AN JOSEF FEUERSTEIN IN BEZAU

lfndenr: 
218
10. August 1866

Lieber Freund!

Herzlichen Dank für Deine letzte Sendung! Ich habe noch nicht Zeit gefunden, die erhaltenen Briefe gehörig zu durch­gehen, da es mich vor allem zur Beantwortung der an mich gestellten Fragen drängte. Beiliegend theile ich Dir meine Gedanken kurz mit. Es freut mich, daß der Artikel in der All­gemeinen, obwol noch etwas ungenau, auch da, draußen nachdenkend macht. Gern würde ich Dir gleich eine hübsche Anzahl Schriften über dieses Thema schicken, aber - sie sind eben bei Weitem nicht alle hier. Unsere Leute lesen so etwas ungemein gern und da viel fast von Haus zu Haus gieng werde ich einige durch Publikation hier und auf dem Auer Kirchenplatz erst wieder zurückfordern müssen. Einstweilen sende ich Dir Lasalle's: Bastiat Schulze. Hier wirst du meinen Mann, in seiner Derbheit und seiner Größe kennen lernen. Solltest Du dann auch den von Lasalle heruntergemachten Schulzeschen Arbeiterkatechismuß zu lesen Lust und Gedult genug haben, so findest Du ihn ebenfalls. Letzteres Buch ent­hält die Schulzeschen Gedanken, gegen die Lasalle auftrat. Auch etwas über das Verfassungswesen hab ich beigelegt. Andere Schriften werde ich auf Verlangen gerne nachschik­ken.

Möchtest Du nicht das Organ der Lasalleaner lesen? Ich habe einige ältere u. neuere Nummern beigelegt u. das Interessan­teste angestrichen.

Mein Gedicht vom Regen hab ich wieder gelesen und gestehe gern, daß es gar nicht den Eindruck des ächten Volkslieds macht, jedoch scheint mir das weniger in der Form, die nur etwas zu aphoristisch, als im Inhalt zu liegen, laue Christen bleiben vor der Kirche öfter stehn usw.

Das ist Spott, nichts als der Regen treibt sie, statt daß es sie ziehen sollte.

Es fehlt dem Gedichte zum Volkslied die volle warme Hin­gebung an das Vorgetragene. Das Ich steht zu hoch ob seiner Welt und nur die vorletzte Strophe ist mit Leib und Seele dabei.

Ich hab heut etwas Anderes, jeden Falls Geeigneteres bei­gelegt und möchte recht bald hören, welchen Eindruck es auf euch machte.

Man sollte fast meinen, daß jetzt kein Mensch zum Dichten aufgelegt wäre; ich aber muß gestehen daß mich die Musen gerade in der letzten Zeit am häufigsten besuchten u. das war auch gut denn sonst hätte man ja völlig verrückt werden können.

Ich hoffte Dich bald besuchen zu können, doch die schönen Tage müssen jetzt fast immer zum Heuen benützt werden. Einstweilen können wir uns also nur schreibend aussprechen; thun wir das um so fleißiger!!?

Es grüßt Dich und den Kreis der Deinen recht herzlich Dein Freund

Franz Felder

Consum Verein oder Produktiv Assoäation? Diese Frage ist schon häufig aufgestellt worden. Es ist wol eine der brennendsten und um sie ins gern vermiedene Deutsche zu übersetzen, heißt sie: Haben wir zu Schulze oder Lasalle zu stehen? Muß dem Arbeiter oder der Gesammtheit geholfen werden?

Selbst die eigensinnigsten Bourgeoisen Ökonomen haben zugestanden, daß Richard Cobden durch Abschaffung des Kornzolls in England nicht den Arbeitern, sondern den rei­chen Fabrikanten ein Wohlthäter war. (Brockhaus deutsche Revue 1865 Seite 546.)

Allerdings könnte in einem Sinn der kleine Consum Verein eine Vorschule für das Genossenschaftswesen sein, wie auch die Bemühungen Schulzes dem Riesenwerk Lasalles etwas vorarbeiteten. Aber dem Arbeiter muß als Arbeiter, nicht als Konsument, als welcher er kaum neben dem Kapital zum Vor­theil kommt, geholfen werden.

Der Mensch als arbeitendes Wesen kann nur noch als Maschine betrachtet werden, deren Unterhaltungskosten, dank der gebenedeiten freien Conkurenz, seinen Lohn bestimmen. Dieses furchtbare Gesetz, von Ricardo zuerst auf­gestellt, hat noch von keinem geläugnet werden können. Das nun muß anders werden, wenn die Conkurenz unter den Arbeitern aufhört, darum erhob Lasalle die Fahne, darum aber können sich die öffentlichen, für den Geldsak geschriebenen Blätter nicht mit ihm einigen.

„Dem Kapital", rufen sie, „gehört der Profit fürs Risico!" Wer aber wagt?

Der Bauer, der Arbeiter. „Wenn die Herrn verlieren", sagt Lasalle in seinem unvergleichlichen „Bastiat Schulze", „so klopfen sie ihren Ärger auf dem breiten Rücken der Arbeiter aus -"

Ich werde nächstens auch Schweizers unvergleichlich über Schulze stehende Schrift „über das Risiko" zusenden, wo alles, was hieher gehört, viel besser gesagt ist, als ich es sagen könnte.

Doch genug, damit Du mich nicht einen Pedanten tadelst und mir Prinzipienreiterei vorwirfst.

Mit dem Kaffeehandel z.B. den Anfang machen wäre gut und schön, aber du lieber heiliger Christoffel! Wie würden da unsere Geldmächte auf und dagegen sein, die ihr Geld so gern in den Handel stecken, die so gern riskieren! Die Ange­sehensten in allen Dörfern würden aufstehen, woraus denn auch folgt, daß der Kaffeehandel noch unter zu vielen ist, um gefährlich fürs Land zu werden. Der Käshandel aber wird gefährlich, denn entweder fällt der Händler und reißt viele mit, oder er bleibt stehen und bereichert sich durch das große

Geschäft und mästet sich zu einer uns armen Bienen gefähr­lichen Hummel heran. Geh nach Schnepfau (u.a.O.) und frage!

Und der Vorfahr des Gallus M. war ein armer Mann. Was meinst Du, wenn er nur in einem Consum Verein billig gelebt und gespart hätte.

Der Zwek meines Strebens ist, das Volk rührig, nicht es zum „sparenden" Philister zu machen. Lieber mit Hindernissen Jahre kämpfen und dann etwas tüchtiges, zeitgemäßes, als mit kleinen Vereinen, die dem Meinen sicher von selbst folgen wie der Troß dem Fürstenwagen, die besten Kräfte im Lande zersplittern und entzweien.

Die Vereine entstanden aus dem in der übervölkerten Welt nach Errichtung der Maschienen immer größer werdenden Bedürfniß nach Arbeit, um fortzukommen. Siehe Rechte der Arbeit. Nun wollten die Arbeiter sich zusammenthun, um wie in England (Rochdal) ihre eigenen Unternehmer zu werden. Da stand Schulze auf und predigte vom Sparen, vom im klei­nen anfangen, von Consum und Vorschußvereinen. So wurde die Angst der deutschen Geldsäke glücklich zerstreut. Dank­bar dafür schenkten sie Herrn Schulze von Delitzsch 45.000 Thaler, wofür der nun wirken muß.

Drum sang der Social Demokrat:

 

Zu unsrem Heil, zu unserm Nutz und Frommen Ist Schulze

Delitzsch auf die Welt gekommen. Für 45.000 Thaler

Sündengeld Streut er der Proletarierwelt Sand, Sand, Sand in

die Augen Sand in die Augen hinein

 

Doch seit Lasall den Bastiat gebracht

Ists aus mit ihm, und dem was er gemacht.

 

Doch ich citire schon wieder, und dennoch wärs unmöglich, Dir kurz zu zeigen, welch ein ungeheurer Unterschied zwi­schen einem Käufer- und einem Verkäuferverein ist. Daher ziehe ich es vor, Dich aus den Schriften, die ich Dir nach und nach, von allen Parteigängern schicken will, Dein Urtheil selbst bilden zu lassen.

Nicht nur Axt und Säge, auch Brot und Kaffe, Hosen und Hemd sind nöthigzu unserm thätigen Dasein. Gut, wäre, also der Stikerin besser, sie bekäme billige Nadeln, Stücke etc, oder sie bekäme gute lohnende Arbeit, durch die sie als Bregenzerwälderin sich nähren und einen ehrenvollen Platz (durch den Verein) in der Welt bekäme? Würden billigere Lebensmittel den Thätigkeitstrieb wecken? In meinem Verein wird alles neu aufleben, die Wirthschaft wird sich heben, denn es wird erwachen der Wunsch etwas Tüchtiges in die Welt zu schicken.

Ein Consum Verein kann und wird nur den Krämergeist weken. Hoffentlich zu einem kurzen Dasein. Denn die Tüch­tigsten wehren sich gegen ihn und er wird erliegen wie seine ersten Fahnenträger.

War ich ein Theolog, dann sollte ich vor allem dem armen Mütterlein helfen. Ich aber möchte vor allem der Kraft unse­res Herrlichen Volkes einstweilen einen Zielpunkt aufstellen, möchte die Bahn aufbrechen helfen, die der Wäldler zu durchlaufen befähigt, berechtigt, bald genöthigt und als Haus­vater verpflichtet ist. Den Eifer, die Arbeitslust, die Freude am gemeinsamen Schaffen möchte ich wecken, nicht den Phili­stergeist, der einige Batzen zahlt und sich wolfeile Waren bringen läßt ohne selbst dabei etwas wagen, etwas thun zu können.

Und spielend wird dann auch das andere in die Hand genom­men werden. Ich glaube, einer tüchtigen Wäldergenossen­schaft werde nur ein riesiges Holz-, Stickerei- oder Käsfuhr­werk den Weg öffnen.

Jedenfalls möchte ich mit der Ausfuhr, doch am unliebsten mit dem höchst schädlichen Holzhandel beginnen.

Wärs aus Holz verfertigte Arbeit, dann war ich dabei. Zu meinen Statuten ist u.a. noch folgende Stelle gekommen: Das Betriebskapital besteht: 4) aus 1 Procent des jährlichen Umsatzes usw., anderwärts wird dann bestimmt, daß später eintretende Mitglieder Ihren Theil einzuzahlen oder zu ver­zinsen haben. Nun war das recht?

Es wäre mir überhaupt lieb, bald Bemerkungen über diese Bemerkungen zu hören.

Die sociale Frage ist die wichtigste der Gegenwart, denn sie ist die Frage aller Fragen und Bismark stünde nicht, wo er steht, wenn er sie nicht, wenn er sie nicht besser verstünde als die Mehrzahl seiner Gegner. Darum sagt Lasalle: Er ist unser Gegner immer, doch er ist ein ganzer Mann, drum den Hut ab, bevor wir auf ihn schießen.

Felder