AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
422
4. Oktober 1867

Liebster Freund!

Nun wirst Du wieder von der Philologen-Versammlung zu­rük sein. „Ich wollte", daß ich Deinen Bericht selbst hören, „Ich wollte daß ich dabei sein könnte" so rief ich schon oft, wenn ich mir dachte was jetzt wieder geschieht. Als ich mein Liederbuch aufschlug und las, was auf unsern schönen Spa­ziergängen gesungen wurde, ja da kriegte ich ordentlich das Heimweh, und das Wort meiner Landsleute, daß man, „also doch einmal genossen habe", war mir der erste u ein Weil­chen der einzige Trost. Stettner mit 2 Kindern hat mich auch besucht. Er war gerade an dem Sonntag hier, an dem die Frommen, oder doch einige ein Spottgedicht auf mich an die Kirche und die Gemeinde-Gebäude angeschlagen hatten so da beginnt „Dem Marile (meiner Mutter) und seinem Limmel ist und bleibt verschlossen der Himmel", mich dann als Dich­ter lächerlich macht und am Schluß der vielen Verse über die Gemeinde ein „Wehe" ausruft. Dieses schließlich leider während meiner Abwesenheit (ich war in Au) in Pfarrers heilige Hände gekommene Gedicht war am Alpsonntag das Tagesgespräch, während ich einigen Freunden von Cößen erzählte, daß vielleicht auch unsern wakern Stickerinnen ge­holfen werden könnte. Jetzt ist das Ländchen voll von Letzte­rem und es wäre für mich wirklich der höchste Gewinn und würde mir das Leben hier und alles unsäglich erleichtern, wenn es mir möglich wäre, etwas für die Mädchen zu thun, die jetzt um wenige Groschen täglich sich fast blind arbeiten müssen. Wenn hier etwas gethan werden könnte, so hätte ich sicher einen ruhigen Winter und Rüscher, der sich nur noch an die Weiber hält, wäre ein verlorener Mann. Jetzt hat die Hetzerei um so ärger begonnen, weil die Gemeinde­wahlen ausgeschrieben sind und die Frommen mich u die beiden Vorsteher stürzen wollen. Ich aber bin frisch und neukräftig von dem Quell gekommen zu dem Du mich führ­test, muthiges Ringen soll mein Dank sein Dir und allen die mir wohlwollen u mich auch ferner nicht verlassen.

Bis ich dir vom Ausfall der Wahlen berichte werde ich Rüschers Bild schicken können. Heut aber hab ich sonst noch etwas für jeden wichtiges das aber besonders für uns Beide in seiner Art erfreulich ist. Die Seelenfrage ist nun entschie­den. Pfarrer Rüscher sagte in einer Wirtshausgesellschaft: Schoppernau habe 500 Einwohner aber nur 300 Seelen denn das Andere seien lauter Freimaurer die keine Seele glaubten u wol auch keine hätten.

Ein ander Bild:

Der Uhrenmacher Felder will sich verehelichen. Das Sakra­ment der Ehe nun können nur die empfangen, welche vorher beichten. Felder aber will nicht beichten und ist nun ent­schlossen, zur protestantischen Kirche überzutretten, wenn er sich sonst nicht ungestört verbinden könne. Die Sache wird jedenfalls sehr interessant und muß hier viel Lärm machen. Ich gewinn jetzt auch unter den Geistlichen Freunde, welche Rüschern aufs Strengste Tadeln.

Die  Liebeszeichen  hab  ich verschickt u die  Redaktion der österreichischen Gartenlaube schreibt mir u a: „Herzlichsten Dank für Ihre Sendung die Novelle entspricht sehr und wird noch im Oktober oder November Auf­nahme finden."

Ich hab mir mehrere Freiexempare ausbedungen, von wel­chen selbstverständlich auch Du Eins erhalten wirst. Von den Heilsgeschäften hab ich noch nichts erhalten, auch keine Besprechung der Sonderlinge mehr gesehen. In den letzten 14 Tagen war ich in Hopfreben, das Heuen ist glück­lich vorbei u wir Wälder haben einen in jeder Weise geseg­neten Herbst nur daß die Stickerei schlecht geht und die Rin­derpest in der Nähe droht.

Um einem Bedürfniß abzuhelfen, soll nächstens in Vorarl­berg auch ein viertes (ultramontanes) Blatt erscheinen, ob­wol auch das Volksblatt sich noch nicht deckt. Es scheint, ob der Kampf immer heißer werde. Herzog in Rehmen bedau­erte sehr, daß wir ihn nicht besuchten. Die Rößlewirthin u meine Freunde lassen Dich herzlich grüßen. Ich hab nicht mehr Platz alle zu nennen, die ich grüßen lasse, es sind die lieben Deinigen, Hirzel, Meißner, Flügel u kurz alle die mir wol wollen u die ich nie vergesse. Leb recht wol u vergiß nicht Deinen

ewig dankbaren Freund Franz Michael Felder

Keine