FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
370
30. Juni 1867

Lieber Freund!

Meine Tinte ist so schlecht, daß ich Dir mit dem Stifte schreiben muß. Du hättest heut auch ohne Deine Aufforde­rung Nachricht erhalten. Gönne mir übrigens den Hinter­hopfrebner Humor; er ist weg, sobald ich ins Dorf komme. Doch ich hab heut etwas anderes, von dem ich Dir früher nichts sagen mochte, weil ich meiner Sache noch nicht gewiß war. Heut nun bring ich, dank meiner scheinbaren Gleich­gültigkeit, nun so viel Wasser auf unsere Mühle, daß wir die Postangelegenheit wohl noch nicht brauchen, was mir lieb ist, da ich denn doch noch Genaueres sammeln muß, daß unser Schuß kein blinder sei.

Mit Mayers Nachricht, daß eine Interpellation unmöglich, erhielt ich auch eine Mitteilung von unserm Vorsteher. Der sagte, Müller habe gesagt: Meine Angaben, in denen er aber keine Ehrenbeleidigung finde, lägen auf dem Gericht und man werde nun wohl gelegentlich einmal mich und Rüscher vorladen müssen. (Wohl zu einer rührenden Versöhnung!!!) Auf die Reden des Vorstehers, der sich warm meiner annahm, sagte Müller nichts Merkwürdiges mehr, aber ich hatte schon an dem genug. Müller plaudert gern, dachte ich, und bald stand es bei mir fest, daß er meine Angaben mißbrauche, damit die Herren sich fassen könnten. Ich bat nun Mayern, die Artikel in der Presse nicht zu sehr zu salzen, denn ich dachte: Die Herren und ihr Anhang werden bald unvorsichtig, wenn alles hübsch ruhig bleibt. Heute ist mir, was ich damals vermutete, eine ausgemachte Sache. Gründe habe ich bisher folgende: 1. Gallus Moosbrugger und der Lehrer von Schnepf­au behaupteten vorgestern vor dem Altvorsteher von hier: Ich hätte auf Ehrenbeleidigung geklagt, auch Pfarrer Feßler sei von mir angegeben. Altvorsteher sagte: Daß ihnen das nicht bekannt sein könne; sie aber behaupteten, das ganz bestimmt und zuverlässig zu wissen. 2. Hier wird heute allgemein gesagt: Auch die Maria Anna Jäger sei von mir verklagt (es ist so). Entstanden ist dieses Gerede durch eine Betschwester, die man mir noch nicht nannte. Entstanden ist dieses Gerede in Au. Die Betschwester kam nach demselben ins Kloster und hörte, wie Pater Jakob sich tadelnd über die Jäger aussprach und sagte, die sei auch von mir verklagt. Die Jäger soll für ihr Vergehen vom Orden eine Strafe erhalten haben, und von ihrer Umgebung erfährt man, daß sie sich jetzt wie wahnsinnig gebärde. Überhaupt wird jetzt hier viel über den Inhalt meiner Angaben gestritten und geredet, und ich verhalte mich ruhig forschend. Glaubst Du, daß wir schon genug zum Feldzug haben, so schlage nur los, sonst aber lasse mich Beweise sammeln, daß Müller meine Angaben nicht geheim hält. Wenn Du losschlägst, so teile auch Mayern diesen Brief im Auszug und den Grund mit, warum mein letzter Brief ihm nicht mitteilte, was damals meine Vermutung war, wenn Du noch mehr Tatsachen brauchst, so schreibe nicht an Mayer, da der mir sonst das Wasser trüben könnte. Rüscher läßt aussprengen, er hätte jetzt den Wurf in der Hand, aber er werde essen und vergessen.

Du erinnerst Dich wohl noch, daß im Mai sich die Geistlichen in Feldkirch versammelten. Da verklagte Pfarrer Berchtold mich und die Schoppernauer beim Bischof: „Es habe sich hier eine neue Sekte gebildet." Ich möchte meine Quelle (Stock­mayer) nicht nennen, auch andere dort Anwesende, z. B. der Pfarrer von Schwarzenberg, müßten ja das bestätigen. Stock­mayer hat's unserm Vorsteher anvertraut, der ihn besuchte. Das ist so alles, was ich heute in meiner Angelegenheit zu melden habe. Das Schwätzen und Lügen dauert fort, doch hab ich nichts zu fürchten, denn immer mehr wird ordent­lichen Leuten das Treiben meiner Gegner widerwärtig oder lächerlich. Ich dachte schon daran, erst von Leipzig aus die Presse und alles Mögliche für mich zu benützen. Zeitungs­artikel regen die Menge umso mehr auf, je weniger sie Gelegenheit hat, sie selbst zu lesen.

Von den Sonderlingen hab ich noch keine Besprechung ge­lesen, aber von zweien gehört. Von der einen schrieb Hilde­brand nur, daß sie ohne Sachkenntnis verfaßt sei, keine Be­achtung verdiene und wohl auch keine finde, von der ändern sagte mir einer der vielen Reisenden, die mich jetzt besuchen, er wüßte nicht viel davon, doch soll sie günstig sein. Ich erfahre aus Leipzig, daß das Buch verhältnismäßig in Wien am wenigsten und in Innsbruck weitaus am stärksten gekauft werde. Auch in Feldkirch und Lindau. Hirzel sorgt schon für die zweite Auflage, er wartet nur noch auf Berichte aus Paris und London. Hildebrand kommt am 28. Juli oder hernach und bleibt eine Zeit da oder in Oberstdorf. Heute schicke ich Dir den in Bludenz entstandenen Aufsatz, dem Freytag den Traum wegschnitt. Nun wirst Du das Protokoll, welches doch eine ungenaue Abschrift ist, wohl nicht mehr brauchen. Mache mit dem Aufsatz, was Du willst. Er darf in der Feldkircher Zeitung abgedruckt werden. Die Eurigen fuhren erst am letzten Donnerstag, 27. Juni, auf Krumbach, doch hab ich den Pius nicht mehr getroffen, seit ich ihn mit Dir verließ. Dem Mayer schreib ich noch nicht, bis ich mehr weiß, unterrichte Du ihn aber von jedem Deiner Schritte. Es wäre jetzt gut, wenn ich bei einer bessern Post wäre, aber es wäre doch nicht gut, wenn ich die Gegend verließe, da ich hier Manches erfahre, mich auch in Hopfreben wieder gekräftigt habe. Der Aufsatz der Grenzboten sollte auch in der Neuen Presse erscheinen, das wäre wohl die beste Unterlage für das Folgende. Ich sähe ihn lieber dort als in der Feldkircherin. Du kannst ihn Mayern nach Wien schicken. Freytag wird nichts gegen den Abdruck haben, wenn man ihn darum bittet, was ich tun werde.

Es wäre möglich, daß ich Dich auf meiner Reise nach Leipzig besuchte. Robert Bayer [?] in Bregenz dankt mir im Namen des Museums für die Sonderlinge, und auch in seinem eigenen Namen dankt er mir. Er will das Werk in öffentlichen Blättern besprechen, ganz kurz auch in der Landeszeitung. Ich werde ihm heute noch schreiben, wenn das Wible in ganz Schoppernau etwas bessere Tinte auftreiben kann. Auch Du sollst bald wieder Nachricht haben. Ich muß jetzt immer Briefe schreiben. Gönner und Gegner scheinen sich ver­schworen zu haben, mich keinen Augenblick mehr zur Ruhe kommen zu lassen. Ich wollte ein Dichter werden, und nun machen sie mich zu weiß Gott was.

Nun bin ich fertig für heute. Der Brief ist, daß ich ihn einem Fremden gar nicht schicken dürfte, er ist das Bild meiner Stimmung, denn ich habe Nerven, und nicht immer will es mir gelingen, so heiter zu sein wie, dem Himmel sei Dank, an dem Tage, wo ich meinen letzten Brief an Dich schrieb.

Wenn ich aus dem Gezänk nicht herauskomme, soll Deutsch­land kein Werk mehr von mir erwarten. Mit Gruß und Handschlag, Dein Freund

Felder

Wenn ich Freytag um Bewilligung des Nachdrucks für die Neue Freie Presse ersuche, geht's doch zu langsam, von Wien aus käme es schneller zurück. Schreibe bald!

Keine