KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
554
10. Juli 1868

Lieber Freund!

Vor allem spreche ich meine Wünsche und die Hoffnung aus, daß das hochkultivierte deutsche Geistesleben, in dem Du Dich nun bewegst, stärkend und läuternd auf Dich wirke und ein bedeutendes Mehr zu Deinem Selbst hinzugelegt werde. - Am letzten Montag bin ich mit meiner Theres und den zwei Kleinen wieder glücklich hier angekommen, wo wir die Isabell mit den ändern Familienmitgliedern im besten Wohlsein antrafen. Heute überraschte mich Uhrmacher Fel­der, der von der gestern in Feldkirch abgehaltenen Schluß­verhandlung gegen Wüstner kam. Dieser sei zu 6 Wochen Kerker verurteilt. Rößlewirt und Stülz seien leer ausgegangen. Dieser letzte Umstand war mir auffallend so daß ich den Felder ermutigte, sogleich die Berufung (Appellation) zu er­greifen, was er wegen Kürze der Frist sofort telegrafisch tat. Die Berufungsschrift wird ihm Adv. Jussel in Feldkirch anfer­tigen. Felder ist gleich Stuben zu abgereist, um über'n Tann­berg heimzukehren. Er sagte, daheim sei alles in Ordnung. Das Kasino in Au sei wie begründet. Bei der Vorversammlung vom 28. v. Ms. haben sich bei 40 Mitglieder unterzeichnet und sei beschlossen worden, die Schnepfauer und Schoppernauer auch beitreten zu lassen. Zu Komiteemitgliedern wegen Aus­arbeitung der Statuten seien die drei Auer Geistlichen, der Doktor und der Postmeister Gropper gewählt worden. Das Dökterle habe ich auf dem Rückweg von Bezau getroffen. Es erklärte unverhohlen, daß es für das Kasino sei, wurde aber ganz kleinlaut, als ich ihm meine Meinung sagte. Es soll sich, wie Felder sagte, in letzter Zeit geäußert haben, die Kasino­geschichte gefalle ihm schon nicht mehr. Zum Pfarrer bin ich am Rückweg nicht mehr, da ich gleich den Bergen zuwanderte. Die ganze Sache schien mir zu einer Einmischung nicht geeignet. Birnbaumer habe übrigens einen schönen Vortrag gehalten und namentlich nichts gegen Euch gesagt. ­Die Skizzen aus Vorarlberg (Gartenlaube) habe ich mit den Gesichtspunkten auf die Post gegeben. Letztere bitte ich dem Hildebrand zu geben und ihm zugleich meine Empfehlung und hohe Achtung auszudrücken. - Von Wien erhielt ich heute eine Einladung zur Mitarbeiterschaft am Telegraf (Organ des Kaisersfeld, Präsidenten im Unterhaus) und dessen Arbeiterblatt, das nach Inhalt der Einladung das „maßgebende Organ sämtlicher Arbeitervereine Wiens" ist. - Das Volksblatt wirst Du wohl von Lehrer Thurnher erhalten können, doch will ich dem Vonbank schreiben, daß er es Dir zuschicke. ­Jetzt regnet's in Österreich Proteste gegen die bekannte Allokution des Papstes, und wahrscheinlich wird auch ein solcher am nächsten Sonntag in Feldkirch gelegentlich der Konstituierung des liberalen Landesvereins vom Stapel ge­lassen. Schreibe bald wieder Deinem Freund  K. Moosbrugger

 

Keine