VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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27. Mai 1860

Mein theuerster Freund!

Deinen Brief vom 13. d. M. habe ich richtig erhalten. Es freute mich sehr, daß Dein Geburtstag ein so froher war, wie Du mir versichertest. Ich wünsche sehnlichst, daß Dir eine ungetrübte Zukunft in Aussicht steht, und daß Dir das Licht des Tages, wie das des Geistes immer mehr aufgeht; das letzte bezweifle ich durchaus nicht, weil ich Dein unermüdetes Streben nach Wahrheit kenne, und das erstere hoffe ich auf Deine Ver­sicherung hin. Du schriebst mir aber früher nie von einem Dr. in Dornbirn u. von seinem Rathe, wie Du diesmal ange­deutet hast, wohl aber von einem Artzte im Vordem Bregen­zerwald, auf den Du Vertrauen hegtest; habe ich es falsch verstanden, oder hast Du Dich nicht genau ausgedrückt, oder -ist ein Brief verloren gegangen? -

Sei dem wie es wolle; das Beste ist, daß es Dir auch hierin besser geht. Künftighin aber bitte ich Dich immer anzuführen, wann Du den letzten Brief an mich abgegeben hast, damit ein solcher Zweifel nicht mehr vorkommt.

Was die 10 fl anbelangt, so bedanke ich mich einstweilen; ich hoffe daß die Zeit kommt, wo ich auch wieder erkenntlich sein kann.

Daß ich nicht böse bin wegen Deines längern Schweigens, kannst Du versichert sein. Ja ich war es niemals im geringsten, denn ich weiß es von mir aus, daß man oft mit bestem Willen nicht dazu kommt einen Brief zu schreiben, wenn man es sich auch vornimmt. Das magst Du auch schon verspürt haben an mir.

Mir geht es im Ganzen ziemlich gut. Jedoch meine Krankheit hat noch mehrere Folgen zurück gelassen. Ich weiß nämlich gegenwärtig vor Arbeit kaum, wo ich zuerst angreiffen soll. Beinahe ein halbes Jahr war ich unfähig, etwas zu studieren u. während der Zeit habe ich auch das Wenige wieder verges­sen, was ich im letzten Jahre gelernt habe. Am Herbst aber soll ich die erste Staatsprüffung machen und bis dahin soll ich noch viele Bände theils neu studieren, theils wiederholen, weil ich, wie gesagt, durch meinen Typhus das meiste wieder vergessen habe. Dabei ist noch erwähnenswerth, daß in der Regel so die Hälfte durchfällt. Die Professoren sind hie und da wirklich ganze Narren.

Der Hauptgrund mag wohl sein, weil man keinen Mangel an Juristen hat: Ich glaube zwar, daß ich nicht unter die Zahl derjenigen gehören werde, die man wirft, aber studieren muß ich jetzt über Kopf und Hals. Ich bitte davon nichts zu erwäh­nen, damit meine Mutter keine unnützen Sorgen hat. Neue Lektionen habe ich noch nicht, u. kann auch kaum solche annehmen, höchstens noch eine, weil ich gegenwärtig zu viel zu thun habe. In finanzieller Beziehung gieng es mir bisher immer so, daß ich gerade keine Noth, aber auch keinen Über­fluß hatte. Im kommenden Jahr hoffe ich aber mich für die gegenwärtigen Strapazen entschädigen zu können, wenn nicht Unglück einen Strich durch die Rechnung macht. Daß es mir also rein unmöglich ist in den Ferien hinaus zu kommen, wirst Du aus dem Gesagten leicht entnehmen können. Ich mache nämlich die Prüffung erst nach der Vakans. Dazu kommt auch, daß ich mich während der Ferien um etliche gute Lektionen umsehen will.

Aber wann ich einmal 3 Jahre in Wien verlebt habe, dann hoffe ich Dich wieder persönlich zu sehen und recht viel mit Dir zu plaudern. Ich möchte allerdings gerne die Zeit verkürzen u. heuer schon kommen, aber es geht nicht an, ohne Gefahr durchzufallen und im nächsten Jahr mich neuerdings durchzufretten.

Sieber's Tochter hat also geheuratet; hast Du vielleicht auch ähnliche Gedanken? Mache, daß Du ein ordentliches vernünf­tiges Weib bekommst, wenn Du heuraten willst, und schaue etwa nicht auf ein Paar Gulden, damit Du nicht eine ewige Hauslast Dir auf den Rücken ladest.

Du darfst Dich glücklich fühlen in Deinen Verhältnißen. Nicht Ansehen und Ämter machen glücklich, wie ein ruhiges zufrie­denes Leben ohne Noth. Das letzte ist vielmehr nach meiner Ansicht das Beste, das Vernünftigste, wie es alle Menschen haben würden, wenn die Leidenschaften nicht so entfeßelt würden. -

Ich fühle mich im Ganzen recht zufrieden. Ich sehe, daß ich einen der besten Wege eingeschlagen habe, die mir offen­standen. Etwas muß ich beginnen, und ich gedenke das Begonnene auch fortzusetzen. Es freut mich immer mehr, daß ich nicht in die Theologie gegangen bin, da ich manche neue Erfahrungen gemacht habe. O, wie verschrobene Ansichten haben die Leute bei uns im Durchschnitt.

Keine