FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
560
13. Juli 1868

Lieber Freund!

Dank für Deinen herzlichen Wunsch und Deine Mitteilungen; ich habe das Schreiben heute gelesen, da ich gestern abends 12 Uhr erst von Thüringen kam, wo ich recht frohe Stunden erlebte. Dr. Grotteck findet meinen Gesundheitszustand er­wünscht, lobt die Wirkung unseres Bades „heandom Baa" und empfiehlt es mir mit Vorsicht und Mäßigung. Ich tagte mit der Vogelweide auf der Wartburg und in Kosen. Ich legte unser Passionsspiel vor, welches man in einer Hinsicht inter­essant fand. Es wurde über das Wesen deutscher Sprache und den Stand der Wissenschaft verhandelt, wobei ich An­regungen verschiedener Weise gewann. Übrigens ist die Teilung der Arbeit und sind ihre Folgen auch in diesen Kreisen zu empfinden. Über die Sonderlinge hab ich bedeutende Urteile gehört. Koberstein sprach von dem Buch in günstigster Weise und ist, wie manche, auf die neue Arbeit sehr begierig.

Der Druck des letzteren schreitet so ziemlich rasch vor. Ich werde vielleicht den ersten Teil mitbringen können. Ich bleibe diese Woche jedenfalls noch hier, denke aber Sonntag, den 26. Juli, in Lindau zu sein, um doch den Schlosser in Friedrichshafen persönlich kennen [zu lernen], der nach Lindau zu kommen versprach, sobald ich dort einmal an einem Sonntage zu treffen sei. Thurnher und Luger sind vor 8 Tagen abgereist, nachdem sie sich vorher entzweit hatten. O Vaterland!! Sie gingen nicht einmal mehr mitsammen fort. Thurnhers Berichte sind aus Baedeker, und ich weiß nicht, was sie im Volksblatt sollen. Die mir zurückgelassenen Nummern werden in meinen Kreisen fleißig gelesen, und man wird staunen, Dich als Mitarbeiter? dieses Blattes zu sehen. Bisher sind Deine Gesichtspunkte etc. noch nicht da, ich denke, daher auch diesen Brief noch nicht zu schließen, sondern bloß ein freies Stündchen mit Dir zu verplaudern. Dabei komme ich am liebsten auf mich selbst. Meine Lage dürfte sich nun doch bald etwas ändern. Es soll nämlich, da es mit der Vorarlberger Sammlung seit Pfeiffers Tode - die Stelle ist nun durch einen Freund Hildebrands besetzt - nichts mehr sein wird, so will man sich von hier aus mit einem Gesuch an den Schillerverein wenden, welches durch 6 Unter­schriften, wie die des Professors Koberstein, Gewicht be­kommen soll. Hildebrand hält den Erfolg für sicher. Im Herbste, nach dem Erscheinen von ,Reich und Arm' soll es losgehen. Auch Hildebrand erwartet, bis dahin seine Würfel fallen zu sehen. Hoffen wir das Beste. Hier arbeite ich eigent­lich nichts, beginne jedoch wieder allerlei Pläne zu machen. Daß ich fürs Volksblatt augenblicklich keine Berichte schreibe, obwohl ich ernstlich daran dachte, versteht sich wohl von selbst. Ich will abwarten, was unser heimatliches Partei­leben auskocht, und mich indessen so viel als möglich mit neutralen Dingen beschäftigen. Freilich kann ,Reich und Arm' einen neuen Sturm erregen, aber dann weiß ich doch, was ich zu tun habe. Wenn Du mich in Lindau treffen willst, so fahre am Samstag dorthin. Abends bringt mich der Dampf­wagen von München, wo ich am Freitag im Stachus über­nachte.

Von Hause hab ich endlich Nachricht erhalten. Ich wartete mit Schmerzen darauf, denn ich denke viel dorthin und nach Vorarlberg. Die Einsamkeit jener Berge und ein eigenes Heim sind Wohltaten, die man erst schätzen kann, wenn man sie entbehrt hat. Man ist viel mutiger, wo man einen Wirkungs­kreis hat, den man übersieht. Daher wohl hier die vielen Klassengesellschaften, die aber leicht auch einseitig machen können. Dem Münzenhändler Thieme hier hab ich, da ich über den Wert Deiner Sammlung mir kein Urteil erlaubte, Deine Adresse gegeben. Unsere Stickerei hat hier Beifall gefunden. Ich gab sie an eine einflußreiche Dame und hoffe, noch vor der Abreise zu erfahren, ob aus meinem Plan etwas werden kann. Von Freuden und Festlichkeiten hätt ich viel zu berichten, mehr noch als im letzten Jahr. Auf der Polizei bekam ich eine Aufenthaltskarte, ohne daß ich den Paß vorzeigen mußte. Bekannte finde ich immer wieder und immer neue, nur aufs Land und unters „Volk" komme ich eigentlich zu wenig. Das soll noch anders werden. Vielleicht gelingt es mir doch noch, das verschlossene Wesen der Bauern zu überwinden, die jeden mißtrauisch ansehen, der aus der Stadt kommt.

15. Juli

Gartenlaube und Gesichtspunkte sind nun da. Letztere hab ich Freund Hildebrand gegeben. Doch der ist augenblicklich so mit Arbeiten verschiedenster Art überladen, daß er vor dem Freitag schwerlich ans Lesen kommt. Übrigens gab der Artikel schon Veranlassung zu einem kleinen Disput, bei dem ich die Gesinnungen und Ansichten zutage kommen ließ. Mehr später! Mayers Fotografien gefallen hier besser sogar als die Leipziger, und es wäre mir lieb, wenn Du mir mit dem nächsten Brief noch einige schicktest. Ich glaube, Mayer wird sich durch meine Bitte geschmeichelt fühlen. Wenn Lorenz Mayer von Wien kommt, so laß ihn mir grüßen, er möge mich doch einmal mit einem Besuch in Schoppernau erfreuen. Von ,Reich und Arm' lese ich eben den 6. Bogen. Der Druck ward verzögert, weil ich das Manuskript noch einmal aus der Druckerei holte. Ich glaube, die Arbeit werde Dich freuen. Auf mich wenigstens macht das Gelesene einen sehr guten Eindruck. Bemerken muß ich Dir noch, daß in der Be­sprechung der Sonderlinge von Gottschall auch Klausmelker gewürdigt worden ist.

Ich besuche die Vorlesungen über Literatur von Minkwitz - Stinkwitz - wenn auch nur, mich über ihn zu ärgern. Es ist schändlich, was dieser Platenide - wie er sich in der Allge­meinen Zeitung vom letzten Montag selbst nennt - für Unsinn und Hochmut zutage fördert. Das werde ich - der Bauer ­einmal geißeln, denn ich achte unsere Literatur und kann es nicht leiden, daß so von ihr geredet wird. Warte nur, bis ich einmal dazu komme, meine Reise zu beschreiben.

Dr. Pritsche will meine Sonderlinge in der evangelischen Kirchenzeitung besprechen. Die hiesigen Theologen sind mit dem Buche sehr zufrieden. Was sagen denn unsere? Walther, Thurnher u. a. m.?

Der Ausgang  der Stiefelgeschichte  hat  mich   unangenehm überrascht. Soll denn Felder nicht entschädigt werden? Eben hat Hirzel mich besucht und mir gesagt, daß die neue Erzählung in einem Band erscheine, da sie denn doch kleiner als die frühere sei. Das glaubte ich nicht, aber es ist richtig.

Ich kehre übrigens nicht ungern wieder in die Berge zurück. Freilich müßte es nicht eben das enge Schoppernau sein. Wenn Du mich noch mit einem Brief erfreust, was ich hoffe und wünsche, so tu es doch, daß der Brief wenigstens bis nächsten Mittwoch hier ist. Grüß mir Bickel und A. Gaßner. Es schadet auch nichts, wenn etwas von der holländischen Übersetzung bekannt wird. Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

Franz M. Felder

Leipzig, den 23. Juli [1868]

Lieber Freund!

Von Weimar kaum daheim, kommt die Meldung von daheim, daß ich mich am Donnerstag, den 30. d. Ms., zur Verhandlung über die Wahlstörung  in   Bregenz  einzufinden  habe.   Das verzögert meine Abreise auf erwünschte Weise. Ich bin nun nicht am  Sonntag  in   Lindau,  sondern  am   Donnerstag  in Bregenz zu treffen, wenn Du das willst. Uhrenmachers Mitteilung ist übrigens so ungenau, daß ich nicht weiß, was man mit mir will. Mehr zu schreiben, fehlt mir Zeit.

Lebe wohl,

Dein Freund                                                                 

Felder.

 

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