AN KASPAR MOOSBRUGGER IN SCHRUNS [ENTWURF]

lfndenr: 
112
14. März 1864

Geliebter Freund!

Beinahe ein Vierteljahr lang hast Du Dich mit einem Räuber u. Dieb beschäftiget, nun kommt Dein alter ehrlicher Freund u. bittet Dich, ihm auch wenigstens ein Viertelstündchen zu schenken. Wirst Du ihm, auch wenn er von seiner Dorfge­schichte, oder vilmehr einer Recension derselben sprechen will, diese Bitte versagen? Ich hoffe nicht! - ?

Es scheint beinahe, als ob ich vom Schiksal dazu verurtheilt worden sei, durch Ärtzte unglücklich (?) gemacht zu werden. Vor 23 Jahren hat mich so ein Schüler Äsculaps um das eine Auge gebracht, nachdem er zu viel des Weines in sich aufge­nommen hatte, u. jetzt will mir ein solcher den mühevoll errungenen Kranz von Loorbern, u. wälderstrumpfweißen Kirschblüthen mit bittersüßem - Stinkkraut umgeben u. bede­ken gerade als ob im letzten Herbst nicht er mir, sondern ich ihm - auf den Schuh gestanden sei.

Die „recht freundliche u. anerkennende" Besprechung des Hrn V. in Fo 29-30 der Landeszeitung habe ich mit gebührender Gedult u. aufmerksamkeit gelesen, bin dort, wo das Geld Wohlstand bringt, glüklich vorbei gekommen u. habe end­lich den „gesinnungstüchtigen Autor" gefunden, ohne mei­nen „durch Wälderarbeit (aber nicht, wie es hier scheinen könnte in der Fremde) erworbenen Wälderhumor" (Seite 49) zu verlieren. Dann schritt ich als „Herr Felder" so schnell „als (mir? -) möglich" in den Stall, wo ich gern etwas länger ge­blieben, wenn ich nicht, um die „im hellen Lesezimmer" ver­wöhnt gewordene Nase zärtlich besorgt, ihm sogleich wie­der zur Thüre hinaus nachgegangen wäre. Was daran Schuld war, daß ich nichts davon hörte, wie der Müller „seine Nach­barn zusammenrief", Schuld sei, könnte mir Hr V als Artzt leicht sagen - wenn ich nur bei ihm wäre u. ihm meine merk­würdig großen Ohren zeigen könnte.

Nun thut V mir die Ehre an, 21 Zeilen aus meiner „lebensbild­lichen Dorfgeschichte" abzuschreiben u. ich muß ihm hier wie a,n ändern Orten gestehen, daß er alles gehörig zu benüt­zen weißt was ihm paßt - u. das Andere benützt er dadurch, daß er es nicht benützt. Nun weiter! doch - wir sind am Ende unserer Pilgerschaft angelangt, wir scheiden. Hr V geht seines Weges, trifft Herrn K. Hagen, u. fällt nun wie das auch „weit hinten in Schruns" Sitte sein wird, über seinen bisherigen harmlosen Begleiter her, u. tadelt - was? alles, was der gute Tropf in seiner Unschuld gesagt hat u. - deine Nase ist nicht so fein; mag kein Pech anrühren, um sich nicht zu besudeln.

Als Schreiber (Macher) von „sehr nützlichen Novellen" suche ich allem auch dem nicht gerade Angenehmen eine „schöne Seite" abzugewinnen oder wenn das gar nicht gehen will, so suche ich mir eine gute Lehre für ein - anderes Mal daraus zu nehmen. So habe ich zum Exempel von einem Beispiel gestern beim Lesen des vorhin Erwähnten fest vorgenommen, nie mehr zu tadeln, ohne deutlich zu sagen „was u. warum". Diesem Vorsatz treu fahre ich nun, unter Anrufung Deiner Gedult u. zur Ehre der - Wahrheit fort im

2ten Theil

„Um recht aufrichtig zu reden, bedaure ich, daß ich, daß ich im ganzen Buche keine einzige Sage fand/' Der Mensch kann oft in ganz wunderbare Verhältnisse - Stel­lungen u. - Lagen kommen. Wenn Herrn Vo. das Unglück (?) passirt sein sollte, den 5ten Bogen meiner „Lebensbild­lichen" zu - verlieren so würde ich das sehr bedauern, denn durch obige Stelle könnten recht bösdenkende Menschen zu dem Aberglauben gebracht werden, Hr V. wolle keine Sagen gelten lassen, als die für ihn gesammelt u. mit kleinen Anfangsbuchstaben - gleich den Schriften der großen Brüder Grimm, gedrukt worden sind.

Die Belehrung, daß die Streiche des Schwarzhannes keine Sagen sind, werde ich gut aufbewahren, bis einer irgend­woher kommt u. sie holt denn ich brauche sie nicht. Die wenigen Sagen die vorkommen, (warum müssen es denn viele sein?) sind theilweise nur angedeutet, weil ich wußte, daß sie ähnlich auch an ändern Orten vorkommen. Vollständig u. so viel ich weis neu ist die Sage Seite 7, andere sind kürzer 76-77-85 u. 92. Sollte Hr V diesen Bogen nicht mehr besitzen, so werde ich ihm mit Freuden zu verschaffen suchen. ­Die Lieder sind natürlich gut weil nicht ich sie gedichtet (gemacht) habe, (Seite 122) es kann Recensenten daher doch nur erwünscht sein daß im ganzen Werke mehr gesungen (nämlich Seite 13 - 30 - 33 - 85 - 108 - 122 u. 180 also sieben Mal) u. gesprochen wird, als geschildert u. dargestellt, von letzterem Vorwurf später denn ich möchte noch gerne wis­sen: Warum die Ünsche Hrn V noch nicht hoch genug ist, u. er sie noch um 1000 Fuß höher macht, dem so schmerzlich beklagten Mangel an (von ändern Kritikern schon so oft weg­gewünschten) Naturschilderungen wird nach meiner beschei­denen Meinung dadurch doch nicht abgeholfen. Die Frauen­tracht fehlt nicht. Seite 87 ist davon die Rede, denn ich wollte sie am Sonntag zeigen, weil die Werktagsjuppe etwas roth u. farblos ist u. etwas Stallgeruch fast nicht zu vermeiden ge­wesen wäre. Die Strümpfe sind Seite 87 nicht Kirschblüthen­sondern schneeweis, so habe ich die Tracht kurz gezeichnet, wer mehr will lese Oppermann, dort findet er alles - sogar roühe Strümpfe, welche ich aber noch nie „erschielt" habe. Und nun kommt auch noch das Schappale welches ich end­lich Seite 121 glücklich gefunden habe u. zwar nicht in einer alten Schachtel, sondern es glänzt auf Mi kies Haubt, da dieses am schönsten Tag seines Lebens an Kaspales Seite zum Trau­altar schreitet. Wohl ihm, denn reinen Herzens u. würdig des Schmuks der Jungfrau geht es dem schönsten Glück entgegen. Hier wollte ich das Schappale und seine Bedeutung zeigen. Doch genug hievon.

Daß viel gesprochen wird, bemerkt Hr V sehr richtig u. ich hätte wirklich dieß wenigstens für keinen Tadel angesehen, wenn mich nicht eine spätere Stelle darauf aufmerksam ge­macht haben würde. Ich lasse diesen Tadel auch gelten, denn nach meiner Ansicht lernt mann die Menschen am besten aus ihren Reden kennen, - wenigstens die in bukolischer (?) Na­türlichkeit auftretenden Wälder. Herr Vonbun hat also hierin ganz recht u. bin überhaubt, das Bishergesagte ausgenom­men, ganz mit ihm einverstanden, u. werde nun hier in Schop­pernau den Frohnhof aufzutreiben suchen um zu sehen, womit ein feiner Satiriker mein Werkchen vergleichen würde. Zwar schade um die edle Zeit! einige Stunden zu opfern um ein Werk zu lesen mit welchem Hr. V das Meinige vergleichen mag! Doch das sind Vorurtheile und: „Komm u. sieh!" sagte Jesus zum Nathanael, als dieser fragte: Ob denn von Nazareth auch etwas Gutes kommen könne. O eine schöne Antwort, so schön, daß jedem durch Vorurtheile hintenangesetzten zu wünschen wäre, auf solche Fragen so antworten zu können. Das ist so beiläufig, was ich über diese Rezension denke. Ich habe daraus manches gelernt, habe darin recht schöne Sätze gefunden, die die im Nümmamüller bei weitem übertreffen an Feinheit u. noch Mehrerem. Meinen Wälder Humor habe ich deßwegen auch nicht verloren, wie Dir diese Zeilen eini­germaßen gezeigt haben werden. Anfangs, ich gestehe es, machte mir die Stelle, wo von den Sagen die Rede ist, ein wenig Galle jetzt aber ist es gerade die, die mich am meisten freut, u. die ich daher als Glanzpunkt auch gehörig hervor­heben zu müssen glaubte.

Wenn Herr Vonbun Dich fragen sollte ob ich mich u. wie ich mich über seine Kritik geäusert, so sage ihm was Du willst von dem hier Geschriebenen, sage ihm meinetwegen alles, lese ihm, wenn Du willst, diesen Bogen vor. Ich hoffe, er werde als Mann seine Sprache auch dann nicht beleidigend finden, wenn andere dieselbe reden. -?