FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
588
31. August 1868

Lieber Freund!

Dein teilnahmevolles Schreiben hab ich gestern, Sonntag, erhalten. Leider ist der Zustand der Kranken bisher immer schlimmer. Wohl hat sie ruhige Augenblicke, an die meine schmerzumnachtete Seele sich halten möchte, aber bald ist der Sturm des Fiebers wieder da und wühlt in ihrem und meinem Innern.

Gestern sagte mir der Arzt, die Krisis sei nun eingetreten und bis heute müßte sich's entscheiden. Gegen Abend war die Kranke so ruhig wie selten. In der Nacht durchschauerte es ihren Körper, ihr Atemholen war am Steigen und Sinken der Bettdecke zu sehen, und in Pausen der Ermattung betete sie ein Bruderschaftsgebet. Als ich und die Mutter ans Bett kamen, begrüßte sie uns mit einem Jubel, der mir, wie noch nie etwas, in die Seele schnitt.

Am Morgen schickte ich zum Dökterle, welches den Zustand bedeutend weniger hoffnungslos finden wollte. Augenblick­lich liegt sie ziemlich ruhig. Für Deinen Antrag, die Isabell zu behalten, bin  ich sehr dankbar.  Ich werde nicht länger davon Gebrauch machen, als  ich  muß.  Hoffentlich  kommt sie  in einigen Tagen  und  meldet Dir, daß  nun  die  Krisis glücklich überstanden. Oder sie meldet- etwas anderes. Freund, ich bin in einer furchtbaren Lage! Daheim war ich glücklich.  Da konnte der Sonderling sich wohl sein lassen, wie andere Menschenkinder, da ward er verstanden, und nun auf einmal sollte das aus sein, alles aus, nichts mehr da als 5 unerzogene Kinder, die nicht mehr der Mutter klangvolle Stimme heim ruft. Es ist schrecklich - ungeheuer.

Zum Tröste kann ich mir nur sagen, daß nicht ich, daß nie­mand daran schuld. Es kam wie das Leben und wie sonst so viel Gutes. Es kommt auch aus der nämlichen Quelle und wird also mit mein Teil sein. Nun, ich will auf den großen Allgeist bauen, in dem wir leben, weben und sind. Beten - recht ganz beten kann ich leider nicht. Ich hab es im Unglück nie können. Nur Gott danken kann ich recht von ganzer Seele, wenn ich wieder aufatme.

Morgen oder ganz bestimmt übermorgen will ich Dir wieder schreiben. Lebe wohl bis dahin und gedenke Deines tiefge­beugten Freundes

F. M. Felder

Keine