VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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28. Dezember 1861

Theuerster Freund!

Vorerst rufe ich Dir Glück und Heil zu, Dir als Ehemann. Eine längere Gratulation dürfte als zu sehr verspätet wohl nicht mehr am Platze sein, u. scheint mir auch sonst überflüssig, da aus Deinem letzten Schreiben leicht zu entnehmen ist, daß Du auch sonst glücklich u. zufrieden bist ohne meinen Glück­wunsch. Daß dies nun so bleibe, das wünsche ich Dir vor Allem zum neuen Jahr. Möge Glück u. Segen Dich u. Deine andere Ehehälfte im nächsten u. in vielen folgenden Jahren stets begleiten u. alle Unannehmlichkeiten von Euch ferne halten. Das wünscht mit aufrichtigem Herzen Dein steter Freund.

Dein letzter Brief ist nach einer fast monatlangen Reise hier ganz angekommen. Es fehlte ihm nichts als das Siegel. Viel­leicht brauchte er so lange, weil er häufig visiren ließ. Es hat mich sehr gefreut nach so langer Unterbrechung wieder etwas von Dir zu hören, u. zwar umsomehr, weil ich daraus Deine gänzliche Zufriedenheit erfuhr. Ich hätte Dir auch gleich geantwortet, wenn ich nicht die Entwicklung meiner Verhält­niße hätte vorerst abwarten wollen, die sich so lange hinaus­gezogen haben. Wie ich Dir anfangs der Herbstferien geschrieben habe (ob Du diesen Brief erhalten hast oder nicht, kann ich aus Deinem Schreiben nicht genau entneh­men), änderte sich damals mehreres in meiner Lage. Durch Zufall kam ich um alle Lektionen bis auf eine (3 mal die Woche), ich bezog ein neues Quartier, in dem ich jetzt noch bin, u. mit dem ich bis auf diesen Augenblick stets höchst zufrieden war; ich hoffte in den Ferien von neuem meine Existenz zu gründen, an vielen Orten versprach man mir mich zu rekommandiren, trotz all dem habe ich bis auf diesen Moment noch nichts bekommen. So geht es häufig in großen Städten. Diese Zeit hindurch reichte natürlich mein Verdienst bei weitem nicht hin, meine Bedürfniße zu decken. Doch Dank dem Credit, den ich bei meinen Bekannten habe, ich habe wenigstens Schulden machen können, was manche nicht im Stande sind.

Mit dem neuen Jahre werden sich nun aber auch meine Ver­hältniße ändern, ich werde bei einem Grafen eine Lektion antreten, u. in einer Zeitungs-Redaction Beschäftigung finden. Dies glaube ich als sicher Dir melden zu können. Obwohl ich Dir den Verdienst noch nicht mit Sicherheit anzeigen kann, so darf ich Dir doch meines Erachtens mit Sicherheit mittheilen, daß ich dadurch in eine ziemlich gute Lage kommen u. mir wenigstens das Nöthige verdienen werde, allerdings sind mir dann die in letzter Zeit gemachten Schüldchen eine kleine Last, doch hoffe ich auch diese bis in den Frühling hinaus abzuzahlen.

Ich glaube auch mit Gewißheit darauf rechnen zu können, daß dies mir bis Anfangs Sommer bleiben wird, wenn nicht unvorhergesehene Unglücksfälle eintreten. Anfangs Sommer aber zieht der Graf aufs Land; dann wird auch eine Änderung eintreten müssen. Was dann geschehen wird, werde ich Dir schon wieder von neuem anzeigen.

Das ist nun die wahrheitsgetreue Schilderung meiner bisheri­gen u. wahrscheinlich zukünftigen Lage. Du siehst, daß ich nach so langen Studien immer noch mit manchem zu kämp­fen habe, während Du ein unbesorgtes Leben führen kannst. Geistige Unterhaltung fehlt Dir auch nicht, und dazu hast Du noch eine liebende Gattin, die Deine Stunden versüßt. Was fehlt Dir noch?

Ich habe persönlich eine Schwester des H. Moosbrugger auf Krumbach kennen gelernt; es war an dem Tage, als H. Knecht von Warth seine erste Messe laß; ob dies nun Deine Frau ist, oder eine Schwester von ihr, weiß ich ebenfalls nicht. Die­selbe hat mir wengistens sehr gut gefallen. Jedenfalls traue ich Dir einen so guten Geschmack zu, daß Du Dir ein Mädchen gewählt hast, die Dich glücklich machen wird. Ich freue mich sehr auf den Augenblick, in welchem ich Dich wiedersehn und auch Deine Frau kennen lernen werde; ob dies wenig­stens am nächsten Herbste geschieht weiß ich allerdings noch nicht ganz sicher, da es eben von den Verhältnissen abhängt, u. ich mich schon so oft selbst getäuscht habe; ich hoffe es wenigstens sehr. Unterdessen grüße mir Dein Weibchen aufs freundlichste u. richte ihr meinen Neujahrswunsch aus. Eben­dasselbe gilt auch von Deiner Mutter; dieser kannst Du sagen, daß ich immer noch dünn u. spitzig bin wie früher, u. daß die ganze Änderung meines Äußern hauptsächlich darin bestehe, daß ich einen Vollbart trage.

Ein anderes Mal mehr. Ich habe auf Neujahr noch mehrere Briefe zu schreiben. Antworte mir auch baldmöglichst, damit ich weiß, ob Du diesen Brief erhalten hast oder nicht, u. wie es Euch geht.

Das Armutszeugniß habe ich lange vor Deinem Briefe erhal­ten. Meinen Dank für Deine Bemühungen. Grüße mir auch freundlichst meine Mutter, u. gieb ihr beiliegendes Brief­chen.

So lebe denn wohl; mit vielen Grüßen versichere ich Dich, daß ich immer bin u. sein werde

Dein Dich ewig liebender Freund                        

Franz Jochum

Jurist.

Adresse dieselbe.

Ich bitte Dich abermals, wo möglich den Brief mit Sieglack zu siegeln, wenn Du mir schreibst, sonst kommt er immer offen an.

Keine