VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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29. Dezember 1859

Theurer Freund!

Vor Allem wünsche ich Dir ein gutes neues Jahr und recht viel Glück und Segen, so wie auch Deiner Mutter und Deinen Freunden. Du wirst meinen letzten Brief ungefähr um die­selbe Zeit erhalten haben, als ich Deinen letzten erhielt. Du erwähntest auch ein Schreiben von anfangs Mai; ein solches erhielt ich nicht, wohl aber das vom 5 Februar, worin auch Jakob Felder Vorst. einige Zeilen geschrieben hatte. Du wirst nicht wohl zufrieden mit mir sein, weil ich wieder so lange nichts von mir hören ließ, aber höre: Schon Mitte August bekam ich ein so heftiges Diarhee (Durchfall), daß ich 14 Tage im Spital zubringen mußte, dazu kam der Rothlauf, bald darauf bekam ich die Ruhr, ließ mich aber zu Hause kurieren, denn vor dem Spital habe ich das erste Mal Respeckt bekommen. Gegen Ende September bekam ich dann den Typhus. Schon durch die frühern Krankheiten abgemagert mußte ich mich von neuem auf das Krankenlager werfen um diese Gefahr zu bestehn. Ich war wirklich nichts mehr als ein lebendiges Gerippe.

Wer mich sah gab mein Leben auf. Jedoch mit Hilfe Gottes u. des fleißigen weisen Arztes kam ich glücklich davon. Lange Zeit konnte ich aber nichts thun, das Gehen mußte ich nach u. nach wieder lernen, und Studieren durfte ich auch nicht; meine Kräfte waren zu schwach. Erst am Anfang des neuen Jahres darf ich wieder in's Collegium. Jetzt fühle ich mich wieder ganz gesund u. die Kräfte wachsen auch bedeutend. Ich kann Dir also versichern, daß ich wieder zufrieden und glücklich lebe. Schreibe aber auch Du recht bald, wie es Dir geht, aber siegle die Briefe besser wo möglich mit Sieglack, denn beide Briefe waren geöffnet (der eine vollständig offen) als ich sie erhielt. Ich werde Dir ein anderes Mal mehr und genauer schreiben, denn die Arbeit drängt mich gegenwärtig. Vielleicht komme ich schon im Frühjahr oder anfangs Som­mer nach Hause aus verschiedenen Gründen; das nächste Jahr aber habe ich wieder im Sinne nach Wien zu gehen. Lebe unterdessen wohl. Dein inniger Freund

Franz Jochum.