilige Konse­quenzen enthalten soll, zu einem Motiv erheben; sondern die Tendenz des bessern Ich soll den Verfaßer leiten durch seine Broschür die sittliche Tendenz des Volkes zu [heben]. Ihre  Erzählung   [ist]   fantasiereich   und   flüßig   [.Man   kann] Ihnen   daher  ein   halbes   [Dutzend   pro]fezeien   die  durch wiederholte   A]uflagen   sich   vermehren   [können   -]   nur möchte ich Sie vor einem so ungünstigen Urtheil wie das über Auerbachs   Dorfgeschichten   bewahren,  von  welchem   man sagt daß nur die erstem Bände gemüthlich waren. Haben Sie die Güte der Katharina Willam am Ünschele die Adresse ihres Bruders mitzutheilen: Josef Willam Stukateur und Hausbesorger Johannesgasse Nr 11 in Wien Mich Ihnen u. Ihrer Frau empfehlend

    Ihr Vetter Jos. Willam

    Josef Willam
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 9. Oktober 1863

    Kaspar Moosbrugger
    zur Vermählung.

    Schoppernau, den 9. Oktober 1863

    Du hast schu viel dinn Leabtag treobo/
    Beost bis gi Ungro abi gsinn, -/
    Hast mingo Bogo dünn vorschreobo/
    Und trunko mingo Schoppo Winn;/
    Doch das sand aus nu dantlaria:/
    So lang ma fründ ist und aluo/
    Ist oam nüd wohl, ma hats nüd fria,/
    Und drum best grob geen widor huo.//

    Dahoam, dau hat ma gär all Lioba,/
    Ist ungscheniort, vorgeoßt sinn Krütz,/
    Und besser schmeckod Krud und Rüoba,/
    As i dor Fründe Flohsch und Schnitz./
    Doch das ist in am Jäurle us gsinn,/
    As ist dor gango wie Gott Suh,/
    Umzogo beost, äs ist a Grus gsinn,/
    Vu Annasso zum Kaiphas ku.//

    !tz wähn ih, das weahr nümma lingor,/
    Und all die Blauga siod us;/
    -Win s'Krütz nu kam und dearo Dingor-/
    Dinn war äs nu a Maul a Grus./
    Doch Du woscht sealb, was guod ud schleth ist,/
    Winn Oane dinn Vortruo heat,//

    Und deor voar Alla liab und reth ist/
    Isch gweos ou dinne Liobe weath./

    Unmügli kund dor ih arzello,/
    Wi mih dinn Hohzig fröuo tuot,/
    Ih wähn, Du heiost, was d'hast wello,/
    Und drum hean ih san guoto Muot./
    Du Überkunst izt fröhli Stunda,/
    Und Tag, Du tuschtost seochar koam,/
    Im Land, Du hast a Ohgos fundo,/
    Bi deam beost ioz as wie dahoam.//

    Das kochot dor und bringt dor d'Suppo,/
    Das soargot allewil föor Di,/
    Und hat äs ou ka Wäldarjuppo -/
    Das schadet nix, dau ist nünz hü/
    Nu das git meor a bitzle z'seanno:/
    Win ih iz Dih vorlüro thät?/
    Di z'bhäbo und a Fründin z'gweanno,/
    Das wärs, was i am Hobst iz mäth.//

    Dinn Hohzig mäth ih grad vorglicho/
     Am reachto schöano Früohlingstag,/
    Am hoffnungsgrüonno, bluommoricho,/
    Wau gär alls blüiht bis heandon Haag,/
    Dau kaa ma froh do Hebst arwahto/
    Und hat dorbi ka lange Zit;/
    Im Summor hat ma jau do Gato/
    Im Hebst nu Äpfol, winn äs schnit./

    Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 29. September 1863

    Lieber Freund!

    Es wäre nun gut und schön und recht, wenn Du mir ebenso auf die Hochzeit kämest, wie ich Dir gekommen bin. Ich bin bis von Ungarn herauf zu Deiner Hochzeitsfeier, nun kannst Du doch von Au dieses kleine Sprüngl da herauf auch machen. Das Nähere darüber, wann Du dieses Sprüngl zu machen hast, erfährst Du aus dem Brief, den ich heim schreibe. Also Du oder Dein Weibl haben bei Vermeidung der Exekution sich gehörig einzufinden. Mit freundlichem Gruß

    Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 22. September 1863

    Mein lieber Herr Felder!

    Meinem Versprechen zufolge, benachrichtige Sie, daß ich Samstag Abends, nach einer Abwesendheit von beinahe 4 Monat, wieder in meiner lieben Heimath eintreffen werde. Sollten Sie nun geneigt sein Ihren Besuch in Lindau zu ver­wirklichen, so haben Sie die Güte mir umgehend pr. Post Nachricht von Ihrem Eintreffen zu gehen zu laßen, für jeden Fall erwarte Nachricht. Vielleicht daß eine gute Bekannte, welche ich schönstens grüßen laße, mitgehen würde. Der freundschaftlichste Empfang würde zugesichert werden. Wenn es Sie nicht beleidigt so würde ich mir erlauben künftig resp. Ihnen das traulichere Du anläßlich unserer vieljährigen Bekanntschaft anzubiethen. Machen Sie damit in Ihrem Ant­wortschreiben den Anfang! Würde mir große Freude machen. Baldiger Antwort entgegensehend begrüße Sie, Frau Gemah­lin, w. Mutter nebst dem kleinen Weltbürger aufs freund­lichste

    Ergebenst                                                               Aug. Bopp

    Ablage Rieger'sche Buchhdlg in Lindau.

    Weinlese in  Lindau  beginnt  nach  dem  ersten  Sonntag im October.

    Philipp August Bopp
    Rhorn in Mostindien
    Franz Michael Felder
  • 6. September 1863

    Verehrtester Herr Bergmann!

    Durch Herrn Willam habe ich vor etwa einem Monath Ihre „Bitte um Mitwirkung zur Sammlung des vorarlbergischen Sprachschatzes" erhalten, u. ich war glüklich durch den Gedanken, daß ich villeicht auch einige Beiträge zu diesem vaterländischen Werk werde liefern können. Ich habe daher im letzten Monath jeden freien Augenblik benützt, um das, was ich Ihnen hier übersende, niederzuschreiben; mehreres werde ich auszuarbeiten im Winter Zeit u. Gelegenheit fin­den.

    Ich bin nämlich, wie Sie meiner Arbeit es nur zu gut ansehen werden, weder ein Gelehrter noch ein Studirter, sondern ein 24 jähriges Bäuerlein, das nie keine andere Schule, als die in seinem Dörfchen besucht hat; Nur die freien Stunden bei Regenwetter u. die Sonntage sind ganz mein; nur da habe ich Zeit, mich mit meinen Lieblingsarbeiten: Lesen Schreiben u. Lernen abzugeben. Früher hätte ich große Lust zum Studiren gehabt, aber da ich der einzige Sohn einer Wittwe war, u. mich überdies ein Artzt in betrunkenem Zustande um das eine Auge gebracht hatte, mußte ich ein Bauer werden, doch habe ich neben meiner Arbeit immer gelesen und gelernt, so viel mir, dem gänzlich auf sich selbst u. seine Bücher ange­wiesenen, möglich war.

    Oft habe ich als Taglöhner strenge Arbeiten verrichtet, habe weder Hitze noch Kälte gescheut, nur um mir das Geld zum Anschaffen von Büchern zu verdienen.

    Am meisten fühlte ich mich von der Dichtkunst angezogen; schon als Schulknabe habe ich Verse in unserm Dialekt u. in hochdeutscher Sprache gemacht. Später las ich Schiller Göthe Wieland kurz sämmtliche Klassiker u. 1861 brachte mich die Lectüre der Auerbachischen Dorfgeschichten zu dem Ent­schluß, eine Bregenzerwälder-Dorfgeschichte zu schreiben. Es geschah auch wirklich u. vor 8 Monathen wagte ich, durch einen meiner Freunde aufgemuntert, das Werkchen an eine Buchhandlung zu schiken, wo es dann ganz gut aufgenom­men u. honorirt wurde. Es ist jetzt unter der Presse u. bis in 2 Monathen hoffe ich Ihnen ein Exemplar übersenden zu kön­nen. -

    So viel glaubte ich Ihnen von mir selbst mittheilen zu müssen, u. nun werden Sie sich leicht denken können, daß ich mich bisher nicht nur mit unserer Sprache, sondern haubtsächlich mit dem Leben, den Sitten u. Gebräuchen der Bregenzerwäl­der abgegeben habe. Unter u. mit dem Volke hier lebend, arbeitend u. genießend, hatte ich Gelegenheit wie sonst wenige, es von allen Seiten kennen zu lernen. Ich könnte Ihnen daher hierüber manchen nicht unintressanten Beitrag liefern, wenn Sie mir erlaubten, die bisherige zu größeren Arbeiten allzuknappe Form zu verlassen u. eine andere mir geläufigere zu wählen. Nur müßte ich dann bitten, daß Sie da, wo Sie meine Arbeiten benützen, auch die Bezugsquelle erwähnten, damit, wenn ich später ähnliches novellistisch bearbeitete, ich nicht Nachschreiber genannt werden könnte. Villeicht sind Sie so gütig, mir bald eine Antwort zu schreiben, u. mir dann hirüber Ihre Meinung mitzutheilen.

    Hier übersende ich Ihnen das bisher ausgearbeitete Alphabe­tisch geordnet von A bis M. Das Übrige später. Da, die Mundart in Schoppernau, Au, Schnepfau u. Möllau völlig die gleiche ist (einzelne Abweichungen werde ich später mitthei­len) habe ich die Redensarten so geschrieben, wie sie zu Schoppernau, dem hintersten Dorf, wo noch am wenigsten Neues u. Fremdes sich eingebürgert hat, gesprochen werden. Wo ein Ausdruk u.d.g. nur an einem Ort vorkommt, habe ich diesen Umstand angegeben z.B. Groschokopf (statt Gortscha­koff) kommt nur hier d.h. in Schoppernau vor. Die = unter­strichenen Vokale werden scharf bethont, aber schnell ausge­sprochen (Mins). Die übrigen Bemerkungen, wo ich solche für nötig hielt, sind beigefügt.

    Ich erlaube mir nun noch Sie um Antwort zu bitten auf die obige Frage, ob Sie meine Arbeit verwendbar finden u. womit ich Ihnen ferner dienen kann. Abdankreden, Schilderungen von Festen Hochzeiten Lieder u.d.gl. werde ich auf Verlangen ebenfalls u. so bald als möglich Ihnen zusenden. Es empfiehlt sich ihnen Hochachtungsvoll Ihr ergebenster

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef von Bergmann
  • 28. August 1863

    Verehrtester Herr Willam!

    Ihr werthes Schreiben sammt Beilagen habe ich erhalten u. seid dem Tage, an welchem ich Ihren gütigen Auftrag erhielt, jeden freien Augenblick benützt, um bis zu Ihrer Abreise, die nur leider nun schon zu bald erfolgt, einiges zu Stande zu bringen. Ich würde mich glücklich schätzen, wenn ich durch meine Beiträge Herrn Bergmann wirklich etwas Brauchbares liefern könnte. Doch da ich ein wenig mißtrauisch gegen mich selbst bin, so ist es mir lieb, daß ich Gelegenheit habe, durch Sie Herrn Bergmann eine Probe meiner Leistungsfähig­keit zu übersenden, u. das Weitere dann zu erwarten. Ich habe nie keine Andere, als die Schule zu Schoppernau besucht, u. fürchte daher, ich werde beim besten Willen nur wenig wirklich Brauchbares liefern können.

    Da ich noch manches mit Ihnen zu besprechen hätte, werde ich so frei sein, Sie am 6 - 7 oder 8ten September in Egg zu besuchen u. das Wenige was ich im Sommer neben der Bauernarbeit geleistet habe, Ihnen dann selbst zu bringen. Da Jochum noch nicht zurückgekehrt ist, so erlaube ich mir, Ihnen für das Zugeschikte in seinem Nahmen meinen herz­lichsten Dank auszusprechen. Baldiges Wiedersehen hoffend zeichnet sich Hochachtungsvoll Ihr ergebenster

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Josef Willam
    Wörterbuch
  • 22. August 1863

    Lieber Freund!

    Dein wertes und interessantes Schreiben vom 8. d. Ms. trifft mich zu einer Zeit, die mir gerade frei zur Verfügung steht und ich verwende sie am liebsten dazu, meinem lieben Freunde Gegenmitteilungen zu machen. ­Den Bruder Pius bedaure ich, daß ihn seine alte Neigung für eine so gemein gesinnte Person in solchem Grade erhitzt hat. Doch muß man vielleicht annehmen, daß seinem Vor­gehen mehr Berechnung, ob Hofstatt sich zu Hofstatt finde, als Liebe zu Grunde lag, in welchem Falle ihm ganz recht geschehen wäre. Überhaupt scheint mir unter mehreren meiner Geschwisterten ziemlich wenig geistiger Schwung, dafür aber eine um so größere Achtung vor handgreiflichem Besitz vorhanden zu sein. Sie teilen hierin zwar das Los ihrer Zeitgenossen, es ist aber ein Gehen mit dem großen Haufen nicht bei allen Leuten gleich zu beurteilen. ­Daß der Kustos Bergmann eine große Freude haben wird, wenn Du ihm Dein Erstlingswerk schickst, ist gewiß, und ich rate Dir jedenfalls auch, dies zu tun. Bergmann ist ein wohlbe­kannter Historiograph und hat im In- und Ausland einen Namen. Seine Liebe zur Heimat, insbesondere zum Bregen­zerwald, kennt jeder, der seine Schriften liest, und noch mehr, der ihn sonst näher kennt. Er wird Dein Werk sicher öffentlich besprechen und es ist kein Zweifel, daß Dir auch aus Öster­reich Anerkennungen und Aufmunterungen zufließen werden. - Was Deine programmäßige Sammlung betrifft, so glaube ich, tust Du gut, wenn Du selbe ebenfalls an Bergmann ein­sendest, nur stelle ihm gleich im Zusendeschreiben die Be­dingung, daß er dort, wo er von Deiner Arbeit Gebrauch macht, die Bezugsquelle nenne und zugleich anführe, daß Du Dich mit einer eigenen bezüglichen Arbeit zu befassen gedenkest etc. Bergmann wird nicht abstehen, jede Deiner Bedingungen in einer Weise zu erfüllen, daß Dir der Lohn Deiner Mühe gewiß nicht ausbleibt. Denn niemand unter­stützt mehr und lieber junge vaterländische Kräfte als Berg­mann, dabei ist er nichts weniger als eigennützig oder ehr­geizig, sieht vielmehr echt vaterländisch von seinem Ruhm möglichst viel auf seine Landsleute zu übertragen. - Zudem handelt es sich hier um ein vaterländisches Unternehmen, und es ist ein Verdienst für Dich, wenn Du Deinen Teil dazu hochherzig beiträgst. Die Erhöhung der Ehre unseres Vater­landes ist eine Erhöhung Deiner Ehre. - Eine ähnliche Auf­forderung, wie sie Dir durch Willam zukam, ist vor einigen Wochen in der Feldkircher Zeitung an alle Vorarlberger er­schienen, und zwar von Bergmann selbst. ­Mit meiner Montafonerin geht es ganz gemütlich aufwärts. Ich werde sie übern Sonntag besuchen und sie wird nicht ermangeln, mir freudestrahlend zu zeigen, wie weit ihre Vor­bereitungen zur Hochzeit schon gediehen sind. Sie entwickelt hierin einen merkwürdigen Eifer, obwohl ich wahrscheinlich erst im Monat Oktober wieder nach Schruns zurückkomme, wonach dann die Verehelichung erfolgen wird. Ich habe im Sinn, vorher noch auf einen Sprung Euch zu besuchen. Be­sonders gerne ginge ich noch auf Krumbach. Wenn ich komme, werdet Ihr mich schon sehen. - Vor einigen Wochen habe ich einen sehr schön geschriebenen Brief von Deinem Weibl in Dalaas gelesen und gestaunt, daß das Weib so sehr am Mann sich entwickelt. Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 22. August 1863

    Verehrtester Herr Götte!

    Ich beeile mich, Ihnen die Mitteilung zu machen, daß mein Wible, dero Frau Schwester wohlgeboren, in verflossener Nacht von einem Knäblein männlichen Geschlechts glücklich entbunden wurde. Die Entbindung ging glücklich vonstatten, und ohne die Hilfe der Hebamme, die erst später kam, wurde obgemeldetes Knäblein in die große Welt geschickt. Sinte­malen und alldieweilen nun unser viel- und hochgeehrter Herr Götte sich in der Abwesenheit befindet, so hat einer meiner Vettern Ihre Stelle, verehrter Herr Götte, zu über­nehmen die Güte gehabt. Vielerwähntes Knäblein ist  in die Kirche getragen worden und wird jetzt in aller Form getauft und mit dem mir so lieben Namen Kaspar in die Welt ge­schickt. Es zeichnet sich mit aller Hochachtung

    und Verehrung der Vater (F. M. F.)

    Geliebtester Freund!

    Wie Du aus obiger Meldung ersehen haben wirst, ist meine im letzten Brief ausgesprochene Prophezeiung sehr bald ein­getroffen. Es ist, dem Himmel sei Dank, wieder alles glücklich abgelaufen. Das geborne Kind ist gesund, munter und, wie die Hebamme sagt, viel größer als Jakob war. Vielleicht wirst Du mich in dem Jahre noch einmal besuchen und Dich selbst überzeugen, daß Jakob jetzt wirklich einige Buchstaben aus­spricht.

    Die vorige Woche war die Hitze ungeheuer warm und die Dürre sehr trocken. In Ünsche, einer Alp mit 102 Kühen, ist die Klauenseuche ausgebrochen und wird, da es jetzt schneit und man alles Vieh in den Ställen haben muß, sehr schnell alles anstecken.

    Diese Woche konnte ich wieder einmal in meinem Zimmer bleiben und kritzeln, und ich habe es auch gehörig getan und die Gnadenzeit benützt. Meistens arbeitete ich an dem Werk­chen Bergmanns und habe zu seinem Vorarlberger Lexikon bereits mehr als 500 Nummern geschrieben. Ich finde an dieser Arbeit [mehr], als ich anfangs glaubte. Das Studium der Sprache eines Volkes ist das Studium des Volkes selbst. Ich gewinne durch diese Arbeit jedenfalls sehr viel, auch wenn ich sie, sobald sie vollendet ist, verbrennen würde, wozu ich aber natürlich keine Lust habe. „Und wo bleibt der Freimaurer?"

    Der geht ganz gemütlich nebenher. Vormittags arbeite ich an diesem und nachmittags für Bergmann. Abwechslung macht Appetit! sagt der Wälder, und ich habe erfahren, daß er Recht hat.

    „Es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht bis an den Himmel wachsen!" sagt Goethe, und ich will Dir als Beweis dafür eigene Erfahrungen mitteilen, aber Geduld. Ich komme wie­der mit der alten Leier. Sintemalen der Mund von dem über­läuft, dessen das Herz voll ist. Also zur Sache: Wie ich Dir schon mehrmals mitteilte, findet mein gegen­wärtiges Streben und Schaffen hie und da Beifall, und zwar gerade von solchen, deren Beifall ich vor allen mir wünschte. Aber was tut die Menge?

    1. staunen, daß ich so etwas dürfe. 2. schimpfen, weil man fürchtet, daß auch ich über gewisse Personen und Verhält­nisse schimpfen werde.

    Nicht weil ich mich darum kümmere, sondern nur um Dir unsere Landsleute auf einer Seite zu zeigen, die - die Rück­seite ist, werde ich Dir das, was man sagt, im Auszug mit­teilen: Durch den Umstand, daß ich - ein Buch mache, habe ich sechs Todsünden und noch eine begangen:

    1.      schrieb ich es aus Hoffart (sagt der Pfarrer)

    2.      aus Geiz (der alte Vorsteher, weil ich es ums Geld schrieb)

    3.      aus Unkeuschheit (es sei eine Liebesgeschichte)

    4.      aus Zorn und Ärger über die Schoppernauer

    5.      aus Fraß, daß ich den Freaßtobak vermöge zu zahlen

    6.      aus Trägheit (natürlich!)

    7.      sagt man, ich habe alles aus ändern Büchern zusammen­geschrieben und Du habest mir geholfen

    8.      - doch das ist mehr als genug, Du hast nun gehört, aus welcher Tonart  man  orgelt,   und  mehr  bezweckt  mein

    Herzählen nicht, denn Kummer machen mir natürlich diese Redereien nicht den mindesten. Man sieht aus diesen Vorurteilen, was man für Vorurteile hat. Bestellt wird das Werk­chen hier sehr häufig und in Au ebenfalls. Mit Korrigieren werde ich hoffentlich bis Ende September fertig. Da das Werkchen in Augsburg gedruckt wird, geht viele Zeit mit Hin­und Herschicken der Bogen verloren.

    Deine Mutter ist jetzt beim Buabo, die Motal auf Krumbach. Auch im Sattel ist die Klauenseuche.

    Kaspar ist getauft, Nr. 14 in diesem Jahr und noch etwa 10 Stück folgen nach. Die Einwohnerzahl von Schoppernau wächst und - die Jungfrauen vermindern sich, ohne daß viel geheiratet wird. Mit dem Brief des Schneiders ans Margrethle ist's richtig - Willis Motla haben ihn gelesen. Doch wird der Schneider noch ledig bleiben müssen, einer meiner Vetter könnte der Glückliche sein, doch sagt er: ich raut ih mug nüd! Ludmilla ist noch immer in Au. Einmal hat sie mich, als ich nicht zu Hause war, mit einem Besuch erfreut! Zu denjenigen, die meine Witze nicht mehr gemütlich kitzelnd, sondern krat­zend und beißend finden, gehört nun auch Kurats Köchin. Nun wegen meiner!

    Doch ich fange an, immer langweiliger zu werden und will daher schnell aufhören. Ich habe heut noch für Greußing das Kathrinenlied umzuschreiben und zu verbessern. Wenn Du heim kommst, wird man Dir den Kathrinentag singen, doch ich klimpere schon wieder mit meinem Handwerk - nun kein Wort mehr.

    Lebe wohl und schreibe gelegentlich (das liebste wäre mir recht bald) Deinem Freund

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 7. August 1863

    Lieber Herr Felder!

    Herr kais. Rath Bergmann hat mir das beiliegende Programm zugeschickt, nach welchem er Sammlungen in der Vorarlber­gischen Volksmundart zu erhalten wünscht. Nachdem ich Sie hierzu für besonders befähigt halte, erlaube ich mir dasselbe zu übermitteln und zu ersuchen sich dabei zu betheiligen.

    Bis etwa Mitte September reise ich wieder nach Wien zurück und möchte Herrn Bergmann von Ihnen schon etwas mitbrin­gen; ich bitte daher mir dasselbe zu Hr. Michael Moosbrugger Bruckmüller an der Egg zu übermitteln, für deren Spesenver­gütung schließe ich einstweilen 1 f. Ö.W. bei und kann Sie versichern daß Herr kais. Rath Ihnen hiefür sehr dankbar sein wird.

    Herr Jochum war in Egg während ich bei Hr. Pfarrer Muxel in Langen war, es war mir leid ihn nicht gesehen zu haben, wollen Sie Güte haben ihm nebst meinem Bedauern die weitereBeilage pr. Ein Gulden Ö.W. zu behändigen.

    Achtungsvoll

    Josef Willam kk. Ingenieur.

    Josef Willam
    Egg
    Franz Michael Felder
  • 5. August 1863

    Geliebter Freund!

    Dein letztes Schreiben habe ich mit Freuden gelesen. Die Mitteilung Deiner Büro-Geheimnisse habe ich Dir gerne er­lassen, da ich durch eine andere Mitteilung dafür reichlich entschädigt wurde. Hoffen wir, daß der in Schruns ange­fangene Roman zu einer glücklichen Lösung komme, Dein Freund wünscht dies von ganzem Herzen. Dieser herzliche Glückwunsch ist die Antwort auf das in dem letzten Schreiben mir Mitgeteilte - für heute. Später werden wir hoffentlich wieder Gelegenheit haben, davon zu reden. Heute aber sei so gut und verlasse Dein Schruns auf eine Viertelstunde und komm zu Deinem Freund in sein Zimmer. Da laß uns wieder einmal nach Herzens-Drang und -Lust eins plaudern!

    Eigenlob stinkt, sagt ein Sprichwort, ich möchte nun fragen, wie es riecht, wenn man zwar selbst sich nicht lobt, aber giftböse wird, wenn andere tadeln? - Ich habe die Gewohn­heit, herzhaft zu sagen: das bin ich und das kann ich, werde ich von andern dann herabgesetzt, so macht mir das auch kein Kopfweh. Doch zur Sache.

    Mein, und wenn auch unbedeutender, Ruf als Dichter hat mir bereits zwei nicht ganz unbedeutende Bekanntschaften ver­schafft. Nämlich die des Professor Dr. Hildebrand in Leipzig und Professor Kapf von St. Gallen, beide sind, wie sie ver­sichern, Mitarbeiter mehrerer Zeitungen. Zufällig war gerade ein Korrekturbogen meines Nümmamüller von Lindau ge­kommen, als sie mich besuchten. Auf ihr Bitten las ich ihnen denselben vor, und ich hatte mich eines lebhaften Beifalles zu erfreuen. Kapf versprach mir, er werde mein Werkchen in einem Literaturblatt besprechen, und von ihm darf ich ein günstiges Urteil erwarten. Wenn man auch nicht gerade stolz ist, so tut einem doch ein aufmunterndes anerkennendes Wort wohl und ich habe mich mit neuer Freude wieder an den Freimaurer gemacht, der nun bereits 29 Bogen füllt, er dürfte also beinahe halb fertig sein und das beste ist, ich fühle es, daß ich ihn vollenden kann, woran ich sonst oft fast zweifelte, mit meinen Aufgaben wachsen auch meine Kräfte.

    Schoppernau, den 8. August 1863

    Geliebter Freund!

    Dein letztes Schreiben habe ich erhalten und mit Freuden gelesen. Als Dein aufrichtiger Freund kann ich nicht unter­lassen, Dir zu Deiner „Geschichte" einen glücklichen Aus­gang zu wünschen, denn schon als Romanschreiber weiß ich ganz gut, wie viele Mühe einem die glückliche Lösung einer recht schön angefangenen Geschichte machen kann, und auch im wirklichen Leben hat man Exempel von Beispielen. Dein Bruder Pius zum Beispiel ist auch der unfreiwillige Held einer Tragödie geworden, die für ihn ein Trauerspiel, für mich ein Schauspiel und für die Philister und Philisterinnen Schop­pernaus ein Lustspiel zu werden scheint. Höre und - staune! Als Joh. Jakob Albrecht starb, sagte seine Witwe: Wenigstens ein halbes Jahr lang werde sie keinem Mann mehr nach­sinnen, und das sagte die trauernde Witwe mit - einem Strom von Tränen. Nun, das halbe Jahr ist vorüber, ob sie Wort gehalten, weiß Gott, wenn - er sich um so etwas kümmert, nun auf einmal erzählt das Margrethle der staunenden Welt: Der und der und dieser und jener und noch einige hätten mich grausam gern! Denn eine Plaudertasche ist das Mar­grethle, wie es - dem Kronenwirt dessen Schwager aus­genommen - keine ärgere gibt, so weit man warm kocht. Nun neulich zeigt das Margrethle einen Liebesbrief von ­Mails Schnidar beiläufig folgenden Inhalts: „Schon als Du noch ledig warst, bist Du mir die liebste ge­wesen, oft war ich bei Dir, auch als Du schon verlobt und versprochen gewesen bist, nun ist es vielleicht doch noch - Gottes Wille, daß wir zusammen kommen." (Nun fragt er in aller Form, ob es ihn nicht heiraten möchte. Dann zum Schluß:) „Wenn Du willst, so tu es mir zu wissen und sonst verbrenn diesen Brief, auf jeden Fall wirst Du von diesem Brief niemand etwas sagen." - Man sieht's!, sagt der Wälder. Aber Verschwiegenheit! Das war von so einem Margrethle doch zu viel verlangt. Wenn Du dem Schneider schreibst, so lache ihn aus, doch nur so, daß es die andern nicht merken. Dieses Margrethle macht jetzt überhaupt (und seine Verehrer insbesonders) so merkwürdige Streiche, daß ich später davon eine Dorfgeschichte unter dem Titel „Die Witwen-Geier" schreiben werde, doch für jetzt habe ich mit dem Freimaurer noch Arbeit genug, derselbe ist jetzt beiläufig zur Hälfte voll­endet. Jetzt habe ich nur wenig Zeit zum Schreiben, das Wetter ist immer schön, ja viel zu schön, und da gibt es immer wieder Arbeit in Feld und Wald. Dies zur Entschul­digung, daß auch mein Brief an Dich, den ich schon vor mehr als einer Woche anfing, immer noch nicht fertig ist.

    Daß auch Herr Willam (Assams Josef) von Wien gekommen ist und bis Mitte September im Bregenzerwald bleibt (beim Bruggmüller in Egg), wirst Du wohl schon wissen, er war auch bei mir, erzählte mir, daß er von mir als Dichter gehört habe, lobte mein Streben und versicherte mich, daß ich Herrn Josef Bergmann, Kustos in Wien, durch Übersendung eines Exemplars der ersten Arbeit eine große Freude machen könnte.

    Willam war vor etwa einem Monat bei mir, und nun habe ich von ihm einen Brief erhalten, beiläufig folgenden Inhalts: „Kustos Bergmann in Wien beabsichtigt die Herausgabe eines ziemlich umfangreichen Werkes über Vorarlberg, seine Ge­schichte, Sprache, Sitten u.d.gl. herauszugeben und hat mich (Willam) beauftragt, ihm Mitarbeiter zu suchen. Da ich Sie (nämlich mich) nun für hiezu besonders befähigt halte, so übersende ich sein Programm und ersuche Sie, an der Arbeit teilzunehmen." u.s.w.

    Nun habe ich bereits zu arbeiten angefangen, sammle Idio­tica, ordne sie alphabetisch, füge eigentümliche Reden und Sitten bei und - finde diese Arbeit sehr angenehm, ich arbeite genau nach der mir gegebenen Vorschrift - aber für wen? -. Was werde ich davon haben, wenn ich meine Arbeit, die sehr genau und gründlich werden wird, Herrn Bergmann zu benützen gebe? Was habe ich davon? Ich meine mit dieser Frage nicht nur das Honorar, etwas anderes macht mir weit mehr Bedenken. Was ich für Herrn Bergmann mache, ist, fürchte ich, für mich verloren, und wenn ich das, was ich jetzt für ihn arbeite, später auch für mich in einem meiner Werke benützen wollte, so müßte ich ja ein Nachschreiber sein, denn wer glaubte es, daß ich nur mein Eigentum benütze. Ich bitte Dich, mir über diese Bedenken Deine Meinung mit­zuteilen. Die Arbeit mache ich nun jedenfalls, die Frage ist nur noch: für wen, für was? Mein Dichter-Ruf oder eigentlich Lärm hat mir schon mehrere interessante Bekanntschaften verschafft, z. B. die des Professors Kapf von St. Gallen und des Professors Hildebrand von Leipzig. Da beide Literaten sind, unterhielten wir uns sehr gut; es war gerade ein Korrek­turbogen von Lindau da, ich las ihnen denselben vor, und ich will die Wahrheit sagen - ich erhielt von ihnen und ihrer Begleitung großen Beifall.

    Schon früher schrieb ich Dir, glaube ich, von meinem Wunsch, ein Vermittler zwischen Gotthelf und Auerbach zu werden, Du kannst Dir daher meine Freude denken, als einer dieser Herren sagte: Die Erzählungsart zeugt von großem Dichter­talent und scheint die glückliche Mitte zwischen Gotthelf und Auerbach einzuhalten! - Natürlich wußten die Herren nichts von meinem stillen Wunsch. Hr. Kapf versprach, mein Werk in öffentlichen Blättern zu besprechen und mir zuweilen zu schreiben. Nenne mich nicht stolz, daß ich das alles Dir so erzähle, wem sollte ich sonst Freud und Leid mitteilen als meinem besten Freund? Man lebt erst recht, wenn man auch mit andren lebt, also sei und verbleibe es bei uns, jetzt und allezeit, Amen.

    Einen Tag, nachdem mein letztes Schreiben an Dich abge­gangen war, ist auf Krumbach bei den Deinigen die Klauen­seuche ausgebrochen, doch soll es ganz gnädig abgelaufen sein, und jetzt ist schon wieder alles besser, auch sonst kommt die Seuche immer weiter. Den größern Teil der Hinterwälder­alpen hat sie schon heimgesucht und kommt, bei dieser furchtbaren Hitze, immer weiter.

    Hr. Elmenreich, der mir recht lieb wurde, ist am nämlichen Tag abgereist, an welchem die Ludmilla gekommen ist. Isabell war im Bad, ist aber wieder heimgekommen. Seit Eorgotag ist man bei Leouosa ungemein freundlich gegen mich, ich weiß wohl warum; und das ist genug. Den Liebig habe ich richtig erhalten und dieses nur im letzten Schreiben zu erwähnen vergessen. Müllerles Tunile, der Auer Geiger, ist an einem Schlagfluß gestorben.

    Mein Wible ist gesund und wohl, es ist eben am Aufräumen und singt dazu, es wird aber nicht mehr lange gehen bis es wieder ins Gado muß, hoffentlich wird alles gut gehen, und ich werde Dir nächstens mitteilen, daß ich entweder ein Mikle oder ein Kaspale erhalten habe. Auch Dein Onkel, Gruebar Anton, ist gestorben, sonstige Neuigkeiten, die inter­essant, weiß ich keine, obschon heuer ungewöhnlich viel passiert. Jochum ist jetzt in Lustenau bei einem Studier­kameraden. Er läßt Dich grüßen.

    Pfarrer Feßler in Schnepfau ist sehr beliebt, weil er „so bürisch ischt". Lebe wohl  und schreibe  bald  Deinem aufrichtigen  Freund

    Franz Michel Felder

    Außerordentliche Beilage

    16. August 1863

    Neuestes.

    Gestern wurde ich, bald nachdem ich meinen Brief an Dich geschrieben hatte, von Herren, Isabell Simma und Fräulein Ludmilla mit einem Besuch beehrt, und erfuhr von erstge­nannter Person die nicht uninteressante Neuigkeit, daß Du einen Hochzeiter geben werdest, sage man. - . „Wieder einmal", antwortete ich. „Hast noch nichts davon gehört?"

    „Wohl" sagte ich. (Das war auch wirklich so, ich hatte einige Tage vorher so etwas gehört, nur wußte ich nicht, ob das das alte Geschwätz sei oder ein neues, denn ich hörte nicht, mit wem, „man sage es nicht" hieß es.) Nun, die Isabell S. wußte und sagte es und noch mehr, doch nichts von Interesse, den Umstand ausgenommen, Du werdest uns bald einmal besuchen. Ist das wahr? Es würde gewiß niemanden herzlicher freuen als Deinen Freund

    Franz M. Felder.

    S'Wible, J. S., Ludmilla, Doktor und alles läßt Dich grüßen.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. Juli 1863

    Lieber Freund!

    Ich zeige Dir an, daß ich seit letzten Montag wieder in Bludenz bin und hier mit dem ärarial. Vertreter das Grund­buchlastenablösungsgeschäft in den Staatsforsten vorzuneh­men habe. Ich könnte Dir interessante Sachen erzählen, wie dieses Hin- und Herschummeln gekommen und gegangen ist, doch müßte ich da Büro-Geheimnisse ausschwätzen, und für die seid ihr Uneingeweihten nicht reif. - Ich habe mich in Schruns vortrefflich befunden und ich hätte nichts dagegen, wenn ich wieder hineinkäme, was leicht möglich ist. Es ist mir dort etwas ganz Menschliches passiert, zwar eine alte Ge­schichte, doch bleibt sie immer neu etc. Kurz, mit meinem Herzen ist's nimmer recht richtig, es hat sich was eingenistet, und nach der Wirkung, die das eingenistete Gefühl, der freien Betätigung überlassen, hervorgebracht hat und hervor­bringt, zu urteilen, scheint sich jenes interessante Wechselding herausbilden zu wollen, wodurch zwei Halbheiten von Men­schen zu einer Ganzheit konstituiert werden. Verzeihe mir in Erinnerung an unsern philosophischen Briefwechsel diese blöde Redeweise. Die Geschichte ist aber nicht ganz ohne. Natürlich werde ich Dir den ganzen Kasus mitteilen, wenn er einmal reif ist, und die mittätige Hauptperson des Lustspiels leibhaftig vorstellen. Bis dahin bitte ich um Geduld, muß ich sie doch auch haben und fällt mir wahrscheinlich schwerer als Dir. - Über die Verbreitung der Klauenseuche treffen hier schlimme Nachrichten ein und ich kann mir die Bedrängnis der Wälder vorstellen. - Den Liebig wirst Du erhalten haben. Mit tausend Grüßen an die Deinen, die Meinen und unsere Gesellen und Gesellinnen in den guten alten Tagen. Dein Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 1. Juli 1863

    Geliebter Freund!

    Durch Sturm und Regen vom Heuen vertrieben, komme ich endlich dazu, Dir zu schreiben. Der schöne Frühling und das gemütliche Hopfreber-Leben sind nun zu Ende. Die Rosen sterben und die Menschen sterben und alles stirbt: Alles vergeht, nur manches sehr langsam, z. B. die Klauen­seuche. Hie und da bricht sie wieder von Neuem aus. Letzte Woche im Schalzbach und auf Sännou, gestern beim Hermann in Lugen. Auch dieser Hermann bestätigt den Satz: Alles ver­geht, nicht dadurch, daß er vergangen ist, aber ihm ist manches vergangen. 1. Früher lebte er wie Michel im Him­mel, hatte Zug und Sacha, und nun hat er die Säge und die Rosse, kurz, das Haus ausgenommen, alles verkaufen müssen. Der Ritter hat ihm alles abgekauft, um sich bezahlt zu ma­chen, und die andern Gläubiger? - bekommen gar nichts, alles verliert, alles begehrt auf über den Ritter, der sich ins Fäustchen lachen kann, und aus dem Hermann ist ein Bettel­mann geworden: Alles vergeht.

    2. Der sogenannte Lorinzlar auf Krumbach oder eigentlich dessen Kühe haben die Klauenseuche gehabt, doch ist es jetzt auch vorüber und ein besonderer Glücksfall zu nennen, daß die Kühe der Eurigen nicht angesteckt worden sind. Jok hat jetzt keinen Kummer mehr, obwohl er auf Krumbach das Haus voll Maurer und Zimmerleute hat. Er läßt Dich freund­lich grüßen: Der Kummer sei vergangen. Der Jurist Jochum ist von Wien wieder zurück, nachdem er dort nun seine Studien völlig beendet, er war die letzte Zeit bei mir in Hopfreben, der arme Tropf hat ja keine Heimat und keine Verwandte, nichts als eine arme Mutter, die sogar Knecht sein muß. Eine Charakteristik von ihm werde ich Dir jetzt keine liefern, nur soviel sage ich:

    3. Daß er sich sehr verändert hat, nicht im Äußern, aber sein Jesuitismus und sonst noch vieles ist ihm vergangen. Er weiß von manchem bösen Tag, den er in Wien erlebte, zu erzählen, vielleicht teile ich Dir später noch Auszüge mit, seine Mitteilungen sind für mich, der immer daheim beim Ofen war, sehr interessant. Er erzählt alles, was er von seinem Wienerleben mitteilt, mit bitterem Humor, mir kommt es vor, ob er es bereue, nicht Theolog geworden zu sein, nicht aus Durst nach seinem Heile, sondern aus Hunger nach Brot scheint diese Reue entstanden zu sein. Seinen Koffer hat er noch in Wien, und zwar aus Gründen, die Du als ehemaliger Studio wirst einbilden können.

    Letzten Sonntag war ich mit ihm in Au und wir verlebten bei Leouosa einen gemütlichen Abend. Dr. , Walsersowie die andern, lassen Dich grüßen. Die Ludmilla wird, wie ich hörte, bis in etwa 14 Tagen nach Au kommen, was, wie ich hörte, dem Witwer sehr erwünscht sein soll, da er, seiner früheren Bekanntschaft wegen, die er mit ihr wenigstens dem Schein nach hatte, bei seinem Auer Schatz (Auborans Mariles Motlo) ohnehin schon in den Stand der Ungnade kam. Der Mariles Motlo wäre jetzt 4. die Eifersucht vergangen, aber lei­der auch dem Witwer seine Liebe. - Doch ich habe mir vor­genommen, über solche Auer Angelegenheiten nicht mehr zu reden, ich teile Dir daher nur noch mit, daß die Deinigen gesund und wohl sind, die Mutter ist bisher immer daheim gewesen und Mariann bei ihr, und so wird es vermutlich den ganzen Sommer bleiben.

    Und nun nach Schoppernau zurück, von hier könnte ich Dir sehr viel und vielerlei erzählen, aber nur wenig davon wird Dir vielleicht interessant sein. Nun - ich will versuchen, ob ich das rechte treffe. Unser Gottle, die sogenannte Nautare, fürchtet man allgemein, werde um den Micholar kommen, denn dieser hat sich, als das Margarethle eine reiche Witwe wurde, bedacht: Das Margarethle war nüd so leaz! - Es prüfe, wer sich ewig bindet, ob Geldsack sich zu Geldsack findet u.s.w. -

    Seit ich ein Büchermacher bin, sehen mich die Schoppernauer Freunde und Gegner mit ganz andern Augen an. Und es hat, wie alles auf der Welt, auch sein Gutes, wenn es etwas Gutes ist, daß ich etwas mehr Einfluß habe als früher, entweder weil man mir Einsicht zutraut oder auch weil man mich nicht zum Gegner haben mag. Ich glaube, den Schoppernauern schuldig zu sein, Dir folgendes zu erzählen: Du wirst Dich noch erinnern, daß ich letzten Winter vereint mit meinem Vetter J. J. Felder eine andere Verteilung der Gemeindekosten beantragte und daß mein Antrag einstimmig verworfen wurde. Im letzten Monat wurde dieser Antrag auf mein Drängen hin nochmals vorgelegt, ich war selbst bei der Verhandlung. Die Herren Gemeinderäte sahen mich mit großen Augen an, aber keiner sagte ein Wort dagegen, weil sie, wie ich nachher vernahm, fürchteten, sie - könnten sonst in ein Buch kommen. Mein Schriftstellertum trägt also Früchte, wo ich es gar nicht, oder wenigstens nicht so schnell, er­wartete, und mein Ärger über das Schoppernauertum ist mir nun wenigstens in etwas vergangen.

    9. Juli morgens

    Aber Wetter haben wir prächtiges! Man muß das Gras nur mähen, dann kommt die Heuerin Sonne und macht alles strohdürr, die Heuer und das Heu. Die Heuernte ist eine über­aus reichliche, auch das Vieh gäbe sehr viel Milch, wenn nur die Klauenseuche nicht war, aber die ist und ist, je länger desto ärger. Seit ich diesen Brief anfing, ist sie ausgebrochen in den Alpen: Schodauna, Bergunten, Annalp, Sekel und noch mehreren. Man hat gefunden, daß auch Gemsen und Rehe krank sind, und so muß, da genannte Tiere sich dieses Jahr nicht in den Höhen aufhalten, die Seuche, die ungemein an­steckend ist, überall hin kommen. Jetzt kann man Volksstu­dien machen; selbst unser Pfarrer gesteht zu, daß er die Wäl­der erst jetzt kennen gelernt habe, welches aber, nach dem, was er mir mitteilte, zu urteilen doch auch wieder nicht wahr ist.

    Freilich wird auch die Klauenseuche vergehen, aber ihre Folgen! - ! Feindschaft, Unfrieden und, ich mag nicht reden von dem, was sie alles zurücklassen wird, kurz, sie hat alle Bauernleidenschaften wach gerufen.

    Diese Zeit habe ich geheuet und bin daher so lange nicht mehr zum  Schreiben  gekommen.  Der Jochum   ist jetzt  in Warth,  wird  aber  bis   in  einigen  Tagen  wieder  kommen. Unser Vetter Ingenieur Elmenreich ist jetzt als beinahe ein­ziger Kurgast im Hopfreben-Bad und hat lange Weile. Aber jetzt muß  ich  machen,  daß  ich  wieder zum  Heuen komme, denn die paar Minuten, die ich für mich hatte, sind nun auch vergangen. Alles vergeht, nur meine Freude am Dorf-Freimaurer und meine Liebe zu Dir nicht. Stets werde ich bleiben

    Dein treuer Freund

    F. M. Felder.

    Ich bitte Dich, mir bald einmal zu schreiben, wie es Dir im Montafon gefällt. Und sonst recht vieles. Bald werde ich wieder mehr Zeit zum Lesen und Schreiben haben.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
    Heuen
  • 19. Juni 1863

    Verehrtester Herr Stettner!

    Bei Durchsicht des 4. Bogens, welchen ich hier wieder über­sende, habe ich folgende Änderungen gemacht. Seite 49 - die Leute riethen ihm, er soll seine buben, obschon Josef erst sechs Jahre alt war, als Hirten ins Schwabenland verdingen, wie andere arme Leute —

    - ferner Sie sollen vor allem Andern die Wälderarbeit usw. — S 50 Mächelholz - Holz zum Machen einer bestimmten Arbeit. 54 das ist nöd d Schwaubo gmoant, heißt so viel als: Damit meint man jemand in der Nähe - dießmal das Bäbele wenigstens nach Michels Ansicht. Seite 56 „Die ergsto Schloarga" d. h. diejenigen, welche sonst am wenigsten Sorg­falt auf ihr äuseres verwendeten. Schloarg - liederliche Weibspersonen, oder auch schlechte Schuhe - wäh - stolz, glächterig- lächerlich

    Seite 60 Hier wie auch auf der folgenden Seite kommt, doch genauer u. zu einem ändern Zwek ausgeführt, einiges schon auf Seite 46 Erzählte wieder vor doch glaube ich das nötige verbessert zu haben.

    60  Oben sollte es heißen

    „Weil die Schulden gezahlt sein wollen u. wir kein Geld haben dazu. Wenn Du heim kommst, kannst Du selbst die Schuldenbücher durch sehen u dann nachsinnen, ob Du einen ändern Ausweg findest, ich weis sonst keinen, u will daher Dich machen lassen, es ist Deine eigene Sache, drum Vogel - friß oder stirb!" statt des davor gestrichenen. Seite 61 und Jeorg hatte keine fröhliche Stunde mehr. Das Weib noch verwöhnter

    61  Unten, - sein Vermögen noch geschwind dem Weib u den Kindern geben können, wie es schon damahls im Bregenzer­walde sehr häufig geschah aber dazu usw.

    Franz Michael Felder
  • 28. Mai 1863

    Lieber Freund!

    Deine zwei Briefe habe ich richtig erhalten. Der letzte hat mir ein wahres Vergnügen gemacht, und zwar deshalb, weil ich meinen Freund wieder im wahren, eigenen Element sah. - Lassen wir die Weiberhistorie auf sich beruhen und erlasse mir, Dir zu schreiben, was ich über Dein vorletztes Schreiben alles gedacht habe. Ich müßte berichtigen und rekriminieren, was mir Dir und der l. gegenüber nicht wegen der Schwierig­keit der Sache, sondern wegen des Werts, den mir diese Per­sonen haben, äußerst schwer würde. Erfreuen wir uns lieber der wiederhergestellten Gemütsruhe und trüben wir nicht unnötiger Weise die klare Flut, worin das Schifflein unserer Freundschaft gemächlich hinsegelt. - Was die Philosophie betrifft, womit Du die meinige aus dem Felde schlagen wolltest, behalte ich mir vor, zu gelegener Zeit geeignete Bemerkungen zu machen. Ich möchte Dich aber vorher noch aussprechen lassen, denn was Du über die menschliche Frei­heit zu sagen hast, läßt wohl das Ende ahnen, ist es aber noch nicht. Ebenso werde ich gelegentlich über die mitgeteilten Gedichte etc. mich äußern. - ... Deine Bedenken wegen Beleidigung des Gerichtes und des Staates im ,Nümmamüller' sind gänzlich unbegründet und Du darfst die betreffenden Stellen ohne Furcht, an Deinem Vermögen Schaden zu leiden, stehen lassen. Wenn Dir auch wider Erwarten ein engherziger Staatsanwalt den Prozeß machen sollte, kannst Du es immer richten, daß Du im schlimmsten Fall zu keiner Geldstrafe verurteilt wirst und gegen Arrest hat ja Dein Freiheitsgefühl nichts einzuwenden! Gruß von Deinem Freund

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 26. Mai 1863

    Werthester Freund!

    Sowohl Deinen Brief vom 8. Jänner als vom 17. Mai d. J. habe ich richtig erhalten. Eine Antwort auf den ersten, die ich sogleich nach dessen Empfang in Angriff nahm, habe ich durch Güte und Entschluß an Dich befördern wollen, sie ist aber nach Deinem letzten Schreiben nicht an End und Ort gelangt, und ich will daher dießmal direkt an Dich schreiben. Es war zwar nichts von Wichtigkeit in demselben enthalten, aber keine Antwort auf einen mit Geld beschwerten Brief muß Dir als eine bedeutende Grobheit erschienen sein. Ich hoffe Du wirst mich jetzt entschuldigen. Deinen zweiten Brief habe ich vorgestern erhalten, und sehr gestaunt, einen Brief mit Deiner Schrift und einer 3 Kreuzer Marke zu erhalten. Fast habe ich gehofft, Du seiest selbst in Wien, obwohl ich es doch nicht mit Grund erwarten konnte. Der Inhalt hat mich aufgeklärt; wenn ich den Kronenwirth zu treffen gewußt hätte und gestern nicht auf das Land zu gehen gehabt hätte, würde ich ihn aufgesucht haben, so hoffe ich ihn aber bald in Schoppernau zu treffen. Ich gedenke nämlich in sehr kurzer Zeit bei Dir zu sein, da ich, wenn nicht ein ganz unerwartetes Hinderniß eintritt, in den ersten Tagen des nächsten Monats von hier fort, u. über Innsbruck und Thann­berg nach Hause reisen werde. Ich freue mich schon sehr, Dich, meine Mutter und alle meine Bekannten und Verwand­ten wieder zu sehen, Deine Gattin kennen zu lernen, und auf manches andere. Ich kann jedoch nicht verschweigen, daß der Gedanke an meine eigenen Verhältniße in der Heimat mich fast wieder zurückschreckt und in der Ferne und Fremde zurückhält. Um's Viaticum kann ein absolvirter Jurist nun ein­mal doch nicht gehen, ebensowenig als ich Sehnsucht darnach verspüre, und Jemanden zur Last fallen thue ich ebenso un­gern. Deine wiederholten freundlichen Einladungen haben dem Kampfe zwischen Sehnsucht und Furcht den Ausschlag gegeben, und ich werde, wie schon erwähnt, bald bei Dir erscheinen.

    Ich hoffe einige Zeit wieder glücklich in meiner Heimat zu verleben umgeben von meinen Freunden u. Bekannten, und in der gesunden Luft meine Gesundheit zu stärken zum ferne­ren Kampfe im Leben. Bald mehreres mündlich.

    Dein Werkchen, um welches ich Dich im letzten Briefchen ersuchte, hoffe ich in der Heimat zu lesen. Tausend Dank für die freundschaftlichen Briefe die Du mir überschicktest, sowie für all Deine Gutthaten. Auch ersuche ich Dich allen denen, die sich so warm um mich annahmen, meinen herzlichsten Dank auszudrücken. Besonders viele Grüße an Deine Frau, Sieberies etc. und an meine Mutter, der ich durch Dich meine baldige Ankunft melden lasse.

    Mit herzlichstem Gruße und Danke schließe ich mein Schrei­ben um bald persönlich mit Dir zu reden. Dein Dich aufrichtig liebender Freund

    Jochum Fr.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 22. Mai 1863

    Teurer Freund!

    Schon wieder ein Brief? Der Mensch muß doch viel übrige Zeit haben! Vielleicht denkst Du so - aber ich denke anders: Die Zeit, die ich dazu verwende, meinem Freund zu schrei­ben, ist ja keine verlorene. Wenn Du da wärest, ich würde manches Dir zu erzählen haben, sintemalen und alldieweilen Du aber nicht da, benütze ich jede Gelegenheit, Dir einige, wenn auch kohl- und tintenschwarze Worte zuzuschicken, und eine solche Gelegenheit bietet sich mir jetzt, da mein Freund Kaspar Oberhauser eine kleine Reise machen will, auf welcher er auch Bludenz und Dich zu besuchen im Sinn hat.

    In meinen letzten Briefen habe ich Dir manches von der Auer Weltlichkeit geschrieben, es ist daher bloß billig, daß ich heut auch einmal etwas von der Geistlichkeit erzähle. - Es war vor etwa drei Wochen an einem Sonntag abends um halbe zehne, da ging der Herr Akurat (leider verdient er diesen Namen, wie Du bald hören wirst, nicht mehr), also da ging der Herr Kurat von Leousa mit dem Lehrer von Rehmen heim. Als sie an der Fluoh herauf gingen, klagte der Kurat:

     

    „Ich habe recht grausamen Hunger,/
    Und gestern ward, weiß ich gewiß, /
    Ein Widder geschlachtet, ein junger;/
    O, hätt' ich ein Stück, samt Gemüs!"//

    „Ja!" rief auch der Lehrer voll Wonne,/
    Und beide nun eilten zur Sonne.//

    „Nun bringt uns geschwind was zu essen/
    Vom Widder!" So rief der Kurat./
    „Und bringt uns auch Bier unterdessen",/
    Der Lehrer gar demütig bat.//

    Drauf geht der Wirt in den Keller,/
    Und auch in der Küche ward's heller.//

    Da wurde gefeuert, gebraten/
    Der Braten für Herrn Kurat./
    Der dachte: Jetzt ist's dann geraten,/
    Und mächtige Schlucke er tat.//

    Der Lehrer war fröhlichen Mutes,/
    Denn Bier hat der Sonnenwirt gutes./

    Der Mond stand am Himmel in voller,/
    Noch selten gesehener Pracht,/
    Indessen der schreckliche Boller/
    Am Fenster des Sonnenwirts wacht.//

    Es hat schon geschlagen die Stunde,/
    In welcher er machet die Runde.//

    Er blinzelt ganz ernst durch die Scheiben/
    Und hat auch die Herren gesehn./
    Die haben bald aus, was nützt's Treiben,/
    Sie werden von selber bald gehn.//

    So dacht er und könnt nicht ermessen,/
    Daß diese nur kamen - zu essen.

    Es schlug elf Uhr, noch immer saßen die ersten von Rehmen da, der Dinge wartend, die da kommen werden, und vertrieben sich mit Reden die lange Weile. Vielleicht redeten sie da miteinander von dem Unfall oder vielmehr dem „Fall", welcher am Sankt-Johannes-Fest dem Pfarrer von Au passierte. Derselbe ging nämlich in einem Zustand, welcher bei einem Pfarrer unaussprechlich, beim Auer Pfarrer aber sehr - gewöhnlich ist, vom Adlerwirt zur Brugg hinab, doch nicht bis zur Brugg, sondern auf dem Weg stolperte er und fiel in die Ach, wurde jedoch von einem Grenzjäger noch gerettet und kam so mit dem Schrecken und einigen Wunden davon. Auf dem Heimweg griffen Seine Hochwürden in die Tasche und riefen dann, Geld hab ich noch bei mir gehabt, etwa 6 bis 8 Fl., man soll's nur suchen, des Mesners Kinder gingen hin, suchten und fanden neun Gulden. Diese brachten sie dem Pfarrer und er sagte ihnen zum Finderlohn „Vergelt's Gott", und das ist nach unserer Religion das Beste, was man einem sagen kann. Das war damals das Neueste in der Au und vermutlich redeten die beiden Herren auch davon.

     

    Ha, endlich! Jetzt war es geraten!/
    Nachdem man die Gläser geleert,/
    Erschienen die duftenden Braten,/
    So wie sie die Herren begehrt./
    Die Gläser sind wieder gefüllet,/
    Nun wurde der Hunger gestillet.//

    Die hungrigen Herren, sie essen,/
    Was ihnen die Wirtin noch gab,/
    Der schreckliche Boller indessen/
    Kommt wieder von Luogo 14° herab.//
    Auf einmal nun rufet mit voller/
    Und mächtiger Stimme der Boller//:

    „Hier hab ich noch Zecher gesehen!/
    Und Mitternacht ist nicht mehr weit!!/
    Ihr Herren, jetzt könnet ihr gehen!!!/
    Es ist die gesetzliche Zeit!!!!"/

    Die Herrn sich nicht lange besannen,/
    Sie eilten erschrocken von dannen./

    O Boller, hast du kein Erbarmen/
    Mit Trinkern, so schone doch die,/
    Die hungern - bedenke, die Armen,/
    Nach zehn Uhr auch hungert es sie/!
    Und triffst du alsdann noch Kuraten,/
    So denke: Sie essen nur Braten!//

     

    Felder

     

    Auch von der Geistlichkeit in Schoppernau könnte ich Dir etwas erzählen, doch will ich Dich damit verschonen und kurz sagen: Am 26. April ward vom Stockmayr am Sohn des Schmids gerächt, daß der Vater dem Pfarrer - kein - Blei gegeben hatte, und zwar in der Kirche, so daß es nicht nur ich, sondern die meisten Anwesenden bemerkten. Und nun genug, es wäre schade um das schöne Papier, so etwas darauf zu schreiben.

    Auch in Schoppernau ist nun leider die Klauenkrankheit in zwei Ställen ausgebrochen. Dieses veranlaßt mich, Dich und alle, welche Volksstudien machen wollen, jetzt in den Bre­genzerwald zum Besuch einzuladen. Wer die Bauern zur Zeit einer solchen Landplage (Heimsuchung Gottes) noch nicht gesehen und gehört, der kennt sie noch nicht. Ich mache jetzt so meine Beobachtungen und finde leider Stoff mehr als genug. Sonst werden aber jetzt wohl nicht viele imstande sein, ruhig zu beobachten, denn alle Leidenschaften sind los. Der eine begehrt auf, der andere jammert, der dritte ver­spricht eine Wallfahrt, der vierte betet, die Armen schimpfen über die Reichen, welche die Krankheit hergebracht hätten, und die, welche krankes Vieh haben, wünschen: Wenn es nur die andern auch hätten wie wir. Sie wünschen das nicht aus Schadenfreude, aber man plagt sie, daß es oft ein Elend ist. Ja, da sollte Oppermann kommen und seine Glaubens­genossen, die würden Augen machen; ja selbst Du würdest Dich verwundern.

    Deine Brüder haben das gekaufte Vieh auf Krumbach, das übrige daheim. Die Krankheit haben sie noch nicht, aber ­jok war heut bei mir und sagte, daheim sei ihm die Zeit so lang, daß er heut nichts zu tun gewußt habe, als zu mir herauf zu gehen. Er läßt Dich grüßen und Dir sagen: Er habe auch schon Kummer und lange Weile gehabt, aber so wie jetzt noch nie.

    Herr Leitner und Beosis Büntel sind endlich ein Paar ge­worden, und das Lisile hatte einmal Gelegenheit, öffentlich zu zeigen, wie es ein hoffärtiger Zipfel sei und das hat es auch getan, ich sollte dem Paar ein Hochzeitsgedicht machen, bedankte mich jedoch für diese Ehre. Bei dieser Gelegenheit überzeugte ich mich auch zu meinem Schaden, daß der Doktor ein ärgerer Plauderer ist als das ärgste Waschweib. Ich habe ihm nie viel getraut, aber für so einen habe ich ihn doch nicht gehalten. Nun, man wird alle Jahre gescheiter. - ?

    Am Sonntag gab Leitner in Bezau ein Festschießen und am Montag nach der Trauung mußte er nach München ab. ­Auch der Kronenwirt von hier und seine Schwägerin, das Margrethle, sind nach Wien gereist, um die Herrn Brüder und Schwäger zu besuchen und Geld zu holen. Ganz Schop­pernau ist froh, daß sie endlich fort sind, denn das war ein um Rat fragen beim Pfarrer und Doktor und allem, ein Rüsten und Machen, [als] ob Franklin von neuem über den Nordpol fahren wolle.

    Vielleicht hast Du Zeit und Lust, dem Überbringer dieses auch ein paar Zeilen mitzugeben, damit ich das Wort nicht ganz allein habe. Tust Du es, so teile mir mit, was Du beim Lesen meines letzten vom 13. bis 16. d. M. gedacht habest und wie Dir beiliegendes Gedicht, das ich, ohne vorher daran zu denken, aus dem Stegreif gemacht habe, [gefällt]. Sei so gut und schicke mir auch den Bestellzettel zum Liebig, wenn Du ihn mich bestellen lassen willst, da ich auswendig weder den Namen der Buchhandlung, noch den gehörigen Titel des Werkes weiß.

    Ich und die Meinen sind gesund und wohl, auch die Deinen, nur daß Jok, wie gesagt, Kummer hat. Ja wenn so einem Bäuerlein alles nach Wunsch ginge!

    In zehn Tagen ziehe ich vermutlich wieder in mein geliebtes Jamal (Hopfreben), auch heut vormittag war ich dort, es ist alles noch schön, aber so still, so traulich! Ich schrieb lange, vor der Kapelle sitzend, an meinem Dorf-Freimaurer. Der Stoff häuft sich mehr und mehr, aber den Geistlichen wird der Roman schwerlich gefallen, doch für die ist er auch nicht geschrieben, und doch könnten gerade die am meisten daraus lernen, wenn sie - zum Lernen nicht zu alt wären. Lebe wohl. Auf baldigs Wiedersehen. Ich bin wie immer, so auch am Schluß dieses Briefes, Dein treuer Freund

    Franz Michel Felder In den Stallhosen Nr. 6

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Mai 1863

    Verehrtester Herr Felder!

    Inliegend erhalten Sie einen nochmaligen Correctur[bogen] von Nr. 3. Ich habe darin einige kleine [Änderungen ange­deutet, u. bitte ich, meine B[emerkun]gen gefl. in Erwägung zu ziehen.

    [S.] 46 ist nicht ganz im Einklang mit S. 6 [1]. Belieben Sie beide Seiten noch einmal durchzulesen u. das Nöthige dann S 46 zu ändern, resp. beizufügen.

    Um  möglichst balde  Remission   dieses  Bogens  ersuchend, grüße ich Sie mit aller Hochachtung ergebenst       Joh. Thom. Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 19. Mai 1863

    Mein lieber Herr Felder nebst Familie!

    Bei meinem jüngsten Besuche in Ihrem lieben Hause habe ich leider 1 Paar Socken bei Abreise vergeßen mitzunehmen, die­selben müßen sich auf dem Ofen oder sonst irgendwo vor­gefunden haben u. bitte ich Sie nun freundlichst das Paar auf­zubewahren bis zu meinem Herbstbesuch. Bis Samstag werde [ich] wieder zu Hause eintreffen, dann auch nicht versäumen das neugedruckte Ihres Werkes zu lesen. Nebst den herzlichst ergebensten Grüßen an Sie, Frau, Jacob u. Mutter

    August Bopp

    Oberhauser pr. Gelegenheit auch bestens zu grüßen.

    Philipp August Bopp
    Walserschan
    Franz Michael Felder
    Socken
  • 13. Mai 1863

     

    Geliebter Freund!

    Dein letztes Schreiben habe ich erhalten und erlaube mir nun, der Antwort auf die in demselben an mich gestellten Fragen ein paar einleitende Worte voraus zu schicken. Mein bißchen Bildung, oder was es ist, verdanke ich keiner Schule. In meinem stillen, ruhigen Schoppernau bin ich heute vor 24 Jahren zur Welt gekommen, hier verträumte ich meine Jugend. O, eine schöne Zeit. Aber doch nicht so friedlich und gemütlich, als mancher glaubt, der mich nur als Humorist kennt, auch in mein Leben hat sich schon mancher Mißton einschleichen wollen. Zwar wurde ich auch hier nicht verschont von den Stürmen des Lebens. Diese haben mich zwar fester gemacht, aber nicht verhärtet. Mein Geist fand nicht genug in dem, was das Leben daheim mir bot. Die Phantasie war es, die mir eine neue Welt erschloß, und diese ist, wie Du wissen wirst, nur eine Stiefschwester der ernsten Weisheit. Vielleicht habe ich Talent zum Dichter, ich glaube es wenigstens, aber gewiß weiß ich, daß ich einen schlechten Juristen abgegeben hätte, weil die Phantasie mir immer, gerufen oder ungerufen, ihren Zauberspiegel vorhält und damit ihre bekannten Streiche spielt. Ich schreibe daher meine Briefe eigentlich auch nie an den Juristen Moosbrugger, sondern an meinen Freund Kaspar, und muß dich daher bitten, sie auch so zu lesen und zu beurteilen.

    Du hättest Dich noch erinnern sollen, daß ich mich früher um Dein Verhältnis zu l. nie kümmerte und nie mit Dir davon redete. Am Ostermontag war ich nicht als Beobachter in Eurer Gesellschaft, und das war auch nicht gerade nötig, Du würdest Dir gewiß keinen solchen Aufpasser, der unberufen alle Deine Angelegenheiten ausforscht, zum Freund wünschen? Einmal ich nicht! Erst als mir von ihrer Seite Mitteilungen gemacht wurden, fing ich an, darüber nachzudenken. Aber natürlich wußte ich wenig mehr als das, was sie mir gesagt hatte, und ich gestehe offen, je länger ich nachdachte, desto weniger brachte ich Vernünftiges heraus, so daß ich am Ende denken mußte, Du habest das letzte Jahr nur mit ihr „gespielt". Deinen letzten Brief an sie habe ich nicht gelesen. -

    „Und Du verurteiltest so Deinen Freund?" Ja, so habe ich geurteilt, aber eben darum, weil ich ihn nicht gelesen, denn hätte ich ihn gelesen, so würde ich ihn sicher auch besser verstanden haben, als das bei ihr der Fall gewesen zu sein scheint. Nun aber, da ich ihn nicht gelesen, mußte ich das auf Treu und Glauben annehmen, was sie mir davon sagte, und kann nicht dafür, daß Sie Dich nicht verstanden hat oder nicht verstehen wollte. Höre z. B. nur: Sie sagte: Du habest ihr bald nach Deiner Abreise geschrieben, in dem Brief habest Du sie beinahe auslachen (?) wollen, Du habest geschrieben: Sie werde jetzt wegen Deinem Betragen am Ostermontag wohl recht „drean" (nämlich in Verlegenheit) sein, das hättest Du nie schreiben müssen, das Entschuldige(?) hätte es gar nicht nötig gehabt. Wenn Du es nicht so hättest machen wollen, so würdest Du es anders gemacht haben, zwingen möge (?) sie Dich zu nichts; aber einmal, und es sei noch nicht zwei Jahre seitdem, habest Du das Heiraten und alles mit ihr gerichtet gehabt. Nun: wie sollte ich armer Versmacher das zusammenreimen, Dein Betragen am Montag und Deinen Brief an sie, wo Du sie auslachst und Dich entschuldigst, dann das mit dem Heiraten und dergleichen. Ich muß sagen, ich konnte nichts Vernünftiges herausbringen und tat daher, was ich nicht lassen konnte, nämlich ich teilte Dir alles mit. Nun kommst Du und siehst meinen Brief an, etwa wie die Akten eines Prozesses, nicht wie eine freundschaftliche Mitteilung. Daß ich für solche Sachen nicht der Mann bin, weiß ich ganz gut, eben daher kommt das „Zittern" meines Briefes, wie Du es nanntest, aber wie ich gelesen, hast Du dann meine gute Absicht doch anerkannt. Doch Du warst über meinen Standpunkt, von welchem aus ich den Brief schrieb, ebenso im Irrtum, wie ich über den Inhalt Deines Briefes im Irrtum war. Jetzt hoffe ich, werdest Du keine Fragen mehr zu stellen haben. Was die von mir geschriebenen Worte: Es sei eine Krisis eingetreten, in jenem Brief zu bedeuten habe? Ich glaube bemerkt zu haben, daß der Ostermontag und Dein letzter Brief an sie sehr erkühlend gewirkt haben. So nun wäre denn dieses Kapitel, und hoffentlich für immer, zu Ende. Deine Predigt im vorletzten Brief habe ich mit gebührender Demut gelesen, ich gestehe offen, daß Isabella da schärfer beobachtete als ich, aber ich weiß auch warum. Aber daß sie auf die Argenzipflerin (verzeihe, daß ich ihren Namen nicht weiß) eifersüchtig ist, das hattest gewiß auch Du nicht gedacht, oder?

    Mein Eorgotags-Gedicht hat das Wible abgeschrieben und ich lege es hier bei. Die letzte Zeit her habe ich Arbeit im Felde gehabt, und daher ist mein Dorf-Freimaurer, oder wie er heißen wird, nicht mehr vorwärts gekommen. Der erste Bogen meines Nümmamüller ist, so viel ich höre, im ganzen Bregenzerwald von den Gebildeten gelesen worden. Dr. Walser kann nicht fertig werden mit Loben und prophezeit mir alles Gute. Der Druck des Werkchens geht ungeheuer langsam und ich habe in den Korrektur-Bogen noch sehr viel Druckfehler zu verbessern. Mein nächstes Werk, wenn ich noch etwas Rechtes zustand bringe, werde ich an einen Verleger schicken, der damit besser umzugehen weiß. Doch vorerst will ich hören, was Kritik und Publikum zu diesem sagen werden. Und nun geht's wieder zum Etza. Das Wetter ist herrlich, Gras so genug als Wasser, und in meiner Bünt ist mir so wohl, als es einem Dichter nur sein kann. Jetzt werden die Schoppernauer wohl nicht mehr daran denken, daß wir einen erzürnten Vater im Himmel haben. -

     

    Herrn Dr. [Georg] Walser zum Namenstag

    23. April

     

    Iz kund mor do ga gratelioro, /
    Und i will iz redo sä guod is ka; /
    Du wiost ou do Willo naz estimioro, /
    Sus, lioba Gott, war i übol dra! //

    Meor Wäldar sand aso klotzat Lüt, /
    Und bruchod Gedult- nöd blos a klin, /
    Du merkst das gweos nüd das eist mal hüt /
    Und i föor äs wed nöd das letzt Mal sin. //

    l seig, wie äs ist, du muost vil artreigo /
    Und Tag und Nath hast nie ka Ruoh, /
    Unamüodor thuost macho und seigo, /
    Und host no vilmal klinno Luoh. //

    l wos äs muaß d'r mingsmol sin /
    Wie Sankt forgo undon Hodo, /
    Doch seist dinn nöd: iz huost i drin /
    Und laust das nie arlodo. //

    Und das ist schöa und kristli und reth, /
    Sankt Eorg hats akurat aso g'hea, /
    Meor Wäldar seand im Grund nöd schleth, /
    Bios kunt üs das Reth nüd allad in Sea. //

    Drum blib du bi üs, duor üs lehro und wehro, /
    Du käst üs grüseli viel Guots tuo, /
    Das Leid duor lido Sankt Eorgo z'Ehro, /
    Dinn hast darföor da n ebigo Luoh. //

    Und gär all samo die gschitero Lüt, /
    Wie i zum Bispiel mugod di geen, /
    ! muoß grad offo seigo hüt, /
    As ist hur nu nätt äs wie feen. (voriges Jahr) //

    Waud ani kunst, uf Steago und Weago, /
    Luagot do alls sammo fründli nau, /
    Und wünscht im Stillo d'r Glück und Seago, /
    Dinn alla Lütto hast Guots schu tau. //

    Dearo a Mindle mäth i sinn; /
    Und allom helfo i d'r Nod, /
    zahltet - hinnath nu a Maoß Winn - /
    As wärs weath - und um etli Krützar Brod. //

    Hat nosso nossar Weh im Buh, /
    Und duot o das bim Schaffa iohro, /
    Wie äs bim Buweh ist d'r Brüh /
    So duost o du kurioro. //

    Und fählt äs oam im Ruggosgraud, /
    Und hat ar Tag und Math ka Ruoh, /
    So woßt ar um ihn kan ebigo Raud /
    Und schickt halt gnoth dum Doktar zuo. //

    Nautars Jokele * schwehrt gottslästerli,
    Hebt und kebt si a sinnom Knüh
    Iz kunst du und gist um Pflästerli
    S'Jokele bruchts und hat ka Ruh.

    Mingem Vater hast sinno Buobo, /
    Mingem Gogo d'Muottor widor gio, /
    Und um Mäh, wie da aulto Rüoschar z'Gruabo, /
    Ist äs ka Schado, a maul muoß aß nio. (nehmen) //

    Meor sand froh, daß mor di zum Doktar hind, /
    Meor Gsundo und di Kranko, /
    Da Kranka käst Guttora gio, winns wind, /
    Üs Gsunda guot Gedanko. //

    *) Nautars Jokele - Einer der originalsten Schoppernauer, der in meinen
    Dorffreimaurern unter dem Namen Hansjauk wahrheitsgetreu geschildert
    wird; er ist „Bigotsch" 64 Jahre alt.

     

    *) Nautars Jokele - Einer der originalsten Schoppernauer, der in meinen Dorffreimaurern unter dem Namen Hansjauk wahrheitsgetreu geschildert wird; er ist „Bigotsch" 64 Jahre alt.

    Drum här i Eorg soll leabo ho /
    Und deara ist äs ou a so /
    Chor (langsam, laut und deutlich)

    Jaou!

    Franz Michael Felder

     

    In Deinem nächsten Briefe bitte ich Dich, mir auch zu schreiben, was Du meinst: Ob mir zwei Stellen in meinem Nümmamüller Ungelegenheiten machen könnten? Die eine ist gegen die Herrn auf dem Gericht im allgemeinen, also nicht bedeutend. Aber in der andern tadelt der Wirt in schonungsloser Weise, daß man, wenn man etwas kaufe, auch noch Abgaben zahlen müsse. Er tadelt also ein bestehendes Gesetz. Geht das, und wie wird es mir dabei gehen? Ich bitte um baldige Antwort, da ich nötigenfalls die Stelle im Korrekturbogen noch streichen könnte. Nur acht Tage wollte ich gern eingesperrt werden und dann die Stelle stehen lassen, aber Geldstrafe! - !

    Sonst bin ich gesund und wohl und die Unsrigen alle. Deine Schwester Mariekathrin ist mit mir aus mehreren Ursachen nicht zufrieden: Erstens sagt sie, ich schaffe mich z'Tod und dann haben die 75 Kinder, die ich bekommen werde, keinen Vater mehr, zweitens hat sie sagen gehört, die Dichter würden doch nicht reich, und drittens nun es ist genug.

    Schreibe mir bald wieder und teile mir nebst vielem andern dann auch mit, wie Dir dieses Gedicht gefalle und wie oft Du beim Lesen dieses Briefes gegähnt habest. „Die Verliebte Wälderin" hat man an der Auer Kilbe gesungen und sie hat mir und allen recht gut gefallen. Dr. Walser war letzte Woche in Weiler, ein Bruder ist ihm gestorben. Lebe wohl

    Der Obige

    16. Mai

    Endlich wieder ein paar Minuten Zeit, um diesen Brief zu schließen! Ich habe jetzt den ganzen Tag Arbeit, komme nie zum Sitzen als beim Essen und in der Bünt, wo ich neben dem Hüten im Gotthelf lese. Meine vorgestern ausgesprochene Prophezeiung ist nicht eingetroffen, denn die Schoppernauer reden wieder viel vom erzürnten Vater im Himmel. Die Klauenseuche rückt nämlich immer näher, durch die Lechtaler Kühe ist sie hergebracht worden und ist nun in Bezau, Bizau, ja sogar in Au schon in zwei Ställen, nämlich beim Rüfle in Schrecken und beim Albrecht in Weiden. Man wendet alles Mögliche an, damit sie nicht weiter komme, aber ich fürchte, es sei zu spät.

    Nun haben auch die Schoppernauer angefangen, von meinem Buch zu reden, so viel sie neben der Viehkrankheit noch Zeit haben. Und ich habe da mehr interessante als angenehme Beobachtungen machen können. Z. B. interessant war mir, zu hören, was der Pfarrer dazu für ein Gesicht mache, aber freundlich war dieses Gesicht nicht. Ich kann es ihm, einem echten Tiroler, auch nicht verdenken, wenn es ihm nicht gefällt, weil er nicht weiß, was ich später noch alles auskratzen werde, denn er mag sich vielleicht auch daran noch erinnern, was ich z. B. von ihm noch alles sagen könnte, und zwar ohne zu dichten.

    Ich habe diesen Brief soeben wieder gelesen und dabei gefunden, daß er, gegen Deinen gehalten, ungemein einfach ist. Aber ist nicht auch mein Leben, mein ganzes Ich, einfach gegen das Deine. Wenn Du nun meinen einfältigen Brief mit dem Interesse läsest, wie ich Deinen vielfältigen! Daß ich mit Deiner Ansicht über menschliche Freiheit nicht ganz einverstanden bin, wirst Du mir glauben. So z. B. ist heut gutes Wetter, wer will, kann in die Streue, aber ich glaube nicht, daß das gute Wetter darum da sei, daß man in die Streue könne, sondern man kann in die Streue, weil sie trocken und weil gutes Wetter ist. Eben so war es auch mit meiner Unterordnung unter ein höheres Wesen. Ich fühlte und fühle ein höheres, wenigstens mir selbst unerklärliches Etwas in mir, das mich zum Schaffen treibt, aber der Vorsatz: Meine Feder nie zu entweihen, war doch mein freier, eigener. Wie bist Du aber zu diesem Vorsatz gekommen?, fragst Du. Ich glaube aber doch, behaupten zu dürfen, daß beim Menschen nicht alles von Geburt, Erziehung und Umgebung abhängt. Ich habe alles das gehabt wie andere Wälder, und bin, das darf ich sagen, doch ein wenig anders geworden, als sonst die meisten Wälder sind. Wären wir jetzt beisammen, so würde ich noch vieles darüber zu sagen haben, würde einen Streit anfangen, länger als der Weg von Lechleiten nach Krumbach, so aber kann ich nichts tun, als in Gedanken sagen: Wenn wir auch nicht immer alles gleich im Kopf haben, wir sind doch gute Freunde; und ich hoffe, je länger desto besser. Vielleicht komme ich später einmal dazu, über diesen Punkt meine Meinung auszusprechen, woran Dir aber sicher nicht viel gelegen sein wird. Heut fehlt es mir zum Philosophieren an - allem. Ich bitte Dich, mir bald wieder zu schreiben, denn ich habe keinen Umgang jetzt als die Bücher. Der Doktor W. schmeichelt mir und tut mir freundlich, der Kurat detto - aber ich traue ihnen nicht recht, und wo mir das Vertrauen fehlt, da fehlt mir alles, Dir aber traue ich, daher bin ich offen gegen Dich, gegen jene aber höflich. Vergiß auch Du nicht Deinen zuweilen unhöflichen - aber stets offenen Freund

    Franz Michael Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 3. Mai 1863

     

    Lieber Freund!

    Dein letztes, so freundschaftliches Schreiben hat in mir verschiedene Gefühle wachgerufen, und ich will mich zuerst über die angenehmen aussprechen:

    Ich bin erfreut darüber, daß Du Dich von der höhern Macht, in deren Dienst wir alle stehen, so ergriffen findest, daß sich ihr gegenüber das Gefühl des „Werkzeugseins" in so hohem Grade einstellt. Ich wünsche von Herzen, daß Du ein gutes Werkzeug seiest und bleibest und daß das Hochgefühl über die empfundene Harmonie Deiner Art und Weise mit der jener höhern Macht von der Intensivität und Wesensbeherrschung sei, daß es Dich von allen Disharmonie erzeugenden Akten bewahre und bewahren helfe. Mehr und Besseres glaube ich Dir mit Hinsicht auf den Erfahrungszustand, daß ein Gefühl der Disharmonie des Geschöpfs gegenüber dem Schöpfer umso schmerzhafter und zermalmender ist, je erhabener und reiner das entgegengesetzte Gefühl gewesen, nicht wünschen zu können. Dies der herzliche Wunsch Deines Freundes, der in beiden berührten Zuständen nicht unbewandert zu sein das Bewußtsein hat. -

    Dein mitgeteiltes Gedicht ist, abgesehen von den zwei Sprachhärten im 13. und 22. Vers, recht flüssig, einheitlich, wahr und so poetisch, als es die Prosa der Wälderinnen nur erlaubt. Ich gratuliere Dir zu dem Erfolg. Das Rehmer-Lied hat eine bedeutende Verbesserung erhalten. -

    Dies das Angenehme in der durch Deinen Brief hervorgerufenen Stimmung, und es bezieht sich glücklicherweise alles auf Dich. -

    Was nun meine Angelegenheit betrifft, will ich vorerst objektiv zu bleiben trachten und das leidende und somit vielleicht parteiische Subjekt geziemend zuletzt sprechen lassen: Wenn schon der Mensch, den die Beschauung des Harmonischen der Weltordnung begeistert, vor sich so zusammenschrumpft, daß er sich als wesentlich dienend - Werkzeug erkennt, so ist dies in viel höherem Grade bei dem der Fall, der auch jenen Teil dieser Ordnung in der Wirkung auf sich kennen gelernt, welcher nur dann sich geltend macht, wenn der Mensch diese Harmonie verletzt hat. Ein solcher Mensch hat sich in einen Kampf auf Leben und Tod mit der höhern Ordnung eingelassen, und wenn er diese nicht freiwillig wieder anerkennt und nicht in absoluter Unterwerfung Sühne sucht und findet, so wird er nach den die Welt beherrschenden Gesetzen dieser Ordnung zermalmt, wie billig, denn die Harmonie soll und muß herrschen. Wer nun die höhere Ordnung in dieser ihrer äußersten, ich möchte sagen Executions-Tätigkeit erschaut und geziemend empfunden hat, der hat dann jedenfalls eine intensive und wesenbeherrschende Anschauung über das Werkzeugsein des Menschen. Er sieht, inwiefern seine Nichtigkeit wahr, aber auch nicht wahr ist. Jedenfalls aber wird er von der Vorstellung der Nichtigkeit beherrscht. -

    Von diesen objektiven Sätzen, die jedenfalls nicht nach Deinem Geschmack sind, was ich aber hier nicht berücksichtigen kann, auf mich übergehend, finde ich geboten, dermalen folgendes zu bemerken: Als Ergebnis meiner eigenen Erfahrungen und deren Nutzanwendung habe ich das Streben, mein Ich in mir möglichst zu konzentrieren und in der äußern Welt, die mir besser geordnet erscheint als jenes, aus dem hienach natürlichen Grunde, weil ich ihr folglich nichts Besseres geben kann als sie hat, nicht mehr Änderungen herbeizuführen, als meine Art und Weise zu sein und zu wirken notwendig und somit eigentlich unverschuldet nach dem Gesetz der Ordnung, in dem wir stehen, von selbst mit sich bringt. Den Wert oder Unwert dessen, was von mir ausgeht, bin ich daher geneigt nicht nach meiner hierüber gebildeten Meinung, sondern nach der erkennbaren Wirkung in der Außenwelt zu bemessen und glaube dann hievon den Maßstab für das weitere Handeln nehmen zu sollen. Um nun mich im Verhältnis zu Isabella Simma richtig zu würdigen, habe ich dafür gehalten, die Wirkungen meines Umganges mit ihr in ihr besehen zu sollen und von dorten die Norm für mein weiteres Vorgehen zu holen. Dies und nichts anderes habe ich auch getan und dies spricht auch mein letzter Brief aus. - Ich kann nicht begreifen, wie man nach richtiger Lesung dieses Briefes noch im Unklaren sein kann. Ich habe ihr doch klar gesagt, in welchem durch sie bedingten Verhältnis ich zu ihr stehe und wie ich anderer Richtung folge. - Ich setze bei der Entschiedenheit des Urteils, das Du über mich fällst, voraus, daß Du diesen Brief gelesen hast, denn ohne nur einigermaßen in den Sachverhalt Einsicht genommen zu haben, wirst Du denn doch nicht über Deinen Freund so urteilen. Die Forderung, die Du an mich stellst, ich soll ruhig überlegen, die, finde ich, hätte somit auf Dich mehr Anwendung. Daß eine ruhige, verständige Überlegung bei Isabell Simma sich sobald nicht einfinden werde, das habe ich schon längst gefürchtet, dabei aber erwartet, sie werde mit Hilfe des Ratgebers, Kurat und eines andern, schon dazu kommen, und habe diese Erwartung noch. Von Dir aber hatte ich die Meinung, Du wärest über einen ähnlichen Subjektivismus erhaben. Jeder unparteiische Mann, der meinen Standpunkt im geringsten nicht kennt, der der Isabella aber schon lang und Dir wenigstens jetzt bekannt ist, muß aussprechen, daß jener Brief, um Deinen Ausdruck zu gebrauchen, ein „Absagebrief" ist, nur kein grober und schroffer. Eine zartere Behandlung dieses Gegenstandes schien mir die reizbare und tieffühlende Natur dieses Mädchens zu fordern. Übrigens habe ich vorher schon genug gesagt und getan gehabt und dieser Brief wurde nur geschrieben, weil ich am Osterdienstag, als ich ging, wider Vermuten gewahrte, daß sie noch nicht in der richtigen Fährte ist. -

    Daß ein auf mich bezüglicher Artikel einmal in der Innzeitung gestanden hätte, davon weiß ich nichts, wohl aber stand einmal eine bezügliche Notiz darin, die auf einem Mißverständnis beruhte und worüber ich mit mir zu Rate ging, ob ich eine Injurienklage überreichen soll, wobei ich's aber vorzog, die Sache als zu unbedeutend und, weil eigentlich ich gar nicht benannt war, auf sich beruhen zu lassen. Was ich nun aber von mir und weiter oben in den objektiven Sätzen gesagt habe, das hat folgenden Zusammenhang: Ich traue meinem Ich als solchem nichts, selbst in den sogenannten Liebes- und übrigen Neigungen (diese haben nur insofern Geltung, als ihre erkennbare Wirkung sie rechtfertigt). Mich beherrscht die Vorstellung von der Nichtigkeit des Ich. -

    Ich glaube, mich nun auf Deine freundschaftliche Aufforderung redlich gestellt zu haben, und ich hoffe, Du werdest Nachstehendes nicht verübeln. Ich entnehme aus dem Zittern und Beben, womit Du Deine Sache vorträgst, daß Du es herzlich gut mit mir meinst, auch appellierst Du mit einem Vertrauen auf meine Freundschaft, daß ich mit der gleichen Appellation an die Deine meine Bemängelung offen ausspreche: Ein Mann von entschiedener, wohlbegründeter Meinung soll seinem Freunde gegenüber stets mit offenem Visier auftreten. Du hast gegen mich Beschwerden, gut, Du hältst sie für begründet, gut, - fordert es nun nicht das gemeine Rechtlichkeitsgefühl, daß Du die Gründe der Anklage vorlegst? Worauf fußt die Klage, daß ich mit I. S. spiele, was hat sie denn gesagt, was hast Du aus meinem Brief herausgelesen oder woher sonst kommt diese Meinung? - Du sprichst weiter von einer Krisis, - was ist das für eine Krisis? - Ich erscheine beschuldigt, sie herbeigeführt zu haben, soll man mir nun billiger Weise nicht sagen, worin sie bestehe und warum ich verantwortlich bin, denn offenbar bin ich, wenn ein Verschulden meinerseits obwaltet, zu Genugtuung verpflichtet? Doch ich merke, daß ich mich zu fest auf meinem Standpunkt einzuwurzeln im Begriffe stehe. Dein Vorgang und Verfahren ist ganz anders als juristisch angelegt und ich versichere Dich, daß Deine durchweg ersichtliche edle Absicht und schöne Handlungsweise mich innigst gerührt hat. Daß Du mein Verhältnis nicht richtig gewürdigt hast, dafür kannst Du nicht. Du bist ein zu guter Mensch und hast noch zu wenig von dem Baume der Erkenntnis gegessen, als daß Dir die wahre Einsicht in derlei schneidige Sachen sogleich zu Gebote stünde. - Welchen innerlichen Schmerz ich wegen der Isabella schon gehabt habe, das weiß nur Gott. Dir erscheint's als Spielerei, Du bist mit dieser Auffassung gerechtfertigt; - mich wird hoffentlich der Schmerz rechtfertigen. - Doch genug, mehr als genug, ich schließe und hab nur noch die Bemerkung, daß ich selbst daran zweifle, ob Du die Botschaft der Isabella richtig erfaßt habest, denn ich glaube eher, daß der Sinn ihrer Worte, wenn sie offen sprach, der war: „Wenn ich nicht hätte wollen, daß es bei ihr so stünde, so würde ich es anders gemacht haben." -

    Ich  danke  Dir für die  freundschaftlichen  Eröffnungen  und hoffe,   Du  werdest  in   Deinen  stets  wohltuenden   Freundschaftsbezeugungen fortfahren. Dein Freund

    Kaspar Moosbrugger.

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 27. April 1863

    Verehrtester Herr Felder!

    Ihr Geehrtes vom 22. dies, habe ich, sammt Correctur 1 gestern erhalten. Bereits ist die Correctur an die Druckerei übermacht, unter Beifügung der von Ihnen noch gewünschten erweiterten Anmerkung zur Erklärung von „beigutt". Beifolgend empfangen Sie nun Correctur 2 u. 3. Ich habe solche bereits wieder durchgelesen, u. was ich nöthig glaubte, darin bemerkt. Haben Sie die Güte, die Bogen nun auch Ihrer­seits wieder recht genau durchzugehen. Einige Worte u. Sätze, welche nach meinem Dafürhalten vielleicht einer klei­nen Änderung oder Erläuterung bedürfen, habe ich blau unterstrichen.

    Eines möchte ich noch bitten: nämlich die Correcturen mir doch immer so schnell als möglich zurückzuschicken. Unter dieser Bedingung kann ich Ihnen dann rasche Vollendung des Drucks zusichern. Mit vollster Hochachtung Ihr ergebenster

    Joh. Thom. Stettner.

     

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 24. April 1863

     

    Geliebter Freund!

    Nachdem der Himmel gestern nachmittags häufige Tränen weinte über die „Ritter ohne Geist", hat die Erde heute das schneeweiße Kleid der Unschuld angezogen, als ob sie sagen wollte: Ich bin nicht schuldig, daß ich alle Leute tragen und ernähren muß, die auf mir wachsen. Die Schoppernauer „Ritter ohne Geist" fassen aber das anders auf und meinen: Das und die im Lechtal ausgebrochene Klauenkrankheit seien neue Strafen des erzürnten Vaters im Himmel. Natürlich! Gott hat wohl gewußt, daß die Schoppernauer kein Heu mehr haben; warum hätte er also schneien lassen, wenn er sie nicht „schagenioro" wollte?! Dein alter Freund hat über so etwas andere Gedanken, doch sagt er die nicht jedem, sondern sitzt ganz gemütlich in seinem Arbeitszimmer und denkt über das nach, was er erlebt hat, seit er von Dir (Abschied genommen, kann ich nicht sagen) gegangen ist. Und ich muß sagen, ich habe damit Arbeit genug.

    Letzten Sonnabend kam der Handlungsreisende der M. Riegerschen Buchhandlung von Lindau zu mir und brachte den ersten gedruckten Bogen meines Nümmamüller mit.

    Was ich in dem Kämmerlein

    Still und fein gesponnen,

    Kommt, wie sollt es anders sein?

    Endlich an die Sonnen. 

    Goethe

    Verlange nicht von mir, daß ich Dir schildere, mit welchen Gedanken und Gefühlen ich diesen Bogen durchlas. O Freund! Es ist ein großer Gedanke, der: Ich will Volksschriftsteller werden. Und dieser Gedanke beschäftigte mich, so daß ich die ganze Nacht wachte. Die griechischen Dichter stellten sich unter den Schutz der Muse, wir Christen glauben an den Heiligen Geist, und wirklich, es gibt etwas hohes Göttliches oder Dämonisches, dessen Werkzeug der Dichter ist, diesen Glauben habe ich ganz fest. Du kannst lachen, wenn Du willst, aber es ist wahr! In jener Nacht habe ich diese Macht gefühlt und ich habe wieder beten können, so andächtig und demütig, wie vorher lange nie. - Ja, ich will schreiben und mich ausleeren! Eine ungeheure Kraft, der ich, wie gesagt, keinen Namen zu geben weiß, drängt mich dazu und läßt mir Tag und Nacht keine Ruhe.

    „Der gute Schwager ist heute ungewöhnlich aufgeregt!" Nicht wahr, so beiläufig denkst Du? „Ja, ich bin aufgeregt und auch aufgelegt, für das zu leben, was ich nun als meinen Beruf erkannt habe."

    Nicht um Lob und Ehre, nicht um Geld will ich schreiben, nie will ich meine Feder entweihen; aber ich will nützen, wenn es mir möglich ist, das ist das heilige Gelöbnis, das ich in jener Nacht meiner Muse abgelegt habe, und seitdem ist sie, die göttliche, immer bei mir. O, ich habe noch keinen so schönen Frühling erlebt als diesen! Glaube aber nicht, daß diese Stimmung davon kommt, weil ich mich gedruckt gesehen habe, ich habe ja das schon lange vorher gewußt. Und ich weiß oder ahne auch, daß mein Weg nicht nur mit Rosen, sondern auch mit Dornen bestreut ist, und zwar sehr dick. Ich hoffe die Kraft zu haben, daß mich weder Freude noch Leid schwach machen wird. - ? - !

    Meine erste schriftstellerische Arbeit, oder eigentlich der erste Bogen derselben, welchen der Reisende jedermann sehen ließ, machte besonders in Au großes Aufsehen, der Reisende ließ mir sein Notizbuch sehen, und ich zählte schon 48 Bestellungen, meistens aus der Au. Der Doktor Waiser ist, wie mir Isabell Simma erzählte, ganz begeistert dafür, es soll ihm „ausgezeichnet" gut gefallen haben. Gestern gratulierten wir ihm zum Namenstag. Kapellmeister Greußing hatte ein Gelegenheitsgedicht komponiert, die Musikanten haben ihre Sache gut, ich die meinige nicht gerade schlecht gemacht. Wenigstens wurde mein Gedicht mit Beifall aufgenommen. Auch der Ritter war dabei und erzählte, daß er sich noch nicht gebessert und immer noch ein hart und immer härter gesottener Sünder sei. Den beiden Lehrern hielt ich eine scharfe Predigt, wobei auch die anwesenden Gemeindsausschüsse nicht ganz ungewaschen wegkamen. Es war drei Uhr, als die Gesellschaft auseinander ging, mir war es zu dunkel zum Heimgehen, und Isabell sagte, ich solle dableiben, bis es etwas heller werde. Sie fing nun ein Gespräch mit mir an, wie sie es sonst wohl mit wenigen, ja mit niemand geführt haben würde, weil sie mich als Deinen Freund betrachtete. Neues habe ich dabei nichts erfahren, aber ihre Urteile über das Alte gehört. Einiges davon werde ich Dir auf Verlangen mündlich mitteilen. Wenn sie offen sich gegen mich aussprach, so kann ich sie darum nicht tadeln, denn ich selbst kann mir Dein Betragen nicht recht erklären. Sie läßt Dich grüßen und Dir als Antwort auf Dein letztes Schreiben an sie sagen: „Wenn Du es am Montag (6. April) nicht so hättest machen wollen, so würdest Du es wohl anders gemacht haben." So glaube ich wenigstens ihre Worte zusammenfassen zu müssen, um mit wenigem alles zu sagen. Ich mische mich nicht in Deine Angelegenheiten und habe mich auch der Isabell nicht aufgedrungen, aber ich verarge es ihr nicht, daß sie mich zu ihrem Vertrauten gemacht hat. Es wäre mir lieb, wenn ich über die Angelegenheit Deine Meinung hörte. Ich habe die Isabell auf einer Seite kennen gelernt, auf der Du sie gewiß noch nicht kennst, doch gehört das nicht in diesen Brief. Bloß spielen solltest Du doch nicht mit ihr! Sie hat sich nicht über Dich beschwert, nein, nicht im mindesten, sondern sie hat nur gesagt: Sie sei froh, daß sie einmal mit mir, Deinem Freund, reden könne; sie habe niemand, dem sie mehr trauen tat als mir. Vielleicht hat sie mich ausforschen wollen, ich weiß es nicht, aber ich tat es ihr auch nicht verargen, wenn sie schon alle Mittel anwendet, um ins klare zu kommen. Also genug für heut! Ich habe noch nie mit Dir über so etwas geredet, Du mußt mir daher verzeihen, wenn es mir etwas schwerfällig herauskommt. Vielleicht bist Du so gut, mir in Deinem nächsten Schreiben etwas darüber mitzuteilen. Wenn ich die Isabell nicht möcht, so würde ich ihr absagen und sonst würde ich - nicht so tun. Ende dieses Kapitels, das zweite Kapitel folgt.

    25. April

    Mit meinem Dorf-Freimaurer komme ich nur langsam vorwärts. Die Arbeit im Feld ist angegangen und ich werde daher die nächsten Wochen wenig Zeit zum Schreiben haben.

    Gestern war der Doktor bei mir zur Stubat. Er läßt Dich freundlich grüßen. Die Auer, die zu den sogenannten Gebildeten gehören, schließen sich immer fester an mich, in Schoppernau hat die Nachricht, daß ich ein Buch gemacht habe, beim - Opium -, wollte sagen, Publikum nichts zur Folge gehabt, als ein ziemlich allgemeines Schütteln des Kopfes. Das Rehmerlied hat statt der Erdäpfeläcker einstweilen folgenden Vers erhalten:

    Durchs Dorf rauscht ein Wildbach, ein schneller,

    Und ladet zum Bade sie ein,

    Er soll auch für Löwenwirts Keller

    Zuweilen verhängnisvoll sein.

    Am Ostermontag bin ich mit dem Herr Akurat wohl und gut heraufgekommen, und zwar, ohne lange Weile zu haben, obwohl wir etwa eine halbe Stunde auf Dich warteten, er hat mir manches mitgeteilt, wofür ich ihm dankbar sein muß, wie es scheint, mag er mich recht gern. Auch vorgestern versprach er zu kommen, aber vermutlich ist ihm das Wetter zu schlecht gewesen. Den Liebig habe ich bisher noch nicht erhalten. Ich hoffe, Du werdest ihn bald schicken und mir denn vielleicht auch über den Ostermontag Aufklärung geben, Dein Vertrauen werde ich nie mißbrauchen, so wenig als das, welches mir die I. S. geschenkt hat. Sie ist nicht gerade meine Freundin, aber Du bist mein Freund, der teuerste, den ich habe, und eben darum habe ich so offen mit Dir geredet. Früher einmal habe ich gesagt: Ich glaube, daß ich imstand wäre, auch abgerundete Gedichte in unserm Dialekt zu machen. Hier habe ich eine Probe beigelegt, welche jetzt vom Greußing in Musik gesetzt wird. Lebe wohl, teurer Freund, und vergiß nicht

    Deinen treuen Freund

    Franz Michel Felder,

    Litterätle

     

     

    Die vorliobt Wäldari

    Geston, geston, annilee!
    Geston ist äs rar gsin!
    I und Nazis Tunile
    Seand a zeachod's Paar gsin.
    Trunko hind mer roto Winn
    Und Kaffee mit Zukar;
    Tuni gunts oam ou a klin,
    Ear ist gär ka Krukar.

    Früher hean i vielmol dinkt,
    Tuni war a retha;
    Weam dea üsa Herrgott schinkt
    Die hats gär nöd schlehta.
    Vilmal ist mor ku in Sea:
    „Ists Gottswill, so g'schiot's dinn!"
    Babol hett o sealb geen ghea,
    Die hat gseit: „Ma sioht's dinn!"

    Und iz sioht mas, winn ma wil,
    Babol sioht's und andor;
    Jau mit Tunin wärod viel
    Geen aluo selbandor.
    Winn dar nähtig Aubod hüt
    Tunin nüd duot rüuo,
    Kunnod wägo minnor d'Lüt
    Mi dor d'Hächlo züuo.

    Joz ist Tuni drum und dra
    Mit mor z'karesioro;
    Bis zum nästo Schaultjaur ka
    Widor viel passioro.
    Ear hätt jau aluo a Hus,
    War a Buob a rehta,
    Christli ist ar zum Vorus,
    Dau hetts i nüd schlehta!

    - Tunile - Wenn der Liebhaber hier Tunile, später aber Tun; genannt wird, so ist das kein Widerspruch, denn zuerst sagt sie ihm den Namen, den man ihm im Dorf hat, später aber, wo von ihren Wünschen und Hoffnungen die Rede ist, nennt sie ihn „Tuni".

    Extra Beilage

    Der Abend des 23. April [1863] Fortsetzung

    Zweites Kapitel

    Es ist hier nicht der Ort, Dir das an jenem Abend geführte, mehr als eine Stunde lange Gespräch genau und wörtlich mitzuteilen, und doch hat jedes Wort seine Bedeutung gehabt, ich ziehe es also vor, Dir nur meine Bemerkungen über dasselbe mitzuteilen.

    Als Du am Ostermontag so trocken gegen sie warst und am Ende noch gar zu einer ändern auf den Strich gingst, - was mußte sie denken, was hättest Du, was hätte fast jeder Mensch an ihrem Platz gedacht? Du weißt, daß ich gar nicht „verisabellerlot" bin, aber als Dein Freund liegt mir die Sache, wie Du sehen und gesehen haben wirst, wirklich am Herzen. Bei Isabellen ist, scheint's mir, eine Krisis eingetroffen, Dein Betragen hat sie zu dem Gedanken gebracht, daß sie Dir gleichgültig geworden sei. Wolltest Du ihr nun schreiben und Vorwürfe machen, daß sie zu mir etwas gesagt habe, so würdest Du ihr Unrecht tun: Sie hat mich für Deinen Freund, und da sie mit Dir kein vertrautes Wort reden konnte, so wollte sie die gute Gelegenheit benützen und mit mir reden, das kannst Du ihr, wenn Du es ruhig überlegst, gewiß nicht verargen. Sie hat mich nicht geheißen, Dir zu schreiben. Ich war schon in der Kammer, sie wollte wieder gehen, da sagte ich: „Morgen werde ich vermutlich dem Kaspar schreiben, soll ich Dir ihn grüßen lassen?" Da sagte sie mir, was ich Dir oben als Gruß kurz mitgeteilt habe. Erzählte mir dann, wie es so geht, eins nach dem ändern. Sie sagte, daß sie wisse, daß ich ihr Vertrauen nicht mißbrauchen werde. Vielleicht hätte sie es nicht einmal gern, daß ich Dir das mitteile, aber ich glaube als Dein Freund zu handeln. Ich habe mich nicht eingemischt, sie nicht ausgefragt, aber ich sah, daß das Reden ihr ein dringendes Bedürfnis war. Ich habe oben bemerkt, daß ich etwas an ihr gesehen habe, das Du gewiß noch nie bemerkt hast; und ich füge hier noch bei, daß es keine unangenehme Entdeckung für Dich gewesen wäre, es war, als sie von einem Artikel erzählte, den ich vor mehr als einem Jahr in der Innzeitung gelesen habe, und den sie damals ebenfalls gelesen hat.

    Ich habe hievor noch nie kein Wort gesagt, habe auch heute mich lange bedacht und am Ende über mein Bedenken selbst lachen müssen. Abah, habe ich gedacht, er ist Dein Freund und wird die gute Absicht gewiß nicht verkennen. Wenn ich diese Voraussetzung nicht gehabt, so hätte ich Dir gar nicht geschrieben.

    Aber was hat denn mein Freund gesagt?, wirst Du fragen. Und ich antworte: Gar nichts. Ich bitte Dich, keinen Schritt unüberlegt zu tun. Ja, ich muß Dich bitten, mir sobald als möglich zu schreiben und dann auf meine Antwort zu warten, ehe Du sonst etwas tust. Der Kurat in Rehmen ist ihr Rater und Beichtvater. Auch darüber hat sie mir Mitteilungen gemacht, und wenn Du noch Neigung zu ihr hast, so wäre es, glaub ich, gut, wenn sie diesen nicht mehr zu oft um Rat fragen würde. Einstweilen habe ich ihr Vertrauen und hoffe, auch das Deinige verdient zu haben. Ich erwarte also baldigst eine Antwort und verspreche Dir, nie etwas zu sagen oder zu tun, wenn Du mich nicht heißest, sonst aber springe ich Dir durch ein Feuer, wenn Du eine Unterredung mit mir wünschest, so kann ich ja hinauf kommen, jedenfalls mußt Du mir schreiben oder mit mir reden, bevor Du sonst etwas tust. Nun hast Du meine Meinung gehört. Lebe wohl, Dein treuer Freund

    Franz Michel Felder

    Am 25. April abends.

    Ich bitte Schrift und Stil zu entschuldigen, denn ich hatte Eile! Ich habe hier nicht Isabellens Fürsprecher machen wollen, sondern ich tat nur, was ich Dir als Freund schuldig zu sein glaubte. Du magst nun denken, was Du willst, jedenfalls glaube ich, etwas Besseres mit meinem Brief verdient zu haben als Dein Auslachen.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
    Rehmerlied
  • 23. April 1863

     

    Lieber Freund!

    Nun, am Ostermontag hab ich Dich denn doch zu lang warten lassen, nicht wahr? Nachts so lang auf Straßen zu stellen und dazu noch umsonst, das ist zu viel! - Ich hab geglaubt, weiß Gott wie feiner Beobachter in Gesellschaft Du seiest. Aber seit ich gehört, daß Du noch nach jener Mitternacht über eine Stund um die Stützen vor „Matis Hus" herumgestanden seiest, seither ist mein Glaube bedeutend geschwächt worden. Hast Du denn nicht während jenes Abends bemerkt, daß ich kein Ruhigs hatte, öfter fort wollte, daß hingegen eine gewisse Isabella öfter Einwendungen machte, daß, je eifriger ich die Gesellschaft aufzuheben trachtete, desto eifriger sie selbe zusammenzuhalten suchte? Kurz, Du hättest merken sollen, was jene Person gleich gemerkt hat, daß ich auf den Strich hab wollen. Du hast Dich von einem Weib übertreffen lassen und dazu in einer Eigenschaft, die man in besonders hohem Maß bei Dir gesucht hätte. Zur Strafe hat Dich aber die gerechte Schicksalsleitung stante pede zu einstündiger Straßenstützenbetrachtung verhalten. So geht's, wenn man von seinen Eigenschaften nicht den gehörigen Gebrauch macht. Ende des Kapitels. -

    Übrigens bin ich gesund und wohl und sehe mit Rücksicht auf gewisse leere Heustadel in Au und Schoppernau mit Bangen, daß es vor meinen Büro-Fenstern ganz regelrecht schneit und pfufot. Es steht zwar nicht in meiner Amtsinstruktion, daß mich das etwas anzugehen habe, aber man hat halt seine Schwächen und das instruktionsmäßige transzendentale Gefühl hat auch seine Krisen. - Ich hantiere wieder in den Akten, daß es a Passion ist, gfallt's nit oben, so gfallt's doch mir und ich bin mir mehr als all die Herrn, die da auf uns herumtanzen. - Den Liebig schick ich bei nächster Gelegenheit. Weil ich weiß, daß Du fleißiger liest als ich, so laß den ersten und zweiten Band zu dieser Einleitung, also die eigentliche Agrikultur-Chemie auf meine Rechnung kommen, ich werde sie dann schon bei Dir finden. -

    Die durch Lassalle hervorgerufene Arbeiterbewegung in Deutschland zieht jetzt meine Aufmerksamkeit besonders auf sich, und ich habe Lust, mir dessen Schriften kommen zu lassen. Er behandelt die wichtigste Frage unserer Zeit, die soziale, auf eine Weise, die alle Beachtung verdient. Der Abgeordnete Riedel hat sich durch seine neuerliche Zeitungsschreiberei nicht wenig geschadet und man bedauert den hiebei zu Tage getretenen Mangel an Hochsinn. - Kürzlich habe ich den Wälder Landsbrauch bei der Wagnerschen Filiale in Feldkirch bestellen lassen und nicht erhalten, wonach der Fetz in Bezau sein Geschäft ganz eigentümlich betreibt. -

    Freundlichen Gruß an Euch alle. - Baldige Antwort und auch eine Beschreibung der „Jrgo“-Feier erwartend, Dein Freund

    Kaspar Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 22. April 1863

    Verehrtester Herr Stettner!

    Hiemit sende ich Ihnen den ersten Bogen meines „Nümma­müllers" wieder zurück. Ich habe nur wenig zu ändern gehabt u. bin mit den Verbesserungen, welche Sie zu machen die Güte hatten, vollständig einverstanden, eine ausgenommen: die Stelle auf Seite 8. oben, Zeile 3 „und die für eine der schönsten Motla" u.s.w. Bei Motla kommt in der Wälder­sprache nie das sächliche Geschlecht vor, sondern nur das Weibliche. Allerdings hat das hochdeutsche Wort: „Mäd­chen" das sächliche Geschlecht; bei uns aber heißt es eine Motol u. ich habe mir daher das s wieder zu streichen erlaubt. Seite 9. Hölzlar (Holzschuhe) heißt in der Endung, wie es hier vorkommt: Hölzlarn.

    Seite 11 - Mit Rechenmachen u.s.w. Sollte dieses Wort nicht etwas größer gedruckt werden? es bezeichnet die gegenwär­tige Beschäftigung des Schwarzokaspale an. Seite 14 „Äh!" so heißt bei den Wälderinnen der Ausdruck des Schreckens oder des Unwillens u. ich habe daher das „Ah" gestrichen.

    Das Wort „beigutt" muß durch bei Gott erklärt werden, man sagt sowohl bigutt als beigutt u. die gleiche Person sagt oft in einer Minute beides denn die Wälder haben an Ausdrücken wie bei Gott! - Sakrament u.s.w. einen Buchstaben hinzu­gefügt, weggelassen oder verändert. Da heißt es: Beigutt! Bei­grott, Sakramentsch u.s.w. es heißt: Wenn man „Bei Gott" sagt so ist es Sünde, aber wenn man „Beigutt" sagt, nicht. Wenn Sie glauben, daß dieses bemerkt werden sollte so bitte ich Sie, es unten nach dem erklärenden „Bei Gott" hinzu­fügen. Zu dem Gedicht glaube ich seien keine Erklärungen mehr nötig. In Goethe Band l Seite 122 Klassiker Ausgabe 1853. ist ein Schweizerlied, aber nicht ganz hochdeutsch, es hat viel ähnliches mit diesem. Und ich habe Gründe zu der Vermuthung, daß das Goethesche Lied diesem nachgedichtet ist.-

    Seite 15 Pfarrer: Vetter. Vetter ist nicht der Geschlechtsnahme vom Pfarrer, sondern ist ein Vetter vom Senn, der sich natür­lich auf diesen wie auf seine ganze Familie sehr viel einbildet u. gern von ihm erzählt.

    Das wären die Bemerkungen, die ich noch zu machen habe u. ich stelle es Ihnen nun frei, ob sie bei Rechenmachen oder bei dem Wort beigutt dieselben benützen wollen. Zugleich danke ich Ihnen herzlich für Ihre freundschaftliche Güte, die Sie mir bei der sorgfältigen Durchsicht meiner Erst­lingsarbeit aufs Neue bewiesen haben u. verbleibe mit aller Hochachtung Ihr ergebenster

    Franz Michel Felder

     

    Johann Thomas Stettner
    Schoppernau
    Franz Michael Felder
  • 15. April 1863

    Rechnung für Herr F. M. Felder in Schoppernau

    von

    der Matthias Rieger'schen Buch- & Kunsthandlung (Joh. Thom Stettner)

    1862

    29 Nov. 1 Deutsche Volksbibliothek III 105-8                             fl „-48

    1 Zimmermann Wunder Suppl. 43.44.                            „- 36

    1 Gartenlaube 1862. 40/43. pr. 4. Qu                               „- 54

    1 Familienjournal 462/65. pr. 4. Qu                                 n- 46

    1 Volksbibliothek 109-112                                                  .-48

    1 Stolz Mörtel                                                                         „- 9

    10. Dec. 1 Düntzer Erläuterungen Bd. 32                                          //- 14

    1 Dtsche Volksbibliothek 113-116                                    „- 48

    1863         1 Schauberg, Handbuch der Freimaurer III.                    4, 48

    6 Jan. 1 Gotthelfs ges. Schriften l                                                         „- 42

    1 Deutsche Volksbibliothek 117.118                               „-24

    1 Gartenlaube 1863. 1. pr. 1. Qu                                       „- 54

    1 Familienjournal N.S. # 1. pr. 1. Qu                                //- 54

    11 Febr 1 Dtsche Blätter 63 # 1 -6 pr. 1. Sem.                                   „- 42

    1 Gotthelfs ges. Schriften Bd. 2-24                                 16,33

    8. April 1 Dtsche Blätter 63 # 14. pr. 2. Qu                                          „-21

    1 Gartenlaube # 12-14. pr. 2. Qu.                                      „- 54

    fl 31,15

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 12. April 1863

    Verehrtester Herr Felder!

    Anbei die erste Correctur. Ich habe dieselbe bereits flüchtig durchgegangen, u. meine Bemerkunge] beigefügt.

    Der Ausdruck „beigutt" oder „bigutt" soll wohl „bei Gott" erklärt werden?

    Glauben Sie nicht, daß das eingewobene Gedicht „Uf m Bergel" noch einige Erläuterungen unten haben sollte? - Hochdeutsch  kommt  dieß Gedicht, wenn  ich  mich  nicht sehr irre, bereits bei Göthe vor.

    Haben Sie nur die Güte, den Bogen noch recht genau durch­zugehen, u. mir ihn dann, mit Ihren Bemerkungen versehen, in möglichster Bälde zurückzusenden. Er soll dann mit dem Druck rasch vorwärts gehen. Mit aller Hochachtung Ihr ergebenster

    Joh. Thom. Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 10. März 1863

     

    Geliebter Freund!

    Ohne noch länger auf eine Antwort auf meinen letzten Durcheinander vom 6. Jänner zu warten, schreibe ich Dir wieder, nicht etwa um Dir einen Haufen Neuigkeiten mitzuteilen, sondern nur um so ein Viertelstündchen zu plaudern, wozu ich mich gerade heute besonders aufgelegt fühle. Weder das Zahnweh noch sonst einer der unzähligen Wehtage, von denen die Menschheit drangsaliert wird, raubt mir den guten Humor, denn ich bin, Dank dem Himmel, gesund und mager, wie gewöhnlich. Meine Nachbarn, die Schoppernauer, sind gerade jetzt mit Husten, Bauchweh und dergleichen geplagt, und es ist ein halbes Wunder, daß mich einmal ein Übergang übergangen hat. Die Feldarbeit für den Winter ist getan und ich sitze meistens daheim in meinem Zimmer beim Schreiben oder Lesen. Nur am letzten Freitag ging ich, da ich seit Neujahr nie mehr in der Au war, nach Rehmen zur dritter Josefsandacht. Da ich alles, was ich Dir aus der Au mitzuteilen weiß, an diesem Tage erfuhr, so werde ich Dir jetzt meine Wallfahrt genau beschreiben.

    Das Wetter war herrlich, der Frühling hatte bereits die muntern Waldessänger aus ihren Nestern geschickt, um der Welt sein Nahen zu verkünden, und kurz, alles war so schön und lieblich, als man es Anfang März nur wünschen kann. Ich dachte an den letzten Frühling, wo ich und mein lieber Schwager so gemütlich miteinander umherstiefelten, und ich wünschte recht herzlich, wieder einmal mit Dir zu plaudern, da war es, wo ich mir vornahm, Dir so bald als möglich zu schreiben. Ich war nicht der einzige Wallfahrter, hinter mir waren Schoppernauer Motla und redeten von der Faschnat und vom „zur Stubat gau" und wie lustig es da und da gewesen sei, während die Auerinnen vor mir von dem Faschnatziestag erzählten, und wie es beim neuen Löwenwirt so prächtig gewesen und alles so friedlich abgelaufen sei. Jetzt kam mir in den Sinn, daß ich dem Rehmer Organisten Greußing das versprochene Lied von Rehmen noch nicht gemacht habe. Während die Motla vor und hinter mir fröhlich plauderten, zündete ich eine frische Pfeife an, schaute hinein in das freundliche Dörfchen, das schon von der Sonne beschienen war, während Schoppernau noch in dunkeim Schatten lag, dann stimmte ich meine Dichterharfe und sang:

    Nicht Städte voll stolzer Gebäude, O Freunde, besingt mein Gesang,

    Dort schlugen den Frohsinn, die Freude, Einst goldene Fesseln in Zwang;

    Doch sind sie entflohen, verschwunden Und ließen die Fesseln zurück,

    Sie haben ein Tälchen gefunden, Dort weilt nun die Freude, das Glück.

     

    Ihr werdet das Tälchen wohl kennen? Verschlossen dem Treiben der Welt.

    Doch will ich das Dörfchen euch nennen, Wo's ihnen am besten gefällt.

    Und keiner braucht's übel zu nehmen, Sag ich auch die Wahrheit genau:

    Es ist dies das freundliche Rehmen Ein kleines Örtchen bei Au.

    Großer Gott: Auf dem Rehmer Kirchturm sah ich die Göttin der Wahrheit stehen. Sie drohte mir mit dem Finger, machte ein Gesicht wie der Kurat Stöckler, wenn er gegen das Tanzen und die Liebschaften predigt oder über die jetzige gottlose Zeit Zeter und Mordio schreit. Die Göttin machte meiner Muse, die da stand, als ob sie das Öl verschüttet hätte, eine Faust und sprach die zornigen Worte: Dichter sollen nicht lügen! Ich stimmte meine Harfe um zwei ganze Töne niederer und sang wieder:

    Die glücklichen Rehmer! Sie leben In ewigem Sonnenschein,

    Von - Erdäpfeläckern umgeben, Die ihnen recht prächtig gedeihn.

    Die Männer und Buben verdienen, Die Weiber gehn gern zum Gebet,

    Die Mädchen sind fleißig wie Bienen Und sauber und freundlich und nett.

     

    Sie haben nicht stolze Paläste Und tauschten mit keinem darin;

    Denn ihnen fehlt ja nicht das Beste: Genügsamkeit, fröhlicher Sinn.

    So leben sie fröhlich und munter Genießend das häusliche Glück.

    Sankt Josef schaut segnend herunter Vom Himmel mit lächelndem Blick! ?- !- ?

    Ich wagte nicht mehr, auf den Kirchturm hinauf zu sehen, was die Göttin der Wahrheit für ein Gesicht mache, sondern ging in die Kirche, so schnell ich konnte, mich tröstend mit dem Gedanken, daß selbst der dreimalgroße Schiller öfter gesungen habe, wie es sein sollte, als wie es war. Die herrschenden Übelstände eines Ortes können nicht besungen werden, wenn man sich nicht mit allem verfeinden und so das Zutrauen der Leute leichtsinnig verscherzen will. Nach dem Gottesdienst, von dem ich Dir nichts mitzuteilen weiß, als daß er ungemein lang währte und daß der Kapuziner, der jetzt in Schnepfau ist, gepredigt hat, während in der Gegend, wo ich war, einige schliefen, ging ich zu den Deinen hinab und traf alle gesund beieinander an. Nur Jok war, wie gewöhnlich, nicht daheim. Er hat jetzt, wie der Schneider sich auszudrücken beliebte: „ 's Füdla voll Kopfarbeit". Ich fragte, ob ich Dir nichts von ihnen schreiben könne, wenn ich Dir allenfalls schreibe, da sagte die Mutter: zu schreiben hätte man Dir viel, worüber Du lachen müßtest. „Was?" Vom Jok, der hat kein Ruhigs mehr wegen den Schulden und wegen dem Kühkoufen und wegen allem. Er hat keinen guten Humor, brummelt, daß man lachen muß, und wenn man ihn auslachen will, wird er wild.

    Jetzt sei er ins Lechtal und habe im Sinn, Kühe zu kaufen, wenn sie nicht gar zu teuer seien. (Vom Sattel und das Übrige, was zu den häuslichen Angelegenheiten gehört, wird er Dir in Beiliegendem wohl selbst geschrieben haben.) Ich blieb den Nachmittag dort und trank Most mit dem Schneider, der einen guten Humor hat. Ich erfuhr da, daß der N. Feßler, der Dich letzten Herbst besuchte, als Pfarrer nach Schnepfau kommen werde. Man redet auch wieder davon, daß der Schoppernauer Pfarrer fortkommen werde. Und da gibt es Leute genug, die sich fürchten, der Stöckler könnte kommen, und den wollte man halt nicht. In Bezau sind die Jesuiten wieder gewesen und haben geschaut, was sie wohl für Früchte der Buße dort finden und was ihr Predigen vor zwei Jahren gewirkt habe. Sie sollen, sagt man, nicht absonderlich zufrieden gewesen sein. Da ich gerade von Bezau rede, muß ich Dir auch meinen Gedanken über unseren Herrn Landtagsabgeordneten Egender mitteilen. Schiller sagt: „Adel ist auch in der sittlichen Welt; gemeine Naturen zahlen mit dem, was sie tun, edle mit dem, was sie sind." Nun Herr Egender hat auch bloß das, was er ist, einmal tun tut er schon sauber gar nichts. Mir kommt es vor, [als] ob solche edeln Naturen sogar zu edel seien, um auf den Landtag als Abgeordnete geschickt zu werden. Doch Du wirst den Bericht ja selbst lesen. Am Schwarzenberg ist der Landeskassier gestorben. Gott gebe ihm die ewige Ruhe und ein Weltmeer Roten! Auf dem Heimwege von Au kaufte ich mir noch Papier, um wieder schreiben zu können. Denn ich bin immer noch mit meiner Dorfgeschichte beschäftigt und erlaube mir nur, ein wenig mit Dir über meine gegenwärtige Arbeit, mit der ich jetzt bis zum 7. Kapitel gekommen bin, mich zu unterhalten, denn ob es auch Dich unterhalten wird, ist noch sehr zweifelhaft.

    Als ich vor zwei Jahren Coopers „Lederstrumpf-Erzählungen" las, da schwärmte ich förmlich für den Wildtöter, diese schöne Dichtung, aus der ein kräftiger Waldduft entgegenwehte, begeisterte mich zu meinem Schwarzokaspale, und doch würde kein Mensch eine bedeutende Ähnlichkeit zwischen beiden finden. Aber das ist nicht nötig, ich wollte ja nicht nachschreiben. Später, als ich den Plan zu meiner Dichtung gemacht hatte, las ich den Auerbach, und ich glaube, es wäre für mich fast besser gewesen, wenn ich ihn nicht gelesen hätte. Doch habe ich seine Richtung kennen gelernt, seine Bauern sind so herausgebürstet und gewichst, sie haben Uhlandische und Auerbachische Gedanken und sind ganz gemacht für die noble Welt, aber - Schwaben sind es keine mehr, d. h. es sind verklärte Schwaben, wenn ich so sagen darf, wie die Schillerschen Gestalten. Nun habe ich in meinen Liedern „Die Stickerin" und „Rehmen" auch ideal gemalt, aber ich glaube, daß das beim Liede eher sein solle als bei der Dorfgeschichte, der Sänger soll auch edle Gefühle wecken, wo sie schlummern, der Romanschreiber aber sollte die Menschen malen, wie sie sind; er darf zwar einzelne Charaktere als Gegensatz und Muster etwas besser machen, als man sie im gewöhnlichen Leben antrifft, aber das Volk im allgemeinen, welches den Hintergrund bildet, sollte ein Dichter, der nützen und nicht bloß schmeicheln will, gerade so zeichnen, wie man es alle Werktage sieht und hört.

    So dachte ich, als ich meine jetzige Dorfgeschichte zu schreiben anfing, die mit der frühern wenig oder gar keine Ähnlichkeit hat. Ich habe hier auch die Schattenseiten des Bauernlebens darzustellen, und ich will Dir nur mit ein paar Worten sagen, wie ich das zu tun gedenke.

    Du wirst selbst gesehen haben, daß es im „Wald" Bauern gibt, die hübsch beim Alten bleiben wollen, ich möchte das die Schoppernauerhaftigkeit nennen, es gibt aber auch Fortschrittler, die alles Alte über den Haufen werfen wollen, man könnte das den Auerismus nennen. Z. B. gestern sagte Dein Bruder Jok: „Wer bloß bei seinen vier oder sechs Kühen hocke und sich wohl sein lasse, der sei nichts, man sollte etwas anfangen." Er meint, es solle alles zappeln und springen wie er. Und ich weiß ganz gut, was bereits alle Schoppernauer sagen würden, wenn sie das gehört hätten. Nun, diese beiden Richtungen, Schoppernauerhaftigkeit und Auerismus, habe ich zu schildern versucht und habe im Sinn, eine dritte als die versöhnende dazu zu tun. Wie ich das in der Geschichte, die ich schreibe, machen werde, weiß ich noch nicht, aber ich schreibe keinen Roman, bei dem der Schluß, sondern ein Werk, das an sich selbst die Hauptsache ist - wenn ich es kann, wie ich möchte. Ich habe mir den ganzen Gotthelf angeschafft und lese sehr fleißig darin. Da habe ich mich mehr als einmal verwundert, wie ganz regellos er seine Sachen geschrieben und wie kunstlos und einfach abgeschlossen hat. Bei ihm ist das Werk die Hauptsache. Mir gefällt er gut. Mit Auerbach hat er gar nichts gemein, als daß beide Dorfgeschichtschreiber sind, und wie mir die Naturdichtung Goethes mehr zusagt als die Kunstdichtung Schillers, so gefällt mir auch Gotthelf besser als Auerbach. Dir würde auch Auerbach besser gefallen, glaube ich, wie Dir auch Schiller besser gefällt. Du würdest Dich aber irren, wenn Du glaubtest, ich wollte unsern größten Dichter im Ganzen mit den beiden Dorfgeschichtschreibern vergleichen. Ich brauche diesen Vergleich nur, um Dir meine Gedanken mitzuteilen. Nun möchte ich Dich bitten, mir darüber und über das Rehmerlied auch die deinen zu schreiben. So! Wenn Du endlich bis daher gelesen hast, so bist Du glücklich zum Schluß dieser Abhandlung gekommen, und nun will ich Dir, damit die Sehnsucht nach einem nächsten Brief bei Dir nicht zu groß werde, noch versprechen, daß ich dort meine Abhandlung wieder fortsetzen werde, und nun hoffe ich, es werde Dich nicht mehr grob darauf „blangoro". Hast Du Dir Liebigs „Geschichte des Feldbaues" schon angeschafft? Wie gefällt sie Dir?

    Ich und die Meinen sind gesund und wohl und alle Welt läßt Dich grüßen.

    Lebe wohl, lieber Freund, und vergiß nicht Deinen aufrichtigen Freund

    F. M. Felder

    Wenn Du Zeit dazu hast, so bitte ich Dich, mir wieder ein paar Zeilen in meine Einsamkeit zu schicken.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 8. März 1863

     

    Lieber Freund!

    Ich habe schon längere Zeit den Willen gehabt, Dir zu schreiben, aber immer ist etwas dazwischen gekommen. Ich bin nämlich durch mein Ämtchen dermalen wohl stark beschäftigt, so lange der Riedel im Landtag ist. Ich habe nämlich zu den Grundlasten-Ablösungssachen auch noch Riedels Referat für die Landtagsdauer erhalten. Nachdem nun aber der Landtag sein Werk für heuer in Bälde abgetan haben wird, so werde vor allem ich eine gute Wirkung hievon verspüren. Ich, der Büro-Mann, bin also froh, Riedels Landtagstätigkeit beendet zu sehen, während Ihr Draußigen ihm wahrscheinlich seine diesfällige Tätigkeit danken werdet. Doch habe ich vielleicht eine zu gute Meinung von Euch Waldleuten, wenn ich glaube, Ihr habet fortlaufende Einsicht genommen in die Landtagsverhandlungen und sie mit Euren Sympathien und Antipathien verfolgt. Hierzulande ist der Bürger sehr eingenommen für dieses Landesinstitut und die stenographischen Berichte werden mit lobenswertem Eifer gelesen. Riedel ist der Mann des Tages geworden. Dies hat jedenfalls seine Bedeutung, und man ist hier sehr begierig, zu sehen, welche Behandlung die Hohe Regierung diesem Volksmann angedeihen lassen werde. Eure Wälder-Abgeordneten dagegen werden hier scharf kritisiert und wird besonders der Bauernstolz derselben hart hergenommen. - Ich bin, Gott sei Dank, gesund und wohl. An Lichtmeß war ich in Feldkirch, traf die Ludmilla aber nicht. Die Einleitung in die Grundgesetze des Feldbaues von Liebig habe ich bestellt und erhalten, aber noch keine Zeit bekommen, sie zu lesen. Pinzger hat mir geschrieben, er ist immer unpäßlich. Er lobt mein vorjähriges Geschreibsel und will es mit einer juristischen Arbeit von ihm verbinden, wenn seine Gesundheit es erlaubt. Aus Ungarn erhielt ich auch von Freundeshand ein Schreiben, das mit wenig Worten über dortige Zustände mehr und Besseres sagt, als lange Leitartikel der Allgemeinen Zeitung. Was wollen die Wälder mit den Polen anfangen? Daß diese nicht bloß in unmittelbarer Nähe der Ungarn hausen, sondern auch überhaupt mit ihnen sehr nachbarlich sind, ist Dir bekannt. Wir haben in diesem Bezirk die Klauenseuche, und zwar im Klostertal bereits in allen Dörfern. Die Schweine, durch die sie herkam, sind letzthin auch auf dem Markt in Rankweil gewesen, und so wird diese Seuche im ganzen Lande ausbrechen. Zum Glück soll sie nicht bösartigen Charakters sein. - Das neue Grundbuch wird im Landtag durchgehen, und sag somit meinen Brüdern, sie können wegen der Verschreibung von Krumbach die Einführung dieses Gesetzes abwarten, die vielleicht noch in diesem Jahr stattfindet. Dort geht's dann einfach und ohne Kosten auf die Verbuchung der Schulden. Wenn Du zum neuen Pfarrer in Schnepfau kommst, so nimm den Hut nur gehörig ab und mach dann noch in meinem Namen ein Kompliment. Er war als Student oft bei uns in Au und ist ein besonderer Bauernfreund, wenn sie nicht stinken. - Deine Dorfgeschichte ist mir immer noch nicht zugekommen, laß sie einmal von Stapel laufen. Man wird sie auch hier gerne lesen. Überhaupt ist hier schon Sinn für Derartiges. Man liest ziemlich viel und am liebsten Vaterländisches. Wir haben auf der Post auch eine schöne Auswahl von Zeitungen: Allgemeine, Presse, Innzeitung, Tiroler Stimmen, Feldkircher Zeitung, Gartenlaube etc. Der 26. Februar wurde hier gehörig gefeiert, am schönsten in Vorarlberg. Mich interessierte aber mehr die Feier des Funkensonntags. Da zeigte sich noch wirkliche Volksfreude, das ist hier ein wahres Volksfest. - Was sagen die Wälder zum neuen Gemeindegesetz? Jetzt werden sie den Kamm gehörig aufrichten, d. h. die Aristokraten. Den Armen wird es noch schlechter gehen als bisher, wohingegen die Reichen eine Fülle von Rechten und Befugnissen erhalten, die sie in Verbindung mit der vorhandenen mehreren Ausbildung und Befähigung nicht ermangeln werden, tüchtig auszubeuten. Den Jesuiten wird die Gelegenheit nicht entzogen werden, die Armen mit der Verheißung der für sie behaltenen ewigen Reichtümer und dem Trost, daß die Reichen hier ihren letzten Himmel haben, auch künftighin an sich zu fesseln. Man wird z. B. den Armen die ihnen bisher schon so sauer gemachten Vorfreuden des Ehestandes noch mehr versäuern und womöglich ganz nehmen. Dieses Mittel der Kultur und Bezähmung wilder Naturen wird den Geldbeuteln zum Opfer fallen müssen. Überhaupt macht sich die Geldbeutelweisheit in diesem Gesetz sehr breit, und ich danke Gott, daß meine erste Armut in frühere Zeiten gefallen ist, wo die Kunst, die Armen noch ärmer zu machen, noch nicht im Ansehen von heute stand. Tausend Grüße. Schreibe bald Deinem Freunde

    K. Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • Datum unbekannt
    1. März 1863

    [. ..] Unsere Losung sind die Worte Herders: Zur Arbeit, Liebe und Veredlung war das Leben uns gegeben. Fehlen diese, was hat der Mensch am Leben; hat er diese, was fehlt ihm noch, worüber will er klagen? Die besten Schriftsteller Deutschlands sind unser Gemeingut. Meine Bibliothek ist mir ein wahrer Schatz und zwar kein kleiner. Wärest auch du da, würde zu meinem Glücke nichts mehr fehlen und freudig würden wir dich begrüßen und aufnehmen als den dritten im Bund, aber nicht den letzten. [...] Ich habe in meinem Leben schon manches gute Buch gelesen; aber ich habe dabei auch immer ein offenes Auge gehabt für alles, was um mich her vorging; ich bin kein Bücherwurm geworden, habe mir meine eigene Ansicht von allem bewahrt und dadurch, daß ich fremde Urteile hörte und las, meine Ansicht nicht verloren, sondern nur ausgebildet. (Ich schreibe das nicht aus Stolz, sondern weil ich offen sein will gegen meinen Freund, wie es bei uns ja immer gewesen.) Ich habe meine Heimat, ihre reli­giösen und sozialen Verhältnisse kennen zu lernen versucht, ich habe ihre Sprache studiert, so weit mir das mit den sprach­wissenschaftlichen Schriften, die ich besitze, möglich war. So habe ich nach richtiger Auffassung aller Verhältnisse gestrebt. Und was ist nun die Folge? Ich habe manches Gute, das geför­dert zu werden verdiente, gefunden, aber auch viele Übel­stände, die sich wie schwarze Schatten über das liebliche Bild des idyllischen Wälderlebens hinziehen. Wer hier etwas tun könnte durch Wort und Tat zur Förderung der Volksbildung und mithin des gemeinen Wohles, der, dachte ich, der hätte nicht umsonst gelebt. Du erinnerst dich noch, daß ich früher nichts Höheres kannte und wünschte, als Dichter und Schrift­steller zu werden, und noch jetzt schätze ich mich glücklich, daß mir nun dieser Wunsch erfüllt wird. Ich habe nämlich im letzten Jahre eine Dorfgeschichte aus meiner Heimat geschrieben, da ich mich dieser Aufgabe gewachsen glaubte, und habe dann meine literarische Arbeit an eine Buchhand­lung zur Beurteilung geschickt. [...]

    Franz Michael Felder
    Johann Josef Felder
    Nümmamüllers
  • 6. Januar 1863

     

    Mein teurer Freund und Götte und Schwager und alles! Wenn Du Dich noch in der Au aufhieltest, so würde ich jetzt bestiefelt und behütet zu Dir hinabwandern, um Dir meinen herzlichsten Glückswunsch in natürlich ausgezeichnet gelungenen Versen, wie man sie von mir immer hört, darzubringen. „Das könntest Du auch schriftlich tun!", wirst Du denken. Und ich tue es auch; zwar nicht in Versen, aber deswegen nicht minder aufrichtig:

    „Immer möge Dir, wie Deinem Namenspatron, der Stern des Glückes leuchten und Dich zum glücklichen Ziele führen; aber - kehre nicht mehr zurück zum Herodes, sondern opfere Deine Schätze dem Gotteskinde Humanität, wie Du es bisher getan, und kehre, mit dem erhebenden Gefühl, die Wahrheit gefunden zu haben wie die drei Könige, wieder ins Land Deiner Väter zurück!"

    Das ist der wesentliche Inhalt dessen, was ich heute gedacht habe, sollte Dich etwa der befehlende Ton befremden, so bitte ich Dich, zu bedenken, daß es eben ein Wunsch ist, den ich gerade so ausspreche, wie ich ihn habe. Bloß einfach einen Glückwunsch schreiben - das tut jeder Lapi, aber dabei sagen, was man denkt, das tue nur ich - verstanden. Ich bitte, Ton und Schreibart zu entschuldigen, denn ich habe erschröckliches Zahnweh -.

    Wenn man mit zwei Hämmern auf einmal auf einen leeren Kessel schlägt, so tönt der Kessel, eben weil er leer war; ich brauche dieses Bild, um Dir im Kessel mein ereignisleeres Leben und durch die Hammerschläge den Eindruck darzustellen, den die zwei Briefe, die ich am 28. Dezember erhielt, auf mich gemacht haben. Der eine war vom Uhrenmacher Felder in Bordeaux. Der zweite von Dir, und beide haben mich herzlich gefreut.

    Der Uhrenmacher schreibt mir im besten Humor von der Welt, daß es ihm gut gehe und weder an Geld noch an Kredit fehle. Er hat mir eine Karte geschickt, die, so viel ich herausbringe, von der Industrieausstellung in England kommt, ich habe sie hier beigelegt und bitte Dich, mir diese samt Erklärung wieder gelegentlich zurückzuschicken. Dein beigelegtes Schreiben an J. S. habe ich selbst abgegeben und dabei, wie Du es wünschtest, gar nichts gedacht, und dafür um so mehr beobachtet; seit damals bin ich nie mehr in die Au gekommen und weiß Dir daher nicht viel Neues von dort mitzuteilen. Das Wichtigste von dort ist, daß der Muxels Hans mit Veris Michlers Motlo und Vorstehers Bub mit Rüflis Bablo Hoziglüt seand. Bero Michol (der Bruder der Sonnenwirtin) ist endlich gestorben. Auch hört man in der Au hie und da die Neuigkeit, daß Jauko Franz Michol vu Schauponnou a Werk in a Buochhandlung gschickt und daß man's ganz gut aufgenommen habe! Der Ritter hat diese Neuigkeit „vu Breagaz" -, wer sie ihm dort mitgeteilt hat, weiß ich nicht, hier in Schoppernau weiß bisher noch kein Mensch etwas davon. Herr Stettner hat mir für die erste [Ausgabe] meines Nümmamüllers 100 fl. Honorar versprochen und ich habe es angenommen, da ich auch mit seinen sonstigen Bedingungen zufrieden war. Deine Schwester Barbara in Mellau hat vor acht Tagen einen Franzsepp überkommen, aber leider ist er gestern wieder in den Himmel, worüber die Mutter, wie ich heute hörte, sehr betrübt ist. Mein Wible ist vor einer Stunde zu ihr, um morgen das Kind begraben zu helfen. Hier erlaube ich mir, Dich mit einem Dir sicher noch unbekannten Wälderbrauch bekannt zu machen. Wenn ein sogenannter „Engel" stirbt, so hat an ihm hauptsächlich auch der Götte einen Fürsprecher im Himmel, der Götte muß oder sollte daher demjenigen, der ihm den Tod eines solchen Kindes meldet, das

    sogenannte Möttibrod geben und dieses besteht in je

    mehr, desto lieber, die Nutzanwendung hievon lasse ich Dich selbst machen. - Jetzt ist es die höchste Zeit in den Stall und ich beeile mich noch, daß mir alle vier Kühe gekalbet haben und gut geraten sind, Dir mitzuteilen.

    7. Jänner

    Das Zahnweh hat mich wieder verlassen und ich fühle mich recht wohl im warmen Stühle, während es draußen furchtbar stürmt und so warm ist, daß der Schnee schmilzt wie im Frühling. Es hatte hier im Dezember sehr viel Schnee gemacht und auch deine Brüder samt dem Vieh hat es auf Krumbach eingesperrt und sie haben bisher noch nicht herausziehen können. Jok war vorgestern da und sagte, am Donnerstag werden sie kommen, aber wenn es so warm bleibt, so werden sie morgen wohl noch nicht kommen, schon jetzt hört man alle Stunden die Lawinen krachen, und dazu heult und tost der Wind, daß man es noch selten so gehört hat. Der Schnee auf den Dächern ist bereits geschmolzen, und wenn es noch lange so fortstürmt, so werden unsere Dächer abgedeckt werden, wie vor Zeiten den Bauern, die sich von ihren Weibern mißhandeln ließen. Es ist fast, [als] ob unser Dörfchen heuer immer von Stürmen heimgesucht werden solle, der Anfang wenigstens ist stürmisch genug. An der Gemeinderechnung kamen die Oberdörfler mit warmem, die Herrn Unterdörfler aber mit kaltem Wind zum Kronenwirt, aus diesen ungleichen Winden entstand natürlich ein tüchtiger Sturm, dieser Sturm riß schonungslos die deckenden Wände von den hiesigen Verhältnissen hinweg - und wer Augen hatte, konnte sehen, wer Ohren hatte, hören und - lieber Freund! ich sah und hörte. Was? Davon ein andermal. Für jetzt nur so viel, daß sich die Oberdörfler gar nicht zu ihrem Lobe gezeigt haben, aber gezeigt haben sie sich! Ich habe meinem Ärger - denn Ärger hatte ich ein wenig, obschon ich im Grund nichts anderes erwartete, als was auch wirklich geschah, - in einem Gedicht Luft gemacht, das ich Dir gelegenheitlich mitteilen werde.

    Die Nachricht der Zeitungen, daß jetzt in Österreich überall alles vom Landtag sich unterhalte, verdiente eine Berichtigung, denn der Bregenzerwald wird wohl auch zu diesem „überall" gehören, und hier hört man kein Wort davon. Letzthin sagte man in der Sennhütte: Die Malefiz Diontoschleakar hukod iz schu anderthalb Jaur z'Wien und hint nu subor nix usgmachot, äs a Gsetz, wau Geischlis und Weltlis dorweoder gsin ist und daß ma mehr Stur zahlo müoß. Mit dem Gsetz meinte man den Mühlfeldschen Entwurf. Von der „Glaubenseinheit" sagt unser Pfarrer kein Wort, auch der Bischöfliche Hirtenbrief ist nicht verlesen worden, denn es ist Grundsatz unseres Pfarrers, die Bauern, wo nicht gerade ganz von der Welt abzuschließen, ihnen doch jedes Mittel zu nehmen, das sie mit dieser bekannt machen könnte. Auffallend ist mir, daß er einige Nummern der Allgemeinen Zeitung behielt, bis sie so alt waren, daß er hoffte, ich werde sie nun nicht mehr lesen. Aber er hat sich geirrt! Jetzt hat er, der Pfarrer, Krieg mit den Kegelgräben, und da hat er ganz Recht, aber er wird sicher nicht viel ausrichten, da man ihn im Ganzen als Feind aller Vergnügungen betrachtet, und nicht ganz ohne Grund, er hat das Tanzen in Bauernhäusern und alle Unterhaltungen, denen sich früher hier die jungen Leute hingaben, unterdrückt, so viel ihm möglich war, das war die Ursache, daß in meinem Dorf in einem Jahr drei neue Kegelgräben entstanden und gewiß auch das nächste Jahr wieder stark besucht werden.

    Von meiner zweiten literarischen Arbeit weiß ich Dir jetzt noch nichts mitzuteilen, als daß ich damit sehr langsam vorwärts komme, sonst lebe ich wie der „Mann, der Gott fürchtet", Psalm Davids 111. Auch mein Jakob nimmt täglich zu an Alter und Weisheit vor Gott und den Menschen. Soeben erhielt ich ein Schreiben von Jochum in Wien, er ist jetzt gesund und es geht ihm erträglich. Sonst weiß er nicht viel Wichtiges, und es geht auch mir nicht viel besser. Die gesamte Seelenzahl von Schoppernau ist 508, davon 254 männliche und 254 weibliche Individuen. Also kann unser Pfarrer, wie einst Joh. Josef Bischofsberge r, singen:

    Alles, alles paaret sich als ich allein bleib' übrig.

    Dem Gottfriedles Josef hat die Muttergottes zum Neujahr einen Buben gebracht. Soeben kommt das Wible wieder von Mellau. Es hat dort mit noch vierzehn Personen die Nacht gewacht, wie das bei den Toten der Brauch ist. Es erzählte, was es da hörte, und das war ein Unsinn, wie ich ihn wahrhaft noch nie hörte. Für jetzt will ich Dich damit verschonen, doch wirst Du etwas davon in meinem ,Dorf-Freimaurer' zu lesen bekommen. Deine Schwester Babol läßt Dich herzlich grüßen, so wie all die Deinen. Lebe wohl, lieber Kaspar, nicht Bürokrat, und vergiß nicht Deinen alten Freund

    Franz Michel

    N.S. Das verlangte Möttibrod will ich Dir für diesmal erlassen, wenn Du mir dafür bald eine Antwort auf diesen langweiligen Brief schickst.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 26. Dezember 1862

    Mon cher Cousin!

    Dein vom 13 d.m. datirtes 8seitiges schreiben habe ich richtig erhalten u. gesehen, daß es nicht das geringste bei uns ge­ändert hatt. Aus diesem Grunde verzeihe ich Dir daß Du mir nicht früher geschriben hast. Warum ich Dir so gleich ant­worte besteht darin, daß ich meinem versprechen treu blei­ben will, denn ich habe wohnung verändert u. somit ist meine adress [genant. -] u. zugleich werde ich Dir ein gutes neues Jahr wünschen u. Dir sagen, daß wenn Du durchaus wolltest, mir ein neujahrsgeschenck machen ich alle tage bereit bin, sol­ches in Empfang zu nehmen. Ich bemerke Dir auch daß es hier herlich wetter macht. Gestern wahr ich auf dem lande 8 stunden von hier, u. ich versichere Dich es wahr angenehm warm u. die Kühe weideten auf den wisen. Ich hatte auch das vergnügen meinen Onkel Hans hier zu sehen, u. sein älterer Sohn Gabriel arbeitet hier, ist seit ein paar tagen leidend an seiner Hand u. bringt seine Zeit bei mir zu. Grüße mir meinen Vatter u. meine Schwester u. sage ihnen daß ich ihnen ein gutes u. fröhliches neujahr wünsche, grüße alle die mir nach­fragen besonders Deine Mutter u. Deine Frau. Lebe wohl u. warscheinlich in kurzer zeit werde ich Straßen ändern sobald es aber geschiet so werde ich Dir es anzeigen.

     

    Johann Josef Felder
    Bordeaux
    Franz Michael Felder
  • 26. Dezember 1862

    Geehrtester Herr Stettner!

    Ihrem Wunsche gemäß, beeile ich mich, Ihnen nun das unterm 8 d Mts zurückerhaltene Manuskript wieder zu über­senden, nachdem ich die letzte Zeit her jeden freien Augen­blick zur Durchsicht desselben benützt habe. Schon beim bloßen Durchblättern desselben werden sie sehen, daß ich in sprachlicher Beziehung sehr viel daran geändert habe. Zwar habe ich einzelne Ausdrücke, wie z.B. „Haß", „Nathstubat", „Strich" u.s.w. stehen lassen, auch wenn sie in der Erzählung vorkommen; aber, dieses ausge­nommen, werden sie finden, daß ich Ihrem freundschaft­lichen Rath gefolgt habe u. Ihnen daher stets dankbar sein werde.

    Villeicht hätte ich über die Sprache der Wälder u. darüber, daß ich die Eigentümlichkeiten des Dialekts u. der Rede­weise nur in so weit beibehielt, als es mir, um das Wesent­liche derselben darzuthun, nöthig schien, in der Vorrede etwas sagen sollen; aber ich glaubte, daß dieß alles von andern Dorgeschichtschreibern schon oft genug gesagt wor­den sei.

    Villeicht würde ich später noch etwa eine Kleinigkeit, die ich dießmal übersehen haben könnte, zu verbessern finden, aber ich hoffe, daß der Setzer die Güte haben werde, offenbare Schreibfehler zu berichtigen. Die Wälderausdrücke habe ich absichtlich etwas größer geschrieben, bloß um sie leserlicher zu machen. Ich muß hier auch noch bitten daß diese Aus­drücke so gedruckt werden wie ich sie geschrieben habe, obschon das nicht ganz mit dem übereinstimmen mag, was bisher über den Wälderdialekt geschrieben u. als Beispiel angeführt worden ist. Auch Vogts „Wälderbuob" ist sowohl im Text als in den Anmerkungen an mehreren Stellen unrichtig. Die mit X oder C bezeichneten sind mit einer Anmerkung unter oder neben dem Text versehen, u. wenn sie eine oder die andere für überflüssig halten sollten, so steht es Ihnen frei, sie zu streichen. Ich bin sehr begierig, wie sich das Werk­chen gedruckt ausnehmen werde, u. bitte daher, mir, wenn es möglich wäre einzelne Druckbogen zu schicken, bevor die ganze Auflage gedruckt wird, damit ich allenfalls eingeschli­chene Druck- oder Schreibfehler noch verbessern könnte. Jedoch überlasse ich das ganz Ihnen u. verlange es durchaus nicht, wenn sie es für unmöglich oder unnöthig halten sollten. Dringende Briefe usw. bitte ich mir stets durch die Post zu überschicken; Sendungen u.d.gl. wird Herr Kaspar Muxel von hier pünktlich besorgen.

    Bittend,  daß  Sie  mir den   Empfang  dieses  gelegenheitlich berichten, u. mit dem aufrichtigsten Glückswunsch zum neuen Jahr zeichne ich mich Hochachtungsvoll Ergebenst

    Franz Michel Felder

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
  • 21. Dezember 1862

     

    Lieber Schwager!

    Du weißt, daß zu dem Produkt der menschlichen Gesellschaft, das man „Bürokrat" heißt, allerlei Brimborium erforderlich ist, und daß das fertige Produkt es liebt, sich wie ein Murmeltier zu verhüllen und den Blicken der Welt zu entziehen. Die Komposition dieses Hüllenwesens einer anderen Analyse überlassend, will ich Dir über einen Aufenthaltsort desselben Mitteilungen machen. - Wenn Du von Thüringen her auf der alten Straße durch den mittelalterlichen Torbogen, bei dem Herzog Friedrich mit der leeren Tasche, vom Konzil von Konstanz kommend, mit dem Nachtwächter über den Einlaß unterhandelte, in das Städtchen Bludenz eingetreten bist, fällt Dir gleich ein breites und hohes, ganz friedsam und naiv dreinschauendes Haus und daran ein düsterer Adler, der beständig die Flügel zum Fluge spreizt und doch nicht zum Fliegen kommt, in die Augen. Dieses Haus merk Dir, es ist das Bürokraten-Haus von Bludenz. Warum das Symbol dieses Hauses, der düstere schwarze Vogel, so ernsten Willen zum Fliegen und so bedenkliche Schwäche zum Vollzug eindringlich vorstellt und welche Beziehung zu den Inwohnern hiedurch angedeutet werden soll, steht nicht auf der heutigen Tagesordnung, da ich nur über einen Aufenthalt eines Bürokraten referieren will. Im zweiten Stock dieses Adlerhauses sitzt eben einer in einem geräumigen, mit Akten, alten Büchern und dem selbstverständlichen Kanzleigestank reichlich versehenen Zimmer. Vor, neben und hinter ihm liegen ehrbare Aktenstöße, die in stummer Resignation die endliche Lösung ihres Schicksals erwarten. Des Bürokraten Auge mustert diese Gesellschaft, sucht sich in die richtige Positur zu werfen, und nachdem er sie gefunden, beginnt die Amtierung. Was nun da geschieht, ist nicht interessant zu wissen, und daß dieser Amtierer Kaspar Moosbrugger heißt, ist zwar auch nichts Interessantes, aber Du weißt nun, wo sich dieses Menschenkind dermalen aufhält. Soviel vom Bürokraten K. M. - Nachdem ich heute vor drei Wochen von Dir Abschied genommen hatte, habe ich noch einige Stunden an dem bewußten Orte verbracht und bekam Gelegenheit zu interessanten psychologischen Bemerkungen. Du wirst sagen, das wird wohl nicht das erstemal gewesen sein? Richtig, aber die vorgängigen Bemerkungen wurden wesentlich ergänzt. Doch für diesmal genüge die Notiz, daß der beiliegende Brief eine Folge dieser Ergänzung ist. Du wirst ihn der Adresse noch vor Neujahr vertraulich zupraktizieren und dabei an nichts anderes denken, als daß ich eine Freundespflicht erfülle. Der Aufenthalt in Bludenz ist wie der in einem Dorf Städtchen: Spießbürgertum ist Trumpf. Doch sind diese Bürger ehrliche und rechtschaffene Leute, und der Verkehr mit ihnen bringt dem Herzen stärkende Labung. Unsere Geistlichkeit predigt stets von der Glaubenseinheit, aber mit einer Wärme und Überzeugung, die immerhin sympathetisch zu wirken geeignet ist. Sonst bin ich gesund und wohl und mit meiner Lage zufrieden. Mehreres in dem Brief, den ich heimschicke. Mit tausend Grüßen ans Wible und die Mutter und voll guter Neujahrswünsche an Euch alle und den Kronprinzen, dem ich das Neujahr gelegentlich geben werde.

    K. Moosbrugger

    Ich erwarte bald viel Neues und Gutes zu hören. Über die Bludenzer Lektüre ein andermal. -

    Kaspar Moosbrugger
    Bludenz
    Franz Michael Felder
  • 19. Dezember 1862

    Werther Freund!

    Dein schreiben vom 9./12. habe ich heute, gegen 1 f bar geld richtig erhalten. Du bist, scheint es mir sehr reich an papir, daß Du so große bogen mit wenig werten in die fremde schickest, denn in Frankreich zahlt jeder Brif dais doppelte welcher mehr als 20 gramm wigt, merke Dir das für das nächste mahl. Du schribst mir daß gar nichts neues in unse­ren alten Bergen letzes jähr vorkam u. das glaube ich, denn wo Pfaffennebel ligt entsprist keine neue pflanze. Ich hörte mit vergnügen Deine gesundheit so auch das Wohlbefinden Deiner für mich so guten mutter u. hoffe, daß Du noch lange das Glück habest dieselbe zu besitzen, denn ich kann Dier sagen daß ich den Verlust der meinen tief ja sehr tief entp[f]inde. Auch freute es mich sehr zu vernehmen, daß Du schon etwas lebendiges gemacht hast, in diesem Falle beneide ich Dich, denn ich sage Dier aufrichtig, daß ich nur habe wollen machen.

    Jetzt etwas von mir. Ich mache Dier bekannt, daß ich seit dem monat mai ein magasin gelehnt habe u. ich bin daher ein mann auf meine rechnung. Der mithzins kostet mich jährlich 480 Francen 50 Franc patent zusammen 530 Francen - um den Zins Kost u. Kleidung zu verdinen kannst Du Dir einbilden daß ich Geld gewinnen muß denn ich rechne 3 Franc par tag für Kost, trotzdemm geht es gut u. ich habe vil arbeit, u. trinke hie u. da ein gutes glas auf Deine Gesundheit. Ich bin gesund u. munter u. stoltz ein deutscher Uhrenmacher zu sein in einer Stadt wo es so ville tausende Fremde hat. Zudem spreche ich mit Holänder u. no[r]vegern auch mit Eng­länder ich bin der einzige Uhrenmacher der sich mit allen diesen zu verstehen machen kann. Bis dahin hatte es mir fast immer an geld u. Credit gemangelt, aber Gott sei gedankt, ich habe mir Credit erworben u. das ist besser als geld. Übrigens geht der Handel sehr schlecht, besonders der Seehandel, denn in Bord[e]aux wo es immer viele Americanische Schiffe hatte, sind bereits keine mehr. Die Arbeit fehlt häufig, u. der Geldmangel ist unter der arbeitenden Classe sehr groß. Zum neuen Jahre nun wünsche ich Dir, was ich mir selber wünsche u. damit kannst Du zufriden sein. Ich überschicke Dier einen Fächer, den ich von einem Indianer gekauft habe, u. Du kannst versichert sein, daß er in Indien gemacht worden ist. Auch schicke ich Dier meine Kart d'adresse. Mache mir das vergnügen meiner Schwester ein gutes neues Jahr zu wün­schen, u. sie für mich Herzlich zu grüßen u. zu umarmen. Wenn Du mier Deine Dorfgeschichten überschicken willst so mache nur die adress darauf ohne sie zu versigeln, grade wie eine Zeitung, u. ich hoffe daß ich das Vergnügen haben werde sie zu lesen.

    Zum ende sage ich Dier, daß ich diesen Sommer eine lustreise gemacht habe, nämlich nach Biarritz wo der Kaiser der Fran­zosen alle Jahr hin geht. Auf dem rückweg habe ich meinen Vetter Hans in Dax besucht so auch Gabriel u. Anton seine 2 Söhne, im Oktober hatte ich das vergnügen seine Frau zu bewirten wo Sie nach 2 tagen nach Niort zurück reiste. Grüße mir alle bekannte u. Verwante so auch meinen Vatter. Mit Brudergruß u. Handschlag

    Felder horloger allees d'Orleans Bord[e]aux

    Johann Josef Felder
    Bordeaux
    Franz Michael Felder
  • 9. Dezember 1862

    Geehrter Freund!

    Hiermit stelle ich Ihnen mit vielem Dank die 5 fl Banknote, die ich Ihnen schon seit 20 August vermög Vorausbezahlg an Hr. Fr. Xav. Jochum in Wien schulde, zurük. Am 19ten vorig. M. wollte ich von Hr. Pf. v. Au lehnen, um das Gelehnte Ihnen anheimzustellen, allein ich hatte einen Metzgergang gemacht u.  seit dem  26ten v.  M.  war ich zu  nachläßig.  Dieß  die Gründe, warum das Geld in Schoppernau so spät eintrifft.

    Mit Dank u. Gruß

    Ihr

    ergebener Freund

    Joh. Jenny Pfarrer

    Johann Jenny
    Schröcken
    Franz Michael Felder
    Schulden
  • 9. Dezember 1862

    Geliebter Freund!

    Du wirst Dich erinnern, wenn Du Dich überhaupt auch an frühe­re Zeiten noch erinnerst, daß ich im Jahre 1855, als Du von Hause abreistest, schwer krank lag: von jener Krankheit wurde ich dann wieder vollkommen hergestellt, nur eine Abneigung gegen das Kalte ist mir, vermuthlich von dem Eise, welches Du, zärtlich für mich sorgender! täglich für mich aus der Himmelrise holtest, geblieben. Ich kann noch jetzt nichts kaltes essen als Fleisch, u auch nichts kaltes trinken kurz jede Erkältung von außen wie von innen macht mir Krämpfe, Du wirst es mir daher glauben, daß ich Deinen letzten Brief, welcher ebenfalls sehr kalt war, nur schwer verdauen konnte, u etwas lange Zeit dazu brauchte. Doch nun kein Wort mehr davon! Ich habe mich damit getröstet, daß ich diese Kälte wenigstens nicht verdient hatte. Ein Jahr ist nun vorüber, seiddem Du die letzte Kunde aus Deiner Heimath erhieltest, u Du wirst nun erwarten, daß ich Dir recht viel Neues mitzutheilen habe, das ist nun aber im Ganzen nicht der Fall, es ist verteufelt wenig vorgefallen, was für Dich Intresse hätte, denn ob eine Abgehende Stikerin oder drei sich zu Tod gehustet haben, wird Dir vermuthlich so gleich sein als mir, im Ganzen sind in unserm Dorf seid Neujahr 62 6 Personen gestor­ben, 15 gebohren u 4 eingewandert, also aussterben thut unser Dörfchen Gottlob noch nicht. Geheurathet haben: „Beteriis Josef" mit einer Auerin, der „gros Sefler" am Üntschen auch mit einer Auerin! u Hironimus Moosmann (Gäbars Muttile) ebenfalls mit einer Auerinn. Die Schoppernauer mögen einander nicht mehr, u da haben sie ganz recht! Mein Weiblein ist auch aus der Au, u ich habe alle Ursache zu bekennen: Es ist ein „scharmantes Weible", willst Du das nicht glauben, so komm u sieh! Denke nur! Ich bin schon „Väterle" eines gesunden Buben geworden, der jetzt schon ein halbes Jahr alt ist. Meine Mutter ist gesund u wohl, letzten Winter hatte sie einen Arm gebrochen u mußte längere Zeit auf dem Kanapee zubringen. Da kam es mir recht Wohl, daß ich geheurathet hatte. Du mußt wegen dem aber noch nicht glauben, daß ich blos geheurathet habe, um mir eine Magd dadurch zu ersparen. Nein zu dem bin ich zu wenig Bauer, unsere gemeinsa­me Losung sind die Worte Herders: „Zur Arbeit, Liebe u. Veredlung war „Das Leben uns gegeben - fehlen diese „Was hat der Mensch am Leben? - hat er diese, „Was fehlt ihm noch? worüber will er klagen?"

    Die besten Schrifsteller Deutschlands sind unser Gemeingut, meine Bibliothek ist mir ein wahrer Schatz u zwar kein kleiner, wärest auch Du da, so würde zu meinem Glük nichts mehr feh­len, u freudig würden wir Dich begrüßen u aufnehmen als den dritten im Bund, aber deswegen nicht als den letzten.

    Ich habe eben gesagt, ich wüßte Dir nicht viel neues zu schrei­ben, u das ist im allgemeinen wahr, aber etwas weis ich Dir doch noch, das Dich, wenn Du an mir noch so lebhaften Antheil nimmst als früher, sehr überraschen wird, höre also mit Gedult u Aufmerksamkeit! Ich habe in meinem Leben schon manches gute Buch gelesen, aber ich habe dabei auch immer ein offenes äuge gehabt für alles was um mich her vorging, ich bin kein Bücherwurm geworden habe mir meine eigene Ansicht von allem bewahrt u dadurch, daß ich auch fremde Urtheile hörte u las, meine Ansicht nicht verloren sondern nur ausgebildet. (Ich schrei­be das nicht aus Stolz, sondern weil ich offen sein will gegen mei­nen Freund, wie es bei uns ja immer gewesen.) Ich habe meine Heimath, ihre religiösen u sozialen Verhältnisse kennen zu lernen gesucht. Ich habe ihre Sprache studirt, so weit mir dies mit den Sprachwissenschaftlichen Schriften, die ich besitze, möglich war. So habe ich nach richtiger Auffassung aller Verhältnisse gestrebt. Und was ist nun die Folge? Ich habe manches gute, das gefördert zu werden verdiente, gefunden, aber auch viele Übelstände, die sich wie schwarze Schatten über das liebliche Bild des jdillischen Wälderlebens hinziehen. „Wer hier etwas thun könnte durch Wort u That zur Förderung der Volksbildung u mithin des gemei­nen Wohls! der", dachte ich oft, „der hätte nicht umsonst gelebt" Schluß folgt auf B2 B2

    „Immer noch der alte Schwärmer!" Wirst Du Dir denken u lächeln. - „Ja lieber Freund! u immer noch der ältere, u schon so alt, daß er in diesem Stük schon von Erfahrungen reden könnte, doch davon ein ander mal oder gar nie! Kurz u gut, ich habe, offen u geheim gekämpft gegen Irthum u Verdummung u habe dabei die bittersten Erfahrungen gemacht. Auch mit Deinem etwas Konservativen Vater bin ich zerfallen, u habe seines Hauses Schwelle seid dem 29 Dezember 1861 nicht mehr überschritten.-

    Nur Gedult, lieber! Denn Dein Nähme ist Deutscher] Also habe deutsche Gedult mit meiner langen Einleitung! Sie ist nun zu Ende - sobald ich damit fertig bin. - Mein Nähme ist „Michel" u ich werde daher die Sache nicht übereilen.

    Du erinnerst Dich doch noch, daß ich früher nichts Höheres kannte u wünschte, als Dichter u Schriftsteller zu werden, u noch jetzt schätze ich mich glüklich, daß mir nun dieser Wunsch erfüllt wird. Ich habe nämlich im letzten Jahr* eine Dorfgeschichte aus meiner Heimath geschrieben, da ich mich dieser Aufgabegewachsen glaubte, u habe dann meine Litterarische Arbeit an eine Buchhandlung zur Beurtheilung geschikt. Die Buchhandlung übergab das Manuskript einem Litteraten u ich erhielt nach genommener Einsicht einen Brief beiläufig folgenden Inhalts: " — Was Charakterschilderung u Durchführung derselben durch das ganze Werk, was Anlage u innern Gehalt betrifft, haben Sie den Zweck einer Dorfgeschichte vollkommen erreicht, nur in der Sprache würden vielleicht einige Änderungen wünschenswerth sein jedoch stelle ich ihnen das gänzlich anheim, jedenfalls ist unsere Verlagshandlung bereit, Ihr Werk zu kaufen u zu verle­gen!"

    Ich hatte in meinem Werke sehr viele Wälderausdrücke stehen lassen, u das ist alles, was man mir zu ändern anräth, aber man macht diese Änderung durchaus nicht zur Bedingung der An­nahme, ich habe mein Werk nun wieder zu einer nochmaligen Durchsicht zurükverlangt, was ich dann ändern werde, weiß ich noch nicht. Ich muß Dir noch bemerken daß ich ein Hübsches Honorar für meine erste Arbeit für meine Erstlingsarbeit erhalte, was sonst bei manchem, später beliebten Schriftsteller nicht der Fall war. Mein Werk führt den Tittel:

    „Nümmamüllers u das Schwarzokaspale" „Ein Lebensbild aus dem Bregenzerwalde." Sobald es gedrukt ist, also in ein par Monaten, werde ich Dir wie­der schreiben u Dir ein Exemplar meiner Arbeit schiken; aber bis dahin hoffe ich eine Antwort auf meinen heutigen Brief von Dir erhalten zu haben, in der Du mir schreibst, auf welchem Wege ich es Dir zu schiken solle u könne. Schreibe mir dann auch wie es Dir geht u was Du alles erlebt hast u noch zu erleben hoffest. Deine Beilage, das Gedicht, hat mir ganz gut gefallen, Du wirst Dich in meiner Dorfgeschichte überzeugen, daß meine Ansichten völlig dieselben sind. Nicht nur Kristus, auch die besten unserer Nation sind barfuß gegangen u haben mit der größten Armuth zu kämpfen gehabt. Schiller, Fichte, Herder, Lessing, Bürger, u Auerbach, das arme Schwarzwälder Judenkind, alle diese konn­ten ein Lied singen von Armut u Not, u von den Anmassungen ihrer reichern Zeitgenossen u jetzt sind diese Männer der Stolz unserer Nation. Ich sehe, daß mein Brief wieder achtseitig gewor­den ist, aber wenn er Dir auf einmal zu lang sein sollte, so kannst ja 8 Tage daran lesen. Mir ist es lieb u würde mich freuen, wenn Du mir auch eine 8seitige Antwort schiktest.

    Mein Weiblein u meine Mutter sind gesund u wohl u lassen Dich freundlich grüssen. Dir ein recht gutes Neujahr herzlich wünschend, auch die Deinen sind gesund. Sonst neues weis ich diesmal nichts, als daß heute der vorarlber­ger Landtag in Bregenz wieder eröffnet wird; Weißt Du auch schon, daß man dort jetzt eine evangelische Kirche baut? Wie geht es Dir? Wie lebst Du? Was thust Du? Das sind Fragen, die ich gern beantwortet wüßte.

    Lebe wohl, theurer Seppel ich bin u bleibe imer

    Mit Brudergruß

    u Handschlag,

    Dein treuer Freund

    F M Felder

    PS. Unsern Vetter Gabriel würde ich bedauern wegen seim un­wohl sein, aber ich kämme sicher zu spät ich benütze daher diese Gelegenheit, ihm zu seiner hoffentlich indes wieder erlangten Gesundheit zu gratuliren u im Voraus meine Freude darüber aus­zusprechen

    der Obige.

     

    *Sie wurde vollendet am 1 5 August 1 862.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 8. Dezember 1862

    Werthester Herr Felder!

    In Anlage empfangen Sie das Laut Ihrem Brief vom 5/XII zurückverlangte Manuscript.

    Es ist uns lieb, daß Sie auf einige kleine Abänderungen ein­gehen wollen und bitten wir Sie dieses möglichst schleunigst thun zu wollen, damit der Druck unverzüglich beginnen kann.

    Es ist übrigens nicht nothwendig, einiger Wortabänderungen wegen einen ganzen Bogen umzuschreiben. Corrigiren Sie nur dazwischen, da Sie ohndieß weitläufig geschrieben haben.

    Indem wir Sie nochmals freundlichst ersuchen, uns baldmög­lichst wieder in Besitz des Manuscriptes zu bringen, grüßen wir Sie aufs freundschaftlichste Ihre ergebene MRieger'sche Buchhandlg.

    W. Ludwig

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
    Nümmamüllers
  • 30. November 1862

    Geehrtester Herr Felder!

    Den Empfang Ihres Werthen vom 16. [dies.] bestätigend, beehre ich mich, Ihnen folgendes zu erwiedern. Wie es scheint haben Sie den Inhalt meines Letzten irrig auf­gefaßt, wenigstens geht das aus Verschiedenem hervor. Erstens waren die von mir gewünschten Abänderungen, welche doch höchst unbedeutend, nur in Folge Ihres ersten Schreibens entstanden, in welchem Sie mich dringend ersuch­ten, Ihnen unverholen meine Meinung über Ihr Erstling'swerk mitzutheilen. Ich schrieb Ihnen darauf, daß mich Ihr „Lebens­bild" sehr angesprochen und eine ächte Dorfgeschichte sei, daß es aber wünschenswerth sei, wenn Sie Ihr Werk noch einmal durchsehen und die verschiedenen Sprachweisen, das Hochdeutsche und den Wälderdialect, consequent trennen würden. Ich will hiermit dem Originellen Ihrer Schilderung des Waldes durchaus nicht zu nahe treten und es gestrichen wissen, sondern ich wollte nur eine abgerundete schöne Form des Ganzen bezwecken.

    Sie haben nämlich an verschiedenen Stellen in Ihrem „Lebensbilde" in einem und demselben Satze hochdeutsch u. wälderdeutsch zugleich sich ausgedrückt, ohne wie es überall üblich, den Dialect mit " anzuführen und ihn auf diese Weise nur noch mehr hervorzuheben. Man kann sich als Wälder schon hochdeutsch ausdrücken, ohne dabei denselben in seiner Eigentümlichkeit zu beeinträchtigen. Ich glaube sicher, daß Ihr Werk gewinnen würde, wenn Sie einige kleine Abän­derungen treffen würden, doch überlasse ich dieses natürlich ganz Ihrem Ermessen, denn ich bin weit davon entfernt Ihnen als Autor in irgend einer Weise etwas vorschreiben zu wollen. Was die Orthographie betrifft, so überlasse ich Ihnen, beim Corrigiren des Druckes möglichst verbessern zu wollen, wo es angeht.

    Was das Honorar betrifft, so offerire ich Ihnen für die erste Auflage die Summe von fl 100-. Ferner gebe ich Ihnen die Versicherung daß das Buch schön ausgestattet und zu einem billigen Preise abgegeben wird und glaube ich wohl, daß Sie mit allem diesen einverstanden sein werden. Die gewünsch­ten Freiexemplare erhalten Sie ebenfalls. Der beigelegte Brief von Herrn K. Moosbrugger folgt anbei mit Dank zurück.

    Indem ich Sie nun freundlichst ersuche, mir Ihren Entschluß unverzüglich mitzutheilen, damit der Druck baldigst bewerk­stelliget werden kann, zeichne mich hochachtungsvoll ergebenst

    Joh. Thom. Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 8. November 1862

     

    Lieber Freund!

    Mit innigem Interesse habe ich die Bemerkungen des Herrn Stettner über Dein ihm mitgeteiltes Manuskript gelesen. Daß ihn das Werk selbst: die Anlage und Ausführung, befriedigt, mag Dich in der Hoffnung befestigen, daß es der Lesewelt der Dorfgeschichte und überhaupt jedem, der an den sozialen Zuständen unserer Zeit Interesse hat, zusagen wird. - Die Ausstellungen betreffen nur den formellen Teil. Du fragst mich, was ich zu demselben sage? - Wie ich das Wesen der Dorfgeschichte im allgemeinen und das der Deinigen insbesondere auffasse, ist die Form, die Du gewählt hast, dem Inhalte in viel höherem Grade angemessen, als die Herr Stettner anempfiehlt. Die Dorfgeschichte schildert, wie schon der Name sagt, das Volk auf dem Lande und hat den Zweck, dessen Wesen und Eigenart der s. g. gebildeten Welt vorzuführen, um so zwischen den vorher zu stark geschiedenen zwei Hauptfaktoren unserer Gesellschaft: Stadt und Land zu vermitteln. Ihr Zweck ist daher ein vermittelnder. Demgemäß darf sie weder die reine Dorfsprache sprechen, noch die der Gebildeten, d. h. die hochdeutsche, sonst spräche sie die Sprache der einen Partei, wäre parteiisch. Sie muß den Gebildeten, den Hochdeutschsprechenden, leicht verständlich sein und das Wesen des Landvolks widerspiegeln. Dies geschieht, wenn der Erzähler überall, wo des Landvolks eigene Denkungsart sich eigene Ausdrücke und Redeweisen schuf, die das Hochdeutsche nicht oder anders kennt, vom Hochdeutschen abweicht und den vom Gegenstand der Erzählung geforderten Ausdruck wählt. Zur Verständlichung sind dann die Anmerkungen am Platze. Die Gespräche etc. müssen daher nicht weniger diese Mischungssprache - die immerhin eine reindeutsche ist - zeigen, als die Erzählung selbst. Du siehst dies auch bei dem Kernigsten der Dorfgeschichtschreiber, bei Jeremias Gotthelf, wie auch bei Auerbach. Was die Bemerkungen wegen der Orthographie anbelangt, magst Du ruhig die Kritik der Lesewelt abwarten und es getrost unseren „Motla" überlassen, sich zu wehren, daß man sie nicht „Moadla" schimpfen soll. Und betreffs des Wörterbuches möchte ich im Interesse der Wahrheit jene, die bisher über die Wäldersprache schrieben, lieber an Dich, als Dich an sie verweisen. -

    Dies ist meine Meinung, mach aber, wie Du willst. Ein Schriftsteller muß auf eigenen Füßen stehen. - Den mitgeteilten Brief schließ ich bei und wünsche Dir den Erfolg, den Dein Unternehmen verdient. Mit Gruß Dein Freund

    Kaspar Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Au
    Franz Michael Felder
  • 29. Oktober 1862

    Werthester Herr Felder!

    Ihr Manuscript habe ich mit größtem Intresse aufmerksam durchgelesen und erstatte Ihnen somit, in Beantwortung Ihres Werthen vom 17. August, Bericht.

    Was Anlage u. Schilderung Ihres „Lebensbildes" betrifft, so haben dieselben einen guten Eindruck auf mich gemacht und haben Sie den Zweck einer Dorfgeschichte vollkommen erreicht. Jedoch mache ich Sie auf folgendes aufmerksam. Die Erzählung müßte nothwendig in hochdeutscher Sprache durchgeführt werden, die Gespräche und Stellen, wo Sie andere reden lassen, wären dagegen in Wälderdialect conse­quent auszuarbeiten. Bringen Sie in der fortlaufenden Erzäh­lung Redensarten u. Worte vor, welche den Bregenzerwald characterisiren und zu seinen Eigentümlichkeiten zählen, so müssen dieselben natürlich im Wälderdialect angeführt, wohl aber apostrophirt werden. Lesen Sie gefl. im „Auerbach" nach und Sie werden sehen, daß dessen Dorfgeschichten in dersel­ben Art u. Weise geschrieben sind. Ferner wäre noch zu wün­schen, daß die Orthographie des Wälderdialects präziser angegeben würde. Am Besten wäre es freilich, wenn die Worte ebenso geschrieben würden, als man sie spricht. So z.B. das Wort „Motol, Motla"; wäre da nicht richtiger „Moadia"? Vielleicht haben sie einen Bekannten, der die Wäl­dersprache genauer studirt hat, mit dem Sie sich in's Beneh­men setzen können, oder es existirt wohl ein Wörterbuch, nach dem Sie das Sprachliche consequent berichtigen könn­ten.

    Den meisten schwer zu verstehenden Wörtern der Wälder­sprache haben Sie auf gleicher Seite erklärende Bemerkungen beigefügt. Ich möchte Ihnen aber vorschlagen, statt dessen ein kleines Wörterbuch anzufertigen, was Ihrem Werke als Anhang diente. Da Sie doch die Bemerkungen bei wiederkeh­renden Worten nicht wiederholen können, so würde die von mir angegebene Weise zur Bequemlichkeit der Leser wohl angebracht sein.

    Bindewörter wie „herentgegen" dürften durch „dagegen" ersetzt werden und Wiederholungen bei Satzeingängen zu vermeiden sein.

    Das sind die Hauptsachen, wo eine Verbesserung wünschens­werth ist. Haben Sie die Güte und gehen Sie Ihr Werk noch­mals recht genau durch und berücksichtigen Sie dabei die wenigen Bemerkungen, welche ich Ihnen machte. Nun erkläre ich Ihnen auch, daß ich gern bereit bin, Ihr Werk zu verlegen und wollte ich Sie gebeten haben, mir Ihre Ansprüche auf Freiexemplare oder wenn Sie sonst Wünsche haben, mittheilen zu wollen. Ich dagegen würde Ihnen die Versicherung geben, daß das Buch elegant gedruckt und aus­gestattet wird. Das Format würde wie das von Herzog's „Idea­list" und „Maria" sein und die Zahl der Druckbogen sich auf ohngefähr 15 belaufen. Der Druck kommt mir bei Ihrem Werke viel höher, als bei ändern, weil das Setzen eines Sprachdialects vielmehr Zeit in Anspruch nimmt als bei einer reinen Sprache.

    Ich erlaube mir nun noch die Anfrage, auf welchem Wege ich Ihnen  das  Manuscript senden  darf, der Druck wird  dann sogleich beginnen, wenn ich es von Ihnen zurückerhalte. Es empfiehlt sich Ihnen freundschaftlichst mit vollster Hoch­achtung Ihr ergebenster

    Joh. Thom. Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 9. Oktober 1862

    Mein lieber Herr Felder.

    Mit Gegenwärtigem möchte ich Sie nur benachrichtigen, daß ich heute eine Kiste Äpfel, gez. FMF # 325 schwer 62 [pfund] pr. Eisenhandlung Frz. Jos. Pircher in Bregenz franco an Sie absandte.

    Ich habe Hrn Pircher aufgetragen die Kiste durch Casp. Muxel frco am Freitag an Sie gelangen zu laßen. Es sind 3 sehr haltbare Sorten, u. möchte ich Sie freundlichst bitten 10-12 Stück schöne Äpfel davon der Jgfr. Maria Bar­bara Oberhauser zukommen zu laßen.

    Ich war den ganzen Sommer bis zum 5ten Octob. theils in Bayern, Österreich u. Schweiz auf der Reise u. werde ich am 14 ds. meine Reise in den lieben Bregenzer Wald antretten, wo ich dann so gegen Sonntag bei Ihnen eintreffen werde. Sehr wahrscheinlich werde ich ein Glied der Familie mehr finden, wozu ich Ihnen von Herzen Glück u. Segen wünsche.

    Nebst den herzlichsten Grüßen an Sie, werthe Frau u. Mutter auch Familie Oberhauser 'Inbegriffen.

    Philipp Aug. Bopp

    Ihr Novellenmanuscript ist angekommen, konnte aber noch nicht lesen!

    Philipp August Bopp
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 11. September 1862

    Mein theurer Freund!

    Deinen letzten Brief habe ich richtig erhalten. Es hat mich sehr gefreut, daß Du so schnell mir aus meiner Verlegenheit geholfen hast, und bereitwillig Dir Mühe gäbest in Ermang­lung eigener Baarschaft mir sonst Geld zusammen zu bringen. Ich erhielt Deinen Brief, Gott Lob, wieder in meinem Quartir, denn am 28ten vorigen M. konnte ich das Spital wieder ver­lassen, und fühle mich wieder so gesund und wohl wie je. Meine wiederholte Kränklichkeit in Wien und meine Geldver­legenheit scheint mir die Ursache gewesen zu sein, daß Du so derb über unsere Residenzstadt loszogest u. mir riethest Wien zu verlassen. Ich würde deßhalb diesen Punkt berührt haben, auch wenn Du mich nicht aufgefordert hättest, dieses zu thun.

    Nun denn: Meine erste lebensgefährliche Krankheit, der Thyphus, kann allerdings dem hiesigen Klima zugeschrieben werden, auch die Blattern hätte ich vielleicht an einem ändern Orte nicht bekommen; Diarrhe und d.g. aber sind Zufälligkeiten, die überall vorkommen können. Fast alle meine Landsleute, die ich hier kenne, sind frisch und gesund, nur daß einige den Thyphus überstehen mußten. Also glaube ich wohl annehmen zu können, daß es eben blos Zufall war von ändern Unpäßlichkeiten heimgesucht zu werden; habe ich nicht auch in Feldkirch, in dem gesunden heimischen Klima, Rippfellentzündung und damit in Verbindung Gelb­sucht u. andere Kränklichkeiten zu überstehen gehabt? Habe ich nicht auf dem frischen Krumbach Jahre lang an Husten u. Brustweh gelitten, u. ist es mir nicht fast jedesmal, auch noch in der 8ten Klasse übel geworden, wenn ich mich lange in der Kirche oder sonst an einem kalten Orte ruhig aufhielt? Und sieh, diese Leiden leben blos mehr in der Erinnerung hier im verpesteten Wien.

    Nach überstandenem Thyphus glaube ich daher an einem ändern Orte ebenso vielen Gefahren für meine Gesundheit ausgesetzt zu sein, als hier.

    Du findest es auch unbegreiflich, oder wenigstens kommt es Dir unerwartet, daß ich Jemanden in meiner Heimat um Geld angehen muß. Wenn Du aber bedenkst, daß fast jeder Stu­dent hier wenigstens einige Hundert Gulden jährlich v. Hause bekommt, während mir nur einige Geschenke von Vorarlberg zufloßen, die im Ganzen eine nicht gar große Summe aus­machen; wenn Du ferner nicht aus den Augen läßt, daß ich öfters, in diesem Jahr zwei mal, das Unglück hatte wegen Krankheit in's Spital zu gehen, und daß ich auf die ganz sicher erwarteten und doch nicht erhaltenen 300 fl Stipendium hin auch etwas sündigte, so wirst Du begreifen, daß ich in Geld­verlegenheiten kam. Das wirst Du ohne Zweifel begreiffen. Aber unbegreifflicher scheint es Dir zu sein, daß ich mich nicht an Bekannte in Wien gewendet habe. Allerdings fehlt es mir nicht an solchen, und manche davon haben auch Geld. Auch den Vater aller Vorarlberger, wie Du den k. Rath Berg­mann nanntest, kenne ich wohl, habe ihn öfters schon be­sucht, und er kann mich sogar recht wohl leiden. Aber dieser hat es wie andere Landes-Väter, man wird von ihm gut emp­fangen, er verspricht auch einem in Verlegenheiten an die Hand zu gehen nur nicht in Geldverlegenheiten, „denn es sind schlechte Zeiten, in denen man nicht weiß, wie man mit dem wenigen Geld daraus kommen kann." - Ich kenne solche, die sich doch an ihn gewandt haben, aber statt ihnen einige Gulden vorzustrecken, hat er ihnen Einen geschenkt; daher habe ich es auch unterlassen, ihn anzusprechen, da mir ein Gulden doch nicht helfen konnte.

    Das ist nun einmal so in der Welt u. ganz besonders hier, daß die sogenannten Freunde aufhören freundliche Gesichter zu machen, wenn man sie um Geld anspricht, und deßhalb habe ich mich an Dich gewandt, da ich überzeugt war, daß Deine Freundschaft auch ein Opfer zu bringen bereit ist, und diese Überzeugung wurde durch die folgende Thatsache zur Ge­wißheit.

    Anderes, wie die rathlosen Rathsherrn, die verschiedenen Noten u.s.w. bekümmert mich in Wien nicht mehr als an ändern Orten.

    Warum sollte ich also etwa nach Innsbruck gehen? Dort habe ich keine Lektion. Hier habe ich Eine, dort habe ich keine Bekannten, außer Studenten, hier habe ich solche. Ferner müßte ich gegenwärtig trotz Deiner Geldsendung doch noch mit Schulden fort, da ich im Quartir allein bei 60 fl schuldete. Auch in Innsbruck fliegen einem die gebratenen Vögel gewieß nicht in's Maul. Moosmann z.B. ist aber doch nach Innsbruck gegangen, nicht wahr? O ja. Er hat aber so lange er hier war, von Lindau Geld bekommen, so viel er wollte, ja mehr als er wollte; hat er am Ende des Monat um 50 fl geschrieben, hat man ihm 60 geschickt; hat er um 100 fl geschrieben, so hat man ihm 120 geschickt, er hat leicht seine Studien auf diese Art rechtzeitig bemeistern können, u. ist dann auf Lindau's Unkosten nach Innsbruck gereist, hat dort ebenfalls auf Lin­dau's Unkosten die Rigerosen-Gelder bezahlt, u. ist dann wie­der auf dieselben Unkosten nach Wien gekommen u. lebt noch so. - Wenn ich nur eine halb so reiche Quelle hätte, wie er, so wäre ich sicher jetzt auch in Innsbruck. Ich werde auch wahrscheinlich noch hingehen, wenn ich überhaupt rigero­sire, wenn ich aber blos die Staatsprüffung mache, so bleibe ich deßhalb natürlich hier, da es eine nicht geringe Schande wäre nach Innsbruck zu gehn, blos um eine Staatsprüffung zu machen. Glaube mir sicher, daß ich meine Lage oft genug in's Auge gefaßt u. erwägt habe ob ich hier bleiben soll oder nicht; aber es scheint mir bei weitem das vernünftigste vor­derhand noch hierzu bleiben.

    Seit einigen Tagen gehe ich täglich etliche Stunden in die Kanzlei eines Dr juris dahier, verdiene mir dadurch zwar noch unbedeutendes, es wird aber wie ich hoffe immer besser wer­den, wenn ich mich einmal mit den Arbeiten besser auskenne.

    Gerade dies ist auch ein bedeutender Grund, warum ich einstweilen noch hier zu bleiben gedenke. Daß ich Dich, meine Mutter und die ändern Bekannten schon so lange nicht mehr besuchen konnte, thut mir leid, aber ich tröste mich mit der Hoffnung, daß es doch einmal in nicht gar langer Zeit geschehen wird.

    Es hat mich sehr gefreut zu erfahren, daß Du schon Vater eines gesunden Knaben bist, ich gratulire Dir vielmals, und wünsche, daß er Dir recht viele Freude machen wird. Für Deine Unterstützung und Bemühungen statte ich Dir meinen herzlichsten Dank ab, u. lasse ebenfalls allen, die dazu bei­getragen haben, vielmals meinen Dank aussprechen. Über die Entwicklung meiner Verhältniße bald näheres. Dich, Deine Frau u. Mutter, sowie meine ändern Bekannten und Wohlthäter vielmals grüßend zeichnet sich Dein dank­barer Dich stets liebender Freund

    Jochum.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 25. August 1862

    Geehrter Herr Felder!

    Ihre Sendung vom 17. Aug., das Manuscript enthaltend, emp­fing ich richtig und danke Ihnen vorläufig für das Vertrauen welches Sie mir damit zu Theil werden lassen. Da ich mich augenblicklich zu einer Reise angeschickt habe, so kann ich Ihnen noch nichts Näheres über Ihr Manuscript mittheilen.   Ich  werde  jedoch   gleich   nach   der  Rückkehr, welche in 8 Tagen erfolgen dürfte, Einsicht von Ihrem Werk nehmen und Ihnen meine Ansicht unverhohlen, wie Sie es gewünscht, mittheilen. Indessen empfehle ich mich mit Gruß achtungsvoll ergebener

    Joh. Thom. Stettner.

    Johann Thomas Stettner
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 24. August 1862

    Theuerster Freund!

    Du wirst mich vermuthlich bis August persönlich in Schop­pernau erwartet haben. Ich hoffte auch lange, um diese Zeit in meiner Heimat weilen zu können, aber leider sehe ich mich abermals verhindert Wien zu verlassen. Der Ort von dem aus ich Dir diesen Brief schreibe, heißt Spital. Schon lange hatte ich Abweichen u. fühlte mich nicht recht gut; dann bekam ich auch noch einen Hautausschlag u. bin auf den Rath eines Arztes zuletzt wieder in's Spital gegangen. Jetzt geht es mir wieder besser u. ich hoffe bis in 14 Tagen oder 3 Wochen wenigstens vollkommen hergestellt zu sein. Meiner Mutter schreibe ich nur, daß ich etwas unwohl bin, damit sie sich nicht zu stark bekümmert, aber Dir kann ich schon die volle Wahrheit schreiben.

    In finanzieller Beziehung ist es mir auch nicht nach Wunsch gegangen. Ich hoffte ganz zuversichtlich heuer ein Stipen­dium von 300 fl oder wenigstens von 250 fl C.M. zu bekom­men, u. alle meine Bekannten glaubten es eben so sicher. Während dem ist es durch Schleicherei u. Empfehlungen ändern gelungen, damit betheiligt zu werden, und ich auf Recht u. Billigkeit rechnend bin leer ausgegangen, u. habe nur die vollständige Überzeugung gewonnen, daß keiner sich auf Recht verlassen kann, sondern daß einer, um durchzukom­men, kriechen u. schleichen muß. Habe ich aber so lange ohne Stipendium leben können, so wird es jetzt auch sonst gehen. Das ärgste ist, daß ich schon längere Zeit darauf hin gesündigt habe, u. deßhalb bin ich im Quartier schon meh­rere Monate Quartiergeld, Wäsche etc. schuldig u. ebenfalls das Collegiengeld (die Hälfte nämlich, von der ändern bin ich befreit) von letzten Semester [10fl C.M.] rückständig. Weil sich diese Zahlungen nicht mehr lange verschieben lassen, so möchte ich Dich deßhalb ersuchen mir einiges Geld zu leh­nen, wenn Du es leicht thun kannst. Ich werde es Dir bald möglichst wieder zurückstellen; wenn Du aber nicht in der Lage bist, mir aus meiner jetzigen Verlegenheit zu helfen, so ersuche ich Dich mir recht bald es zu wissen zu machen, damit ich nicht vergeblich darauf hoffe. Ich werde Dir dann auch gleich wieder schreiben, u. das Nähere von meiner künf­tigen Lage zu wissen machen.

    Ich grüße Dich, Deine Gattin u. Mutter herzlich u. verbleibe Dein Dich ewig liebender Freund

    Jochum

    NB. Bitte beiliegenden Brief meiner Mutter zu übergeben. Adreße wie früher: Wien Alservorstadt Währingergasse Nr. 275 Thür 18. (Wenn ich noch bei Ankunft eines Briefes im Spital sein sollte, so wird man den Briefträger schon zu mir hereinschicken.)

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 10. August 1862

    Mein lieber Schwager!

    Hiemit übersende ich Dir die Allgemeine Zeitung 197-209 und die Gerichtshalle, welche der Bote jetzt allemal bei mir ablegt. Die Rede, welche Dr. Wildauer in Frankfurt hielt, wird Dir gewiß gefallen, und Du wirst es in der Ordnung finden, daß ihn, wie ich eben gelesen, der Kaiser durch ein eigenes Handschreiben und die Frankfurter durch ein recht hübsches Akrostichon (siehe Allg. Zeitung) ehrten. Nur der gänzliche Mangel an sonstigen Neuigkeiten ist die Ursach, daß ich hier aus der Zeitung abschreibe: „Da hätt man sich ja das Schrei­ben ersparen können!" wirst Du denken. Ja lieber Freund! Das weiß ich schon auch, aber ich weiß noch etwas, und das ist: Man soll nie grad mit der Tür ins Haus fallen. Das heißt: Ich hätte eine Bitte an Dich, die ich schon mehr Mal ausgesprochen habe, und ich wollte Dich auch heut wieder damit drangsalieren, aber einen Brief schreiben, der sauber nichts enthält als eine Bitte, das wollte ich halt nicht. Mein Nümmamüller wäre fertig und es fehlt zum Fortschicken nur noch die Vorrede, welche Du mir zu machen versprachst, und ich bitte Dich, sie mir, wenn Du Zeit hast, zu entwerfen. Was ich darin sagen will, weißt Du eben so gut als ich, und das Werk kennst Du im Ganzen auch, obschon ich noch sehr viel umgearbeitet habe, denn der Plan ist unverändert ge­blieben. Ich lege hier auch die Vorrede zu Auerbachs Dorf­geschichten bei; fast alles, was dort gesagt ist, könnte auch hier gelten.

    Frage gelegentlich beim Pfarrer Tiefenthaler nach, ob er nichts vom Jochum wisse. Mich hat ein Gerücht, der Jochum sei auf dem Todbett, fast erschreckt, und ich möchte gern etwas Gewisses hören. Ich hätte ihm geschrieben; aber ich hoffte, er werde heim kommen, da ja seine Studierzeit zu Ende wäre. Lebe wohl! Auf ein baldiges Wiedersehen freut sich Dein Freund

    F. M. Felder

    (Geschrieben in der Eil)

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
    Nümmamüllers
  • 13. Juli 1862

    An die k. k. Gerichtsperson Kaspar Moosbrugger

    Freiherr von Hochkrumbach.

    franko

    Lieber Götte!

    Bis am nächsten Sonntag wird mein Manuskript des Nümma­müller sicher fertig werden; ich bin heut glücklich bei Bogen 70 angekommen, obschon der Heusonntag mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Du hast gesagt, Du werdest vielleicht einmal herauskommen, und es wäre mir auch sehr lieb; Du könntest dann mein Machwerk noch einmal durchsehen, ehe ich es vor die rechte Schmiede (wie meine Mutter sagt) schicke, und ich würde dann die nächste Woche mit Dir nach Krumbach gehen. Ich wünschte daher, daß Dir in Deinem Krumbach [die Zeit] so lang würde, daß Dich eine rechte Sehnsucht nach Schop­pernau und mir ankäme, muß jedoch selbst eingestehen, daß dieser Wunsch sehr eigennützig ist. Das Weiblein und alles ist wohlauf. Mit Gruß

    Dein F. M. F.

    Sb. Wenn Du nicht herauskommst, soll ich mein Manuskript mitbringen? Es ist mir nur wegen der Vorrede. Verstan­den? — ! Der Obige.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 20. Mai 1862

    La Trinite

    Institution de

    Plein Exercise

    Mein lieber Freund!

    Endlich komme ich dazu, der Wesenheit unserer Freundschaft wie meinem Versprechen Rechnung zu tragen diese Zeilen an Dich richtend. Nicht Gleichgültigkeit oder Vergessenheit sind Ursache meines langen Stillschweigens; o nein, im Gegen­theile fühle ich mich durch das Band einer intellectuellen Freundschaft sehr intim u. angenehm mit Dir verbunden, u. hege, durchdrungen von den ausgezeichneten Gefühlen bezüglich deiner mir sehr werthen Persönlichkeit, immer die Besten Wünsche für Dein Wohl.

    Wie Du aus den Briefen an die Meinigen wissen wirst, habe ich eine meinen Ideen für die Gegenwart entsprechende Stel­lung erhalten in der Eigenschaft eines Professors in einem fran­zösischen College. Es ist eine Lehranstalt, wie sie überhaupt in Frankreich bestehen, aus Gymnasium u. Realschule beste­hend, wo die Studirenden meistens als Interne selbst offen wohnen u. schlaffen u. immer überwacht sind. Meine Be­schäftigung besteht theils in dem Unterrichte, theils in der Überwachung der Studien. Zu bestimmten Tagesstunden sind die Schüler aller Klassen in einem großen Säle miteinander zum Studiren versammelt u. von einem Professor überwacht, der Sorge trägt, daß keiner redet u. jeder fleißig nur in den obligaten Gegenständen studirt. Ich habe nun täglich im Durchschnitt drei Stunden solcher Studien zu überwachen. Außerdem habe ich täglich das Schlafengehen u. Aufstehen eines Schlafsales wie jede sechste Woche die Erhohlungszeit u. die Spaziergänge der Studirenden zu überwachen. Wö­chentlich 34 Stunden Beschäftigung. Die freie Zeit widme ich dem Studium. Ich lese die besten Werke der französischen Literatur, die ich sehr reich u. schön finde, als da sind: Bos­suet, Fenelon, Pascal, Chateaubriand, Cousin, Guizot, Cor­neille, Racine etz. etz. Doch darüber wie über das Leben u. Caracter der Franzosen in einem ändern Schreiben. Ich lese täglich zwei Pariser Zeitungen u. eine von [Bern]. Ich nehme den innigsten Antheil an allem dem was Deutschland u. Öster­reich berührt. Ich abonnirte mich auf die Allgemeine Zeitung für ein Vierteljahr, die mich 20 Franken kostete, allein von 90 Nummern erhielt ich nur 30, also nur einen Drittel, wäh­rend die ändern auf der Gränze blieben. Mein lieber Freund! wie lebst Du u. Deine ausgezeichnete Frau? grüße sie mir recht herzlich. Lebe nun mit ihr recht wohl u. schreibe mir wo möglichst bald u. hauptsächlich recht viel. Adresse. Monsieur R. Professeur ä La Marche - Vosges. Mit Gruß Dein treuer Freund

    Rüscher

    Meine Landsleute, was machen sie?

    Johann Rüscher
    La Marche (Vosges
    Franz Michael Felder
  • 1. April 1862

    Vielgeliebter Freund!

    Deinen Brief vom 30. l.M. habe ich richtig erhalten. Es hat mich sehr gefreut, zu erfahren, daß Du so zufrieden und glücklich lebst, und daß es auch Keinem meiner ändern Bekannten schlecht geht. Eine Antwort auf meinen letzten Brief habe ich auch nicht viel früher erwartet, denn ich weiß recht gut, daß Du mir in Bezug auf fleißige Correspondenz so ziemlich ähnlich bist; und meine Nachläßigkeit kann Dir unmöglich unbekannt sein, obwohl ich hoffe, daß Du deß­halb noch nie an meiner Freundschaft gezweifelt hast. Häufig ist diese einem Bache ähnlich; der stille gründet tief, während der seichte viel Lärm macht.

    Ich erinnere mich noch recht lebhaft, wie wir, ich und Du, über den Pfarrer ungehalten waren, daß er Deiner Neigung zum studieren entgegen trat; deßhalb bin ich jetzt nicht mehr im geringsten böse auf ihn, denn ich glaube, daß Du so viel glücklicher und zufriedener lebst, als wenn Du Student geworden wärest. Dabei verwahre ich mich natürlich ent­schieden, ein Anhänger der Verdummungssüchtigen zu sein; nur daß er Dich vom regelmäßigen Studium abhielt, verzeihe ich ihm gerne. Während Deiner Studien hättest Du vermuth­lich Dein Vermögen verbraucht, wenigstens den größten Theil, und wärest ungefähr in der nämlichen Lage wie ich, nun aber halte ich Dich für viel glücklicher als mich, deßhalb glaube ich, es sei gut für Dich gewesen, zu Hause zu bleiben. Zudem sind Dir deßhalb die Wissenschaften nicht fremd geblieben, und Du kannst Dich auf das verlegen, was Dir am besten zusagt, während unser einer das studieren muß, was man von ihm fordert, und womit er sich das Brot verdienen kann.

    An der Seite einer klugen und ohne Zweifel auch mit ändern Vorzügen begabten Frau führst Du ein beneidenswerthes, idillisches Leben. Ihr Brief an mich hat mich wirklich über­rascht. Einen so ungekünstelten, flüßigen Stiel, den Schwung der Rede, und die strenge Logik hätte ich bei einem Frauen­zimmer im Bregenzerwald nicht gesucht. Gegen meine son­stige Gewohnheit las ich ihren Brief mehreren Bekannten vor, aber keiner wollte mir glauben, daß dies aus der Feder einer jungen Frau von Schoppernau gefloßen sei, und alle behaup­teten, daß es wenigstens von einem ändern aufgesetzt sei, was ich aber natürlich bestreiten mußte, und gewieß auch mit Recht that.

    Wenn ich oben sagte, daß ich Dich für viel glücklicher halte, als mich, so darfst Du das nicht so verstehen, daß ich mich unglücklich fühle; auch ich bin im ganzen zufrieden. Aller­dings war ich den Winter hindurch längere Zeit kränklich, und habe die Blatern im Spitale überstanden, aber jetzt bin ich wieder völlig hergestellt. Meine Finanzen stehen zwar nicht glänzend, aber ich habe doch immer so viel erworben, als ich nothwendig brauchte, u. hoffe, daß es wenigstens nicht schlechter wird. Ob ich ein Stipendium beziehen werde, ist noch nicht sicher; mein Gesuch ist wenigstens bei der Statt­halterei eingereicht.

    Zu was ich mich nach Vollendung der Studien wenden werde, u. wann ich wieder einmal Dich persönlich besuchen werde, kann ich Dir auch jetzt noch nicht mit Bestimmtheit anzeigen. Sobald es thunlich ist, werde ich mit Freuden in meine ferne Heimat eilen, und Dich und meine ändern Bekannten u. Ver­wandten aufsuchen.

    Ich spreche hiermit auch meinen verbindlichsten Dank aus für das dem letzten Briefe Beigebogene. Indem ich Deiner ändern Ehehälfte ihre schönen Zeilen eigens beantworte, hoffe ich keine Eifersucht in Dir zu er­regen, um so weniger, weil ich sie zu kennen noch nicht die Ehre habe. Daher ersuche ich Dich ihr u. auch meiner Mutter beiliegende Briefchen einzuhändigen.

    Dich, Deine Frau, Deine u. meine Mutter, so wie auch die ändern Bekannten grüßt herzlich Dein Dich ewig liebender Freund

    Jochum Franz

    BEILAGE: FRANZ XAVER JOCHUM AN ANNA KATHARINA FELDER

    Wien 25/4 1862.

    Wohl geboren Frau Anna Katharina Felder pr bonte

    Geehrte Freundin!

    Schon lange sehnte ich mich, Dich, die Gemahlin meines alten Freundes, kennen zu lernen. Daher war es mir sehr angenehm, von Dir einige Zeilen zu erhalten. Wenn es wahr ist, was manche behaupten, daß man aus einem Briefe eine Person, besonders ein Frauenzimmer, richtiger beurtheilen kann, als durch längeren persönlichen Umgang, und wenn diese Gabe auch mir inne wohnt, so habe ich mich an dem guten Geschmacke meines Freundes auch nicht im geringsten getäuscht. Damals als ich mit der Marie auf Krumbach mich mit etwas Vorliebe beim Tanze beschäftigte, ist es auch mir nicht eingefallen, daß ich einmal ihrer Schwester schreiben werde, noch viel weniger, daß eine solche sich mit dem Franz Michel verheirathen werde. Hätte ich vor der Abreise aus unserer Heimat gewußt, daß Deines Mannes Besuche in Reh­men so ernster Natur wären, und daß ich so lange nicht mehr nach Hause kommen werde, so würde ich mir die Freiheit genommen haben, ihn einmal wenn auch ungeladen bis in Dein väterliches Haus oder auf die Alp zu begleiten, oder ich hätte ihn einmal so im Vorbeigehen abgeholt, um Dich per­sönlich kennen zu lernen. Daß dies bei meiner nächsten Reise in die Heimat geschehen wird, indem ich Deine freundliche Einladung mit Freuden annehme, braucht wohl kaum erwähnt zu werden. Die Zeit kann ich aber leider noch nicht genau bestimmen.

    Aus Euern Briefen ersehe ich, daß Du mit Deinem Manne häufig gemeinsame Lektür betreibst, wohl auch vielleicht an seiner schriftstellerischen Thätigkeit Theil nimmst. Dies ist Beides sehr schön, u. es wäre zu wünschen, daß es mehr Nachahmung finden würde, als wirklich der Fall ist. Ich weiß auch, daß Dein Mann schon vor Jahren mit Geschick kleinere Stücke schrieb, die vermuthlich noch unter seinen Pappieren zu finden sind. Ich würde an seiner Stelle nun einmal etwas an die Öffentlichkeit befördern, und dieses würde ich auf folgende Weise angehen: Zuerst würde ich einige ganz kurze sorgfältig bearbeitete Stücke an eine oder mehrere Zeitungs­Redactionen schicken, welche ähnliche Sachen herausgeben, und würde ihnen die Wahl lassen, ob sie davon Gebrauch machen oder nicht; ist dies einmal gelungen, so kann man später auch größere Stücke z. B. „Die Dorfgeschichte" unend­geldlich herausgeben, u. wird mit der Zeit, wenn die Arbeit gefällt, auch honorirt. Ein Versuch kann nichts schaden, u. es ist höchstens die Briefmarke hin.

    Mir geht es im Ganzen gut. Ich hoffe, daß es nicht mehr lange dauern  wird,  bis  ich  Gelegenheit finden  werde,  Dich   in Schoppernau zu besuchen und persönlich kennen zu lernen. Indessen grüße ich Dich vielmals Dein Freund

    Jochum Franz Jurist.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 15. März 1862

    Mein lieber Herr Felder nebst werther Frau Gemahlin. Erst letzte Woche hatte ich Gelegenheit Ihren privat Auftrag zu erledigen u. sandte Ihnen daher am 4ten d. mit einer Büchersendung das Verlangte „Schachspiel nebst Blumen­saamen", letzteren wollen Sie erst Mai wenn die Witterung gut in die Erde bringen u. den Saamen höchstens mit ein Zoll feiner Erde bedecken. Der Name der Blume steht jedesmal auf der Umhüllung.

    Angenehm wäre es mir wenn Sie den Empfang pr. Gelegen­heit mir anzeigen würden, u. grüße Sie nebst Familie u. allen meinen Bekannten, Oberhauser Willy etc. recht herzlich, bis auf Wiedersehen nach Ostern Ergebenster

    Ph. Aug. Bopp.

     

    Philipp August Bopp
    Lindau
    Franz Michael Felder
    Schach
  • 24. Januar 1862

    Lieber Schwager!

    Laß Dich durch die Ortsbezeichnung dieses Briefes nicht täuschen, denn ich bin nicht in Innsbruck, sondern in Kitz­bühel, und ich habe nur als Gewohnheits-Sünder, wie wir Menschen halt eben sind, gleich mit einem großen Schreib­fehler begonnen. - Ich habe gestern einen alten Studienge­nossen und guten Freund dahier besucht, und da er nun in die Kanzlei gegangen und mich mir selbst überlassen hat, will ich Dir einige Zeilen zuschanzen. Das wichtigste neuere Er­eignis meines Lebens wird Dir mein Bruder Jok gesagt haben. Das weniger wichtige, das nämlich, daß ich den Tirolern in einigen Tagen Adieu sage und wieder zu meinen lieben Bregenzerwäldern zurückzukehren gedenke, das teile ich Dir nun mit. Es fängt mir nämlich das Leben unter diesem hart­kopfigen Volk an langweilig zu werden. Diese Leute finden jetzt ihr größtes Vergnügen darin, daß einer über den ändern schimpft und jeder dem Mitmenschen Katzmusik macht. Drum Adieu, du Land Tirol! Binnen acht Tagen hoffe ich auf Vorarlberger Boden zu stehen. - Dein letzter Brief hat mich sehr gefreut und ich habe ihn heute meinem Freunde Dr. Pinzger (Dein Weib kennt ihn) vorgelesen, und er gab uns Stoff zu allerlei Betrachtungen, die für Dich nichts weniger als unehrenvoll sind. Dein französisches Gedicht­paket hat wirklich reellen Wert und ist äußerst charakteristisch für die Strömung der Geister im französischen Arbeiterstande. Es bereitet sich daselbst ein großartiger Kampf gegen die Geldmächte vor und Dein Freund schwimmt jedenfalls mit über den Fluten erhobenem Kopf. Pflege den freundschaft­lichen Umgang mit ihm, so lange es angeht. Bezüglich des Jochum werden wir das Weitere besprechen. Mit Deinen Dorfgeschichten stehst Du auf gutem Boden, und verlier nur nie die Schätze, die unsere Bregenzerwälder Sprache in sich birgt, aus den Augen, manche Wörter dersel­ben entsprechen dem deutschen Geistesleben viel besser als die analogen Ausdrücke im Hochdeutschen. Wir Wälder spre­chen das Alemannische viel reiner als selbst die Auerbach­schen Schwarzwälder. Wir dürfen uns auf unser Volksleben jedenfalls was zu Gute tun. Mit der Orthographie darfst Du es nicht zu genau nehmen, dafür wird schon der Verleger Deiner Arbeiten nötigenfalls sorgen. Mit tausend Grüßen

    K. Moosbrugger.

    Kaspar Moosbrugger
    Innsbruck
    Franz Michael Felder
    Dorfgeschichte
  • 11. Januar 1862

    Geliebter Schwager!

    Ich glaube, daß die aufrichtigen Glückwünsche nicht zur Un­zeit kommen, wenn man sie auch nicht gerad am 1. Jänner sauber in Versen geschrieben erhält, und hoffe, daß auch Du meine Ansicht teilest, wie der Rüscher zu sagen pflegte. Nur in dieser Voraussetzung bringe ich Dir heut, erst am 11. Tag des Jahres, meinen herzlichsten Glückwunsch zum neuen Jahr, mögest Du es gesund und froh durchleben, dieses Jahr, das Dir recht viel Samen künftigen Glückes säe und den schon gesäten Dich fröhlich genießen lassen wird, wenn der Himmel dem Wunsch Deines Freunds Gewährung verleiht.

    Unser Vorarlberger Himmel weint häufige Tränen über die finanziellen Verhältnisse Österreichs. Aber „bloß Weinen hilft net", und es ist bei uns eine Sündflut in Miniatur entstanden; aber um der 10 Gerechten willen wurden wir gerettet. In Gemeinden, wo nicht mehr 10 Gerechte waren, seit Du und Deine Schwester Nanni ausgewandert sind, nämlich in Au, ist es nicht so gut abgelaufen. Nachdem es zwei Tage ununter­brochen geregnet hatte, hob das Wasser den Schnee vom Boden, und wo dieser nicht ganz flach war, rutschte alles fort, so z. B. in Argenau, wo an mehreren Stellen solche Lawinen entstanden. Wo sie nun ein Haus trafen, türmte sich der Schnee vor demselben bis auf das Dach und riß etwa einen Schöpfen oder so etwas vom Haus hinweg wie beim Fuchs, bei Deinem Firmgötte, wo der Schöpf zur Brugg hinab­rutschte und mit der ihm folgenden Schneemasse die Ach schwellte, bis sie neben der Brücke hinaus gegen den Platz lief, bis es wieder Bahn gebrochen hatte. Gleiches Schicksal mit Muxels Bubens Schöpf hatten:

    Argenau: Der Wagenschopf beim alten Muxel. Verolars Brun­nen samt Zubehör. Wisgäbarles Brorstampf. Hüslers Immen­haus.

    Im Argenzipfel: Wittwers Garbe und langen Micheles Buben den halben Stall und so weiter, denn das ist noch nicht alles, es sind bloß Beispiele. In Bezau, als am noblem Orte, ist es, wie es der Sache gemäß, noch ärger gewesen, dort hat es zwei bis drei Schuh dicke Tannen samt der Wurzel mit bis zur Kirche geführt, in Bizau saß ein altes Weiblein bei seiner einzigen Kuh im Stall, weil sie eben kalben sollte, als nun die Stalltür vom Wasser aufgerissen und das Wasser zu ihm in den Stall kam, nahm das Weiblein die Kuh an ein Seil und führte sie - in die Stube und hier brachte sie während Sturm und Wetter ganz bequem das Kalb zur Welt. Diese Berichte sind sicher und Du kannst es erzählen, wo Du willst. In Schrecken hat das Wasser keinen Schaden angerichtet, und der Rudier hatte ein ungetrübtes Hochzeiterleben, denn er heiratete mit der Jüngern Magd, er ließ sich in der Frühe trauen, ging zuerst nach Hause, und dann hatte er beim Sonnenwirt ein kleines Mahl, wobei er in der Stallschlutte erschien. Auch Rüfles Hans Leonhard heiratete mit einer Bizauerin.

    Der Schneider Pius ist mit den Kühen vor zehn Tagen gesund und wohl von Krumbach auf Buengart gezogen, wo sich noch jetzt all die Deinen befinden. Den Sattel und Hopfreben hat Jakob noch nicht verkauft, aber an Bekles Toni, Deinen Schwager, und seinen Kompagnon Hans Martins Pius zum Trübenbach auf ein Jahr verpachtet, und zwar sehr teuer, und er kann nun mit Verkaufen die Gelegenheit erwarten, ohne Schaden zu haben.

    Der Uhrmacher Seppel in Bordeaux hat mir auf einen warmen und gemütlichen Brief mit einem echt französisch kalten ge­antwortet, und mir auch das Beiliegende geschickt, welches ich Dich zu übersetzen bitte, wenn es der Mühe wert ist und Du Zeit hast, ich wünschte diese Übersetzung, um zu sehen, was ihm so gut gefällt, daß er es mir schickt. Übrigens schreibt er, daß er gesund und wohl sei und jetzt ohne Meister für sich selbst arbeite. Von meinen politischen Ansichten gefällt ihm keine, er sei in Frankreich gescheiter geworden.

    „Vive la Republique." !!!

    So viel von Seppel. Seinem Vater schreibt er nicht. Einen wärmern Brief hat mir der Jochum aus Wien geschrie­ben, ich hätte fast Lust, ihn Dir zu schicken, und doch hat mich dessen Inhalt gerührt und traurig gemacht, und ich möchte Dir diese Rührung gar gern mitteilen. Mit den ein­fachsten Zügen und ohne zu klagen, entwirft er ein Bild von Entsagen, Mangel und Not, daß es mich fast fror, als ich mir seine Lage vorstellte, er hat nur eine einzige Instruktion wöchentlich zwei Mal und auch die geht ihm am Frühling aus; er hat, wie Du weißt, keinen Vater, seine 60jährige arme Mutter muß ums Essen Magd sein und Knechtdienste tun, er hat kein Stipendium, er hat nichts! - O möchtest nicht auch Du einer der wenigen werden, die ihm Gutes tun. Auch die Isabell S ... a habe ich für ihn angesprochen, und sie hat mir Gelegenheit gegeben, ihre Herzensgüte kennenzulernen, nachdem ich ihr seine Lage schilderte. Dir brauche ich aber die Lage eines solchen dabei so guten, redlichen Menschen nicht zu schildern.

    Solltest Du so gut sein, ihm durch eine Gabe seine Lage etwas erleichtern zu wollen, so könntest Du es an mich schicken, aber dann bitte ich Dich, tu es bald, oder wenn Du willst, so schicke ich Dir seine Adresse und dann kannst Du ihm selbst schreiben! - !

    Hier in meiner Gemeinde ist wenig Neues vorgefallen, das Dich interessierte. Das Befinden der Willis ist besser, das von Lehrers Johann Jakob schlechter, er wird den Frühling wohl nicht mehr erleben. Die Kronenwirtin ist schwer, aber endlich doch glücklich von einem Gebhard entbunden wor­den, also achte Auflage in klein Oktav. ­Der Schindler Senn und die Hanso Motal sind Brautleute, auch der groß Seflar am Ünschele wird diesen Winter noch hei­raten, er hat das Anwesen des Feurstein an der Halden, ein Haus und zwei Kühwinterungen gut um 5000 fl gekauft. Die heurige Fastnacht scheint sehr still zu werden, das Sticken ist schlecht, und man braucht das Geld zum Spielen - zu der Soldaten nämlich, wenn einmal das vorbei, wird es schon lustiger werden. - Der Moosmann, von dem ich Dir oft er­zählte (er war früher in Ungarn), ist auch aus Preußen gekom­men, er ist noch so sentimental wie früher, und die Wälder sehen ihn und sein Wesen, das sie natürlich nicht verstehen, für eine Art Schauspiel an, und er zählt sehr wenig Freunde, obschon er der beste Mensch von der Welt ist. Ein gerader Gegenfüßler zu ihm ist der Pius Bär in Au, der samt dem Neffen aus Frankreich nach Au gekommen ist, ich habe ihn letzthin gesehen und gehört. Er fragte den neuen Vorsteher, indem er ihm zum „neuen Amt" gratulierte: „Nun Herr Vorsteher wie gehts?" „Schlecht, es hat uns mehr als 300 Gulden Schaden getan, der Wagenschopf, 10 Säcke Bettlaub, 16 Wägen, das Holz und alles ist im Wasser und hin.“

    „Ha, sei froh, daß es nit in der Luft ist, denn du hättest dann gar nix mehr und wärst nie vor dem Herunterfallen sicher." Der Vater des Uhrenmachers Felder hat das Räsonieren noch nicht entlernt, und ich hab noch die Ohren davon voll. Es fängt an, zum Sprichwort zu werden. Er räsoniert wie Koarado Bub, doch davon ein ander Mal, denn ich weiß aus Deinen Schach-Lektionen, daß die Bauern sehr wenig Züge machen können, ich möchte daher mit den Bauern wieder zurück, aber eben! Ich kann nicht mehr, darum will ich lieber für jetzt schließen. Ade unterdessen! Ich lege jetzt die alten Zwilchenen No 4 an und geh in den Stall. Morgen ein Mehreres.

    13. Jänner

    Vorgestern abends, als ich aus dem Stall ging in die Sennhütte und dachte, was ich Dir noch Neues zu schreiben hätte, fiel meine Mutter in den Kehrhals neben der Stubentür, sie hat den linken Arm gebrochen und den linken Fuß so verderbt, daß sie auch jetzt noch nicht gehen kann, sonst befindet sie sich jetzt so wohl, als es in diesen Verhältnissen möglich ist, bisher hat man ihr den Arm noch nicht richten können, da er noch zu geschwollen war. Hiezu eine Beilage.

    19. Jänner

    Beilage

    auf ordinärem Papier

    Das Befinden der Mutter ist etwas besser, sie hat ziemlich gut geschlafen, der Doktor wird heut kommen und ihr den Arm vermutlich richten. Das Weiblein putzt und scheuert und ich sitze am Tische, warte auf den Arzt und habe gerade Zeit und Stoff, ein wenig zu plaudern und Dir einen närrischen Einfall von mir zu erzählen:

    Du wirst dich vielleicht noch erinnern können, wie ich im Sommer stets nach einem Gegenstande suchte, an den ich eine Schilderung der hiesigen Verhältnisse knüpfen könnte. Aber nichts wollte mir gefallen. Ich habe Auerbachs Werke dieser Art aufmerksam gelesen und sie haben mir sehr gefal­len und den Gedanken in mir erregt: Ob man nicht auch Bre­genzerwälder Dorfgeschichten machen könnte. „Ja, Auerbach schon, aber Du?"

    Nun, ich will probieren, dachte ich. Ich erfand nun eine Hand­lung, erfand Charaktere, oder besser, ich zeichnete solche, die ich kannte und zu der Handlung paßten, und arbeite jetzt daran, der Plan ist fertig und zum Teil auch schon ausgeführt.

    1. Ich schildere hier drei angehende Bauern, der erste ist der Sohn des berühmten Schwarzhannes, der gegen das Vorurteil kämpft, das auf dem Bettler lastet. Er ist 23 Jahre alt, wo die Handlung beginnt.

    2. Der zweite ist ein herabgekommener Handelsmann, der 60 Jahre alt ist, seine Kinder verdienen sich Geld  und kaufen ein Gut.

    3. Der dritte ist ein reicher Bauernsohn, der alles schon hat, was die ändern sich erstreben.

    Das sind die Hauptcharaktere, die ich durch eine Geschichte in Zusammenhang gebracht habe. So viel ich kenne, ist der Plan ganz gut, ob er mir ein bitzle gelingt, magst Du beurteilen, es ist eine ziemlich schwere Aufgabe für mich, ihn auszuführen, aber ich hab nun einmal Lust und Lieb zum Ding.

    Ich bitte Dich, mir zu schreiben, was Du von der Sache haltest, Du würdest z. B. ganz gut sagen können, wie eine Abhand­lung über Petrarca und seine Werke vom Rudler in Au ge­schrieben, ausfallen müßte. Wenn's Dich interessierte, würde ich Dir mit meinem nächsten Brief ein Heft davon schicken, Du mußt mir aber zuerst Deine Meinung darüber sagen, den Oberhausern habe ich die ersten zwei Kapitel vorgelesen und sie haben ihnen gut gefallen. Ich hab das hauptsächlich wegen der Sprache getan, die mir sehr viel Arbeit macht, denn sie sollte das Naive des Sinns behalten, ohne unverständlich zu werden.

    Nach dem Urteil der Oberhauser und des Weibleins war nun alles recht gut, aber...

    Und nun lebe wohl, ich wünschte sehr, bald eine Antwort von Dir zu haben. Gedenke auch ferner zuweilen

    Deines Freundes F. M. Felder

    Bekanntmachung.

    Wir Unterzeichnete bitten um Verzeihung für unser so zahl­reiches Erscheinen. Unser Schöpfer hat uns hieher geordnet, und damit wir auch etwas zu tun haben, bringt jeder von uns tausend Grüße von Deinen Bekannten und Verwandten.

    Schoppernau, am 19. Jänner 1862

    Die sämtlichen orthographischen Fehler dieses Briefes.

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 28. Dezember 1861

    Theuerster Freund!

    Vorerst rufe ich Dir Glück und Heil zu, Dir als Ehemann. Eine längere Gratulation dürfte als zu sehr verspätet wohl nicht mehr am Platze sein, u. scheint mir auch sonst überflüssig, da aus Deinem letzten Schreiben leicht zu entnehmen ist, daß Du auch sonst glücklich u. zufrieden bist ohne meinen Glück­wunsch. Daß dies nun so bleibe, das wünsche ich Dir vor Allem zum neuen Jahr. Möge Glück u. Segen Dich u. Deine andere Ehehälfte im nächsten u. in vielen folgenden Jahren stets begleiten u. alle Unannehmlichkeiten von Euch ferne halten. Das wünscht mit aufrichtigem Herzen Dein steter Freund.

    Dein letzter Brief ist nach einer fast monatlangen Reise hier ganz angekommen. Es fehlte ihm nichts als das Siegel. Viel­leicht brauchte er so lange, weil er häufig visiren ließ. Es hat mich sehr gefreut nach so langer Unterbrechung wieder etwas von Dir zu hören, u. zwar umsomehr, weil ich daraus Deine gänzliche Zufriedenheit erfuhr. Ich hätte Dir auch gleich geantwortet, wenn ich nicht die Entwicklung meiner Verhält­niße hätte vorerst abwarten wollen, die sich so lange hinaus­gezogen haben. Wie ich Dir anfangs der Herbstferien geschrieben habe (ob Du diesen Brief erhalten hast oder nicht, kann ich aus Deinem Schreiben nicht genau entneh­men), änderte sich damals mehreres in meiner Lage. Durch Zufall kam ich um alle Lektionen bis auf eine (3 mal die Woche), ich bezog ein neues Quartier, in dem ich jetzt noch bin, u. mit dem ich bis auf diesen Augenblick stets höchst zufrieden war; ich hoffte in den Ferien von neuem meine Existenz zu gründen, an vielen Orten versprach man mir mich zu rekommandiren, trotz all dem habe ich bis auf diesen Moment noch nichts bekommen. So geht es häufig in großen Städten. Diese Zeit hindurch reichte natürlich mein Verdienst bei weitem nicht hin, meine Bedürfniße zu decken. Doch Dank dem Credit, den ich bei meinen Bekannten habe, ich habe wenigstens Schulden machen können, was manche nicht im Stande sind.

    Mit dem neuen Jahre werden sich nun aber auch meine Ver­hältniße ändern, ich werde bei einem Grafen eine Lektion antreten, u. in einer Zeitungs-Redaction Beschäftigung finden. Dies glaube ich als sicher Dir melden zu können. Obwohl ich Dir den Verdienst noch nicht mit Sicherheit anzeigen kann, so darf ich Dir doch meines Erachtens mit Sicherheit mittheilen, daß ich dadurch in eine ziemlich gute Lage kommen u. mir wenigstens das Nöthige verdienen werde, allerdings sind mir dann die in letzter Zeit gemachten Schüldchen eine kleine Last, doch hoffe ich auch diese bis in den Frühling hinaus abzuzahlen.

    Ich glaube auch mit Gewißheit darauf rechnen zu können, daß dies mir bis Anfangs Sommer bleiben wird, wenn nicht unvorhergesehene Unglücksfälle eintreten. Anfangs Sommer aber zieht der Graf aufs Land; dann wird auch eine Änderung eintreten müssen. Was dann geschehen wird, werde ich Dir schon wieder von neuem anzeigen.

    Das ist nun die wahrheitsgetreue Schilderung meiner bisheri­gen u. wahrscheinlich zukünftigen Lage. Du siehst, daß ich nach so langen Studien immer noch mit manchem zu kämp­fen habe, während Du ein unbesorgtes Leben führen kannst. Geistige Unterhaltung fehlt Dir auch nicht, und dazu hast Du noch eine liebende Gattin, die Deine Stunden versüßt. Was fehlt Dir noch?

    Ich habe persönlich eine Schwester des H. Moosbrugger auf Krumbach kennen gelernt; es war an dem Tage, als H. Knecht von Warth seine erste Messe laß; ob dies nun Deine Frau ist, oder eine Schwester von ihr, weiß ich ebenfalls nicht. Die­selbe hat mir wengistens sehr gut gefallen. Jedenfalls traue ich Dir einen so guten Geschmack zu, daß Du Dir ein Mädchen gewählt hast, die Dich glücklich machen wird. Ich freue mich sehr auf den Augenblick, in welchem ich Dich wiedersehn und auch Deine Frau kennen lernen werde; ob dies wenig­stens am nächsten Herbste geschieht weiß ich allerdings noch nicht ganz sicher, da es eben von den Verhältnissen abhängt, u. ich mich schon so oft selbst getäuscht habe; ich hoffe es wenigstens sehr. Unterdessen grüße mir Dein Weibchen aufs freundlichste u. richte ihr meinen Neujahrswunsch aus. Eben­dasselbe gilt auch von Deiner Mutter; dieser kannst Du sagen, daß ich immer noch dünn u. spitzig bin wie früher, u. daß die ganze Änderung meines Äußern hauptsächlich darin bestehe, daß ich einen Vollbart trage.

    Ein anderes Mal mehr. Ich habe auf Neujahr noch mehrere Briefe zu schreiben. Antworte mir auch baldmöglichst, damit ich weiß, ob Du diesen Brief erhalten hast oder nicht, u. wie es Euch geht.

    Das Armutszeugniß habe ich lange vor Deinem Briefe erhal­ten. Meinen Dank für Deine Bemühungen. Grüße mir auch freundlichst meine Mutter, u. gieb ihr beiliegendes Brief­chen.

    So lebe denn wohl; mit vielen Grüßen versichere ich Dich, daß ich immer bin u. sein werde

    Dein Dich ewig liebender Freund                        

    Franz Jochum

    Jurist.

    Adresse dieselbe.

    Ich bitte Dich abermals, wo möglich den Brief mit Sieglack zu siegeln, wenn Du mir schreibst, sonst kommt er immer offen an.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 30. November 1861

    Geliebter Schwager!

    Dein Schreiben vom 4. d. M. habe ich erhalten und unter Zähneklappern gelesen. Denn in meiner Stube war es damals so kalt, wie bei einer Wälder-Liebschaft. Diese Kälte in meiner Stube war die Ursache des bisherigen Stillschweigens, das Dir, ich fürchte fast, ebenfalls kalt erscheinen könnte. Diese Zeit her trank ich meinen Kaffee in Hopfreben, und daher konnte ich Dir aus zwei Ursachen nicht schreiben: 1. Weil ich nicht viel erlebte und dann 2. Weil ich mit Schreiben warten wollte, bis jener Tag vorüber sei, der so schwer auf meiner Seele lag, wie ein Erdäpfelsack auf meinem Rücken. Am letzten Freitag bin ich heimgezogen, und bald darauf ist er gekommen jener Tag, der mir und noch manchem als ein jährlich wieder­kehrendes jüngstes Gericht erscheint.

    Als ich am Morgen dieses Tages erwachte, sah zu meiner Verwunderung die Welt gerade aus wie an jedem anderen unfreundlichen Herbsttage. Trotz der Sorgen der armen Menschlein stand der Mond so voll am Himmel wie ein Bräuer, und ich stimmte mit Goethe ein: „Unfühlend ist die Natur!"

    Ich sah dann dem Verlaufe dieses Gerichtstages zu, und stimmte dann mein dies illa an:

    Tag des Schreckens und der Trauer, Der so

    manchen Schoppernauer Und auch andre füllt

    mit Schauer.

     

    Fünfundzwanzigster November! Dem schon

    mancher im September Buße tat als wärs

    Quatember.

     

    Denn an den Kathrinentagen Werden Bücher

    aufgeschlagen, Wo die Schulden eingetragen. -

     

    Was die Väter einst verbrochen,

    Wird an Kindern nun gerochen,

    Fünf Prozente sind versprochen. -

     

    Hilf mir Himmel, helft mir Engel, Denn beim

    Adler sitzt der Dengel *) Und enthüllet meine

    Mängel.

     

    Ach was soll ich Armer sagen, Wenn selbst

    Martins Jok zu zagen Angefangen und zu

    klagen? -

     

    Dokus mit den teuren Gulden Kommt von

    Mellau, und die Schulden Wollen nicht mehr

    länger dulden.

     

    Welche Freude wird entstehen, Wenn wir Gallus

    kommen sehen, Wir mit ihm ins Gaden gehen.

     

    Keinem wird er Trost versagen, Der in schönen

    Maientagen Seine Milch ihm zugetragen.

     

    Alle hat er aufgeschrieben,

    Denen gute Werke blieben Für

    den Tag, den tränentrüben.

     

    Alle, die sein Buch erquicket, Eilen froh und

    hochbeglücket, Wo kein Dengel sie erblicket.

     

    *) Dengel ist der Name eines Lechtalers, der sehr viel Zins im Bregenzer­wald einzuziehen hat. Anmlerkung des Schreibers

    Das ist so beiläufig das Bild dieses Tages, wie es nur zu viele Beweise dafür gibt. Die Stickerei ist schlecht, und daher mach­ten die Händler schlechte Geschäfte. Die Güter steigen immer mehr im Preis, wie die Versteigerungen im Oktober und November beweisen. Aber auch die Schulden wachsen. Ich hörte von mehreren Kapitalisten, daß sie noch nie wie heuer mit Darlehen-Gesuchen geplagt worden seien. In den Wirts­häusern war wenig Leben, obschon man an drei Orten Spiel­leute hatte. Deine Schwester Maria hat nichts aus der Lotterie gezogen und mußte daher bei der Mutter und den fünf gekalbten Kühen zu Hopfreben bleiben. Wenn an diesem Tage eine Predigt gewesen wäre, würde ich Dir vielleicht etwas daraus mitgeteilt haben, da aber keine war, so folge zum Ersatz ein ganz kleiner Auszug aus einer Predigt des Pfar­rers von Reutte, gehalten in Au am Leonhardefest, 6. Novem­ber 1861:

    „Als diese Kirche in der Gegenwart eurer Väter eingeweiht wurde, waren eure Väter fest am wahren Glauben, man wußte noch nichts von den verdammten Ketzern und ihren verfluchten Irrlehren. Damals wollte noch nicht jeder Rotz­bube ein G'studierter sein. Noch las keiner von ihnen die vermaledeiten Schriften der Lutherischen und ihre giftigen Lügen, die aus der Hölle stammen. Heilige Männer haben es gesagt, daß der Lutherische Glaube nicht der wahre sei, und was wird das für ein Leben sein bei solchen Leuten, die nichts glauben und auch, wie sie es stets getan haben, gegen Staat und Kirche aufwiegeln. Und ihr sagt: Ja! Die Reformiorto bringod Geld! Den Teufel und seinen Anhang bringen sie. Ein Volk, das viel Geld hat, ist das elendste!" - - ???? Siehe obiges Gedicht und den Bericht. Mit dem übrigen will ich Dich verschonen, es ging in diesem Tone fort, und wurde dabei schonungslos auf die Kanzel losgehämmert. Unser Pfarrer läßt der Sache so ziemlich seinen Lauf, aber der Kronenwirt muß ihm geplaudert haben, er wollte mich letzt­hin examinieren, der Pfarrer nämlich, aber ich gab dem Ge­spräch soviel möglich eine gemütliche Richtung und es gelang mir, ihn nach und nach auf andere Dinge zu bringen. Er ärgerte sich über den Reisenden der Ringerschen Buchhand­lung, daß dieser jedem Mädchen nachlaufe. Er war näm­lich auf der Hochzeit der Wurznerin, aber er beklagte sich furchtbar über die Auerinnen, daß sie so scheu gegen ihn gewesen seien und keine mit ihm getanzt habe Soviel ich später erfuhr, hatten noch mehr Leute als der Buchhändler Ursache, unzufrieden zu sein, unter anderen Wisgäbarles Theres, sie wartete den ganzen Abend auf Ritters Josef, und er kam, - bloß nicht zu ihr (dieses Verhältnis soll aus sein). Endlich nahm sie Ritters Sefanton, da kam Schmieds Bub und sagte, er zahle ihm eine Halbe, wenn er sie stehen lasse, und er tat es. Später kam Schuhmacheries Pius, aber Schmieds Bub versprach wieder eine Halbe und Pius ließ sie stehen, endlich erbarmte sich Piusles Kaspar in Rehmen ihrer und brachte sie heim. Mit dem Buchhändler würde Willis Marie schon ge­gangen sein; aber ihre Schwester Theres und Philomena lagen schon damals schwer krank am Nervenfieber und sind noch nicht besser. Ich bitte Dich nur noch, mir bald zu schreiben, auf daß unser Briefwechsel lebendig werde, und dann bitte ich Dich auch, mir aufrichtig zu sagen, wie oft Du bei diesen langweiligen Berichten gegähnt habest.

    Der Ankauf des Anwesens von Matis Strolz an die Deinigen ist vom Gerichte genehmigt worden. Der Sattel und Hopf­reben sind  noch nicht verkauft.  Indes hat Jok den besten Humor. Er und wir alle befinden uns wohl und grüßen Dich recht herzlich. J ....a S ...a wird Dir vermutlich bald schrei­ben. Ich habe ihr einen Gruß von Dir ausgerichtet, und da sagte sie, daß Du ihr geschrieben habest. Lebe wohl und gedenke stets freundlich - und in christlicher Geduld und Demut­Deines Freundes

    Fr. Michel Felder.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Kaspar Moosbrugger
  • 4. November 1861

    Lieber Schwager!

    Da auch der Himmel seine Kapricen hat und es ihm heute gefällt, seine lieben Menschen- und andere Kinder, ob gut oder böse, mit winterlichen Regen- und Schneeschauern zu traktieren, so mache auch ich mir mein Kapricechen und bleibe, statt ihm wie sonst meine Huldigung von Angesicht zu Angesicht darzubringen, innerhalb meiner vier Wände, um meinem lieben Schwager einige der Bilder, die sich mir in dem in neuerer Zeit wieder historisch merkwürdig gewor­denen Landl Tirol präsentierten, aufzurollen. - Meine Her­reise, Ankunft und daiger Aufenthalt haben so wenig Poeti­sches an sich, als das Leben eines Bregenzerwälders über­haupt; was hingegen die Prosa nur Rührendes und Erbau­liches leisten kann, das leistet sie getreu und gewissenhaft. Als ich den Staub von meiner Fußreise durch das langweilige, unfruchtbare, Industrie- und erwerbslose und eher im Rück­schritt als im Fortschritt begriffene obere Oberinntal abge­schüttelt hatte und mich im Posthause zu Imst an den Honora­tiorentisch zu setzen anschickte, wurde gerade von einer lachenden Gesellschaft jener Tiroler Zeitungsbericht verlesen, wonach in jenen Tagen ein sächsischer Student - gerade wie vor mehreren Jahren sein König August - unter Imst lebens­gefährlich verunglückt sei. Den Bericht wirst [Du] aus einer Tiroler Zeitung wissen. Hier bekam ich nun gleich einen Vor­geschmack, wie die jetzigen Zeitungsschreiber Tirols die Wahrheit respektieren. Die lachende Gesellschaft waren die angeblich sächsischen Studenten, diese waren aber zufällig jute Preußen. Der für lebensgefährlich verletzt und einen Spitäler ausgegebene Student aber war der ärgste Lacher, hat sich stets auf der Post verpflegen und von zwei Ärzten behan­deln lassen und war so unbedeutend beschädigt, daß er an dem Tags mit mir nach Innsbruck reisen zu wollen erklärte. Auch über den Anlaß des unglücklichen Sturzes war unwahr berichtet. - Innsbruck hat so ziemlich das Aussehen von anno 1855. Mit dem gepriesenen Fortschritt und der Verschönerung ist es nicht weit her. Es sind wohl einige sogenannte Pracht­häuser mehr da, aber diese sind in ausländischen undeutschen Stilen erbaut und dann teilen sie mit den vielbekrittelten Juppen der Wälderinnen gerade die schlechteste Eigenschaft, nämlich die, daß sie ungestümes Wetter und unzarte Behand­lung gleich aus Putz und Ansehen bringt. Eine neue Eisenbahn ist auch da mit einer großartigen, massiven Brücke über den Inn und einem schönen Viadukt. Sie bringt und vermittelt schnell alles Neue der Welt und vermehrt so den Lebens­genuß, man verzeiht ihr daher ihre grellen ohrbeleidigenden Pfiffe. - Die löbliche Inwohnerschaft ist von dem Zeitgeiste aus der frühern Ruhe aufgerüttelt worden. Es haben sich, wie überall, Parteien gebildet, die hiedurch vermehrte Tätig­keit hat aber bis nun wenig Erfreuliches zu Tage gefördert. Die Altkonservativen entpuppen sich als Föderalisten und die Ultramontanen stehen mit ihnen im Bunde. Das Bewußtsein einiger relativen Vorzüge des Tirolers und seiner frühern geschichtlichen Taten hat in der jetzigen Generation den Stammes- und Heimatstolz erzeugt, der allein den Erklä­rungsgrund so mancher anachronistischer Prätension bildet. Wir Vorarlberger erscheinen dem echten Tiroler nichts weni­ger als ebenbürtig. Diese Alten und die hohe und niedere Klerisei möchten eine rein tirolische Gesetzgebung, ähnlich wie die Ungarn eine eigene wollen, darum kongruieren sie auch in so manchen Bestrebungen. Daneben hat sich in den größeren und mittleren Städten schon seit Jahren eine soge­nannte liberale Partei gebildet, welche dermalen unter dem Schütze des Ministers Schmerling ihr Haupt nicht wenig hoch erhebt. Ob Schmerling aber immer mit seinen Schützlingen zufrieden sein wird, ist eine andere Frage. Diese Leute haben zu wenig Vertrauen auf die Lebensfähigkeit des österreichi­schen Staatsgedankens und werden zu leicht von einer Strömung der Zeit, wie sie dermalen vom Nationalverein ausgeht, weggespült.

    Ist ja schon unser Landesblättle (Feldkircher Zeitung) diesem traurigen Lose verfallen. Diese Partei wird am 1. kommenden Jahres ihr neues Blatt ,lnnsbrucker Zeitung' herausgeben. Mein ehemaliger Professor Daum wird sie redigieren und der alte Widemann mitarbeiten. Die Art, wie die Fonds zu dieser Zeitung zusammenkamen, gäbe ein interessantes Bild moder­ner Spießbürgerlichkeit, womit ich Dich verschonen will. ­Zwischen beiden Parteien steht eine kleine, vermittelnde, aus meist wissenschaftlich gebildeten Männern bestehende, gut österreichisch-tirolische Partei. Diese hat kein eigenes Organ, wirkt aber durch selbständige Schriftwerke und in Zeitschrif­ten. Hieher gehörig ist das eben im Buchhandel erschienene Werk, das ich Dir auch sehr empfehlen möchte: ,Das deutsche Kaisertum in seinen universalen und nationalen Beziehun­gen', Innsbruck, Verlag der Wagnerischen Buchhandlung, 1861.

    Wenn ich nun diesen Skizzen noch beifüge, daß ich hier von den alten Bekannten gut aufgenommen worden, daß mich diese gleich über die dermaligen Verhältnisse aufklärten und jeder mich als verwahrlostes Dorfkind auf die Höhe der Zeit, das heißt auf seine Ansichten bringen wollte, daß ich weiter ein angenehmes Quartier mit Kost und Verpflegung habe und täglich ein paar Dutzend Paragraphen zum Rigoro­sum im kommenden Monat verkaue, im übrigen gesund und wohl bin und alle Vorteile des Stadt- und Kaffeehaus-Lebens wieder schlürfe, - so wirst Du wohl für jetzt mit mir zufrieden sein und mich gern allein in die Neuigkeitskonventikel gehen lassen, um das düstere Gewölk in Ost und Süd, unter dem heute der Wiener Reichsrat seine Sitzungen wieder be­ginnt, zu studieren. - Ich hoffe, Du werdest recht bald Dein Wort bezüglich des Briefwechsels einlösen. Falls mir jemand nachfragt, kannst Du diesen Brief zeigen, wenn Du willst, besonders dem Doktor und Kurat. Daß Du ihn mit Deinem Wible teilen wirst, setze ich voraus. Jedenfalls grüße mir nebst Deiner Mutter und den Unsrigen die Herren in Au und Schoppernau nebst den betreffenden Wirtsleuten und Aristo­kraten.

    Adresse: K. M., k. k. Gerichtsadjunkt in Innsbruck. ­Dein Freund

    Kaspar Moosbrugger

    Kaspar Moosbrugger
    Innsbruck
    Franz Michael Felder
  • 10. September 1861

    Theuerster Freund!

    Ich habe gehofft, Dich in diesen Ferien persönlich fragen zu können, warum Du mir seit einem Jahre nichts mehr schriebest; obwohl ich um ein Armutszeugniß anzusuchen mich veranlaßt fand; aber leider muß ich auch heuer die Vakans wieder in Wien zubringen, obwohl ich mich schon längst auf einen Besuch meiner Heimat sehnte und freute. Ähnliche Ver­hältniße wie im letzten Jahre halten mich auch heuer wieder zurück.

    Am Ende des Schuljahrs giengen auch fast alle meine Lektio­nen zu Ende, und ich muß mir somit um neue für das kom­mende Schuljahr umsehen; bisher ist noch nirgends etwas ausgekommen, hoffe aber bis Ende der Ferien doch noch welche aufzutreiben. Wien ist mit Privatlehrern so überloffen, daß man mit den besten Rekommendationen oft lange Zeit warten muß, bis sich wieder irgendwo etwas findet. Ein ande­rer Hauptgrund ist ferner, daß die Reise zu viel kostet. Ich muß daher wieder auf einige Zeit verzichten auf die Freude der Rückkehr in meine Heimat. Ich bitte Dich daher freund­lichst, daß Du wieder recht bald etwas von Dir, meiner Mut­ter und den ändern Bekannten hören läßt, damit ich doch die wichtigsten Veränderungen erfahre, da es mir nicht vergönnt ist, persönlich um Euer Wohlbefinden mich umzusehen. Du wirst vielleicht mir etwas zürnen, daß ich Dir so lange nicht mehr schrieb; als Entschuldigung kann ich nur sagen, daß sich nichts Wichtiges in meinen Verhältnissen zugetragen hat, und daß ich zuerst eine Antwort auf meinen letzten Brief von Dir abwarten wollte. Das Armuts-Zeugniß brauchte ich allerdings nicht so nothwendig, als ich damals glaubte, weil das Stipen­dium, auf das ich compediren wollte, in diesem Schuljahre noch nicht ausgeschrieben wurde; aber bis wenigstens Mitte Oktober muß ich wieder ein Neues haben, oder ich komme in materielle Nachtheile. Ich habe zu diesem Zwecke schon H. Pfarrer v. Warth davon benachrichtigt, und hoffe, er wird es mir besorgen; sollte aber deßungeachtet bis Ende dieses Monats der Vorsteher noch nichts davon erfahren haben, so bitte ich Dich dafür zu sorgen, daß bis wenigstens Mitte Oktober mir die einfache Bestättigung, daß ich u. meine Ver­wandten arm sind, zugeschickt wird. Aber gewiß.

    Mir geht es immer so leidlich und ich lebe ganz geräuschlos. Ich studire, instruire, gehe hie und da ein wenig spatziren und schlafe. Einige Male war ich bei den jetzt tagenden Sit­zungen des Reichstags im Parlament und habe den Vorträ­gen und Disputationen zugehört, die Du gewiß auch in der Zeitung gelesen hast. Gesund war ich immer. Oft, gewiß öfter als man aus der geringen Anzahl meiner Briefe zu schließen versucht sein könnte, habe ich an Dich gedacht; wie es Dir mit den Augen, wie mit Deinem sonstigen Befinden, wie mit Deiner geistigen Unterhaltung gehen werde, auf was für einen Standpunkt Deine standesmäßige Entwicklung vorge­schritten sei? Hier dürfte vielleicht auch der Grund zu suchen sein, warum Du meinen Brief vom Neujahr nicht beantwor­tetest? Über all' dieses hoffe ich baldigst ausführlich Auskunft von Dir zu erhalten, auch ich werde dann Dich nicht mehr so lange auf einen Brief warten lassen, als wie diesmal. Also gewiß. Grüße mir alle Bekannten, besonders die, welche ich schon öfters namentlich anführte, als Oberhauser ect., auch diejenige Person die Dich am meisten interessiert. Grüße mir auch meine Mutter aufs freundlichste, und übergieb ihr bei­liegenden Brief.

    Lebe also wohl. In der Hoffnung, daß es in einem Jahre mir vergönnt sein werde, Dir persönlich die Hände zu drücken, u. daß ich bald Nachricht von Dir erhalten werde, zeichnet sich mit vielen Grüßen Dein Dich stets liebender Freund

    Franz Jochum Jurist

    NB Hat J. J. Felder nicht mehr nach Hause geschrieben? wie geht es ihm? Ich habe seither keinen Brief mehr erhalten. Adresse:  F. J. Jurist, Wien, Alservorstadt, Währingerstrasse, N 275, Hof rechts, Thür 18.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 29. Juli 1861

    Werther Freund!

    Meinem Versprechen getreu zu sein finde ich mich ver­pflichtet, Dir ein paar Zeilen zu schreiben u. Dier zu sagen daß [sich] von heute an meine Adresse geendert hatt, ich verlaße zwar nicht Bordeaux aber ich beziehe ein anderes Quartier.

    Dein Schreiben vom 15 Aprill hatt mir große Freude gemacht, besonders, als ich vernahm daß Du den süsen Schlummer des Ehestandes so glücklich erworben hast, dazu lieber Freund wünsche ich Dir alles Glück, was nur einem Hausvatter nöthig ist; Sage Dier aber daß es durchaus unnütz ist, mir die Schö­nen Seiten des Ehestandes zu schilder[n], indem ich nie das glück haben kann, im Häuslichen Fammilienleben Ruhe zu finden. Warum werde ich Dier später anvertrauen. Ich bitte Dich schreibe mir das nächste mahl etwas von meiner lieben Schwester, denn sie ist der Einzige gegenstand der mich oft in Dunkles nachsinnen versetzt, u. ohne dieselbe würde ich unsere Berge ganz zu vergessen suchen. Sage meiner Schwe­ster es würde mir sehr Freude machen wann Sie mir nur ein paar Zeilen schreiben würde. Warum ich so wenige mahl schreibe will ich Dir aufrichtig erklären: Ich suche alle mög­lichen Zerstreuungen, um mich den Erinnerungen an mein Heimathland los zu werden, indem ich sehe, daß mir ein sehr kalter Willkomm in Aussicht steht. Grüße mir auch meinen Vatter u. wann er sich wundert warum ich Ihm noch nicht geschriben habe, so kannst Du Ihm sagen, daß ich auf die Ansichten die er von mier hatt u. aus sicherer Quelle geschöpft glaubt, mich nicht rechtfertigen will, denn mein Ehrgeitz ist größer als meine Kraft, unwahre Verdächtigungen zu ertragen oder zu bekämpfen, u. darum werde ich das tiefste stillschweigen behalten. Grüße mier Deine Mutter Thausendmahl. Es grüßt u. Umarmt Dich u. Deine Frau in der weiten Ferne Ein wahrer Gönner

    Seppel

    Meine Adresse Monsieur Felder horloger rue des rempartes Nr. 59 Bordeaux France

    Johann Josef Felder
    Bordeaux
    Franz Michael Felder
  • 16. April 1861

    [...] Wer an einem Orte, in einer Gesellschaft mit seinen Ansichten allein ist, mit dem ist es traurig bestellt; denn wer sich seinen Vorstellungen überläßt, wird nur zu leicht ein Schwärmer, das habe ich und du nur zu gut erfahren! [...]

    [18. April]

    [...] Ich habe oft an dich gedacht. Oft, wenn ich die Stellen betrat, wo wir einst so froh unsere schönen, stolzen Pläne für die Zukunft machten. O, ich hoffte stets, daß sie wieder­kehren würden, diese schönen Stunden. Und nun ... So willst du denn nimmer heimkehren ins teure Heimatland, nimmer aufgehen sehen die Sonne über dem Schauplatz deiner ersten und schönsten Jahre, nimmer fühlen und erwidern der treuen Freundschaft warmen Händedruck? Unter fremden Menschen willst du umherirren! O, es ist so schön daheim! [...] Was hatten edlere Menschen im Leben nicht alles zu tragen und zu dulden und sie haben es getragen und sind Männer geblieben. Aber die schönsten Arbeiten der Besten sind schlecht belohnt worden. Aber ein Schweiß, eine Sorge wird stets belohnt, - o, du kennst nicht das süße Gefühl, für eine Gattin, für eine geliebte Familie zu leben! Wenige Bilder einer heiteren Vergangenheit haben dir hinausfolgen können in die weite fremde Welt, du warst selbst so wie ich in der Heimat ein Fremdling. Aber mit mir ist es doch nicht mehr so wie früher, ich habe meine Denkungsart gebildet (erlaube dem Offenherzigen dieses etwas anmaßende Wort), nicht ver­ändert. Ich bin glücklich geworden durch die Liebe, durch die Musen, durch das mich in die Leute Fügen. Ich suche mir selbst das zu werden, was andere Leute mir nicht sein können und sein wollen. Und du, mein Freund, irrst umher in der Welt, ach, o kehre heim zu deinem Freunde, zu deiner Schwester ins gemütliche Deutschland. [...]

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 14. April 1861

    Mein theurer Freund!

    Dein Schreiben vom 6 April hat mir Deine Schwester soeben (jedoch uneröffnet) gebracht. Ich wollte, Du hättest gesehen, mit welchem Verlangen sie da saß u wartete, ich las den Brief in der Stille, u O was sollte ich ihr daraus erzählen, ich mußte lügen. Aber mit Dir will ich nun aufrichtig sein Wer an einem Orte in einer Gesellschaft mit seinen Ansichten Alein ist, mit dem ist es traurig bestellt, denn wer sich seinen Vorstellungen überläßt wird nur zu leicht ein Schwärmer; das haben ich u Du nur zu gut erfahren! Unser Beruf u die verschiedenen Verhältnisse haben uns getrennt. Aber wir konnten uns ja schreiben, u das wollte ich auch schon im Dezember; aber MON DIEU! da schrieb „Vetter Hans" das Du Bordeaux vermuthlich bald verlassest u da erwar­tete ich immer ein Schreiben. O wie gern hätte ich Dir im Feber geschrieben, aber ich wußte ja nicht wohin! und Du bist mir die Antwort auf mein letztes Schreiben auch schuldig geblieben, gute Nacht für heut.

    Am 18 April.

    Ich hatte diese Tage beim besten Willen nicht Zeit, weiter zu schreiben; aber oft habe ich an Dich gedacht. Oft wenn ich die Stellen betrat, wo wir einst so froh unsere schönen u stolzen Pläne für die Zukunft machten, O ich hoffte stets daß sie wieder kehren

    würden diese schönen Stunden: Und nun---------

    So willst Du denn nimmer heimkehren ins theure Heimaths­land, nimmer aufgehen sehen die Sonne über dem Schauplatz Deiner ersten u schönsten Jahre, nimmer fühlen u erwiedern der treuen Freundschaft warmen Händedruck Unter fremden Menschen willst Du umher irren O es ist so schön daheim! Doch ich erinnre Dich hier an Dinge die [Du] doch nicht vergessen haben kannst. Wir in Vorarlberg sind jetzt in jeder Beziehung frei­er als früher das sage ich nur, damit Du nicht glaubst ich sei ein Sklav meiner Verhältnisse geworden. Du fragst mich, ob ich in Deinen Augen tot sein wolle um bei Ändern lebendiger zu ­scheinen?

    Nein lieber Seppel u abermals nein! Und das kann mir mein Seppel zumuthen. Ich mag nicht scheinen ich will sein aber nicht für die Schoppernauer Philister, sondern für mich u die, die ich liebe.

    Auch ich hatte manchen harten Kampf auszustehen, seid Du fort bist, zwar nicht gerade um mein Fortkommen, aber desto mehr um meine moralische Freiheit ich habe oft gesucht u selten gefunden. Ist das nicht aller Menschen Schiksal, die einmal im Leben zum Suchen kommen. Schließlich dachte ich immer mit mir selbst

    Wisse! ein erhabner Sinn

    Legt das Große selbst ins Leben

    Und er sucht es nicht darinn    Schiller

    Was hatten edlere Menschen nicht alles vom Leben zu tragen u zu dulden u sie haben es getragen u sind Männer geblieben. Aber die schönsten Arbeiten der besten sind schlecht belohnt worden. Aber Ein Schweis eine Sorge wird stets belohnt. - O Du kennst nicht das süße Gefühl, für eine Gattin, für eine geliebte Familie zu leben wenige Bilder einer heitern Vergangenheit haben Dir hinaus folgen könen in die weite fremde Welt. Du warst selbst, so wie ich, in der Heimath ein Fremdling. Aber mit mir ist es doch nicht mehr so wie früher; ich habe meine Denkungsart etwas gebildet (erlaube dem Offenherzigen dieses etwas anmassende Wort) nicht verändert. Ich bin glüklich gewor­den durch die Liebe, durch die Musen u durch das mich in die Leute fügen. Ich suche mir das selbst zu werden, was mir andere Leute nicht sein können u wollen. Und Du mein Freund, irrst herum in der Welt, ach von keinem gekant, von keinem geliebt. O kehre heim zu Deinem Freunde, zu Deiner Schwester ins gernüthliche Deutschland. Wer wollte einem Bauren jedes un­überlegte Wort übel nehmen. Das letzte Schreiben deines Vaters war sehr hart. Man sagte mir kein Wörtlein davon nur Deine Schwester hat mir, ihrem einzigen Vertrauten auf der weiten Gotteswelt, mit weinenden Augen davon erzählt. Aber der Brief Deines Vaters war doch nicht härter u kälter als der Deine vom 6/4 an mich.

    20 April

    Du siehst, wie langsam mir das Schreiben geht es fehlt mir nicht am Willen, aber an Zeit das Feld fängt an zu grünen u ich mus die Frühlingsarbeit thun, die mich keinen Augenblik in der Stube läßt; heut will ich Dir Neuigkeiten schreiben. Mache Dich nur auf etwas merkwürdiges gefaßt: Rathe? Am 4 Februar 1861 habe ich mich mit Anna Katharina Mosbrugger in Au, der jüngsten Schwe­ster von Martins Schneider verheirathet, u Du darfst überzeugt sein, daß ich Dir das geschrieben hätte, aber Vetter Hans hatte Deinem Vater geschrieben, daß Du Bordeaux verlassest, u da wußte ich ja Deine adresse nicht. Jetzt will ich es Dir aber mitt­heilen, u ich hoffe, daß Du nun überzeugt bist, daß ich nicht tot bin u daß ich nicht scheinen mag. Denn die Leute sagten mir u ihr, daß wir zu jung seien. Zum Anfang mag ich nichts unange­nehmes Neues sagen aber jetzt kommt etwas, das Dich angeht u nicht ganz angenehm sein wird

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 6. April 1861

    Freund!

    Heute, als ich nach mehrtägigem Rückenweh bei sehr schö­nem Wetter spatziren ging, gewahrte ich, daß die Bäume mit Laub u. Blüthen geschmückt, schon in vollester Pracht das Menschliche Auge erfreuen. Wahrhaftig beim Anblick des so vorgerückten Frühlings, meine Gedanken schwebten, auf den mir fernen, Schneemassen unserer Berge. Bei all diesen Betrachtungen, tauchte in meiner Seele der Gedancke auf, wird wohl Dein Freund mit dem Frühling Dier wieder leben­dig werden? In diesen Gedanken versunken, ging ich geraden Wegs auf die Post, um noch einmal zu sehen, ob nicht einige Zeilen, Zeichen eines Lebens, für mich zu finden währen. Aber auch diesesmahl, wie schon viele andere, der angestelte von der Post gab mir die Antwort: il y'a na pas. Nach meiner Wohnung zurückgekehrt, dachte ich es noch einmahl zu ver­suchen, u. zugleich mich zu erkundigen, ob Du mein Freund ein wahres Kind des Todes geworden bist, od. ob Du nur Tod für mich bist, um lebendiger im Auge anderer zu erscheinen. Wahrhaftig es muß etwas an der Sache ligen, denn ich kann nicht begreifen, daß Du vermöge Deiner Geschäfte od. Um­stände nicht der Zeit hättest einem Freund, wie ich mich glaubte, ein paar Zeilen zu schreiben. Von meiner Seite wirst Du gut verstehen, daß ich immer auf eine Antwort wartete, u. im Fall daß ich weiter gereist währe, hätte ich Dier meine Adresse u. meine Abreise wie immer Eilligst angezeigt. Zudem wollte ich nicht immer Dich mit meiner papirenen Sprache belästigen. Meinem Vatter wollte u. will ich nicht antworten auf sein Schreiben von 18 Nov. 1860 worinn ich eine Eiskalte, fremde Sprache las, u. wenn ich nicht so tief im Elend gesesen währe, hätte ich ihm seine Hochgeerten Bancknoten gesund u. unbeschädigt in Händen geliefert. Erst am Ende Dezem. sah ich mich gezwungen, von seiner Unfreiwillig gereichten Gabe Gebrauch zu machen.

    Meine gegenwärtige Lage kenne nur ich, u. ich bin zufrie­den, daß sich jetz niemand mehr um mich bekümmert. Glück­licherweise fehlt es mir nicht an Geld. Daß all diese Ereigniße mich zimlich von meiner Heimath zurückgeschlagen haben wirst Du wohl selber leicht verstehen, denn ich hoffe, daß Dein Kopf sich nicht gedreht hat.

    Wenn Du daher nicht ein Kind des Todes bist, was ich wahr­haftig nicht wünsche, so schreibe mir nur ein paar Buchsta­ben, u. seye versichert, daß ich Dier in Zukunft nicht mehr überlästig werde. Denn die erste gelegenheit die sich darbie­tet um den großen Ocean zu überfahren, werde ich benützen u. Glücklich schätze ich mich, wenn die Folgen einer schlech­ten Reise, meinem Roman das Ende verleihen. Ich erhielt auch einen Brief von dem retter meines so unnützen lebens, nämlich von Xafer Jochum in Wien, der micht sehr gefreut hat. Von diesem meinem Schreiben, bitte ich Dich, sage ja nichts meinem Vatter, damit er ruhig seinen Schlummer fort schlaffen kann, denn ich wollte ihm um keinen Preis neuen Verdruß verursachen, u. dazu habe ich ganz klar gefunden, daß mein stillschweigen das Beste mittel ist.

    Hiemit zeige ich Dir nun meine Adresse an damit ich nicht nothwendig habe immer vergebens auf die Post zu gehen u. nach Briefen zu fragen

    Dein Freund.

    Felder horloger

    rue des herbes Nr. 20 Bordeaux

    France

    Johann Josef Felder
    Bordeaux
    Franz Michael Felder
  • Datum unbekannt
    23. Dezember 1860

    [...] Wie viel hätten wir uns zu sagen! Denn ich habe auch viele Erfahrungen gemacht; ich darf sagen, ich bin nicht mehr der ich war. Ich habe die ernsten Seiten des Lebens kennen gelernt. Ich hatte viel zu kämpfen mit mir selbst und dem Schicksal, doch ich habe Ruhe gefunden, nachdem ich mich ganz mit Herz und Seele an ein liebes Wesen anschmiegen durfte. Ich habe erfahren, was es heißt, dem Tod ins Ange­sicht sehen. All das ist nun vorüber. Nach meiner Ansicht ist ein stilles, ruhiges Familienleben das Schönste. Selbst sorgen und arbeiten für die, die man liebt, ist süß. [...]

    Franz Michael Felder
    Johann Josef Felder
  • 22. Dezember 1860

    Mein theuerster Freund!

    Schon lange ist es seit ich Deinen (lange reisenden) letzten Brief vom 14. Juni erhielt, u. erst am  Rande dieses Jahres komme ich zu einer Antwort. Vor allem wünsche ich Dir, mei­nem theuersten Freunde, ein recht glückliches, sorgenloses neues Jahr; kein Unglück möge Dir künftighin Dein Leben verbittern, neues und ungetrübtes Glück wird, wie ich hoffe und wünsche, in Deinem Hause einziehn. - Mit großer Ge­spanntheit las ich öfters die Beschreibung Deiner gräßlichen Todesgefahr, aus der Du wie durch Wunder glücklich gerettet wurdest. Das war die herrliche Frucht wahrer Freundschaft, die auch das Leben seiner selbst für das des Freundes einsetzt. Das Geschick hat Dich noch nicht von dieser Erde abberufen; gebe Gott, daß noch viele Freuden Dir vorbehalten sind. Das glaube ich auch hoffen zu dürfen, denn ich sah, daß Du immer zufriedener wirst, - und Zufriedenheit trägt wirklich am meisten zu unserem Glücke bei -, wozu Du auch Grund hast. Ja Grund hast Du dazu, mehr als Du selbst einsehen kannst, weil Du nie ein anderes als sorgenloses und selbstän­diges Leben kennen gelernt hast. -

    Wenn Du in Deinen wissenschaftlichen Arbeiten auf Unsiche­res und Zweifelhaftes stößt, kannst Du überzeugt sein, daß es Dir gerade geht, wie allen ändern die sich mit derlei Sachen befassen, u. es würde Dir in Wien auf der Universität, oder in Paris, ja selbst in der Propaganda in Rom nicht besser gehen. Zudem bist und bleibst Du unabhängig, u. hast neben Deiner häuslichen Arbeit ebensoviel Muse für Wissenschaft, als ein gehetzter Beamte oder Professor ect. hat, u. gewiß auch soviel Lust dazu, weil Du durch körperliche Arbeit in gesunder Luft Deinen Geist nach einer Abspannung stärkst, u. vor Überspan­nung schützest. Dazu scheint Amor Dich gegenwärtig in Dei­nem edilischen Leben zu begünstigen.

    Es scheint mir also, daß Dein Leben glücklich u. beneidens­werth dahin fließen wird. Daß dem so sei und sein werde, wünscht Dir aufrichtig Dein alter Freund zum Neujahre. Ich habe seit meinem letzten Briefe auch manches durchzu­machen gehabt, was nicht gerade angenehm zu nennen ist. Bis Oktober wußte ich vor Arbeit nicht wo anfangen; nachher war es in dieser Beziehung besser, aber in finanzieller dafür schlechter. Ich kam nämlich um meine beste Lektion, indem mein Zögling nach Pest übersiedelte, u. so wurde meine ohnehin nicht glänzende Lage noch verschlimmert. Ich hoffe nun, das neue Jahr werde auch mir mehr Glück bringen, als das alte. Noth habe ich zwar gerade nie gehabt, wohl aber bei einigen bekannten Studenten Schulden contrahirt. Trotz dem habe ich mich immer in die Verhältniße zu schicken gewußt und bin nie gerade unzufrieden gewesen. Gesund war ich immer.

    J. Josef Felder hat mir von Bordeaux aus einen Brief geschrie­ben; er ist gesund und zufrieden. Ich schickte ihm bald eine Antwort, weil er mir schrieb, daß er vielleicht nicht mehr lange daselbst bleiben werde, u. zwar schrieb ich ihm in fran­zösischer Sprache.

    Sonst weiß ich Dir nichts Neues zu berichten; was in Zeitun­gen zu lesen ist, weißt Du so gut als ich. Ich hoffe nach Vollendung des III. Curses wieder einmal das Glück zu haben, Dich u. meine ändern Freunde auf heimat­licher Erde selbst zu sprechen; wobei wir uns sicher viel zu sagen haben werden. Ob dieß sicher ist, werde ich Dir schon später schreiben, da ich jetzt noch nicht wissen kann, wie sich die äußer[n] Umstände gestalten werden. Warum ich so lange auf eine Antwort warten ließ, wird Dir aus dem bereits Gesagten von selbst einleuchten, und Du wirst deßhalb nicht böse über mich sein, wie ich hoffe; beson­ders wenn ich Dir versichere, daß ich mir oft zu schreiben vornahm, aber immer eine passendere Zeit u. bessere Nach­richten abwartete, und daß ich oft an Dich dachte u. mich mit Freuden an unser früheres Beisammensein erinnerte. Ich habe nun noch eine Bitte an Dich zu richten: Das Armuts­Zeugniß, um das ich an Pfarrer Thiefenthaler schrieb, habe ich richtig v. J. Jakob Felder erhalten, aber er hat es nicht so gemacht, wie ich es wünschte, besonders da der Zweck „Befreiung v. Collegiengelde" darin angeführt war, (ich schrieb dies nur damit ich es schnell bekomme); nun kann ich es aber zu sonst nichts brauchen; u. da ich gegen Frühjahr, wenn Stipendien ausgeschrieben werden, um ein solches ansuchen möchte, u. weil man überhaupt aus verschiedenen Gründen ein solches benöthigen kann, so muß ich wieder ein anderes haben. Ich laße mich daher für das Geschickte bedanken, bitte aber mir gelegentlich ein Neues zu schicken, wenigstens bis Mitte März. (Aber ohne den Zweck anzufüh­ren, denn sonst könnte ich vielleicht bald wieder um ein neues schreiben müssn).

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
    Stipendium
  • 15. Dezember 1860

    Herrn F. M. Felder in Schoppernau

    Ihr Werthes vom 12 ds. traf erst heute, & zwar von Bregenz aus mit Porto von fl -6, hier ein, und ist solches daher ver­muthlich unterwegs liegen geblieben.

    Da wir nun auf keine Antwort auf unser jüngstes Schreiben mehr hofften, Sie vielmehr mit der früher gefällig bestellten Anzahl von Kalendern einverstanden hielten, so übersandten wir Ihnen vorgestern, wo wir eine Sendung nach Bregenz machten, die s. Z. gewünschten 55 Weisenburger Hauskalen­der, indem wir so dieselben gleichzeitig mit andern stempel­pflichtigen Schriften behandelten.

    Daß wir hier diese Kalender nachdem sie schon gestempelt sind nicht mehr verwenden können, werden Sie begreiflich finden, wir bitten Sie also ebenso freundlich wie dringend, die ganze Anzahl in Ihrer Gegend anzubringen zu trachten, was wohl am Ende nicht allzuschwer sein möchte, da der Kalen­der, welcher allgemein beliebt ist, dieses Jahr besonders hübsch ausgestattet wurde. Derselbe wird seines unterhalten­den Inhaltes wegen von Vielen angeschafft, die schon andere Kalender besitzen und kann außerdem in dortigen Kreisen noch gar nicht verbreitet sein, da wir solchen gleich nach Druckvollendung auf unser Verlangen erhielten & und Sie ihn dann gleichfalls schnell darauf bekamen; auch ist ja noch einige Wochen hin bis zum neuen Jahre! Indem wir von Ihrer vielbewährten Freundschaft geneigte Entsprechung unserer Bitte hoffen, zeichnen wir mit aller Hochachtung Ihre ergebenste

    Matth. Rieger'sche Buch­& Kunsthandlung

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 8. Dezember 1860

    Herrn F. M. Felder: Schoppernau.

    Da soeben die Weisenburger Hauskalender eintreffen, so fra­gen wir hiermit bei Ihnen an, ob Sie die bestellten 50 nebst 5 Freiexpl. oder wieviele Sie davon zugesandt wünschen. Durch gefällig recht schleunige Antwort würden Sie uns sehr verpflichten, da wir nächste Woche eine Sendung nach Bre­genz machen und es dann, da die Kalender doch gestempelt werden müssen, in einem Male erledigt werden könnte. ­Der Kalender scheint diesesmal sehr hübsch & interessant zu sein & haben wir deßhalb auch eine entsprechende Anzahl mehr bezogen, so daß wir wohl im Stande sind allenfalls gütigst noch mehr bestellte Expl. ebenfalls sofortigst zu besorgen.

    Gefällig umgehender Mittheilung entgegensehend halten wir uns Ihnen bestens empfohlen und zeichnen achtungsvoll und freundschaftlichst

    Matth. Rieger'sche Buch­& Kunsthandlung.

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
    Kalender
  • 5. Dezember 1860

    Herrn Frz. M. Felder. Schoppernau.

    Indem wir Ihnen den richtigen Empfang Ihres Werthen vom 1. ds. bestättigen, zeigen wir Ihnen zugleich ergebenst an, daß wir die bei unserm Reisenden Aug. Bopp gütigst bestellten Kalender 50 Ex. vergangenen Monat in Mainz bestellten, wir erwarten selbe jeden Tag und werden wir Ihnen solche dann sofort nach Empfang zugehen laßen.

    Ihrem Werthen freundlichst beigelegte fl 18.40 haben wir Ihnen ergebenst dankend gutgebracht, ebenso haben wir die darin bestellten Werke bereits verschrieben. Ihrem fernem geneigten Wohlwollen uns bestens empfeh­lend, zeichnen wir nebst den freundlichsten Grüßen ergebenst

    Matth. Rieger'sche Buch­& Kunsthandlung. P.P.

    Morgen trete ich die Reise in Bregenzer Wald an. Hoffe Sie gesund u. wohl zu treffen. Herzliche Grüße

    Philipp Aug. Bopp.

     

    Philipp August Bopp
    Lindau
    Franz Michael Felder
  • 2. Dezember 1860

    Mein lieber Herr Felder.

    Anfang v. M. habe ich 1 Kistchen Obst von Lindau aus an Sie abgesandt das Sie unterdeß wohl erhalten haben werden, empfangen Sie darin eine kleine Erkenntlichkeit, gegen erhal­tene Gastfreundschaft.

    Ob ich in disem Jahr noch nach dort kommen werde kann ich nicht bestimmt sagen.

    Wie geht es Ihnen, Ihrer l. Mutter Marie u. ganz Schoppernau, sind alle gesund? Jetzt bin ich auf der Heimreise aus der Schweiz.

    Ein kleines Briefchen von Ihnen den Empfang des Obstes bestättigend, u. Auskunft über dort, wäre mir sehr angenehm.

    Nebst den herzlichsten Grüßen an Sie, Ihre Mutter, Marie Ihr ergebenster

    Philippe Auguste Bopp.

    Empfehlen Sie mich Ihrer Jgf. Braut als unbekannt.

    Philipp August Bopp
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
    Lindau
  • 2. Oktober 1860

    Liebes Vetterchen!

    Dein letztes Schreiben habe ich bei meiner ankunft in hier richtig gefunden, u. ich beille mich dasselbe zu beantworten. Wie Du wohl wissen wirst, ich bin hier den 13. v. M. ange­kommen u. nach einigen Tagen hernach hat das arbeiten sei­nen anfang genommen, denn die rante ist auf O gesunken, u. da muß dann der Körper andere maßregeln ergreiffen. Wie es mir scheint so ist mir der Mittägliche Himmel nicht hold, denn die letzten verflossenen 8 tage wahr ich etwas unpäßlich u. habe nicht gearbeitet; daß solche kleine Übel bei einer Lage wie ich sie kenne von keinem Vortheil sind, kannst Du leicht begreiffen. Doch heute bin ich so stark wie nie, u. befinde mich perfete. Jetz aber will ich Dier ein wenig etwas erzählen von Bordeaux. Bordeaux ist eine Stadt von 160.000 Einwohner, hatt sehr schöne Plätze, u. das schönste Teather von ganz Franckreich, hier siht man Weisse, Schwarze u. Braune Gesichter, von allen Natzionen. Der fluß der 10 Stund von hier ins Mer fält, heißt Gironde u. ist sehr groß. Es hat auf dem Cai im [Hafen] hier immer 1000 bis 2000 Schiffe von allen Größen u. Ländern. Ich habe Ein Dampfschiff gesehen von 8000 P[f]ertekraft. Übrigens weis ich noch nicht fiel zu erzählen, denn ich habe noch auf keine Art bekanntschaft gemacht, warum se por mich.

    Die Arbeit ist hier schlecht bezahlt, u. ich werde bald mich anderwo hin begeben, vorher aber werde ich mir etwas zusammen suchen. Es kann der Fall sein, daß ich in 14 [Tagen] Bordeaux verlasse u. mich in der Umgebung Plat­ziere.

    Grüße mir meinen Vater u. Schwester u. alle meine Verwan­ten. Wenn Du mir schreibst adresse den Brief wie das letzte mahl

    M. Felder Joseph horloger

    Post restante ä Bordeaux

    France

    Es grüßt Dich u. Deine Mutter Tausentmahl

    Joh. Joseph

    Journal Polli[ti]ck

    Eine Depesche von heute meldet daß die Päpstlichen Truppen mit Ihrem General Lamoriciere in Ancona kapituliert haben u. als Krigsgefangene nach Piemont geschickt werden. Bethet also nicht mehr für den Erfolg der Päbstlichen Truppen, denn es ist zu spät. Übrigens hatt die Pollitick eine spizige Nase u. ich möchte mir den Kopf an derselben nicht verstossen. Garibaldi u. Vicktor Emanuel scheinen mir wie Hund u. Kat­zen, die mit einander dasselbe Haus bewohnen, verstanden.

    Johann Josef Felder
    Bordeaux
    Franz Michael Felder
  • 3. September 1860

    Mein theurer Freund!

    Ich beeile mich, Dir auf Dein werthes Schreiben vom 26/7 zu ant­worten. Den ich sehnte mich sehr nach Deinem Schreiben, damit ich den vorigen Brief wieder vergesse, bei dessen Kälte mich noch fror. - Du schreibst mir, daß Du entschlossen bist, weiter zu reisen, u da möchte ich Dich fragen, Wirst Du nicht bald heim­kommen ins land, wo liebende Herzen Dir entgegen schlagen u

    -  wo nun die Erdäpfel wieder zeitig sind, wo jeder Esel ein ­Philosof ist, u jedes Schaf Gedankenfreiheit hat. O so gern möch­te ich wieder einmal bei Dir sein. Ich habe hier viele Kamerathen aber-wenig Freunde. Ich habe Bücher u bin bei ihnen lieber, als in der lautesten Gesellschaft, aber etwas findet dann doch jeder, der sucht

    Ich weis nicht ob Du den Joh Kaspar Mosbrugger aus Au ge­kannt hast, er war Student als Du noch hier wärest u seine Arbeit, wenn er zu Hause war bestand darin, seine jüngste Schwester, die sehr viel Talent zeigte, etwas mehr auszubilden, als dies sonst bei Mädchen hier geschieht. Aus dem Studenten ist nun ein Hr Aktuar geworden, er ist in Ungarn, und Nannj ist allein obschon sie noch 4 Geschwister hat, ist sie doch alein wie - ich. In Hopfreben lern­ten wir uns vor 4 Jahren kennen, Du hast gewis schon Romane gelesen u ich darf daher mit dem meinigen hier reden, nur noch so viel: ich habe in ihr ein Herz gefunden, das mich ganz versteht u dem ich alles mittheilen darf. Gott Amor wird weiter helfen!

    ------  Entschuldige mich, mein Freund, nun kommt eine kleine

    Schwätzerei! Bei den Geschwistern Deiner Stiefmutter ist Krieg ausgebrochen weil es sich darum handelt das gesammte vermö­gen zu theilen. Ferdinand verehlicht sich ganz bestimmt noch dies   Jahr   mit   der   Tochter   des   Bekmülers   am    Ünschen (Musmehlenpedder) der Alte ist am 26 August endlich gestorben. Auch  der Joh Jakob Albrecht  Bruder des  Lehrers  heiratet die Margaretha Tochter des Xaver Albrecht. Sonntag den 26 Aug. war Kirchweih in Au. Ich war auch dabei, habe mich recht gut amüsirt. Die Musik in der Sonne war - süperb, würdest Du sagen. Das Wetter war schön was sonst selten der Fall ist imer Regen u Schnee. Seit dem 1. Juli hat es 19 Mal in die Berge geschneit. Es gibt wenig Heu u viele Engerlinge die in Schoppernau großen Schaden thun. Im Walserthal wurde der Ztner Käse für 33 fl Papier (gut) verkauft. Die 1858 geschlagenen Mautmünzen haben Ihren Glanz verloren wie die Verfassung. Unserm Freund Jochum geht es auch nicht immer gut, er war lange krank in Wien, ich bitte Dich, schreibe ihm einmal, seine Adresse werde ich Dir mittheilen. Dein Vater ist gesund u wohl doch hat er sehr gealtert, er lebt zufrieden mit seinem Weibe, u raisoniert zur Unterhaltung alle Werktage auf Napoleon. Vorarlberg ist auch um 150 Jesuiten - reicher geworden die sich weis Gott wo, flüchten mußten, u

    sich im Oberlande einzubauen gedenken.------ Der Napoleon ist

    aber doch ein rechter Grossprecher, hast Du die stolze Rede gele­sen die er an das Volk zu Lion hielt. Die allgemeine Zeitung hat sie ihm schlecht ausgelegt. Doch

    Verloren ist der Augenblik

    in dem Du redst von Politik

    Nicht wahr, dieser Brief ist so zerstreut [als] ob ich das darin ent­haltene beim Mondschein zusamen geworfen hätte. Verzeih mir, ich habe gestern wenig geschlafen u würde Dir heut gar nicht schreiben wenn ich hoffen dürfte den morgigen Tag frei zu haben. Deine Schwester lebt u ist gesund sie spricht noch oft u gern von Dir u es würde der schönste Tag ihres Lebens sein wenn sie Dich wieder hörte, sähe, sollt ich sagen, aber das Licht ihrer Augen nimmt scheint es mir leider stets ein wenig ab. Ich war eben bei den Deinen u alle wünschen Dich recht bald zu Hause in ihrem Kreise zu haben auch ich wünschte das wie viel hätten wir uns zu sagen denn auch ich habe viele Erfahrungen gemacht ich darf sagen ich bin nicht mehr, der ich war. Ich habe auch die ernsten Seiten des Lebens kennen gelernt. Ich hatte viel zu kämpfen mit mir selbst u dem Schiksal, doch ich habe Ruhe gefunden, nach­dem ich mich ganz mit Herz u Seele an ein liebes Wesen anschmiegen durfte. Ich habe erfahren, was es heist dem Tod ins Angesicht sehen. All das ist nun vorüber, nach meiner Ansicht ist ein stilles ruhiges Familienleben das schönste. Selbst Sorgen u Arbeiten für die, die man liebt ist süß. Ich habe meinen Theil an der Alp Schiedein an die Ändern verkauft u habe nun weid auf Aufeid, ich habe mir dadurch ein ruhigeres Leben angeschafft u bin jetzt beinahe Schulden frei, u kann also sorglos sein wegen meinem Fortkommen: Möchtest Du es nicht auch so? - Deine Mutter! (so erzählte mir neulich Deine Schwester), sagt dem Vater immer Du kommst nie mehr. Du wirst wissen warum sie das sagt. Du schreibst mir, Du wollest noch nach England reisen. Das freut mich natürlich wenig, weil ich Dich lieber Heim kommen sähe. Aber thue was Du für das Beste hallst, nur vergiß nicht, zuweilen an mich zu schreiben, ich habe Dir nun manches mitgetheilt, das mir wichtig schien, u auch meinem Freunde nicht gleichgültig sein wird. Sonst weis ich wenig andres von hier der Viehpreis ist immer hoch es werden 3 Jahre alte rinder für 214-230 Gulden verkauft Kühe mittler Art 120 fl Kälber 3/4 Jahr alt 40-50 fl. Hochzeiten habe ich Dir schon 2 geschrieben, und mehr weis ich nicht. Josef Oberhauser hat von der Regierung 15 fl dafür erhal­ten daß er mich mit eigner gefahr aus dem Wasser zog, also ist mein Leben 15 fl werth! - Am selben Tag als mich jenes Unglück traf hat man den Joh Josef Bischofberger vergraben. Wenn du wie­der an Deinen Vater schreibst so bitte ich Dich, folgendes nicht zu vergessen: das Gugarbüable ist bei [uns] Heuer und Isabella Simma [...] u dieses Paar karesirt hinter seinem Rücken nach Herzenslust, mache ihn daher im Scherze auf seine Pflicht als Herr des Hauses aufmerksam.

    Lebe wohl u schreibe bald wieder wie es Dir geht u wo Du bist bleibe der Alte das heißt mein Freund, nochmahl, lebe wohl lie­ber Seppel Mit Brudergruß u Handschlag

    Dein AMI F M Felder

    Alle Deine u meine Freunde

    lassen Dich grüssen vor allem                        Jochums Adresse

    Dein Vater, Mutter u Schwester                               F X Jochum

    auch meine Mutter u noch                                    Jurist in Wien

    viele viele viele                         (Abzugeben auf der Universität)

     

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 26. August 1860

    Mon cher ami!

    Dein Schreiben vom 18 d. M. habe ich nun ganz gelesen, u. ich beeile mich Dier zu antworten. Warum Du einen so kalten Brif, wie Du Dich ausdrückest, von mir erhalten hast, wahr wahrhaftig nicht Deine Schuld, wie ich in Deinem Schreiben vom 18. lese, sondern die Schuld der Postverwal­tung, die Dein schreiben vom 27 Mai weis der Gugu wo hin spediert hat, einmahl ich habe es nicht erhalten. Jedoch die­ses Misgeschick wird sich hoffentlich bald herstellen et par­lons plus. Unter anderem bedaure ich sehr, daß Du das Unglück hattest, am Grabe eines Amour bien emme zu ste­hen, was Deinem Freund noch nicht begegnet ist, denn ich halte an den Französischen Grundsatz (Ein anderes Städchen, ein anderes Mädchen). Jedoch empfinde ich sehr wohl, daß es das größte Glück des Menschen ist, geliebt zu sein, amour, amour, la nuit comme le jour. Noch mehr aber bedaure ich Deine schreckliche läge, in der Ach am 6. Juli. Und ich beeile mich, Dier Glück zu wünschen u. Dich zu Umarmen als mei­nen gereteten Freund.

    Weiter lese ich in Deinem schreiben, wie immer, daß Du mir vieles u. Wichtiges mitzutheilen habest. Seit ich in Franck­reich bin, jeder Deiner Briefe verspricht mir diese Wichtigkeit auf das nächste mahl u. gerade dieses hofen u. nicht antwor­ten hatt mich zum letzten schreiben veranlaßt. Jetz aber werde ich Dier Erzählen was mich anbelangt: Ich befinde mich wohl u. bin so zufriden, nur das schlechte Wetter spilt mir hie u. da Possen. Ich wollte die Meer-bäder benützen, aber es ging bis daher fast immer ein fölliger Krumbacher Wind u. das gesalzene Wasser ist dann auch kalt. Seit 2 Tagen haben wier nun gut Wetter u. es scheint anhaltend. Heute Morgen 9V2 Uhr habe ich tief im großen Weltmeer gestanden u. erinnerte mich, wenn die Wellen über meinen Kopf schlu­gen, an Deine nasse läge in der Ach. Das Baden im Meer schlägt mir gut an. Jedoch muß ich Dier anzeigen, daß ich La Rochelle bald verlaße. Künftigen Sonntag wo du diese Zeilen lesen wirst, befinde ich mich wahrscheinlich auf offenem Meer, vortgetriben von einem Dampfer, der mich an ein anderes Ufer trägt. Ich verreise nach Bordeaux u. schlage den Weg zu Meer über Royan ein. Seie jedoch ohne Kummer, denn das Schiff ist fester gebaut als der Schalzbachersteg. Es trägt den Namen: Admirale Dupere. Übrigens bemerke ich Dier nichts u. behalte für das nächste mahl etwas. Die Polli­tick wird, wie es scheint die Östreichischen Papier Helden noch einmahl in Schlachtordnung stellen, wo ich dann schreien muß vivat liberte vivat Garibaldi. Ich bitte Dich schreibe mir das nächste mahl auch etwas von meiner Schwester. Ich weis wahrhaftig nicht ob sie noch am Leben ist, oder ist Dier die Schwester Deines Freundes gleich­gültig, nein das glaube ich wahrhaftig nicht. Grüße mir auch Deine Mutter, um welches besitzthum ich Dich wahrhaftig beneide, denn ich kenne heute, in der weiten ferne, daß mir dieses Glück geraubt ist. Alle meine Freunde grüße ich Tau­sendmahl u. hoffe ein Wiedersehen wenn es mir vergönnt ist. Mein reisen in Franckreich rückt seinem Ende [zu], jedoch kann es der Fall sein, daß mich die Neugirde über den Kanal treibt wo ich dann den großen Kohlendampf von England einathmen werde, jedoch dafon das nächstemahl. Ich bitte Dich die parr beigelegten Zeilen an meinen Vatter zu über­geben. Adie. Mit Brudergruß und Handschlag

    Seppel

    Bis auf neue order adressire den Brif Post Reste, aber ant­worte sogleich denn in 14 Tagen werde [ich] in Bordo auf die Post gehen u. nachsehen. Du machst die Adresse Monsieur J. Felder horloger Poste restante ä Bordeaux France Vergesse aber nicht den Brif zu frankiren.

    Johann Josef Felder
    La Rochelle
    Franz Michael Felder
  • 18. August 1860

    [...] Als wir vor vier Jahren Abschied nahmen, Himmel, eher hätte ich ans Sterben gedacht, als daran, einmal einen so kal­ten Brief von dir zu erhalten. O, ich hätte dir so viel mitzutei­len, aber größter Gott, wenn ich an deinen Brief denke, kann ich nichts tun, als mich und dich beklagen ... Wenn du mich noch ein wenig liebtest; aber dein Brief verleugnet jedes Gefühl dieser Art; wenn du mich noch liebtest, so würde ich dir bald mehr schreiben, aber heute bin ich zu aufgeregt... Ruhig, armes Herz, du hast schon mehr erfahren! Schon vor drei Jahren stand ich am Grabe eines Mädchens, das ich liebte, o so innig, es ist vorüber und nun ist auch mein Freund tot für mich. Im Frühling dieses Jahres habe ich auch die Reise bis an die Grenzen der Ewigkeit gemacht, aber gottlob, ich lebe noch! Teuerster, Unvergeßlicher! Vielleicht nimmt dein Herz doch noch einigen Anteil an mir und in dieser Voraus­setzung will ich dir erzählen, daß ich im Frühling in die Ach gestürzt wurde. Ich trieb am 6. Juli acht Kühe über den Schalzbachersteg. Als ich auf der Mitte des Stegs war, brach dieser unter der Last zusammen und ich und die Kühe stürz­ten in das Wasser, das zu jener Zeit ungewöhnlich groß war. Ich wurde mitten unter den Balken fortgeschwemmt, hielt mich dann an einem Holzstück eine Viertelstunde lang. Ja, Freund, so stand dein Michel von 1/4 und 5 Uhr bis 6 Uhr in der reißenden Ach auf einem Stein, jeden Augenblick den Tod erwartend, wenn nicht schnelle Hilfe käme. Sie nahte, aber in demselben Augenblicke verließ mich alle Kraft und ich stürzte von neuem ins Wasser. Josef Oberhauser rettete mich mit eigener Gefahr; aber es dauerte 21/2Stunden, bis der Arzt das Schlagen meines Pulses bemerkte. O ich hätte dir noch viel zu schreiben, aber ich bin heute zu aufgeregt. Aber ich nenne dich doch Freund, ich verzeihe dir alles. Aber ich bitte dich, wenn du noch mein Freund bist, schreibe mir recht bald! [...]

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
    Duplikat
  • 12. August 1860

    Mein lieber Herr Felder

    Glücklich in meiner Heimath angelangt ist es mein erstes das versprochene zu realisiren. Ich hatte also heute das Vergnü­gen Ihnen p. Boten nach Bregenz 1 Kistchen Erdäpfel zuzu­senden, mit dem ergebensten Wunsche daß sie Ihnen u. Ihrer lieben Mutter recht gut munden mögen. Ferner ist in dem Kiestchen eingepackt 1 kleineres Kistchen, welches sie gefäl. mit erster Gelegenheit an Hr. Pf r. Tiefenthaler in Warth wei­terbefördern wollen. Die beiliegende Addreße bitte gefäl. darauf kleben zu wollen. Leider sind die Erdäpfel nicht nach meinem Wunsch, das alzu naße Wetter hat denselben zu sehr geschadet, als daß selbe hätten größer werden können. Gott sei Dank daß wir Obst genug kriegen, davon werde ich Ihnen u. Willi's dann viel u. gutes senden als kleinen Schadenersatz für Ihre freundliche Bewirthung.

    Willi's bitte recht schön zu grüßen, hauptsächlich Maria ebenso Christian u. s. Eltern dann Oberhauser & AI. Wirth. Bezau. Morgen gehts auf ca. 8 Wochen in die Schweiz, wenn Sie mir schreiben, so schreiben Sie mir wie Sie die Erdäpfel erhalten haben, u. ob das kleine Kästchen richtig von dort abgegangen ist nach der Warth.

    Schreiben Sie mir jedenfalls bis zum nächsten Sonntag, damit ich doch weiß ob Sie die Sachen richtig erhalten haben oder nicht!! Ich komme bis dahin wieder auf ein paar Tage nach Hause, um etwas zu ordnen u. da möchte ich dann gerne etwas von dem lieben Schoppernau erfahren. Indem ich noch die herzlichsten Grüße an Sie u. Ihre I. Mutter beifüge, erwarte ich bestimmt Antwort hierauf u. bin inzwi­schen Ihr ami

    Ph. Aug. Bopp.

    Ein an mich adreßirtes Couvert liegt bei, Sie dürfen also die Antwort nur hinein legen etc.

    bitte nochmals um prompte Besorgung des kl. Kästchens nach Warth. Enthält auch Erdäpfel, andere Sorte, zum pflanzen, nicht zum Essen.

    Entschuldigen Sie mein schlechtes Schreiben heute muß alles schnell gehen. Schreiben Sie mir bestimmt Haben Sie in der Faßnacht Hochzeit!? Bis Sonntag erwarte ich bestimmt Antwort.

    Philipp August Bopp
    Reutin bei Lindau
    Franz Michael Felder
    Ernährung, Hochzeit
  • 10. August 1860

    Theurer Freund!

    Als wir vor 4 Jahren Abschid nahmen - Himmel Eher hätte ich ans Sterben gedacht, als daran, einmal einen so kalten Brief von Dir zu erhalten. Nein Freund, ich muß Dich Du nennen, also höre, hier in meinem Schreibpult ligt die Abschrift eines Briefes den ich am 27 Maj unfrankirt an Dich schikte u hernach glaubte ich: das Antworten sei an Dir. Ich bin noch imer der Alte. O ich hätte Dir so viel mitzutheilen, aber, großer Gott! Wenn ich an Deinen Brief denke so kann ich nichts thun, als mich u Dich Anklagen. Bisher zählte ich Dich mit Freude u Stolz zu den Wenigen, die ich Freunde nenne u die, ohne sich vom Herr Pfarrer Brillen zu holen, ganz gut sehen, das weis nicht Schwarz ist, u nun ??? Ja es thut mir in der Seele weh, so von Dir verkannt zu werden, denn verdient habe ich, bei Gott, das nicht.

    Wenn Du mich noch ein wenig liebtest. Aber Dein Brief ver­leugnet jedes Gefühl dieser Art, also wen Du mich noch liebfesf so würde ich Dir bald mehr schreiben heute bin ich zu aufgeregt, denke Dich einmal in meine Lage, ich las eben u studirte in der Flugschrift: der Pabst u der Kongreß, u dachte an Dich u verwun­derte mich daß Du mir so lange einda kommt der Both u bringt Deinen Brief ich erbreche ihn das war vor 10 Minuten u noch zit­tert die Hand die diese Zeilen schreibt. Also von etwas anderm jetzt Ruhig armes Herze Du hast schon mehr erfahren. Schon vor drei Jahren stand ich am Grabe eines Mädchens das ich liebte ­o so innig - doch es ist vorüber u nun ist auch mein Freund tod für mich. Im Frühling dieses Jahres habe auch ich die Reise bis an die Grenzen der Ewigkeit gemacht aber, Gottlob ich lebe noch!

    Theuerster Unvergeßlicher!

    Villeicht nimmt Dein Herz doch noch einigen Antheil an mir undieser Voraussetzung will ich Dir erzählen das ich im Frühling in die Ach gestürtzt wurde. Ich trieb am 6 Juli 8 Kühe über den Schalzbacher Steg als ich auf der Mitte des Steges war brach die­ser unter der Last zusamen u ich u die Kühe stürzten ins Wasser das zu jener Zeit ungewöhnlich groß war. Ich wurde mitten zwi­schen Balken fortgeschwemmt hielt mich dann an ein Holzstük 3 Viertelstunden lang. Ja freund, so stand Dein Michel am 6 Juli Morgen von 1/4 u fünf bis 6 Uhr mitten in der reißenden Ach auf einem Stein jeden Augenblik den Tod erwartend, wenn nicht schnelle Hülfe käme, sie nahte aber eben in dem Augenblik ver­lies mich Alle Kraft u ich stürtzte von neuem ins Wasser. Josef Oberhauser Rettete mich mit eigner Gefahr aber es dauerte 2 1/2 Stunden ehe der Doktor das Schlagen meines Pulses bemerkte. Ich wurde neben dem Bade Unterüntschen aus dem Wasser gezo­gen. Ich hatte Löcher im Kopf u war sonst verletzt, aber jetzt ist alles wieder gut.

    O ich möchte Dir noch viel schreiben. Aber ich bin heut zu auf­geregt. Aber ich nenne Dich doch Freund, ich verzeihe Dir alles. Aber ich bitte Dich wenn Du noch mein Freund bist so schreibe mir recht bald ich habe hier Viele die mich lieben Aber wenig Freunde. Die Leute sind so Philisterhaft u voll Vorurtheile u ich freute mich schon so oft auf die Zeit wo ich Dich wiedersehen würde. Dein Vater ist gesund u all die Deinen, meine Mutter laßt Dich freundlich grüssen.

    Sonst Neues weis ich nichts ich bin hier völlig einsam, die Leute sagen ich werde Am Herbst heirathen - das ist nicht wahr, aber, doch davon das nächste Mahl wenn ich keine alten Freunde mehr hätte so würden mich auch die neuen Bekantschaften nicht mehr freuen, eh? Wie lebst Du, bist Du glüklich? kommst Du bald heim? O Tausend Fragen möchte ich an Dich thun. Schreibe doch las das vergangene vergangen sein. Lebe wohl Lieber Seppel. Mit Brudergruß

    Dein Einzig treuer

    deutscher Freund

    Franz Michael

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 5. August 1860

    Freund!Zum letzten mahle ergreife ich die Feder, um meine Gedan­ken schriftlich in den Bregenzerwald zu überlifern. Denn gleich nach meiner abreise von Angouleme habe ich Dier meinen neuen aufenthalt angezeigt; aber keine antwort. Spä­ter schrib ich an meinen Vatter dto. Heute sah ich nach im Kalender u. ich fand, daß 3 Monath verflossen sind, seit mei­nen Schreiben an Dich. Woher diese große Gleichgültigkeit gegen mich her kommt, kann ich wahrhaftig nicht errathen, weder von Seite meines Vatter, weniger aber noch von der Deinen. Ob hier eine p[f]ärerliche betise obwaltet od. Poli­tisch, Moralische Grundsätze obhand haben, weiß ich eben nicht. Nur bitte ich Sie, zu erklären, ob ich keiner Antwort mehr werth bin. In diesem Falle bitte ich Sie mir es anzuzei­gen, damit ich nicht unnütz meine Zeit u. mein Geld verliere, wie die Aktioner Russien.Ich werde noch einmahl meine Adresse beisetzen, in Fall, daß meine Brife von Ihrer Seite verlohren oder vertilgt währen. Es grüßt alle diejenigen welche

    Johann Josef Felder
    La Rochelle
    Franz Michael Felder
  • 29. Juni 1860

    Innigstgeliebte!Nicht um Dir zu sagen, was ich diese Woche dachte u. fühlte, schreibe ich diese Zeilen. Aber es könnte möglich sein, daß ich Dich eine Zeit lang nicht mehr alein sprechen könnte. Z B wenn heute der Götz bei der Mari wäre - darum will ich Dir etwas schreiben.Nur wer die Liebe kennt Weiß was ich leide Alein, u. abgetrennt Von aller Freude.0  hätte doch Deine Mutter nur einmal in ihrem Leben einen, ach! nur einen Menschen wahrhaft geliebt, aber - das hat sie nicht. Jetzt weis ich es gewis, weder ihren Gatten noch ihre ­Kinder. Und darum versteht sie uns nicht. Ich hätte ihr wahr­lich nicht so viel Herzlosigkeit zugetraut. „Geig ich, oder geig i  nit, d Geige gehört mein!“ Das sind ihre Worte, als ich sie um das letzte Wort bath. Ich habe noch Hoffnung auf Jakob mit dem ich heut sprechen werde wenn es mir wo möglich ist. Von Deiner Mutter hoffe ich nichts, gar nichts mehr, als Herzlosigkeit Kälte. Wenn sie vernünftig gesprochen hätte, hätt ich mir alles gefallen lassen, aber - Himmel ich ver­spreche Dir u. allem wer will, daß ich mit Deiner Mutter nie ihr Lebenlang nie mehr über diesen Punkt anfangen werde, denn ich weis nun genug u. will nicht mehr wissen ich fürchte sie weil es Deine Mutter? - ist aber lieben kann ich sie nicht recht, weil ich sehe, daß sie in Dir nicht ihr Kind, sondern ihren Vortheil liebt. O hättest Du eine Mutter wie ich, u. diese möchte gewiß gern auch die Deinige sein. Ach Gott nun weis ich, nun fühle ich warum Du so oft Deinen toten Vater mit heißen Trähnen beweintest. O was fühle ich wenn ich an Dich u. Dein Loos denke. Ich wollte Dir ein Namenstag­Sonett dichten, aber es war zu einer Klagode u. ich will es daher zu Hause behalten weil es ja ungeschrieben Klagen genug gibt. Nicht die fast abschlägige antwort der Mutter, nein nur ihre Kälte that mir so weh, daß mich heute noch friert, wenn ich daran denke. Aber Du, Deine Liebe O die machen mich dann doch wieder froh u. glücklich. Du bist doch mein u. ich Dein u. so lange das ist, sind wir doch glück­lich. O Geliebteste! Festes Gottvertrauen und treue Liebe wer­den uns tragen und dulden helfen, u. uns am Ende doch noch zusammen bringen. Und ist nicht auch unser Verhältniß so, wie es jetzt ist, recht schön u. glüklich. Wir haben alles mit einander alles vertrauen wir uns. O Gott! laß es so bleiben, und gib uns Mut im Kampfe mit den Feinden unseres Glükes! Sollten wir gehindert werden, Anno 61 unseren Plan auszu­führen, - nun - so müssen wir uns ins unvermeidliche zu fügen suchen. Deine Mutter, Mari, und der Schneider werden alles anwenden uns zu trennen, aber Du bist doch frei u. ich vertrau auf Dich u. Deine Treue. Und indem ich diesem Ver­trauen auf Dich mich hingebe mit Herz u. Seele, bin ich auch ferne von Dir glüklich. Glüklich durch die Liebe u. Dich. Auch Du darfst mir trauen, ich werde Dich nie verlassen, werde Dich treu u. innig lieben, so lange dies Herz schlägt, das schon so oft glüklich sich fühlte, wenn es an dem Deinen ruhte. Ja Geliebte, bei der Seligkeit jener Augenblicke u. bei allem was mir heilig ist, schwöre ich Dir, Dich treu u. so wie jetz zu lie­ben, so lange als Dich diese meine Liebe, mein Herz u. mein Alles glüklich machen kann. O so bleibe auch Du die meinige, u. dann O dann bin ich immer glüklich. Liebe sei unsere Begleiterin u. Treue unser Losungswort! Wenn Du glaubst, daß es zu etwas gut sei, der Mutter aus der Welt des Herzens vorzulesen, so thue es, das steht Dir frei. Mein Humor war diese Woche just so wie dieses Blatt, ich traue auf Dich u. sonst ist mir alles gleich was keine Bezie­hung auf Dich hat, ich lese im Shakspeare u. denke an Dich Du bist mir immer gegenwärtig. O daß ich Dir alles sagen könnte, was ich fühle - aber das kann ich nicht. Also lebe wohl, ach vielleicht auf lange u. bleibe stetz DeinemFranz Michel FelderGrüß mir die Mutter u. alle wenn - Du willst, wolle!

    Franz Michael Felder
    Wingolf
  • 22. Juni 1860

    Hiemit zeigen wir Ihnen, auf Anregen unser's Reisenden, eiligst an, daß wir die uns unterm 26 März dieses Jahres gefl baargesandten: fl 14- richtig empfangen & Ihnen dankend gutgeschrieben.

    Es wurde dieses beim Ausziehen Ihrer Rechnung leider über­sehen & bitten wir Sie deßhalb um geneigte Entschuldigung wegen der Ihnen dadurch verursachten Beunruhigung. Ihrem fernem freundlichen Wohlwollen uns bestens empfeh­lend, zeichnen wir mit aller Achtung ergebenst

    Matth. Rieger'sche Buch- & Kunsthandlg.

    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
    Geschäftlich
  • 27. Mai 1860

    Mein theuerster Freund!

    Deinen Brief vom 13. d. M. habe ich richtig erhalten. Es freute mich sehr, daß Dein Geburtstag ein so froher war, wie Du mir versichertest. Ich wünsche sehnlichst, daß Dir eine ungetrübte Zukunft in Aussicht steht, und daß Dir das Licht des Tages, wie das des Geistes immer mehr aufgeht; das letzte bezweifle ich durchaus nicht, weil ich Dein unermüdetes Streben nach Wahrheit kenne, und das erstere hoffe ich auf Deine Ver­sicherung hin. Du schriebst mir aber früher nie von einem Dr. in Dornbirn u. von seinem Rathe, wie Du diesmal ange­deutet hast, wohl aber von einem Artzte im Vordem Bregen­zerwald, auf den Du Vertrauen hegtest; habe ich es falsch verstanden, oder hast Du Dich nicht genau ausgedrückt, oder -ist ein Brief verloren gegangen? -

    Sei dem wie es wolle; das Beste ist, daß es Dir auch hierin besser geht. Künftighin aber bitte ich Dich immer anzuführen, wann Du den letzten Brief an mich abgegeben hast, damit ein solcher Zweifel nicht mehr vorkommt.

    Was die 10 fl anbelangt, so bedanke ich mich einstweilen; ich hoffe daß die Zeit kommt, wo ich auch wieder erkenntlich sein kann.

    Daß ich nicht böse bin wegen Deines längern Schweigens, kannst Du versichert sein. Ja ich war es niemals im geringsten, denn ich weiß es von mir aus, daß man oft mit bestem Willen nicht dazu kommt einen Brief zu schreiben, wenn man es sich auch vornimmt. Das magst Du auch schon verspürt haben an mir.

    Mir geht es im Ganzen ziemlich gut. Jedoch meine Krankheit hat noch mehrere Folgen zurück gelassen. Ich weiß nämlich gegenwärtig vor Arbeit kaum, wo ich zuerst angreiffen soll. Beinahe ein halbes Jahr war ich unfähig, etwas zu studieren u. während der Zeit habe ich auch das Wenige wieder verges­sen, was ich im letzten Jahre gelernt habe. Am Herbst aber soll ich die erste Staatsprüffung machen und bis dahin soll ich noch viele Bände theils neu studieren, theils wiederholen, weil ich, wie gesagt, durch meinen Typhus das meiste wieder vergessen habe. Dabei ist noch erwähnenswerth, daß in der Regel so die Hälfte durchfällt. Die Professoren sind hie und da wirklich ganze Narren.

    Der Hauptgrund mag wohl sein, weil man keinen Mangel an Juristen hat: Ich glaube zwar, daß ich nicht unter die Zahl derjenigen gehören werde, die man wirft, aber studieren muß ich jetzt über Kopf und Hals. Ich bitte davon nichts zu erwäh­nen, damit meine Mutter keine unnützen Sorgen hat. Neue Lektionen habe ich noch nicht, u. kann auch kaum solche annehmen, höchstens noch eine, weil ich gegenwärtig zu viel zu thun habe. In finanzieller Beziehung gieng es mir bisher immer so, daß ich gerade keine Noth, aber auch keinen Über­fluß hatte. Im kommenden Jahr hoffe ich aber mich für die gegenwärtigen Strapazen entschädigen zu können, wenn nicht Unglück einen Strich durch die Rechnung macht. Daß es mir also rein unmöglich ist in den Ferien hinaus zu kommen, wirst Du aus dem Gesagten leicht entnehmen können. Ich mache nämlich die Prüffung erst nach der Vakans. Dazu kommt auch, daß ich mich während der Ferien um etliche gute Lektionen umsehen will.

    Aber wann ich einmal 3 Jahre in Wien verlebt habe, dann hoffe ich Dich wieder persönlich zu sehen und recht viel mit Dir zu plaudern. Ich möchte allerdings gerne die Zeit verkürzen u. heuer schon kommen, aber es geht nicht an, ohne Gefahr durchzufallen und im nächsten Jahr mich neuerdings durchzufretten.

    Sieber's Tochter hat also geheuratet; hast Du vielleicht auch ähnliche Gedanken? Mache, daß Du ein ordentliches vernünf­tiges Weib bekommst, wenn Du heuraten willst, und schaue etwa nicht auf ein Paar Gulden, damit Du nicht eine ewige Hauslast Dir auf den Rücken ladest.

    Du darfst Dich glücklich fühlen in Deinen Verhältnißen. Nicht Ansehen und Ämter machen glücklich, wie ein ruhiges zufrie­denes Leben ohne Noth. Das letzte ist vielmehr nach meiner Ansicht das Beste, das Vernünftigste, wie es alle Menschen haben würden, wenn die Leidenschaften nicht so entfeßelt würden. -

    Ich fühle mich im Ganzen recht zufrieden. Ich sehe, daß ich einen der besten Wege eingeschlagen habe, die mir offen­standen. Etwas muß ich beginnen, und ich gedenke das Begonnene auch fortzusetzen. Es freut mich immer mehr, daß ich nicht in die Theologie gegangen bin, da ich manche neue Erfahrungen gemacht habe. O, wie verschrobene Ansichten haben die Leute bei uns im Durchschnitt.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 10. Mai 1860

    Lieber Freund!!

    Heute Morgen bin ich hier in La Rochelle angekommen u. bin bis jetzt immer herumgeloffen u. gearbeitet, denn ich habe Logis gesucht, ein Kosthaus, die Kisten ausgepackt, meine Neue Wohnung eingerichtet, u. jetz bin ich so müde, denn es ist jetz 4 Uhr abend, daß ich Dier weder von Politik, noch vom Pabst nichts zu berichten weis. Ich habe daher nur das ver­gnügen Dier zu sagen, daß ich hier glücklich u. wie immer ohne viel Geld angekommen bin. Der Brief meines Vatters hat mich ein wenig warm gemacht davon aber später, zudem ver­sichere ich, daß ich so gut Katholisch bin wie der Pabst u. seine Angestelten. Begriffen?

    Ich weiß Dier Heute gar nichts zu sagen denn ich bin demora­lisiert u. spüre schon bald apetit. Grüße meinen Vatter recht schön u. sage Ihm, daß er im betreff meiner ruhig schlaffe, denn jetz heißt [es] wieder arbeiten unausgesetzt bis ich wieder etwas Kisel habe, u. da wirdt weder Politesiert noch andere Ceremonien gemacht. Seit ich in Niort vort bin habe ich 100 Frcs mit meinem hin u. herreissen in die Hände ande­rer gelifert. Aber jetz kann ich sagen ich bin am Ufer des großen Weltmeres u. da kann ich am Sonntag auf den Fisch­fang gehen zugleich auch Gelegenheit finden mich von hir nach allen gegenden von Europa u. - - - einzuschiffen. Denn gute gelegenheit kostet kein od. wenig Geld. Sobald Du mein Schreiben gelesen hast mache mir die Ant­wort, denn ich weis nicht wo ich eigentlich bleiben werde für längere Zeit

    Jetz gehe ich zu meinem Meister u. werde meine Werkzeuge an ort u. stell placieren.

    Es grüßt Dich u. alle Verwanten achtungsvollst Mit Brudergruß u. Handschlag       

    Seppel

     

     

    Die Adresse

    Monsieur

    Felder horloger chez

    M.Lemoine ä La Rochelle

    Charente infre France

    Johann Josef Felder
    La Rochelle
    Franz Michael Felder
    Frankreich
  • 7. April 1860

    Innigstgeliebte!

    Es ist mir vielleicht morgen gegönnt, Dich zu sehen, aber gewiß findet sich keine Gelegenheit, mit Dir, dem Drange meines Herzens folgend, zu reden. Ich muß Dir daher diese Zeilen schreiben, um die Gelegenheit so gut als möglich zu benützen. Ich lebe einsam, ganz einsam, die Zeit, seitdem ich bei Dir war, ist für mich nur ein einziger Gedanke an Dich, das heißt, ich hörte keinen Augenblick auf, der Deine zu sein, und werde nie aufhören, solange dies Herz schlägt. Gern hätte ich mit Dir noch einen Abend verlebt, ehe Du auf so lange fortgehst, wo ich nicht mehr zu Dir darf, nicht, weil mir der Weg zu weit wäre, sondern - der Jakob ist, so viel ich weiß, gut gestimmt, wenigstens war er es am 26.März, wo ich zu Dir wollte. Der Schneider lud mich ein, einmal in den Adler zu kommen. Ich käme, wenn ich hoffen dürfte, Dich nur eine halbe Stunde allein zu sehen; ich komme am Sonn­tag, den 22.ApriI, oder - nein. Weißt du eine andere Gelegen­heit, uns eine einsame Stunde zu verschaffen, so melde es mir, denn ich komme auch am nächsten Sonntag nach Au. Ich habe hier vier Sonette beigelegt, die ich im März schrieb. Nimm sie als Beweis, daß ich an Dich, stets nur an Dich denke. O könnte ich Dir Lieder machen, wie Petrarca seiner Laura. Wie lebst Du? Bist Du froh? Diese und tausend andere Fragen möchte ich an Dich richten. Denn ein Vierteljahr ist lang und vom 7. März bis nach Hopfreben ist es so lang. O wie viel mußt Du dulden und tun für die Deinen, und wie wenig erkennen sie es. Daß ich für Dich etwas tun könnte, gelitten hab' ich viel um Deinetwillen, aber noch so wenig getan. Ich lebe, wie gesagt, ganz einsam, nur Du bist meine Gesellschaf­terin, der ich alles mitteile, was ich fühle und erlebe. Oh, ich habe niemand mehr als Dich, und Du bist mir mehr, als die ganze Welt und alle meine Freunde. Ach! Gedenkst wohl auch Du dessen, der nur durch Dich sich glücklich fühlt? Könnte doch auch Dir, wie mir die Erinnerung an so manche schöne Stunde, die wir zusammen verlebten, Deine Einsam­keit froh machen.

    Es ist mir leider noch nicht gegönnt, Dir zu helfen, wie sehr es auch mein liebendes Herz wünscht, nur raten kann ich Dir. Hast Du mir etwas mitzuteilen, so schreibe es, ich komme am nächsten Sonntag wieder und dann kannst Du mir das Ge­schriebene schon geben, glaube aber ja nicht, Du wissest nichts Wichtiges. Ach, dem liebenden Herzen ist von Dir alles wichtig. Ich bitte Dich, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Was geschehen ist, ist geschehen. Der Gedanke: Du bist Meine, tröstet mich, und auch ich bin und bleibe Dein, einzig Dein. O könnte dieses Wort auch Dein Herz erfreuen! Ich sehe in unserm ganzen Schicksal die Wege der waltenden Vorsehung. Hoffe auch Du auf Gott. Er ist es, der die Gefühle unserer Herzen kennt. Er schuf uns zur Liebe. Ich fürchte, daß Du jetzt, wie ich, lange Tage habest. Suche in den Büchern Dein Herz zu erheitern.

    Liebe Anna Katharina! Die Bücher und Du sind jetzt auch mir meine einzige Unterhaltung. O ich hätte Dir so viel Dinge zu sagen und habe so wenig Gelegenheit, es macht mich oft traurig, daß ich so wenig die schönen Jahre benützen kann, und dann suche ich wieder Trost im Gedenken an Deine Liebe. Jetzt muß ich schließen. Verbrenne dieses Blatt oder bewahre es gut auf. Ich kann Dir nicht alles schreiben, was ich wollte, ich muß es Dir selbst sagen. Leb wohl! Und liebe auch ferner

    Deinen Franz Michael Felder

    Franz Michael Felder
    Wingolf
  • 5. Februar 1860

    Innigstgeliebter!

    Meinem unwiederstehlichen Drange folgend, setze ich mich heute, mit rascheren schlagen des Herzens, als gewöhnlich, zum Schreiben, weil ich mich entschloß, es an Dich zu richten [morgen]. Obgleich erst 4 Tage seit unserem letzten Beisam­mensein verstrichen, so ging doch während, so manches in meiner Seele vor. Du wirst auch nicht fragen warum, wenn ich Dir sage, daß ich Dein Tagebuch gelesen habe. Ach Gott! Dieses Buch! so voll Leiden, Liebe und Schmerz, so voll, und in so hohem Grade, daß ichs grenzenlos nennen darf. O guter, leidender, liebender, großmüthiger, opfernder Petrarka u. ich leichtsinnige, schwache, harte Laura. Dieses Buch, es machte mich unruhig, u. zwar aus Furcht, Du könntest vielleicht auch noch nicht ganz beruhiget sein. Ist dies wirklich der Fall, so komme wieder zu mir, hoffentlich bin ich nächster Tage noch zu Hause, u. dann will ich Dir vieles, vieles, ja alles sagen. Der Dinstag glaube ich, wäre der geeignetste Abend, weil am Montag in der Sonne Hochzeit ist, u. dann alles, auch der Schwarze, früh Ruhe suchen wird. Steht Dir aber ein Hinder­niß im Wege, oder fällt der Gang Dir im Geringsten beschwer­lich, so lasse meinen Wunsch unbefriedigt, denn ich ließ Dich auch mit Deinem Schmerze allein. Kommst Du nicht, so seien Dir diese Zeilen ein Beweis meines festen Entschlußes, ewig Dein zu bleiben. Ich bitte, sei ruhig, ich kann Dich nicht mehr solch quälenden Zweifeln überlassen. Eine Ursache meines Schreibens ist auch die: damit meine Mutter und Geschwi­ster, indem ich ihnen den Brief zeige, nicht mehr glauben, daß unser Verhältniß schwächer, sondern das Gegentheil, noch inniger sei. Es ist nun Zeit in die Kirche, ich werde Dir dann alles bald mündlich, u. wenn nicht, doch in den Fasten sagen, u. bis dahin unaufhörlich im Geiste, lebe wohl                                                 

    Deine Nanni

    Anna Katharina Moosbrugger
    Au
    Franz Michael Felder
  • 8. Januar 1860

    Mein lieber Freund!

    Beim Wechsel des Jahres habe ich das Vergnügen, Dier zu schreiben u. Dier herzlich ein gutes neues Jahr zu wünschen. Denn gerade nach einer Schmachvollen verhängnißvollen Vergangenheit entsprießt die Blume der Hoffnung, möge sich das Sprichwort bewähren, alsdann siegen wir: Heil für Dich, Heil für mich. Fast habe ich schon geglaubt, Du habest Dei­nen Freund für Pollitick vertauscht, bis ich etliche halbleser­liche Zeilen auf dem Papier eines zweiten erhielt. Auch ich sage Dier die Pollitick hatt mir viel Arbeit gemacht, zudem auch Verdruß, indem ich sah, wie meine Landsleute so elend geschlagen u. zurückgedrängt wurden, hoffen wier, daß es das letzte mahl seie. So lange aber das Pfaffenthum kraft von Rom aus hatt u. der gemeine Mann im Kothe der Dummheit auferzogen wird, so bleibt es hübsch beim Alten. Verstanden. Es hat aber den Anschein, daß man den Heil. Vatter in eine andere läge setzen wird, wir wollen Hoffen. Übrigens befinde ich mich sehr wohl u. gesund u. hoffe das nämmliche auch von Dier. Eine kleine Bitte, die einer großen Börse nicht schaden bringt, hätte ich an Dich zu richten, u. das währe damit abgethan wenn Sie für mich die III. Leipziger Zeitung abonieren würden, für 3 Monath, nämmlich v. 1 Jänn. bis Ende März 1860. Bei meiner zurückkunft wird sich das finden. Verstanden. Aber nicht Vergessen. Ich wünsche auch meinem Vatter u. der ganzen Familie so auch der Nachbarschaft u. Deiner theuren Mutter ein guttes neues Jahr, gute Gesundheit, u. recht viele Maus i der Sin­nari.

    Ich erwarte mit Ungeduld einige Zeilen u. hoffe sie werden mir entsprechen. Mit Brudergruß u. Handschlag 

    Seppel

    Johann Josef Felder
    Niort
    Franz Michael Felder
    1860
  • 29. Dezember 1859

    Theurer Freund!

    Vor Allem wünsche ich Dir ein gutes neues Jahr und recht viel Glück und Segen, so wie auch Deiner Mutter und Deinen Freunden. Du wirst meinen letzten Brief ungefähr um die­selbe Zeit erhalten haben, als ich Deinen letzten erhielt. Du erwähntest auch ein Schreiben von anfangs Mai; ein solches erhielt ich nicht, wohl aber das vom 5 Februar, worin auch Jakob Felder Vorst. einige Zeilen geschrieben hatte. Du wirst nicht wohl zufrieden mit mir sein, weil ich wieder so lange nichts von mir hören ließ, aber höre: Schon Mitte August bekam ich ein so heftiges Diarhee (Durchfall), daß ich 14 Tage im Spital zubringen mußte, dazu kam der Rothlauf, bald darauf bekam ich die Ruhr, ließ mich aber zu Hause kurieren, denn vor dem Spital habe ich das erste Mal Respeckt bekommen. Gegen Ende September bekam ich dann den Typhus. Schon durch die frühern Krankheiten abgemagert mußte ich mich von neuem auf das Krankenlager werfen um diese Gefahr zu bestehn. Ich war wirklich nichts mehr als ein lebendiges Gerippe.

    Wer mich sah gab mein Leben auf. Jedoch mit Hilfe Gottes u. des fleißigen weisen Arztes kam ich glücklich davon. Lange Zeit konnte ich aber nichts thun, das Gehen mußte ich nach u. nach wieder lernen, und Studieren durfte ich auch nicht; meine Kräfte waren zu schwach. Erst am Anfang des neuen Jahres darf ich wieder in's Collegium. Jetzt fühle ich mich wieder ganz gesund u. die Kräfte wachsen auch bedeutend. Ich kann Dir also versichern, daß ich wieder zufrieden und glücklich lebe. Schreibe aber auch Du recht bald, wie es Dir geht, aber siegle die Briefe besser wo möglich mit Sieglack, denn beide Briefe waren geöffnet (der eine vollständig offen) als ich sie erhielt. Ich werde Dir ein anderes Mal mehr und genauer schreiben, denn die Arbeit drängt mich gegenwärtig. Vielleicht komme ich schon im Frühjahr oder anfangs Som­mer nach Hause aus verschiedenen Gründen; das nächste Jahr aber habe ich wieder im Sinne nach Wien zu gehen. Lebe unterdessen wohl. Dein inniger Freund

    Franz Jochum.

     

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
    1859, Krankheit
  • Datum unbekannt
    18. November 1859

    [...] Meine Zeit vergeht mir zu schnell mit Bauernarbeit, Singen, Beten und Schindelmachen für den gesamten Adel in Schoppernau und auch für mich. [...]

    Franz Michael Felder
    Johann Josef Felder
    1859
  • 4. September 1859

    Theuerster Freund!

    Als ich dein letztes Schreiben vom 29 Juli gelesen hatte, wünschte ich nichts so sehr, als: daß ich dir einmal einen Brief schreiben könnte, der dich wie mich der deine freuen würde, u. - ich fürchte, ja ich weis es gewiß, daß, wenigstens dieser meinen Wunsch nicht erfüllen wird, so wenig als mein letzter, den du nur als einen Aufruf ansehen mußt. Zuerst also von mir: die ungetrübteste Zufriedenheit; fort­dauernder Frohsinn, Gesundheit u. Jugend, zeitweiliger Umgang mit lieben guten Freunden vereinen sich, mein Leben zu einem angenehmen Wechsel zwischen Arbeit, die mir die immer wachsende Freude an meinem Berufe leicht macht, u. Ruhe u. Beschäftigung mit Literatur, oder Umgang mit den Wenigen, die ich von Herzen meine Lieben nenne mit Ober­hauser und — So verlebe ich meine Jugend, ausruhend vom Kampfe zwischen Neigung u. Pflicht (Nothwendigkeit) mit den besten Kräften auf meine Kammer u. einen oder 2 Men­schen angewiesen die mich verstehen.

    Das ist das Bild meines gegenwärtigen Lebens; Ich könnte über nichts klagen, u. doch bliebe so vieles zu wünschen übrig. Doch gibt mir das Glück immer mehr als ich verdient habe, u. ich mache mir so in der Stille oft das Bekenntniß, daß ich mehr Glük habe als Verstand!

    Kurz nachdem ich dir im Febuar geschrieben hatte bekam mein Auge eine Entzündung, die mir weder hindernd noch gefährlich schien; als ich nun im Frühling der Operation zim­lich mutig entgegen ging sagte mir der dir in jenem Brief gelobte Artzt beiläufig folgendes dir meldenswerthe: Jene Entzündung war für Ihr Auge eine entscheidende Krisis u. ist so glaube ich Sie versichern zu können glüklich vor­übergegangen, da aber das Auge von jener Entzündung noch nicht ganz hergestellt ist so wäre jetzt jede Operation gefähr­lich ob sie in spätem Jahren noch „nothwendig" u. Ihnen von Nutzen sei werden wir ja sehen. Seien Sie also ganz unbe­kümmert für die Zukunft u.s.w.

    Manchmal, wie es auch heute der Fall ist, kann ich den ern­sten Gedanken über Vergangenheit und Zukunft nicht los werden, wenn ich so hinein blike ins wechselvolle Schiksal der Menschen u. wie wir, so manches treue Herz verlierend, immer mehr auf uns selbst beschränkt sind, auch dir, theurer Freund, schlägt nun ein treues Freundesherz weniger, der dir seid deiner frühen Kindheit so liebe Kaspar Willam auf Hoch­krumbach ist nach einer 8 tägigen Krankheit am 1 September versehen u. im Beisein des Pfarrers in Wart[h] gestorben. Friede seiner Asche!

    Deine Mutter ist gesund u. wohlauf lacht wieder so laut u. herzlich wie früher, auch das ganze Siebersche Haus, alle bit­ten zu grüssen, auch ich habe deine Grüsse ausgerichtet u. besonders dem Oberhauser sehr viel Freude damit gemacht, der mir der liebste meiner hiesigen Freunde ist, ich habe mich sehr gefreut daß es dir wohlgeht. Aber daß du die Erneuerung unserer Freundschaft von mir erwartest, wollte mir nicht gefallen, u. ich versichere dich meiner immerwährenden Freundschaft u. Treue.

    Ich hoffe daß dir unser Freund Johann Josef F. nächstens schreiben [wird]. Sein adresse schreibe ich dir nicht, weil er seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort Niort baldigst zu verlas­sen gedenkt. Und so lebe denn wohl du lieber. Gedenke neben deiner zärtlichen besorgten Mutter, gedenke, ich bitte dich, auch draußen in der weiten Welt, in frohen u. trüben Stunden zuweilen deines Freundes in der Heimat, deines dich wie ein Bruder liebenden Freundes

    Franz Michel Felder

    Ist es dir möglich so schreib auch ein Briefchen es würde mich sehr freuen Abends 10 Uhr

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Franz Xavier Jochum
  • 28. Juli 1859

    Grüße mir auch alle Deine Freunde u. Bekannten, Oberhauser Bierbrauers, Kronenwirths ect.

    Theurer Freund!

    Ich kann mir wohl denken, daß Du über die lange Zögerung, neue Nachrichten Dir mitzutheilen etwas ungehalten sein wirst; was mir auch einen Beweis davon gibt, ist, daß Du mir den baldig versprochen[en] Brief noch nicht gesendet hast. Allerdings ist ein wenig Nachlässigkeit dabei gewesen, wie ich überhaupt im Schreiben nicht der fleißigste bin. Aber jetzt will ich die Sache so viel als möglich wieder gut machen. Als Entschuldigung mag dienen, daß ich immer auf eine größere Entwicklung meiner eigenen Verhältniße wartete, daß mir öfters auch das Geld zum frankieren fehlte, daß ich später auch wenig Zeit hatte.

    Jedoch davon kannst Du versichert sein, daß ich Dich etwa nicht vergessen habe. Im Gegentheil Dein Wohl lag mir immer am Herzen, und hoffe nichts sehnlicher, als daß Du mir bald Deine Zufriedenheit, Deine glückliche Gesundheit, so Gott will, und die Erneuerung unserer Freundschaft schrift­lich mittheilest.

    Auch Dein letzter Brief hat mich sehr gefreut, besonders daß Du die Hoffnung darin aussprachst, durch gefahrlose Augen­kur ein besseres Augenlicht zu bekommen. Gott wird hoffent­lich Deinen Wunsch erhört haben.

    Unwahrscheinlich kam mir vor, daß die vom Jahre 1834/35 u. nicht vielmehr die von 1837/38 loosen mußten; und lachen mußte ich, daß Sieber es für beleidigend fand, weil ich Dr. Professor Feßler (von Lochau), der bald Erzbischof geworden wäre, und hier im größten Ansehen steht, den Berühm­testen in Vorarlberg gleich oder noch höher gestellt habe. Daß meine Mutter noch immer betrübt war wegen meiner Wahl des Standes, war mir allerdings unlieb, aber ich glaube sie wird nach u. nach ihre Vorurtheile, wie ich sie nennen zu dürfen meine, schon fahren lassen.

    So höre denn wie es mir bisher ergangen. Lange konnte ich keine Lektion bekommen, und mußte deßhalb recht einge­zogen leben, ohne jedoch gerade Noth zu haben. In neuerer Zeit habe ich aber Lektionen genug bekommen, alle fast auf einmal. Bei den ersten war zwar die Bezahlung etwas schwach aber gleich darauf bekam ich etwas bessere. Die erste trug monatlich blos 4 fl C.M., von einer ändern habe ich 5 fl, von einer 8 fl, u. 5 Stunden habe ich in der Woche, wo jede Stunde 1/2 fl trägt. Diese letztern werden sich schon machen. Eine mit 10 fl per Monat werde ich wie ich hoffe bald bekom­men. Natürlich habe ich jetzt sehr viel zu thun, besonders weil ich auch noch sehr weit zu gehen habe, bis ich an den betreffenden Orten bin. Aber dafür kann ich mir wenigstens das nöthigste bestreiten, ohne gerade Noth zu leiden, und brauch auch keine fremde Hülfe mehr in Anspruch zu neh­men.

    Das nächste Schuljahr kann ich allerdings nicht alle behalten, weil ich am Ende eine Prüffung über beide Jahre jus ablegen soll, und deßhalb auch studieren muß; aber auch mit etwa 3 täglichen Lektionen (natürlich den besten, die ich bekomme) werde ich mich durchbringen. Somit ist für mein Durchkommen gesorgt, wenn nicht Unglück mich verfolgt, dem jeder nich blos ich ausgesetzt ist. Mein Leben besteht daher gegenwärtig fast ausschließlich in Instruiren und etwas Studieren. Ich habe auch englisch angefangen. Am Ende des ersten   Semesters   machte   ich  2   freiwillige   Prüffungen   mit gutem Erfolge.

    Nach Hause gehen kann ich in dieser Vakans nicht, weil es zu viel kostet, u. ich wegen den Instruktionen auch nicht leicht fortgehen kann, obwohl ich gern eine Zeitlang bei Dir und meinen Bekannten mich aufhalten möchte. Sonst lebe ich zufrieden hier. Schreibe mir recht bald wieder. Auch würde es mich freuen, wenn J.Jos.Felder mir einmal schreiben würde. Schicke mir eine genauere Adresse.

    Neuigkeiten  weiß  ich  sonst  keine,  die  Dich   interessieren könnten.

    Daher lebe wohl, mein theurer Freund u. schreibe bald.

    Fr. Jochum

    NB. Habe die Güte beiliegende Briefe abzugeben.

    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 17. Juli 1859

    Theuerster Freund.

    Düster und immer düsterer gestaltet sich der politische Him­mel, u. auch die Welt wird, oder ist schon so voll Nebel geworden, daß Niemand mehr weißt, wie die Sachen an jenem Himmel stehen; in unserm Tirol wurde zur Landesver­teidigung eine Armee von 24000 Mann ausgehoben; man spielte in jeder Gemeinde, Schoppernau stellt 13 Mann; von dem Zweck u. der Stellung dieser Landesvertheidiger wirst Du durch die Zeitungen unterrichtet worden sein? Hochkrum­bach stellte 1 Mann, für Dich hat ein „Ungenannter" 10 fl K Mze. angelegt.

    Vieles hätte ich Dir zu vertrauen, aber ich weis ja nicht ob u. wo Dich diese Zeilen finden werden. Bist Du noch in Wien. Wie geht es Dir, über diese und noch viele Fragen wünschte ich Antwort. Oder darf man aus Deinem Stillschweigen, wie aus dem meinen, allemal schließen, daß es Dir gut geht u. daß Du im alten Trott fortlebst?

    Ich und all die Deinen sind gesund u. wohl nur ist Deine Mut­ter ungemein bekümmert um Dich.

    Hr Johann  Rüscher soll in  Innsbruck fortgeschickt worden sein u. ist jetzt Landesvertheidiger geworden.

    Sobald Du geschrieben hast wo Du bist schreib ich Dir mehr bis dahin aber nehme die Versicherung daß ich ewig bleibe

    Dein treuer

    Freund

    Franz Michel Felder

    Ich habe hier eilig geschrieben da ich nicht weiß wer es lesen wird noch vergaß ich zu schreiben, daß Dich Deine u. meine Mutter grüssen läßt erstere unter - Trähnen! O schreibe bald!

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Franz Xavier Jochum
    1859
  • 10. Juli 1859

    Mon cher ami!

    Eine fürchterliche Hitze stellt sich hir allmählig ein, nur der Wind vom Meere sollte ausbleiben u. ich währe ein verlore­ner, gebratener östreicher. Schon lange ja sehr lange ist es, daß ich Dier geschriben habe, auch meinem Vatter aber die Antwort ist nicht zu erhalten. Ich habe daher eine Gelegen­heit benützt die Du villeicht hoffe ich, auch benützen wirst. Da jetz nämlich Waffenstillstand ist, wie eine Depesche von gestern sagt, so wird auch Garibaldi sein vorrücken einstellen u. Euch feigen Tirolern u. Vorarlbergern wird einmahl Zeit gegönnt wieder zu athmen. Eigentlich begreiffe ich nicht warum unsere so guten u. vrüher so tapfren Tiroler dem Garibaldi keine Kugel geschickt haben, die in ins Paradis versetzt hätte. Wie es mir aber scheint, so ist die Tapferkeit meiner Landsleute seit der Erfindung des Kafees u. dem ein­treten der Erdäpfelkrankheit ganz verschwunden; Ich sage dir Freund, wenn ich zu Hause währe, ich würde gewis nicht der letzte sein, so aber ist das Hinderniß größer als meine Tapfer­keit. Darum schreibe mir bald aber nur was so oberflächlich bei uns vorgeht u. stecke die Feder nicht zu weit in die Poli­tick. Ich befinde mich sehr wohl u. harre mit Sehnsucht das Ihr Tiroler od. die östr. Armee auch einmahl einen herrlichen Sieg über die Rothhösler gewinnen werden. Denn da wo die Kanone gut u. am besten gerichtet ist, gewinnt die Unge­rechtigkeit. Darum ergreifet im Ernste das Schwert, ladet fest Eure Stutzen, u. laßt die Klosternonnen, an denen es in Ost­reich nicht fehlt, mit dem Rosenkrantz fechten. Dann werdet Ihr mit Ruhm bedeckt, sonst aber sind u. bleibt Ihr Sklafen des Klerus.

    Es grüßt Dich in der Ferne so auch meine Eltern u. Geschwi­ster Mit Brudergruß u. Handschlag

    Seppel.

    Mein Vetter u. Base lassen alle ihre verwanten vilmahl grüßen u. hoffen daß sie sich so gesund u. zufrieden wie sie befinden. ­Je tu comprie, oubliet pas.

    Schon längst warte ich auf krigsgefangene Tiroler, aber sie kommen nie. Jedoch nicht weit von hier hat es gefangene östreicher von allen Raßen.

    Johann Josef Felder
    Niort
    Franz Michael Felder
    1859
  • 19. Mai 1859

    Rechnung
    für Herr Franz Michael Felder in Schoppernau
    von der Matth. Rieger'schen Buch-, Kunst, Musikalien-&
    Papierhandlung
    über

    1858
    Okt. 20 1 Dtsche Classiker 297/300 fl. "- 48
      1 "Volksbibliothek 1. " "- 12
      1 Gartenlaube. 1858 4. Qu. " "- 54
      2 Familienjournal 1858. 4. Quartal a 46 kr. " 1,32
      1 Gutzkow Unterhaltungen IV 1/2 pro 1. Qu " 1,12
    Dec. 1 1 Dtsche Volksbibliothek 1/7 " 1,24
    "29 1 Biggel Sieg d. Kreuzes brosch. " 1,12
      1 """geb. in schwarz Leder " 2, 9
      1 """mit Stahlbeschlag " 3,27
      1 15 Bände Unterhaltungsschriften " 1,48
        pro Porto hiefür " "- 15
      1 Dtsche Volksbibliothek 8/11 " "- 48
      1 Familienjournal 1859. pro 1. Qu. " "- 46
     
    1859
    Jan. 19. 1 Dtsche Volksbibliothek 12/13 " "- 24
      1 Gartenlaube 1859. 1. Quartal " "- 54
      1 Gutzkow Unterhaltungen 1859 2. Qu " 1,12
    Febr. 16 1 Dtsche Volksbibliothek 14/17 " "- 48
        pro Stempelgebühr f.d. 1te Qu. v. 1859.
    13 Nummern
    " "-  9
    März 9. 1 Dtsche Volksbibliothek 18/21 " "- 48
    30. 1 Dtsche " 22/23 " "- 24
      1 Familienjournal 1859. 2. Qu mit Stempel " "- 55
    April 13.   Dtsche Volksbibliothek 24/27 " "- 48
      1 Gutzkow Unterhaltungen 1859 3. Qu. " 1,12
    Mai 10 1 Dtsche Volksbibliothek 28/3 " "- 48
    Summa fl 24,49
    den 22/5/59 dankend erhalten M Rieger'sche Buchhdlg. P.Bopp
    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
    1859
  • 24. April 1859

    Mon cher ami!

    Dein Schreiben, od. vilmehr, Dein weis u. schwarz, vom 21. v. M. habe ich richtlich erhalten, aber lange nicht gut verstan­den, denn die Buchstaben wahren erbärmlich Masackerirt. Die Eile, von der Sie mir schriben, verstehe ich wieder nicht, denn ich schrib im Dezember, u. Sie Antworteten mir im März, u. in 3 Monathen läßt sich so ein Brif gemüthlich schreiben. Verstanden. Heute nun ist Ostern, u. die langeweile trib mich an, Dier u. meinen Bekannten etwas zu schreiben, denn glaube mir sicher hir ist der Geburtsort von Langerweile, u. wenn heute nicht das Treiben der Soldaten zu sehen währe würde ich mein Zimmer nicht verlassen. Du schriebst mir, Du währest gesund u. zufrieden wie noch nie, u. darum beneide ich Dich. Ich bin auch gesund aber nie zufrieden froh. Du zweifelst daran, das ich Dich vergessen habe, u. daß ist unmöglich, denn keine neue Bekanntschaft, u. Vergnügen, beraubt mich desjenigen, was mir früher lieb u. werth war.

    Mit Deinem Französisch lernen wo Du mir bemerktest nenne ich Dich einen plageur od. einen poltro, glaube aber ich ver­stehe gegenwärtig beinahe alles was gesagt wird, aber spre­chen kann ich leider nicht alles. Morgen gehe ich zu einem Professer u. lerne Lesen u. schreiben, aber o bon Dieu, das kostet nur 20 Fr. per Monath.

    Mein Vetter ist gegenwärtig zu Hause u. sagt mir täglich was es neues gibt auf dem Teater des Kriges: Gestern sind alle Reserve aufgerufen worden, u. heute u. Morgen geht jeder zu seinem Regiment. Überhaupt ist alles im Diskurs mit lauter Krig u. Kanonen begriffen. Wie lange ich hir bleibe, kann nur das Schicksal wissen, u. so bitte ich Dich schreibe mir geschwind, was der Krig für ein Gesicht bei Uns macht. Ich grüße meinen Theuren Herrn Vatter u. alle Tausendmahl u. wünsche Ihnen, was Ihnen nur zum besten nützlich ist, desgleichen auch Deine werthe Muter. Es grüßt Dich u. Deine Freunde mit Brudergruß u. Handschlag

    J.J.Felder

    Beiliegend erhalten Sie ein Kuwert mit meiner Adresse, wo sie nur den Ihrigen Brief hinein machen.

    Johann Josef Felder
    Niort
    Franz Michael Felder
    1859
  • 5. Januar 1859

    Hier habe ich meine Gedanken beim neuen Jahr in Verse gebracht die wahrlich schlecht genug sind, ich hätte sie auch gern verbessert wenn es mir nicht ganz an Zeit u. Gelegenheit fehlte ich habe zu nichts mehr Zeit als zum Rechnen u. so habe ich heute ausgerechnet, daß es jetz 52 tage sind seid ich von Jemal abreißte.

    Wenn ich dir zum neuen Jahr alles Gute wünsche so habe ich es auch mir selbst gewünscht, denn:

    Mein Herz schlägt für das deine

    Mein Sinn denkt nur für dich!

    Dein Glück ist auch das meine

    Dein Unglück trifft auch mich.

    Mit  diesen   mit  einer   papiernen   Zunge   ausgesprochenen schwarzen Wünschen betrette ich das Thal das Jahres 59.

    Dein NN

    Franz Michael Felder
    Au
    1859
  • 4. Dezember 1858

    Ließ den Brief still u. allein.

    Lieber Freund!

    Du wirst vielleicht böse sein, daß ich Dir solange nicht schreibe, aber die Ursache davon ist meine bisherige unbe­stimmte Lage. Zuerst will ich Dir nun einiges von meiner Reise erzählen. Am Tage meiner Abreise gieng ich bis nach Bludenz, dann nach Feldkirch, Hochenems, Dornbirn. Überall hielt ich mich etwas auf, weil ich Rekommendationen ent­heben und Freunde besuchen mußte. In 8 Tagen, am Sonntag, nachdem ich Dir die versprochenen Bücher aufgab, verließ ich Österreich, ich übernachtete in Lindau, fuhr am ändern Tage nach München, wo ich mich 5 Tage aufhielt, die Stadt samt dem was darin ist, hat mir recht gut gefallen, u. das Bier gut gemundet. Dann nahm ich den Weg über Rosenheim, Salzburg (ausgezeichnete Gegend) Lambach u. Linz. Hier wäre ich bald krank geworden, aber eine zweitägige Hunger­kur stellte mich wieder her. Hierauf kam ich zu Wasser nach Nusdorf bei Wien. In der Vorstadt Leopoldstadt mußte ich ein Wirthshaus beziehen, das zufällig ziemlich billig war. Die ganze Reise kam mich ungefähr auf 30 fl R. W. Nun gieng ich am ändern Tage an solche Orte, wo ich rekommandirt wor­den war; man stellte mir allenthalben, wie ich mir schon gedacht hatte, den Unsinn vor, ohne Vermögen hier studieren zu wollen. Versprach mir jedoch überall bei der nächsten Gelegenheit mich als Instruktor zu empfehlen. Wenn ich einen Herrn, den Ministerial-Säkretär Merkel, gleich anfangs getroffen hätte, so hätte ich sicher daselbst eine Hofmeister­stelle bekommen, aber es kam mir ein anderer zuvor. Er gibt mir jedoch ein Monatgeld von 2 fl C. M. Bei einem ändern Herrn wurde ich längere Zeit auf Mittag eingeladen. Dr. Feß­ler, Professor der Theologie, von Bregenz; Custos Bergmann v. Hittisau, u. Willam v. Au versprachen mir sich um Instruk­tionen umzusehen. Jedoch bisher habe ich noch keine bekommen. Allerdings werden sie in Wien gut bezahlt, sind aber wegen der Masse, die sich darum bewerben, schwer zu bekommen. Natürlich schaute ich mich schnell um ein Quar­tier um. Ich bekam eins, das für Wien ziemlich billig ist, nämlich um 6 fl C. M. für einen Monat. Es ist ein nicht gar großes Zimmer sammt Bett, und ist nur etwa 10 Minuten von der Universität entfernt. Dahin muß ich täglich von 9-1 Uhr, außer Donnerstag und Sonntag. Daß hier alles ungemein theuer ist, weißt Du bereits. Das Seitel Bier (Schoppen) kostet 7 Neukreuzer; das Essen im Wirthshaus ist auch sehr kost­spielig, jedoch in Privatkochhäusern kostet es auf Mittag nur so 22 Neukreuzer, u. man hat ordentlich zu Essen. Du wirst sagen, ja aber woher nimmst Du das Geld, wenn Du noch keine Instruktionen hast? Antwort: etwas ist mir von der Reise noch geblieben, u. etwas habe ich auch hier bekom­men, wo ich rekommandirt war; allerdings mußte ich mich etwas einschränken, aber Hunger habe ich doch bis jetzt noch nicht gelitten. Nun aber ist die Baarschaft so gut wie aufge­zehrt. Jedoch hoffe ich, es werden mich die Herren die ich kenne gerade nicht im Stiche lassen, und vielleicht bekomme ich bald eine Instruktion. Ich fordere Dich aber auf, daß Du von meiner etwas mißlichen Lage Niemanden etwas sagest, am wenigsten der Mutter. Sie würde sich grämen u. die Sache noch ärger auffassen, als sie wirklich ist, und es nützt doch nichts. Ich werde sicher nicht verhungern. Und andere Leute brauchen es auch nicht zu wissen. Sage nur es gehe mir so, daß ich recht zufrieden sei; das ist auch nicht geradezu unwahr, denn mein Schritt, den ich gethan, reut mich nicht im Geringsten.

    Kommt Zeit, kommt Hülfe; u. wo die Noth am größten ist die Hülfe am nächsten.

    Also sage ich Dir nochmals, lasse nie merken, daß es mir nicht besser gehen könnte. Beschreibung von Wien halte ich für überflüßig; ich sage Dir nur, daß es mir nicht übel gefällt, jedoch nicht so gut als München. Die Kälte ist so etliche Male bis unter 0 Grad gestiegen, meistens ist Nebel, oft Wind. Wenn sich etwas an meiner Lage von Bedeutung ändern wird, so werde ich es Dir schon zu wissen machen. Schreibe mir auch bald, wie es Dir geht, und was sonst vorge­fallen ist. Wegen Spielen bin ich auch etwas im Unklaren. Nach der neuen Ordnung ist es etwas strenger; jedoch so viel ich hier erfahren habe, ist es hinreichend, wenn ich das Matu­ritäts-Zeugniß und die Bestätigung einreiche, daß ich hier auf der Universität studiere; wenn ich aber ein Zeugniß einer vorläufigen Prüffung ebenfalls einreichen müßte, so bitte ich Dich mich schnellstens davon in Kenntniß zu setzen. Ein Dr. juris Fetz v. Bezau hat zwar gesagt es sei nicht nothwen­dig, von ändern Leuten aber habe ich es gehört. Ein Dr. wird es aber wohl besser wissen. Gib mir auch beiliegende Briefe ab.

    Wenn ich diesen Monat nicht mehr schreibe, so wünsche ich Dir jetzt schon eine gutes neues Jahr, Glück u. Zufriedenheit. Ich hoffe, Du werdest mit Deiner Lage zufrieden sein. Moosmann von Schnepfau hat den Tifus gehabt, der jetzt sehr herrscht, ist aber wieder fast ganz gesund u. unzweifelhaft außer Gefahr.

    Ich schließe nun mein Schreiben für diesmal und verbleibe mit freundlichstem Gruße Dein aufrichtiger

    Freund F. Jochum

    Adresse: F. Jochum Jurist in Wien abzugeben auf der Universität
    Franz Xaver Jochum
    Wien
    Franz Michael Felder
  • 9. September 1858

    Lieber Freund

    Wie wunderbar sind die Fügungen Gottes, oder des Zufalls, im Grund ists ja eins! An dem Tage An dem ich Dein Schreiben erhielt, hatte ich von meinem Herzensfreund Jochum Auf 2 Jahre Abschid genommen, u. ihm von Herzen Glük gewünscht auf sei­ner Reise nach Wien, wo er von nun Juris studirt; traurig ging ich den Weg zurük nach Hause sah keinen Menschen an, alles rings um war für mich tod, da erschien Dein Brief wie dem in dunkler Nacht im Wald verirrten Wanderer der Mondschein. Wie traurig lebt sichs doch, auf der Welt ohne ein Wesen, das Leid und Freud mit uns theilt kein Glük der Menschen ist vollständig, wen er nicht dem ihm vom Schöpfer und Erhalter des Alls ins Herz geleg­ten Drang sich mitzutheilen, folgen kann und darf. Es ist nicht gut, daß der Mensch alein sei sprach Gott, und durch die folgenden Worte bestimmte er ihm seine Gesellschaft. - Doch ja - jetzt habe ich mich wieder, verzeihe es meinem - Dichterkopfe, wenn er zuweilen ins Romantische geräth. Wie ich lebe, fragst Du mich ­Göthe sagt in seinen Aphorismen: „unser Schiksal bestimmt unse­re Denkungsart", nun suche mein Schiksal in den Tönen die Dir dieser Brief vororgelt, oder wenigstens die Noten gibt.

    Nachmittags 3 Uhr

    Kreuzhimmelheiduken malefiz schockschweremnoths bomben­granatensternsaperment, Jetzt komm ich vom Heuen und bin ­Pudelnaß, ist das ein Wetter und auf den Bergen schmutzt kaum der Schnee der vor 8 tagen das Vieh auf 3 Tage aus den Hoch­alpen trieb mein Kopf der noch naß ist, ist so wenig zum Schrei­ben aufgelegt, als ein Baum zur Annahme eines vernünftigen Gedankens ich gebe Dir daher hier einen Brief Deines Vaters:

    ---------------- Lieber Sohn!------ ?---- ?---- !

    Aus Deinem Schreiben vom 25/7 habe ich Deine Verhältnisse und Gesinnungen vernommen, aber Dir dieses zu rathen u. jenes zu mißbilligen steht nicht in meiner Macht weil meine Einsicht im tiefen Thale vonn verschneiten Bergen gestört ist, aber Du wirst ja selbst am beßten wissen, was das Beste ist. Jedoch wenn Du Dir getrautest, dem Geschäft vorstehen zu können und auch Deine Gesundheitszustände Deiner Reise und dem Leben unter Frem­den hinderlich sein sollten so sollst Du heim kommen u hier die Früchte deiner Kunst Ernten, gedenkst Du aber Dich noch mehr [zu] bilden u glaubst das es Dir Nothwendig sei so reise im Nahmen Gottes, und ich werde Dir mit der Antwort auf den Brief in dem Du mir Deinen Entschluß mittheilen wirst (Thue also was Du Willst aber entschließe Dich bald und schreibe es mir) „noch einmahl" Geld schiken.

    Dein Vater Liebes Bürschlein hast Du jetzt das noch einmahl verstanden?

    Abends 8 Uhr

    Die Erdäpfel, die dieses Jahr nicht zum besten gerathen sind geschält - aber nicht alle die nicht gut gerathen sind wie still ists rings herum vor mir in der Komode stehen die Werke von Schiller, Göthe, Wieland, Lessing, Spindler Lavater Fichte Herder Zim­mermann u. a. u Du wolltest mich Filosofie u Moral lehren, Du traust Dir also fast mehr zu als unser Pfarrer. Doch zu solchen Dingen habe ich hier zu wenig räum um über solche Dinge zu schwazen. Übrigens bin ich der welcher mein Kopf bei obigen Schriftstellern, den besten aller Zeiten u Arten werden mußte aber noch immer Dein Freund, und als solcher wäre es seinem Herzen sehr lieb wenn du heim kämest. Der Verstand aber sagt: geh nach Frankreich wenn Du es für besser erkennst, der Vater wird noch ein mal pumpen aber frage auch Du Deinen Verstand u Deinen kranken Körper um Rath u dann schreibe bald Deinen Entschluß worauf Dir nöthigen falls der Vater das Geld schiken wird, wir alle sind gesund u lassen Dich freundlich grüssen vor allem läßt mein Bruder Kaspar Oberhauser den Freund seines Bruders Felder grüßen ich aber drüke Dir die Hand u sage wehmuthsvoll: Lebe wohl! u schreibe mir Bälder wieder als das letzte mahl

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • Datum unbekannt
    17. Juli 1858

    [...] Wie traurig lebt sich's doch auf der Welt ohne ein Wesen, das Freud und Leid mit uns teilt; kein Glück der Men­schen ist vollständig, wenn er nicht dem ihm vom Schöpfer und Erhalter des Alls ins Herz gelegten Drang, sich mitzuteilen, folgen kann und darf. Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, sprach Gott und durch die folgenden Worte bestimmte er ihm seine Gesellschaft, - doch ja - jetzt habe ich mich wieder verirrt?, verzeihe es meinem Dichterkopfe, wenn er zuweilen ins Romantische gerät. Wie ich lebe, fragst du mich? Goethe sagt in seinen Aphorismen: Unser Schicksal bestimmt unsere Denkungsart. Nun suche mein Schicksal in den Tönen, die dir dieser Brief vororgelt oder wenigstens die Noten gibt. [...]

    Franz Michael Felder
    Johann Josef Felder
  • Datum unbekannt
    2. Februar 1858

    Freund!

    Schon längst hatte ich die Absicht Dir zu schreiben, aber immer riefen Zeit u. Geschäfte mich in den Musestunden wo anders hin. Heute nun plagt mich Mißmuth u. langweile, auf meinem Zimmer herum wie der Wind ein Laubblatt. Denn Ich habe seit ein paar Tagen wieder, wie im Frühjahr, am Backen eine Geschwulst, Beschert vom laufe des Schicksals erhalten, welche mich geradezu noch arbeitsunfähig macht. Im übrigen lebe ich so, wie ein Tauber u. Stummer unter dem Gewimmel von Menschen. Alles was hir Ergözendes vorfält fahrt an mir vorbei, wie ein Dampfroß. Und so bin ich mir ganz aleinig überlaßen. Ich lese od. Sinne u. denke in meinen Feierstun­den, gar verschiedenes, u. so schwebe ich immer auf dem großen Erdball u. im Geisterreich herum, ohne je mein Zil zu erreichen.

    Das größte Vergnügen bietet mir der Verein Teutscher Hand­werker. Du verstehst vileicht diese Worte nicht im wahren Sinne. Der Verein besteht aus lauter Lieberalen Mitgliedern. Aristockraten, wie sie Gott seis geklagt, der Bregenzerwald häufig hat, sind hir nicht zu finden. Außerdem besitzt der Verein eine Bibliotheke von 180 Bänden, 4 Politische Tag­blätter Gesangstunde, Diskusionsstunde, u. Zeichnungs­stunde. Am meisten stecke ich in der Bibliotheke, denn solche Lieberale Werke wie sie hat, sind im Lande der Aristokraten selten. Da kannst Du Dier gut einbilden, daß ich wenig her­umlauffe. Übrigens gefält meinen Philosofischen Betrachtun­gen das Statleben gar nicht, denn es ist erstens überall belauscht 2ten Enge zusammen gedrückt 3t Drückt der Stolz u. Hoffart der Grossen die Kleinen ganz zu Boden u. zudem gelten unter der großen Menge der Einwohner die Gesetze der Natur u. Moral sozusagen gar nichts. Ich habe an ver­schiedenen Orten die Erfahrung gemacht, daß die Beste von Religion nicht im Stande ist zu leisten, was Natur u. Moral zu leisten fähig sind. Das andere in diesem Satze überlege selber. Übrigens wil ich Dier als einem Jugendfreund keine villeicht nie gedachte u. überlegte finten in Kopf jagen, nur wünsche ich sehr, daß Du nie den Bau der Aristokraten, dieser Weltver­dummer u. Lügner betretest, sondern als ein an Geist u. Leben selbständiges Wesen leuchtest. Der Druck der Pietisten u. Jesuwitten soll Dir gleichgültig erscheinen u. nur dann Umarme ich Dich bei meiner Ankunft als mein wahrer Bruder u. nicht als Freund.

    Von Meinem Teuersten Vatter habe ich von meinen Letzten Schreiben vor 6 Wochen noch keine Antwort erhalten warte daher noch immer auf solche.

    Bern verlaße ich diesen Herbst mag gehen wie es will gets nicht in Frankreich so gehe ich wo mich der Wunder hin­treibt.

    Ich schließe nun es ist 3V2 Uhr ich muß noch Blutigel aufset­zen lassen, o wenn es nur schon geschehen währe. Schreibe mir so bald möglich wie es in unserem Fammilienleben zu u. herget grüße meine Schwester Tausendmal so auch meinen Vatter u. bekannte Basen deren ich unzählige besitze. Auch einen Gruß der Freundschaft u. Liebe Deiner Werthen Mutter, die ich weis es für mich mehr besorgt ist als ich selber. Grüße mir auch den Xafer Simma Schuster, u. sage ihm ich hätte eine gründliche Stifel-Reperatur notwendig. Mit

    Allen mit Bruder Gruß u. Handschlag Joh. Jos. Felder Uhrenmacher

    in der Telegrafenwerkstätte in Bern a Suis Hiezu Anleitung zum Bern Teutschlernen

    Johann Josef Felder
    Bern
    Franz Michael Felder
    1858
  • 11. Januar 1858

    Lieber Franz Michel!

    Dein Brief, den ich heute erhielt, hat mich so gefreut, daß ich mich diesen Abend noch hinsetze, um Dir eine Antwort zu schreiben, obgleich Du erst einen Brief von mir bekommen haben wirst; denn wir hatten fast zur selben Zeit den Gedan­ken, einander zu schreiben. Diese Freude bewirkte aber nicht etwa das Geld, wie Du unten bemerktest (in Deiner Beilage), denn ich bin gerade in keiner Geldverlegenheit, sondern Dein Brief bewirkte sie. Mag Dich der meinige nicht geringer freuen, wie ich Dir wünsche. Das Geld jedoch nehme ich dankbar an, denn ein Student weiß es immer zu brauchen. Es freute mich herzlich Dein Glückwunsch. Es freute mich aus dem ganzen Briefe lesen zu können, wie aufrichtig Du mir gewogen bist. Es freuten mich die Nachrichten, die Du mir von Dir und Anderm mittheiltest, und die Grüße die Du mir schicktest. Es freute mich ferner nicht wenig, daß Du in einer Zeit, wo die Meisten Alles aus sich zu vermögen glauben, Dich meinem Gebete empfahlst, und auch für mich zu beten versprachst. Das ist die höchste Weisheit des beschränkten Menschen, wie wir Alle sind, daß wir unsere Ohnmacht erkennen, und einsehen lernen, daß wir aus uns gar nichts vermögen, sondern nur in dem der uns stärkt. Was ist unsere Weisheit? Wir können schreiben und lesen und etliche Spra­chen lernen, wir können die Gesetze der Natur erforschen, und finden am Ende, daß Alles ein Geheimniß ist. Wir können Geschichte studieren und sehen zuletzt, daß fast Alles erlogen ist. Wir können Religion studieren, und sehen immer mehr ein, daß wir glauben müssen. Nur so viel hat uns Gott ge­offenbart, daß wir erkennen können, daß unser Glaube auf einer festen unfehlbaren Basis beruhe. Wie groß ist alle menschliche Weisheit? Wie leicht kann dieses Wenige zu Grunde gehen? Oft wird gerade der Gescheideste ein Narr. Oft sind die gelehrtesten Köpfe, die auf sich selbst bauen, des Lebens ganz überdrüssig. Eine kleine Krankheit kann Dir die Schönheit rauben, ein vernachläßigter Funke Hab und Gut. Aber ein Herz, das auf Gott vertraut, ist immer froh; fest und heiter bleibt es, wenn Scharen von Hindernissen seinen Weg durchkreuzen; männlich steht der Gottesfürchtige da, wenn alle Lästerer ihre Mäuler öffnen, wenn Alles gegen ihn zu kämpfen scheint. Hingegen wird der Gottlose von den Lei­denschaften hin und hergetrieben wie ein Rohr. Viehisch sind seine Freuden, und oft bringt ein kleines Leiden ihn an den Strick.

    O schönes Ende eines lustigen Leben's! ­Solche Freuden biethen die Leidenschaften.

    Nicht wahr, der Jochum ist ein ganzer Jesuit geworden! Jetzt schreibt er mir statt eines Briefes eine Predigt. Dieses schreibe ich nicht so fast, um Dich zu warnen, denn Du weißt schon selbst, was Du thun mußt, sondern vielmehr um Dich anzutreiben auf einer guten Bahn unverdrossen vor­wärts zu schreiten. Studiere Alles, was du anfängst, recht, und bestrebe Dich vor Allem, einen kernfesten männlichen Karak­ter Dir anzueignen. Wie gut nimmt sich ein wahrhafter Mann aus unter den unzähligen Feiglingen (Schmalz- u. Brodschwät­zern) und wie glücklich und geachtet ist er, wenn man ihn auch verläumdet. Du bist von Gott in eine Lage gesetzt, wo Du einen standhaften Karakter ausbilden kannst, Du hast mit vielen Hindernissen zu kämpfen, aber Kampf und nur Kampf allein macht den Sieger. Je schwieriger der Kampf, desto rühmlicher der Sieg. Fange nicht zu Vieles an, aber was Du anfängst, vollende. Verderbe nicht die schönen Gaben des Herrn, sondern bilde sie aus für ein schöneres Leben. Dabei sei lustig und fröhlich, und verscheuche überflüssige Sorgen. Noch ist es zu früh, graue Haare wachsen zu lassen. Jetzt hört meine Predigt auf, und ich gehe auf die des Jesuiten über. Es wäre mir Lieb gewesen, wenn Du mir den Namen geschrieben hättest. Er scheint streng gewesen zu sein. Aber ich sage Dir, wenn ich ein Prediger wäre, würde ich es auch nicht gar gelinde machen. Oft wirkt bittere Medezin besser, als süße.

    Bei Leuten, die erst bekehrt werden müssen, wie es leider heut zu Tage viele gibt, nützt von der Liebe Gottes reden, oft sehr wenig. Sie wollen oft lieber von einem Mädchen, oder Jüngling geliebt werden, als von Gott. Aber wenn man ihnen die Gebothe Gottes wie sie sind und daneben Hölle und Him­mel hinstellt, so wachen Manche auf. Die Furcht treibt sie zur Buße, und wenn sie auf diese Weise auf dem rechten Wege sind, so kommt dann die Gnade von selbst und lockt sie durch Liebe an. Man sollte allerdings solche Mittel nicht brau­chen müssen, und jedenfalls müssen sie durch trostreiche Reden gleich unmittelbar gemäßigt werden, damit sentimentale Köpfe nicht verwirrt werden. Aber für Manchen ist es recht gut, wenn er dem Teufel einmal in's Gesicht gucken muß.

    Es freut mich auch, daß Dir Zimmermann gut gefallen hat, und wünsche, daß Du mehrere gute Bücher bekommst. Ich weiß Dir gerade keins anzugeben. Sprich, wie ich Dir schon geschrieben habe, den Loderer um solche an. Wie es mir geht, wirst Du im ersten Briefe gesehen haben, daher weiß ich Dir auch nicht viel zu schreiben. Grüße mir meine und Deine Mutter, und das Sieber'sche Haus. Ich lasse mich recht schön für den Neujahrswunsch, den sie mir schickten, bedanken und wiederhole meine Wünsche. Zu was ich mich entschlie­ßen werde, weiß ich selbst noch nicht. Bete für mich, wie Du es versprochen hast; ich will es auch thun. Sich die Hände in Gott reichen ist wahre Freundschaft.

    Der Mutter kannst Du sagen, meine Haare seien bedeutend gewachsen; sie seien 7 Ellen und eine Handbreit lang, wie der Riese Goliath. Auch mein Bart sei bedeutend hervorgewach­sen, und so müsse ich ein posierliches Aussehen haben. Zeit u. Raum verbieten mehr zu schreiben. Schicke mir auch gelegentlich wieder ein Briefchen. Mit Dank und Gruß Dein Freund

    Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
  • 1. Januar 1858

    Werther Freund!

    Ich habe schon lange im Sinne gehabt, dir einmal zu schrei­ben, aber ich bin nie dazu gekommen, weil ich zu viele Arbeit habe.

    Vor allem wünsche ich Dir ein recht gutes neues Jahr, und Glück und Segen. Mir geht es gut, nur zu viel Arbeit; denn ich muß mich auf die Maturitätsprüffung vorbereiten, und täglich zwei Lektionen geben, dann muß ich für die Schule studieren und zwei Studentchen, die bei mir sind (d. h. in meinem Quatier), curancieren. Du wirst schon merken, daß dieses Arbeit gibt. Für die zwei Lectionen bekomme ich allerdings monatlich 7 fl CM, aber das Ding gibt halt Arbeit, und am Ende habe ich doch kein Geld. Ich habe nämlich Kleider von Nöthen, wenn ich nicht auftretten will, wie ein schmutziger Bettler, und dieses darf man nicht in vornehmern Häusern, wie diese sind, wo ich Lektionen gib. So habe ich nur für Rock u. Hosen 32 fl u. etliche X und für Fußbedekung 6 fl 36 X aus­gelegt, und dieses hat mich gewaltig ausgebeutelt. Dann kömmt mich das Quatier in die 30 fl, der Kaffee auf etwa 15 fl und so weiter; dieses muß Alles noch bezahlt werden, und das reißt in's Geblüt. Das wird nach und nach schon bestrit­ten werden, wenn es nur auf Prüfung gut geht. Der Hagspiel ist auf seiner Durchreise auch hier gewesen, und mit ihm kam der Loderer, Pfarrer v. Hirscheck. Wir haben uns einen Abend recht gut unterhalten. Dabei habe ich Dich auch nicht vergessen. Ich redete mehreres mit Loderer von Dir, und er hat gesagt, wenn Du Bücher oder etwas solches von ihm wollest, sollest Du nur schreiben, er wolle Dir geben oder schicken was er habe. Er hat auch passend für Dich gefunden „Philosophische Unterweisungen über das Christenthum", von denen ich mit Dir sprach. Schreibe ihm nur, es wird ihn gewiß freuen, und wenn Du etwas nicht recht verstehst oder Schwierigkeiten findest, so schreibe es ihm nur; er wird es Dir schon erklären, denn er ist in Manchem tüchtig.

    Also schreibe nur, was für Bücher Du wünschest, wenn Du es nicht thätest, würde er es nicht gern haben; er ist Dir sehr gewogen.

    Sonstige Neuigkeiten weiß ich nicht viel; diese will ich Dir, wenn ich solche weiß, mündlich sagen, wenn wir zusammen kommen.

    Lebe also wohl, und schreibe mir auch gelegentlich einmal, damit ich weiß wie es Dir und den Bekannten geht.

    Die Töchtern von Bräuer habe ich auch einmal hier gesehen, aber nicht viel gesprochen, weil ich gerade nicht Zeit hatte. Später habe ich sie aufsuchen wollen, um ihnen mein Quatier zu zeigen, und etwas von Schoppernau zu plaudern, aber ich habe sie nicht mehr gefunden. Grüße sie mir und andere Bekannte, Oberhauser und der gleichen.

    Lebe wohl

    Mit herzlichstem Gruße

    Dein Freund Jochum

    Franz Xaver Jochum
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
    1858
  • Datum unbekannt
    1. März 1857

    Liebe Einfalt!

    Geld, so habe ich auch den Brief an meine Mutter angefan­gen, Geld, viel Geld schicke mir, oder Du bist ein Halunke.

    Weißt Du wer ich bin; nun gut, so schicke mir Geld. Geld, das ist ein schöner Anfang. Geld brauche ich, daher schicke Geld. Geld Du schickst mir viel Geld. Du kannst dabei im Briefe schreiben, ich soll Dir Bücher schicken, was für Bücher du willst, das irrt mich nichts, aber schicke mir Geld. Du kannst dafür verlangen, was Du willst, das ist mir alles gleich, wenn Du nur Geld schickst. Aus diesen kleinen Andeutungen wirst Du wohl herausziffern können, daß Du Geld schicken sollest: Geld regiert die Welt. Du Einfaltspinsel, merkst Du noch nicht, daß ich Geld haben will; man wird Dir doch nicht mit dem Schlegel winken müssen. Wenn Du mir kein Geld schickst, so muß ich denken, Du seiest ein rechter Narr, daß Du nicht herausgebracht hast, daß ich Geld will. Es sind etwa 14 Professoren hier, sie haben Geld, und etwa 250 Studenten, und viele sollten Geld haben. Die ändern Wichtigkeiten sagt Dir meine Mutter für Geld.

    Ich möchte Dich nur noch zum Schluße erinnern, daß Du mir Geld schicken solltest, denn Geld ist Geldswerth. Ich  habe Dir versprochen, einmal  um Geld zu schreiben, dafür will ich Geld. Wenn Du kein Geld schickst, so bist Du ein Esel, davon ist überzeugt Dein Gelddürstiger Freund

    Jochum Xaver

    Da, am heutigen Tage des laufenden Monats im heurigen Jahre.

    Franz Xaver Jochum
    Feldkirch
    Franz Michael Felder
    1857
  • 5. Februar 1857

    Rechnung
    für Herr Frz. Mich. Felder in Schoppernau
    von der Matth. Rieger'schen Buch-, Kunst-, Musikalien-&
    Papierhandlung
    über

    1856   Rest von voriger Rechnung fl "- 25
    Juni 11. 1 Familienjounal 1856 1. Quartal " "-46
    Juli 16. 1 Bilder d. Zeit " 3. " " 2,24
      2 Familienjournal " 3. " " 1,32
      1 illustr Dorfbarbier " 3. " " "- 36
      1 Aus d. Fremde " 3. " " "- 57
      1 Gartenlaube " 3. " " "- 54
    Aug. 12. 1 Der Bodensee und s. Umgebung I   " "- 48
    " 28. 1 flieg. Blätter 25. Bd.       " 3,36
    Okt. 1. 1 Familienbibl. 1/5       " "- 30
    Nov. 5 1 Gartenlaube 1856. 4. Qu. " "- 54
      1 Bilder d. Zeit 1856. III 4. Qu. " 2,24
      1 Dorfbarbier 1856. 4. Qu. " "- 36
      2 Familienjournal 1856. 4. Qu. " 1,32
      1 Aus d. Fremde 1856. 4. Qu. " "- 57
        pr. Verpackung       " "-  6
    "26. 1 Familienbibliothek 6/87       " 7,31
    "" 1 Payne's Universum       " "- 27
    Dec. 17. 1 Familienbibliothek 77/89   " "- 11
    Dec. 24. Ihre gültige a Conto Zahlung " 18,40
     
    1857
    Jan. 27. 1 Dorfbarbier 1857 pro 1. Quartal " "- 36
      1 Gartenlaube 1857 " 1. Quartal " "- 54
      2 Familienjournal 1857   1. Quartal " 1,32
      1 Familienkalender 1857       " "- 18
    summa fl 30,26x
    hievon ab: Ihre Zahlung v. 24/12/56   18,40
    Rest fl 11,46x
    Matthias Rieger'sche Buch- und Kunsthandlung
    Lindau
    Franz Michael Felder
    1857, Gartenlaube
  • 1. Februar 1857

    Baar, den 2ten Sontag Hornung 1857

    Herr Vetter!

    Dein Brifchen habe ich gesund u. mit Wohlgefallen gelesen, aber jedoch eine Böse anung beklemmte mein Herz, als der Brifträger 40 Santimes verlangte. Wenn Du meine Täglichen Seufzer hörtest, ohn Zweifel du würdest diesem 40 Räppigen Übel abgeholfen haben. Zur Besserung wil ich Dich einmahl hören lassen:

    Sankt Nicklaus, schnei uns Franken,

    Wie wollen wir diers danken!

    Denn mager ist der Arbeitslohn,

    Und Artzt u. Schuster warten schon.

    Sankt Thomas schnei uns Gulden,

    Dann zahlen wir die Schulden,

    Die wir gemacht in diesem Jahr;

    s'lst wahrlich eine schöne Schaar!

    Und du: Sankt Joseph Schnei doch Thaler

    Für alle armen Zahler!

    Daß ich Dier zuwenig vom Neujahr schribe, kannst Du mir leicht verzeihen, indem ich nichts guts hoffen konnte. Jedoch habe ich mich entschlossen Dir den Taufzedel für 1857 zu schicken.

    Ein Weltbeherscher ist geboren Ein Kind gezeugt vom hl. Geist Das neue Jahr ists, dessen Name Konsul von 57 heist. Es mus die Freiheit bei der Taufe Dir, Fürst des Erdbaals Pathe sein Sie fürt beim Jubelklang der Gloken Dich Jauchzend in das Leben ein.

    Schon deine ersten Schritte wandeln

    Durch Veilchenlust u. Hofnungsgrün;

    Bald werden [junge] Maienrosen Des

    Jünglings Haupt gar froh umblühn. O,

    streu dann auf der Völker Wege Des

    Frühlings reinste Wonne hin Laß in

    Paläste u. in Hütten Mit Sang u. Klang das

    Glück einzien.

     

    Ja fülle uns alle Räume In Speicher u. in

    Keller an Und aus des Landmanns

    Wohlfart sprieße Die Wohlfart auch für

    Jedermann. Dann jubeln Herren es u.

    Knechte Es singts der Mann der

    Hobelbank Der Kaufmann ruft es u. der

    Weise Dir herrlich Jahr sei Preis u. Dank.

     

    Der Winter kommt dein Haupt erbleicht.

    Froh eilt der Zinsmann nach der Stadt

    Noch sorgest du, daß die armen Weisen

    Ein Kleid, ein warmes Stübchen hat So

    wirkst du liebend bis zum Ende So übst

    du liebend deine Pflicht Drum lebst du

    fort in aller Herzen. Ein guter Herrscher

    der stirbt nicht.

     

    So übernimm denn, freundlich waltend,

    Dein Konsulat zu guter Stund', Und knüpf

    mit allen Erdenwallern Den Liebs u. den

    Freundschaftsbund Lösch aus des Kriges

    rothe Fakeln Ja, lösche sie für Ewig aus

    Bau Bildungstempel Eisenbahnen Mach

    aus der Welt ein Fridenshaus.

    Doch wo du Trug u. Hochmuth findest Schlag drein, mit Blitz u. Wetter drein Schlag zu nach oben u. nach unten Und sei gerecht für groß u. Klein Glück auf Konsul von 57 Trit an dein Regiment Und gebe Gott daß dich die Nachwelt den Guten Segensreichen nennt!

    Gegeben auf dem Eispalast auf Widerstein den 1 Jänner 1857 Was ich in Deinem Letzten Brife nicht erfahren konnte bitte ich dissesmahl nachzutragen nämlich wo der Stücklifergger Albrecht in St. Gallen loschirt, dann werde ich dem Oberhau­ser u. Compagni die Uhren auf St. Gallen schicken. Ihm übri­gen ist jetzt [fachmers] u. ich habe meine Fränkli schon gewechselt um geschwind u. flink mich durchzumachen aber welch ein Entzezen die Münze habe ich verlohrn! Wenn daher Du im Besitze von etwas 5 Frankier hast, so vergiß nicht mich im Unglücke. Ich wünsch Dir zum Neujahr alles das was mir Mangelt dann hoffe ich Dir [das] beste gewunschen zu haben. Mithin folgen viele herzliche Grüße an meinen üben Vatter u. theure Schwester, u. Wünsche Ihnen den Segen des Himmels u. empfele sie der leitenden Hand Gottes mit mei­nem Täglichen Gebethe. Es grüßt u. bittet Dich 1000mahl Dein Vetter      Seppel

    Johann Josef Felder
    Baar
    Franz Michael Felder
  • 15. Dezember 1856

    Vielgeliebter Theurer Freund!

    Ein böser Zufall, der unmöglich nicht mehr gut ablaufen kann, ist es, der mich Deinen Freund, dazu nöthiget, Dir folgendens zu schreiben: Die Krankheit Deines Vaters hat sich leider, seid Bernhard Deinen vermuthlich erhaltenen Brief schrieb, von Tag zu Tag verschlimmert, u ist jetzt so schlimm das sein Aufkommen bezweifelt wird. Schon vorigen Mittwoch wurde er mit den hl Sterbesakramenten versehen, u Artzt u Pfarrer haben alle Hoff­nung auf Besserwerden aufgegeben „seine Zunge ist faul", - ist die Meinung des Artztes. Es ist jetzt der sehnlichste Wunsch Deines Vaters Dich in diesem Leben noch einmahl zu sehen und mit Dir reden zu können. Als ich heute morgen bei ihm war, sagte er, indem er weinte wie ein Kind:

    „Franzmichel, sagte er, „Willst du mir noch einen Gefallen thun, so schreibe meinem Johan Josef: daß er zu seinem Todkranken Vater heimkomme wenn er ihn liebe." Und dieses sind die bit­tenden Worte Deines Vaters, der Dir zu einem Handwerk verhalf, welches Dich eine Sorglose Zukunft hoffen läßt, u Du wirst doch auch Liebe zu ihm fühlen, der jetzt Täglich Beweise seiner Liebe gegen Dich an den Tag legt? - Auch Deine betrübte Schwester Marian weißt sich nicht zu helfen, u nicht zu rathen desgleichen Auch bei Deinen Vettern Bernhard u. dgl. m. wirst Du ein will­kommener Gast sein. O so eile dann, um Deinem Todkranken Vater den letzten Dienst zu thun: Eile ehe es zu spät ist denn keine Macht der Erde ruft die verlorene Zeit wieder zurük. Dein Vater wird es vorziehen in Deiner, ihm jetzt ihm so lieben Gegenwart, zu leben, oder zu - Sterbn, wie es Gottes Wille ist. Der Vater bit­tet Deinen Meister, daß er dießmah[l] Nachsicht habe, u Dich reisen lasse, u hofft von Deiner Liebe und Dankbarkeit gegen ihn, das Du Dich sogleich auf den Weg machst, denn „gezählt schei­nen seine Tage" Also folge dem Wunsche Deines schwer kranken Vaters, Deiner betrübten u Trost u rathlosen Schwester Marianne, u komme wo möglich diese Woche noch! reite, wenn Du nicht gehen kannst, oder nehme Ein Fuhrwerk, aber eile! Dein Dir ewig treuer

    Freund

    Franz Michel Felder In Betreff der Spieluhr Beiliegendes

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
  • 16. Juli 1856

    Theurer Freund

    Ich finde mich veranlaßt Dir zu schreiben und in der Eile einen Verweis über Dein langes Ausbleiben zu geben. Ich habe mir vor­genommen, Dir

    Alle Welt wartet mit Verlangen auf Dich, auch sollst Du dem Nagler eine neusilberne, u. dem Joh Josef Mosbrugger a messene Uhr Sakuhr mitbringen, alle Deine bekanten lassen Dich grüssen u erwarten Deine baldige Ankunft vorzüglich aber Dein

    Ewig

    treuer Freund ich habe schreiben

    gelernt                                                                Franz Michel Felder lerne Du auch lesen!              

    meinen Vorsatz wirst Du verstanden haben bei Deiner Abwesenheit hat sich sehr vieles zugetragen das ich dem Papir nicht anvertrauen darf. Der erste u letzte meiner Wünsche ist daher Deine baldige Ankunft. Die Heuernte das Wichtigste was in diesem Monath die arbeiten­de Menschheit beschäftiget ist vorbei u ich wüßte keine geeigne­tere Zeit einen Ausflug in unser Thal zu machen, jetzt, wo Berg und Thal in üppigem Grün steht u wo man nicht Morgen und Abends die Zeit im Kühstall todtschlagen muß was Du im übrigen von mir zu erwarten hast habe ich Dir bereits geschrieben. Wenn Du als Uhrenrichter auftretten willst, wirst Du Arbeit genug fin­den, Dir das Reisgeld zu verdienen

    Wer dieses Lebens Unverstand

    Mit Wehmuth will geniesen

    Gehe nur nach Schoppernau

    U trample mit den füssen

    beiliegender [Katerschmus] hoffe ich werde Dir gefallen lebe wohl! schreibe oder komme bald.

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    Johann Josef Felder
    1856
  • 15. Juni 1856

    Der M Riegerschen Buchhandlung!

    Der Unterzeichnete bestellt für das 2 Quartal 1856,

    1 Gartenlaube

    1  Dorfbarbier

    2  Exempl. Familienjournal 1 "Aus der Fremde"

    Auf die Bilder der Zeit abonniere ich nicht mehr.

    Franz Michel Felder

    Ich bitte, mir obige Zeitungen alle 3 höchstens 4 Wochen einmahl zu schiken.

    Der obige

    Franz Michael Felder
    Schoppernau
    1856, Dorfbarbier, Lindau
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