VON RUDOLF HILDEBRAND

lfndenr: 
578
23. August 1868

Lieber Freund,

Deine Heimkehr war also eine heitere, wenn Du im Wagen, den Leuten, sogar solo gesungen hast! hören hätt ich das schon mögen, sowol das Wie als das Was? Deine mit Dr. Engelmann gemachte Bekanntschaft interessiert mich, ich kenne ihn zwar nicht, aber er gilt hier für den Gelehrten unter den großen Verlegern; kannte er denn Deine Schriften? oder wollte er sie vornehmen? Den Gruß des Past. Hirzel an Sal. Hirzel hab ich ausgerichtet. Letzterer war erfreut über den Besuch, den er bei Dir gemacht hat - ich kenn ihn nicht. Aber in Deinem Thale dort wird Dir wol das Singen vergehn müssen. Ich bin wahrhaft neugierig, wie die Dinge weiter gehn werden. Das Casino in Au soll euch Freimaurer offen­bar in die Enge treiben oder abschneiden oder sichten, wer wird am Ende bei Dir bleiben? oder mußt Du nicht auch selbst eintreten? Auch bei uns hier ist endlich der öffentliche Kampf um die rechte Religion im Gange und verschärft sich, ich habe meine Herzensfreude drüber, daß endlich ein Ge­witterwind über die Straßen fegt und den Staub fortwirbelt. Könnt ich nur mitmachen, aber ich muß schweigen. Wirkliche Gewitter haben wir endlich dieser Tage gehabt, am Donnerstag war der erste längere Regen seit Deiner Ab­reise! Afrikanische Hitze haben wir ausgestanden. Am Mitt­woch ist beim Exercieren ein Soldat todt niedergefallen, plötzlich, vom Sonnenstich, und solcher Fälle hat es mehr gegeben. Euer Heuen muß doch endlich auch gut Wetter ge­habt haben? Sag mir doch was davon.

Von Reich u. Arm hab ich eben den 16. Bogen gelesen als Sonntagsmorgenkost, den Besuch der Zusei bei ihrer Schwe­ster, es hat mich wahrhaft erbaut. Da übrigens die Eintheilung in 2 Bände wegfällt, so wird statt des 1. Cap des 2. Teils wei­ter gezählt: Vierzehntes Capitel. Das ist Dir doch recht? Ein eigentlicher innerer Abschnitt war mir ohnehin dabei nicht so fühlbar wie bei den Sonderlingen. Etwas ist mir übrigens nicht klar bei jenem Gespräch, in den Worten der Zusei: Den ersten Burschen in der Gemeinde will ich, und lache wenn das dann seine sanfte Schwester zur Verzweiflung bringt. Die Schwester soll doch Dorothee sein? man stutzt aber über die Schwester, und dabei liegt auch der Gedanke an die An­gelika nicht fern. Ich kann allenfalls den Bogen so lange zu­rückhalten, bis eine Rückäußerung von Dir kommt. Grottendiek schrieb mir bald nach Deinem Fortgang, er hat wie er angibt auch an Dich selbst geschrieben, über die Ho­norarfrage aber aus Zartgefühl geschwiegen; mir sagt er dar­über, daß der Verleger die Gerechtigkeit Deines Anspruchs wol empfände, aber eine Zusage nicht geben könnte, weil der Erfolg des Unternehmens zu wenig sicher wäre und min­destens erst abgewartet werden müßte; doch bei gutem Er­folg würde er sicher auch Dich zufrieden zu stellen bemüht sein.

Was machen Deine Novellenentwürfe? Denkst Du noch dar­an? oder denkst Du schon wieder an Größeres? Ich wünschte doch, Du wähltest einmal einen Stoff mit mehr Pfeffer und Salz, mit grelleren Gegensätzen, mit mehr Schuld und Noth und Angst, Dein Talent würde daran sich selbst noch größer finden. Und auch Land und Stadt mehr in Berührung zu brin­gen könntest Du wol nun einmal unternehmen. Der Unfall, der Deinen Jakob betraf, ist hoffentlich ohne üble Folgen vorübergegangen? Wie hatte er denn nur vom Stege fallen können? er hatte doch ein Geländer, wenn ich mich recht erinnere? Sag mir doch ja Genaueres davon. Und wer hat ihn denn aus der Aach geholt? Bei uns geht alles gut. Ich schwanke, ob ich zum Herbst nach Würzburg gehe zur Philologenversammlung, werde aber wol zu Hause bleiben, es müßte denn bis dahin etwas von dem Gehofften von Dresden aus geschehen sein. Ihr seid wol nun im Vorsaß? Grüß mir die Deinigen und laß bald etwas von Dir hören

Deinen R. Hildebrand.

Weißt Du übrigens, daß Du trotz Deines sorgfältigen Packens doch von Deinem Reisegepäck etwas zurückgelassen hast? Ich will doch einmal sehen, ob Dus weißt und Dirs heute noch nicht verrathen.

Keine