FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
435
18. November 1867

Lieber Freund!

Der Umstand, daß erst jetzt wieder ein Schreiben einläuft, läßt Dich wohl erraten, daß der Zustand Deines Bruders sich schon wieder besserte. Nach meiner Ansicht entstand das Unglück nur aus der Wahl - obwohl ihr Ergebnis vorauszu­sehen - und aus der Eigenheit des Lehrers. Er ist nie gewohnt, selbst einzugreifen, er konnte nur sparen und ruhig bleiben. Das und, wie Du richtig bemerkst, seine Strenggläubigkeit machten ihn mutlos und unfähig zu kräftigem Eingreifen, zu raschem geistigen Geben und Aufnehmen. Dazu kam noch das dumme Gejammer seiner geizigen, in jeder Weise ge­meinen Frau, die als echte Argenzipflerin nur sparen und behaglich leben will. Hiefür nur einen Beweis. Dein Bruder sagte nach der Wahl in seiner Aufregung zu denen, die ihm ein halbes Fuder zürn Teil ungeordneter Schriften und Bücher brachten: Ich verkaufe alles und ziehe ans Ende der Welt, denn die Verantwortung könnte ich nicht ertragen, wenn mir die Arbeit auch nicht am Hausen hinderlich wäre. „Mei­netwegen", sagte das Weib, das, wie auch hier ganz richtig bemerkt wird, da tröstend und aufrichtend hätte eingreifen sollen mit zarter Hand, „meinetwegen kannst du deine Sache verkaufen und gehen, ich mache das nicht mit." Und hier, in der aus der Geldheirat und dem ewigen Dulden erwachsenen Jammerbrühe, liegt nach meiner Ansicht die Quelle des Unglücks, hier auch der Grund der tiefen Reli­giosität, in die er - versank, und die sich, sobald er mit Gewalt gleichsam gehoben wurde, wie ein Kleister um ihn legte. Seit unser Dökterle das Fortnehmen der Schriften und die Entfernung des stolzen Vorsteherbaums verordnete, geht es wieder besser, und das Weib, das früher seine Pflicht wohl nicht erfüllte, ließ nun zum Überfluß noch einen Schneider kommen, der ihm den Lebenswecker aufsetzen mußte. Ich freilich würde ihm lieber zuweilen Gesellschaft und auf den Abend ein Glas Wein empfehlen, damit auch der noch sehr fehlende Schlaf ihn wieder erquickte. Er ist nun wieder nach Ohna gezogen, und zwar mit großer Freude. Und die zweite Wahl wird auf den Tischler oder noch eher auf Greber in Argenau (den Bezauer) fallen. Hier konnte noch nicht gewählt werden, weil die Entscheidung der Statthalterei noch nicht „herabgelangte", unterdessen haben wir es los­gekriegt, daß der Protest auch noch falsche Unterschriften hat, wenigstens eine, von der der Genannte gar nichts wußte. Die narrischen Artikel der Landeszeitung sind vom Kreuzwirt in Schwarze n berg. Er ist jetzt übrigens ein ganzer Stock-Ultra­montaner und immer wunderlicher. Hier herum, bei uns noch nicht, liegen die Adressen für das Konkordat vor, die das liebe Volk unterzeichnet. Schnepfau scheint vorangehen zu müssen, wie der Uhrenmacher berichtet, der gestern mit seiner Braut die erste Hochzeiter reise nach Bezau machte.

Ja, er wurde gestern verkündet, und zwar ohne Widerrede, da Rüscher, der meinen Grenzboten-Artikel kaufte, nun mit den Feldern nichts Ungerades mehr zu tun haben will. Wo ist doch der Artikel, hat ihn Grebmer wieder gebracht? Ich bitte, ihn mir zu senden, den von Feldkirch hab ich auch noch nicht.

Die Freiexemplare der Liebeszeichen sind aus Versehen nach Leipzig gewandert. Jetzt noch hab ich nur eins da, um mich einstweilen über die vielen, später allerdings berichtigten Druckfehler zu ärgern, mit denen es dieses „österreichische" Blatt überhaupt gar nicht so genau zu nehmen scheint. Daß die Hinterwälder nun eine eigene Viehassekuranz gründen, hast Du wohl schon gehört. Uns aber will auch diese nicht gefallen, besonders das Galtvieh wird gar zu arg mitge­nommen. Arm und Reich wächst, aber früher als dieses Kind meiner Phantasie wird wohl ein anderes von mir - erscheinen, für welches ich Dich zum Götte bitten möchte. Eine gelehrte Frau, Tochter des Literaten Koberstein in Berlin, macht mir den Antrag, den nächsten Sommer bei ihr und ihrem Manne, dem Augenarzt, von dem ich Dir sagte, zu verbringen. Davon läßt sich noch reden, heut aber muß ich noch Briefe schreiben. Die tägliche Post beginnt mit 1. Jänner 1868. Mit Gruß und Handschlag Dein Freund

Franz M. Felder

Keine