FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
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16. Januar 1866

Lieber Freund!

Die - aktenmäßige - Darstellung Deiner Heimreise von Warth habe ich erhalten und benütze nun die erste freie Stunde, um auch meinem Versprechen nachzukommen. Von Warth bis nach Krumbach war's wohl schlecht gegangen, wenn wir am Wirt Jochum nicht einen so guten Führer gehabt hätten. Er versicherte, daß da, wo der Schnee noch nicht herunter sei, ein Fehltritt neben den Weg - von dem keine Spur mehr zu sehen war, eine Lawine veranlassen könnte. Um 10 Uhr kamen wir auf Krumbach an, ich und der Wirt waren doch noch zu wenig ermüdet, um den vom Lorenzier aufgetragenen Schnaps für eine Labung zu halten. Auf dem Weg nach Seh rocken hörten wir mehrmals von dem sich „set­zenden Schnee" ein Getöse wie von fernen Schüssen, der Heiterer auf Körb wirbelte uns den Schnee entgegen, daß es eine Art hatte, doch kamen wir wohlbehalten und ohne zu frieren in Schröcken an, wo ich etwas aß, während meine Schwägerschaft sich mit einem Schoppen begnügte. Die schlechten Witze des s. g. Nuhle waren wieder aufgefroren und plaudernd und lachend stolperte die Gesellschaft auf gefrorenen Pfaden vorwärts, während ich h erausrechnete, daß eine Hochzeit am Tannberg ein teurer Spaß sei. Ich hatte Gelegenheit, zu bemerken, daß ich als Gast nicht meine Schuldigkeit getan, sintemalen „die schlechtesten ein Banknötle gegeben", worauf ich dann noch einen „Zettel" nachschob, worauf Schwager Dokus seufzend meinem Bei­spiel folgte. Ich nahm mir vor, zu Hause die ganze Geschichte mit einer Schilderung derselben wieder zu verdienen, aber ich kam nicht zum Schreibtisch bis heute und nun schreibe ich an Dich, was mir jedenfalls leichter geht, als eine Schil­derung fürs tägliche Brot.

Hier ist's am Zunfttag nicht besonders lebhaft zugegangen. Nur 40 Gäste waren anwesend, von denen es nur wenig zu berichten gibt.

Der Schneider kam erst am Donnerstag zurück und ergänzte die „Tannberger Hochzeitsbilder" durch den Schluß und die Schilderung der - Nachwehen. Jok soll nur etwa 20 Fl. Profit haben, während mir auf meiner Hochzeit 44 Fl. im Sacke blieben, ohne daß sich mein Wible krank tanzen und betteln mußte. Die Braut soll nämlich etwas unwohl sein, so daß Jok also schon am Morgen nach der eigentlichen „ersten Nacht" für sie Kaffee kochen mußte. Was man nicht will, muß man.

Jok würde Augen gemacht haben, wenn ihm je einer gesagt hätte, daß er eine Tabakraucherin heiraten werde. Der Riß im Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein wird täg­lich größer, ich bin beim 12. Dezember angekommen und lese die veralteten Nummern des Sozialdemokrat mit immer größerem Interesse. Der Sozialdemokrat hat seine Partei in Preußen, während Sachsen etc. zum ehemaligen Präsidenten halten. Das Parteiorgan macht nach meiner Ansicht zuweilen unverzeihliche Dummheiten, z. B.: Schulze-Delitzsch hat eine Broschüre gegen Bastiat (von Lassalle) verfaßt, nun macht ihm der Sozialdemokrat Vorwürfe, warum er das nicht zu Lebzeiten des Verfassers getan habe.

Mir will's vorkommen, die Partei sei etwas arm an tüchtigen Männern, und was ich von den rasch wechselnden Präsiden­ten höre, hat mich noch nicht auf andere Gedanken bringen können.

Jetzt hadert der Sozialdemokrat mit der Wiener Presse, die - ein Philisterblatt - den in Ungarn auftretenden Schwarz so sehr verunglimpfen soll.

Westermanns Monatshefte hab ich abbestellt, und wenn Du mir für den Demokrat die Historisch-politischen Blätter zu­weilen gelegenheitlich zuschicktest, so würde ich Dir dankbar sein. Auch die Gartenlaube halte ich nicht mehr. Ich fange zu sparen an: schon fast zu spät, denn ein Gütertausch und andere Umstände, zu denen auch der Bau einer neuen Hütte auf Aufeid gehört, haben mich für jetzt so geldarm gemacht, daß Du Dir schwerlich einen Begriff davon machen könntest. Hätte ich früher geahnt, was noch alles über mich kommen und was nicht kommen würde, so hätte ich Dich um ein Darlehen von etwa 30 bis 40 Fl. angesprochen. Doch Du wirst wohl auch genug zu tragen haben und ich wage daher nur zu erzählen, um was ich Dich gerne bitten möchte. — In letzter Woche habe ich die Bauernarbeit mir wieder etwas vom Halse geschafft und werde nun wieder den Sonderlingen meine Zeit opfern können. An Hildebrand denke ich noch nicht so schnell zu schreiben. Wenigstens werde ich warten, bis der Entwurf fertig ist.

Die Fastnacht ist ungewöhnlich still. Man hört von keiner Hochzeit und von nichts, als daß in Bezau ungewöhnlich viele Leute krank sind. Am Sonntag wurden von dort vier Todfälle in einer Woche verkündet. Der Uhrenmacher hat noch nicht geschrieben. Auch von Jochum hab ich noch keinen Brief erhalten und ich werde ihm wohl bald selbst einen Brief schicken müssen. Seine Mutter ist schon sehr besorgt.

In Deinem nächsten Brief hoffe ich zu  hören, was Du für meinen Vetter, den Lithographen, erfragt habest. Die lieben Deinigen recht von Herzen grüßend und der in Bludenz verstorbenen Gerichtsperson die ewige Ruhe wün­schend, verbleibe ich Dein alter treuer Freund       

Fr. Michael Felder.

17.1.

In der Sennhütte der Oberdörfler geht's lebhaft zu. Es wird politisiert, lange Reden und Gegenreden werden gehalten, und ich wäre glücklich, wenn ich dabei so viel lehren könnte, als ich lerne.

Heut stürmt's furchtbar und die Bauern jammern um Schnee, da auch das Nötigste noch nicht getan werden konnte.

Der Riß im Arbeiterverein wird größer. Die Geschichte wird unerquicklich.  Wenn  die Allgemeine Zeitung  die  Haltung des Vereins  lobt,  so  weiß jeder,  der sich   um  die  Sache kümmert, was er zu denken hat, sie will die eigensinnigere Partei noch aufmuntern, noch eigensinniger machen.

Lebe wohl und schreibe bald Deinem

geldbedürftigen Freund                                                

Felder

Keine