KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
138
11. Dezember 1864

Lieber Freund!

Ich bin schon lange Dein Schuldner, und von Gewissens­bissen gedrängt, rüste ich mich zur Antwort auf Deine letzten schätzbaren Briefe. -

Deine Auffassung des Preßprozesses ist sehr interessant und die wissenschaftlichen Juristen würden Dir Recht geben. Es ist hierüber eine Broschüre erschienen von einem k. k. Pro­fessor, der im wesentlichen Deine Ansicht vertritt und dem Rautenkranz beherzt zu Leibe geht. In den Urteilen der Tiroler Gerichte kannst Du ein Stück von Tirol kennenlernen. - Den Schulze-Bastiat wirst Du von meiner Schwester er­halten haben. Glaubst Du noch, daß ich den Schulze studieren soll? Trotz des erbärmlichen Zeitungsgeschreibsels über Las­salle, insbesondere der Allgemeinen Zeitung, steht den Prin­zipien dieses großen Mannes noch eine große Zukunft bevor. Den dumpfen Schritt der Arbeiterbataillone kann hören, wer nur einigermaßen ein gutes Gehör hat und den Bewegungen im deutschen Volke lauscht. Lassalle ist meines Wissens der erste, der im chaotischen Gewirre die Tonarten richtig erkannt und treffend charakterisiert hat. Wie Du gelesen haben wirst, steht uns Österreichern eine durchgreifende Reform der direkten Steuern bevor und auch eine teilweise der indirekten. Mir ist bei Betrachtung der Regierungsanträge vor­gekommen, als ob man bereits der Lage des gemeinen Mannes Rechnung trage und die Stimmen aus der Demo­kratie nicht überhört habe. Ich hoffe, daß Du die Verhand­lungen unseres Abgeordneten-Hauses fleißig verfolgst und dann wenigstens einen Ansatz von etwas Gutem bei uns entdeckst. Ich hoffe, daß selbst die Juristen noch sympatheti­sche Anwandlungen in Dir erzeugen können. ­Von Eurem Pfarrer Rüscher kann ich Dir dann mündlich auch ein Histörchen erzählen. Es betrifft ein kleines Erlebnis dahier, während er die zur Begrüßung nach Schwarzach gekommenen Wälder auf sich warten ließ. Vorläufig kann ich nur bemerken, daß er die Frauenzimmer immer gern gehabt hat. Doch sollst Du nicht an eine Sünde denken. - Seit der Winter die Natur­körper härter aneinander zieht, rücken sich auch die Men­schen etwas näher. Auf diese Weise haben wir jetzt eine interessante Abendgesellschaft im Oberdorf bekommen. Un­ter andern kommt dahin auch Doktor Waibel, der Dir viel­leicht in Zeitungen schon untergekommen ist, der Verfasser der Tragikomödie in Lauterach („Gasser"), und Dr. Schmid, der Redakteur der einstigen Vorarlberger Zeitung, zwei Politi­ker ex [. ..], die ganz gut zu Dir passen würden. Da geht es dann manchmal hoch her und wird fleißig disputiert. Das Üble für mich ist nur, daß ich deshalb, weil ich manchmal die­sen höchst liberalen Männern zu viel einräume, mit unserm Amtschef, einem harten Mann aus der alten Schule, in Kol­lision gerate. Doch mein Objektivismus leistet gute Dienste. ­Wir halten die ,Neue freie Presse', eines der ersten Organe Österreichs, dessen Redakteur ein Wälder ist, Lecher von Andelsbuch, den ich als Student wohl gekannt habe. Dieses Blatt brachte jüngst über Lassalle ein Urteil, das an Wahrheit und Verständnis der Sache die Kritiker des Auslands über diesen Mann weit überragt. - Die paar Hefte Heilige Schrift bereiten mir Genuß und Erheiterung und ich finde es nun erklärlich, daß unsere geistlichen Herrn diese Schriften nicht unter das Volk kommen lassen wollen. Der Heilige Geist, der dieses geschrieben hat, kann unmöglich all das eindiktieren, was diese Herrn als derartiges Diktat erklären. - Ich mache jetzt auch Studien über Schwurgerichte, doch das interessiert Dich nicht. - Mein Weibl ist gesund und wohl und der Julius auch, dieser ist sogar fett geworden und nun in dem Stadium, das einmal einen Gelehrten des Waldes auf die Meinung brachte, die Kinder lernen instinktmäßig die Buchstaben aus­sprechen. - Wie ist die Vorstandswahl in Schoppernau aus­gefallen und wie läßt sich die neue Regierung an? Baut man schon Arreste in den Gemeinden oder läßt Ihr Euch von unsern Gemeinden überflügeln? Ich hoffe bald hineinzu­kommen zur Erbteilung, und da werde ich Eure Fortschritte in der Autonomie in Augenschein nehmen. Sage dem Bruder Jakob, ich habe über sein letztes Schreiben mich um Geld umgesehen, aber bis nun keines erhalten. Die allgemeine Geldnot ist derart, daß die gediegensten Geschäftsleute sich nicht rühren können und daß, wenn es noch lange so fort geht, großartige Krisen eintreten müssen. Mein Schwager Moosbrugger, der weit über 1000 Fl. nur Zinsen einzunehmen hat und den sein Geschäft mehr als nährt, hat keinen Kreuzer entbehrliches Geld. Mir selbst hätten über 300 Fl. Zinse fallen sollen und ich erhielt bis nun kaum 100 Fl. Was ich übrigens noch zusammenbringen kann, werde ich schicken oder brin­gen. - Obwohl wir bald wieder mündlich konversieren kön­nen werden, ist es mir angenehm, wenn Du vorher noch schreibst, was Dir eben in die Feder kommt. Ich bin über­zeugt, daß ich dann bei meiner Ankunft alles finde, wie wenn ich stets bei Euch gewesen wäre, was für einen Mann, der überraschende Eindrücke nicht mehr liebt, wie ich, immer von Wert ist. Mit freundlichsten Grüßen an alle

Dein Freund K. Moosbrugger

 

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