VON FRANZ XAVER JOCHUM AUS WIEN

lfndenr: 
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1. April 1862

Vielgeliebter Freund!

Deinen Brief vom 30. l.M. habe ich richtig erhalten. Es hat mich sehr gefreut, zu erfahren, daß Du so zufrieden und glücklich lebst, und daß es auch Keinem meiner ändern Bekannten schlecht geht. Eine Antwort auf meinen letzten Brief habe ich auch nicht viel früher erwartet, denn ich weiß recht gut, daß Du mir in Bezug auf fleißige Correspondenz so ziemlich ähnlich bist; und meine Nachläßigkeit kann Dir unmöglich unbekannt sein, obwohl ich hoffe, daß Du deß­halb noch nie an meiner Freundschaft gezweifelt hast. Häufig ist diese einem Bache ähnlich; der stille gründet tief, während der seichte viel Lärm macht.

Ich erinnere mich noch recht lebhaft, wie wir, ich und Du, über den Pfarrer ungehalten waren, daß er Deiner Neigung zum studieren entgegen trat; deßhalb bin ich jetzt nicht mehr im geringsten böse auf ihn, denn ich glaube, daß Du so viel glücklicher und zufriedener lebst, als wenn Du Student geworden wärest. Dabei verwahre ich mich natürlich ent­schieden, ein Anhänger der Verdummungssüchtigen zu sein; nur daß er Dich vom regelmäßigen Studium abhielt, verzeihe ich ihm gerne. Während Deiner Studien hättest Du vermuth­lich Dein Vermögen verbraucht, wenigstens den größten Theil, und wärest ungefähr in der nämlichen Lage wie ich, nun aber halte ich Dich für viel glücklicher als mich, deßhalb glaube ich, es sei gut für Dich gewesen, zu Hause zu bleiben. Zudem sind Dir deßhalb die Wissenschaften nicht fremd geblieben, und Du kannst Dich auf das verlegen, was Dir am besten zusagt, während unser einer das studieren muß, was man von ihm fordert, und womit er sich das Brot verdienen kann.

An der Seite einer klugen und ohne Zweifel auch mit ändern Vorzügen begabten Frau führst Du ein beneidenswerthes, idillisches Leben. Ihr Brief an mich hat mich wirklich über­rascht. Einen so ungekünstelten, flüßigen Stiel, den Schwung der Rede, und die strenge Logik hätte ich bei einem Frauen­zimmer im Bregenzerwald nicht gesucht. Gegen meine son­stige Gewohnheit las ich ihren Brief mehreren Bekannten vor, aber keiner wollte mir glauben, daß dies aus der Feder einer jungen Frau von Schoppernau gefloßen sei, und alle behaup­teten, daß es wenigstens von einem ändern aufgesetzt sei, was ich aber natürlich bestreiten mußte, und gewieß auch mit Recht that.

Wenn ich oben sagte, daß ich Dich für viel glücklicher halte, als mich, so darfst Du das nicht so verstehen, daß ich mich unglücklich fühle; auch ich bin im ganzen zufrieden. Aller­dings war ich den Winter hindurch längere Zeit kränklich, und habe die Blatern im Spitale überstanden, aber jetzt bin ich wieder völlig hergestellt. Meine Finanzen stehen zwar nicht glänzend, aber ich habe doch immer so viel erworben, als ich nothwendig brauchte, u. hoffe, daß es wenigstens nicht schlechter wird. Ob ich ein Stipendium beziehen werde, ist noch nicht sicher; mein Gesuch ist wenigstens bei der Statt­halterei eingereicht.

Zu was ich mich nach Vollendung der Studien wenden werde, u. wann ich wieder einmal Dich persönlich besuchen werde, kann ich Dir auch jetzt noch nicht mit Bestimmtheit anzeigen. Sobald es thunlich ist, werde ich mit Freuden in meine ferne Heimat eilen, und Dich und meine ändern Bekannten u. Ver­wandten aufsuchen.

Ich spreche hiermit auch meinen verbindlichsten Dank aus für das dem letzten Briefe Beigebogene. Indem ich Deiner ändern Ehehälfte ihre schönen Zeilen eigens beantworte, hoffe ich keine Eifersucht in Dir zu er­regen, um so weniger, weil ich sie zu kennen noch nicht die Ehre habe. Daher ersuche ich Dich ihr u. auch meiner Mutter beiliegende Briefchen einzuhändigen.

Dich, Deine Frau, Deine u. meine Mutter, so wie auch die ändern Bekannten grüßt herzlich Dein Dich ewig liebender Freund

Jochum Franz

BEILAGE: FRANZ XAVER JOCHUM AN ANNA KATHARINA FELDER

Wien 25/4 1862.

Wohl geboren Frau Anna Katharina Felder pr bonte

Geehrte Freundin!

Schon lange sehnte ich mich, Dich, die Gemahlin meines alten Freundes, kennen zu lernen. Daher war es mir sehr angenehm, von Dir einige Zeilen zu erhalten. Wenn es wahr ist, was manche behaupten, daß man aus einem Briefe eine Person, besonders ein Frauenzimmer, richtiger beurtheilen kann, als durch längeren persönlichen Umgang, und wenn diese Gabe auch mir inne wohnt, so habe ich mich an dem guten Geschmacke meines Freundes auch nicht im geringsten getäuscht. Damals als ich mit der Marie auf Krumbach mich mit etwas Vorliebe beim Tanze beschäftigte, ist es auch mir nicht eingefallen, daß ich einmal ihrer Schwester schreiben werde, noch viel weniger, daß eine solche sich mit dem Franz Michel verheirathen werde. Hätte ich vor der Abreise aus unserer Heimat gewußt, daß Deines Mannes Besuche in Reh­men so ernster Natur wären, und daß ich so lange nicht mehr nach Hause kommen werde, so würde ich mir die Freiheit genommen haben, ihn einmal wenn auch ungeladen bis in Dein väterliches Haus oder auf die Alp zu begleiten, oder ich hätte ihn einmal so im Vorbeigehen abgeholt, um Dich per­sönlich kennen zu lernen. Daß dies bei meiner nächsten Reise in die Heimat geschehen wird, indem ich Deine freundliche Einladung mit Freuden annehme, braucht wohl kaum erwähnt zu werden. Die Zeit kann ich aber leider noch nicht genau bestimmen.

Aus Euern Briefen ersehe ich, daß Du mit Deinem Manne häufig gemeinsame Lektür betreibst, wohl auch vielleicht an seiner schriftstellerischen Thätigkeit Theil nimmst. Dies ist Beides sehr schön, u. es wäre zu wünschen, daß es mehr Nachahmung finden würde, als wirklich der Fall ist. Ich weiß auch, daß Dein Mann schon vor Jahren mit Geschick kleinere Stücke schrieb, die vermuthlich noch unter seinen Pappieren zu finden sind. Ich würde an seiner Stelle nun einmal etwas an die Öffentlichkeit befördern, und dieses würde ich auf folgende Weise angehen: Zuerst würde ich einige ganz kurze sorgfältig bearbeitete Stücke an eine oder mehrere Zeitungs­Redactionen schicken, welche ähnliche Sachen herausgeben, und würde ihnen die Wahl lassen, ob sie davon Gebrauch machen oder nicht; ist dies einmal gelungen, so kann man später auch größere Stücke z. B. „Die Dorfgeschichte" unend­geldlich herausgeben, u. wird mit der Zeit, wenn die Arbeit gefällt, auch honorirt. Ein Versuch kann nichts schaden, u. es ist höchstens die Briefmarke hin.

Mir geht es im Ganzen gut. Ich hoffe, daß es nicht mehr lange dauern  wird,  bis  ich  Gelegenheit finden  werde,  Dich   in Schoppernau zu besuchen und persönlich kennen zu lernen. Indessen grüße ich Dich vielmals Dein Freund

Jochum Franz Jurist.

Keine