AN RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
454
2. Januar 1868

Lieber Freund!

Dein leztes Schreiben haben wir - ich und das Wible - mit tiefer Rührung feuchten Auges gelesen. Deine liebe Mutter ist also erlöst. Wir hier sagen so für sterben, und wol man­cher hat den ersten Trost aus diesem Worte gewonnen. Als ich an jenem unvergeßlichen Morgen von euch schied mit schwerem Herzen, da hatte ich das Gefühl, daß ich Deine Mutter nicht mehr sehe, obwol ihr Zustand sich damahls eher zu bessern schien. Mir lag es so schwer auf dem Herzen, daß ich das Wort des Abschieds kaum aussprechen konnte. Auf der Eisenbahn, wo es anfangs in meinem Wagen so still war, wie ich es mir in der damaligen Stimmung nur wün­schen konnte, dachte ich an die von Dir mir gemachten Mit­theilungen aus deiner Vergangenheit, und immer stand mir neben Dir die große schöne Seele, die noch jetzt für die Abgebrannten in Johanngeorg[i]enstadt ein lebhaftes Mitleid forderte als für ihre eigenen Schmerzen. Ich bins zu wenig gewöhnt, dem Gefühl das Wort zu lassen - ach Freund ich durfte das so selten im Leben - daß Du nicht wissen kannst, wie mich Deine Mittheilungen ergriffen, in denen ich immer auch die Mutter als Heldin mit auftretten sah. Ja Du hast viel an ihr verloren, doch hat sie Dir den besten Segen den kräf­tigsten Trost hinterlassen, das was auch ich vom Grab eines Theuren mitnahm wenn es mir war, ob ich bis hart an die geheimnißvolle Pforte zu folgen vermöge, von der man selbst besser, geläuterter wieder ins Leben dieser Welt zu­rück kommt und das Geschiedene - ich möchte sagen als Schutzengel mit zurück bringt. Ich wünschte mich gleich zu Dir, um Dir sagen zu können wie ich das meine. Ich wünsche das überhaupt oft. Auf der Heimreise hab ich ein deutsches Liederbuch gekauft, und da ists gerade als ob das Heimweh drin stecke, so eigen weht es mich an, wenn ich da die Lieder wieder lese die ich auf unsern unvergeßlichen Abendspazier­gängen hörte.

Jetzt wird Greußing daraus lernen und wenn Du im Sommer wieder den Höusunnotag mitmachst, wirst Du auch hier hören:

Freiheit die ich meine und

In einem stillen Grunde

Diese beiden wundervollen Lieder die noch immer in meiner Seele nachklingen und mich ins Rosenthal versetzen. Ungemein peinlich ist es mir, daß ich noch nicht im Stande bin, die vermißte Nummer des „Ausland" zu schicken. Sie muß mir fortgekommen sein, als ich nicht hier war. Unser Förster nahm das genannte Journal nach Bezau u dort muß die Nummer noch liegen wenn auch der Förster nichts davon wissen will. Ich schreibe nun nach Lindau und werde mir das ganze Quartal kommen lassen. Ich bitte also um Gedult bis es da ist. Durch meine Schuld geht gewiß nichts verloren und bleibt nichts zurück. Die Sache hat mir schon recht trübe Stunden gemacht. Erfreulicher war mir aus deinem Schreiben zu erfahren, daß die Sonderlinge noch nicht ganz vergessen sind. Ich hab lang nichts mehr von dem Buche gehört u eigent­lich auch kaum mehr daran gedacht. Ich lebe ganz in reich und arm. Der Entwurf ist fertig und ich gehe wol ans Ab­schreiben, wenn ein Artikel, „aus Vorarlberg" für die öster­reichische Gartenlaube fertig sein wird. Die große Welt küm­mert sich so wenig um unsere kleinen Kämpfe, daß ich ihr einmal erzählen möchte.

Sie hört mich doch auch. Letzte Woche schickte mir ein Be­kannter den Minesotta Staatsanzeiger aus Amerika und in diesem Blatt ist von mir die Rede und von meiner Flucht. Auch ein recht freundliches Schreiben vom Herausgeber der Gartenlaube in Graz hab ich erhalten und eines vom Land­tags u Reichsrathsabgeordneten v Seiffertitz, der darin den Wunsch äußert, mit mir in eine nähere Verbindung zu tret­ten. Mich freut das innig denn unser Land hat dem Kämpfer gegen das Concordat viel zu danken. Dieses gewaltige Mauer­werk hat am 21 Dezember ein großes Loch bekommen. Wir erhielten die frohe Nachricht am 1 Jänner und ich kann dir nicht sagen, wie festlich mir zu Muthe war, gerade wie da, als ich die Nachricht erhielt, daß Hirzel die Sonderlinge druk­ken werde. Weißt du noch, wie wir u der Uhrenmacher beim Kronenwirth mit den beiden Vorstehern auf den Sturz dieses Mauerwerks anstießen? Du gefährlicher Protestant in unserer Prozession! Nun wir haben das Ereigniß auch gehörig ge­feiert. Nur Du hast uns gefehlt. Wir haben Dich aber hoch leben lassen und es war uns, ob wir Dich in unserer Mitte hätten, Kunz hat auch geschrieben und die nächsten Num­mern der Feldkircher Zeitung wird seinen Reisebericht brin­gen. Das Blatt hat jetzt viel zu kämpfen, seit man das Volk gegen das Abgeordnetenhaus von den Kanzeln aufhetzt, Adressen unterschreiben läßt und selbst die Unwahrheit nicht scheut, wo man glaubt, daß sie zum Ziele führen könnte. Mir ist die Sache endlich zu bunt geworden und ich gab einen kurzen Bericht in die Feldkircherin, der den Herren ein wenig auf die Finger zu klopfen versucht. Von dem an un­sere Gemeinden erlassenen Hirtenbriefe des Bischofs von Brixen wirst Du in der Neuen fr Presse gelesen haben. Das genannte Blatt wird darin dem Volke fast verbothen. Ich u der Uhrenmacher haben es dennoch wieder bestellt. Er lehnt jetzt Bücher von mir und liest seiner Frau jeden Abend daraus vor. Pfarrer Rüscher ist höflich, wenn er uns trifft, doch hat er und haben die Seinen noch nicht aufgehört, besonders mich und den Vorsteher der immer entschiedener zu mir hält, zu unterhöhlen. Die Leihbibliothek wird fleißig benützt, doch der Pfarrer scheint es durchzusetzen, daß der Hand­werkerverein nicht mehr Unternehmer sein will. In diesem Fall denke ich alles zu übernehmen, und ich gestehe daß ich dabei auf Unterstützung von Seite auswärtiger Gemeinden hoffe. Es ist wichtig, daß Rüscher hier nicht siegt. Drum werde ich dem Verein bezahlen, was er für die Bücher aus­legte und dann sehen, was zu machen ist. Als Feind jeder freisinnigen Zeile handelt Rüscher nicht klug, wenn er alles mir in die Hände treibt, aber so ein gemeiner Mensch rechnet eben ich würde lieber nachgeben, als den Schaden haben wollen.

Glücklich machte es mich, wenn das in Deinem Brief er­wähnte, für mich bestimmte Buch Dir ein Neujahrsgeschenk wäre, welches Dir eine Freude machte. Behalte es nur! Wenn es mir wieder einmal vergönnt sein sollte, nach Leipzig zu kommen, so will ich es in Deinem traulichen Studierzimmer mir ansehen. Wenn Hirzel mir wenigstens einige Exemplare der öster. Gartenlaube schickte, so würde mich das sehr freuen. Ich konnte den Anfang meiner Erzählung Nr 41-42 nur beim Uhrenmacher lesen, von Nr 43-44 sind mir Ex übersendet worden.

Was macht Dr Flügel? Wie gefällt ihm sein neues Quartier. O Grüße mir ihn, den Club und alle, die meiner noch nicht vergessen.

Mit Gruß u Handschlag Dein                                           treuer

dankbarer F M Felder

Keine