VON ERNST KEIL AUS LEIPZIG

lfndenr: 
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11. April 1867

Sehr geehrter Herr Felder!

Zuvörderst habe ich um Entschuldigung zu bitten, daß ich erst heute meiner Pflicht nachkomme. Dringende Redaktions­arbeiten u. leider auch mehrtägiges Unwohlsein machten die frühere Beantwortung Ihrer beiden liebenswürdigen Zuschrif­ten unmöglich, welche Verzögerung Sie wohl freundlichst entschuldigen.

Ich komme dagegen heute nicht mit leeren Händen. Das mir gütigst übersandte Manuscript war meiner Überzeugung nach doch nicht ganz für die Gartenlaube geeignet, da die darin gegebene Schilderung eine Kenntniß des Bregenzer Waldes voraussetzt, die ein sehr großer Theil meiner Leser schwerlich besitzt. Ich habe mir deßhalb erlaubt, den Beitrag der eben­falls in meinem Verlage erscheinenden Zeitschrift „Europa" zu überweisen u. finden Sie d. Abdruck in den anliegenden beiden Nummern. Freilich ist die in einer Auflage von nur 1000 Ex. erscheinende „Europa" nicht im Stande das hohe Honorar der Gartenlaube zu zahlen, indeß werden Sie bei diesem ersten, aus freien Stücken eingesandten Beitrag doch weniger den merkantilischen Maaßstab anlegen u. sich mit dem begnügen, was als höchstes Honorar d. Redaktion zu zahlen vermag.

Auf meine Veranlassung hat Herr Doktor Hildebrand sein erstes Begegnen mit Ihnen geschildert u. für d. Gartenlaube bearbeitet. Von d. morgenden Tage ab, wo die beifolgende Nummer ausgegeben wird, nennt man Ihren Namen auf der ganzen bewohnten Erde, da selbst nach Asien u. Afrika, wohin sonst wenige deutsche Literatur sich verirrt, Ex. der Garten­laube in ziemlicher Anzahl versendet werden. Von allen Sei­ten werden Ihnen von jetzt ab Glückwünsche u. Anerbieten zuströmen - möge Ihnen d. Himmel beistehen, daß dadurch Ihr schönes Talent nicht gestört u. eingeengt werde. Wenn Sie d. Gartenlaube ein wenig lieb haben u. behalten, was ich wohl hoffen darf, so erfreuen Sie mich recht bald mit einem neuen Beitrag, aber wenn ich bitten darf, von etwas kleinerem Umfang als d. erstgesandten. An Stoffen kann es Ihnen nicht fehlen. Ein Winter im Gebirge - ein Erlebniß auf d. Schneehöhen - Schilderung von Land u. Leuten, vielleicht auch die frische u. lebensvolle Beschreibung eines industriel­len Etablissements des Bregenzer Waldes, das poetische Cha­rakterbild eines Voralberger Bauern-Originals - das Alles sind Stoffe, die sich unter Ihrer Hand zu ansprechenden abgerun­deten Bildern formen werden. Erfreuen Sie micht recht bald mit einer Zusendung. Mit den besten Grüßen Ihr ergebener

Ernst Keil

Keine