AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
540
6. Juni 1868

Liebster Freund!

Dein letztes Schreiben hat mich recht gefreut. Mit Reich und Arm hab ich zum Theil wieder ein Stück von mir und meiner innern Entwickelung zu geben mich bemüht, und wie dem Verlassenen der Druck treuer Freundeshand thut es mir durch und durch wol, mich verstanden zu sehen. Mein Ro­man spielt sich hier in der Wirklichkeit noch täglich ab, nur der versöhnende Schluß will noch nicht kommen. Auch ich hab ihn nur innerlich gefunden. Doch davon bald mündlich. Ich freue mich recht darauf, nun bald wieder mit Dir und unsern Freunden in Leipzig plaudern zu können. Ich hab einen bösen Winter überstanden. Oft brauchte ich den Ge­danken an Euch, das Gefühl, doch nicht ganz alein zu sein, um mich aufrecht und froh zu erhalten.

Der Kampf gegen Rüscher scheint zu Ende. Dafür haben jene kleinen kleinen Grausamkeiten des überwundenen Gegners begonnen, die zuweilen gefährlicher sind als ein offener Krieg. Rüschers Freunde schießen, ganz in der Stille, aus sicherm Versteck ihre Pfeile auf mich ab und suchen sich zu rächen. Auch das wird einmal enden. Übermorgen gehts mit Kind und Rind nach Hopfreben. Von dort denk ich zu Dir zu eilen, freilich ein wenig später, als früher meine Absicht war. Mein Schwager schrieb mir, daß er einen längeren Urlaub wenigstens theilweise bei mir verbringen möchte. Nächste Woche kommt er nach Hopfreben und wir werden dann mitsammen unsere hiesigen Freunde besuchen. Jeden­falls aber sehen wir uns noch in diesem Monath. Euren freundlichen Antrag von wegen des Reisegeldes nehm ich mit herzlichstem Dank an. So eine That der Freundschaft thut mir wol und macht mir das Herz weiter, freier. Ich hab in letzter Zeit unter kleinlichem Eigennutz gelitten und meine frommen Gegner haben meine etwas gedrückte Lage gehörig ausgebeutet. Doch Du mit Deinem, eurem Antrage, der mich so glücklich macht, hast wahrlich etwas besseres verdient, als daß ich Dir noch mit Klagen in den Ohren liege. Ich hab etwas gefunden, was Dir vielleicht nicht ganz werth­los ist. Auf eigenthümliche Weise, die sich vielleicht künst­lerisch dargestellt nicht übel ausnähme, ist hier vor 40 Jahren ein Passionsspiel entstanden. Vor einigen Tagen gelang es mir, den Text aufzutreiben. Ich kann das Ganze nicht recht (recht - wie richtig) schätzen da mir der Vergleich mit ähn­lichem fehlt.

Die Sprache - ich bin aber noch lange nicht durch - scheint mir die des vorigen Jahrhunderts, die Redewendungen u An­schauungen aber sind wol viel älter z B Satan:

Die Hofahrt thu ich Säuberlichkeit nennen Den Geiz als Häuslichkeit erkennen U s w

Ich hab mehrere Abschriften, wenn du willst, kann ich eine mitbringen, auch die in der n fr Presse angedeuteten Verse werd ich mir verschaffen. Eben geht in Bezau eine Sänger­gesellschaft auf Reisen. Die Hetzerei hat nun auch gegen Freund Feurstein begonnen, der sich aber in seiner Lage nicht viel daraus zu machen braucht. Die neuen Gesetze scheinen hier die Sache nur noch verschlimmern zu sollen. Unser Volksblatt sagt, man müsse Gott und seinen Gesandten mehr gehorchen als den Menschen. Den Tag meiner Ankunft melde ich später und darf wol auch von Dir noch einen Brief erwarten mit Bericht über das Schicksal von Reich u Arm. Mit herzlichstem Gruß an Dich u alle  Dein Felder

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