VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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26. Mai 1863

Werthester Freund!

Sowohl Deinen Brief vom 8. Jänner als vom 17. Mai d. J. habe ich richtig erhalten. Eine Antwort auf den ersten, die ich sogleich nach dessen Empfang in Angriff nahm, habe ich durch Güte und Entschluß an Dich befördern wollen, sie ist aber nach Deinem letzten Schreiben nicht an End und Ort gelangt, und ich will daher dießmal direkt an Dich schreiben. Es war zwar nichts von Wichtigkeit in demselben enthalten, aber keine Antwort auf einen mit Geld beschwerten Brief muß Dir als eine bedeutende Grobheit erschienen sein. Ich hoffe Du wirst mich jetzt entschuldigen. Deinen zweiten Brief habe ich vorgestern erhalten, und sehr gestaunt, einen Brief mit Deiner Schrift und einer 3 Kreuzer Marke zu erhalten. Fast habe ich gehofft, Du seiest selbst in Wien, obwohl ich es doch nicht mit Grund erwarten konnte. Der Inhalt hat mich aufgeklärt; wenn ich den Kronenwirth zu treffen gewußt hätte und gestern nicht auf das Land zu gehen gehabt hätte, würde ich ihn aufgesucht haben, so hoffe ich ihn aber bald in Schoppernau zu treffen. Ich gedenke nämlich in sehr kurzer Zeit bei Dir zu sein, da ich, wenn nicht ein ganz unerwartetes Hinderniß eintritt, in den ersten Tagen des nächsten Monats von hier fort, u. über Innsbruck und Thann­berg nach Hause reisen werde. Ich freue mich schon sehr, Dich, meine Mutter und alle meine Bekannten und Verwand­ten wieder zu sehen, Deine Gattin kennen zu lernen, und auf manches andere. Ich kann jedoch nicht verschweigen, daß der Gedanke an meine eigenen Verhältniße in der Heimat mich fast wieder zurückschreckt und in der Ferne und Fremde zurückhält. Um's Viaticum kann ein absolvirter Jurist nun ein­mal doch nicht gehen, ebensowenig als ich Sehnsucht darnach verspüre, und Jemanden zur Last fallen thue ich ebenso un­gern. Deine wiederholten freundlichen Einladungen haben dem Kampfe zwischen Sehnsucht und Furcht den Ausschlag gegeben, und ich werde, wie schon erwähnt, bald bei Dir erscheinen.

Ich hoffe einige Zeit wieder glücklich in meiner Heimat zu verleben umgeben von meinen Freunden u. Bekannten, und in der gesunden Luft meine Gesundheit zu stärken zum ferne­ren Kampfe im Leben. Bald mehreres mündlich.

Dein Werkchen, um welches ich Dich im letzten Briefchen ersuchte, hoffe ich in der Heimat zu lesen. Tausend Dank für die freundschaftlichen Briefe die Du mir überschicktest, sowie für all Deine Gutthaten. Auch ersuche ich Dich allen denen, die sich so warm um mich annahmen, meinen herzlichsten Dank auszudrücken. Besonders viele Grüße an Deine Frau, Sieberies etc. und an meine Mutter, der ich durch Dich meine baldige Ankunft melden lasse.

Mit herzlichstem Gruße und Danke schließe ich mein Schrei­ben um bald persönlich mit Dir zu reden. Dein Dich aufrichtig liebender Freund

Jochum Fr.

Keine