VON FRANZ MICHAEL FELDER AUS LEIPZIG AN JOHANN JOSEF FELDER IN SCHOPPERNAU

lfndenr: 
548
6. Juli 1868

Beiliegende Briefe sind für Herrn Wible!

Lieber Freund!

Vor allem herzlichen Glückswunsch! Daß nämlich das Heu trok­ken und schon untergebracht wurde und auf den abgemähten Stumpen das Grumet so üpig aufschieße wie die katholischen Kassino in Vorarlberg. Du siehst, daß ich auch hier das Volksblatt lese - nur um in Leipzigs freier Luft mich nicht allzusehr zu verwöhnen und die düstere kalte, gesalzene Wirklichkeit ganz zu verduseln. Gesalzen heiße ich diese Kassinos, weil sie durch einen Badenser, Nahmens Häring entstanden sind. Dir schmecken wol Häringe? Ich aber kann Häringe selbst mit Kartoffeln nicht verdauen und danke Gott jeden Morgen vor dem Aufstehen, daß er mich in der Häringsreichen, Erdäpfellosen Zeit da heraus führte. ­Ich verlebe hier herrliche Tage. Schöne Tage kann ich sie nur darum nicht nennen weil der Himmel meistens trüb ist. Trotzdem gehe ich fleißiger aus als im letzten Jahr, so daß meine Stiefeln schon alle zu werden beginnen. Zum lieben Glück giebts in Leipzig mehrere Schuster. Überhaupt wohnen viele Leute hier und unter denen auch manche, die mir wohl wollen. Den beiden Abgesand­ten des Dornbirner Turnvereins war es erstaunlich, daß man sie so oft über mich fragte. Der eine der Beiden ist ultramontan und gab mir das Volksblatt, der Zweite ist liberal und gab mir eine Schilde­rung des Ersten. In diesem Geben scheinen sich mir unsere beiden Parteien zu spiegeln. Schließlich entzweiten sie sich zum Theil auch meinetwegen. Der Fromme ist gestern, der Liberale heut Vormittags nach der Heimath zurück.

Ich verkehre meistens mit Mitgliedern unseres Klubs. Zu schriftstel­lerischer Arbeit hoffe ich wieder zu kommen während mir die Stiefel geflickt werden.

Der Druck von Reich und Arm hat begonnen und ich freue mich an der Arbeit. Daß ich im neuen Theater war kannst Du Dir denken. Ich hoffe, bald einmal wieder dorthin wallfahrten zu können, nämlich wenn ein klassisches Stück gegeben wird. Am liebsten möchte ich schon Goethes Faust sehen. Jetzt hab ich mich etwas hinter Hildebrands Bibliothek, besonders hinter seine Sprichwör­tersammlungen gemacht. Das ist ein Schatz von Weisheit und kräftigem Humor, an dem auch Du Deine Freude haben würdest. Nebenbei sehe ich aus den Zeitungen, daß es bei uns noch immer happert. Du gehst wol zum Schützenfest, aber es wäre doch möglich daß wir uns in München träfen. Schreib mir einmal darüber. Weißt Du auch daß die Wälder als Ehrengabe einen SOpfündigen - Käs als Ehrengabe nach Wien schicken wollen. Ich war allerdings mit meinen Freunden dagegen. Eine gestickte Fahne mit den deutschen Farben hätte viel besser gepaßt. Heut erwartete ich einen Brief vom Wible. Es ist aber keiner gekommen. Nun Morgen doch, und dann bald auch einer von Dir. Ich muß hier so viel aus meiner Heimat erzählen, daß sie mir immer gegenwärtig bleibt. Dem Vorsteher u. K Oberhauser bringe meinen Gruß u. diesen Brief. Daß das, was ich mit dem Pfarrer von Au u Herzog gründen wollte, und das nun allem nach gegründete Kassino zwei grundverschiedene Dinge sind, werdet ihr einsehen. Ich hoffe und habe fast ein Recht zu erwarten daß Männer sich an der Sache nicht betheiligen, aber auch nicht durch Opposition die Gegner darauf aufmerksam macht. Wenn Ihr Euch klug und still haltet, wird kein Tüchtiger in die Falle gehen, durch Lärm treibt man wenn auch nicht den Kern so doch die Menge geradezu hinein.

Daß Du gleich zum Wible gehst und ihm diesen Brief zeigst, versteht sich wol von selbst. Daß in der Wahlsache strenge Untersuchung vom Oberlandesgericht angeordnet ist, braucht Ihr Niemandem zu sagen. Schreibe bald, ja gleich Deinem Freund

F M Felder

Keine