AN JOSEF VON BERGMANN IN WIEN

lfndenr: 
647
19. Dezember 1868

Verehrtester Herr Landsmann!

Ihre werthen Zeilen hätten mich recht glücklich gemacht, wenn deren Inhalt auch weit weniger erfreulich gewesen wäre. Meine jetzige Lage werden Sie aus beiliegendem Gesuche kennen lernen. Ich habe mich natürlich beeilt, Ihnen dieses so schnell als möglich zuzusenden. Ich halte es dabei für meine Pflicht, Ihnen, verehrter Herr Landsmann, folgendes mitzutheilen

Unserer landwirtschaftlichen Ausstellung ward im letzten Herbste die Ehre, von Herrn Ministerialrath Dr Wilhelm Hamm (im Acker­bauministerium) besucht zu werden. Wie derselbe schrieb, hoffte er auch mich zu treffen. Aber meine Verhältnisse erlaubten mir bisher keine Ausflüge als die 2 Reisen nach Leipzig, deren Kosten von Herrn Dr Hildebrand und meinen ändern dortigen Freunden getragen wurden, damit ich doch einmal etwas von der Welt sehe und so eher einen Maßstab für meine heimatlichen Zustände gewinne als das aus Büchern alein möglich war. Herr Dr Wilhelm Hamm schickte mir nun seine Karte, ich ihm meinen Roman, worauf er sich in einem Briefe für mich an die Schillerstiftung zu wenden versprach. Ein Bittgesuch von mir hat er nicht gewünscht und ich weiß nicht, wie er die Sache durchzuführen gedenkt. Vielleicht werden Sie nach dieser Mittheilung, die ich Ihnen schuldig zu sein fühle, Ihre Schritte gemeinsam mit ihm thun, oder sich doch jedenfalls mit ihm besprechen. Sollten Sie mein Gesuch benützen, so bitte ich, es zu adressieren, da ich nicht wußte, ob ich die Aufschrift vorn an einen Einzelnen oder den Verwaltungsrath überhaupt machen sollte.

Hülfe thut mir jetzt wahrhaftig noth und ich danke Ihnen zum Voraus herzlich für alle Schritte, die Sie meinetwegen thun. Mehr als danken kann ich nicht, außer auch das Versprechen geben, daß es mein Streben sein soll mich der geleisteten Hülfe nach Kräften werth zu zeigen.

Ihre Landskunde hab ich mir gleich nach dem Erscheinen ange­schafft und mich an der reichen Arbeit gefreut Das Land wird Ihnen dafür dankbar bleiben. Ich möchte die Schrift in allen Schulen sehen und habe mein Exemplar gleich dem Lehrer hier gegeben. Ein Anderes schickte ich dem Übersetzer der Sonderlinge Herrn Grottendieck nach Alkmar, als mich dieser um die besten Schriften über meine Heimat bath, die er im nächsten Sommer zu besuchen denkt.

Vielleicht finden Sie wieder einmal Zeit, den Einsamen, Einge­schneiten mit einigen Zeilen von Ihnen zu erfreuen. Sehr bedauerte ich immer, daß es mir nicht mehr vergönnt war, Sie und die lieben Ihrigen persönlich kennen zu lernen. Grüßen Sie mir alle herzlich und nehmen Sie für alles was Sie für mich thun den tiefgefühltesten Dank

Ihres ergebensten Landsmanns Franz Michael Felder

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