AN ANNA KATHARINA MOOSBRUGGER [IN AU]

lfndenr: 
24
7. April 1860

Innigstgeliebte!

Es ist mir vielleicht morgen gegönnt, Dich zu sehen, aber gewiß findet sich keine Gelegenheit, mit Dir, dem Drange meines Herzens folgend, zu reden. Ich muß Dir daher diese Zeilen schreiben, um die Gelegenheit so gut als möglich zu benützen. Ich lebe einsam, ganz einsam, die Zeit, seitdem ich bei Dir war, ist für mich nur ein einziger Gedanke an Dich, das heißt, ich hörte keinen Augenblick auf, der Deine zu sein, und werde nie aufhören, solange dies Herz schlägt. Gern hätte ich mit Dir noch einen Abend verlebt, ehe Du auf so lange fortgehst, wo ich nicht mehr zu Dir darf, nicht, weil mir der Weg zu weit wäre, sondern - der Jakob ist, so viel ich weiß, gut gestimmt, wenigstens war er es am 26.März, wo ich zu Dir wollte. Der Schneider lud mich ein, einmal in den Adler zu kommen. Ich käme, wenn ich hoffen dürfte, Dich nur eine halbe Stunde allein zu sehen; ich komme am Sonn­tag, den 22.ApriI, oder - nein. Weißt du eine andere Gelegen­heit, uns eine einsame Stunde zu verschaffen, so melde es mir, denn ich komme auch am nächsten Sonntag nach Au. Ich habe hier vier Sonette beigelegt, die ich im März schrieb. Nimm sie als Beweis, daß ich an Dich, stets nur an Dich denke. O könnte ich Dir Lieder machen, wie Petrarca seiner Laura. Wie lebst Du? Bist Du froh? Diese und tausend andere Fragen möchte ich an Dich richten. Denn ein Vierteljahr ist lang und vom 7. März bis nach Hopfreben ist es so lang. O wie viel mußt Du dulden und tun für die Deinen, und wie wenig erkennen sie es. Daß ich für Dich etwas tun könnte, gelitten hab' ich viel um Deinetwillen, aber noch so wenig getan. Ich lebe, wie gesagt, ganz einsam, nur Du bist meine Gesellschaf­terin, der ich alles mitteile, was ich fühle und erlebe. Oh, ich habe niemand mehr als Dich, und Du bist mir mehr, als die ganze Welt und alle meine Freunde. Ach! Gedenkst wohl auch Du dessen, der nur durch Dich sich glücklich fühlt? Könnte doch auch Dir, wie mir die Erinnerung an so manche schöne Stunde, die wir zusammen verlebten, Deine Einsam­keit froh machen.

Es ist mir leider noch nicht gegönnt, Dir zu helfen, wie sehr es auch mein liebendes Herz wünscht, nur raten kann ich Dir. Hast Du mir etwas mitzuteilen, so schreibe es, ich komme am nächsten Sonntag wieder und dann kannst Du mir das Ge­schriebene schon geben, glaube aber ja nicht, Du wissest nichts Wichtiges. Ach, dem liebenden Herzen ist von Dir alles wichtig. Ich bitte Dich, die Vergangenheit ruhen zu lassen. Was geschehen ist, ist geschehen. Der Gedanke: Du bist Meine, tröstet mich, und auch ich bin und bleibe Dein, einzig Dein. O könnte dieses Wort auch Dein Herz erfreuen! Ich sehe in unserm ganzen Schicksal die Wege der waltenden Vorsehung. Hoffe auch Du auf Gott. Er ist es, der die Gefühle unserer Herzen kennt. Er schuf uns zur Liebe. Ich fürchte, daß Du jetzt, wie ich, lange Tage habest. Suche in den Büchern Dein Herz zu erheitern.

Liebe Anna Katharina! Die Bücher und Du sind jetzt auch mir meine einzige Unterhaltung. O ich hätte Dir so viel Dinge zu sagen und habe so wenig Gelegenheit, es macht mich oft traurig, daß ich so wenig die schönen Jahre benützen kann, und dann suche ich wieder Trost im Gedenken an Deine Liebe. Jetzt muß ich schließen. Verbrenne dieses Blatt oder bewahre es gut auf. Ich kann Dir nicht alles schreiben, was ich wollte, ich muß es Dir selbst sagen. Leb wohl! Und liebe auch ferner

Deinen Franz Michael Felder

Keine