FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
309
4. April 1867

Lieber Freund!

In den letzten Wochen haben dichterische Arbeiten und die immer wachsende norddeutsche Korrespondenz mich ganz in Anspruch genommen. Auch heut muß noch manches getan werden und ich habe nur Zeit, ein wenig aufzuräumen. Der erwähnte Pater hat in Au gegen meine Gespräche gepredigt, da er sie wohl nun erschienen wähnte. Das geht aber nicht so schnell. Ich glaube, jetzt wäre zur Veröffentlichung nicht die rechte Zeit, und H. Kunz hab ich, beiliegenden Brief beantwortend, ersucht, mir die Handschrift zu schicken. Je­denfalls werde ich erst die verpredigten Stellen ändern oder mit einer Anmerkung versehen. Die Schwarzen sind noch ärger auf mir, seit ihnen die Notiz in der Gartenlaube Nr. 10 eine Waffe gab. Die Stelle unter: Ein Autodidakt im ge­nannten Blatt ist von Keils eigener Hand. Ich bitte Dich, sie der Merkwürdigkeit wegen zu lesen. Keil hat sich schon vor längerer Zeit an mich gewendet und mich - ein hübsches Honorar versprechend - zur Mitarbeiterschaft eingeladen. Es war also gut, daß Hildebrand den Tannbergeraufsatz noch behielt, denn ich stehe viel besser, da Keil den ersten Schritt mir entgegen machte. Nun befindet sich die Zeichnung zu meinem Aufsatz beim Holzschneider und wird nächstens erscheinen. Die letzten Briefe aus Leipzig eröffnen mir eine schönere Zukunft, als ich sie mir je geträumt hätte. Mit diesem Briefe geht auch einer nach Leipzig ab, dessen Echo Du auch hier noch hören dürftest. Er enthält einen Artikel, der für die Gartenlaube bestimmt ist und ganz gewiß ange­nommen wird, nur hab ich gewünscht, noch ein wenig zu warten. Die Sonderlinge sind vermutlich schon fertig. Der zweite Band hat uns recht erbaut. Die Geistlichen arbeiten dem Roman in ihrer Weise vor. Du glaubst gar nicht, was alles sie über mich unter die Leute bringen, doch ich mag mich heute, von solchen Gemeinheiten erzählend, nicht um die gute Stimmung bringen. Feurstein hat mir vom Landtag berichtet, die Klarstellung hätte ohne den Zehnmillionenplan dem Ganahl nicht übel gefallen. Feurstein ist mit diesen Landesvertretern nicht besonders zufrieden, am wenigsten hat ihm der scheue, ängstliche Bickel gefallen, weil er von dem etwas erwartete. Seyffertitz liest jetzt meinen Lassalle, den ihm Feurstein gegeben, der letztere zeigte mir auch einen Brief, den ersterer - unter dem Eindruck der Broschüre über Verfassungswesen - schrieb: Es finden sich viele treffliche Schlagwörter, die auch bei uns angewendet werden könnten und müßten.

Über die Klarstellung schrieb mir Hildebrand: Eine interes­sante Schrift, die mich mehr anspricht als die erste. Ihr Schwager muß auch ein Original sein und ein warmherziger Mensch.

Mit der neuen Arbeit geht's langsam, aber es geht. Früher noch als diese scheint jetzt eine Novelle für die Gartenlaube fertig zu werden. Du wirst den Kopf schütteln und mich einen gemütelnden Duseler schelten. Aber warum immer nur stürmen und drängen? Meine Natur vertrüge das nicht. Zudem darf ich sogar im Interesse der Gleichberechtigung eine so schöne Stellung nicht aufgeben. Die Gartenlaube ist mir viel gewesen und es machte mich glücklich, wenn ich auch ihr etwas werden könnte, versäume also nicht, sie zuweilen durchzublättern und auch in der Nr. 3 den Artikel „Aus guter alter Zeit" oder doch dessen der Klarstellung verwandte Einleitung zu lesen. In den nächsten Wochen werde ich einmal nach Lindau kommen und dann auch das Wible mitlassen, es war noch nie dort. Der Uhrenmacher ist aus der Schweiz mit Werkzeugen u.d.gl. beladen „freudig" zu den - Wälderinnen zurückgekehrt. Er hat jetzt ein Ver­hältnis, das mir psychologisch sehr interessant ist, so daß ich froh bin, sein Vertrauter zu sein. Natter ist Soldat, wenn er tauglich befunden werden sollte. Du kannst der Isabell sagen, daß es in Schoppernau auch Sprengers Hans und Schnidarles Kaspar verspielt haben. Ich war am Spieltag in Bezau und hab unterm Volk und im Herrenstüble Studien gemacht, die Du noch verwertet finden wirst. Das gute Einvernehmen mit den Schoppernauern besteht noch trotz allem und allem. Die Bibliothek findet Zuspruch, daß man es nicht so erwarten konnte. Der Pfarrer läßt in der Kirche alles ruhen und arbeitet in den Wirtshäusern. Bisher mit dem gleichen Erfolge wie dort.

Die Gespräche denke ich im Herbst zu veröffentlichen, wenn die Klasse, für die sie sind, wieder Zeit zum Lesen hat. Ich hoffe, daß Du einverstanden sein wirst? - Und nun noch Geschäftliches: Durch Bestellung eines großen Sammelwerkes komme ich in die Lage, den Goethe um ein ziemlich Billiges verkaufen zu können. Sollte Dir mit dem vielleicht gedient sein, so würde ich den Antrag unseres Doktors nicht an­nehmen. Mir wäre es fast lieb, wenn Du auch mal was Gemüt­liches in die Hände nähmest.

Doch mein Platz ist bald aus und die Zeit auch. Leb wohl mit Gruß und Handschlag Dein gottloser, deutschkatholischer, blutroter, hochmütiger, verführerischer, verkommener, eigen­sinniger, arbeitsscheuer, vom protestantischen Gelde sich mästender, auf Kosten der Seele berühmter, mit Freimaurern verbündeter, von der Gartenlaube gelabter und verzogener - und honorierter Freund und Schwager

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