AN FRANZ XAVER JOCHUM IN WIEN

lfndenr: 
19
4. September 1859

Theuerster Freund!

Als ich dein letztes Schreiben vom 29 Juli gelesen hatte, wünschte ich nichts so sehr, als: daß ich dir einmal einen Brief schreiben könnte, der dich wie mich der deine freuen würde, u. - ich fürchte, ja ich weis es gewiß, daß, wenigstens dieser meinen Wunsch nicht erfüllen wird, so wenig als mein letzter, den du nur als einen Aufruf ansehen mußt. Zuerst also von mir: die ungetrübteste Zufriedenheit; fort­dauernder Frohsinn, Gesundheit u. Jugend, zeitweiliger Umgang mit lieben guten Freunden vereinen sich, mein Leben zu einem angenehmen Wechsel zwischen Arbeit, die mir die immer wachsende Freude an meinem Berufe leicht macht, u. Ruhe u. Beschäftigung mit Literatur, oder Umgang mit den Wenigen, die ich von Herzen meine Lieben nenne mit Ober­hauser und — So verlebe ich meine Jugend, ausruhend vom Kampfe zwischen Neigung u. Pflicht (Nothwendigkeit) mit den besten Kräften auf meine Kammer u. einen oder 2 Men­schen angewiesen die mich verstehen.

Das ist das Bild meines gegenwärtigen Lebens; Ich könnte über nichts klagen, u. doch bliebe so vieles zu wünschen übrig. Doch gibt mir das Glück immer mehr als ich verdient habe, u. ich mache mir so in der Stille oft das Bekenntniß, daß ich mehr Glük habe als Verstand!

Kurz nachdem ich dir im Febuar geschrieben hatte bekam mein Auge eine Entzündung, die mir weder hindernd noch gefährlich schien; als ich nun im Frühling der Operation zim­lich mutig entgegen ging sagte mir der dir in jenem Brief gelobte Artzt beiläufig folgendes dir meldenswerthe: Jene Entzündung war für Ihr Auge eine entscheidende Krisis u. ist so glaube ich Sie versichern zu können glüklich vor­übergegangen, da aber das Auge von jener Entzündung noch nicht ganz hergestellt ist so wäre jetzt jede Operation gefähr­lich ob sie in spätem Jahren noch „nothwendig" u. Ihnen von Nutzen sei werden wir ja sehen. Seien Sie also ganz unbe­kümmert für die Zukunft u.s.w.

Manchmal, wie es auch heute der Fall ist, kann ich den ern­sten Gedanken über Vergangenheit und Zukunft nicht los werden, wenn ich so hinein blike ins wechselvolle Schiksal der Menschen u. wie wir, so manches treue Herz verlierend, immer mehr auf uns selbst beschränkt sind, auch dir, theurer Freund, schlägt nun ein treues Freundesherz weniger, der dir seid deiner frühen Kindheit so liebe Kaspar Willam auf Hoch­krumbach ist nach einer 8 tägigen Krankheit am 1 September versehen u. im Beisein des Pfarrers in Wart[h] gestorben. Friede seiner Asche!

Deine Mutter ist gesund u. wohlauf lacht wieder so laut u. herzlich wie früher, auch das ganze Siebersche Haus, alle bit­ten zu grüssen, auch ich habe deine Grüsse ausgerichtet u. besonders dem Oberhauser sehr viel Freude damit gemacht, der mir der liebste meiner hiesigen Freunde ist, ich habe mich sehr gefreut daß es dir wohlgeht. Aber daß du die Erneuerung unserer Freundschaft von mir erwartest, wollte mir nicht gefallen, u. ich versichere dich meiner immerwährenden Freundschaft u. Treue.

Ich hoffe daß dir unser Freund Johann Josef F. nächstens schreiben [wird]. Sein adresse schreibe ich dir nicht, weil er seinen gegenwärtigen Aufenthaltsort Niort baldigst zu verlas­sen gedenkt. Und so lebe denn wohl du lieber. Gedenke neben deiner zärtlichen besorgten Mutter, gedenke, ich bitte dich, auch draußen in der weiten Welt, in frohen u. trüben Stunden zuweilen deines Freundes in der Heimat, deines dich wie ein Bruder liebenden Freundes

Franz Michel Felder

Ist es dir möglich so schreib auch ein Briefchen es würde mich sehr freuen Abends 10 Uhr

Keine