FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
571
3. August 1868

Lieber Freund!

Ich bin glücklich wieder da, froher, unternehmungslustiger als je. Leipzig mit denen, die es [in] meinen Gedanken einschließt, machte diesmal einen etwas ändern Eindruck als das erste Mal, wo sich der Bewunderer nur leidend, nur empfangend verhielt. Ich empfinde Stadt und Land, hier und dort nicht mehr als ganze Gegensätze, sondern beginne da wie dort das allgemein Menschliche zu suchen, das Gesetz, nach dem wir leben und uns entwickeln. Ich freue mich wieder, hier zu sein, und bin froh, daß ich dort war. Die Reise ging etwas langsam, weil ich da und dort mich aufhielt. Zur Verhandlung in Bregenz aber kam ich früh genug und freute mich, Freunde und Gegner schon am Damm zu treffen. Die letztern sollten einen schlimmen Tag haben, denn schon vor der Verurteilung, die ich mir gelind erbat, mußten sie sich den Text lesen lassen, wie sie es wohl noch niemals erlebten. Sie wurden zu einer - dreitägigen Arreststrafe und den Kosten und 10 Fl. in unsere Armenkasse verurteilt. Abends 6 Uhr waren wir fertig, und ich fuhr nach Dornbirn, wo Dr. Waibel sogleich einen ganzen Kreis unbekannter Freunde um mich herum versammelte. Wir ließen manchen Zapfen springen bis früh 2 Uhr. Dann übernachtete ich beim Waibel, der am ändern Tage mich mit seinen Freunden die halbe Lose hinauf begleitete. In Schwarzenberg traf ich einen Professor aus Schulpforta, der, weil er mich aufsuchte, nun mit in meine Heimat ging. Am ändern Tage besuchte mich ein Vetter des Verlegers Dr. Heinrich Hirzel samt Frau und Schwägerin. Gestern gingen wir zusammen nach Schröcken und wieder zurück, wobei Bedeutendes verhandelt wurde. Er sagte über­all, er komme nur, mich zu besuchen, und mir scheint es auch so. Ich komme also erst heut zum Schreiben an Dich und bin noch nicht recht aufgelegt, denn ich möchte lieber reden, als mit der Feder Dürftiges nur mühevoll wiedergeben. Zu erzählen hätt ich viel. ,Reich und Arm' ist erst zum dritten Teile fertig. Von meinem Übersetzer in Alkmar hab ich ein Schreiben erhalten, welches mich recht freut. Ich werde es Dir zum Lesen und Mitteilen an meine dortigen Freunde senden, denn es ist mit Verständnis meines Werkes ge­schrieben und besonders mit einer Wärme, die beim Hollän­der doppelt erfreulich ist. Die Übersetzung dürfte nächstens noch vor ,Reich und Arm' erscheinen. Ich wollte, daß dieser Umstand, oder gar des Übersetzers Brief etwas bekannter würde.

In der Gartenlaube dürfte bald ein Artikel von mir erscheinen, denn es ist mir gelungen, das gute Einvernehmen mit Keil wieder herzustellen. Überhaupt hab ich von meiner Reise manchen Gewinn. Fürs Schützenfest wollten sich die Leipziger nicht begeistern. Man freut sich dort an unserem Wirr­warr [?]. Letzten Sonntag mußten hier herum die Leute unterschreiben, „daß sie noch beim rechten Glauben blei­ben". Das Schriftstück ist nicht datiert und ward von der Kanzel verlesen. Auch fürs Kasino wird in Schoppernau von der Kanzel gearbeitet. Es gibt hier Leute, die Dich oder mich für die neue Landtagswahl vorschlagen. Ich bin leider noch zu kurze Zeit hier, um Dir Genaueres und Genaues mitteilen zu können. Sobald Feurstein von Wien zurück ist, will ich ihn besuchen. Ich möchte gern einen tüchtigen Vertreter vor­schlagen, aber es fällt mir selbst außer Dir keiner ein. Gestern war in Au die Wahl eines neuen Wahlmanns für den verstor­benen Vorsteher. Den Leuten hier ist die Sache so unwichtig, daß ich noch nicht erfahren konnte, wie es ablief. Das Dökterle soll sehr tätig sein, ohne sich auch nur den Beifall des Klerus zu verdienen. Man sieht das unsolide Wesen zu sehr und denkt an den getauften Juden, der nun eben der getaufte Jude ist.

Die Heuernte ist endlich vorbei und die Leute wandern in die Berge, so daß es dem Kasino an Teilnahme zu fehlen scheint. Ob das im Winter anders wird, weiß ich nicht. Diese Woche noch soll Stockmayer ins Hopfrebner Bädle kommen. Das wird Rüscher nicht besonders gerne sehen. ­Ich aber freue mich, ihn zu treffen.

Der Uhrenmacher hat von Dr. Jussel noch nichts erhalten, was mir nicht gefallen will. Felder hätte selbst zum Advokaten, nicht bloß schreiben sollen. Meine Prozesse, wenn  man's so nennen will, sind nun zu Ende, und ich kann trotz Müller mit den Erfolgen ziemlich zufrieden sein. Weißt Du noch nicht, wohin es Dich wirft und wohin andere Bekannte? Schreibe mir recht bald. Es grüßt Dich, Dein Wible und alle herzlich Dein Freund

Franz M. Felder

Keine