VON JOHANN JOSEF FELDER AUS BORDEAUX

lfndenr: 
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6. April 1861

Freund!

Heute, als ich nach mehrtägigem Rückenweh bei sehr schö­nem Wetter spatziren ging, gewahrte ich, daß die Bäume mit Laub u. Blüthen geschmückt, schon in vollester Pracht das Menschliche Auge erfreuen. Wahrhaftig beim Anblick des so vorgerückten Frühlings, meine Gedanken schwebten, auf den mir fernen, Schneemassen unserer Berge. Bei all diesen Betrachtungen, tauchte in meiner Seele der Gedancke auf, wird wohl Dein Freund mit dem Frühling Dier wieder leben­dig werden? In diesen Gedanken versunken, ging ich geraden Wegs auf die Post, um noch einmal zu sehen, ob nicht einige Zeilen, Zeichen eines Lebens, für mich zu finden währen. Aber auch diesesmahl, wie schon viele andere, der angestelte von der Post gab mir die Antwort: il y'a na pas. Nach meiner Wohnung zurückgekehrt, dachte ich es noch einmahl zu ver­suchen, u. zugleich mich zu erkundigen, ob Du mein Freund ein wahres Kind des Todes geworden bist, od. ob Du nur Tod für mich bist, um lebendiger im Auge anderer zu erscheinen. Wahrhaftig es muß etwas an der Sache ligen, denn ich kann nicht begreifen, daß Du vermöge Deiner Geschäfte od. Um­stände nicht der Zeit hättest einem Freund, wie ich mich glaubte, ein paar Zeilen zu schreiben. Von meiner Seite wirst Du gut verstehen, daß ich immer auf eine Antwort wartete, u. im Fall daß ich weiter gereist währe, hätte ich Dier meine Adresse u. meine Abreise wie immer Eilligst angezeigt. Zudem wollte ich nicht immer Dich mit meiner papirenen Sprache belästigen. Meinem Vatter wollte u. will ich nicht antworten auf sein Schreiben von 18 Nov. 1860 worinn ich eine Eiskalte, fremde Sprache las, u. wenn ich nicht so tief im Elend gesesen währe, hätte ich ihm seine Hochgeerten Bancknoten gesund u. unbeschädigt in Händen geliefert. Erst am Ende Dezem. sah ich mich gezwungen, von seiner Unfreiwillig gereichten Gabe Gebrauch zu machen.

Meine gegenwärtige Lage kenne nur ich, u. ich bin zufrie­den, daß sich jetz niemand mehr um mich bekümmert. Glück­licherweise fehlt es mir nicht an Geld. Daß all diese Ereigniße mich zimlich von meiner Heimath zurückgeschlagen haben wirst Du wohl selber leicht verstehen, denn ich hoffe, daß Dein Kopf sich nicht gedreht hat.

Wenn Du daher nicht ein Kind des Todes bist, was ich wahr­haftig nicht wünsche, so schreibe mir nur ein paar Buchsta­ben, u. seye versichert, daß ich Dier in Zukunft nicht mehr überlästig werde. Denn die erste gelegenheit die sich darbie­tet um den großen Ocean zu überfahren, werde ich benützen u. Glücklich schätze ich mich, wenn die Folgen einer schlech­ten Reise, meinem Roman das Ende verleihen. Ich erhielt auch einen Brief von dem retter meines so unnützen lebens, nämlich von Xafer Jochum in Wien, der micht sehr gefreut hat. Von diesem meinem Schreiben, bitte ich Dich, sage ja nichts meinem Vatter, damit er ruhig seinen Schlummer fort schlaffen kann, denn ich wollte ihm um keinen Preis neuen Verdruß verursachen, u. dazu habe ich ganz klar gefunden, daß mein stillschweigen das Beste mittel ist.

Hiemit zeige ich Dir nun meine Adresse an damit ich nicht nothwendig habe immer vergebens auf die Post zu gehen u. nach Briefen zu fragen

Dein Freund.

Felder horloger

rue des herbes Nr. 20 Bordeaux

France

Keine