FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
387
10. Juli 1867

Lieber Freund!

Endlich  gestern  das erste Zeugenverhör: Altvorsteher, das Weib des jetzigen Vorstehers und Kaspar Oberhauser waren vorgeladen. Mein Bericht kommt heute von der Vorsteherin, sie meldete mir:

„Uns  allen   dreien   ist  es  vorgekommen,   ob   das   Gericht(Müller) dem Pfarrer helfe bis auf den letzten. Als ich zum Bezirksvorsteher kam, sagte ich: Ich sei das Weib des Vor­stehers Albrecht und komme in einer unliebsamen Angelegen­heit als Zeuge.

,Hätten Sie das Maul gehalten', fuhr mich der Bezirksvorsteher an; doch ich ließ mich nicht zu sehr erschrecken, sondern sagte: ,Zuerst hätt's aber doch der Pfarrer halten sollen.' Nun begann das Verhör. Ich erzählte alles, was der Pfarrer am 24. April diesbezüglich vor mir und dem Lehrer sagte. Die zwei Hauptpunkte waren, daß Pfarrer Rüscher sagte: Von seinem Anwesen könnte Felder nicht in seiner Weise leben, drum glaube er, Felder müsse von protestantischen u.d.gl. Agenten besoldet werden. Es gebe genug solche in Leipzig, und so wie Felder hätten's noch alle Irrlehrer angefangen, drum müsse er sich dagegen wehren. Auch sei Felder schuld, daß der Uhrenmacher seinem Vater nur noch zwei Messen lesen lasse, denn Felder wolle eben die heilige Messe herab­setzen. Müller wollte in dem allem keine Beleidigung finden. Es wurde nun eine Weile von Rüscher, dem Vetter des Pfarrers, geschrieben, was ich sagte. Dann sagte Müller: Die Sache müsse im stillen und bald abgemacht werden. Felder mache Lärm in den Zeitungen und reiße seinen Pfarrer herum, daß es wahrlich eine Schande sei. Zum Beweis wurden mehrere Blätter genannt."

Beeidigt wurde die Vorsteherin nicht, obwohl sie sich darauf gefaßt gemacht hatte. Zum Altvorsteher, der es aussprach, ich würde nicht nachgeben, sagte Müller, die Sache müsse durch­aus in Bezau abgemacht werden. Das ist kurz mein Bericht. Es steht schlecht mit meiner Angelegenheit, so lange sie auf unserem Amte liegen bleibt wie das Gesuch um die Post. Im September oder Oktober versprach Müller, die Sache einzugeben, und jetzt kommt unser Dökterle von Innsbruck und sagt, es habe zuverlässig erfahren, daß man dort wohl von Ansuchen wegen Alberschwende u. a. Orte, aber nichts von Au und Schoppernau wisse.

Ich kenne die wunderlichen vielfach verschlungenen Rechts­wege nicht und habe hier wieder nur ein Gefühl; dieses aber empört sich gegen solches Verfahren. Das Gericht (Müller) will jetzt nur noch mich und den Pfarrer vorladen, und dann sollen wir uns versöhnen, d. h. wohl, das Amt wird mich zum Nachgeben zwingen wollen. Ich erwarte daher mit umgehender Post Deinen Rat und werde, früher vorgeladen als Dein Brief kommt, nicht nachgeben, wenn nicht das Amt und der Pfarrer eine von mir verfaßte Erklärung unter­schreiben und in allen Gemeinden des Bregenzerwaldes veröffentlichen.

Erfreulicher wird dies sein, zu hören, daß endlich die erste eingehende Besprechung meiner Sonderlinge in der Europa erschien. Ich sah sie noch nicht; Hildebrand aber schreibt darüber: Es sind allerdings ein paar große Dummheiten drin, das Ganze aber wird Sie heben und erfreuen, denn es enthält so viel Anerkennung, als ein Bauer einem alten Literaten gegenüber für jetzt erwarten darf. Über meine Zwei Geburts­tage schreibt er: Mit der Wirkung, die es macht, können wir zufrieden und froh sein. Hildebrand kommt am 16. Juli nach Schoppernau und bleibt bei mir, bis wir am 5. August über Oberstdorf, Augsburg, Nürnberg nach Leipzig reisen, wo ich wenigstens drei Wochen bleiben werde. Hildebrand will auch Feldkirch besuchen und bei dieser Gelegenheit auch Dich in Bludenz kennen lernen. Wann wir kommen, weiß ich natür­lich noch nicht.

Der Artikel „Felder lebt" im Volksblatt wird hier dem Pfarrer zugeschrieben, ich aber halte den Dr. Greber für den Ver­fasser. Ich stehe mit ihm nicht gut. Er nimmt es uns übel, daß wir das Ländchen und mithin auch sein Bad in Übeln Ruf bringen. O Krämerfreisinn, der sonst so gern für Öffent­lichkeit einsteht.

Mayern in Wien schreibe nun diesmal Du. Ich tat's gern selbst, aber er sollte mit den Tatsachen auch Dein Urteil und allenfalls Deine Pläne erfahren, denn gemeinsames Vorgehen scheint mir trotz aller Hindernisse so geboten, daß auch ich mich des Giftes, das in der letzten Zeit sich sammelte, nicht ohne Dein Gutachten entledigen werde. Doch hierüber bald mündlich. Von Dir erwarte ich einen Brief so schnell als möglich und noch vor einer neuen Vorladung aufs Amt, wo man anständigen Leuten vorwirft, daß sie nicht das Maul hielten. Feurstein ist mit den Sonderlingen sehr zufrieden, auch Kaspar Oberhauser scheint sie so ziemlich zu verstehen; sonst hab ich hier noch wenig auch nur ein bißchen Ver­nünftiges über das Buch gehört. Ich bin zum Teil für jetzt fast froh, daß es der Menge zu teuer ist. Der Uhrenmacher ist von Baden wieder gerne nach Schoppernau zurück. Er wird mir sehr interessant und ist halt doch ein guter Kerl, seit er wieder gesund und neukräftig dasteht.

Schlosser Friedrich Riedlin von Memmingen hat mir auch wieder geschrieben. Seine Schrift scheint die soziale Frage sehr gründlich zu behandeln. So gründlich, daß eine Buch­ausgabe von keinem Verleger übernommen wurde. Ich riet ihm daher, sich an die Redaktion des Sozialdemokraten zu wenden.

Am Dienstag war Alpfahrt, wir Aufelder aber müssen wenig­stens noch bis Samstag im Vorsäß bleiben. Endlich haben wir doch wieder gutes Wetter, aber kalt. Die Heuernte ist kaum mehr als mittelmäßig. Uhrenmacher sagt mir, daß das Vieh in der Schweiz wahrhaftig unerhörte Preise gelte, 300—400­450 Franken. Ich bin sehr gespannt auf ein Schreiben von Dir und erwarte baldige Antwort auf meine letzten drei Briefe, die Dir beweisen dürften, daß ich schon schreibe, wenn etwas zu schreiben ist, sonst aber mir das Dasein im Bregenzerwald so angenehm als möglich mache. Lebewohl!

Mit Brudergruß und Handschlag Dein Freund

Franz M. Felder

Keine