VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN
Ließ den Brief still u. allein.
Lieber Freund!
Du wirst vielleicht böse sein, daß ich Dir solange nicht schreibe, aber die Ursache davon ist meine bisherige unbestimmte Lage. Zuerst will ich Dir nun einiges von meiner Reise erzählen. Am Tage meiner Abreise gieng ich bis nach Bludenz, dann nach Feldkirch, Hochenems, Dornbirn. Überall hielt ich mich etwas auf, weil ich Rekommendationen entheben und Freunde besuchen mußte. In 8 Tagen, am Sonntag, nachdem ich Dir die versprochenen Bücher aufgab, verließ ich Österreich, ich übernachtete in Lindau, fuhr am ändern Tage nach München, wo ich mich 5 Tage aufhielt, die Stadt samt dem was darin ist, hat mir recht gut gefallen, u. das Bier gut gemundet. Dann nahm ich den Weg über Rosenheim, Salzburg (ausgezeichnete Gegend) Lambach u. Linz. Hier wäre ich bald krank geworden, aber eine zweitägige Hungerkur stellte mich wieder her. Hierauf kam ich zu Wasser nach Nusdorf bei Wien. In der Vorstadt Leopoldstadt mußte ich ein Wirthshaus beziehen, das zufällig ziemlich billig war. Die ganze Reise kam mich ungefähr auf 30 fl R. W. Nun gieng ich am ändern Tage an solche Orte, wo ich rekommandirt worden war; man stellte mir allenthalben, wie ich mir schon gedacht hatte, den Unsinn vor, ohne Vermögen hier studieren zu wollen. Versprach mir jedoch überall bei der nächsten Gelegenheit mich als Instruktor zu empfehlen. Wenn ich einen Herrn, den Ministerial-Säkretär Merkel, gleich anfangs getroffen hätte, so hätte ich sicher daselbst eine Hofmeisterstelle bekommen, aber es kam mir ein anderer zuvor. Er gibt mir jedoch ein Monatgeld von 2 fl C. M. Bei einem ändern Herrn wurde ich längere Zeit auf Mittag eingeladen. Dr. Feßler, Professor der Theologie, von Bregenz; Custos Bergmann v. Hittisau, u. Willam v. Au versprachen mir sich um Instruktionen umzusehen. Jedoch bisher habe ich noch keine bekommen. Allerdings werden sie in Wien gut bezahlt, sind aber wegen der Masse, die sich darum bewerben, schwer zu bekommen. Natürlich schaute ich mich schnell um ein Quartier um. Ich bekam eins, das für Wien ziemlich billig ist, nämlich um 6 fl C. M. für einen Monat. Es ist ein nicht gar großes Zimmer sammt Bett, und ist nur etwa 10 Minuten von der Universität entfernt. Dahin muß ich täglich von 9-1 Uhr, außer Donnerstag und Sonntag. Daß hier alles ungemein theuer ist, weißt Du bereits. Das Seitel Bier (Schoppen) kostet 7 Neukreuzer; das Essen im Wirthshaus ist auch sehr kostspielig, jedoch in Privatkochhäusern kostet es auf Mittag nur so 22 Neukreuzer, u. man hat ordentlich zu Essen. Du wirst sagen, ja aber woher nimmst Du das Geld, wenn Du noch keine Instruktionen hast? Antwort: etwas ist mir von der Reise noch geblieben, u. etwas habe ich auch hier bekommen, wo ich rekommandirt war; allerdings mußte ich mich etwas einschränken, aber Hunger habe ich doch bis jetzt noch nicht gelitten. Nun aber ist die Baarschaft so gut wie aufgezehrt. Jedoch hoffe ich, es werden mich die Herren die ich kenne gerade nicht im Stiche lassen, und vielleicht bekomme ich bald eine Instruktion. Ich fordere Dich aber auf, daß Du von meiner etwas mißlichen Lage Niemanden etwas sagest, am wenigsten der Mutter. Sie würde sich grämen u. die Sache noch ärger auffassen, als sie wirklich ist, und es nützt doch nichts. Ich werde sicher nicht verhungern. Und andere Leute brauchen es auch nicht zu wissen. Sage nur es gehe mir so, daß ich recht zufrieden sei; das ist auch nicht geradezu unwahr, denn mein Schritt, den ich gethan, reut mich nicht im Geringsten.
Kommt Zeit, kommt Hülfe; u. wo die Noth am größten ist die Hülfe am nächsten.
Also sage ich Dir nochmals, lasse nie merken, daß es mir nicht besser gehen könnte. Beschreibung von Wien halte ich für überflüßig; ich sage Dir nur, daß es mir nicht übel gefällt, jedoch nicht so gut als München. Die Kälte ist so etliche Male bis unter 0 Grad gestiegen, meistens ist Nebel, oft Wind. Wenn sich etwas an meiner Lage von Bedeutung ändern wird, so werde ich es Dir schon zu wissen machen. Schreibe mir auch bald, wie es Dir geht, und was sonst vorgefallen ist. Wegen Spielen bin ich auch etwas im Unklaren. Nach der neuen Ordnung ist es etwas strenger; jedoch so viel ich hier erfahren habe, ist es hinreichend, wenn ich das Maturitäts-Zeugniß und die Bestätigung einreiche, daß ich hier auf der Universität studiere; wenn ich aber ein Zeugniß einer vorläufigen Prüffung ebenfalls einreichen müßte, so bitte ich Dich mich schnellstens davon in Kenntniß zu setzen. Ein Dr. juris Fetz v. Bezau hat zwar gesagt es sei nicht nothwendig, von ändern Leuten aber habe ich es gehört. Ein Dr. wird es aber wohl besser wissen. Gib mir auch beiliegende Briefe ab.
Wenn ich diesen Monat nicht mehr schreibe, so wünsche ich Dir jetzt schon eine gutes neues Jahr, Glück u. Zufriedenheit. Ich hoffe, Du werdest mit Deiner Lage zufrieden sein. Moosmann von Schnepfau hat den Tifus gehabt, der jetzt sehr herrscht, ist aber wieder fast ganz gesund u. unzweifelhaft außer Gefahr.
Ich schließe nun mein Schreiben für diesmal und verbleibe mit freundlichstem Gruße Dein aufrichtiger
Freund F. Jochum
Adresse: F. Jochum Jurist in Wien abzugeben auf der Universität