VON ANNA KATHARINA FELDER AUS SCHOPPERNAU AN FRANZ MICHAEL FELDER IN LEIPZIG

lfndenr: 
547
5. Juli 1868

Liebes Mindle!

Ich habe Deinen Brief nun wieder, u. zwar aus Bedürfniß, ich weiß nicht zum wievieltenmale gelesen, u. herausgefühlt, das Du den Staub schon zimlich abgeschüttelt von den Schuhen, weil der Boden wo Du stehst Dir heiliges Land ist. Du kannst Dirdenken daß ich sehr erfreut darüber bin, Dich wohlerhalten u. gesichert bei lieben guten Menschen, - in Deinem Elemente zu wissen. Ich begleitete Dich stets auf Deiner Reise, u. es ist mir Morgens das erste, u. Abends das letzte Denken, was Du wohl machen werdest? Heute bei der wunderbar schönen Präfacion fiel mir ein, daß Du gestern doch gewiß im Protestantischen Gottesdienste dem herr­lichen Gesänge u. der Göttlichen Musick gelauscht, u. bei den schönen Mondschein Nächten auf irgend einer Gondelfarth oder einem Spaziergang ins Rosenthal Dich diese Himmlischen, Musick u. Gesang, begleiteten. Genieße auch für mich! Es war mir anfangs in Minuten des alleinseins so öde, u. es freute mich wieder das enge Hüttchen vollgestopft mit Menschen, die Rührigkeit u. Thätigkeit forderten. Donnerstag abends kam Kaspar sehr begeistert u. lob­spendend wegen des Vereins u. seiner Vorstände nach Hopfreben, u. brachte mich ein wenig ins Feuer, mit der Anfangs unbegreif­lichen Neuigkeit, daß der Doctor Agent eines katholischen Vereins sei. Thatsache ist, daß der im Entstehen Begriffene Verein, von dem daß Volksblatt schon vor 14 Tagen als entstanden sagte, schon seine erste Versammlung am 29 hatte, wo Herr Pfarrer Birnbaumer in einer Stunde langen Rede auseinandersetzte, wie Nothwendig dem Volke Bildung sei. Also auf einmal wollen sie Bildung. Welche Veränderung! Aber nicht Schäbig? Darüber wird Dir Oberhausers Kaspar ausführlich schreiben, der sammt dem Uhrenmacher Auge u. Ohrenzeuge des Vorgefallenen war. Am 8 d ist die Schlußverhandlung der Stiefelhelden Angelegenheit, wo der Uhrenmacher selbst zu erscheinen gedenkt, wenn nicht das schreckliche Sauwet­ter ihn zurück hallt, daß gewiß auch dem Kaspar Malheur macht, mit seiner Familie Krumbach zu verlaßen, wohin er vordem Samstag abging.

Ein Grazer mit unaussprechlichem Namen hate Dich Gestern besuchen wollen, u. bedauert Dich nicht zu treffen. Von der Allokution des Papstes wirst Du auch zur Erbauung gelesen haben, u. auch unser Bischof hat ein Schreiben erlaßen über die Confessio­nellen Gesetze vom 25 Mai 1868. Es scheint das unsere Geistlichen Vorgesetzten keine stummen Hunde sind, u. ihr vermeintlich gutes Recht, u. somit die Gewalt aus den Händen lassen wollen. Essoll u. muß gehen mit der Errichtung von Cassinos damit sie ihr Volk, wie sie sagen, auch Politisch Gebildet haben bis zur Zeit der Neuwah­len. Neuigkeiten weis ich keine zu schreiben, u. will daher aufhören, weil es mich an die Finger friert so daß ich mich nach einer warmen Stube sehne, von wo aus es angenehmer ist in die grauen Wolken u. seit 2 Tagen [unaufhörlichen Regenströme hinauszuschauen. Geheuet ist noch nichts, u. wir können deßwe­gen mit Muße von Hopfreben ziehen. Ich habe in der Mühle gerechnet, wo man 24 M Mehl aufgeschrieben hatte. Ich sagte daß ich gewiß wüßte daß wir alles Bezalt haben, da ließ man es dahingestellt ob Du auch daßelbe im Kopfe habest. Schreibe mir welches. Es grüßt u. küßt Dich vilmal Dein

Wible Anna Katharina Felder

Auch glaube den rechten Band gewählt zu haben. Den Titel Trauerspiel haben zwar alle, u. sind schön geschrieben. Aber Du willst sicher den Urtext einer Antiquität.

Keine