VON JOSEF NATTER AUS STEINHAUSEN

lfndenr: 
541
10. Juni 1868

Lieber Freund!

Ich weiß nicht, ob Dich mein Brief noch in Schoppernau antrifft, oder nicht, allein dessenungeachtet will ich Dir nun doch melden wie ich mich befinde.

Meine L.Verhältnisse sind jetzt ganz erträglich, ich habe Arbeit u. dabei zu leben. Durch mein neues Verhältniß zum Strolz als Theilhaber, bin ich sogar gezwungen, wenn es mir nicht sonst Freude machte, vieles zu lernen, das mir sonst nie in den Sinn gekommen wäre.

Auch die Bücher kommen mir sehr zu statten, ich lese am Sonntag meistens sehr fleißig, die letzten sechs Wochen ausgenommen, da ich in dieser Zeit Augenweh hatte u. keinen Buchstaben lesen konnte.

Auch fange ich an, mit Land u. Leuten bekannter zu werden, ich komme mit den Gebildeten des Dorfes in Berührung, wodurch ich mit mancher Einrichtung im Staats u. Gemeindewesen u. mit mancher Sitte u. Gewohnheit bekannt werde. Ich lese auch jetzt „Müllers Geschichte der Schweiz" die noch kürzer u. kräftiger geschrieben ist, als seine „Allgemeinen Geschichten". Auch mit Deutschland habe ich mir eine Verbindung geschaft in Form der Wochenausgabe der Augsb. Algemein. Dieselbe gefällt mir gut, ich weiß durch sie immer am bündigsten, woran alles ist, besonders widmet sie Österreich viele Aufmerksamkeit. Dieses geschieht zwar auch in der Schweiz, alle Blätter klein u. groß, bringen Berichte über die Debatten u. Beschlüsse des Abgeordnetenhauses.

Wie es scheint, wissen unsere Dicken ihren Einfluß u. ihre Stellung zur jetzigen Regierung sehr gut zur Abwerfung der Steuerlast von ihren Schultern oder ihren Geldsäken zu benützen. Nun, es ist nun doch freie Bahn gebrochen, wenn man nicht mehr zurükschaut, oder gar umkehrt, kann noch Vieles anders werden. Der Fanatismus der schwarzen Schoppernauer reicht bis hieher, wenn nicht mehr weiße als schwarze hier wären, könnte ich mich nicht sicher fühlen. Vor etwa 4 Wochen war ich in Zug, u. traf neben ändern Wäldern auch den Anton Rüscher an, wechselte aber kein Wort mit Ihm, da wir nicht am gleichen Tische saßen. Später ging derselbe heim u. die ändern auch, daheim sprach er den ändern gegenüber den festen Vorsatz aus, mich heute noch auszu­wichsen. Ein Bitzauer drohte ihm mit dem gleichen, wenn er mich anrühre, u. so bekam dieser mit dem Rüscher Händel wegen meiner.

Sonst muß man die Landsleute als Arbeiter loben, sie sind fleißig und treu, von der Gesellschaft aber schliessen sie sich ab, sobald mehrere bei einander sind, u. bilden eine eigene, in der es mitunter bunt zugeht. Wir haben lauter Schoppernauer als Gesellen, den Jodok Natter, Pius Rüscher, Kohler von Gräsalp u. am nächsten Sonntag wird Bickels Hans auch noch kommen. Mit Reich u. Arm bist Du scheints schneller fertig geworden, als mit den Sonderlingen ich wünsche Dir viel Glück dazu, u. wenn es auch den Leipzigern zu stark sein sollte. Doch wollen wir dies nicht hoffen, denn dieselben sehen es ja doch gut genug ein, daß die Tendenz die richtige ist, wenn sie es auch nicht gern gestehen. Grüße mir Korado Buobo u. Oberhausers, der Kaspar soll mir dann mit Gelegenheit wieder schreiben.

Alle Gesellen nebst Deinem Freunde grüßen Dich u. Deine Fa­milie.

Josef Natter.

Keine