VON JOHANN THOMAS STETTNER AUS LINDAU

lfndenr: 
61
29. Oktober 1862

Werthester Herr Felder!

Ihr Manuscript habe ich mit größtem Intresse aufmerksam durchgelesen und erstatte Ihnen somit, in Beantwortung Ihres Werthen vom 17. August, Bericht.

Was Anlage u. Schilderung Ihres „Lebensbildes" betrifft, so haben dieselben einen guten Eindruck auf mich gemacht und haben Sie den Zweck einer Dorfgeschichte vollkommen erreicht. Jedoch mache ich Sie auf folgendes aufmerksam. Die Erzählung müßte nothwendig in hochdeutscher Sprache durchgeführt werden, die Gespräche und Stellen, wo Sie andere reden lassen, wären dagegen in Wälderdialect conse­quent auszuarbeiten. Bringen Sie in der fortlaufenden Erzäh­lung Redensarten u. Worte vor, welche den Bregenzerwald characterisiren und zu seinen Eigentümlichkeiten zählen, so müssen dieselben natürlich im Wälderdialect angeführt, wohl aber apostrophirt werden. Lesen Sie gefl. im „Auerbach" nach und Sie werden sehen, daß dessen Dorfgeschichten in dersel­ben Art u. Weise geschrieben sind. Ferner wäre noch zu wün­schen, daß die Orthographie des Wälderdialects präziser angegeben würde. Am Besten wäre es freilich, wenn die Worte ebenso geschrieben würden, als man sie spricht. So z.B. das Wort „Motol, Motla"; wäre da nicht richtiger „Moadia"? Vielleicht haben sie einen Bekannten, der die Wäl­dersprache genauer studirt hat, mit dem Sie sich in's Beneh­men setzen können, oder es existirt wohl ein Wörterbuch, nach dem Sie das Sprachliche consequent berichtigen könn­ten.

Den meisten schwer zu verstehenden Wörtern der Wälder­sprache haben Sie auf gleicher Seite erklärende Bemerkungen beigefügt. Ich möchte Ihnen aber vorschlagen, statt dessen ein kleines Wörterbuch anzufertigen, was Ihrem Werke als Anhang diente. Da Sie doch die Bemerkungen bei wiederkeh­renden Worten nicht wiederholen können, so würde die von mir angegebene Weise zur Bequemlichkeit der Leser wohl angebracht sein.

Bindewörter wie „herentgegen" dürften durch „dagegen" ersetzt werden und Wiederholungen bei Satzeingängen zu vermeiden sein.

Das sind die Hauptsachen, wo eine Verbesserung wünschens­werth ist. Haben Sie die Güte und gehen Sie Ihr Werk noch­mals recht genau durch und berücksichtigen Sie dabei die wenigen Bemerkungen, welche ich Ihnen machte. Nun erkläre ich Ihnen auch, daß ich gern bereit bin, Ihr Werk zu verlegen und wollte ich Sie gebeten haben, mir Ihre Ansprüche auf Freiexemplare oder wenn Sie sonst Wünsche haben, mittheilen zu wollen. Ich dagegen würde Ihnen die Versicherung geben, daß das Buch elegant gedruckt und aus­gestattet wird. Das Format würde wie das von Herzog's „Idea­list" und „Maria" sein und die Zahl der Druckbogen sich auf ohngefähr 15 belaufen. Der Druck kommt mir bei Ihrem Werke viel höher, als bei ändern, weil das Setzen eines Sprachdialects vielmehr Zeit in Anspruch nimmt als bei einer reinen Sprache.

Ich erlaube mir nun noch die Anfrage, auf welchem Wege ich Ihnen  das  Manuscript senden  darf, der Druck wird  dann sogleich beginnen, wenn ich es von Ihnen zurückerhalte. Es empfiehlt sich Ihnen freundschaftlichst mit vollster Hoch­achtung Ihr ergebenster

Joh. Thom. Stettner.

Keine