KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
384
9. Juli 1867

Lieber Freund!

Bis Dein Brieflein von Bezau vom 3. d. Ms. ankam, hatte ich schon eine scharfe Mosaik für die Feldkircher Zeitung fertig und wäre eigens zum Kunz, um wegen der Veröffent­lichung zu verhandeln. Nach Erhalt jenes Briefleins legte ich den Aufsatz wieder in die Schublade und schrieb gleich an Mayer, ihm mein Verhalten und meine Ansicht, daß man Deinen Wunsch, alles Aufreizende zu vermeiden, respektieren soll, mitteilend. Damit er über das Stadium Deiner Ange­legenheit vollkommen instruiert werde, hielt ich es fürs Beste, Deine Briefe vom 30. 6., 2. 7. und 3. 7. ihm gegen baldigen Rückschluß und unter Empfehlung bescheidener Gebrauchs­nahme mitzuteilen. Ich halte ihn für einen alles Vertrauens würdigen Mann. Über die merkwürdigen Mitteilungen im Briefe vom 4. d. Ms. bin ich nun froh, so rückhaltlos gegen Mayer gewesen zu sein und es ist sehr gut, daß Du ihm auch gleich die Schnepfauer Affäre bekannt gabst. Auch den Grenzboten-Artikel sandte ich dem Mayer. Vor allem wichtig für die richtige Beurteilung unserer Lage ist nun, daß mir der Statthalter von Tirol und Vorarlberg unter 3. d. Ms. schriftlich folgendes bekannt gab: „Wenn die Verbreitung der in den Broschüren /: Ruf und Klarstellung :/ ausgesprochenen Grundsätze schon an und für sich als bedenklich angesehen werden muß, so ist es umso mehr für einen öffentlichen Beamten im höchsten Grade unpassend, als Verfechter derselben vor das Publikum zu treten." Wir wissen hieraus zunächst, was sehr wichtig ist, wie die offizielle Auffassung unserer Grundsätze beschaffen ist. Daß ich jetzt erst diese Verständigung bekomme, hängt sicher mit Er­wägungen politischer Art zusammen. Es werden nun auch für uns Erwägungen geboten und mit Rücksicht auf das zunächst Klare muß ich Deine Meinung billigen, daß kein Wässerlein getrübt werden soll, bis die Untersuchung abge­führt ist. Auch das ist sehr gut, daß Du die Schnepfauer Affäre alsogleich angezeigt hast.

Für einen sehr wertvollen, jedenfalls auszunützenden Um­stand sehe ich nun das Vorgehen der Vorarlberger in Wien wegen der öffentlichen Sammlung für Dich an. Ich bin ent­schieden dafür, daß Du die Sammlung unter der Voraus­setzung, daß Keßler, Bergmann, Pfeiffer, Seyffertitz, Frosch­auer und andere bekannte Männer den Ruf unterfertigen und daß dieser Ruf nichts Entehrendes für Dich enthält, gestattest. Ich glaube nicht, daß aus Mangel an Beiträgen eine Blamage herausschaut, und wenn auch, so fiele sie nicht auf Dich, sondern aufs Volk. Jedenfalls gibt der Erfolg einen wichtigen Gradmesser für Gesinnungen und Stimmungen, die für Dein weiteres Benehmen von Bedeutung sein werden. Aber eines: Wenn dieser Ruf erschienen und die Sammlung veranstaltet wird, sollst Du nicht im Bregenzerwald sein. Das wird ein zu starker Hieb für Deine Gegner sein, als daß es geraten ist, die Wirkungen in Schoppernau oder im Wald abzuwarten. Überhaupt wirst Du aus dem Wald fort müssen. Die gestrige Allgemeine Zeitung bringt aus der Kölner Zeitung /: Kunz :/ wieder scharfe Rekriminationen, und es nimmt überhaupt der Kampf Dimensionen an, die Deine Gegenwart auf ande­rem Platz notwendig macht, wo nicht mehr ein Gutteil Deiner Spannkraft durch betörte Leute absorbiert wird. Ich teilte dem Dr. Bickel das Programm der Wiener Vorarlberger wegen der Sammlung mit, worüber er sich sehr zufrieden äußerte. Er ist mit mir der Meinung, daß die Römlinge und Dunkel­männer in Österreich, Italien etc. binnen kurzem Schlag auf Schlag erhalten werden und daß es sich wohl nur mehr um eine Spanne Zeit von zwei bis drei Jahren handeln könne, bis auch wir ein ordentliches Maß von Freiheiten und Rechten erhalten, daß es sich dann auch hier ordentlich leben und wirken lasse. Du brauchst daher nicht an eine Auswanderung zu denken und es ist für Dich ruhmvoller, wenn Du im Vater­land - wenn auch nicht im engsten - ausharrst und bessere Zeiten herbeiführen hilfst. In Feldkirch kursiert bereits das Gerede, Du habest das Batschunser Schlößle gekauft. Luger [?] wird Anlaß gegeben haben, obwohl ich ihm abge­schrieben habe. Wenn Du einen klaren, entschiedenen Plan hast und Du wegen Deiner Familie den Anschluß an unsere Assoziation wünschen solltest, so wäre es gut, daß ich recht­zeitig davon weiß, denn da ich nach obiger Statthalter-Eröff­nung eine Art Damoklesschwert über mir hängen weiß, muß ich entschieden auf den Fall denken, daß ich aus der Reihe der österreichischen Beamten austrete und doch noch lebe /:Kauf einer Heimat:/. Damit Du mehr im klaren über unsere Assoziation seiest, lege ich gegen Rückschluß den Brief von Jakob do. 7. 1. 1867 bei samt seiner Rechnung für mich, die Dich auch die Art seiner Buchführung kennen macht. ­Die Sammlung halte ich jetzt auch aus politischen Gründen für geboten und nützlich. Die Bedenklichkeiten der Regierung uns gegenüber können und sollen nicht so bleiben, wie sie jetzt sind und es soll auch in diesem Punkt klar und hell werden. Also Sammlung um jeden Preis. Freiligraths Ruhm ist durch die jetzigen Sammlungen in Deutschland nicht ver­mindert, sondern vermehrt worden, und sie tragen sicher viel bei, daß seine Werke und Dichtungen auch mehr gelesen werden. Er wird dadurch nicht abhängiger, sondern unab­hängiger. Das wird auch bei Dir so kommen. - Unlängst war Bröll von Dornbirn bei mir und zeigte sich ganz entzückt über die Sonderlinge und die Broschüren. Erstere werden in Dornbirn ziemlich gelesen. Das Buch von Dr. Joos in Schaffhausen habe ich jetzt ausgelesen und, abgesehen von der unglücklichen Form, sehr wertvoll gefunden. Für eine Verbrei­tung unter das Volk halte ich es aber nicht geeignet. Es ist nur für denkende, mit selbständigem Urteil und ausgebildetem Charakter versehene Leute. Immerhin sehr anregend, aber mühevoll zu lesen. Ich werde dem Joos bald schreiben und für einige Gebildete unseres Landes Exemplare erbitten. Meine Familie ist jetzt mit Isabella in Schruns auf Kriose. Ich begleitete sie gestern hinein und erfuhr dort, daß wir wirklich daselbst Boden haben, wie Kunz schrieb. Auch die Sonderlinge traf ich an. Vonbun hat sich sehr günstig über sie geäußert. -

Daß Freytag den Traum abschnitt, gefällt mir nicht. Der jetzige Schluß ist schlecht und psychologisch falsch. Es wäre traurig, wenn Du jetzt, nach dem Erscheinen der Sonderlinge und nach dem, was geschah, Dein Dorf noch sehen solltest wie am 13. Mai 1863. Gegen eine solche Art von Willkürlich­keiten sollten die Literaten sich wehren. Deine Haltung auf dem Gericht scheint ganz recht gewesen zu sein, obwohl ich die Prozedur dort nicht recht verstehe. Mit Gruß und Handschlag, Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine