AN JOHANN JOSEF FELDER IN BORDEAUX

lfndenr: 
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14. April 1861

Mein theurer Freund!

Dein Schreiben vom 6 April hat mir Deine Schwester soeben (jedoch uneröffnet) gebracht. Ich wollte, Du hättest gesehen, mit welchem Verlangen sie da saß u wartete, ich las den Brief in der Stille, u O was sollte ich ihr daraus erzählen, ich mußte lügen. Aber mit Dir will ich nun aufrichtig sein Wer an einem Orte in einer Gesellschaft mit seinen Ansichten Alein ist, mit dem ist es traurig bestellt, denn wer sich seinen Vorstellungen überläßt wird nur zu leicht ein Schwärmer; das haben ich u Du nur zu gut erfahren! Unser Beruf u die verschiedenen Verhältnisse haben uns getrennt. Aber wir konnten uns ja schreiben, u das wollte ich auch schon im Dezember; aber MON DIEU! da schrieb „Vetter Hans" das Du Bordeaux vermuthlich bald verlassest u da erwar­tete ich immer ein Schreiben. O wie gern hätte ich Dir im Feber geschrieben, aber ich wußte ja nicht wohin! und Du bist mir die Antwort auf mein letztes Schreiben auch schuldig geblieben, gute Nacht für heut.

Am 18 April.

Ich hatte diese Tage beim besten Willen nicht Zeit, weiter zu schreiben; aber oft habe ich an Dich gedacht. Oft wenn ich die Stellen betrat, wo wir einst so froh unsere schönen u stolzen Pläne für die Zukunft machten, O ich hoffte stets daß sie wieder kehren

würden diese schönen Stunden: Und nun---------

So willst Du denn nimmer heimkehren ins theure Heimaths­land, nimmer aufgehen sehen die Sonne über dem Schauplatz Deiner ersten u schönsten Jahre, nimmer fühlen u erwiedern der treuen Freundschaft warmen Händedruck Unter fremden Menschen willst Du umher irren O es ist so schön daheim! Doch ich erinnre Dich hier an Dinge die [Du] doch nicht vergessen haben kannst. Wir in Vorarlberg sind jetzt in jeder Beziehung frei­er als früher das sage ich nur, damit Du nicht glaubst ich sei ein Sklav meiner Verhältnisse geworden. Du fragst mich, ob ich in Deinen Augen tot sein wolle um bei Ändern lebendiger zu ­scheinen?

Nein lieber Seppel u abermals nein! Und das kann mir mein Seppel zumuthen. Ich mag nicht scheinen ich will sein aber nicht für die Schoppernauer Philister, sondern für mich u die, die ich liebe.

Auch ich hatte manchen harten Kampf auszustehen, seid Du fort bist, zwar nicht gerade um mein Fortkommen, aber desto mehr um meine moralische Freiheit ich habe oft gesucht u selten gefunden. Ist das nicht aller Menschen Schiksal, die einmal im Leben zum Suchen kommen. Schließlich dachte ich immer mit mir selbst

Wisse! ein erhabner Sinn

Legt das Große selbst ins Leben

Und er sucht es nicht darinn    Schiller

Was hatten edlere Menschen nicht alles vom Leben zu tragen u zu dulden u sie haben es getragen u sind Männer geblieben. Aber die schönsten Arbeiten der besten sind schlecht belohnt worden. Aber Ein Schweis eine Sorge wird stets belohnt. - O Du kennst nicht das süße Gefühl, für eine Gattin, für eine geliebte Familie zu leben wenige Bilder einer heitern Vergangenheit haben Dir hinaus folgen könen in die weite fremde Welt. Du warst selbst, so wie ich, in der Heimath ein Fremdling. Aber mit mir ist es doch nicht mehr so wie früher; ich habe meine Denkungsart etwas gebildet (erlaube dem Offenherzigen dieses etwas anmassende Wort) nicht verändert. Ich bin glüklich gewor­den durch die Liebe, durch die Musen u durch das mich in die Leute fügen. Ich suche mir das selbst zu werden, was mir andere Leute nicht sein können u wollen. Und Du mein Freund, irrst herum in der Welt, ach von keinem gekant, von keinem geliebt. O kehre heim zu Deinem Freunde, zu Deiner Schwester ins gernüthliche Deutschland. Wer wollte einem Bauren jedes un­überlegte Wort übel nehmen. Das letzte Schreiben deines Vaters war sehr hart. Man sagte mir kein Wörtlein davon nur Deine Schwester hat mir, ihrem einzigen Vertrauten auf der weiten Gotteswelt, mit weinenden Augen davon erzählt. Aber der Brief Deines Vaters war doch nicht härter u kälter als der Deine vom 6/4 an mich.

20 April

Du siehst, wie langsam mir das Schreiben geht es fehlt mir nicht am Willen, aber an Zeit das Feld fängt an zu grünen u ich mus die Frühlingsarbeit thun, die mich keinen Augenblik in der Stube läßt; heut will ich Dir Neuigkeiten schreiben. Mache Dich nur auf etwas merkwürdiges gefaßt: Rathe? Am 4 Februar 1861 habe ich mich mit Anna Katharina Mosbrugger in Au, der jüngsten Schwe­ster von Martins Schneider verheirathet, u Du darfst überzeugt sein, daß ich Dir das geschrieben hätte, aber Vetter Hans hatte Deinem Vater geschrieben, daß Du Bordeaux verlassest, u da wußte ich ja Deine adresse nicht. Jetzt will ich es Dir aber mitt­heilen, u ich hoffe, daß Du nun überzeugt bist, daß ich nicht tot bin u daß ich nicht scheinen mag. Denn die Leute sagten mir u ihr, daß wir zu jung seien. Zum Anfang mag ich nichts unange­nehmes Neues sagen aber jetzt kommt etwas, das Dich angeht u nicht ganz angenehm sein wird

Keine