FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
486
19. Februar 1868

Lieber Freund!

Die Vorsteherwahl ist vorbei. Der letzte Samstag war da­durch einer der interessantesten Tage, die ich hier erlebte. Müller erschien um 11 Uhr und sagte dem Vorsteher im Vertrauen, es würde zum Frieden führen, wenn die siegende Partei nun großmütig sein und den „Schwarzen" wenigstens einen Gemeinderat zugestehen wollte. Der Vorsteher ließ ihn reden und zu Gemeinderäten wurden ich und Altvorsteher Moosbrugger gewählt. Nun wollte Müller eine Friedensrede halten, er wurde aber sofort von uns allen acht auf die unangenehmste Weise unterbrochen und bekam bedenkliche Dinge zu hören, so daß er sich das Geständnis abnötigen ließ, er werde der Gegenpartei fürderhin nicht mehr alles durch­gehen lassen. Am Abend vorher waren ihm meine Feldkircher Angaben zugekommen. Wegen dem Uhrenmacher sind nun die meisten Zeugen verhört, wegen dem Wahlsturm aber ist noch nichts geschehen. Auch von meinem Artikel hab ich noch nichts gesehen. Müller suchte entschieden zu versöhnen. Er ließ nicht nach, bis der Gemeinderat sich dem Pfarrer vorstellte, wobei sich letzterer dumm genug benahm. Die Geschichte ist zu lang für meine Zeit, und ich sage nur, daß aus dem Ganzen nichts geworden ist. Am Abend beim Kronenwirt hat unsere Partei den Sieg in schöner würdiger Weise gefeiert. Es war ein Fest, wie man es hier noch nie sah. Auch Reden wurden gehalten. Die bekränzte Inschrift am Vorsteherbaum heißt:

Dieser Baum sei dir zum Bilde, Starker Mann

bei Sturm und Wind, Sieh, er grünt, wenn im

Gefilde Ros' und Dorn vergangen sind.

Daß den Alten diese Anspielung auf eine Eigenschaft der Tanne nicht gefällt, kannst Du Dir denken. Indessen ist's hier jetzt wieder einmal ziemlich ruhig. Man liest so das Volksblatt, und ich muß schon gestehen, daß uns sein Lassalleanismus noch immer ordentlich anekelt. Einst­weilen kann man mit Goethe sagen: Man merkt die Absicht und man wird verstimmt. Könntest Du nicht durch Mayer erfahren, ob der Wanderer meinen Artikel schon brachte oder warum nicht. Ich denke auch in diesem Sinn an Pröll zu schreiben, meine Arbeit zurückzusenden und nach Deutsch­land zu schicken, wenn in diesem verdammten Durcheinander Österreichs nichts zur rechten Zeit an den Tag zu fördern und lebendig zu machen ist. Wie anders nehmen die Deut­schen sich meiner Sache als einer wichtigen an. Wenn ich den Artikel bei uns nicht durchbringe, werde ich nicht so bald wieder etwas durchzubringen suchen. Du magst nun über das Leipziger Literatentum sagen, was Du willst, so faul ist's doch noch nicht. Der Artikel in der Neuen Freien Presse über unsere Wahlen in der Nr. vom 4. Februar hat in Leipzig fast mehr Aufsehen gemacht als bei uns. Müller soll gesagt haben, daß er sich um dieses Geschwätz gar nicht kümmern werde.

Und nun noch etwas Geschäftliches.

Josef Bär von hier, das sog. Meräudlarle, ersucht Dich, anzu­fragen   bei   Dr.   Preu,  ob  die  Massenverwaltung  des  ver­storbenen Gatten seiner Schwester in Stuben das ihr ent­fallende Betreffnis für ihr Guthaben bald ausfolgen werde. Bär bittet um die nötigen Schritte, daß die Sache bald erledigt werde. Preu wird Dir genauere Auskunft geben können. Pius bessert. Der Uhrenmacher hat mich wieder einmal mit verbundenem Kopfe besucht. Lebe wohl, mit Gruß und Handschlag Dein Freund

F. M. Felder

Keine