FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
440
28. November 1867

Lieber Freund!

Über das Befinden Deines Bruders sind die Berichte noch immer nicht recht ermutigend. Ich glaube, daß ihm eine andere Umgebung und bessere (ärztliche) Behandlung sehr zu wünschen wäre. Auch Pius liegt an einem Fußleiden. Der Doktor von Bizau fürchtet eine langwierige Geschwulst im Kniegelenk und hat ihm gestern Blutegel aufgesetzt. Ich glaube, Jok werde Dir in Beiliegendem Bericht über alles gemacht haben, was die Deinen betrifft, und ich fange daher gleich mit anderem an. Die Adreßlawine kommt allmählich herein. Hier herum machte Schnepfau den Anfang vor vier­zehn Tagen, dann Mellau, Bezau, dort besonders bunt, doch ohne besondern Erfolg. Schoppernau und Au sind noch nicht dran. Auf diese zwei verrufenen Gemeinden wird wahrscheinlich erst das fromme Beispiel wirken sollen. In Bezau ist ebenfalls, wie hier, nur aus ändern Gründen, gegen die Ausschußwahl protestiert worden. Über unsere Wahl, oder doch über dies und jenes, denke ich in der Öster­reichischen Gartenlaube Bericht zu erstatten, wenn ich einmal Zeit finde. Jetzt geht das freilich noch nicht, denn mein Roman, wenn er etwas werden soll, braucht den ganzen Menschen. Das ist auch der Grund, warum ich noch immer nicht an die Gespräche gekommen bin, die sich nicht mit wenigen Federstrichen abtun lassen. Ich müßte mich vorerst wieder in einen etwas ändern Gedankenkreis hineinleben, sollte wohl auch noch manches lesen, damit ich mich so frei bewegte, wie wenn ich in einer gleichsam selbst geschaffenen Welt mich bewege.

Ich denke, Dir den Roman noch vor dem Frühling zur Durch­sicht übersenden zu können, doch muß ich noch so viel glätten, feilen und ins richtige Licht stellen, daß etwas Bestimmtes sich noch gar nicht sagen läßt. Jedenfalls werde ich etwas freier, sobald ich wenigstens mit dem Entwurf zum Abschluß gelangt bin. Der aber und die Korrespondenz lassen mir jetzt nicht einmal mehr Zeit, ordentlich meine Zeitungen zu lesen. Ich wüßte nicht, wie ich es machen sollte, wenn ich auch noch die Stallarbeit zu verrichten hätte. Für die aber ist zum Glücke der Knecht da, und ich gönne mir zuweilen ein Glas Bier und ein Viertelstündchen zur Erholung. Die Gesellschaft könnte freilich besser sein, das fühle ich seit Leipzig viel schmerzlicher als vorher. Doch das hat wieder das Gute, daß man sich nachher bei seinen Büchern umso behag­licher fühlt.

Das von Dir Gewünschte schicke ich hier mit Dank zurück. Entschuldige mich, daß ich nicht schon früher darauf gedacht habe. Es gab so viel zu tun, zu sinnen in der letzten Zeit, daß ich manches Nötige nur zu lange liegen ließ. Vielleicht ist es möglich, hier eine Vereinssennerei zu gründen, viel Hoffnung hab ich nicht. Moosbrugger in Schnepfau läßt keinen Schritt des Vereins unbeachtet und unbekrittelt. Der Uhrenmacher ist nun ein Ehemann. Rüscher hat ihm auch nicht ein Hin­dernis in den Weg gelegt. Die Frommen hat das sehr geärgert, denn die scheinen nach ihren Reden weiß Gott was alles erwartet zu haben. Die Liebeszeichen denke ich Dir zu schicken, sobald Pius, dem ich sie zum Zeitvertreib brachte, damit fertig ist. Ich denke, daß er sich dabei nicht übel unterhalten wird.

Deiner Therese herzlichen Glückwunsch zu Nr. 4. Der Isabell freundlichen Gruß. Strolzo Thresel habe das Haus an den Bruder verkauft und nun habe der mit einer Alberschwen­derin drauf geheiratet. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

F. M. Felder

Keine