FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
607
24. September 1868

Lieber Freund!

Drei Wochen sind seit Deiner Abreise vorüber. Damals dacht ich nicht, daß ich mit Schreiben an Dich so lange warten würde. Ich glaubte, kaum noch etwas mit der Zeit anfangen zu können. Nun will ich Dir kurz Rechenschaft geben.

Jeden Abend empfing ich Briefe, die mir in der Seele doch wieder wohl taten, besonders einer von Hildebrand, den ich Dir statt ferneren Lobreden auf dieses herrliche Gemüt übersenden werde. Er sagt mir, wie ich nicht mehr allein sei, und legt mir's nahe, daß meine Freunde noch Bedeuten­des von mir erwarten und daß das Unglück mich nun auch inniger an den Himmel binde. Er sprach in Form eines Wun­sches den Rat aus, jetzt mit meiner Selbstbiographie zu begin­nen, damit ich darüber nachdenke, wie Gott mich immer so wunderbar und liebevoll geleitet habe. Schon dieser Gedanke tat mir wohl und begann, das Leere meines Wesens weit besser auszufüllen, als es die Feldarbeit vermocht hatte. Ich fing nun wieder an, in meinen Briefsammlungen herumzu­stöbern, die noch nicht verbrannten Jugendarbeiten und Tagbücher zu lesen, wobei ich mehr und mehr wieder aufzuleben begann. Wohl tat mir auch, meine Kinder bei Mariannen so behaglich zu sehen, daß sie nur selten und immer froh von der Mutter plauderten und so unbewußt vielleicht dem guten Mädchen oft andeuteten, was es zu tun habe. Ich nenne sie ein gutes Mädchen und das würdest Du auch, hättest Du gesehen, wie sie, wenn ich abends traurig mein Zimmer durchschritt, zu mir kam und mir etwas vorlesen wollte. Ihre Lernbegierde tut mir wohl, in ihrer Be­friedigung kann ich meine besten Kräfte wieder üben, wenn ich die Macht unserer edelsten Geister auf ihr reines, reiches Gemüt wirken sehe, ist's mir, ob sie auch mir sich wieder erschlossen und genähert hätten.

Das Mädchen bleibt nun hier, obwohl das Mötele resp. Mutter, aufgeredet von frommen Basen und um des lieben Nähens willen, schon gewaltig dagegen sein wollte. Dieser Tage erhielt ich von Hirzel in Zürich einen gründlichen Artikel über den Dichter aus dem Bregenzerwald, der durch viele Nummern durchgeht. Er enthält neben einigem Un­richtigen so viel Schönes, daß ich ihm auch im Vaterland mehr Verbreitung gönnte. Vielleicht kannst Du das durch die Wiener Volkszeitung vermitteln. Der Artikel - mit Wärme geschrieben - ist eine Verherrlichung des Bregenzerwalds, und ich werde Dir ihn bald auch zur Mitteilung an Bickel, Gaßner und andere schicken, nur könnt ich Euch das einzige Exemplar nicht überlassen.

Die Rüscher'sche Partei - deren einzelne Mitglieder jubelten, während meinem guten Wible die Sterbglocke geläutet wurde, verfällt immer mehr der Gemeinheit, die alle bändigt. Ich habe mit meiner Selbstbiographie begonnen, und die Arbeit schreitet - aber mit von mir doch kaum glaublicher Langsamkeit - voran. Ich denke zuweilen daran, nach Götzis zu gehen. Wenn Du auch gehst, so schreib mir's, denn dann komm ich bestimmt; schreib aber auch sonst bald Deinem Freund

Franz Michel Felder

Keine