FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
137
9. Dezember 1864

Geliebtester Freund!

Vor allem andern muß ich Dir mitteilen, daß ich schon längst jeden Posttag einen Brief von Dir zu erhalten hoffte. Nach dem von Dir dem Kronenwirt übergebenen Gruße zu urteilen, glaubtest Du gleich nach dem Kathrinentag zur Teilung hereinzukommen. Ich kann Dir nun ganz bestimmt mitteilen, daß die Teilung in diesem Jahre nicht mehr vor­genommen wird und also deswegen bis zum Schluß dieses Jahres alles im Alten hätte bleiben können. ­Du kennst meine Gabe - oder, wenn Du lieber willst, Un­tugend, einzelne Reden und Handlungen gewisser Menschen zusammenzustellen und die Lücken selbst auszufüllen. Ge­wisse Leute würden das „lügen" heißen. Aber in der Voraussetzung, Du gehörest nicht zu diesen gewissen Leuten, wage ich es heute, Dir einiges über die Deinigen mitzuteilen. Bei „Maatisa" hat sich manches geändert, obwohl oder weil sich die Personen nicht geändert haben, und ich fürchte, daß aus Deinem schönen Plane, alles gemein zu haben, schwerlich etwas werden wird. Schon im Herbst hat sich der Lehrer bei mehreren Gelegenheiten so - knickerig gezeigt, daß die Dei­nen die Hoffnung auf eine friedliche Teilung völlig verloren. Ich werde Dir die Tatsachen auf Verlangen mitteilen, wenn Du ihn allenfalls selbst nicht genug kennst, um Dir sein Tun und Reden einbilden zu können. Für heute also nur einige Worte von ihm über die Teilung. Er sagte unter anderem: „Wenn nicht alles zu hohen Preisen angeschlagen wird, so werde ich meinen Teil selbst verkaufen, statt ihn denen (Geschwistern) billiger zu überlassen." So sagte der Herr Armenvater in Au, und er hat schon bewiesen, daß er Ernst machen wird.

Das war nun dem Jakob ein Schlag vor den Kopf. Ich glaube ganz gut zu wissen, was er gedacht hat, dir aber will ich zuerst mitteilen, was er sagte und tat. Der Inhalt von allem, was Jakob sagt, ist kurz: „l schiß drinn!" „Da sieht man nun, was man für einen Lohn bekommt, wenn man sich für andere fast d'Füoß ussam Füdla springt." So sagt Jakob und ist nicht mehr zufrieden mit den ändern. Ich weiß nicht, wie er mit ihnen lebt, aber ich habe Reden von ihm gehört, welche An­klagen seiner Geschwister ganz ähnlich sehen. Kurz, er will sein „eigener Herr und sein eigener Knecht" werden und beabsichtigt jetzt, in Warth für sich ein ziemlich großes An­wesen zu kaufen und hernach zu heiraten. ­Mit wem?

Pius hat mir erzählt, daß er in eine junge Lechtalerin „merk­würdig verschossen" sei. Er wolle mit ihr Milch kaufen und habe sonst schon Pläne gemacht, daß es eine Lust sei. Hievon hat mir nun Jakob natürlich nichts gesagt und ich kann Dir daher über das Mädchen nichts Genaueres mitteilen. Der Schneider sagt nicht viel; von Deinem Plan redet er als einer Unmöglichkeit, und ich glaube, er hat recht, wenn Jock durch­aus nicht mithalten will.

Ich hoffe, bei meinem Freund und Schwager werde ich mich nicht entschuldigen müssen, daß ich heute das Waschweib machte. Ich glaubte, die Sache werde Dir wenigstens so wich­tig sein als mir. Vielleicht bist Du besser von Jakob unter­richtet, als Du es durch diesen Brief wirst; dann wirst Du doch hoffentlich meine gute Absicht nicht verkennen. Dein Lassalle ist schon längst hier und ich warte nur auf eine günstige Gelegenheit, ihn Dir ohne Kosten zuzusenden. Den Bastiat habe ich mit wahrem Interesse gelesen. Die Arbeiter­frage wird mir jetzt wichtig, aber über Lassalle wage ich noch nicht zu urteilen. Es ist mir alles noch zu neu. Man müßte sich fast schämen, ein Anhänger Schulzes gewesen zu sein, aber mir kommt es vor, ich und noch viele seien eigent­lich gar keine Anhänger gewesen, sondern gedankenlose Nachplärer der einzigen Stimme, die wir hörten. Laß mich also zuerst noch einige Jahre leben und lernen. Den Schulze brauchst Du nicht zu lesen. In einer Fortschrittler Zeitung findet sich über Lassalle folgende merkwürdige Stelle: „Er war wohl auch nicht so gelehrt, als man, durch sein System der erworbenen Rechte verführt, glauben könnte, sondern er hatte nur die dem Israeliten eigene Gabe, daß ihm alles zur rechten Zeit einfiel." Das ist doch ungemein scharf­sinnig!

Willst Du mir nicht das Arbeiter-Lesebuch übersenden oder bringen? Jetzt lese ich nebenbei Vilmars Literaturgeschichte und habe aus derselben manches gelernt. Hier in Hopfreben hatte ich manche freie Stunde und Einsamkeit genug, [da wir] schon beinahe 14 Tage ganz allein hier sind. Jochum schreibt ziemlich fleißig; er befindet sich ganz wohl und hat, wie er sich ausdrückt, jetzt seine besten Tage. Der neue Pfarrer weiß es bei allem gut zu treffen. Mir ist er schon ziemlich gleichgültig geworden. Wir werden hoffentlich weder Freunde noch Gegner werden. Aber wie Du ihn als Prediger loben konntest, das begreife ich wahrhaftig nicht.

10. Dez.

Die Schrift: Über Verfassungswesen habe ich mir von Lindau kommen lassen. Dieselbe ist mir aber weniger interessant als Lassalles neuere Schriften. Wenn ich aus diesem Streit auch nichts gewonnen hätte, als ein Urteil über die Presse, wäre das schon viel. Ich lernte die Arbeiterfrage nur aus Zeit­schriften kennen, aus Zeitungen, die Parteiführer beurteilen, und weiß nun aus eigener Erfahrung, wie wahr das ist, was Lassalle im Bastiat, Seite 247-48, über unsereinen sagt. Und war es nicht auch mit meinem Nümmamüller so. Wo ist ein richtiges Urteil erschienen? Im Ganzen nirgends, weder von Freund noch von Feind. Es wäre mir ein Leichtes, Dir das auseinanderzusetzen. Und ich Tropf hielt mich für einen Anhänger Schulzes, ohne ihn oder seinen Gegner gehört zu haben.                    _.,                 ,    .

Das Zeitungsgeschwister,/

Wie mag sich's gestalten?/

Als um die Philister/

Zum Narren zu halten.

Wahrlich! Jetzt würde mir eine Vonbunsche Kritik bei weitem nicht mehr so viel Kopfarbeit machen.

Mit der Bibel ging es eine Zeitlang nur langsam und jetzt geht es gar nicht mehr. Ich habe ja alle Hände voll zu tun. Bei Wagner in Innsbruck ist ein ‚Tiroler Idiotikon' erschienen. Ich erhielt den ersten Band, werde ihn aber wieder zurück­senden, da er 7 Fl. kostet. Da will ich lieber die viel billigere Roman-Zeitung, die jetzt die besten und berühmtesten Ro­mane zu einem Preise bringt, um welchen sie sonst nur aus den Leihbibliotheken zu beziehen sind. Für unsereinen ist's doch auch nötig, die jetzigen „Geschmäcke" kennenzulernen, und interessant, die soziale Frage in der Romanliteratur zu studieren. Hier scheint mir, hat Lassalle manche Anhänger. Die Fortschrittler Blätter loben jetzt die ruhige, besonnene Haltung der Arbeiter, während doch die Allgemeine Zeitung zuweilen ganz andere Dinge berichtet und berichten läßt. Ich und alle, die Du kennst, sind gesund und wohl, die Meinen lassen Dich herzlich grüßen. Den Deinigen wirst Du einstweilen nicht mitteilen, was ich Dir mitgeteilt habe, denn sie würden mich sonst für eine Plaudertasche halten, Du aber wirst hoffentlich ein Urteil über mich haben, das nicht jeder neue Wind verändert?!

Es wäre nun eine schöne Sache, wenn Du mir auf meine drei Briefe wenigstens eine Antwort schreiben würdest. Du hast mir manche Frage noch zu beantworten.

Das Resultat der Vorsteherwahlen wird Dir wohl bekannt sein und sonst habe ich Dir gerade nichts mehr zu sagen, als daß ich noch immer bin Dein

eine Antwort erwartender treuer Freund

Franz M. Felder

Keine