AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
425
27. Oktober 1867

Lieber Freund!

Also der Kaiser hat den 25 Bischöfen in Wien geantwortet. Du kannst Dir denken, welche Bewegung die Nachricht hier in Vorarlberg hervorrief. Es lag in letzter Zeit so viel in und auf uns, daß mir jetzt die Wochen seit meiner Abreise von Leipzig wie lange Monathe vorkommen. Ich danke Gott, daß wir einmal gleichsam die „Sina" erstiegen haben, wo wir nun ausruhen und überlegen können.

Die Wahlen hier sind vorüber. Gestern giengs los und unser guter Pfarrer Rüscher ist nicht besonders erbaut über den Bericht in welchen eingeschlagen ich Dir den Herren hiemit übersende.

Es ist nämlich zum großen Theil die Ungeschicklichkeit seiner an Zahl uns weit überlegenen Anhänger, welche die Wahl­schlacht nicht gerade verlor aber immerhin uns bedeutende Siege ließ. Doch ich muß einmal kleinbürgerlich die Sache des langen und breiten erzählen. Wir hatten das erste Mal im Leben geheime Abstimmung. Nun waren viele Zettel so ungenau, daß man sie gar nicht gelten lassen konnte. Das war der Grund, daß unser ärgster Gegner, der hiesige Rößle­wirth, welchen die Frommen sogar zum Vorsteher wollten, nun nichts weiter ist als Ersatzmann. Die Frommen schimp­fen jetzt über die Wahlkommission, die aus mir, zwei Freun­den (Vorsteher) und zwei Gegnern bestand. Mit Unrecht wirft man uns Parteilichkeit vor. Da wählen etwa 26 einen Josef Moosbrugger - nun, es sind bei uns ihrer 10 die so heißen. Jetzt was ist da zu thun? Ich denke, die Angelegen­heit wird vor die Statthalterei gebracht werden. Diese Leute sind viel leidenschaftlicher und kampfeswüthiger, als ich bis­her selbst glaubte.

Unser Schreiner sitzt jetzt auch mit im Gemeinderath und wir dürfen mit der Wahl in Schoppernau und auch in den Nachbardörfern sehr zufrieden sein.

Mir sind diese Kämpfe sehr interessant. Ich nehme fast zu viel daran theil so daß mir in der letzten Zeit auch in freien Stunden die rechte Stimmung zum Schreiben fehlte. So kann es schon noch ein Weilchen dauern, bis arm und reich zu Ende kommt. Von Liebeszeichen hab ich etwa die Hälfte hier und ärgere mich über dumme Druckfehler, welche nur blei­ben konnten, wenn kein Mensch oder ein Schulbube die Corectur las. Gefreut aber hat michs, daß ich nun auch da­heim ein wenig Boden habe, wenns auch noch nicht in Wien ist. Von der Sammlung dort hört man jetzt kein Wörtlein mehr und es scheint die Sache ganz zu ruhen. Diese Leute haben jezt auch anderes zu thun und ich will auch gerne länger mein eigener Stall- und Holzknecht sein, wenn sie unterdessen wegbringen, was wie ein Bann auf uns allen liegt und was ich alein doch nicht wegzuschreiben vermöchte. Hier stecken wir im Schnee, der die Äste von den noch nicht entlaubten Buchen drückt, und das winterliche Tagwerk be­ginnt vor den Arbeiten des Spätherbstes. Wenn die 4 gesund von der Alp ouflat gekommenen Kühe befriedigt sind, geh ich ins Stüble, angle mir mit der Concertine die Stallgedan­ken und die Rüschersorgen aus dem Kopf und dann gehts ans Schreiben wenn mir irgend etwas gutes einfällt. Den Simplicissimus haben wir mit wahrer Andacht gelesen und ich bitte dich, dem freundlichen Wohlthäter in Dresden noch­mals meinen herzlichsten Dank auszusprechen. Eichendorfs Taugenichts hab ich von Stettner für 1 Thlr erhalten. Wärs nicht zu machen daß ich meine Bücher etwas billiger von Leipzig beziehen könnte? Jetzt redet man im Ernst von einer Bregenz-Feldkirch-Innsbrucker Eisenbahn. Die Regierung scheint doch auch noch an uns zu denken, und uns nicht ganz verlieren zu wollen. Von unserer Wälschen Besatzung in Bregenz wird erzählt daß sie bei den Übungen nicht blind lud und auf unsere Landwehr schoß - ! Doch genug hievon und schon zu viel wenn allenfalls dieser Brief auch wieder verloren gehen sollte wie die letzten, welche ich von Leipzig aus heim schickte.

So kam ich dann den Meinigen ganz unerwartet. Ich hatte in Bregenz geschrieben, daß ich nun da sei, aber der Post­beamte, von dem ich eine Marke kaufen wollte sagte mir, dasGeschäft sei vor2Minuten geschlossen. Bitten und Betteln war umsonst und dabei stand er im Zimmer am offenen Fen­ster u hatte die Marken neben sich. Ich wollte den Brief nun unfrankirt einlegen damit die Meinen keine Sorge hätten, wenn ich etwa länger in Bludenz weilen sollte, aber man sagte mir daß er so nicht befördert würde.

Bir und Seiffertitz traf ich nicht zu Hause und wartete nun mit Schmerzen bis das Zollamt meine Kiste freigab. In der Nacht fuhr ich gi Bludoz wo ich mit Meyer u Moosbrugger, Bickel u. A. zwei schöne Tage verlebte. Der Vorsteher in Bezau, den ich erst in der letzten Woche besucht habe, ist sehr erfreut über den guten Anfang der LK Landwirtschaft­lichen Käshandlung, aus welchem LK Herr Galli in Schnepfau „Lumpen Kumpanie" gemacht hat.

Daß Bismark etwas fürs Wörterbuch thun werde, hoffe ich und freut das mich dreifach, als Dein Freund, wegen der Sache und wegen Bismarck selbst. Zu bedauern wäre viel­leicht, wenn das dich nun für immer und ganz an diese Arbeit fesseln würde.

Nun auch das wird sich geben wie vieles Andere sich giebt, anders und wol besser für uns als wir selbst es anfangen könnten. Die Tochter unseres alten Vorstehers hat sich mit einem unbemittelten Vetter von mir für immer vor dem Al­tar verbunden. Ich war mit bei der Festlichkeit und habe auch wie gewöhnlich die Abdankungsrede gehalten. Pfarrer Rü­scher war auch dabei und verhielt sich dabei öffentlich das Gesicht und die Ohren.

Dem Käshandlungsverein geht [es] zum Anfang recht gut und der Gedanke der Association gewinnt immer mehr An­hänger. Die Leute halten aber auch wacker zusammen.

29 Oktober

Ich bin vorgestern am Weiterschreiben verhindert worden und bedaure das um so mehr da nun mein Brief erst am Samstag nach Bezau kommen wird. Der tägliche Postverkehr wird erst bis zum Neujahr eröffnet. Die Posthalterstelle ist einem ausgedienten Soldaten verliehen, der vermuthlich, da er arm ist, mit dem Rößlewirth in Au gemeinschaftlich das Geschäft übernehmen wird, wenn einmal auch Pferde ver­wendet werden müssen. Die Alten (Pfarrerschen) sind seit den Wahlen ganz rasend und wollen den ganzen Vorgang für ungesetzlich erklären. Wir würden eine Neuwahl nicht fürchten, aber bang war uns vor der vorhergehenden Agita­tion. Diese Leute sind ganz unberechenbar in ihrem from­men Eifer, doch ist meine Partei allenfalls stark genug und wir sehen dem Verlauf der Sache nicht ruhig aber getrost entgegen. Doch genug von dem und von allem. Was macht Deine liebe Mutter. Liest sie noch Gartenlaube. Ihr Deiner Frau u allen meine herzlichsten Grüße. Der Rudolf könnte hier jetzt Schneeballenkriege mitmachen. Für Hugo hab ich nebst einem freundlichen Gruße die Nachricht, daß nun der Klausmelker heirathet und für Emmi daß wir nun neue Briefmarken bekommen.

Heute ist Sitzung auf der Wartburg. Ich werde dabei sein im Geiste. Haben auch jene Lieben mich noch nicht ganz ver­gessen? Grüße mir alle!

Rüscher hat sich in seiner kirchlichen Pracht „abnehmen" las­sen. Das imponirt und ist zudem - sehr interessant. Doch ich will aufhören. Lebe recht wo l und glücklich. Es grüßt Dich tausendmal

Dein Freund Franz M Felder

Keine