FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
693
27. März 1869

Lieber Freund!

Ich kann heute nicht so viel schreiben als ich wünschte, denn mich plagt wieder, was noch jedes Jahr um diese Zeit sich einzustellen pflegte. Ich bin unwohl, hoffe aber, daß es nicht bös werde.

Daß es Dir kaum interessant sein werde, einen Menschen durch Gedanken und Empfindungen, ohne bestimmtes Ziel erziehen zu sehen, habe ich erwartet. Ich hoffte aber, daß Du mit den Volks- und Landschaftsschilderungen recht zufrieden sein werdest.  Daß  Ihr mit der Familienidee andere Kerle geworden seid, mir in manchem überlegen, habe ich schon in der Biographie betont, und könnte man da mit mir zu­frieden sein.

Gegen die Anschauung, ob die Salzbacherstegkatastrophe durch die Vorsehung eigens herbeigeführt sei, hab ich mich mehrfach verwahrt und wäre schlecht zufrieden mit Schreiber und Korrekturleserin, wenn sich's nicht finden sollte. Tragisch war die Geschichte erst durch die Haltung der Bauern, welche allerlei Ideen bei meinem Anblick, aber keinen Gedanken hatten. Einige z. B. hielten mich für einen Tannberger usw. Ich habe die Geschichte, wie noch manches, so schonend als möglich gegeben.

Doch ich fühle mich durchaus nicht zum Schreiben fähig. Der Kopf ist nicht so klar, als er bei einem gedankenblassen Menschen sein sollte, und meine Hand zittert. Wenn ich wieder gesund werde, komme ich hinauf, aber nicht, um eine Verteidigungsrede zu halten. Ich hoffe nämlich, Du werdest mir zugeben müssen, daß alle Ideen aus dem Gedanken, Wort (Logos) oder aus Eindrücken entstanden sind. Gestehst Du das zu, so sind wir eins, sonst streiten wir, daß es klepft. Dein Urteil über meine Arbeit war übrigens viel günstiger, als ich erwartete, und es hat mich recht gefreut. Ich wußte, Du hieltest den Stoff für zu unbedeutend, ich aber bedurfte dieser Selbstschau.

Nannis Lieblingsausdruck war: „Ich hab schwer dran köpfen müssen und hab lang mit aller Mühe kein Gedänkelein funden." Nun weiß ich nicht, wie da die vorgeschlagene Veränderung paßt, besser klingen würde sie. Mach also, was Du willst. Allmacht der Idee ist jedenfalls besser. Ich weiß nicht, wie bald wir über das Werk reden können. Hilde­brand erwartet es mit größter Ungeduld. Sei also so gut, ihm das Manuskript zu schicken. Professor Dr. Hildebrand, Leipzig, Windmühlenstraße 29. Nun aber bin ich müde, da muß es anders werden, bevor Ihr mich auf den Hals bekämt. Mit herzlichem Gruß und in Erwartung gelegentlicher Antwort Dein Freund         F. M. Felder

Keine