VON ANNA KATHARINA MOOSBRUGGER AUS AU

lfndenr: 
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5. Februar 1860

Innigstgeliebter!

Meinem unwiederstehlichen Drange folgend, setze ich mich heute, mit rascheren schlagen des Herzens, als gewöhnlich, zum Schreiben, weil ich mich entschloß, es an Dich zu richten [morgen]. Obgleich erst 4 Tage seit unserem letzten Beisam­mensein verstrichen, so ging doch während, so manches in meiner Seele vor. Du wirst auch nicht fragen warum, wenn ich Dir sage, daß ich Dein Tagebuch gelesen habe. Ach Gott! Dieses Buch! so voll Leiden, Liebe und Schmerz, so voll, und in so hohem Grade, daß ichs grenzenlos nennen darf. O guter, leidender, liebender, großmüthiger, opfernder Petrarka u. ich leichtsinnige, schwache, harte Laura. Dieses Buch, es machte mich unruhig, u. zwar aus Furcht, Du könntest vielleicht auch noch nicht ganz beruhiget sein. Ist dies wirklich der Fall, so komme wieder zu mir, hoffentlich bin ich nächster Tage noch zu Hause, u. dann will ich Dir vieles, vieles, ja alles sagen. Der Dinstag glaube ich, wäre der geeignetste Abend, weil am Montag in der Sonne Hochzeit ist, u. dann alles, auch der Schwarze, früh Ruhe suchen wird. Steht Dir aber ein Hinder­niß im Wege, oder fällt der Gang Dir im Geringsten beschwer­lich, so lasse meinen Wunsch unbefriedigt, denn ich ließ Dich auch mit Deinem Schmerze allein. Kommst Du nicht, so seien Dir diese Zeilen ein Beweis meines festen Entschlußes, ewig Dein zu bleiben. Ich bitte, sei ruhig, ich kann Dich nicht mehr solch quälenden Zweifeln überlassen. Eine Ursache meines Schreibens ist auch die: damit meine Mutter und Geschwi­ster, indem ich ihnen den Brief zeige, nicht mehr glauben, daß unser Verhältniß schwächer, sondern das Gegentheil, noch inniger sei. Es ist nun Zeit in die Kirche, ich werde Dir dann alles bald mündlich, u. wenn nicht, doch in den Fasten sagen, u. bis dahin unaufhörlich im Geiste, lebe wohl                                                 

Deine Nanni

Keine