KASPAR MOOSBRUGGER AN FRANZ MICHAEL FELDER

lfndenr: 
153
20. August 1865

Lieber Freund!

Das Paket samt brieflichem Inhalt habe ich erhalten. - Der Doktor Waibel teilte mir folgendes mit: Der Augenoperateur, den Du meinst, Doktor Koller aus Wien, sei jetzt eben dran zu heiraten und werde eine größere Reise machen, weshalb es sehr unwahrscheinlich sei, daß er heuer hieher komme. Wenn Dein Bäsle wirklich am Star leide, sei er - Waibel ­bereit, denselben zu stechen und die Operation zu über­nehmen. Er sagt, man meine manchmal, ein Augenleiden sei der Star, und bei der Untersuchung zeige sich ein anderes Leiden. Er gibt daher folgenden Rat: Das Bäsle möge heraus­kommen und sich untersuchen lassen, es soll aber bereit sein, entweder längere Zeit, bis zur Heilung, hier zu bleiben, oder von hier nach München zu reisen. Wenn es den Star habe, so übernehme er es zur Heilung ohne Anstand, wenn es ein Leiden habe, das er sich nicht zu kurieren getraue, so werde er demselben die weitere Anweisung geben. ­Hiezu meine ich folgendes:

Doktor Waibel ist ein sehr geschulter und gebildeter Mann, ein eifriger Anhänger der Wiener Schule. Daß die medi­zinische Wiener Schule die erste in Deutschland und vielleicht in der Welt ist, ist bekannt. Er gilt nebst Dr. Schmid für den besten Arzt dahier. Ich würde das Bäsle ihm ohne Bedenken anvertrauen und jedenfalls lieber als einem Münchner Arzt. Er würde zum Starstechen wahrscheinlich den Schmid oder Müller von Bregenz beiziehen, die beide in diesem Fach auch praktisch sind. Daß die Kur längere Zeit fordert, wirst Du wissen, da es sich nicht bloß um das Stechen und Entfernen des Stars handelt, sondern auch um allmähliche Angewöh­nung des Auges an das Licht, was nur methodisch ge­schehen darf. Dem Doktor Koller mußte man für eine Kur 50 Fl. ö. W. zahlen und sich selbst verpflegen. Was es beim Waibel kostet, weiß ich nicht, aber jedenfalls kostet es Geld, womit Du das Mädchen oder dessen Begleitung ausrüsten mußt.-

Die Blumenlese aus der Predigt halte ich nicht geheim und ich weiß schon nicht, wohin sie wandert, da ich dem Waibel erlaubte, sie auf seinen Wunsch abzuschreiben. Waibel hat auch gemeint, der Professor Häfele von Hohenems, der jetzt da ist, hätte Zeit, Dein Manuskript zu lesen und zu kritisieren, ich weiß nicht, ob ich es ihm geben soll. Meusburger ist noch nicht zu Ende gekommen. Den Brief nach Krumbach wirst Du befördert haben.

Sonst nichts Neues, als daß wir auf die Überschattung warten, wodurch wir befähigt werden, das zu fassen, was Du  uns sagen wirst. ­Dein Freund

K. Moosbrugger

Keine