FRANZ MICHAEL FELDER AN KASPAR MOOSBRUGGER

lfndenr: 
151
15. August 1865

Lieber Freund!

Hier sende ich die gewünschten Schriften, die ich teilweise fast auswendig gelernt habe und wohl so fleißig las, als das je bei einer Sammlung der Fall war. Ich hatte die Absicht, Dir auf den vorigen Brief - der meine Nerven weit weniger angriff, als Du zu erwarten schienst - noch einige Anmer­kungen zu machen, doch sie werden sich ja im II. Bande finden. Ist Dein und Meusburgers Urteil im Verhältnis Eurer Schätzung ungleich? Ich erwarte etwa 600 Fl. und würde mehr nicht verschmähen. Letzte Woche besuchte mich auch Dr. von Scholl (Stuttgart), ein Freund des alten (seligen) Freiherrn von Cotta. Er hatte meinetwegen bei schlechtem Wetter den Weg „da herauf" (von Au) gemacht und schien sich sehr für mich zu interessieren. Er versprach mir für meine Arbeiten einen tüchtigen Verleger, Cotta oder Hoffmann, zu finden. Im Lauf dieses Jahres versprach er, mir mitzuteilen, was er für mich habe tun können. Herr Bergmann wird wahrscheinlich noch diese Woche hier eintreffen. Der Pfarrer in Au hat bereits ein Quartier für ihn bestellt, auch Stettner in Lindau will diese Woche hereinkommen und mich besuchen. Diese Tage hätte ich fast Lust gehabt, mich und das Wible mit einem Besuch in Dornbirn zu erfreuen. Doch es geht nicht, denn die Mutter wird vom Kinde, ich von ändern Arbeiten festgehalten. Gott bessere es!, würde Barthle sagen, der religiöse Kopfmensch. Ich hätte Dir so noch manches aus unserer Heimat zu be­richten, aber ich werde es für die frohen Stunden aufsparen, in denen mir vergönnt sein wird, mit Dir zu reden. Jetzt studiere ich nordische Dichter. Byron, Björnstern, Burns u. a., ich fühle, daß ich von diesen noch viel zu lernen habe, und ich ahne, daß eigentlich der Roman nicht mein einziges, vielleicht auch nicht mein Bestes sein wird. Lyrik! Was meinst Du. Die Schilderung des innern gelingt mir besser als die des äußern Lebens, was wohl zum Teil davon kommen mag, weil ich mehr dachte und fühlte, als ich sah. Jedenfalls werde ich, sobald ich die Sonderlinge abgefertigt habe, mein Glück als Lyriker versuchen. Herr v. Scholl fand z. B. mein Gedicht ,Die Stickerin' so gelungen, daß der fleißige Handschriftensammler mich ersuchte, es ihm aufzuschreiben.

Auch die bairischen Beamten lesen, wie ein solcher mir mit­teilte, sehr fleißig im Lassalle, dessen Schriften auch in Süd­deutschland viel verbreiteter seien, als man meine. Bei den in diesem Sommer vorgekommenen Holzversteigerungen ist's ungemein still zugegangen. Die Pachtzinse werden niedriger, überall fehlt's am Geld.

Der neue Kurat in Rehmen scheint mir hier herum der beste Prediger zu sein, nur zu gemütsvoll, um den Leuten verständ­lich zu sein. Der unsrige - O schade um das Evangelium, welches er zum Text nimmt!!

Die pomphafte Ausschreibung des Hopfrebenbads, die bei­nahe der meines Nümmamüllers in der Landeszeitung glich, in der Allgemeinen Zeitung, vermutlich vom Albrecht in Bregenz, wirst Du gelesen haben. Auch mit unserm Kronen­wirt soll's bald Mathias am letzten sein. Von den Anmerkungen zu Deinem vorigen Brief nur fol­gende:

Schwarzokaspale ist ein Emporkommender, Sepp ein Empor­gekommener. Daß die beiden sich ähnlich? sein müssen (äußere Verhältnisse), hat seinen bösen Grund. Widrige Komik vermag ich in der Darstellung der tätigen Mutterliebe nicht herauszufinden und möchte an Iffland (Jäger), Gotthelf (Kathi) u. a. erinnern, deren Schilderungen man doch nicht seelenlos nennt. In Klausmelker habe ich einen mit sich selbst Uneinigen  zu  schildern  versucht,  solche  Leute zeigen  sich besser, als sie sind. Sie kämpfen  mit Kopf und Herz  und werden schließlich von den Verhältnissen bestimmt. Ist diese Uneinigkeit im Briefe nicht? Ich glaube ja, nun, und er selbst wird noch kommen.

Ich hätte noch vieles zu sagen, aber ihr könnt es jetzt nicht fassen.

Also lebe wohl, teurer Freund, und vergiß nicht

Deinen alten

F. M. F.

Keine