FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
374
2. Juli 1867

Lieber Freund!

Achtmal hab ich gestern mit schlechter Tinte an Dich zu schreiben angefangen und endlich im Unmute doch nichts Ordentliches zustande gebracht. Trotzdem komme ich heute schon wieder, nicht um das Gestrige zu widerlegen, aber doch um Dir Halt! zuzurufen.

Die gemütliche Zeit ist vorüber. Die Tatsachen drängen und die Zeit des besonnenen Handelns findet mich neukräftig auf meinem Posten.

Heute morgens erhielt ich durch Extrapost von dem Kinde des Kronenwirtseine Vorladung. Morgen 10 Uhr hab ich bei Müller zu erscheinen. Es scheint, daß man uns durch diese Eile, die nicht einmal unsern Boten schnell genug findet, jede Unterredung unmöglich machen wolle. Auch recht! Ich bin kalt und ruhig. Ich werde einen Nachtrag zu meinen Angaben diktieren und hören, was man will. Übrigens hab ich keinen Grund, mich zu verdemütigen. Ich glaube, Du werdest mit mir zufrieden sein. Morgen werde ich Dir Bericht erstatten und Du wirst bis dahin ruhig bleiben. Aber dann soll's los­gehen, denn von Müller erwarte ich nichts, als daß er mich vielleicht in seine Karten sehen läßt. Von Au bis Mellau denke ich zu fahren, denn die Drohungen in Schnepfau haben noch nicht aufgehört und das Wible würde mich nicht gehen lassen. Von Müller erfahre ich überall, daß er ein schmutziger Kerl sei, aber noch hab ich den Faden nicht gefunden, den ich suche. Zum Heuen hab ich fast nie Zeit. Gestern abends war ich beim Kurat. Er ist, wie ich mir ihn dachte, nur das Vorurteil gegen den Geistlichen, das ich vorher nicht hatte, ist bei seiner salbungsvollen oder doch zudringlichen Versöhnungs­rede ein wenig erwacht. Ich ließ ihn meine „Zwei Geburts­tage" lesen, er lobte den Aufsatz, sagte, daß hier alles klar und wahr vorliege und machte meinem Stil manches Kompliment; er gestand auch, mich bisher kaum für einen Dichter gehalten zu haben, sondern für einen sehr nüchternen Denker.

Vom Kurat, den ich bald wieder zu sprechen wünsche, ging ich ins Rößle. Auf dem Weg erfuhr ich von Deinem Bruder Pius, daß der Hof in Bizau nicht verkauft werden zu sollen scheine, jedenfalls unter 10.000 Fl. nicht zu haben wäre. Die Rößlewirtin gab mir den Brief des Lehrers von Kennelbach, der im lieben langen Sommer für ein - Nudelgeschäft reist. Der Brief handelt von mir, ist an die Rößlewirtin gerichtet und bezeichnet mich in einer fein sein sollenden Umschrei­bung als im Solde der Freimaurer stehend. Die Wirtin hat mir das interessante Schriftstück überlassen, und ich denke, es später in einem deutschen Blatte zu veröffentlichen und so unsern Lehrern ein gebührendes Denkmal zu setzen. Heute schicke ich Dir denselben nicht, denn ich muß ihn einem Reisenden zeigen, den ich zu treffen hoffe. Einen Nord­deutschen!! Herrgott, ist das eine Art, solche Briefe an Wirtinnen zu schreiben. Ist denn die ganze Sippschaft ver­rückt. Der Stil ist übrigens gewählt, alles sieht sich recht unschuldig an.

Herrn Bayer hab ich gestern noch geschrieben. Von Reisen­den erfahre ich, daß vom Pöbel noch viel über mich ge­schimpft und geflucht wird. So gestern in Bezau. Die Wirte suchen die Sache zu vertuschen oder stellen sich auf meine Seite. Natürlich, der um diese Zeit ungewöhnliche Strom fragt mir überall nach, pilgert nach Schoppernau und bis Hopfreben. Das fängt an zu imponieren. Selbst Leute von Bregenz herein suchen mich auf. Ja, Freund, bis in Bregenz draußen hörte man meinen großen Namen heraufschallen aus Leipzig. Am Ende - doch nein, auf die Wälder ist denn doch nicht mit Bestimmtheit zu rechnen. Jetzt hab ich Material zu Studien und Plänen alle Taschen voll. Vorerst aber denke ich, unter dem krausen Titel „Gleich der Katze auf dem Rücken" einen Artikel über die Angriffs- und Verteidigungsart der Brixner und ihren amtlichen und nichtamtlichen Helfern zu schreiben und weiß Gott wo zu veröffentlichen. Wenn was draus wird, so schicke ich Dir die Arbeit natürlich zu, denn sie soll werden wie ein Ruf zum Kreuzzug und Auf­sehen machen in Israel und Judäa. In der Landeszeitung soll ein Artikel über unsere Heimfahrt sein. Ich gäbe was drum, wenn er so wirklich wäre, wie ich's erzählen hörte. Entgegnungen freilich lassen sich in Bludenz eher schreiben als hier, wo alles viel zu langsam geht.

Ich will doch gern sehen, was morgen los ist. Wenn ich hinauskomme, gehe ich erst mit diesem auf die Post und dann zur Gamswirtin und zu Feurstein. Leider muß ich schon heute gehen, damit ich diesen Brief mit dem gestrigen zu Dir bringe.

Noch muß ich Dir eine Stelle aus meinem letzten Brief an Mayer mitteilen. Ich wünschte damals keine Artikel in der Presse, die das Volk zu sehr aufregen könnten, und schrieb etwa so:

„Doch bitte ich, das Volk, die Menge nicht durch zu gesalzne Artikel in der Presse zu erregen, so lange die Gesetze mich nicht schützen und ich nur von der Gnade des Pöbels ruhig lebe."

Der Kurat behauptete gestern, Rüscher würde sich jetzt zu einer Versöhnung sogar mit Zugeständnissen und Opfern herbeilassen. Auch sagte er mir: der Mann sei jetzt ganz krank (trübe, mißtrauisch, kurz, herabgekommen). Auch unser Altvorsteher will bemerken, daß der Pfarrer ganz anders sei und herummause wie einer, der etwas nicht in der Ordnung habe. Seine Kreaturen operieren sehr gemein und planlos. Ich hab da morgen noch einige Angaben zu machen, wenn fch heute glücklich durch Schnepfau, Mellau u.s.w. hinaus­komme.

Lebe wohl mit Gruß und Handschlag Dein Freund

Franz M. Felder

Keine