KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
51
24. Januar 1862

Lieber Schwager!

Laß Dich durch die Ortsbezeichnung dieses Briefes nicht täuschen, denn ich bin nicht in Innsbruck, sondern in Kitz­bühel, und ich habe nur als Gewohnheits-Sünder, wie wir Menschen halt eben sind, gleich mit einem großen Schreib­fehler begonnen. - Ich habe gestern einen alten Studienge­nossen und guten Freund dahier besucht, und da er nun in die Kanzlei gegangen und mich mir selbst überlassen hat, will ich Dir einige Zeilen zuschanzen. Das wichtigste neuere Er­eignis meines Lebens wird Dir mein Bruder Jok gesagt haben. Das weniger wichtige, das nämlich, daß ich den Tirolern in einigen Tagen Adieu sage und wieder zu meinen lieben Bregenzerwäldern zurückzukehren gedenke, das teile ich Dir nun mit. Es fängt mir nämlich das Leben unter diesem hart­kopfigen Volk an langweilig zu werden. Diese Leute finden jetzt ihr größtes Vergnügen darin, daß einer über den ändern schimpft und jeder dem Mitmenschen Katzmusik macht. Drum Adieu, du Land Tirol! Binnen acht Tagen hoffe ich auf Vorarlberger Boden zu stehen. - Dein letzter Brief hat mich sehr gefreut und ich habe ihn heute meinem Freunde Dr. Pinzger (Dein Weib kennt ihn) vorgelesen, und er gab uns Stoff zu allerlei Betrachtungen, die für Dich nichts weniger als unehrenvoll sind. Dein französisches Gedicht­paket hat wirklich reellen Wert und ist äußerst charakteristisch für die Strömung der Geister im französischen Arbeiterstande. Es bereitet sich daselbst ein großartiger Kampf gegen die Geldmächte vor und Dein Freund schwimmt jedenfalls mit über den Fluten erhobenem Kopf. Pflege den freundschaft­lichen Umgang mit ihm, so lange es angeht. Bezüglich des Jochum werden wir das Weitere besprechen. Mit Deinen Dorfgeschichten stehst Du auf gutem Boden, und verlier nur nie die Schätze, die unsere Bregenzerwälder Sprache in sich birgt, aus den Augen, manche Wörter dersel­ben entsprechen dem deutschen Geistesleben viel besser als die analogen Ausdrücke im Hochdeutschen. Wir Wälder spre­chen das Alemannische viel reiner als selbst die Auerbach­schen Schwarzwälder. Wir dürfen uns auf unser Volksleben jedenfalls was zu Gute tun. Mit der Orthographie darfst Du es nicht zu genau nehmen, dafür wird schon der Verleger Deiner Arbeiten nötigenfalls sorgen. Mit tausend Grüßen

K. Moosbrugger.