KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
62
8. November 1862

 

Lieber Freund!

Mit innigem Interesse habe ich die Bemerkungen des Herrn Stettner über Dein ihm mitgeteiltes Manuskript gelesen. Daß ihn das Werk selbst: die Anlage und Ausführung, befriedigt, mag Dich in der Hoffnung befestigen, daß es der Lesewelt der Dorfgeschichte und überhaupt jedem, der an den sozialen Zuständen unserer Zeit Interesse hat, zusagen wird. - Die Ausstellungen betreffen nur den formellen Teil. Du fragst mich, was ich zu demselben sage? - Wie ich das Wesen der Dorfgeschichte im allgemeinen und das der Deinigen insbesondere auffasse, ist die Form, die Du gewählt hast, dem Inhalte in viel höherem Grade angemessen, als die Herr Stettner anempfiehlt. Die Dorfgeschichte schildert, wie schon der Name sagt, das Volk auf dem Lande und hat den Zweck, dessen Wesen und Eigenart der s. g. gebildeten Welt vorzuführen, um so zwischen den vorher zu stark geschiedenen zwei Hauptfaktoren unserer Gesellschaft: Stadt und Land zu vermitteln. Ihr Zweck ist daher ein vermittelnder. Demgemäß darf sie weder die reine Dorfsprache sprechen, noch die der Gebildeten, d. h. die hochdeutsche, sonst spräche sie die Sprache der einen Partei, wäre parteiisch. Sie muß den Gebildeten, den Hochdeutschsprechenden, leicht verständlich sein und das Wesen des Landvolks widerspiegeln. Dies geschieht, wenn der Erzähler überall, wo des Landvolks eigene Denkungsart sich eigene Ausdrücke und Redeweisen schuf, die das Hochdeutsche nicht oder anders kennt, vom Hochdeutschen abweicht und den vom Gegenstand der Erzählung geforderten Ausdruck wählt. Zur Verständlichung sind dann die Anmerkungen am Platze. Die Gespräche etc. müssen daher nicht weniger diese Mischungssprache - die immerhin eine reindeutsche ist - zeigen, als die Erzählung selbst. Du siehst dies auch bei dem Kernigsten der Dorfgeschichtschreiber, bei Jeremias Gotthelf, wie auch bei Auerbach. Was die Bemerkungen wegen der Orthographie anbelangt, magst Du ruhig die Kritik der Lesewelt abwarten und es getrost unseren „Motla" überlassen, sich zu wehren, daß man sie nicht „Moadla" schimpfen soll. Und betreffs des Wörterbuches möchte ich im Interesse der Wahrheit jene, die bisher über die Wäldersprache schrieben, lieber an Dich, als Dich an sie verweisen. -

Dies ist meine Meinung, mach aber, wie Du willst. Ein Schriftsteller muß auf eigenen Füßen stehen. - Den mitgeteilten Brief schließ ich bei und wünsche Dir den Erfolg, den Dein Unternehmen verdient. Mit Gruß Dein Freund

Kaspar Moosbrugger

Keine