VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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1. November 1864

Werthester Freund!

Es ist schon ziemlich lange, seit ich Dir meinen letzten Brief schrieb, u. da ich mich erinnere, daß Du mir das letzte Mal die Erwartung kundgabst, vor Deiner Reise nach Dornbirn noch mehrere Schreiben zu erhalten, so will ich Dir wieder einmal ein solches zuschicken.

Sommeraufenthalt in Grinzing u.s.w. ist schon längst vorüber, u. wenn Du in Person oder brieflich bei mir einkehren willst, so triffst Du mich wieder Alservorstadt, Währingerstraße, Nr. 16 Thür 18, wie ehedem.

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Meine gegenwärtige Lage ist vielleicht die angenehmste die meiner wartet. Ich bin täglich nur von 9-11 Uhr Vormittags obligat beschäftigt, u. verdiene mir dabei 20 fl per Monat, außerdem bleibt mir die Zeit zu meinen Berufsstudien. Da ich nun auch öfters oder vielmehr sehr oft eingeladen bin, u. mich die Kost deßhalb wenig kostet, so kann ich recht anstän­dig leben (Excesse zu machen weißt Du, daß ich kein Bedürf­niß habe) u. bin Herr meiner Selbst. Auch glaube ich mit ziemlicher Beruhigung der Zukunft entgegenblicken zu kön­nen.

Von Deinem Nümmamüller höre ich und sehe ich nichts; es hat mich schon lange geärgert, daß ich meinen nicht mit habe. Auch die Paar andern Bücher möchte ich gerne da haben; jetzt aber lasse sie vor der Hand noch liegen, wo sie sind. Ich habe nämlich im Sinn Stickarbeiten auf Leinwand hier vordrucken zu lassen, u. Dir zu übersenden, damit Du sie guten Stickerinnen u. Glattnäherinnen zur Bearbeitung über­gebest; ich glaube, es wäre sehr rentabel. Wenigstens ein klei­ner Versuch kann nichts schaden, u. wenn ich auch nicht daran denke ein Geschäft hier anzufangen, so würde ich doch stolz darauf sein, wenn ich es dazu brächte, daß die Wiener nicht von Schweizern die in Österreich gemachten Arbeiten kaufen. So viel ist wenigstens gewiß, daß diese Arbeiten hier sehr theuer bezahlt werden. Kleider werden zwar hier nicht getragen, wohl aber Ärmel, Kragen, Brüste in Hemden und die untern Theile von Unterröcken, die gestickt u. genäht sind. Einen kleinen Versuch habe ich wenigstens zu machen im Sinne, ich weiß nur nicht das Genaue wegen Fracht u. Durchgangszoll. Bei dieser Gelegenheit könntest Du mir dann die Paar Bücher mitschicken.

Ich habe mich, wie Du siehst abschreiben lassen, u. schicke Dir hiermit eine Photografie. In meinem nächsten Briefe werde ich der Mutter auch eine schicken, u. dann auf Verlan­gen auch noch andern, da ich ein ganzes Dutzend habe. Du kannst die Arbeit hier nun mit der bei uns vergleichen, nur mußt Du bedenken, daß diese blos 25 Neukreuzer per Stück kosten und zwar nicht schlecht, aber auch nicht besonders gelungen sind.

Schreibe mir auch bald wieder einmal, wie es mit den Kritiken über „Nümmamüller" steht, u. ob nicht bald solche über „Die Sonderlinge" zu lesen sein werden, wie über Schoppernauer Neuigkeiten.

Zum Schluß grüße mir alle die ich schon öfters beim Namen aufzählte, so daß Du sie ohne Erneuerung bei Deinem guten Gedächtniße auswendig wissen wirst, wie Dich vielmals grüßt

Dein u. der Deinigen aufrichtiger Freund

Jochum