AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
171
3. März 1866

Verehrtester Herr Hildebrand!

Schon oft gedachte das Bregenzerwälder-Bäuerlein der schö­nen Stunde, in der es das Glück hatte Sie in Au anzutreffen, doch würde es wol nie gewagt haben, sich brieflich an Sie zu wenden, hätte nicht Ihre gütige Zusendung vom Juli v. J. ihm Muth gemacht, ja es aufgefordert, Ihnen für diesen wer­then Beweis Ihrer Theilnahme recht herzlich zu danken. Ich arbeitete nun auch mit mehr Lust als vorher. Ich benützte jeden Augenblick, den mir die Feldarbeit frei ließ, für meine Lieblingsbeschäftigung. Ich wünschte mit meinem Bregenzer­wälder Lebens- und Charakterbild aus neuester Zeit recht bald fertig zu werden, um Ihnen dasselbe mit der Antwort zu übersenden.

Villeicht hab ich mich zu sehr angestrengt, habe dem von der Bauernarbeit ermüdeten Körper zu wenig Ruhe gegönnt. - Ich wurde krank und meine Feder blieb länger als ein Vier­teljahr unberührt liegen.

Jetzt, während es draußen stürmt und tost, sucht sich jeder auf seine Weise die Zeit zu verkürzen. Jetzt kann ich zuwei­len ganze Tage am Schreibtische sitzen, und da erwacht dann wieder der alte Wunsch, der Welt ein Wenig von meiner lie­ben Heimath zu erzählen.

In der hiesigen Schule erhielt ich vor 14 Jahren erbärmlich Ohrfeigen, weil ich regelmäßig eine „Schoppernauer Schul­zeitung" schrieb, die denn zuweilen im halben Dorf herum­kam doch auch das hat mich nicht heilen können von mei­ner „wunderlichen Sucht", jetzt, nachdem die „Blätter für lit. Unterhaltung]" den Wunsch aussprachen, daß ich auf dem glücklich betrettenen Wege tüchtig vorwärts schreiten und noch öfter mit Nachrichten erfreuen möge, hab ich erst recht zu lernen, zu arbeiten und zu erleben angefangen.

Gerne wollte ich Ihnen den Inhalt der Erzählung „Sonder­linge" kurz mittheilen, aber wie einfach das Ganze auch ist, es wäre doch nicht möglich, einen Abriß davon zu geben ohne Ihre kostbare Zeit allzusehr in Anspruch zu nehmen. Mit dem Schwarzokaspale hat dieses Werk sehr wenig Ähn­lichkeit, und doch könnte man es in gewissem Sinn eine Fortsetzung des Ersteren nennen: dort sehen wir einen armen Burschen emporkommen, hier haben wir einen Emporgekom­menen, der nun Fortschritt und Freiheit predigt: einen s g Freimaurer, der „schlechte Grundsätze" aus der bösen Welt hereinbrachte und sich nun bei den altgläubigen Ärmeren sowohl als bei den besitzstolzen Reichen verfeindet macht.

Die Wege in unser abgeschlossenes Thal werden von Jahr zu Jahr besser; immer näher heran braust das Dampfroß und immer lauter klopft der Zeitgeist an. „Herein" rufen einige, „draußen bleiben" schreien viele. Der Geist scheint sich dann auf Augenblicke zu entfernen, der alte Friede aber kehrt nicht mehr zurück. Was einmal in der Luft ligt findet seinen Weg auch über die Berge.

Die Hauptpersonen meiner Erzählung sind keine Dorfge­schichthelden, keine Tolpatsche und keine Luziane (Auer­bach) sondern es sind ganze Gemüthsmenschen oder kluge Köpfe die mit Gott und der Welt handeln und schachern. Und warum nicht? Der Pfarrer kennt seine Leute und richtet seinen Unterricht für sie zurecht, wobei es ihm dann freilich zuweilen passirt, daß er durch Beizebub den Teufel austrei­ben will.

Ich habe nicht Lust, Herrn Stettner in Lindau das Werkchen zur Prüfung zu übersenden - und Herr Stettner - dessen Kundschaft größtentheils aus katholischen Geistlichen be­steht - würde schwerlich geneigt sein ein Werk zu verlegen, welches unser Völklein nicht nur im Prozessionsschmuck, sondern auch in seiner Alltäglichkeit darstellt und errathen läßt, warum der so talentvolle Bregenzerwälder bei Weitem nicht das wird, wo zu er das Zeug hätte.

Ihre werthe Zusendung hat mir den Muth gegeben, mich vertrauensvoll an Sie zu wenden mit der Bitte: Wenn Sie glauben sollten, daß meine Arbeit es verdient, mir, dem Nahmen- und Freundlosen zu rathen und zu helfen. Wohl kenne ich den Nahmen manches tüchtigen Verlegers, aber ich fürchte daß z. B. Herr E. Brockhaus in Leipzig u A die Ar­beit des Bäuerleins ungeprüft zurükschiken würden. Ich lebe recht glücklich als Bauer, und nur das ärgert mich, daß wenig­stens hier herum der Bauer gar keinen Theil haben soll an den Errungenschaften der Civilisation, daß er überall schon zum Voraus abgewiesen wird. Oft hat mich das so geärgert, daß ich selbst kaum begreife, warum die schrundenvolle ar­beitsmüde Hand nicht schon längst Buch und Feder wegwarf. Doch das geht mir nicht so leicht als vielen meiner Lands­leute! Wem sollte ich hier meine Gedanken mittheilen als meiner lieben Frau und dem Papir.

Welchen Werth mein neues Werk als Dichtung hat, können Andere besser beurtheilen, ich glaube es einen nicht ganz werthlosen Beitrag zur deutschen Völkerkunde nennen zu dürfen.

Bis ersten Maj hoffe ich mit der Ausarbeitung und Abschrift des 2 ten Theils fertig zu werden, und wäre dann glücklich wenn das Ganze von einem Fachmann geprüft würde. Ich wagte es, mich an Sie zu wenden, weil ich überzeugt bin, daß Sie etwas für mich thun werden, wenn es möglich ist. Eine Antwort von Ihnen würde mich sehr glüklich machen. Auch dann wenn Sie dem Bäuerlein zurufen sollten: Schuster bleib beim Leisten.

Der von Glück und Freunden Umgebene ahnt nicht, wie gern unser Einer die Hand erfaßte, die sich ihm freundschaftlich entgegenstrekt, doch Sie werden meine Kühnheit entschul­digen und werden mir wenigstens rathen, wenn ich Ihre Hülfe nicht verdienen sollte.

Doch ich habe schon zu lange Ihre theure Zeit in Anspruch genommen!

Mit den herzlichsten Grüßen an Sie-und-wage ich beizu-, setzen, an die vielen mir Theuren in Leipzig die ich aus ihren Schriften kennen und schätzen lernte Hochachtungsvoll ergebenst Ihr

um Antwort bittender

Adresse    Franz M. Felder

in Schoppernau

Post Bezau

Vorarlberg.

Keine